Fernab in einer ländlichen Gegend im Süden Italiens, liegt ein alter Bauernhof aus dem 12. Jahrhundert. Es ist ein ganz besonderer Bauernhof. Über der Eingangstüre hängt ein altes verwittertes Holzschild mit dem Schriftzug:PICOLINO.
Picolino ist ein verschwiegenes Paradies mit magischen Kräften. In und um Picolino leben außergewöhnliche Menschen .Gäste die schon einmal in Picolino übernachtet haben verlassen diesen Ort verwandelt, und manche gehen nie wieder fort.
Zu dem Land von Picolino gehört der alte Bauernhof, ein Hügel der vergessenen Träume, das Feld des Echos, und der Ort der Geheimnisse, man muss nur daran glauben.
Ob es Frühling, Sommer, Herbst oder Winter ist, hier sind die 4 Jahreszeiten schöner als anderswo.
Menschen die diesen magischen Ort besuchen sind einsam, verletzt und müde vom Leben. Und da ist die Weihnachtszeit die schwerste Zeit des Jahres. Aber hier auf Picolino ist alles einfacher zu ertragen. Hier ist man mit seinem Schicksal nicht alleine.
Es ist der 23. Dezember, und so langsam treffen die Gäste aus Deutschland ein. In der Nacht hatte es geschneit und Picolino in ein Schneeparadies verwandelt. Innen knistert der Kamin und es riecht nach frisch gebackenem Brot. Francesca, die gute Seele des Hauses begrüßt ihre Gäste ganz herzlich. Doch so sehr sie sich auch bemühte es wollte keine Feierstimmung aufkommen. Die Gäste bezogen schweigsam ihre Zimmer. Doch Francesca wusste das die Stimmung sich sehr schnell ändern würde. Sie mussten erst einmal zur Ruhe kommen und ihre schweren Gedanken ablegen. Francesca beschloss die Pferde vor die Kutsche zu spannen und in dem kleinen Delikatessenladen unten im Ort die Zutaten für das Weihnachtsessen einzukaufen. Auf dem Rückweg sang Francesca alte italienische Weihnachtslieder, und die Glocken die an der Kutsche befestigt waren, bimmelten zu ihrem Text.
Es ist der 24. Dezember, Heiligabend. Bei einem kräftigen Frühstück kamen sich die Gäste schon etwas näher, und sie beschlossen gemeinsam einen ausgiebigen Spaziergang durch die verschneite Landschaft zu machen. Da das Mittagessen ausfiel hatten sie alle Zeit der Welt.
Francesca hatte alle Hände voll zu tun. In dem großen Wohnzimmer direkt neben dem Kamin stellte sie den Weihnachtsbaum auf. Dicke rote Kugeln goldene Engel und Kerzen ließen den Baum erstrahlen. Der große alte Bauerntisch stand mitten im Raum. Nur einmal im Jahr holte Francesca ihre weiße bestickte Leinentischdecke aus dem Schrank. Das beste Geschirr und das alte Silber, Kristallgläser und kleine silberne Elche schmückten die Tafel. Diese Gäste brauchten eine ganz besondere Atmosphäre, und deshalb hatte sie das Weihnachtsfest nach den Vorstellungen der deutschen Gäste ausgerichtet. Hier sollten sie ihre Sorgen und Nöte für ein paar Tage vergessen.
In der Küche wartete eine Menge Arbeit auf Francesca, doch sie hatte alles im Griff. Und sie sang, sie sag den ganzen Tag. Zuerst bereitete sie eine Suppe zu, eine Suppe die die Sonne im Herzen auf und in der Seele untergehen lässt. Dann sollte es Funghi Misti in Umido (Gedünstete Waldpilze) geben.
Weiter hatte sie eine Faranona Al Melograno( Perlhuhn mit Granatapfelsoße) im Ofen. Dann hatte sie sich gedacht eine Petto D`Anitra Al Mango ( Entenbrust mit Mango) zu servieren. Und zum krönenden Abschluss eine Torta Di Nocciole ( einen Haselnusskuchen).
