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BookRix-Interview mit Stephanie Berth Escriva

In diesem Interview befragen wir eine ganz besondere Autorin, die mit ihrer kreativen Art unsere Community sehr bereichert. Sie schreibt nicht nur, sondern malt auch seit frühester Kindheit. Seit vielen Jahren lebt sie nun der Liebe wegen in Frankreich. Doch wenn es um die Sprache ihrer Bücher geht, kommt sie gerne wieder aufs Deutsche zurück. Eine interessante Persönlichkeit. Daher freuen wir uns sehr, dass Du Dich heute für unser Interview zur Verfügung gestellt hast, Stephanie. Beginnen wir gleich mit der ersten Frage:

1. Was hat Dich dazu bewogen, mit dem Schreiben zu beginnen?

Ich fing sehr früh an, Geschichten nach meinen Vorstellungen aufzuschreiben. Noch bevor ich wirklich schreiben konnte, wollte ich mit meinen Zeichnungen Erzählungen darstellen. Mein Vater erinnert sich gerne daran. Er wollte mir klar machen, was für schöne farbenfrohe Bilder man auf einem großen Blatt Papier malen kann. Für mich bot ein großes weißes Blatt viel Raum, um eine neue Geschichte zu erzählen. Ein paar dieser Zeichnungen hat er sogar aufbewahrt. Damals war für mich eine Geschichte von einem Zwillingspaar, einem Bruder und einer Schwester sehr wichtig. Ich zeichnete ganz alltägliche Begebenheiten, später wurden die immer fantastischer, mit Tieren, die sprechen können, Baumblättern, die ihre Abenteuer erzählen und so weiter.

Ich liebte Legenden von Robin Hood und dachte mir meine eigenen aus. Aber auch Sagen und Märchen begeisterten mich. Sobald ich etwas davon zu hören oder zu lesen bekam, sog ich das wie ein Schwamm auf. Als Jugendliche schleppte ich meine jüngere Schwester zu den Erzählnachmittagen von Rafik Schami. Ich denke, ich habe jeder seiner Vorstellungen damals in Bad Wildungen mit gelauscht. Eine Geschichte, die in eine andere übergreift, das war für mich wie ein gefundenes Fressen.

Pferde spielten in meiner Vorstellungswelt immer eine sehr große Rolle. Stolz und gutmütig, kraftvoll und magisch, treu und tapfer, so stellte ich diese unwirklichen vierbeinigen Helden vor.

Wenn ich mit Freunden zusammenspielte, hatte ich für jeden eine Rolle parat und wir spielten Nachmittage lang regelrechte Fortsetzungen. Die Kinder aus meiner Nachbarschaft, meine Spielkameraden, hauptsächlich Jungs, waren begeistert von meinen Ideen. Wir lebten in einem Neubaugebiet und verfügten über riesige Gelände mit damals noch wüst bewachsenen Grundstücken. Unsere fieberhaften Spiele zogen sich über einen weiträumigen Bezirk. Wir hatten eine gewisse Freiheit und fühlten uns wie Helden. Später, in Bad Wildungen lebten wir nahe an einem dichten Wald. Ich liebte es, da stundenlang über Kilometer weit zu laufen. Ich war und bin eine ausdauernde Läuferin. Wenn ich mich daran erinnere, habe ich mir immer meine Freiheiten genommen. Im Grunde würde jeder sagen, wie gefährlich es sei, alleine solche Ausflüge zu unternehmen, zumal es damals noch keine Handys gab. Aber ich fühlte mich unbesiegbar. Ich bin merkwürdigerweise ein sehr vorsichtiger und misstrauischer Mensch. Im Wald kannte ich meine eigenen Wege und konnte mich leise genug fortbewegen, um ab und zu wilde Tiere zu beobachten. Manchmal wollte ich Freunde auf meine Spaziergänge mitnehmen, aber das klappte nie, weil die nicht so weit laufen wollten, sich langweilten und den Wald überhaupt nicht verstanden. Also konnte ich meine Beobachtungen, meine Naturverbundenheit nicht mit anderen teilen. Wahrscheinlich habe ich aus diesem Grund angefangen, den Wald Merim zu beschreiben …

Irgendwann ist mir klar geworden, dass ich schreibe, weil keiner zuhört.

