Cover

Geschichte von den sieben bunten Mäusen

Vor langer, langer Zeit wohnte in Puddemin ein Bauer, der hatte eine schöne und fromme Frau, die fleißig betete und alle Sonntage und Festtage zur Kirche ging, auch den Armen, die vor ihre Türe kamen, gern gab. Es war überhaupt eine freundliche und mitleidige Seele und im ganzen Dorfe und Kirchspiele von allen Leuten geliebt. Nie hat man ein hartes Wort von ihr gehört, noch ist ein Fluch und Schwur oder andere Ungebühr je aus ihrem Munde gegangen. Diese Frau hatte sieben Kinder, lauter kleine Dirnen, von welchen die älteste zwölf und die jüngste zwei Jahr alt war: hübsche, lustige Dingelchen. Diese gingen alle übereins gekleidet, mit bunten Röckchen und bunten Schürzen und roten Mützchen; Schuhe aber und Strümpfe hatten sie nicht an, denn das hätte zuviel gekostet, sondern gingen barfuß. Die Mutter hielt sie nett und reinlich, wusch und kämmte sie morgens früh und abends spät, wann sie aufstanden und zu Bett gingen, lehrte sie lesen und singen und erzog sie in aller Freundlichkeit und Gottesfurcht. Wann sie auf dem Felde was zu tun hatte oder weit ausgehen mußte, stellte sie die älteste, welche Barbara hieß, über die andern; diese mußte auf sie sehen, ihnen was erzählen, auch wohl etwas vorlesen. Nun begab es sich einmal, daß ein hoher Festtag war (ich glaube, es war der Karfreitag), da ging die Bauerfrau mit ihrem Manne zur Kirche und sagte den Kindern, sie sollten hübsch artig sein; der Barbara aber und den nächst älteren gab sie ein paar Lieder auf aus dem Gesangbuche, die sie auswendig lernen sollten. So ging sie weg. Barbara und die andern Kinder waren anfangs auch recht artig; die älteren nahmen die Bücher und lasen, und die kleinsten saßen still auf dem Boden und spielten. Als sie so saßen, da erblickte das eine Kind etwas hinter dem Ofen und rief: "O seht! Seht! Was ist das für ein schöner und weißer Beutel!" Es war aber ein Beutel mit Nüssen und Äpfeln, den die Mutter des Morgens da hingehängt hatte und den sie des Nachmittags einem ihrer kleinen Paten bringen wollte. Die meisten Kinder sprangen nun alsbald auf und guckten danach, und auch Barbara, die älteste, stand auf und guckte mit. Und die Kinder flüsterten und sprachen dies und das über den schönen Beutel und was wohl darin sein möchte. Und es gelüstete sie so sehr, es zu wissen, und da riß eines den Beutel von dem Nagel, und Barbara öffnete die Schnur, womit er zugebunden war, und es fielen Äpfel und Nüsse heraus. Und als die Kinder die Äpfel und Nüsse auf dem Boden hinrollen sahen, vergaßen sie alles, und daß es Festtag war, und was die Mutter ihnen befohlen und aufgegeben hatte; sie setzten sich hin und schmausten Äpfel und knackten Nüsse und aßen alles rein auf. Als nun Vater und Mutter um den Mittag aus der Kirche zu Hause kamen, sah die Mutter die Nußschalen auf dem Boden liegen, und sie schaute nach dem Beutel und fand ihn nicht. Da erzürnte sie sich und ward böse zum ersten Male in ihrem Leben und schalt die Kinder sehr und rief: "Der Blitz! Ich wollte, daß ihr Mausemärten alle zu Mäusen würdet!" Der Schwur war aber eine große Sünde, besonders weil es ein so heiliger und hoher Festtag war; sonst hätte Gott es der Bäuerin wohl vergeben, weil sie doch so fromm und gottesfürchtig war. Kaum hatte die Frau das schlimme Wort aus ihrem Munde gehen lassen, so waren alle die sieben niedlichen Kinderchen weg, als hätte sie ein Wind weggeblasen, und sieben bunte Mäuse liefen in der Stube herum mit roten Köpfchen, wie die Röcke und Mützen der Kinder gewesen waren. Und Vater und Mutter erschraken so sehr, daß sie hätten zu Stein werden mögen. Da kam der Knecht herein und öffnete die Türe, und die sieben bunten Mäuse liefen alle zugleich hinaus und über die Flur auf den Hof hin; sie liefen aber sehr geschwind. Und als die Frau das sah, konnte sie sich nicht halten, denn es war ihr im Herzen, als wären die Mäuse ihre Kinder gewesen; und sie stürzte sich aus der Türe hinaus und mußte den Mäusen nachlaufen.

Die sieben bunten Mäuse aber liefen den Weg entlang aus dem Dorfe heraus, immer sporenstreichs; und so liefen sie über das Puddeminer Feld und das Günzer Feld und das Schoritzer Feld und durch die Krewe und die Dumsevitzer Koppel. Und die Mutter lief ihnen außer Atem nach und konnte weder schreien noch weinen und wußte nicht mehr, was sie tat. So liefen die Mäuse über das Dumsevitzer Feld hin und in einen kleinen Busch hinein, wo einige hohe Eichen standen und in der Mitte ein spiegelhellen Teich war. Und der Busch steht noch da mit seinen Eichen und heißt der Mäusewinkel. Und als sie in den Busch kamen und an den Teich im Busche, da standen sie alle sieben still und guckten sich um, und die Bauerfrau stand dicht bei ihnen. Es war aber, als wenn sie ihr Adje sagen wollten. Denn als sie die Frau so ein Weilchen angeguckt hatten, plump! Und alle sieben sprangen zugleich ins Wasser und schwammen nicht, sondern gingen gleich unter in der Tiefe. Es war aber der helle Mittag, als dies geschah. Und die Mutter blieb stehen, wo sie stand, und rührte keine Hand und keinen Fuß mehr, sie war auch kein Mensch mehr. Sie ward stracks zu einem Stein, und der Stein liegt noch da, wo sie stand und die Mäuslein verschwinden sah; und das ist dieser große runde Stein, an welchem wir sitzen. Und nun höre mal, was nach diesem geschehen ist und noch alle Nacht geschieht! Glocke zwölf, wann alles schläft und still ist und die Geister rundwandeln, da kommen die sieben bunten Mäuse aus dem Wasser heraus und tanzen eine ganze ausgeschlagene Stunde, bis es eins schlägt, um den Stein herum. Und sie sagen, dann klingt der Stein, als wenn er sprechen könnte. Und das ist die einzige Zeit, wo die Kinder und die Mutter sich verstehen können und voneinander wissen; die übrige Zeit sind sie wie tot. Dann singen die Mäuse einen Gesang, den ich dir sagen will, und der bedeutet ihre Veränderung, oder daß sie wieder in Menschen verwandelt werden können. Und dies ist der Gesang:

Herut! herut!
Du junge Brut!
Din Brüdegam schall kamen;
Se hebben di
Doch gar to früh
Din junges Leben namen.

Sitt de recht up'n Steen,
Wat he Flesch un Been,
Und wi gan mit dem Kranze:
Säven Junggesell'n
Uns führen schäl'n
Juchhe! to'm Hochtidsdanze.

Und nun will ich dir sagen von dem Gesange, was er bedeutet. Die Mäuse tanzen nun wohl schon tausend Jahre und länger um den Stein, wann es die Mitternacht ist, und der Stein liegt ebensolange. Es geht aber die Sage, daß sie einmal wieder verwandelt werden sollen, und das kann durch Gottes Gnade nur auf folgende Weise geschehen:

Es muß eine Frau sein gerade so alt, als die Bäuerin war, da sie aus der Kirche kam, und diese muß sieben Söhne haben gerade so alt, als die sieben kleinen Mädchen waren. Sind sie eine Minute älter oder jünger, so geht es nicht mehr. Diese Frau muß an einem Karfreitage gerade um die Mittagszeit, als die Frau zu Stein ward, mit ihren sieben Söhnen in den Busch kommen und sich auf den Stein setzen. Und wenn sie sich auf den Stein setzt, so wird der Stein lebendig und wird wieder in einen Menschen verwandelt, und dann steht die Bauerfrau wieder da, leibhaftig und in eben den Kleidern, die sie getragen, als sie den Mäusen nachgelaufen zu diesem Mausewinkel. Und die sieben bunten Mäuse werden wieder zu sieben kleinen Mädchen in bunten Röcken und mit roten Mützen auf dem Kopf. Und jedes kleine Mädchen geht zu dem kleinen Knaben hin, der sein Alter hat, und sie werden Braut und Bräutigam. Und wann sie groß werden, so halten sie Hochzeit an einem Tage und tanzen ihre Kränze ab. Und es sollen die schönsten Jungfrauen werden auf der ganzen Insel, sagen die Leute, und auch die glücklichsten und reichsten, denn alle diese Güter und Höfe hier umher sollen ihnen gehören. Aber ach, du lieber Gott, wann werden sie verwandelt werden?

Prinzessin Svanvithe

Du hast wohl von der Sage gehört, daß hier bei Garz, wo jetzt der Wall über dem See ist, vor vielen tausend Jahren ein großes und schönes Heidenschloß gewesen ist mit herrlichen Häusern und Kirchen, worin sie ihre Götzen gehabt und angebetet haben. Dieses Schloß haben vor langer, langer Zeit die Christen eingenommen, alle Helden totgeschlagen und ihre Kirchen umgeworfen und die Götzen, die darin standen, mit Feuer verbrannt; und nun ist nichts mehr übrig von all der großen Herrlichkeit als der alte Wall und einige Leuschen, welche die Leute sich erzählen, besonders von dem Mann mit Helm und Panzer angetan, der auf dem weißen Schimmel oft über die Stadt und den See hinreitet. Einige, die ihn nächtlich gesehen haben, erzählen, es sei der alte König des Schlosses, und er habe eine güldene Krone auf. Das ist aber alles nichts. Daß es aber um Weihnachten und Johannis in der Nacht aus dem See klingt, als wenn Glocken in den Kirchen geläutet werden, das ist wahr, und viele Leute haben es gehört, und auch mein Vater. Das ist eine Kirche, die in den See versunken ist, andere sagen, es ist der alte Götzentempel. Das glaub' ich aber nicht; denn was sollten die Helden an christlichen Festtagen läuten? Aber das Klingen und Läuten im See ist dir gar nichts gegen das, was im Wall vorgeht, und davon will ich dir eine Geschichte erzählen. Da sitzt eine wunderschöne Prinzessin mit zu Felde geschlagenen Haaren und weinenden Augen und wartet auf den, der sie erlösen soll; und dies ist eine sehr traurige Geschichte.

In jener alten Zeit, als das Garzer Heidenschloß von den Christen belagert ward und die drinnen in großen Nöten waren, weil sie sehr gedrängt wurden, als schon manche Türme niedergeworfen waren und sie auch nicht recht mehr zu leben hatten und die armen Leute in der Stadt hin und wieder schon vor Hunger starben, da war drinnen ein alter, eisgrauer Mann, der Vater des Königs, der auf Rügen regierte. Dieser alte Mann war so alt, daß er nicht recht mehr hören und sehen konnte; aber es war doch seine Lust, unter dem Golde und unter den Edelsteinen und Diamanten zu kramen, welche er und seine Vorfahren im Reiche gesammelt hatten und welche tief unter der Erde in einem schönen, aus eitel Marmelsteinen und Kristallen gebauten Saale verwahrt wurden. Davon waren dort ganz große Haufen aufgeschüttet, viel größere als die Roggen- und Gerstenhaufen, die auf deines Vaters Kornboden aufgeschüttet sind. Als nun das Schloß zu Garz von den Christen in der Belagerung so geängstet ward und viele der tapfersten Männer und auch der König, des alten Mannes Sohn, in dem Streite auf den Wällen und vor den Toren der Stadt erschlagen waren, da wich der Alte nicht mehr aus der marmornen Kammer, sondern lag Tag und Nacht darin und hatte die Türen und Treppen, die dahin führten, dicht vermauern lassen; er aber wußte noch einen kleinen heimlichen Gang, der unter der Erde weglief, viele hundert Stufen tiefer als das Schloß, und jenseits des Sees einen Ausgang hatte, den kein Mensch wußte als er, und wo er hinausschlüpfen und sich draußen bei den Menschen Speise und Trank kaufen konnte. Als nun das Schloß von den Christen erobert und zerstört ward und die Männer und Frauen im Schlosse getötet und alle Häuser und Kirchen verbrannt wurden, daß kein Stein auf dem andern blieb, da fielen die Türme und Mauern übereinander, und die Türe der Goldkammer ward gar verschüttet; auch blieb kein Mensch lebendig, der wußte, wo der tote König seine Schätze gehabt hatte. Der alte König aber saß drunten bei seinen Haufen Goldes und hatte seinen heimlichen Gang offen und hat noch viele hundert Jahre gelebt, nachdem das Schloß zerstört war; denn sie sagen, die Menschen, welche sich zu sehr an Silber und Gold hängen, können vom Leben nicht erlöst werden und sterben nicht, wenn sie Gott auch noch so sehr um den Tod bitten. So lebte der alte, eisgraue Mann noch viele, viele Jahre und mußte sein Gold bewachen, bis er ganz dürr und trocken ward wie ein Totengerippe. Da ist er denn gestorben und auch zur Strafe verwandelt worden und muß nun als ein schwarzer magerer Hund unter den Goldhaufen liegen und sie bewachen, wenn einer kommt und den Schatz holen will. Des Nachts aber zwischen zwölf und ein Uhr, wann die Gespensterstunde ist, muß er noch immer rundgehen als ein altes graues Männlein mit einer schwarzen Pudelmütze auf dem Kopf und einem weißen Stock in der Hand. So haben die Leute ihn oft gesehen im Garzer Holze am Wege nach Poseritz; auch geht er zuweilen um den Kirchhof herum. Denn da sollen vor alters Heidengräber gewesen sein, und die Helden haben immer viel Silber und Gold mit sich in die Erde genommen. Das will er holen, darum schleicht er dort, kann es aber nicht kriegen, denn er darf die geweihte Erde nicht berühren. Das ist aber seine Strafe, daß er so rundlaufen muß, wann andere Leute in den Betten und Gräbern schlafen, weil er so geizig gewesen ist.

