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BookRix 25 mit Tanya Wegberg



Stell Dich kurz mal vor:



Ich heiße Tanya A. Wegberg, lebe in Berlin, trage meistens Schwarz, fahre gerne Bus & Bahn, mag keine Zwiebeln, höre vorzugsweise Psytrance und Independent, würde mir gern mal ein Paar echte Converse-Turnschuhe leisten können und habe vor kurzem bei Rowohlt meinen ersten Roman „Memory Error“ veröffentlicht.

1. Erinnerst Du Dich noch an Dein erstes Buch?



Mein erstes selbst gelesenes? Das war „Tomte Tummetott“ von Astrid Lindgren. Ich liebte es wegen der geheimnisvollen Bilder.

2. Gibt es ein Buch, das Dir besonders am Herzen liegt?



Alan Hollinghurst: „The Folding Star“. Eigentlich habe ich eher Lieblingsautoren als -bücher: neben Hollinghurst auch Jonathan Tropper, Mark Haddon, Jonathan Franzen (von dem ich zurzeit das dritte Buch lese) oder John Irving. Nicht alle sind Zeitgenossen; ich schätze auch Somerset Maugham, Ernst Weiss, Arthur Schnitzler und sogar Joseph von Eichendorff.

3. Liest Du gerne Kinderbücher?



Die zehn Bände der „Fury“-Reihe haben mich schon als Kind fasziniert, und ich lese sie heute noch gerne. Dasselbe gilt für die „Mumin“-Bücher von Tove Jansson. Leider hat meine Mutter alle meine Kinderbücher irgendwann verschenkt, so dass ich sie mir später bei eBay mühsam wieder zusammenkaufen musste!

4. Ist Schreiben Dein Hobby? Was machst Du im „richtigen Leben“?



Ich arbeite freiberuflich als Lektor und Übersetzer, habe also täglich mit Büchern zu tun. Leider fast ausschließlich mit Fachliteratur aus den Bereichen Wirtschaft, Marketing und Finanzen, weshalb ich für meine Veröffentlichung auch keine „Connections“ nutzen konnte.

5. Wie entstehen Deine Geschichten?



Am Anfang ist da immer eine Person, ein Mensch, der allmählich in mir Gestalt annimmt. Ich gebe ihm ein Gesicht, einen Namen, eine Geschichte, Eigenheiten, Vorlieben und Abneigungen. Ich krieche regelrecht in ihn hinein und verschmelze mit ihm, bis ich die Welt durch seine Augen wahrnehme. Aus seiner Perspektive erlebe ich dann sozusagen seine Umwelt und nehme Beziehungen zu seinen Mitmenschen auf, und daraus entsteht die Handlung.

6. Fängst Du das Schreiben einer Geschichte mit dem ersten Satz an? Oder mittendrin?



Ich fange vorne an, weil die Geschichte sich ohnehin meist in eine andere Richtung entwickelt, als ich ursprünglich geplant habe. Meine Charaktere entwickeln ein Eigenleben und reagieren oft anders, als ich gedacht habe. Ich passe mich dann gehorsam an.

7. Was inspiriert Dich?



Der Kontakt mit Menschen, besonders das Leben in der Stadt. Auch Textfragmente können Inspiration bedeuten, zum Beispiel ist mein Roman „Erlösen für Fortgeschrittene“ stark von Placebo-Songtexten beeinflusst.

8. Welche Ambitionen hast Du?



Ich möchte gern irgendwann mal jemanden in der U-Bahn mein Buch lesen sehen – und ich würde echt im Dreieck springen, wenn es verfilmt wird.

9. Wo schreibst Du?



Am liebsten in meiner kleinen, ruhigen Berliner Wohnung. Zur Not aber auch an jedem anderen Ort der Welt. Jetzt gerade zum Beispiel bei Dunkelheit in meinem liegengebliebenen Auto, während ich auf den Pannendienst warte … (Ich hasse Autos …)

10. Wie autobiographisch sind Deine Bücher?



Fast gar nicht. Ich verwende bestenfalls einzelne Versatzstücke von Erfahrungen, die ich selbst gemacht habe – beispielsweise wenn ich einen Club beschreibe, in dem ich schon mal war. Als Faustregel kann man sagen: Personen und Handlungen sind frei erfunden, die Orte dagegen authentisch.

11. Recherchierst Du viel vor dem Schreiben?



Für meinen ersten Roman „Memory Error“ musste ich ungeheuer viel recherchieren, weil es darin um eine recht seltene psychische Erkrankung geht. Da ich selbst nicht darunter leide und auch (bis dahin) keinen Betroffenen persönlich kannte, aber natürlich so glaubwürdig und authentisch wie möglich darüber schreiben wollte, musste ich erst mal viele, viele Informationen einholen. Ich war auch oft in Berlin unterwegs, um mir Schauplätze anzusehen, und bin sogar nach Kevelaer gefahren, in den Heimatort meines Ich-Erzählers.

12. Schreibst Du am PC oder auf Papier?



Ich bin schon sooo alt – ich hab früher tatsächlich noch mit der Hand geschrieben ;-) Das fand ich furchtbar, weil ich es hasste, etwas durchstreichen oder einfügen zu müssen. Klar, dass die Textverarbeitung am PC für mich eine der revolutionärsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte darstellt!