Es kam auch vor, dass ich beim Lesen eines Buches einfach abschaltete und mir meine eigene Geschichte ausdachte. Besonders gerne mochte ich die alte Fernsehserie ‚Fury‘, ich war begeistert von dem schlauen schwarzen Pferd. Ich las liebend gerne die alten Bücher aus der Jugend meines Vaters, wie zum Beispiel ‚Fury‘, ‚Rappenschön‘ oder ‚Der schwarze Hengst Bento‘. Daraus entstanden eine Reihe eigener Geschichten, so wie ich mir das vorstellte.

2. In Deinem Vorstellungstext schreibst Du, dass Du nach Frankreich ausgewandert bist. Schreibst Du nun auch auf Französisch?

Noch nicht, aber ich denke mir meine Geschichten und Dialoge auf Französisch aus. Das ist dann manchmal schwierig, die zu übersetzen. Aber ich liebe es, in meiner Muttersprache zu schreiben. Damit habe ich allerhand zu tun. Es gibt mir auch eine gewisse Freiheit, weil so die Leute (Nachbarn, Kollegen, Bekannte, …) aus meinem normalen Leben meine Geschichten nicht lesen können. Sie sagen zwar, dass sie das gerne tun würden, aber es ist besser, wenn ich die einfach nur erzähle, wenn sich die Möglichkeit dazu ergibt. Ich meine, ich schreibe auch erotische Texte. Es muss nicht unbedingt sein, dass die Nachbarn und die Mütter der Freundinnen meiner Töchter das lesen. Es würde mich nicht stören, aber die Leute reden zu viel. Insofern ist die Sprachbarriere sehr praktisch – grins -.

3. Hast Du schon versucht oder planst Du, in französischen Zeitschriften, Anthologien oder Verlagen zu veröffentlichen?

Nein, ich finde es in Frankreich viel schwieriger, für werdende Autoren an Veröffentlichungen zu kommen. Da muss man von der Schule oder der Familie aus die richtigen Leute kennen, sonst hat man überhaupt keine Chance. Bücher sind teurer als in Deutschland. Viele wissen hier gar nicht, dass man selbst seine Texte veröffentlichen kann, oder sie trauen dem nicht. Sie haben Angst, kopiert zu werden. Im Großen und Ganzen habe ich den Eindruck, dass die Entwicklung bezüglich der Nutzung des Internets in diesem Land noch nicht so weit entwickelt ist … aber das darf ich meinen französischen Freunden nicht sagen, sonst sind sie beleidigt – lächel.

Vorläufig konzentriere ich mich auf das Schreiben deutscher Texte. Ich habe genug damit und mit der Musik meines Mannes zu tun. Ich helfe ihm nämlich, wo ich nur kann, seine Kreationen unter die Menschen zu bringen. Gemeinsam haben wir ein Album produziert. Immer eins nach dem anderen. Alles andere wird sich zeigen.

4. Gibt es etwas, was Du an Deutschland vermisst?

Hm, gute Frage. Ich bin ein sehr dramatischer, leidenschaftlicher Mensch. Dort wo ich in Deutschland gelebt habe (Nordhessen) war mein Charakter für die meisten Leute eher anstrengend. Hier in Frankreich habe ich den Vorteil, dass ich Deutsche bin und man es mir nachsieht, wenn ich mich nicht so wie andere verhalte. Wenn ich wieder nach Deutschland zurückkomme, bin ich die, die in Frankreich lebt, also sieht man mir meine verrückte Art nach, findet sie vielleicht sogar ‚angenehm französisch‘.