Nun begab es sich lange nach diesen Tagen, daß in Bergen ein König von Rügen wohnte, der hatte eine wunderschöne Tochter, die hieß Svanvithe; und sie war die schönste Prinzessin weit und breit, und es kamen Könige und Fürsten und Prinzen aus allen Landen, die um die schöne Prinzessin warben. Und der König, ihr Herr Vater, wußte sich kaum zu lassen vor allen den Freiern und hatte zuletzt nicht Häuser genug, daß er die Fremden beherbergte, noch Ställe, wohin sie und ihre Knappen und Staller ihre Pferde zögen; auch gebrach es fast an Hafer im Lande und Raum für alle die Kutscher und Diener, die mit ihnen kamen, und war Rügen so voll von Menschen, als es nie gewesen seit jenen Tagen. Und der König wäre froh gewesen, wenn die Prinzessin sich einen Mann genommen hätte und die übrigen Freier weggereist wären. Das läßt sich aber bei den Königen nicht so leicht machen als bei andern Leuten, und muß da alles mit vieler Zierlichkeit und Langsamkeit hergehen. Die Prinzessin, nachdem sie wohl ein ganzes halbes Jahr in ihrer einsamen Kammer geblieben war und keinen Menschen gesehen, auch kein Sterbenswort gesagt hatte, fand endlich einen Prinzen, der ihr wohl gefiel, und den sie gern zum Mann haben wollte, und der Prinz gefiel auch dem alten Könige, daß er ihn gern als Eidam wollte. Und sie hatten einander Ringe geschenkt, und war große Freude im ganzen Lande, daß die schöne Svanvithe Hochzeit halten sollte, und hatten alle Schneider und Schuster die Fülle zu tun, die schönen Kleider und Schuhe zu machen, die zur Hochzeit getragen werden sollten. Der verlobte Prinz aber und Svanvithens Bräutigam hieß Herr Peter von Dänemarken und war ein über die Maßen feiner und stattlicher Mann, daß seinesgleichen wenige gesehen wurden.

Da, als alles in lieblicher Hoffnung und Liebe grünete und blühete und die ganze Insel in Freuden stand und nur noch ein paar Tage bis zur Hochzeit waren, kam der Teufel und säete sein Unkraut aus, und die Luft ward in Traurigkeit verwandelt. Es war nämlich allda an des Königs Hofe auch ein Prinz aus Polen, ein hinterlistiger und schlechter Herr, sonst schön und ritterlich an Gestalt und Gebärde. Dieser hatte manches Jahr um die Prinzessin gefreit und sie geplagt Tag und Nacht; sie hatte aber immer nein gesagt, denn sie mochte ihn nicht leiden. Als dieser polnische Prinz nun sah, daß es wirklich eine Hochzeit werden sollte und daß Herr Peter von Dänemarken zum Treuliebsten der schönen Svanvithe erkoren war, sann er in seinem bösen Herzen auf arge Tücke und wußte es durch seine Künste so zu stellen, daß der König und alle Menschen glaubten, Svanvithe sei keine züchtige Prinzessin und habe manche Nächte bei dem polnischen Prinzen geschlafen. Das glaubte auch Herr Peter und reiste plötzlich weg; und der polnische Prinz war zuerst weggereist, und alle Könige und Prinzen reisten weg. Und das Schloß des Königs in Bergen stand wüst und leer da, und alle Freude war mit weggezogen und alle Geiger und Pfeifer und alles Saitenspiel, die sich auf Turniere und Feste gerüstet hatten. Und die Schande der armen Prinzessin klang über das ganze Land; ja in Schweden und Dänemark und Polen hörten sie es, wie die Hochzeit sich zerschlagen hatte. Sie aber war gewiß unschuldig und rein wie ein Kind, das aus dem Mutterleibe kommt, und war es nichts als die greuliche Bosheit des verruchten polnischen Prinzen, den sie als Freier verschmäht hatte.

So ging es der armen Svanvithe, und der König, ihr Vater, war einige Tage nach diesen Geschichten wie von Sinnen und wußte nicht von sich, und ihm war so zumute, daß er sich hätte ein Leid antun können von wegen seiner Tochter und von wegen des Schimpfes, den sie auf das ganze königliche Haus gebracht hatte. Und als er sich besann und wieder zu sich kam und die ganze Schande bedachte, worein er geraten war durch seine Tochter, da ergrimmte er in seinem Herzen, und er ließ die schöne Svanvithe holen und schlug sie hart und zerraufte ihr Haar und stieß sie dann von sich und befahl seinen Dienern, daß sie sie hinausführten in ein verborgenes Gemach, daß seine Augen sie nimmer wiedersähen. Darauf ließ er in einen mit dichten Mauern eingeschlossenen und mit dunklen Bäumen beschatteten Garten hinter seinem Schlosse einen düstern Turm bauen, wo weder Sonne noch Mond hineinschien, da sperrte er die Prinzessin ein. Der Turm, den er hatte bauen lassen, war aber fest und dicht und hatte nur ein einziges kleines Loch in der Türe, wodurch ein wenig Licht hineinfiel und wodurch der Prinzessin die Speise gereicht ward. Es war auch weder Bett noch Tisch oder Bank in dem traurigen Gefängnis; auf harter Erde mußte die liegen, die sonst auf Sammet und Seiden geschlafen hatte, und barfuß mußte die gehen, die sonst in goldenen Schuhen geprangt hatte. Und Svanvithe hätte sterben müssen vor Jammer, wenn sie nicht gewußt hätte, daß sie unschuldig war, und wenn sie nicht zu Gott hätte beten können. Sie aber war ein sehr junges Kind, als sie eingesperrt ward, erst sechzehn Jahre alt, schön wie eine Rose und schlank und weiß wie eine Lilie, und die Menschen, die sie liebhatten, nannten sie nicht anders als des Königs Lilienstengelein. Und dieses süße Lilienstengelein sollte so jämmerlich verwelken in der kalten und einsamen Finsternis.

Und sie hatte wohl drei Jahre so gesessen zwischen den kalten Steinen, und auch der alte König war nicht mehr froh gewesen seit jenem Tage, als der polnische Prinz sie in die große Schande gebracht hatte, sondern sein Kopf war schneeweiß geworden vor Gram wie der Kopf einer Taube; aber vor den Leuten gebärdete er sich stolz und aufgerichtet und tat, als wenn seine Tochter tot und lange begraben wäre. Sie aber saß von der Welt ungewußt in ihrem Elende und tröstete sich allein Gottes und dachte, daß er ihre Unschuld wohl einmal an den Tag bringen würde. Weil sie aber in ihren einsamen Trauerstunden Zeit genug hatte, hin und her zu denken, so fiel ihr die Sache ein von dem Königsschatze unter dem Garzer Walle, die sie in ihrer Kindheit oft gehört hatte, und sie gedachte damit ihre Unschuld, und daß der polnische Prinz sie unter einem falschen Schein schändlich belogen hatte, sonnenklar zu beweisen. Und als darauf ihr Wächter kam und ihr die Speise durch das Loch reichte, sprach sie zu ihm: "Lieber Wächter, gehe zu dem Könige, meinem und deinem Herrn, und sage ihm, daß seine arme einzige Tochter ihn nur noch ein einziges Mal zu sehen und zu sprechen wünscht in ihrem Leben und daß er ihr diese letzte Gunst nicht versagen mag."

Und der Wächter sagte ja und lief und dachte bei sich: "Wenn der alte König ihre Bitte nur erhört!" Denn es jammerte ihn die arme Prinzessin unaussprechlich, und sie jammerte alle Menschen; denn sie war immer freundlich gewesen gegen jedermann, auch hatten die meisten von Anfang an geglaubt, daß sie fälschlich verklagt war und daß der polnische Prinz einen argen Lügenschein auf sie gebracht hatte; denn sie hatte sich immer aller Zucht und Jungfräulichkeit beflissen vor jedermann.

Und als ihr Wächter vor den König trat und ihm die Bitte der Prinzessin anbrachte, da war der alte Herr sehr zornig und schalt ihn und drohete ihm, ihn selbst in den Turm zu werfen, wenn er den Namen der Prinzessin vor ihm je wieder über seine Lippen laufen lasse. Und der erschrockene Wächter ging weg. Der König aber legte sich hin und schlief ein. Da soll er einen wunderbaren Traum gehabt haben, den kein Mensch zu deuten verstanden hat, und er ist früh erwacht und sehr unruhig gewesen und hat viel an seine Tochter denken müssen, bis er zuletzt befohlen hat, daß man sie aus dem Turm heraufbrächte und vor ihn führte.

Als Svanvithe nun vor den König trat, war sie bleich und mager, auch waren ihre Kleider und Schuhe schon abgerissen, und sie stand fast nackt und barfuß da und sah einer Bettlertochter ähnlicher als einer Königstochter. Und der alte König ist bei ihrem Anblick blaß geworden vor Jammer wie der Kalk an der Wand, aber sonst hat er sich nichts merken lassen. Und Svanvithe hat sich vor ihm verneigt und also zu ihm gesprochen:

"Mein König und Herr! Ich erscheine nur als eine arme Sünderin vor dir, als eine, die an der göttlichen Gnade und an dem Lichte des Himmels kein Recht mehr haben soll. Also hast du mich von deinem Angesicht verstoßen und von allem Lebendigen weggesperrt. Ich beteure aber vor dir und vor Gott, daß ich unschuldig leide und daß der polnische Prinz aus eitel Tücke und Arglist all den schlimmen Schein auf mich gebracht hat. Und nun hat Gott, der sich mein erbarmen will, mir einen Gedanken ins Herz gegeben, wodurch ich meine unbefleckte Jungfrauschaft beweisen und dich und mich und dein ganzes Reich zu Reichtum und Ehren bringen kann. Du weißt, es geht die Sage, unter dem alten Schloßwalle zu Garz, wo unsere heidnischen Ahnen weiland gewohnt haben, liege ein reicher Schatz vergraben. Diese Sage, die mir in meiner Kindheit oft erzählt ist, meldet ferner, dieser Schatz könne nur von einer Prinzessin gehoben werden, die von jenen alten Königen herstamme und noch eine reine Jungfrau sei: wenn nämlich diese den Mut habe, in der Johannisnacht zwischen zwölf und ein Uhr nackt und einsam diesen Wall zu ersteigen und darauf rückwärts so lange hin und her zu treten, bis es ihr gelinge, die Stelle zu treffen, wo die Tore und Treppen verschüttet sind, die zu der Schatzkammer hinabführen. Sobald sie diese mit ihren Füßen berühre, werde es sich unter ihr öffnen, und sie werde sanft heruntersinken mitten in das Gold und könne sich von den Herrlichkeiten dann auslesen, was sie wolle, und bei Sonnenaufgang wieder herausgehen. Was sie aber nicht tragen könne, werde der alte Geist, der den Schatz bewacht, nebst seinen Gehilfen nachtragen. Hierauf habe ich nun meine Hoffnung eines neuen Glückes gestellt, ob es mir etwa aufblühen wolle; laß mich denn, Herr König, mit Gott diese Probe machen. Ich bin ja doch einer Toten gleich, und ob ich hier begraben bin oder dort begraben werde, kann dir einerlei sein."

Sie hatte die Gebärde, als wolle sie noch mehr sagen; aber bei diesen Worten stockte sie und konnte nicht mehr, sondern schluchzete und weinte bitterlich. Der König aber winkte dem Wächter leise zu, der sie hereingeführt hatte, und alsbald kamen Frauen und Dienerinnen herbei und trugen sie hinaus von dem Könige weg in ein Seitengemach. Und nicht lange, so ward der Wächter wieder zu dem Könige gerufen, und er brachte ihr Speise und Trank, daß sie sich stärkte und erquickte, und zugleich die Botschaft, daß der König ihr die gebetene mitternächtliche Fahrt erlaube. Bald trugen Dienerinnen ihr ein Bad herein nebst zierlichen Kleidern, daß sie sich bedecken konnte, denn sie war fast nackend. Und sie lebte nun wieder in Freuden, obgleich sie ganz einsam saß und gegen niemand den Mund auftat—auch den Dienern und Dienerinnen war das Sprechen zu ihr verboten, sie wußten auch nicht, wer sie war, noch wie sie in das Schloß gekommen, denn von denen, die sie kannten, ward niemand zu ihr gelassen denn allein der Wächter, der ihr immer die Speise gebracht hatte im Turme. Und ihre Schöne fing wieder an aufzublühen, wie blaß und elend sie auch aus dem Turm gekommen war; und alle, die sie sahen, entsetzten sich über ihre Huld und Lieblichkeit, und sie deuchte ihnen fast einem Engel gleich, der vom Himmel in das Schloß gekommen sei.

Und als vierzig Tage vergangen waren und der Tag vor Johannis da war, da ging sie zu dem Könige, ihrem Vater, ins Gemach und sagte ihm Lebewohl. Und der alte Herr neigte noch einmal wieder seinen weißen Kopf über sie und weinte sehr, und sie sank vor ihm hin und umfaßte seine Knie und weinte noch mehr. Und darauf ging sie hinaus und verkleidete sich so, daß niemand sie für eine Prinzessin gehalten hätte, und trat ihre Reise an. Die Reise war aber nicht weit von Bergen nach Garz, und sie ging in der Tracht eines Reiterbuben einher. Und in der Nacht, als es vom Garzer Kirchturm zwölf geschlagen hatte, betrat sie einsam den Wall, tat ihre Kleider von sich, also daß sie da stand, wie Gott sie erschaffen hatte, und nahm eine Johannisrute in die Hand, womit sie hinter sich schlug. Und so tappte sie stumm und rücklings fort, wie es geschehen mußte. Und nicht lange war sie geschritten, so tat sich die Erde unter ihren Füßen auf, und sie fiel sanft hinunter, und es war ihr, als würde sie in einem Traum hinabgewiegt; und sie fiel hinab in ein gar großes und schönes und von tausend Lichtern und Lampen erleuchtetes Gemach, dessen Wände von Marmor und diamantenen Spiegeln blitzten und dessen Boden ganz mit Gold und Silber und Edelsteinen beschüttet war, daß man kaum darauf gehen konnte. Sie aber sank so weich auf einen Goldhaufen herab, daß es ihr gar nicht weh tat. Und sie besah sich alle die blitzende Herrlichkeit in dem weiten Saale, wo die Schätze und Kostbarkeiten ihrer Ahnherren von vielen Jahrhunderten gesammelt und aufgehängt waren; und da sah sie in der hintersten Ecke in einem goldenen Lehnstuhl das kleine graue Männchen sitzen, das ihr freundlich zunickte, als wolle es mit der Urenkelin sprechen. Sie aber sprach kein Wort zu ihm, sondern winkte ihm nur leise mit der Hand. Und auf ihren Wink hob der Geist sich hinweg und verschwand, und statt seiner kam eine lange Schar prächtig gekleideter Diener und Dienerinnen, welche sich in stummer Ehrfurcht hinter sie stellten, als erwarteten sie, was die Herrin befehlen würde. Svanvithe aber säumte nicht lange, bedenkend, wie kurz die Mittsommersnacht ist, und sie nahm die Fülle der Edelsteine und Diamanten und winkte den Dienern und Dienerinnen hinter ihr, daß sie ebenso täten; auch diese füllten Hände und Taschen und Zipfel und Geren der Kleider mit Gold und edlen Steinen und kostbaren Geschirren. Und noch ein Wink, und die lange Reihe wandelte, und die Prinzessin schritt voran der Treppe zu, als wenn sie herausgehen wollte; jene aber folgten ihr. Und schon hatte sie viele Stufen vollendet und sah schon das dämmernde Morgenlicht und hörte schon den Lerchengesang und den Hahnenkrei, die den Tag verkündeten—da ward es ihr bange, ob die Diener und Dienerinnen ihr auch nachträten mit den Schätzen. Und sie sah sich um, und was erblickte sie? Sie sah den kleinen grauen Mann sich plötzlich in einen großen schwarzen Hund verwandeln, der mit, feurigem Rachen und funkelnden Augen gegen sie hinaufsprang. Und sie entsetzte sich sehr und rief: "Oh Herr je!" Und als sie das Wort ausgeschrien hatte, da schlug die Tür über ihr mit lautem Knalle zu, und die Treppe versank, und die Diener und Dienerinnen verschwanden, und alle Lichter des Saales erloschen, und sie war wieder unten am Boden und konnte nicht heraus. Der alte König aber, da sie nicht wiederkam, grämte sich sehr; denn er dachte, sie sei entweder umgekommen bei dem Hinabsteigen zu dem Schatze durch die Tücke der bösen Geister, die unter der Erde ihre Gewalt haben, oder sie habe sich der Sache überhaupt nicht unterstanden und laufe nun wie eine arme, verlassene Streunerin durch die Welt. Und er lebte nur noch wenige Wochen nach ihrem Verschwinden; dann starb er und ward begraben.

