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BookRix25 mit Nele Neuhaus



Der Name Nele Neuhaus dürfte dem einen oder anderen Krimifan bekannt sein.

Ihre Krimiserie mit den Ermittlern Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff, die sie zunächst im Eigenverlag veröffentlichte, machte Nele Neuhaus weit über die Grenzen ihrer Heimatstadt Taunus bekannt.

Im August 2009 erschien im List Verlag ihr fünftes Buch „Tiefe Wunden“, das auf Anhieb zum Bestseller wurde!

Die Krimiautorin hat uns auf der Frankfurter Buchmesse besucht. Wir haben die Gelegenheit genutzt, um Nele Neuhaus gleich vor Ort zu interviewen.



1. Könntest Du uns ein wenig von Dir erzählen?



Ich bin 42 Jahre alt, arbeite – noch – hauptberuflich bei meinem Mann in unserer Fleischwarenfabrik im Büro und schreibe in jeder freien Minute. Schon seitdem ich ein kleines Kind war, habe ich Geschichten geschrieben, zuerst in Schulhefte, später mit der Schreibmaschine. Kinder haben wir keine, dafür Hunde und Pferde. Über die Pferde, auf einem Reitturnier, habe ich auch meinen Mann, der ein begeisterter Amateur-Springreiter ist, vor zwanzig Jahren kennen gelernt.


2. Ist Nele Neuhaus Dein Pseudonym?



Nein. Eigentlich heiße ich „Cornelia“, aber so nennt mich seit vielen Jahren niemand mehr. Dann habe ich den Herrn Neuhaus geheiratet, so wurde aus Cornelia Löwenberg eben Nele Neuhaus.


3. Wie alt warst Du, als du Dein erstes Buch geschrieben hast?



Fünf! Ich war noch nicht in der Schule, habe aber meine Zeichnungen über ein Eulendorf komplett mit Text versehen, in Lautschrift damals noch. Das erste Buch, das ich veröffentlicht habe, war der Thriller „Unter Haien“, der 2005 im Selbstverlag erschienen ist.


4. Ist das Schreiben Hobby für Dich? Oder Beruf?



Schreiben ist meine Leidenschaft! Zuerst nur ein Hobby, aber mittlerweile doch etwas mehr, da ich seit meiner Zusammenarbeit mit dem Ullstein-Verlag vertragliche Verpflichtungen und Abgabetermine habe. Wirklich leben kann ich vom Schreiben noch nicht, aber vielleicht kommt das eines Tages noch …


5. Agatha Christi sind bekanntlich die besten Einfälle beim Geschirrspülen gekommen. Wie findest Du die Ideen für einen neuen Krimi?



Meine Ideen arbeiten in meinem Kopf, entwickeln sich über Wochen. Beim Hundespaziergang oder Ausritt denke ich mir Dialoge aus, fühle mich in die Figuren hinein und lerne sie kennen. Den Plot entwickele ich mittlerweile am Schreibtisch, früher kam er beim Schreiben so nach und nach. Aber jetzt muss ich ja ein Exposé abgeben, da muss dann schon alles stimmen, die Handlungsstränge und sämtliche Charaktere.


6. Kennst Du also bereits das Ende, wenn Du mit dem Schreiben beginnst?



Mittlerweile ja. Früher habe ich einfach drauflos geschrieben und mich selbst überraschen lassen. Nun habe ich ein ausführliches Exposé, an dem ich aber immer noch etwas ändern kann. So habe ich mich beim Schreiben von „Tiefe Wunden“ im letzten Drittel noch für einen anderen Täter entschieden, weil es mir spannender erschien.


7. Sind Deine Charaktere (Pia z. B.) frei erfunden oder haben sie Ähnlichkeit mit Menschen, die Du kennst? Wie viel von Dir selbst steckt in Deinen Figuren?



Sicherlich haben meine Charaktere, die alle frei erfunden sind, die eine oder andere Ähnlichkeit mit Menschen, die ich kenne. Grundsätzlich denke ich sie mir aber aus. Natürlich ist man als Autor nicht davor gefeit, Figuren, die einem vom Alter her gleichen – wie es bei Pia und mir der Fall ist – einige autobiographische Züge zu verleihen. So mag Pia Pferde, die qualmt hin und wieder mal eine Zigarette, sie mag Toastbrot mit Salzbutter und Nutella.
Kleinigkeiten, also. Im Großen und Ganzen hat sie sich aber zu einer eigenständigen Person entwickelt, die auch ganz anders lebt als ich.


8. Möchtest du mit Deinen Büchern eine bestimmte Message rüberbringen oder sind sie reine Unterhaltung?


Nein, ich will nichts „rüberbringen“, ich möchte meinen Leserinnen und Lesern ein paar Stunden gute und spannende Unterhaltung verschaffen. Ich schreibe eigentlich das, was ich selbst gerne lese.