Es ist schwer für mich zu sagen, was ich in Deutschland vermisse, weil das Leben in Frankreich ziemlich hart ist. Außerdem kann man das Leben auf einer eher ländlichen Gegend wie Nordhessen schwer mit dem Leben in Paris vergleichen … Im Laufe der Zeit sind mir derartig viele Vor- und Nachteile in den jeweiligen Lebensarten klar geworden, dass ich nicht sagen kann, wo es besser sein soll. Was ein riesiger Vorteil hier in Frankreich und besonders in Paris und Umfeld ist, dass es für Kinder allen Alters ganztägliche Betreuungen gibt und es ganz normal ist, dass Mütter voll arbeiten, Karriere machen, sich um ihre Interessen kümmern. Es ist nicht alles rosig hier, im Gegenteil. Für das Wohnen und die Betreuung der Kinder geht wirklich viel Geld drauf. Wenn ich das meinen deutschen Bekannten versuche vorzurechnen, glauben die mir oft gar nicht. Aber es geht irgendwie. Wir schlagen uns durch – lächel -.

5. Fragst Du Dich manchmal, wie Dein (Schriftsteller-)Leben verlaufen wäre, wenn Du in Deutschland geblieben wärst?

Ein großer Schriftsteller sagte mal, wenn man schreiben will, muss man auch etwas erleben. Ich denke, das ist keine schlechte Idee. Natürlich wäre mein Leben anders verlaufen. Ich wäre nicht zweisprachig geworden und würde mittlerweile ein sehr mangelhaftes Französisch sprechen, wie die meisten Deutschen, die mal gerne nach Frankreich in den Urlaub fahren – lach.

Eigentlich stelle ich mir diese Frage nie, weil mir die Idee „was wäre, wenn„ nicht gefällt. Ich habe Entscheidungen getroffen und so wird das auch in Zukunft sein. Ich mag es nicht, wenn man meint, alles sei vom Schicksal vorprogrammiert und man könnte daran nichts ändern. Ich kenne Menschen, die haben viel bessere Ausgangsbasen wie ich und realisieren ihre Projekte nie. Und andere wiederrum, die wirklich keine guten Startmöglichkeiten hatten und tolle Sachen auf die Beine gestellt haben. Es gibt viel zu tun, gehen wir’s an.

Auf jeden Fall sehe ich einen Vorteil darin, als Schriftsteller zweisprachig zu leben, denn man geht viel kritischer an die eigene Muttersprache ran. Es gibt Ausdrücke in Fremdsprachen, die im Deutschen nicht gebraucht werden, es aber genau auf den Punkt bringen. Als Schriftsteller ist es die Aufgabe, es auf den Punkt zu bringen und die Sprache so zu benutzen, dass es für den Leser so klar wie möglich erscheint.

6. Welches Land/Welchen Ort würdest Du wählen, wenn Du drei Monate Urlaub zum Schreiben nehmen könntest?

Jetzt so ganz spontan … New York! Drei Monate mit meiner Familie, das wäre echt super und dann wieder zurück in den Wald von Fontainebleau, wo ich momentan lebe. Warum New York? Ich hatte die Möglichkeit, mehrere Male dort ein paar Tage zu verbringen und zu arbeiten. Ich habe mich in den vergangenen 17 Jahren an das Zusammenleben mit den Leuten aus Paris gewöhnt. Pariser und New Yorker verstehen sich meistens recht gut. Da ist dieses tragische, dramatische Dasein, diese unglaublichen Gegensätze, die Dichte der vielen Menschen, eine Vielfalt von Kreativität und die gesamte Geschichte der Stadt.

Ich liebe die Natur, den Wald, die Pferde, die Ausritte aber ich fühle mich in Städten wie New York und Paris sehr wohl. Das Leben dort gleicht oft einem Überlebenskampf und auf der anderen Seite kann man so viele liebenswerte Leute treffen, die Köpfe vollgeballert mit abgefahrenen Ideen und Weltanschauungen. Man muss ein wenig verrückt sein, um gerne in so einer Stadt zu leben. Zum Schreiben ist das sehr bereichernd. Diese Energie, irgendwie kommt man da nie zum Schlaf, gegessen wird zwischendurch, alles geht sehr schnell, man verbringt viel Zeit in der Metro oder im Zug. Da kann man schreiben und lesen. Oder all diese Kaffees und Restaurants, in denen Leute arbeiten, die alle eine Geschichte und versteckte Träume mit sich tragen und gerne darüber berichten, wenn man sie dazu einlädt. Ich habe mal eine Geschichte geschrieben, dazu inspirierte mich mein Friseur.