Der Prinzessin Svanvithe war dieses Unglück aber geschehen, weil sie sich umgesehen hatte, als sie weggehen wollte, und weil sie gesprochen hatte. Denn über die Unterirdischen hat man keine Gewalt, wenn man sich umsieht oder spricht, sondern es gerät dann fast immer unglücklich, wovon man viele Beispiele und Geschichten weiß.

Und es waren viele Jahre vergangen, vielleicht hundert Jahre und mehr, und alle die Menschen waren gestorben und begraben, welche zu der Zeit des alten Königs und der schönen Svanvithe gelebt hatten, und schon ward hie und da von ihnen erzählt wie von einem alten, alten, längst verschollenen Märchen; da hörte man hin und wieder, die Prinzessin lebe noch und sitze unter dem Garzer Wall in der Schatzkammer und müsse nun mit dem alten, grauen Urgroßvater die Schätze hüten helfen. Und kein Mensch weiß zu sagen, wie dies hier oben bekannt geworden ist. Vielleicht hat der kleine graue Mann, der zuzeiten rundgeht, es einem verraten, oder es hat es auch einer der hellsichtigen Menschen gesehen, die an hohen Festtagen in besonderen Stunden geboren sind und die das Gras und das Gold in der Erde wachsen sehen und mit ihren Augen durch die dicksten Berge und Mauern dringen können. Und es war viel erschollen von der Geschichte und von dem wundersamen Versinken der Prinzessin unter die Erde, und daß sie in der dunkeln Kammer sitze und noch lebe und einmal erlöst werden solle. Sie kann aber, sagen sie, erlöst werden, wenn einer es wagt, auf dieselbe Weise, wie sie einst in der Johannisnacht getan hat, in die verbotene Schatzkammer hinabzufallen. Dieser muß sich dann dreimal vor ihr verneigen, ihr einen Kuß geben, sie an die Hand fassen und sie still herausführen; denn kein Wort darf er beileibe nicht sprechen. Wer sie herausbringt, der wird mit ihr in Herrlichkeit und in Freuden leben und so viele Schätze haben, daß er sich ein Königreich kaufen kann. Darin wird er dann fünfzig Jahre als König auf dem Throne sitzen und sie als seine Königin neben ihm, und werden gar liebliche Kinder zeugen; der kleine graue Spuk wird dann aber auf immer verschwinden, wann sie ihm die Schätze weggehoben haben. Nun hat es wohl so kühne und verwegene Prinzen und schöne Knaben gegeben, die mit der Johannisrute in der Hand zu ihr hinabgekommen sind; aber sie haben es immer in etwas versehen, und die Prinzessin ist noch nicht erlöst. Ja, wenn das ein so leichtes Ding wäre, wieviele würden Lust haben, eine so schöne Prinzessin zu freien und Könige zu werden! Die Leute erzählen aber, der greuliche schwarze Hund ist an allem schuld; keiner hat es mit ihm aushalten können, sondern wenn sie ihn sehen, so müssen sie aufschreien, und dann schlägt die Türe zu, und die Treppe versinkt, und alles ist wieder vorbei.

So sitzt denn die arme Svanvithe da in aller ihrer Unschuld und muß da unten frieren und das kalte Gold hüten, und Gott weiß, wann sie erlöst werden wird. Sie sitzt da über Goldhaufen gebeugt; ihr langes Haar hängt ihr über die Schultern herab, und sie weint unaufhörlich. Schon sitzen sechs junge Gesellen um sie herum, die auch mithüten müssen. Das sind die, denen die Erlösung nicht gelungen ist. Wem es aber gelingt, der heiratet die Prinzessin und bekommt den ganzen Schatz und befreit zugleich die andern armen Gefangenen. Sie sagen, der letzte ist vor zwanzig Jahren darin versunken, ein Schuhmachergesell, der Jochim Fritz hieß. Das war ein junges, schönes Blut und ging immer viel auf dem Wall spazieren. Der ist mit einem Male verschwunden, und keiner hat gewußt, wo er gestoben und geflogen war, und seine Eltern und Freunde haben ihn in der ganzen Welt suchen lassen, aber nicht gefunden! Er mag nun auch wohl dasitzen bei den andern.

Der Riese Balderich

In der westlichen Spitze der Insel Rügen in der Ostsee an der Feldscheide der Dörfer Rothenkirchen und Götemitz, etwa eine Viertelmeile von dem Kirchdorfe Rambin, liegen auf flachem Felde neun kleine Hügel oder Hünengräber, welche gewöhnlich die Neun Berge oder die Neun Berge bei Rambin genannt werden, und von welchen das Volk allerlei Märchen erzählt. Diese entstanden weiland durch die Kühnheit eines Riesen, und seitdem die Riesen tot sind, treiben die Zwerge darin ihr Wesen.

Vor langer Zeit lebte auf Rügen ein gewaltiger Riese (ich glaube, er hieß Balderich), den verdroß es, daß das Land eine Insel war und daß er immer durch das Meer waten mußte, wenn er nach Pommern auf das feste Land wollte. Er ließ sich also eine ungeheure Schürze machen, band sie um seine Hüften und füllte sie mit Erde; denn er wollte sich einen Erddamm aufführen von der Insel bis zur Feste. Als er mit seiner Tracht bis über Rothenkirchen gekommen war, riß ein Loch in die Schürze, und aus der Erde, die herausfiel, wurden die Neun Berge. Er stopfte das Loch zu und ging weiter; aber als er bis Gustow gekommen war, riß wieder ein Loch in die Schürze, und es fielen dreizehn kleine Berge heraus. Mit der noch übrigen Erde ging er ans Meer und goß sie hinein. Da ward der Prosnitzer Hafen und die niedliche Halbinsel Drigge. Aber es blieb noch ein schmaler Zwischenraum zwischen Rügen und Pommern, und der Riese ärgerte sich darüber so sehr, daß er plötzlich von einem Schlagfluß hinstürzte und starb. Und so ist denn sein Damm leider nie fertig geworden.

Von demselben Riesen Balderich erzählt man ein Kraftstück, das er bei Putbus bewiesen hat. Er hatte schon mehrmals mit Ärger gesehen, daß dem Christengotte zu Vilmnitz, eine halbe Meile von Putbus, eine Kirche erbaut ward, und da hat er bei sich gesprochen: "Laß die Würmer ihren Ameisenhaufen nur aufbauen; den werfe ich nieder, wann er fertig ist." Als nun die Kirche fertig und der Turm aufgeführt war, nahm der Riese einen gewaltigen Stein, stellte sich auf dem Putbusser Tannenberge hin und schleuderte ihn mit so ungeheurer Gewalt, daß der Stein wohl eine Viertelmeile über die Kirche wegflog und bei Nadelitz niederfiel, wo er noch diesen Tag liegt am Wege, wo man nach Posewald fährt, und der Riesenstein genannt wird.

Die Unterirdischen in den Neun Bergen bei Rambin

In den Neun Bergen bei Rambin wohnen nun die Zwerge und die kleinen Unterirdischen und tanzen des Nachts in den Büschen und Feldern herum und führen ihre Reigen und ihre Musiken auf im mitternächtlichen Mondschein, besonders in der schönen und lustigen Sommerzeit und im Lenze, wo alles in Blüte steht; denn nichts lieben die kleinen Menschen mehr als die Blumen und die Blumenzeit. Sie haben auch viele schöne Knaben und Mädchen bei sich; diese aber lassen sie nicht heraus, sondern behalten sie unter der Erde in den Bergen, denn sie haben die meisten gestohlen oder durch einen glücklichen Zufall erwischt und fürchten, daß sie ihnen wieder weglaufen möchten. Denn vormals haben sich viele Kinder des Abends und des Morgens locken lassen von der süßen Musik und dem Gesange, der durch die Büsche klingt, und sind hingelaufen und haben zugehorcht; denn sie meinten, es seien kleine singende Waldvögelein, die mit solcher Lustigkeit musizierten und Gott lobeten—und dabei sind sie gefangen worden von den Zwergen, die sie mit in den Berg hinabgenommen, daß sie ihnen dort als Diener und Dienerinnen aufwarteten. Seitdem die Menschen nun Wissens daß es da so hergeht und nicht recht geheuer ist, hüten sie sich mehr, und geht keiner dahin. Doch verschwindet von Zeit zu Zeit noch manches unschuldige Kind, und die Leute sagen dann wohl, es hab's einer der Zwerge mitgenommen; und oft ist es auch wohl durch die Künste der kleinen braunen Männer eingefangen und muß da unten sitzen und dienen und kann nicht wiederkommen. Das ist aber ein uraltes Gesetz, das bei den Unterirdischen gilt, daß sie je alle fünfzig Jahre wieder an das Licht lassen müssen, was sie eingefangen haben. Und das ist gut für die, welche so gefangen sitzen und da unten den kleinen Leuten dienen müssen, daß ihnen diese Jahre nicht gerechnet werden, und daß keiner da älter werden kann als zwanzig Jahre, und wenn er volle fünfzig Jahre in den Bergen gesessen hätte. Und es kommen auf die Weise alle, die wieder herauskommen, jung und schön heraus. Auch haben die meisten Menschen, die bei ihnen gewesen sind, nachher auf der Erde viel Glück gehabt: entweder, daß sie da unten so klug und witzig und anschlägisch werden, oder daß die kleinen Leute, wie einige erzählen, ihnen unsichtbar bei der Arbeit helfen und Gold und Silber zutragen.

Die Unterirdischen, welche in den Neun Bergen wohnen, gehören zu den braunen, und die sind nicht schlimm. Es gibt aber auch schwarze, das sind Tausendkünstler und Kunstschmiede, geschickt und fertig in allerlei Werk, aber auch arge Zauberer und Hexenmeister, voll Schalkheit und Trug, und ist ihnen nicht zu trauen. Sie sind auch Wilddiebe, denn sie essen gern Braten. Sie dürfen aber das Wild mit keinem Gewehr fällen, sondern sie stricken eigene Netze, die kein Mensch sehen kann; darin fangen sie es. Darum sind sie auch Feinde der Jäger und haben schon manchem Jäger sein Gewehr behext, daß er nicht treffen kann. Das glauben aber bis diesen Tag viele Leute, daß nichts eine größere Gewalt über diese Schwarzen hat als Eisen, worüber gebetet worden, oder was in Christenhänden gewesen ist. Solche Schwarzen wohnen hier aber gar nicht.

In zwei Bergen wohnen von den weißen, und das sind die freundlichsten, zartesten und schönsten aller Unterirdischen, fein und anmutig von Gliedern und Gebärden und ebenso fein und liebenswürdig drinnen im Gemüte. Diese Weißen sind ganz unschuldig und rein und necken niemand, auch nicht einmal im Scherze, sondern ihr Leben ist licht und zart, wie das Leben der Blumen und Sterne, mit welchen sie auch am meisten Umgang halten. Diese niedlichen Kleinen sitzen den Winter, wann es auf der Erde rauh und wüst und kalt ist, ganz still in ihren Bergen und tun da nichts anders, als daß sie die feinste Arbeit wirken aus Silber und Gold, daß die Augen der meisten Sterblichen zu grob sind, sie zu sehen; die sie aber sehen können, sind besonders feine und zarte Geister. So leben sie den trüben Winter durch, wann es da draußen unhold ist, in ihren verborgenen Klausen. Sobald es aber Frühling geworden und den ganzen Sommer hindurch, leben sie hier oben im Sonnenschein und Sternenschein sehr fröhlich und tun dann nichts als sich freuen und andern Freude machen. Sobald es auch im ersten Lenze zu sprossen und zu keimen beginnt an Bäumen und Blumen, sind sie husch aus ihren Bergen heraus und schlüpfen in die Reiser und Stengel und von diesen in die Blüten und Blumenknospen, worin sie gar anmutig sitzen und lauschen. Des Nachts aber, wann die Menschen schlafen, spazieren sie heraus und schlingen ihre fröhlichen Reihentänze im Grünen um Hügel und Bäche und Quellen und machen die allerlieblichste und zarteste Musik, welche reisende Leute so oft hören und sich verwundern, weil sie die Spieler nicht sehen können. Diese kleinen Weißen dürfen auch bei Tage immer heraus, wann sie wollen, aber nicht in Gesellschaft, sondern einzeln, und sie müssen sich dann verwandeln. So fliegen viele von ihnen umher als bunte Vögelein oder Schmetterlinge oder als schneeweiße Täubchen und bringen den kleinen Kindern oft Schönes und den Erwachsenen zarte Gedanken und himmlische Träume, von welchen sie nicht wissen, wie sie ihnen kommen. Das ist bekannt, daß sie sich häufig in Träume verwandeln, wenn sie in geheimer Botschaft reisen. So haben sie manchen Betrübten getröstet und manchen Treuliebenden erquickt. Wer ihre Liebe gewonnen hat, der ist im Leben besonders glücklich, und wenn sie nicht so reich machen an Schätzen und Gütern als die andern Unterirdischen, so machen sie reich an Liedern und Träumen und fröhlichen Gesichten und Phantasien. Und das sind wohl die besten Schätze, die ein Mensch gewinnen kann.