So gegen 16 Uhr trafen die Gäste wieder auf Picolino ein. Francesca hatte die große Schiebetüre zum Wohnzimmer geschlossen, damit keiner einen Blick riskieren konnte. Durch die verschlossene Küchentüre duftete es bis in die einzelnen Gästezimmer des Hauses. Die Gäste zogen sich zurück um sich für das Christkind fein zu machen, wie sie sagten. Die Männer zogen ihren besten Anzug an, und die Frauen ihre schönsten Kleider. Doch in ihren Seelen war die Feierstimmung noch nicht so ganz angekommen.
Auch Francesca hatte sich für das Christkind umgezogen. Dann war sie ins Wohnzimmer gegangen und hatte die Kerzen angezündet, der Kamin knisterte leise, und als sie aus dem Fenster sah, schneite es wieder. Schneeflocken tanzten sachte durch die Luft, und setzten sich auf die Zweige. Francesca konnte sich nicht daran erinnern das es hier zu Weihnachten schon einmal so geschneit hatte.
Die Glocken der alten Kirche unten im Ort läuteten, und aus dem Wald hörte man lautes Hundegebell.
Francesca öffnete die große Schiebetüre des Wohnzimmers, nahm die kleine Glocke in die Hand, und forderte die Gäste auf in die gute Stube zu kommen. Hintereinander betraten sie den Raum, überwältigt von der Schönheit des Baumes. Jetzt war Weihnachten und keiner von ihnen war alleine. Alle standen um den Tannenbaum herum und sangen alte Weihnachtslieder teils auf Deutsch und teils auf Italienisch. Dann umarmten sie sich und wünschen sich auf italienisch „Buon Natale“ Es war eine behagliche Stimmung. Für jeden Gast hatte Francesca selbst gebastelte Geschenke, doch das schönste Geschenk an diesem Abend war nicht alleine zu sein.
Sie setzten sich an die große Tafel, und Francesca begann mit der Suppe. Und schon kurz nach der Suppe herrschte am Tisch eine aufgelockerte Stimmung. Francesca hatte die Suppe mit ganz besonderen Kräutern gewürzt. Nach dem zweiten Gang begannen auch die Schweigsamen zu reden. Auch der dritte Gang verfehlte seine Wirkung nicht, die Gäste blühten förmlich auf. Einige saßen mit hochrotem Kopf und heftigen Herzklopfen am Tisch. Der kräftige Rotwein hatte sicherlich auch seinen Teil dazu beigetragen. Francesca war zufrieden, ihre Kochkünste hatten ihre Wirkung getan.
Sie saßen nach dem Essen stundenlang am Kamin, und sie erzählten sich alte Weihnachtsgeschichten. Francesca erzählte Geschichten aus ihrer Kindheit hier in Italien, und die Gäste hörten ihr gebannt zu. Ihre Geschichten waren Besonders, so wie alles hier an diesem Ort Besonders war.
Wie reich sie doch beschenkt wurden. Keiner von ihnen musste das Weihnachtsfest alleine feiern. Die düsteren Gedanken waren verfolgen. Es herrschte eine fröhliche Stimmung. Und Francesca war glücklich, glücklich darüber das sie es wieder einmal geschafft hatte unglückliche Menschen glücklich zu machen, wenn auch nur für eine gewisse Zeit.
So verbrachten sie eine Woche voller Glückseligkeit.
Am letzten Tag sah Francesca ihre Gäste am Hügel der vergessenen Träume stehen, manche besuchten das Feld des Echos, und andere wiederum suchten den Ort der Geheimnisse auf. Diese magischen Orte hatten ihre Gäste verwandelt. Jeder für sich verabschiedete sich ganz leise von Picolino.
Arrivederci.
Doch dann kam der Tag der Abreise, sie versprachen sich das nächste Weihnachtsfest wieder hier auf Picolino zu verbringen. Sie stampften durch den Schnee und sahen sich noch ein letztes Mal um. Dann bestiegen sie schweigsam die Pferdekutsche, es war ein Abschied der schwer fiel, doch kein Abschied für immer.
Tag der Veröffentlichung: 28.10.2015
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