Der war eigentlich Musiker und komponierte seine eigenen Songs. Doch das Musikgeschäft ist mindestens genauso lausig und schwer wie die Welt der schreibenden Menschen. Also hat der gute Mann von seinem Brotjob nie abgelassen, in London gearbeitet und in Paris einen Laden aufgemacht. Darin stand ein Klavier, er spielte unglaublich gut und man spürte diese Wut, dass er in seinem eigenen Laden eingesperrt war und es ihm irgendwie nicht so richtig gelingen wollte, sich einzureden, dass er glücklich sein sollte …

7. Welches Buch würdest Du gerne einmal lesen, wirst es aber wahrscheinlich nie?

Warum das? Wenn ein Buch meine Neugierigkeit erweckt hat, werde ich es früher oder später irgendwann lesen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Wahrscheinlich werde ich in meinem Leben nicht über genügend Zeit verfügen, all die Bücher zu lesen, die mich wirklich unglaublich interessieren.

8. Mit welchem Autor würdest Du rein schriftstellerisch betrachtet am liebsten tauschen?

Paul Auster, wahrscheinlich, weil der eine wundervolle Epoche in New York gekannt und erlebt hat. Zum Beispiel mit seiner berühmten New Yorker Trilogie, seine Art, fantastische Elemente in ganz normale Begebenheiten zu verflechten (Mr. Vertigo, oder die Geschichte mit dem Hund) Ich denke, der Typ ist verdammt cool und macht sein Ding unbeirrbar und dickköpfig – Respekt! Er schreibt liebend gerne mit der Hand. Er arbeitete zusammen mit anderen Künstlern wie zum Beispiel Sophie Calle, deren Arbeit ich auch toll finde. Wenn der was schreibt, dann merkt man sofort, dass er nicht trickst, sondern es ehrlich meint.

9. Wie viel von Dir steckt in Deinen Büchern?

Eine ganze Menge! Egal ob ich aus der Sicht eines Mannes oder einer Frau schreibe, ich beobachte meine Mitmenschen und verstehe die meisten nicht, habe den Eindruck, die verstecken sich verdammt gut und muss manchmal feststellen, dass dem gar nicht so ist. Ich begreife nicht, wie man sich mit so wenig zufriedengeben kann. Ich arbeite als Verkäuferin, in meinem Freundes- und Bekanntenkreis tummeln sich Juristen, Ärzte, Chirurgen, Kaufleute, Schneider, sie alle mögen die Idee, etwas bewegen zu wollen.

Doch wenn ich auf einer Party bin, auf der nicht ein einziger Satz interessant war, werde ich wütend und habe den Eindruck, meine Zeit zu verschwenden. Da bin ich lieber mir meinen Töchtern, meiner Katze oder einem Pferd zusammen – mit denen ist der Austausch lebhafter, interessanter … und weil für mein Dafürhalten solche Momente in meinem vollgepackten, normalen Arbeitsleben einer erwachsenen Person zu selten sind, schreibe ich an meinen Geschichten weiter. Wenn ich mich an einem Gespräch mit Kollegen am Mittagstisch langweile, eine Kundin absolut nur leere Sätze von sich gibt, oder ich ein Lager aufräumen muss, spinne ich an meinen Geschichten weiter. Da wird gelebt, geliebt, gekämpft, geträumt und ich fühle mich wohl. – lächel – das gibt mir Energie!

10. Du schreibst sowohl Kinderbücher als auch Fantasy. Was macht Dir mehr Spaß?

In meinen Kinderbüchern steckt viel Fantasy! Da verläuft nichts normal und die kleinen Helden geben sich die größte Mühe, ihre fantastischen Abenteuer vor der normalen Welt der Erwachsenen zu verstecken.