Abenteuer des Johann Dietrich

In Rambin lebte einst ein Arbeitsmann, der hieß Jakob Dietrich, ein Mann schlecht und recht und gottesfürchtig, und der auch eine gute und gottesfürchtige Frau hatte. Die beiden Eheleute besaßen dort ein Häuschen und ein Gärtchen und nährten sich redlich von der Arbeit ihrer Hände; denn andere Künste kannten sie nicht. Sie hatten viele liebe Kinder, von welchen das jüngste, Johann Dietrich genannt, ihnen fast das liebste war. Denn es war ein schöner und munterer Junge, aufgeweckt und quick, fleißig in der Schule und gehorsam zu Hause, und behielt alle Lehren und Geschichten sehr gut, welche die Eltern ihm versagten. Auch von vielen andern Leuten lernte er und hielt jeden fest, der Geschichten wußte, und ließ ihn nicht eher los, als bis er sie erzählt hatte.

Johann war acht Jahre alt geworden und lebte den Sommer bei seines Vaters Bruder, der Bauer in Rothenkirchen war, und mußte nebst andern Knaben Kühe hüten, die sie ins Feld gegen die Neun Berge hinaustrieben, wo damals noch viel mehr Wald war als jetzt. Da war ein alter Kuhhirt aus Rothenkirchen, Klas Starkwolt genannt, der gesellte sich oft zu den Knaben, und sie trieben die Herden zusammen und setzten sich hin und erzählten Geschichten. Der alte Klas wußte viele und erzählte sie sehr lebendig; er war bald Johann Dietrichs liebster Freund. Besonders aber wußte er viele Märchen von den Neun Bergen und von den Unterirdischen aus der allerfrühesten Zeit, als die Riesen im Lande untergegangen und die Kleinen in die Berge gekommen waren, und Johann hörte sie immer mit dem innigsten Wohlgefallen und plagte den alten Mann jeden Tag um neue Geschichten, obgleich ihm dieser das Herz zuweilen so in Flammen setzte, daß er des Abends spät und des Morgens früh, wenn er hier zuweilen heraus mußte, mit sausendem Haar über das Feld hinstrich, als hätte er alle Unterirdischen als Jäger hinter sich gehabt, die ihn fangen wollten. Der kleine Johann Dietrich hatte sich so vertieft und verliebt in diese Märchen von den Unterirdischen, daß er nichts anders sah und hörte, von nichts anderm sprach und fabelte als von goldenen Bechern und Kronen, gläsernen Schuhen, Taschen voll Dukaten, goldenen Ringen, diamantenen Kränzen, schneeweißen Bräuten und klingenden Hochzeiten. Wenn er nun so ganz darin war und in kindischer Freude aufjauchzte und umhersprang, dann pflegte der alte Starkwolt wohl den Kopf zu schütteln und ihm zuzurufen: "Johann! Johann! Wo willst du hin? Spaten und Sense, das sind dein Zepter und deine Krone, und deine Braut wird ein Kränzel von Rosmarin und einen bunten Rock von Drell tragen." Johann ließ sich das aber nicht anfechten und träumte immer lustig fort. Und obwohl er herzlich graulich war und in der Dunkelheit um alles in der Welt nicht über den Kirchhof gegangen wäre, hatte er sich das Leben da in dem Berge und die Schätze und Herrlichkeiten darin doch so ausgemalt, daß ihn fast gelüstete, einmal hinabzusteigen; denn der alte Klas hatte gesagt, wie man es anfangen müsse, damit man da unten Herr werde und nicht Diener, und damit sie einen nicht fünfzig Jahre festhalten und die Becher spülen und das Estrich kehren lassen könnten. Wer nämlich so klug oder so glücklich sei, die Mütze eines Unterirdischen zu finden oder zu erhaschen, der könne sicher hinabsteigen, dem dürfen sie nichts tun noch befehlen, sondern müssen ihm dienen, wie er wolle, und derjenige Unterirdische, dem die Mütze gehöre, müsse sein Diener sein und ihm schaffen, was er wolle. Das hatte Johann sich hinters Ohr geschrieben und seinen Teil dabei gedacht; ja, er hatte wohl hinzugesetzt, so etwas unterstehe er sich auch wohl zu wagen. Die Leute glaubten ihm das aber nicht, sondern lachten ihn aus; und doch hat er es getan, und sie haben genug geweint, als er nicht wiedergekommen ist.

Es war nun die Zeit des Johannisfestes, wo die Tage am längsten sind und die Nächte am kürzesten, und wo die Jahreszeit am schönsten ist. Die Alten und die Kinder hatten die Festtage fröhlich gelebt und gespielt und allerlei Geschichten erzählt; da konnte Johann sich nicht länger halten, sondern den Tag nach Johannis schlich er sich heimlich weg, und als es dunkel ward, legte er sich auf dem Gipfel des höchsten der Neun Berge hin, wo die Unterirdischen, wie Klas ihm erzählt, ihren vornehmsten Tanzplatz hatten. Und wahrlich, er legte sich nicht ohne Angst hin, und hätte er nicht einmal dagelegen, vielleicht wäre nimmer was daraus geworden; denn sein Herz schlug ihm wie ein Hammer, und sein Atem ging wie ein frischer Wind. So lauschte er in Furcht und Hoffnung von zehn Uhr abends bis zwölf Uhr Mitternacht. Und als es zwölf schlug, sieh, da fing es an zu klingen und zu singen in den Bergen; und bald wisperte und lispelte und pfiff und säuselte es um ihn her; denn die kleinen Leute dreheten sich jetzt in Tänzen rund, und andere spielten und tummelten sich im Mondschein und machten tausend lustige Schwänke und Possen. Ihn überlief bei diesem Gewispel und Gesäusel ein geheimer Schauder (denn sehen konnte er nichts von ihnen, da ihre Mützchen, die sie tragen, sie unsichtbar machen); er aber lag ganz still, das Gesicht ins Gras gedrückt und die Augen fest zugeschlossen und leise schnarchend, als schliefe er. Doch konnte er es nicht lassen, zuweilen ein wenig umher zu blinzeln, damit er etwa seinen Vorteil ersähe, einen der kleinen Leute finge und ein Herr würde, denn dazu hatte er gar große Lust; aber wie heller Mondschein es auch war, er konnte auch nicht das geringste von ihnen erblicken.

Und siehe, es währte nicht lange, so kamen drei der Unterirdischen dahergesprungen, wo er lag, gaben aber nicht acht auf ihn, warfen ihre braunen Mützchen in die Luft und fingen sie einander ab. Da riß der eine dem andern in Schalkheit die Mütze aus der Hand und warf sie weg. Und die Mütze flog dem Johann gerade auf den Kopf, und er fühlte sie, griff zu und richtete sich sogleich auf und ließ Schlaf Schlaf sein. Er schwang mit Freuden seine Mütze, daß das silberne Glöcklein daran klingelte, und setzte sie sich dann auf den Kopf, und (o Wunder! ) in demselben Augenblicke sah er das zahllose und lustige Gewimmel der kleinen Leute, und sie waren ihm nicht mehr unsichtbar. Die drei kleinen Männer kamen listig herbei und wollten mit Behendigkeit die Mütze wieder gewinnen; er aber hielt seine Beute fest, und sie sahen wohl, daß sie auf diese Weise nichts von ihm gewinnen würden; denn Johann war ein Riese gegen sie an Größe und Stärke, und sie reichten ihm kaum bis ans Knie. Da kam derjenige, dem die Mütze gehörte, und trat ganz demütig vor den Finder hin und bat flehentlich, als hänge sein Leben dran, ihm die Mütze wiederzugeben. Johann aber antwortete ihm: "Nein, du kleiner, schlauer Schelm, die Mütze bekommst du nicht wieder; das ist nichts, was man für ein Butterbrot weggibt! Ich wäre schlimm daran mit euch, wenn ich nichts von euch hätte; jetzt aber habt ihr kein Recht an mir, sondern müßt mir, was ich nur will, zu Gefallen tun. Und ich will mit euch hinabfahren und sehen, wie ihr es da unten treibt; du aber sollst mein Diener sein, denn du mußt wohl. Das weiß ich so gut als ihr, daß es nicht anders sein kann, denn Klas Starkwolt hat mir es alles erzählt." Der kleine Mensch aber gebärdete sich, als ob er dies alles nicht gehört noch verstanden hätte; er fing seine Quälerei und Winselei und Plinselei wieder von vorn an, klagte und jammerte und heulte erbärmlich um sein verlornes Mützchen; aber als Johann ihm kurzweg sagte: "Es bleibt dabei, du bist der Diener, und ich will eine Fahrt mit euch machen", da fand er sich endlich drein, zumal da auch die andern ihm zuredeten, daß es so sein müsse. Johann aber warf seinen schlechten Hut nun weg und setzte sich die Mütze an seiner Stelle auf und befestigte sie wohl auf seinem Kopfe, damit sie ihm nicht abgleiten oder abfliegen könnte; denn in ihr trug er die Herrschaft.

Und er versuchte es sogleich und befahl seinem neuen Diener, ihm Speise und Trank zu bringen, denn ihn hungerte. Und der Diener lief wie der Wind davon, und in einem Hui war er wieder da und trug Wein in Flaschen herbei und Brot und köstliche Früchte. Und Johann aß und trank und sah dem Spiele und den Tänzen der Kleinen zu, und es gefiel ihm sehr wohl. Und er führte sich in allen Dingen mit ihnen beherzt und klug auf, als wäre er ein geborner Herr gewesen.

Und als der Hahn seinen dritten Krei getan hatte und die kleinen Lerchen in der Luft die ersten Wirbel anschlugen und das junge Licht in einzelnen weißen Streifen im Osten aufdämmerte, da ging es husch husch husch durch die Büsche und Blumen und Halme fort, und die Berge klangen wieder und taten sich auf, und die kleinen Menschen fuhren hinab; und Johann gab wohl acht auf alles und fand es wirklich so, wie sie ihm erzählt hatten. Siehe, auf dem Wipfel der Berge, wo sie eben noch getanzt hatten, und wo alles eben voll Gras und Blumen stand, wie die Menschen es bei Tage sehen, hob sich, als es zum Abzuge blies, plötzlich eine glänzende gläserne Spitze hervor; auf diese trat, wer hinein wollte, sie öffnete sich, und er glitt sanft hinab, und sie tat sich wieder hinter ihm zu; als sie aber alle hinein waren, verschwand sie und war auch keine Spur mehr von ihr zu sehen. Die aber durch die gläserne Spitze fielen, sanken gar sanfte in eine weite silberne Tonne, die sie alle aufnahm und wohl tausend solcher Leutlein beherbergen konnte. In eine solche fiel auch Johann mit seinem Diener und mit mehreren hinab, und sie alle schrien und baten ihn, daß er sie nicht treten möge, denn sie wären des Todes gewesen von seiner Last. Er aber hütete sich und war sehr freundlich gegen sie. Es gingen aber mehrere solcher Tonnen nebeneinander hin, immer hinauf und hinab, bis alle hinunter waren. Sie hingen an langen silbernen Ketten, die unten gezogen und gehalten wurden.

Johann erstaunte beim Hinabfahren über den wunderbaren Glanz der Wände, zwischen welchen das Tönnchen fortglitt. Es war alles wie mit Perlen und Diamanten besetzt, so blitzte und funkelte es; unter sich aber hörte er die lieblichste Musik aus der Ferne klingen. So ward er auf das anmutigste hinabgewiegt, daß er nicht wußte, wie ihm geschah, und vor lauter Lust in einen tiefen Schlaf fiel.

Er mochte wohl lange geschlafen haben. Als er erwachte, fand er sich in dem allerweichsten und allernettesten Bette, wie er es in seines Vaters Hause nimmer gesehen hatte, und dieses Bett stand in dem allerniedlichsten Zimmer; vor ihm aber stand ein kleiner Brauner mit dem Fliegenwedel in der Hand, womit er Mücken und Fliegen abwehrte, daß sie seines Herrn Schlummer nicht stören konnten. Johann tat kaum die Augen auf, so brachte der kleine Diener ihm schon das Handtuch mit dem Waschwasser und hielt ihm zugleich die nettesten neuen Kleider zum Anziehen hin, aus brauner Seide sehr niedlich gemacht, und ein Paar neue schwarze Schuh mit roten Bandschleifchen, wie Johann sie in Rambin und Rothenkirchen nie gesehen hatte; auch standen dort einige Paare der niedlichsten und glänzendsten gläsernen Schuhe, die nur bei großen Festlichkeiten gebraucht zu werden pflegen. Es gefiel dem kleinen Knaben sehr, daß er so leichte und saubere Kleider tragen sollte, und er ließ sie sich gern anziehen. Und als Johann angekleidet war, flugs flog der Diener fort und war geschwind wie der Blitz wieder da. Er trug aber auf einer goldenen Schüssel eine Flasche süßen Wein und ein Töpfchen Milch und schönes Weißbrot und Früchte und andere köstliche Speisen, wie kleine Knaben sie gern essen. Und Johann sah immer mehr, daß Klas Starkwolt, der alte Kuhhirt, es wohl gewußt habe; denn so herrlich und prächtig, als er hier alles fand, hatte er es sich doch nicht geträumt. Auch war sein Diener der allergehorsamste und tat alles von selbst, was er ihm nur an den Augen absehen konnte. Der Worte bedurfte es nie, sondern nur leichter Blicke und Winke; denn er war klug wie ein Bienchen, wie alle diese kleinen Leute von Natur sind.

Und nun muß ich Johanns Zimmer beschreiben. Sein Bettchen war schneeweiß mit den weichsten Polstern und mit den weißesten Laken überzogen, mit Kissen aus Atlas und einer solchen gesteppten Decke. Ein Königssohn hätte darin schlafen können. Neben und vor diesem Bette standen die niedlichsten Stühle, auf das netteste gearbeitet und mit allerlei bunten Vögeln und Tieren verziert, welche kunstreiche Hände eingeschnitten hatten; einige waren auch von edlen Steinen bunt eingelegt. An den Wänden standen weiße Marmortische und ein paar kleinere aus grünen Smaragden, und zwei blanke Spiegel glänzten an den beiden Enden des Zimmers, deren Rahmen mit blitzenden Edelgesteinen eingefaßt waren. Die Wände des Zimmers waren mit grünen Smaragden getäfelt, und hatte einen solchen Glanz nie ein Mensch auf Erden gesehen und wird ihn auch keiner dort sehen, auch nicht in des größten Kaisers Hause. Und in solchem Zimmer wohnte nun der kleine Johann Dietrich, eines Tagelöhners Sohn aus Rambin, daß man wohl sagen mag: Das Glück fängt, wem es von Gott beschert ist. Hier unter der Erde sah man nun freilich nie Sonne, Mond und Sterne leuchten, und das schien allerdings ein großer Fehler zu sein. Aber sie brauchten hier solche Lichter nicht, auch bedurften sie weder der Wachslichter noch der Talglichter, noch der Kerzen und Öllampen und Laternen; sie hatten andern Lichtes genug. Denn die Unterirdischen wohnen recht eigentlich mitten unter den Edelgesteinen und sind die Meister des reinsten Silbers und Goldes, das in der Erde wächst, und sie haben die Kunst wohl gelernt, wie sie es hell bei sich haben können bei Tage und bei Nacht. Eigentlich muß man hier von Tag und Nacht nicht reden, denn die unterscheiden sie hier unten nicht, weil keine Sonne hier auf- und untergeht, welche die Scheidung macht, sondern sie rechnen hier nur nach Wochen. Sie setzen aber ihre Wohnungen und die Wege und Gänge, welche sie unter der Erde durchwandern, und die Orte, wo sie ihre großen Säle haben und ihre Reigen und Feste halten, mit den allerkostbarsten Edelgesteinen aus, daß es funkelt, als wäre es der ewige Tag. Einen solchen Stein hatte der kleine Johann auch in seinem Zimmer. Das war ein auserlesener Diamant, ganz rund und wohl so groß als eine Kugel, womit man Kegel zu werfen pflegt. Dieser war oben in der Decke des Zimmers befestigt und leuchtete so hell, daß er keiner andern Lampen und Lichter bedurfte.