13. In welcher Stadt spielen Deine Geschichten ab?



Hauptsächlich in Berlin. Diese Stadt hat alle Eigenschaften, die ich auch bei Menschen schätze: sie ist tolerant, unprätentiös, kreativ, gelassen und mutig. Mein Roman „Herzbesetzer“ spielt auch zum Teil in der brandenburgischen Kleinstadt Neuruppin. Kürzere Erzählungen sind manchmal örtlich nicht genau definiert.

14. Bist Du eine Perfektionistin?



Ich fürchte ja! Wenn ich das Manuskript nicht irgendwann beim Verlag hätte abliefern müssen, würde ich es wahrscheinlich immer noch überarbeiten.

15. Wenn Deine Geschichte fertig ist, wer darf sie als erster lesen?



Derjenige, der sie auf BookRix als Erster anklickt! Kürzere Texte stelle ich dort ein.

16. Fällt es Dir schwer, Kritik über Deine Werke zu ertragen?



Wenn die Kritik gerechtfertigt ist, behalte ich sie im Hinterkopf und achte in Zukunft doppelt darauf, diesen Fehler nicht zu wiederholen. Ist sie aber ungerecht oder völlig unsachlich, tut es einfach nur weh – und man hat praktisch keine Chance, sich dagegen zu wehren.

17. Was war der beste Tipp zum Schreiben, den Du bekommen hast?



Meine Sätze zu straffen und von unnötigem Füllstoff zu befreien. Ich neige dazu, mit Adjektiven allzu verschwenderisch umzugehen. Diesen Rat würde ich auch gern an viele andere Autoren weitergeben, besonders an die mit geringer Schreiberfahrung. Weniger ist mehr!

18. Macht das Schreiben immer Spaß?



Schreiben ist in vielerlei Hinsicht wie Sex, auch in diesem Punkt: Man tut es nur, wenn man Lust darauf hat, und dann ist es höchst befriedigend. Wenn man sich dazu zwingt, merkt das der Partner (der Leser) sofort!

19. Was macht ein gutes Buch für Dich aus?



Die psychologische Glaubwürdigkeit der Figuren, eine nicht vorhersehbare Handlung, der kreative, professionelle Umgang mit Sprache und vor allem der Verzicht auf Klischees jeder Art. Nichts ist schlimmer, als wenn man auf Seite 30 schon weiß, was am Schluss passiert, oder wenn man ständig über abgedroschene Phrasen stolpert wie „Er versank in ihren blauen Augen wie in einem Ozean“ … Solche Bücher sind zwar meist enorm erfolgreich, aber ich gönne mir den Luxus, sie nicht zu mögen.

20. Kannst Du uns ein gutes Buch über das Schreiben empfehlen?



Ich glaube nicht, dass man die Kunst des Schreibens in einem Buch vermitteln kann. Man braucht dafür Talent, Kreativität und Sprachgefühl, und das alles ist angeboren. Ich bin aber sicher, dass das Lesen guter Literatur ein ausgezeichnetes Fitnesstraining für Autoren ist! Außerdem wird man besser, je mehr man schreibt und sich mit anderen über seine Texte austauscht. Ich bin Mitglied im Freien Deutschen Autorenverband, und ich glaube, das bringt mehr als Ratgeberliteratur.

21. Wenn Du jemanden zum Reden hättest, (einen, mit dem Du über alles reden kannst) würdest Du dann weiterhin schreiben?



Ganz bestimmt. Ich will mich beim Schreiben nicht seelisch erleichtern, sondern eine andere Realität, andere Möglichkeiten erschaffen. Und ein großer Redner bin ich sowieso nicht.

22. Schreibst Du für Leser? Für Dich?



Beides. Ich schreibe für mich, weil ich etwas mitteilen möchte – und das setzt den Leser bereits voraus.

23. Was kommt als Nächstes?



Ich werde „Memory Error“ in Leipzig auf der Buchmesse vorstellen, und im April ist der Roman unter den „Besten 7“ von Deutschlandfunk und Focus. Zwei weitere Romanmanuskripte habe ich bereits am Start: In „Erlösen für Fortgeschrittene“ geht es um einen Mittzwanziger mit Borderline-Syndrom und seinen besten Freund, der mit dessen Ansprüchen etwas überfordert ist. „Herzbesetzer“ erzählt aus der Perspektive des 24-jährigen Julian, wie sich seine komplett ablehnende Haltung gegenüber seinem 14-jährigen Pflegekind-Bruder allmählich in eine unerwartete Richtung verändert. Der Prolog zu diesem Roman ist bei BookRix zu lesen.

24. Veröffentlichst Du unter einem Pseudonym?



Nein. Ich habe auch nie ganz verstanden, wozu das gut sein soll.

25. Welche Frage wolltest Du schon immer beantworten? Was ist die Antwort?



Natürlich spricht mich kaum jemand direkt darauf an, aber viele glauben, wenn man ein Buch bei einem renommierten Verlag veröffentlicht, gibt es dafür einen Haufen Kohle! Leider ist das nicht der Fall. Mein Anteil pro verkauftem Exemplar liegt deutlich unter 1 Euro. Vom Schreiben leben können also nur Fließband-Bestsellerautoren. Und ich warte besser noch ein bisschen mit dem Kauf meiner Converse-Sneakers!


Profil von tanyaa. :



http://bookrix.de/showuser.html?lang=de&user=tanyaa.

Das Interview wurde von zaplja geführt.

Ich bedanke mich bei Tanya und all den Usern, die ihre Fragen für das Interview zugeschickt haben.

Neue Fragen sind jederzeit willkommen! Einfach eine PN an den Account bookrix25 zuschicken.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.03.2009

Alle Rechte vorbehalten

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