Diese Frage könnte auch lauten, ich schreibe sowie Kinderbücher als auch Geschichten für Erwachsene, die absolut nicht für Kinder gedacht sind. Spaß macht mir alles was ich schreibe, sonst würde ich es nicht schreiben. Ich schreibe nie mit dem Gedanken, das muss ich schreiben, weil das gerade Mode ist, weil das gefragt ist, oder mit der Hoffnung, bekannt zu werden, ich schreibe, weil ich die Geschichten erfinde und die aufgeschrieben werden müssen, weil ich sie gerne selbst wieder lesen will. Wenn das andere dann auch noch lesen, finde ich das unglaublich toll.

11. Wo schreibst Du lieber? Am Meer oder in den Bergen?

Ich schreibe dort, wo ich gerade bin und wo sich ein Moment ergibt. Ich mag das Meer sehr und Gebirge faszinieren mich. Am liebsten lebe ich in Gegenden mit dichten Wäldern. Draußen schreiben ist überhaupt nicht praktisch, Wind und Wetter lenken mich ab, aber ich habe immer etwas zum Schreiben mit dabei. Ein Notizbuch oder meinen kleinen Computer.

12. Schreibst Du gerne mit Musik? Wenn ja, mit welcher?

Ich schreibe sehr gerne mit Musik, weil ich es mir so angewöhnt habe. Auf meinen täglichen Reisen mit der Bahn oder in der Mittagspause ist es praktisch, sich mit seiner Musik vom Lärm der Umgebung abzuschotten. Dabei höre ich, wie mein Mann so schön sagt, Musik vom Fließband. Epische Musik, die für Filme und Spiele benutzt wird. Zum Schreiben höre ich weniger richtige Komponisten, weil deren Werke mich ablenken. Anregende Hintergrundmusik ist genau richtig, fast wie ein Mantra, um sofort beim Schreiben in Fahrt zu kommen.

13. Auf wie viele Bücher hast Du die „Legenden aus Merim“-Reihe ausgelegt? Wie viele Teile werden es wohl werden?

Zwei, nicht mehr und nicht weniger. Daneben ein Band, in dem ich die Geschichten aus der Serie ‚Entracte‘ sammeln möchte. In einem früheren Interview mit Philhumor kam die Frage nach Dualität auf. Das ist offensichtlich sehr wichtig für mich, Zwillinge waren schon immer wichtig in meinen Geschichten, ich bin Mutter von einem Zwillingspaar, zwei Mädchen und diese Geschichte „Die Legenden aus Merim“ wird in zwei Bänden erzählt. Ich möchte es so gestalten, dass es gleichgültig ist, welchen Band man zuerst liest. Aber der eine braucht den anderen, um zu existieren. Die Cover werde ich so gestalten, dass sie zusammengehören, wenn die Bücher nebeneinanderliegen.

14. Orientierst Du Dich bei Deiner Themenauswahl und bei Deinem Schreibstil an den möglichen Lesern oder diktiert Dir Dein eigenes Interesse die Marschrichtung?

Mit meinem Schreibstil gebe ich mir Mühe, um meine Ideen so deutlich wie möglich auszudrücken. Ich pirsche mich oft regelrecht mit Worten an Gefühle und Begebenheiten ran. Ich möchte, dass beim Lesen klar wird, was gefühlt wird und was erlebt wird. Die Themen ergeben sich von allein. Ich beobachte etwas, es stört oder fasziniert mich etwas und das kommt dann in einer Geschichte vor. Mir ist es wichtig, dass beim Lesen etwas passiert. Natürlich nehme ich mir ab und zu die Zeit und schreibe etwas, um an einem Wettbewerb teilzunehmen. Wenn mir das Thema zusagt, ist es eine Herausforderung für mich, in begrenzter Zeit und vorgegebenen Umfang eine passende Geschichte zu schreiben, die mich bewegt, zu meinen Ideen passt. Ob das dann der Erwartung des Verlegers entspricht, ist eine andere Geschichte, aber wie gesagt, mein Kopf ist voll von Ideen, Geschichten, Beobachtungen.