Als Johann Frühstück gegessen hatte, öffnete der Diener ein Türchen in der Wand, und Johanns Augen fielen hinein, und er sah die zierlichsten goldenen und silbernen Becher und Schalen und Gefäße und viele Körbchen voll Dukaten und Kästchen voll Kleinodien und kostbarer Steine. Auch waren da viele liebliche Bilder und die allersaubersten Märchenbücher mit Bildern, die er in seinem Leben gesehen hatte. Und er wollte diesen Vormittag gar nicht ausgehen, sondern betastete und besah sich alles und blätterte und las in den schönen Bilderbüchern und Märchenbüchern.

Und als es Mittag geworden, da klang eine helle Glocke, und der Diener rief: "Herr, willst du allein essen oder in der großen Gesellschaft?" Und Johann antwortete: "In der großen Gesellschaft." Und der Diener führte ihn hinaus. Johann sah aber nichts als einzelne von Edelsteinen erleuchtete Hallen und einzelne kleine Männer und Frauen, die ihm aus Felsritzen und Steinklüften herauszuschlüpfen schienen, und verwunderte sich, woher die Glocke klänge, und sprach zu dem Diener: "Aber wo ist denn die Gesellschaft?" Und als er noch fragte, so öffnete sich die Halle, worin sie gingen, zu einer großen Weite und ward ein unendlicher Saal, über welchen eine weite, gewölbte und mit Edelsteinen und Diamanten geschmückte Decke gezogen war. Und in demselben Augenblick sah er auch ein unendliches Gewimmel von zierlich gekleideten kleinen Männern und Frauen durch viele geöffnete Türen hineinströmen, und tat sich der Boden an vielen Stellen auf, und die niedlichsten, mit den köstlichsten Gefäßen und schmackhaftesten Speisen und Früchten und Weinen besetzten Tische stellten sich aneinander hin, und die Stühle und Polster reiheten sich von selbst um die Tische, und die Männer und Frauen nahmen Platz. Und die Vornehmsten des kleinen Völkchens kamen und verneigten sich vor Johann und führten ihn mit sich an ihren Tisch und setzten ihn zwischen ihre schönsten Jungfrauen, daß er seine Lust hatte, mit den lieblichen Kindern zu sein, und es ihm da über die Maßen wohlgefiel. Es war auch eine sehr fröhliche Tafel, denn die Unterirdischen sind ein sehr lebendiges und lustiges Völkchen und können nicht lange still sein. Dazu klang die allerlieblichste Musik aus den Lüften, und die buntesten Vögel flogen umher und sangen in gar anmutigen Tönen, die einem die Seele aus der Brust holen konnten. Es waren aber keine lebendige Vögel, die da sangen, sondern künstliche Vögel und künstliche Töne und von den kleinen Männern so sinnreich gemacht, daß sie fliegen und singen konnten. Und Johann erstaunte und entsetzte sich sehr über alle die Wunder, die er sah, und freuete sich gewaltig. Die Diener und Dienerinnen aber, welche bei Tische aufwarteten und Blumen streueten und die Flur mit Rosenöl und andern Düften besprengten und die goldenen Schalen und Becher herumtrugen und die silbernen und kristallenen Körbe mit Früchten, waren Kinder der Menschen da droben, welche aus Neugier oder von ungefähr unter die Kleinen geraten und hier hinabgestiegen waren, ohne sich vorher eines Pfandes zu bemeistern, und die also in die Gewalt der Kleinen gekommen waren, oder die sich nächtlich und mitternächtlich unter ihre Sternenspiele auf dem gläsernen Berge verirrt hatten. Diese waren anders gekleidet als sie. Die Knaben und die Mädchen waren in schneeweiße Röckchen und Jäckchen gekleidet und trugen feine gläserne Schuh, daß man ihren Tritt immer hören konnte, und blaue Mützchen auf dem Kopfe; ihre Leibchen aber hatten sie mit silbernen Gürteln umgürtet. Das war die Tracht der Diener und Dienerinnen. Den kleinen Johann jammerten sie anfangs wohl, als er sie sah, wie sie springen und den Unterirdischen aufwarten mußten; aber weil sie munter aussahen und fein gekleidet waren und rosenrote Wangen hatten, so dachte er: "Nun, es geht ihnen doch so schlimm nicht, und ich habe es noch lange so gut nicht gehabt, als ich hinter den Kühen und Ochsen laufen mußte. Ich bin nun freilich ein Herr hier, und sie müssen als Diener laufen. Das kann aber nicht anders sein: warum haben sie sich auch so dumm fangen lassen und sich vorher kein Zeichen genommen? Es muß doch die Zeit kommen, wo sie einmal erlöst werden, und länger als fünfzig Jahre werden sie hier gewiß nicht bleiben." Damit tröstete er sich und spielte und scherzte mit seinen kleinen Gesellinnen und aß und trank in Freuden und ließ sich von seinem Diener und von den andern allerlei unterirdische Geschichten erzählen; denn er wollte alles genau wissen.

So saßen sie ungefähr zwei Stunden lustig beisammen und aßen und tranken und horchten auf die liebliche Musik, die aus den Lüften erklang. Da klingelte der Vornehmste mit einem Glöckchen, und in einem Hui versanken die Tische und die Stühle wieder, und alle Männer und Frauen und Jünglinge und Jungfrauen standen da wieder auf den Füßen. Und wieder ein zweiter Klang mit einem zweiten Glöckchen, und wo eben die Tafeln gestanden, erhoben sich grüne Orangen- und Palmen- und Lorbeerbäume mit Blüten und Früchten, und andere, lustigere und klangreichere Vögel als die vorher durch die Luft geflattert hatten, saßen in ihren Zweigen und sangen. Und sie sangen alle wie in einer Weise und in einem Maße, und Johann sah bald, woher dies kam; denn am Ende des Saales hoch oben an der Decke saß in einer hohlen Wand ein eisgrauer Greis und gab den Ton an, nach welchem sie singen mußten. Sie nannten ihn ihren großen Ballmeister. Er war aber so ernst, als er weise war, und verschwiegen wie die graue Zeit und sprach nie ein Sterbenswort, da die andern alle wohl oft zuviel plapperten und schwätzelten.

Der alte Eisgraue droben strich nun die Geige zum Tanze, und alle die bunten Vögel klangen den Strich nach. Es war aber ein recht fliegender Strich, denn ihr Tanz geht immer äußerst geschwind und lebendig. Als nun der Reigen angeklungen war, siehe, da bewegten sich die leichten und fröhlichen Scharen und sprangen und hüpften und drehten sich, als wenn die Welt im Wirbel auseinanderfliegen sollte. Und die kleinen hübschen und feinen unterirdischen Dirnen, die sich neben Johann gesetzt hatten, faßten ihn auch und drehten ihn mit rund. Und er ließ es gern geschehen und tanzte mit ihnen rund wohl zwei Stunden lang. Und diesen lustigen Tanz hat er jeden Nachmittag mitgehalten, solange er da unten geblieben ist, und in seinem spätesten Alter noch immer mit vielem Vergnügen davon erzählt. Er pflegte dann zu sagen, die himmlische Freude und der Gesang und das Saitenspiel der Engel, welche die Seligen im Himmel einst zu hoffen hätten, mögen wohl überschwenglich schön sein; er aber könne sich nichts Schöneres und Lieblicheres denken als die Musik dieses unterirdischen Reigens, die schönen und beseelten kleinen Menschen, die wunderbaren Vögel in den Zweigen mit den allerzauberischesten Tönen und die klingenden Silberglöckchen an den Mützen. Ein Mensch, der das nicht gesehen und gehört, könne sich gar keine Vorstellung davon machen.

Als die Musik schwieg und der Tanz geendigt war (das mochte wohl die Zeit sein, die wir vier Uhr nachmittag nennen), verschwand das kleine lustige Völkchen, die einen hiehin, die andern dahin, und jeder ging wieder an sein Werk und seine Lust. Des Abends ward nach dem Essen gewöhnlich ebenso gejubelt und getanzt. Des Nachts aber schlüpften alle heraus aus den Bergen, besonders in schönen, sternhellen Nächten, und wenn sie auf Erden etwas Besonderes zu tun hatten. Da ging aber der kleine Johann immer ruhig schlafen und hielt, wie es einem frommen christlichen Knaben geziemte, andächtig sein Abendgebet, und auch des Morgens vergaß er nie zu beten.

Doch nun muß ich noch mehr erzählen von den Unterirdischen, ehe ich weiter melde, wie es unserm kleinen Johann Dietrich da unten die folgenden Wochen und Jahre ergangen ist.

Daß solche kleine Unterirdische, die man mit vielen Namen auch wohl Braunchen, Weißchen, Elfen, Weißelfen, Schwarzelfen, Kobolde, Puke, Heinzlein, Trolle nennt, seit uralten Zeiten unter den Bergen und Hügeln wohnen und ihre wunderbaren kristallenen und gläsernen Häuser haben, ist gewiß. Aber wie sie dahingekommen sind, und was es denn eigentlich für Geister sind, und wozu der liebe Gott sie eigentlich geschaffen hat, das hat uns bisher noch keiner sagen können. Sie sind wohl gleich den Seelen und Herzen der Menschen von sehr verschiedener Art, einige bös, andere gut, einige freundlich, andere neckisch; das wird aber von allen ohne Unterschied gesagt, daß sie sehr sinnreich und geschickt sind und die künstlichsten Werke und Geschmeide machen können, die ihnen kein Mensch nachmachen kann, und die von den Menschen deswegen oft für Zauberwerk und Hexenwerk gehalten werden. Alles, was ich hier erzähle, hat Johann Dietrich mitgebracht und es seinen Freunden erzählt und seinen Kindern so hinterlassen. Von diesen haben es wieder andere gehört, und so hat sich's weitererzählt bis diesen Tag.

Die Unterirdischen, zu welchen Johann hinabgestiegen war, gehörten zu den Braunen. Sie hatten auch kleine Schelmstreiche im Herzen, waren aber im ganzen doch gutmütiger und fröhlicher Art. Die Braunen hießen sie, weil sie braune Jäckchen und Röckchen trugen und braune Mützen auf dem Kopf mit silbernen Glöckchen; einige trugen schwarze Schuh mit roten Bändern, die meisten aber feine gläserne, und beim Tanze trugen sie alle keine anderen. Sie hatten ihre Häuschen in den Bergen; aber damit waren sie sehr geheim, und Johann Dietrich, solange er bei ihnen gewesen, hat keine einzige ihrer Kammern gesehen. Er und der Diener hatten ihre Kammer hart bei der Stelle, wo der herrliche Speise- und Tanzsaal immer kam und verschwand; er hat auch an vielen andern Stellen schöne Hallen und offene Plätze und liebliche Anger und Auen gesehen, aber nirgends Wohnungen; sondern die Kleinen waren immer nur einzeln oder scharweise da, entweder daß sie tanzten, lustwandelten oder auch geschwind vorübergingen. Und wie sie aus den Steinen, worin sie wohnen, herauskamen und wieder hinschwanden, das hat er mit seinen Augen nie sehen können, wie sehr er auch oft darauf gelauscht hat; sondern sie kamen vor seinen Augen und verschwanden wie Blitze und Scheine. Einige kleine Dirnen aber, die ihn lieb hatten, haben ihm zugeflüstert: jeder habe sein eignes Häuschen tief im Gestein, ein liebliches, helles, gläsernes Häuschen; auch sei der ganze Berg durchsichtig von Anfang bis zu Ende und eigentlich rings mit Glas umwachsen; das sei aber seinen Augen zu sehen nicht möglich.

Von diesen kleinen Unterirdischen waren die größten kaum einer Elle lang und die Knaben und Mädchen also gar klein; aber sie waren von Gestalt und Gebärde freundlich und schön, mit hellen, lichten Augen und mit gar feinen und anmutigen Händchen und Füßchen. Und eben durch diese Lieblichkeit und Freundlichkeit haben sie manches Menschenkind verführt, daß es zu ihnen heruntergekommen ist ohne irgend ein Pfand und Zeichen und lange Jahre da hat bleiben und dienen müssen. Denn wenn man ein Pfand von ihnen hat, schadet es nichts, daß man mit in dem silbernen Tönnchen hinabsteigt, und sie müssen einen immer wieder herauslassen. Sie geben aber nicht gern ein Pfand. Das klügste und richtigste ist, daß man mit Listen ein Pfand von ihnen nimmt; denn dann müssen sie einem dienen, da sie sonst gern herrschen wollen. Denn sie sind sehr herrschsüchtig, und das ist eigentlich ihr Hauptfehler; vorzüglich herrschen sie gern über die Menschen und bilden sich etwas darauf ein, weil die soviel stärker und größer sind, daß sie sie mit Listen zu ihren Dienern und Knechten machen. Das beste Pfand, das man von ihnen gewinnen kann und wodurch man am meisten Macht über sie bekommt, ist eine braune Mütze mit dem Glöckchen; sehr gut ist auch ein gläserner Schuh oder eine silberne Spange, womit sie ihren Leibgürtel zu schließen pflegen. Wer die hat, der hat aller Freuden Fülle bei ihnen und ist ein großer Gebieter.

Ob sie auch sterben, das weiß man nicht, oder ob sie, wie einige erzählen, wann sie alt werden wollen, sich in Steine und Bäume verkriechen und so sich verwachsen und zu wundersamen Klängen, Ächzern und Seufzern werden, die sich zuweilen hören lassen, ohne daß man weiß, woher sie kommen, oder zu abenteuerlichen Knorren und verflochtenen Schlingen, wodurch die Hexen schlüpfen sollen, wann sie von dem wilden Jäger gejagt werden. Eine Leiche von ihnen hat keiner gesehen, und wenn man sie darnach gefragt hat, haben sie immer so geantwortet, als verstanden sie das Wort gar nicht. Das ist gewiß, daß manche von ihnen über zweitausend Jahre alt sind. Da ist es denn kein Wunder, daß man so weise Leute unter ihnen findet.