9. Hat es einen Grund, die Handlungen in Deiner Heimat Taunus und Umgebung spielen zu lassen?



Mein erstes Buch spielt ja in New York. Als ich an meinem zweiten Buch „Eine unbeliebte Frau“ schrieb, dachte ich mir zuerst Orte und Örtlichkeiten aus, aber dann, ganz plötzlich, kam mir die Idee, die Handlung in meine Heimat zu verlegen. Der Vordertaunus mit seiner Nähe zu Frankfurt bietet wirklich einen tollen Hintergrund für Kriminalromane.


10. Was ist für Dich das Besondere am Tatort Taunus?


Die Mischung und Vielschichtigkeit auf relativ engem Raum! Frankfurt, der Taunus, die Villen der Reichen auf der einen Seite, die Normalbürger auf der anderen, am Rande soziale Brennpunkte z. B. in Frankfurt. Aber für nächste Bücher kann ich aus dem Vollen schöpfen, der Rheingau liegt in der Nähe, der Hintertaunus bietet tolle Örtlichkeiten. Vor allen Dingen kann ich hinfahren und mir vor Ort Eindrücke verschaffen. Außerdem ist es für die Leserinnen und Leser meiner Bücher, die hier aus der Gegend stammen, einfach toll, wenn sie Bekanntes entdecken können. Und mancher Ortsfremde hat schon eine Reise hierher mit meinen Büchern im Gepäck gemacht – quasi als Reiseführer!


11. Du beschreibst manche Szenen wirklich sehr detailiert. Recherchierst Du viel?



Ja, ich recherchiere unglaublich viel und sehr gründlich. Ich beschäftige mich in meinen Büchern häufig mit Themen, die mir völlig fremd sind. So habe ich für „Unter Haien“ die Strukturen des Investmentbankings lernen müssen, habe mehrere Bücher über die New Yorker Mafiafamilien gelesen und auf den Internetseiten der Stadt New York viel über die Stadtpolitik gelernt, aber auch Biographien der New Yorker Bürgermeister gelesen.
Jetzt recherchiere ich viel über das Internet, lese aber auch Bücher zu bestimmten Themen und spreche mit Fachleuten. Mein Berater, was die rechtsmedizinischen Details angeht, ist der Chef der Frankfurter Rechtsmedizin. Und die Beamten vom K11 in Hofheim lesen auch meine Manuskripte und geben mir Ratschläge und Antworten auf alle meine Fragen, was die tägliche Arbeit der Kripo angeht. Da verlasse ich mich nicht auf „Tatort“ oder „CSI Miami“.


12. Wenn Du keine Autorin wärst, was würdest Du machen?



Hm ... Kann ich mit eigentlich gar nicht mehr vorstellen. Aber wir haben eine eigene Firma, die viel Zeit beansprucht und dazu noch Pferde. Langweilen würde ich mich sicher nicht.


13. Du hast Deine ersten Bücher in einem Book-On- Demand-Verlag veröffentlicht. Wie war Deine Erfahrung damit?



Bestens! Ich habe diese Möglichkeit der Veröffentlichung im Jahr 2004 entdeckt und dann lange überlegt, denn ich habe auch die Nachteile gesehen, nämlich die Vermarktung der Bücher und den Vertrieb. Ich habe sehr genau kalkuliert und habe dann Auflagen drucken lassen und gekauft, und diese selbst weiterverkauft. An die Kunden in unserer Firma, aber auch an Buchhändler. Schon beim zweiten Buch hatte ich meine festen Kunden. Das ist das Wichtigste: man muss sich schon darüber im Klaren sein, dass es mit Schreiben, Lektorieren, Korrigieren etc bei einem Books-On-Demand-Verlag nicht getan ist. Von selbst verkauft sich kein Buch, und wenn es noch so gut ist. Für mich persönlich war es der absolut beste Weg, aber das lässt sich sicherlich nicht verallgemeinern.


14. „Tiefe Wunden“, Dein fünftes Buch ist im September 2009 im Ullstein erschienen und hat es auf Anhieb in die Spiegel-Bestsellerliste geschafft. Ist es Dein bestes Buch?



Das sagen zumindest viele Leser und Rezensenten. Es ist zumindest mein durchdachtestes Buch. Die Arbeit mit meiner Lektorin von der Entstehung des Plots bis zum fertigen Manuskript war sehr intensiv. Außerdem habe ich mit „Tiefe Wunden“ die Region verlassen. Im Prinzip könnte die Geschichte überall in Deutschland spielen.


15. Liest Du selber viel?



Ja! Eine Grundvoraussetzung für gutes Schreiben. Ich habe schon als Kind Bücher quasi aufgesaugt, ich kann sehr schnell lesen ohne dabei quer zu lesen. Für Stieg Larssons Millennium-Trilogie habe ich eine Woche gebraucht und das neben Arbeit und Pferden. Wenn ich selbst an einem Manuskript schreibe, lese ich weniger zum Vergnügen, dann eher Fachliteratur.


16. Welches Buch liest Du gerade?



Aktuell keines. Ich habe aber einen riesigen Stapel Bücher, die auf mich warten. In ein paar Wochen bin ich mit dem Manuskript für „Schneewittchen muss sterben“ fertig, dann stürze ich mich wieder ins Lesevergnügen!