Es scheint, dass ich ständig auf der Suche nach einer gewissen Freiheit bin. Dabei nehme ich in Kauf, ganz allein dazustehen. Wenn ich längere Zeit irgendwo lebe, mag ich die Vorstellung, dass ich nicht immer da sein werde. In meinem Leben gibt es scheinbar nur Widersprüche – ich bin sehr kontaktfreudig und komme einfach mit Fremden in Verbindung, obgleich ich misstrauisch bin und lieber allein meine Entscheidungen treffe. Ich liebe mein zu Hause und lebe eher bodenständig, pflanze Tomaten und allerhand Grünzeug in meinem Minigarten, doch die Idee nach einer neuen Reise, an einem anderen Ort zu leben, bewegt mich zur Veränderung. Ich könnte eine lange Liste von Gegensätzen in meinem Leben und meiner Lebensauffassung schreiben. Veränderung und Entwicklung erscheinen mir natürlich, dabei kommen unglaublich viele Geschichten zusammen.

Kürzlich schrieb ich eine futuristische Kurzgeschichte von einer Kriegerin, die einer Eliteeinheit agiert und von einem fantastischen Wesen überwältigt wird. Die Inspiration zu dieser Geschichte kam aus meinem alltäglichen Leben, wenn wir Seite an Seite jeden Morgen wie Killerzombies in mächtigen Zügen in die Metropole gefrachtet werden, um da etwas Geld zum Überleben zu verdienen. Wenn ich mir diese Szenen anschaue, habe ich den Eindruck, die Menschen könnten über Leichen gehen …

In der kurzen Geschichte „Die Familie ist heilig“ wollte ich von einer ganz normalen Familie sprechen, die wegen einer fiesen Wirtschaftskrise in den Abgrund stürzt. Doch ihr gemeinsamer Traum von einer gewissen Freiheit ermöglicht ihnen, auf ihre Art zu überleben – selbst wenn diese Überlebensform den allgemeinen Vorstellungen einer geordneten Gesellschaft überhaupt nicht entspricht.

Ich mag es, fantastische Elemente mit der Realität zu vermischen. Besonders spannend ist es, die Wut und das Aufbegehren eines Halbwüchsigen zu schreiben, dabei bin ich es die schimpft – lach -.

15. Deine Reihe „Die Legenden aus Merim“ gestaltest Du mit wunderschönen, selbstgemachten Bildern. Wofür nimmst Du die Inspiration dazu?

Vielen Dank für das freundliche Kompliment!

Mit den Bildern ist es ähnlich wir mit dem Schreiben, nur dass ich dafür viel weniger Zeit aufbringe. Das möchte ich in Zukunft irgendwann ändern. Ich sehe die Gestalten, ihre Ausdrücke, Szenen vor mir und suche in meinen Bildsammlungen nach Anregungen, um Vorbilder zu finden, damit ich eine Basis habe und mein Bild an einer gewissen Tiefe gewinnt. Gesichter können mich überall ansprechen, in Illustrierten, Fotografien, manchmal auch einfach aus dem Kopf heraus aus Freude am Zeichnen. Mir war es schon als kleines Kind wichtig, meine Geschichten zu illustrieren. Dabei gab ich mir wirklich Mühe. Meine Eltern hätten es lieber gesehen, ich hätte mich mehr auf die Schule konzentriert. Als Sechsjährige schrieb ich in jedes Klassenfreundebuch, dass ich Autorin und Illustratorin werden wollte. Ich habe noch ein paar Hefte, eine ganze Serie mit Geschichten eines Mädchens namens Mia.

Meine Schulkameraden lasen meine vollgeschriebenen Hefte richtig konzentriert durch und tauschten sie untereinander aus. Ich war stolz und sehe das Bild noch vor mir, wie die da in den Pausen über meine Geschichten gebeugt saßen und still lasen. Manchmal zeichnete ich auch Bildergeschichten mit Tieren, die sich wie Menschen verhalten und gemeinsam allerhand Abenteuer erleben. Die Vorbilder waren meine Stofftiere. Die gibt es zum großen Teil heute noch. Ich habe die an meine Töchter vererbt, ihnen die gezeichneten Geschichten gezeigt und die Namen zu jedem Tier erklärt.