Sie haben einen großen Vorteil voraus vor uns Menschenkindern, daß sie nicht nötig haben, für das tägliche Brot zu sorgen und zu arbeiten, denn Speise und Trank kommt ihnen von selber oder Gott weiß durch welche wundersame Kunst, und es fehlt nie Brot und Wein und Braten auf ihrem Tische. Auch sieht man dort unten, wo sie wohnen, und wo hin und wieder auch weite Fluren und Felder sind, nirgends Korn wachsen oder Vieh weiden oder Wild laufen, sondern bloß das Allerlustigste ist zum Genuß da, nämlich die schönsten Bäume und Reben, die mit den auserlesensten Früchten und Trauben prangen; auch die lieblichsten Blumen in Menge, worauf so bunte Schmetterlinge flattern, als man in dem Lande der Sonne und des Mondes nimmer sieht; und die allerschönsten und schimmerndsten Vögel, die alle wie Paradiesvögel und wie der Vogel Phönix aussehen, wiegen sich in den Zweigen und singen süße Lieder. Anderes Lebendiges sieht man dort nicht, wenn man das nicht etwas Lebendiges nennen will, daß hie und da aus den Kristallwänden Quellen von Wein und Milch sich ergießen.

So scheint dies Völkchen denn sehr glücklich zu sein und bloß für die Freude und Lust geboren, und sie verstehen sich sehr wohl auf die Kunst, vergnügt zu sein und ihr Leben lustig zu gebrauchen. Doch muß man nicht glauben, daß sie nichts weiter tun als Tafel, Spiel und Tanz halten, dann in ihre Kammern schlüpfen und schlafen und etwa die Mitternächte über der Erde verspielen—nein, sie sind wohl die allerregsamsten und allerfleißigsten Wesen, die man je gesehen hat. Niemand versteht so gut als sie das Innere der Erde und die geheimen Kräfte der Natur und was in Bergen und Steinen und Metallen wächst, und was in den Farben der Blumen und den Wurzeln der Bäume für Triebe lauschen. Denn ihre Sinne sind die allerklarsten und die allerfeinsten, viel feiner als des heitersten und hellesten Kindes, von Menschen geboren; denn auch unsere kleinen Kindlein haben wohl recht feine Sinne und Gedanken, welche die Erwachsenen nur nicht immer verstehen, weil diese meistens schon wieder durch Stein und Erde verhärtet und vergröbert sind. Die Unterirdischen haben viel Freude an Silber und Gold und edlen Steinen und machen die allerkünstlichsten Arbeiten daraus, so daß die besten Meister hier oben erstaunen, wenn ein solches unterirdisches Werk hier mal gesehen wird. Deswegen nennen viele sie auch wohl Hüter des Goldes und des Silbers und meinen, daß sie von schlimmer Gier besessen und böse metallische Geister sind. Die meisten, die das sagen, tun ihnen aber unrecht, denn die weißen und braunen Unterirdischen sind wohl nicht so gierig. Sie verschenken ja soviel Schönes an die Menschenkinder; das würden sie aber nicht tun, wenn sie das Gold und die Edelsteine zu lieb hätten. Sie haben es nur lieb wegen des Glanzes, denn Glanz und Licht lieben sie über alles in der Welt. Die mit den schwarzen Jacken und Mützen sind aber wohl geizig und überhaupt von schlimmerer Natur als diese.

Wie die Unterirdischen des Nachts aus ihren gläsernen Bergen schlüpfen und im Mondschein und Sternenschein tanzen und sich erlustigen, habe ich schon erzählt. Sie können sich aber auch unsichtbar in die Häuser der Menschen schleichen; denn wenn sie ihre Mützen aufhaben, kann sie kein Mensch sehen, er habe denn selbst eine solche Mütze. Da sagen die Leute denn, daß sie allerlei Schalkereien treiben, die Kinder in den Wiegen vertauschen, ja gar wegstehlen und mitnehmen. Das ist aber gewiß nicht wahr von den Weißen und Braunen. Auch hat ihnen Gott über die Häuser und Wohnungen der Menschen keine Gewalt gegeben, solcherlei schlimme Schalkerei zu treiben. Sie kommen wohl in die Häuser der Menschen, sie können sich auch verwandeln, so daß kein Schlüsselloch so klein ist, daß sie nicht hindurchschlüpfen; aber sie tun den Menschen nichts Böses, sondern wollen nur zuweilen sehen, was sie machen. Meistens bringen sie ihnen was Schönes mit, besonders den Kindern, die sie sehr lieb haben. Und wann die Kinder beim Spielen Dukaten oder goldene Ringe gefunden haben, wie das wohl zuweilen geschieht, und mit zu Hause bringen, oder wenn kleine, zierliche Schuhe oder ein neues Kleidchen oder grüne Kränzlein, wann sie erwachen, auf ihren Wiegen und Bettchen hangen, so haben das wohl nicht immer die himmlischen Englein getan, sondern oft auch die kleinen Unterirdischen. Das sagen aber viele Leute, die es wissen, daß sie oft unsichtbar um die Kinder sind und sie behüten, besonders damit sie nicht im Feuer und Wasser umkommen. Wenn sie ja jemand necken und schrecken, so sind es faule Knechte und schmutzige Mägde, die sie mit bösen Träumen ängstigen, als Alp drücken, als Flöhe stechen, als Hunde und Katzen ungesehen beißen und kratzen, oder es sind Diebe und Buhler, welchen sie, wenn sie des Nachts auf verbotenen Wegen schleichen, als Eulen in den Nacken stoßen, oder die sie als Irrlichter in Sümpfe und Moräste locken oder gar ihren Verfolgern entgegenbringen. Aber das, denke ich, ist keine Sünde. Die Schwarzjacken aber sind bösartig und üben gern arge Tücken. Die dürfen aber den Häusern der Menschen nicht nahe kommen, auch überhaupt wenig auf der Erde sein, es sei denn in Wüsten und Einöden, wohin selten Menschen kommen. Sie kommen auch nicht zu den Menschen, außer wenn diese ihnen selbst die Gewalt über sich gegeben oder sich ihnen verpfändet und verschrieben haben. Denn darauf sinnen diese schwermütigen und grüblerischen Geister Tag und Nacht, wie sie arme Narren und listige Schelme verstricken und sich endlich an ihrer Not ergötzen mögen. Und diese schwarzen sind auch nicht schön wie die andern Unterirdischen, sondern grundhäßlich, haben trübe und triefende Augen wie die Köhler und Grobschmiede, sind stumm und heimlich bei ihrer Arbeit, leben einsam und höchstens zu zweien und dreien und kennen keinen Tanz und Musik, sondern nur Geheul und Gewimmer. Und wenn es in Wäldern und Sümpfen schreit wie eine Menge schreiender Kinder, oder wie ein Haufe Katzen miauen und eine Schar Eulen kreischen und wehklagen würde—das sind ihre nächtlichen Versammlungen, das ist ihre Musik, das sind sie.

Doch haben die Menschen vor allen Unterirdischen ein Grauen, und das ist wohl natürlich. Denn dem Menschen ist das Licht angeboren und die Liebe zu allem Lichten und Hellen, und es schaudert ihm vor dem Dunklen und Verborgenen und vor allen geheimen Kräften, die unsichtbar umherschleichen und walten. Auch wissen sie ja, daß die Unterirdischen allenthalben sein und sich verwandeln und zaubern können. Freilich erzählt man vielmehr von ihren Zaubereien, als wahr ist; das meiste machen sie durch ihre Unsichtbarkeit und Künstlichkeit, wodurch sie so feine Arbeit als Spinnen und Wespen weben und wirken und den Menschen allerlei Gaukelei und Einbildung vormachen können. Und wenn sie ja viel zaubern, tun sie es mehr zur Freude und zum Spiel als zum Bösen. Die Schwarzen aber können auch hexen und sind schlimme Hexenmeister, und wenn die sich verwandeln, sind sie die scheußlichsten Tiere und Gewürme, Bären, Wölfe, Hyänen, Tiger, Katzen, Schlangen, Kröten, Skorpione, Krähen und Eulen; und wehe den armen Menschen, die sich mit ihnen eingelassen haben! Denn von ihnen muß man dreifache Pfänder nehmen, und auch der Klügste wird von ihnen betrogen, wenn er nicht kurzen Kauf mit ihnen hält. Daß diese Hexenkappen und Nebelkappen weben, womit man sich unsichtbar machen und in einem Hui über Land und Meer fahren kann, das ist wahr. Dem Doktor Faust haben sie seinen Mantel gemacht, womit er in einer Sekunde von Straßburg nach Rom und von Mainz nach Paris gefahren ist. Aber wie ist es diesem armen Doktor Faust auch ergangen! Er ist mit diesen schwarzen Künstlern, weil er zu weise werden wollte, ein Schwarzkünstler geworden und endlich zu dem Allerschwärzesten gefahren. Die Schwarzen machen auch Zauberwaffen, Harnische, die gegen Stahl und Hieb fest sind, Degen, die nie Scharten bekommen können und vor welchen sein Helm und Panzer aushält, dünne Kettenhemde leicht wie Spinnweben, wodurch keine Kugel dringt. Der Gebrauch derselben ist aber sehr abgekommen, seit die meisten Menschen Christen sind, und war mehr in der heidnischen Zeit. Das ist einmal wahr, künstliche Schmiede und Waffenschmiede sind sie und wissen eine Härtung und zugleich eine Schmeidigung des Stahls, die ihnen kein irdischer Schmied nachmachen kann; denn ihre Klingen sind zugleich biegsam wie Rohrhalme und scharf wie Diamanten. Auch wirken sie noch viel anderes Zaubergeschmeide aus Stahl und Eisen, das zu mancherlei verborgenen Künsten gebraucht wird und zum Teil die seltsamsten und unbegreiflichsten Eigenschaften hat. Die Braunen sind aber die Juweliere der Berge, die mehr in Gold und Silber und Edelsteinen arbeiten. Die feinsten und künstlichsten aller Unterirdischen sind die Weißen; die wirken ihre Arbeiten so fein und dünn wie die zartesten Blumen aus, so fein und zart, daß viele Augen sie gar nicht sehen können; und sie können aus Silber und Gold Röckchen weben, von denen man schwören sollte, sie seien aus Sonnenstrahlen oder Mondschein gewebt; denn sie sind leichter als die leichtesten Spinnweben.

Johann Dietrich kam die ersten Wochen, die er in dem gläsernen Berge verlebte, nicht weiter als in sein Kämmerchen und von dem Kämmerchen in den Speise- und Tanzsaal und wieder zurück. Er konnte gar kein Ende finden, die schönen und köstlichen Sachen zu betrachten und zu loben, die in seinem Zimmer und in dem Schränkchen aufgestellt waren. Am meisten aber ergötzte er sich an den schönen Bildern und an seinem Bücherschranke, wo viele hundert der sauberst gebundenen Bücher mit goldenem Schnitte nebeneinander standen, und in welchen er die allerfeinsten und lustigsten Märchen fand, an welchen er sich nicht satt lesen konnte. Als aber die ersten Wochen vergangen waren, da spazierte er oft aus und ließ sich von seinem Diener alles zeigen und erzählen. Es gab da unten aber die allerlieblichsten Spaziergänge nach allen Seiten hin, und er konnte viele Meilen weit wandeln, und sie nahmen kein Ende; und man sieht daraus, wie unendlich groß der Berg war, worin die Unterirdischen wohnten, und doch erschien die Spitze oben nur wie ein kleiner Hügel, worauf einige Bäume und Sträuche stehen. Und daraus kann man auch wissen, wieviele Meilen seine Tiefe nach unten hinabgehen mußte. Das war aber das Besondere, daß zwischen jeder Au und jedem Anger, die man hier mit Hügeln und Bäumen und Blumen und Inseln und Seen durchsäet in der größten Mannigfaltigkeit hatte, gleichsam eine schmale Gasse war, durch welche man wie durch eine kristallene Felsenmauer gehen mußte, bis man zu etwas Neuem gelangte. Die einzelnen Anger und Auen waren aber wohl oft eine Meile lang. Von den Bäumen habe ich schon erzählt, wie sie voll köstlicher Früchte hingen, und von den Quellen, in welchen Milch und Wein aus den Felsen rieselte. Da konnten die Wanderer sich nie so weit vergehen, sie fanden immer, womit sie sich erquicken konnten. Aber das Allerlustigste waren die bunten Vögel, die immer von Zweig zu Zweig flatterten und wie tausend himmlische Nachtigallen sangen, und die Blumen, so wunderschön von Farben und Düften, daß Johann ihresgleichen nimmer auf Erden gesehen hatte. Kurz, es war hier alles zauberisch, lustig und anmutig und bei aller der Lust und dem Jubel ein so stilles Leben. Es wehete, und man fühlte keinen Wind; es schien hell, und man fühlte keine Hitze; die Wellen brauseten, und man fand keine Gefahr, sondern die niedlichsten Nachen und Gondeln, als schneeweiße Schwäne gestaltet, kamen, wann man über einen Strom wollte, von selbst ans Land geschwommen und führten an das jenseitige Ufer, und ebenso führten sie über die Seen zu den Inseln. Woher das alles kam, wußte niemand, und der Diener durfte es nicht sagen; das aber sah Johann wohl und konnte es mit Händen greifen, daß die großen Karfunkel und Diamanten, womit die hohe Decke statt des Himmels gewölbt war, und womit alle Wände des Berges geschmückt standen, für Sonne, Mond und Sterne leuchteten. Diese lieblichen Fluren und Auen waren meist einsam. Man sah wenige Unterirdische auf ihnen, und die man sah, schienen immer nur so vorüberzuschlüpfen, als hätten sie die größte Eile, davonzukommen. Selten geschah es, daß einige hier im Freien einmal einen Reigen aufführten, etwa zu dreien, höchstens zu einem halben Dutzend: mehr hat Johann hier nie beisammen gesehen. Nur dann ging es lustig her, wann die Schar der Diener und Dienerinnen, die wohl ein paar Hundert sein mochten, ausgelassen und spazieren geführt wurden. Das geschah aber alle Woche nur zweimal; meistens waren sie da drinnen in dem großen Saale oder in den anstoßenden Zimmern beschäftigt oder mußten auch in der Schule sitzen.

Das war hier auch noch besonders, daß, wie die Diamanten und Edelsteine oben die Sonne und den Mond und die Sterne vorstellen mußten, es hier eigentlich keine Jahreszeiten gab; sondern die Luft war immer gleich, d. h. es war jahraus, jahrein eine milde, linde Frühlingsluft, von Blütenatem durchwehet und von Vogelgesang durchklungen. Doch zwei Tageszeiten gab es, Tag und Nacht, und diese teilten sich wieder in vier Teile, in Morgen, Mittag, Abend und Nacht; doch war der Mittag nicht wärmer als die anderen Tageszeiten. Das aber hatte es hier besonders, daß die Nacht nie so dunkel und der Tag nie so hell ward, als sie oben auf der Erde sind.