17. Kannst Du uns einen Krimiautor empfehlen?



Mich! :) Ich finde Michael Theurillat gut, Elisabeth Herrmann, Fred Vargas, Stieg Larsson, Camilla Läckberg, Jan Seghers. Aber mein Geschmack ändert sich. Ich mag auch Dick Francis, Mario Puzo, Kathy Reichs, Peter James und viele andere mehr.


18. Was ist das beste Kompliment für Dich als Autorin?


Wenn mir jemand sagt, er hätte mein Buch nicht aus der Hand legen können, weil es so spannend war.


19. Arbeitest Du zurzeit an einem neuen Buch?



Ja. Am vierten Band für Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff. Es wird „Schneewittchen muss sterben“ heißen und soll im Frühsommer 2010 bei LIST Taschenbuch erscheinen.


20. Wirst Du dem Genre Krimi treu bleiben, oder würdest Du auch gerne etwas ganz anderes ausprobieren?



Ich werde im nächsten Jahr zwei Jugendkrimis, die im Pferdemilieu spielen, für den Thienemann-Verlag schreiben. Aber auch sonst könnte ich mir durchaus vorstellen, etwas anderes als Krimis zu schreiben. „Unter Haien“ zum Beispiel ist ein echter Thriller, kein „Whodunit“- Krimi wie die Taunus-Krimis. Ich will mich auf jeden Fall nicht nur auf eine einzige Reihe festlegen sondern vielseitig bleiben.


21. Kann man Schreiben lernen?



Sicher. Man kann es auf jeden Fall verbessern. Dafür gibt es viele Ratgeber-Bücher, Schreibkurse etc. Ich konnte es schon immer und verbessere mich durch die ständige Übung. Schreiben ist ein Handwerk. Man sollte schon Talent mitbringen.


22. Wer darf als erster lesen, wenn ein Buch von Dir fertig ist?



Meine Lektorin und einige kritische Freundinnen, sowie meine Schwestern, meine Nichte und meine Mutter. Die dürfen auch schon in verschiedenen Entstehungsphasen lesen, weisen mich auf Fehler hin, auf Widersprüchliches oder eventuelle logische Brüche.


23. Du bist die Schirmherrin von unserem aktuellen Wettbewerb „Der Mörder geht ins Netz“. Hast Du einen heißen Tipp für BookRix-Autoren? Was macht einen guten Krimi aus?



Er muss spannend sein! Für mich persönlich muss es auch eine menschliche Komponente geben, Protagonisten – oder Antagonisten – mit denen man sich als LeserIn identifizieren kann, dann macht die Lektüre doppelt Spaß. Er sollte fachlich gut recherchiert sein, wenn man sich mit einem speziellen Thema auseinandersetzt. Es sollte genügend Figuren geben, damit man als Leser nicht zu schnell weiß, wer der Mörder ist. Und sprachlich muss es auch stimmen, nicht nur inhaltlich, denn ein schöner, flüssiger Stil ist eine wichtige Voraussetzung für das Lesevergnügen.


24. Wie sieht der Alltag einer Krimiautorin aus?



Ich stehe morgens um 6:00 auf. Zuerst ist mein Hund dran, mit ihm gehe ich eine große Runde spazieren, dann bin ich bis 14:00 Uhr im Büro. Jeden Tag, außer Sonntag. Danach folgt wieder eine „Hunderunde“, einkaufen, Hausarbeit. Ich versuche, mir jeden Nachmittag zwei, drei Stunden zum Schreiben zu nehmen. Abends stehen die Pferde auf dem Programm – wenn ich keine Lesung habe - und natürlich mein Mann:)! Ich koche abends, dann sitzen wir zusammen und lassen den Tag und die Ereignisse Revue passieren. Wenn ich beim Schreiben in die „heiße Phase“ komme, bekomme ich schon mal eine Woche frei! Ansonsten gibt es keinen Urlaub, das geht schon deshalb schlecht, weil wir die Firma und die Tiere haben.


25. Du bist begeisterte Pferdereiterin. Bleibt überhaupt Zeit für Deine Hobbys?



Glücklicherweise konnte ich mit dem Schreiben mein liebstes Hobby zum Beruf machen. Das Reiten hat keinen so hohen Stellenwert mehr wie früher, da mein Mann das aktive Turnierreiten aufgegeben hat und unsere Pferde entweder Gnadenbrot bekommen oder so jung sind, dass man sie noch nicht reiten kann. Wie es sich entwickelt, weiß ich nicht. Ich lebe sowieso nach der Devise „Kommt Zeit, kommt Rat“. Ich zerbreche mir nie den Kopf über die Zukunft.

Vielen Dank für das Interview.



Profil von Nele Neuhaus auf BookRix:

http://www.bookrix.de/-nele.neuhaus



Unsere nächste Ausgabe von BookRix25 ist schon in Planung. Thomas Scholtyssek (Username: powbase) wird Euch Rede und Antwort stehen. Eure Fragen könnt Ihr an den Account bookrix25 zuschicken.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 27.10.2009

Alle Rechte vorbehalten

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