16. Welches ist Dein persönliches Lieblingsbuch auf BookRix?

Das ist schwer zu sagen, denn wie mit gedruckten Büchern lese ich manche Autoren besonders gerne und kann mich nicht auf ein einziges Buch festlegen. Wenn mir ein Schreibstil gefällt, dazu die Ideen noch interessant, überraschend oder bewegend sind, dann komme ich immer wieder zum Lesen zurück. Wie zum Beispiel Sophie André alias buechereimaus, Stephane Lill alias philhumor oder Florian Tekautz alias flojoe. Ich mag auch sehr was Maire Brüning und Pia Guttenson schreiben. Ach, die Liste könnte ganz schön lang werden, ich kann mich nicht festlegen ...

17. Wenn Du in einer Talk-Show oder in einem Radio-Interview eines Deiner Bücher vorstellen dürftest - welches würdest Du auswählen?

Die Legenden aus Merim, keine Ahnung, ob das die richtige Wahl wäre, aber da stecken so viele Geschichten, es gibt unglaublich viel zu erzählen. Ich arbeite momentan am zweiten Teil. Die Protagonisten haben sich verändert, entwickelt. Das ganze Buch hat die abenteuerlichsten Veränderungen miterlebt, aber die Grundidee war immer dieselbe geblieben, wie ich sie mir damals als ich etwa 15 Jahre alt war, einfiel. Es ist merkwürdig, ich kann mich noch an diesen Nachmittag erinnern, ich war allein zu Hause mit meiner jüngeren Schwester, hatte mir eine Platte mit dem Klavierkonzert für den Kaiser von Beethoven im Wohnzimmer meiner Eltern aufgelegt, dazu einen A4 Spiralblock mit grauen, umweltfreundlichen Papier und fing an zu schreiben – die Geschichte zweier Völker, so nannte ich sie. Dicht an dicht, Zeile um Zeile, es war ein schöner sonniger Tag. Dazu wollte ich Zeichnungen anfertigen, damit ich die Figuren deutlich vor Augen hatte.

Xorthan, Mronda, Ergon, ebenso Mésoja und das Pferd Recke. Ich dachte mir genau aus, wie die Bréschènia lebten, wie Mronda ihre Zeit verbrachte. Damals war sie nur eine stolze Prinzessin, die Idee mit der Schule der Elitekrieger ist viel später gekommen, ebenso Tibor. Und natürlich Larian, der schöne Elbenkönig. Damals dachte ich noch an Drachen im Wald von Merim und einem entsetzlichen Ungeheuer im Wasser, Larian, der Mronda rettet … viele Dinge habe ich komplett verworfen, angepasst, umgeschrieben, damit die Figuren glaubwürdig werden. Mronda war auch nicht so entsetzlich groß und hatte dunkle Haut – lach – Ellwynn war viel strenger und an eine geheime Liebesbeziehung zwischen ihm und dem Elbenkönig war nicht zu denken.

Die Geschichte zwischen Mésoja und Ellwynn ist mir allerdings recht bald eingefallen. Das alles mag jetzt für die Leser sehr verwirrend klingen, aber mich amüsiert es total, an all diese Momente zu denken. Wie oft hatte ich diese Geschichte liegen gelassen, weil man mir einreden wollte, ernsthafte Texte zu schreiben, erwachsen zu werden, aber das hat absolut nicht geklappt. Ich fühlte mich nicht gut, wenn ich diese Geschichte all zu lange Zeit in den Hintergrund drängte. Ich fühlte mich gut, wenn ich daran weiterschrieb. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich die aufgeschrieben habe. Die meisten Notizen davon habe ich noch in einer großen Kiste aufbewahrt, zusammen mit einer ansehnlichen Sammlung von Zeichnungen.