Johann hatte viele Monate hier verlebt (ich glaube, es waren zehn), und sie waren ihm hingeschwunden wie ein Tag. Da begegnete ihm etwas, das ihn in die Schule brachte. Ich will erzählen, wie das zuging. Er wandelte einst nach seiner Gewohnheit mit seinem Diener herum. Da sah er in der Abenddämmerung etwas Schneeweißes in eine kristallene Felswand hineinschlüpfen und dann plötzlich verschwinden. Und es hatte ihm gedeucht, daß es von den kleinen Leuten war und daß ihm auch schneeweiße Locken von den Schultern herabhingen. Er fragte denn seinen Begleiter: "Was war das? Gibt es auch unter euch, die in weißen Kleidern gehen wie die Diener und Dienerinnen, die ihr uns abgefangen habt?" Der Diener antwortete: "Ja, es gibt deren, aber wenige, und sie erscheinen nie bei dem Tanze noch an den großen Tafeln außer einmal im Jahre, wann des großen Bergkönigs, der viel tausend Meilen unter uns in der innersten Tiefe wohnt, Geburtstag ist. Darum hast du sie noch nie gesehen. Das sind die ältesten Männer unter uns, und einige von ihnen sind wohl manches Jahrtausend alt und wissen vom Anfange der Welt und vom Ursprung der Dinge zu erzählen und werden die Weisen genannt. Sie leben sehr einsam für sich und kommen nur aus ihren Kammern, daß sie unsere Kinder und die Diener und Dienerinnen unterweisen, für welche hier auch eine große Schule ist; sonst sind sie meist mit der Betrachtung der innerlichen und himmlischen Dinge und mit der Sternkunde und Alchemie beschäftigt. "—"Was? Gibt es hier auch Schulen?" rief Johann. "Das ist nicht recht, Diener, daß du mir das verschwiegen hast; ich habe immer große Lust gehabt, in die Schule zu gehen und etwas Ordentliches zu lernen. "—"Das kannst du haben, wie du willst", antwortete der Diener; "du bist hier der Herr, und was du haben willst, müssen wir dir schon zu Gefallen tun. Du kannst dir einen der schneeweißen Weisen in die Kammer kommen lassen, wenn dir das gefällt, oder kannst auch in eine der Schulen gehen."—"Das will ich gleich morgenden Tages tun", sprach Johann, "und ich will mit in die Schule gehen, wo die Diener und Dienerinnen unterwiesen werden. Denn ich will mit denen lernen, die auf der Erde geboren sind; ihr möchtet mir zu fein sein, und ich käme nicht mit, und der hinterste zu sein wäre unlustig."

Und gleich den andern Morgen ließ Johann sich von dem Diener in die Schule führen, und es gefiel ihm da so gut, daß er nachher nie einen Tag versäumt hat. Das ist nämlich sehr löblich von den Unterirdischen, daß die Kinder, welche zu ihnen herabkommen, immer sehr gut unterwiesen werden, so daß sehr kluge und geschickte Leute aus den Bergen gekommen sind, Männer und Frauen, die ihre Wissenschaft bei den Unterirdischen gelernt haben. Hier waren Meister in allerlei Künsten. Die Kinder lernten schreiben, lesen, rechnen, zeichnen, malen, Geschichten und Märchen aufschreiben und erzählen und wurden zugleich in mancherlei feiner und künstlicher Arbeit unterwiesen. Die Größeren und Fähigeren erhielten auch Unterricht von der Natur und von den Gestirnen und wurden auch in der Dichtkunst und Rätselkunst geübt, welche beiden Künste die Unterirdischen über alles lieben, und womit sie sich bei der Tafel und bei Festen untereinander viel reizen und ergötzen. Der kleine Johann war sehr fleißig und ward bald einer der geschicktesten Zeichner und Maler; auch arbeitete er sehr fein in Silber und Gold und Stein, ja er konnte aus Stein zuletzt so feine Früchte und Blumen wirken, daß man glauben sollte, der liebe Gott, der doch alles auf das schönste und künstlichste geschaffen hat, könne es kaum besser machen; er machte auch hübsche Reimlein, und im Rätselkampf war er so gewandt, daß er fast allen antworten konnte und ihm mancher die Antwort schuldig blieb.

Manches liebe Jahr hatte Johann hier verlebt, ohne daß er an seine schöne Erde gedacht hätte und an diejenigen, welche er dort oben zurückgelassen hatte; so angenehm verfloß ihm die Zeit, und es währte nicht lange, daß er die Schule viel lieber hatte als den Tanzsaal und alle seine anderen Freuden. Auch hatte er hier unter den Kindern manchen lieben Gespielen und Gespielin gefunden. Nur war das betrüblich, daß diese gewisse Stunden immer dienen mußten und dann nicht mit ihm sein durften, obgleich sie keineswegs hart gehalten wurden und einen sehr leichten und meistens nur spielenden Dienst hatten, denn schwere und schmutzige und mühevolle Arbeit gab es hier unten gar nicht.

Unter allen seinen Gesellen und Gesellinnen hatte Johann niemand lieber als ein kleines, blondes Mädchen, welches Lisbeth Krabbin hieß. Diese war mit ihm aus demselben Dorfe; es war die Tochter des Pfarrers Friedrich Krabbe in Rambin. Sie war als ein vierjähriges Kind weggekommen, und Johann erinnerte sich wohl, wie sie ihm von ihr erzählt hatten. Sie war aber nicht gestohlen von den Unterirdischen, sondern einen Sommertag mit den andern Kindern ins Feld gelaufen. Sie waren zu den Neun Bergen gegangen; da war die kleine Lisbeth eingeschlafen und von den andern vergessen und des Nachts, als sie erwachte, unter die Unterirdischen und mit ihnen unter die Erde gekommen. Johann aber hatte sie nicht bloß deswegen so lieb, weil sie mit ihm aus einem Dorfe war, sondern Lisbeth war von Natur ein ausnehmend freundliches und liebes Kind mit hellblauen Äuglein und blonden Löckchen und dem allerenglischesten Lächeln, und als sie groß ward, war sie ausbündig schön.

Mit diesem niedlichen Kinde hatte Johann hier seine Kinderjahre recht lustig verspielt und gar nicht mehr daran gedacht, daß da oben über den Bergen auch noch Leute wohnten. So war er achtzehn Jahre alt geworden und Lisbeth sechzehn. Und was bis jetzt ein unschuldiges Kinderspiel gewesen war, ward nun eine süße Liebe. Sie konnten nicht mehr voneinander lassen und nannten sich Braut und Bräutigam und waren lieber allein als unter den andern Gespielen. Die Unterirdischen sahen das aber sehr gern, denn die hatten den Johann alle sehr lieb und hätten ihn gern auch als ihren Diener gehabt—denn Herrschsucht ist ihr Laster bei manchen Tugenden. Und sie dachten: "Durch diese hübsche Dienerin werden wir ihn fangen, und er wird sich um ihretwillen zuletzt wohl gefallen lassen, bei Tische aufzuwarten und Äpfel und Trauben von den Bäumen zu lesen und Blumen zu streuen und das Estrich zu kehren." Sie irrten sich aber sehr. Der kleine Diener, dem er die Mütze genommen und den die Langeweile oft bei ihm geplagt, hatte ihm zuviel erzählt: daß er hier nur das Befehlen habe und daß sie alles tun müßten, was er wolle; denn wer Meister von einem Unterirdischen geworden, sei dadurch auch soweit Meister aller übrigen, daß sie ihm alles zu Gefallen tun müssen, was in ihrer Macht stehe.

Johann ging nun viel spazieren mit seiner süßen, kleinen Braut und ließ den Diener oft zu Hause, denn jetzt waren dort keine Wege und Stege mehr, die er nicht kannte. Und sie spazierten viel in der Dämmerung und oft bis in die sinkende Nacht hinein, ohne daß sie es merkten, wo ihnen die Zeit blieb; denn die Liebe ist eine Zeitdiebin, die ihresgleichen nicht hat. Der Johann war bei diesen Spaziergängen immer fröhlich und munter; aber die Lisbeth war oft stumm und traurig und erinnerte ihn oft des Landes da droben, wo die Menschen wohnen und Sonne, Mond und Sterne scheinen. Weil er das aber immer wegschob durch andere Gespräche, so verstummte sie wieder und seufzte still in sich, vergaß es endlich auch wohl wieder durch das Glück, daß sie an seinen Armen wandeln durfte. Nun begab es sich einmal, daß sie bei einem Spaziergange über ihrer Liebe und dem lustigen Gekose und Geflüster derselben ganz der Zeit vergessen hatten und Gott weiß wie weit geschlendert waren. Es war schon nach Mitternacht, und sie waren zufällig unter die Stelle gekommen, wo die Spitze des gläsernen Berges sich aufzutun und wo die Unterirdischen heraus und herein zu schlüpfen pflegten. Als sie nun da wandelten, hörten sie mit einem Male mehrere irdische Hähne laut krähen. Bei diesem süßen Klange, den sie nun in zwölf Jahren nicht gehört hatte, ward der kleinen Lisbeth gar wundersam um das Herz; sie konnte sich nicht länger halten, sie umfaßte ihren Johann, als wollte sie ihn totdrücken, und netzte ihm mit heißen Tränen die Wangen. So hing sie lange sprachlos an seiner Brust; dann küßte sie ihn wieder und bat ihn, daß er ihnen den unterirdischen Kerker doch aufschließen sollte. Sie sprach ungefähr also zu ihm:

"Lieber Johann, es ist hier unten wohl schön, und die kleinen Leute sind auch freundlich und tun einem nichts zuleide, aber geheimelt hat es mir hier nie, sondern ist doch immer schauerlich zumute gewesen, und eigentlich froh bin ich hier erst geworden, seit ich dich so lieb habe, und doch nicht recht froh, denn es ist hier doch kein rechtes Leben, wie es für Menschen sein soll. Ich habe hier doch keine Ruhe Tag und Nacht, und ich will es dir nun sagen, was ich immer verschwiegen habe: alle Nacht träumt mir von meinem lieben Vater und von meiner Mutter und von unserm Kirchhofe, wo die Leute so andächtig an den Kirchtüren stehen und auf den Vater warten; und mir ist es dann so sehnsüchtig im Herzen, daß ich Blut weinen möchte, weil ich nicht mit ihnen in die Kirche gehen und beten und Gott loben und preisen kann, wie Menschen sollen. Denn ein christliches Leben ist hier unten einmal nicht, sondern nur so ein buntes, künstliches in der Mitte, wobei einem doch nicht ganz wohl wird, weil es wohl halb heidnisch ist. Und, lieber Johann, auch das mußt du bedenken, wir können hier ja nie Mann und Frau werden, denn es ist hier ja kein Priester, der uns vertrauen kann; und so müssen wir immerfort Brautleute bleiben und können alt und grau darüber werden. Darum denke darüber und mache Anstalt, daß wir von hier kommen; mich verlangt unbeschreiblich, wieder bei meinem Vater und unter frommen Christen zu sein."

Auch für Johann hatten die Hähne ganz wunderbar gekrähet, und er empfand etwas, was er hier unten noch nie empfunden hatte, nämlich eine tiefe Sehnsucht nach dem schönen Sonnenlande, und er antwortete seiner Braut:

"Liebe, süße Lisbeth, du ermahnest mich ganz recht! Ich empfinde nun auch, daß es Sünde ist für Christen, hier zu bleiben, und mir ist im Herzen fast, als hätte der Herr Christus uns mit diesem Hahnenkrei als mit seiner Liebesstimme gerufen: Kommt herauf, ihr Christenkinder, aus der Bezauberung und aus den Wohnungen der Verblendung! Kommt herauf an das Sternenlicht und wandelt wie die Kinder des Lichts! Ja, Lisbeth, mir ist zum erstenmal recht weh um das Herz geworden, und ich sehe wohl, daß es ein großer Fürwitz und eine schreckliche Sünde war, daß ich so mit den Unterirdischen hinabgefahren bin. Das mag Gott meinen jungen Jahren vergeben, weil ich ein Kind war und nicht wußte, was ich tat. Und nun will ich auch keinen Tag länger warten, sondern geschwinde Anstalt machen, daß ich fortkomme. Mich dürfen sie hier nicht halten."

Und er war sehr bewegt in seiner Seele und führte sein liebes Kind eilends von dannen. So trieb ihn der Vorsatz fort, der schon in ihm lebendig war. Er hatte aber nicht bemerkt, daß Lisbeth bei seinen letzten Worten totenblaß geworden war, und wie schwer sie ihr aufs Herz gefallen waren; denn sie hatte vorher nicht bedacht, daß sie Dienerin war und ihre fünfzig Jahre aushalten mußte, und daß sie mit ihm nicht fort konnte. Und der Schmerz ward so gewaltig in ihr, daß sie endlich laut weinen und schluchzen mußte und er sie nun fragte, was ihr sei; er wolle ja gern mit ihr fortziehen, ja durch die ganze Welt mit ihr, wohin sie wolle. Da antwortete sie ihm: "Ach! Du bist hier der Herr und kannst es; aber ich bin die Dienerin und muß nach dem strengen Gesetze, das hier gilt, aushalten, bis die fünfzig Jahre um sind. Und was soll ich dann auf der Erde tun, wenn Vater und Mutter lange tot und die Gespielen alt und grau sind? Und du bist dann auch grau und alt; was kann es mir da helfen, daß ich hier jung bleibe und nicht älter werden kann als zwanzig Jahre? Ach, ich arme Lisbeth!"

Sie sprach diese Worte so kläglich aus, daß sie einen Stein hätten rühren können. Und in Johanns Ohren tönten sie wie Donnerschläge, und er ward auch sehr traurig. Denn das fühlte er wohl, ohne sie konnte er von hier nicht gehen—und er konnte doch in seiner Seele nirgends einen Ausweg finden. Sie schieden also, als sie heimgekommen waren, sehr traurig voneinander. Johann aber drückte Lisbeths Hand an sein Herz und küßte sie viel tausendmal und sagte ihr: "Nein, liebe Lisbeth, ohne dich geh ich nimmer von hier, das glaube mir!" Und Lisbeth ward sehr getröstet durch diese Worte.