18. Was ist Deine größte Inspirationsquelle?

Aus Reisen, wenn die Landschaft an den Scheiben vorbeirauscht, dann kommen die Ideen in Schwung. Erzählungen von anderen Menschen, unglaubliche Begebenheiten aus dem alltäglichen Leben und Erinnerungen an Spiele, als ich noch ein Kind war. Und natürlich beim Laufen, egal wo, in der Stadt, im Wald, auf dem Land, einen Schritt nach dem anderen, zügig, mit regelmäßigen Atem und Geschichten spinnen – meine Lieblingsbeschäftigung.

19. Was war der netteste Kommentar, den Du je zu einem Deiner Bücher erhalten hast?

Orelinde Hays schrieb zu „Vergessene Tränen im Regenwetter“ :

Du nimmst den Leser mit in diese andere Welt, die so unendlich fasziniert und doch so unendlich wenig hinterlässt. Ich denke, manch einer hätte sich gewünscht, dass derjenige, der tatsächlich den Weg zur Seele deiner Protagonistin findet, sie auch tatsächlich in diese mitnimmt. Doch leider gönnst du uns kein Happy End ... und machst daraus eine verbotene Liebe, in der das letzte Fünkchen Hoffnung stirbt, ohne Glanz und Glamour den Weg zu sich selbst zu finden.
Gerne gelesen!
LG
Lindi

Das hat mich sehr berührt, weil es genau auf den Punkt bringt, was ich erzählen wollte.

Oder edgein schrieb zum ersten Kapitel von den Legenden aus Merim :

Sauber geschriebene Fantasy, die flüssig von den Lippen geht.
Man merkt, dass die Autorin Ahnung hat, von dem was sie tut, und in der Lage ist ihren Charakteren Leben einzuhauchen.
Trotz eines, für meinen Geschmack, etwas zu impulsiven Handlungsablaufes hat man Lust auf mehr.
Hier sind die Dialoge hervorzuheben.
Zur Spannung der Handlung werde ich mich noch nicht äußern, da ich das Werk erst in seiner Gesamtheit beurteilen möchte.

Das macht Mut zum Weiterschreiben.


Und Louis schrieb zum „König der Nacht“:

Man muss sich mit Pferden schon gut auskennen und sie gar sehr mögen, um so eine interessante Geschichte darüber schreiben zu können.
Überhaupt fließen Dir die schönen Worte in beneidenswerter Weise aus der Feder, dass man ohne Übertreibung sagen kann, besser geht es nicht.

Überhaupt helfen mir die Kommentare freundlicher Leser unglaublich zum Weiterschreiben. Und dann schreibt man nicht mehr nur noch für sich, sonder auch für die. Man möchte sie auf keinen Fall enttäuschen.

20. Hast Du zum Schluss noch einen Tipp für Deine Autorenkollegen, den Du uns mit auf dem Weg geben möchtest?

Schreibt, was euch wichtig ist und seid kritisch euch selbst gegenüber. Dabei achtgeben, was man ausdrücken möchte und warum und das so genau wie möglich ausdrücken. Nicht unbedingt lang, sondern präzise. Nie schreiben, um anderen einen Gefallen zu tun. Jeder kann schreiben, dann soll er sich mal hinsetzten und die Mühe machen, sich mit all den Zweifeln und den Gedanken auseinandersetzten, selbst ertragen, was man eigentlich sagen will. Das ist eine Riesenarbeit, aber es ist die Sache wert. Seine geschriebenen Texte sich selbst laut vorlesen, um zu hören, wie sie klingen. Sie sollen sich flüssig anhören, dann kann man sie auch leichter lesen. Schreiben ist nicht einfach und man steht allein mit sich selbst da, aber es hat den Vorteil, dass man sich mit seinen eigenen Gedanken auseinandersetzt und besser kennenlernt.

Denn: Träume sind nicht dazu da, vergessen zu werden! ;)


Liebe Stephanie, vielen Dank für dieses schöne Schlusswort und das aufschlussreiche Interview. Wir hoffen, noch Einiges von Dir zu hören und vor allem auch zu lesen!

 Hier kommst Du übrigens zu Stephanies Autorenprofil auf BookRix. Dort kannst Du auch die Leseproben zu ihren tollen Büchern finden!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 03.05.2013

Alle Rechte vorbehalten

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