Johann wälzte sich die ganze Nacht auf seinen Kissen hin und her und konnte kein Auge zutun, denn die Gedanken ließen ihm keine Ruhe, sondern flogen, wie aufgescheuchte Vögel, hinter welchen der Falke ist, immer rundum in seiner Seele. Endlich, als der Morgen schon grauete, fuhr er geschwind aus dem Bette und sprang hoch auf vor Freuden und jauchzete in seiner Stube hin und her und schrie überlaut: "Nun hab' ich's! Nun hab' ich's! Diener! Diener! Du hast mir zuviel erzählt." Und er klingelte, und der Diener kam, und er befahl: "Diener, geschwind! Geschwind! Bringe mir Lisbeth!" Und in einigen Augenblicken war der Diener da und führte die schöne Lisbeth an der Hand. Und er hieß den Diener hinausgehen und küßte seine Lisbeth und sprach zu ihr: "Liebe Lisbeth, nun freue dich mit mir! Ich hab' es gefunden! Ich hab' es gefunden! Wir werden nun beide bald wieder zu Christen kommen, und sie können uns hier nicht festhalten. Verlaß dich nur drauf, ich kann es machen. Und nun gehe, mein Herzchen, und sei froh." Und er küßte sein liebes Kind, rief darauf dem Diener und hieß ihn die Lisbeth wieder heimführen und auf dem Rückwege die sechs Vornehmsten zu ihm rufen. Der Diener aber verwunderte sich über diese Sendung, und die sechs wunderten sich noch mehr, als er ihnen die Mutung Johanns brachte, und munkelten und flüsterten untereinander, gingen aber mit ihm.

Und als die sechse in Johanns Zimmer traten, empfing er sie sehr freundlich, denn es waren ja die, mit welchen er alle Tage zu Tische zu sitzen pflegte, und sprach also zu ihnen:

"Liebe Herren und Freunde, euch ist wohl bewußt, auf welche Weise ich hierher gekommen bin, nicht als ein Gefangener und Überlisteter oder Diener, sondern als ein Herr und Meister über einen von euch und dadurch über alle; nur daß dieser eine immer mein leiblicher und stündlicher, ja sekundlicher Diener sein muß. Ihr habt mich die zehn Jahre, welche ich bei euch lebe, wie einen Herrn empfangen und gehalten, und dafür bin ich euch Dank schuldig. Ihr seid mir aber noch größern Dank schuldig, denn ich hätte euch mit allerlei Befehlen und Einfällen manche Mühe und Arbeit, Neckerei und Plage antun, ja ich hätte ein recht tückischer und unfreundlicher Tyrann gegen euch sein können, und ihr hättet es alles in Gehorsam leiden und tun müssen und nicht mucksen dürfen. Ich habe das aber nicht getan, sondern mich wie euresgleichen aufgeführt und mehr mit euch gejubelt und gespielt, als daß ich unter euch geherrscht hätte. Nun bitte ich euch, seid wieder freundlich gegen mich, wie ich gegen euch gewesen bin, und gewähret mir eine Bitte. Es ist hier unter den Dienerinnen eine feine Dirne, die ich lieb habe, Lisbeth Krabbin aus Rambin, wo auch ich geboren bin. Diese gebt mir und lasset sie mit mir ziehen! Denn ich will nun wieder hinauf, wo die Sonne scheint und der Pflug ins Feld geht. Weiter begehre ich nichts, als dieses schöne Kind und den Geschmuck und das Gerät meines Zimmers mitzunehmen."

So sprach er mit sehr lebendigem und kräftigem Ton, daß sie den Ernst wohl fühlten. Sie aber schlugen die verlegenen und bedenklichen Blicke zu Boden und schwiegen alle; darauf nahm der älteste unter ihnen das leise Wort und lispelte: "Herr, du begehrst, was wir nicht geben können; es tut uns leid, daß du Unmögliches verlangest. Es ist ein unverbrüchliches Gesetz, daß nie ein Diener oder eine Dienerin entlassen werden kann von hier vor der bestimmten Zeit. Brächen wir das Gesetz, so würde unser ganzes unterirdisches Reich einen Fall tun. Sonst alles, denn du bist uns sehr lieb und ehrenwert; aber die Lisbeth können wir dir nicht herausgeben." "Ihr könnt die Lisbeth herausgeben, und ihr sollt sie herausgeben!" rief Johann im Zorn. "Nun geht und bedenkt euch bis morgen! Ich wißt meinen Befehl; es ist keine Bitte mehr. Morgen kommt zu dieser Stunde wieder. Ich will euch zeigen, ob ich über eure schmeichlischen und füchsischen Listen herrschen kann."

Die sechs verneigten sich und gingen; den begleitenden Diener aber schalten sie, daß er zuviel erzählt habe. Er aber entschuldigte sich und verneinte es und sagte: "Ich wißt ja, wie klug er mich überlistet hat mit der Mütze und wie er von den Geheimnissen unserer Herrschaft alles gewußt hat durch den alten Kuhhirten aus Rothenkirchen; er hat ihm dies auch erzählt." Und sie glaubten ihm und schalten ihn nicht mehr.

Als die sechse den andern Morgen zur befohlenen Stunde wiederkamen, empfing Johann sie doch freundlich und sprach: "Ich habe euch gestern hart angeredet; aber ich habe es nicht so schlimm gemeint, als ich ausgesehen habe. Aber die Lisbeth will und muß ich haben; dabei bleibt es! Und ich weiß wohl, daß ihr auch mich nicht gern misset, weil ihr die Menschenkinder gern habet, besonders wenn sie freundlich und lustig sind, wie ich bin. Aber ich kann's nun einmal nicht helfen, ich muß wieder zu Christen und wie ein Christ leben und sterben, und es ist eine große Sünde, wenn ich hier länger säume. Und deswegen verlasse ich euch, und nicht aus Widerwillen oder Haß. Und meine liebe Lisbeth will ich auch mitnehmen; dabei bleibt es! Und nun gebärdet euch nicht länger widerwärtig und widerspenstig und tut wie Freunde dem Freunde, was ihr sonst aus Not tun müsset und gebet mir die schöne Dirne heraus und lasset uns freundlich voneinander scheiden und hier und dort ein freundliches Andenken in den Herzen bewahren!"

Und die sechs taten sehr freundlich und redeten nun einer nach dem andern und machten sehr schöne Wendungen und Schlingungen der Worte, womit sie ihn zu bestricken hofften, denn darin sind sie sehr geschickt. Auch hatten sie sich heute vorbereitet, daß sie wußten, was sie sprechen wollten. Aber es half ihnen nichts, und ihre Worte verflogen sich in den Winden und berührten Johann nicht stärker, als hätten sie Spreu aus dem Munde geblasen. Und das Ende vom Liede war wieder, nachdem er alle die schönen und künstlichen Worte angehört hatte: "Gebt die Lisbeth heraus! Ich gehe nicht ohne die Lisbeth." Denn Johann war zu sterblich verliebt, als daß er die schöne Dirne hier gelassen hätte. Die sechs aber verweigerten es standhaft und gebärdeten sich, als hätten sie recht und würden es nimmer tun. Johann aber sagte ihnen lächelnd: "Geht nun! Fahrt wohl bis morgen! Morgen seid ihr wieder zu dieser Stunde hier! Ich gebe euch nun das dritte und letzte Mal. Wollt ihr meinen Befehl dann nicht in Güte erfüllen, sollt ihr sehen, ob ich verstehe, Herr zu sein." Er hatte aber, da er sie so hartnäckig sah, in sich beschlossen, sie durch Plagen zum Gehorsam zu zwingen, falls sie nicht unterdessen auf bessere Gedanken kämen.

Und sie kamen den dritten Morgen, und Johann sah sie mit ernstem und strengem Blick an und erwiderte ihre Verbeugungen nicht, sondern fragte kurz: "Ja oder nein?" Und sie antworteten einstimmig nein. Darauf befahl er dem Diener, er solle noch vierundvierzig der Vornehmsten rufen und solle ihre Frauen und Töchter mitkommen heißen und auch die Frauen und Töchter von diesen sechsen, die vor ihm standen. Und der Diener fuhr dahin wie der Wind, und in wenigen Minuten standen die vierundvierzig da mit ihren Frauen und Töchtern und auch die Frauen und Töchter der sechse, und waren in allem wohl fünfhundert Männer, Frauen und Kinder da. Und Johann ließ sie hingehen und Hauen, Karsten und Stangen holen und dann flugs wiederkommen. Und sie taten, wie er befohlen hatte, und waren bald wieder da. Er aber gedachte sie nun zu plagen, damit sie aus Not täten, was sie aus Liebe nicht tun wollten.

Er führte sie auf einen Felsenberg, der auf einem der Anger lag. Da mußten diese feinen und zarten Wesen, die für schwere Arbeit nicht geschaffen waren, Steine hauen, sprengen und schleppen. Sie taten das ganz geduldig und ließen sich nichts merken, sondern gebärdeten sich, als sei es ihnen ein leichtes und gewohntes Spiel. Er aber ließ sie sich plagen vom Morgen bis an den Abend, und sie mußten schwitzen und arbeiten, daß ihnen der Atem fast ausging, denn er stand immer dabei und trieb sie an. Sie aber hofften, er werde die Geduld verlieren, und der Jammer werde ihn überwinden, daß er sie und ihre Frauen und Kinder so bleich und welk werden sah, die sonst so schön und lustig waren. Und wirklich war Johann zu keinem König Pharao und Nebukadnezar geboren, denn nachdem er es einige Wochen so getrieben hatte, ging ihm die Geduld aus, und der Jammer, daß er die schönen kleinen Menschen so mißhandeln mußte, tat auch sein Teil dazu. Sie aber wurden nicht mürb, denn es ist ein gar eigensinniges Völkchen. Sie brauchten aber immer die List, daß die schönsten unter ihnen immer zunächst bei Johann arbeiten mußten; besonders stellten sie die niedlichen, kleinen Dirnen dahin, die sonst seine Tischgesellinnen waren, und die mußten auf seine Mienen und Gebärden achtgeben und hatten bald bemerkt, daß er sich oft verstohlen wegwendete und eine Träne aus den Augen wischte. Johann dachte nun darauf, wie er eine Plage erfände, die ihn geschwinder zum Ziele führte.

Und er machte sich hart und gebärdete sich noch viel härter und rief sie einen Abend zusammen und sprach: "Ich sehe, ihr seid ein hartnäckiges Geschlecht; so will ich denn viel hartnäckiger sein, denn ihr seid. Morgen, wann ihr zur Arbeit kommt, bringe sich jeder eine neue Geißel mit!" Und sie gehorchten ihm und brachten die Geißeln mit. Und er hieß sie sich alle entkleiden und einander mit den Geißeln zerhauen, bis das Blut danach floß; und er sah grimmig und grausam dabei aus, als hätte ihn eine Tigerin gesäugt oder ein schwarzer Galgenvogel das Futter zugetragen. Aber die kleinen Leute zerhieben sich und bluteten und hohnlachten dabei und taten ihm doch nicht den Willen. So taten sie drei, vier Tage.

Da konnte er es nicht länger aushalten; es jammerte und ekelte ihn, und er hieß sie ablassen und schickte sie nach Hause. Und er dachte auf viele andere Plagen und Martern, die er ihnen antun könnte. Da er aber von Natur weich und mitleidig war und diese Wochen wirklich mehr ausgestanden hatte, daß er sie plagen mußte, als sie, die geplagt wurden, so gab er den Gedanken daran ganz auf; für sich und für seine Lisbeth wußte er aber auch gar keinen Rat und ward so traurig, daß sie ihn oft trösten und aufrichten mußte, der sonst immer so fröhlich und beherzt war. So lieb er die kleinen Leute sonst gehabt hatte, so unlieb wurden sie ihm jetzt. Er schied sich ganz aus ihrer Gesellschaft und von ihren Festen und Tänzen und lebte einsam mit seiner Dirne und aß und trank einsam in seinem Zimmer, so daß er fast ein Einsiedler ward und ganz in Trübsinn und Schwermut versank.

Als er einmal in dieser Stimmung in der Dämmerung spazierte, warf er im Unmut, wie man zu tun pflegt, kleine Steine, die ihm vor den Füßen lagen, gegeneinander, daß sie zersprängen. Vielleicht erquickte es seinen schweren Mut auch, daß er die Steine sich so aneinander zerschlagen sah, denn wenn ein Mensch in sich uneins und zerrissen ist, möchte er im Unmut oft die ganze Welt zerschlagen. Genug, Johann, der nichts Besseres tun mochte, zerwarf die armen Steine, und da geschah es, daß aus einem ziemlich großen Stein, der auseinandersprang, ein Vogel schlüpfte, der ihn erlösen sollte. Es war dies eine Kröte, deren Haus in dem Stein mit ihr gewachsen war, und die vielleicht seit der Schöpfung der Welt darin gesessen hatte. Kaum sah Johann die Kröte springen, so ward er ganz freudenfroh und sprang hinter sie drein und haschte sie und rief ein Mal über das andere: "Nun, hab' ich sie! Nun hab' ich meine Lisbeth! Nun will ich euch schon kirr machen, nun sollt ihr's kriegen, ihr tückischen kleinen Gesellen! Habt ihr euch mit Ruten nicht wollen zum Gehorsam geißeln lassen, so will ich euch mit Kröten und Skorpionen geißeln." Und er barg die Kröte wie einen kostbaren Schatz in seiner Tasche und lief eilends nach Hause und nahm ein festes, silbernes Gefäß und setzte sie darein, damit sie ihm nicht entrinnen könnte. Und in seiner Freude sprach er überlaut für sich viele Worte und gebärdete sich so wunderlich, als sei er närrisch geworden, und sprang dann ins Freie hinaus. "Komm mit, mein Vöglein", rief er, "nun will ich dich versuchen, ob du echt bist!" Und er nahm das Gefäß mit der Kröte unter den Arm und lief hin, wo ein paar Unterirdische in der Einsamkeit des Weges gingen. Und als er ihnen näher kam, stürzten sie wie tot auf den Boden hin und winselten und heulten jämmerlich. Er aber ließ flugs von ihnen und rief: "Lisbeth, Lisbeth, nun hab' ich dich! Nun bist du mein!" Und so stürmte er zu Hause, schellte den Diener herein und ließ ihn Lisbeth holen.

Und als Lisbeth kam, war sie ganz erstaunt, daß sie ihn so munter fand, denn seit einem halben Jahre hatte sie ihn nicht mehr froh gesehen. Und er lief auf sie zu und umhalsete sie und sprach: "Lisbeth! Süße Lisbeth! Nun bist du mein, nun nehme ich dich mit; übermorgen soll der Auszug sein, und juchhe, wie bald die lustige Hochzeit!" Sie aber erstaunte noch mehr und sagte: "Lieber Johann, du bist geck geworden? Wie soll das möglich sein?" Er aber lächelte und sprach: "Ich bin nicht geck geworden, aber die kleinen Schlingel will ich geck machen, wenn sie sich nicht zum Ziele legen wollen. Sieh hier! Hier ist dein und mein Erlöser." Und er nahm das silberne Geschirr und öffnete es und zeigte ihr die Kröte, vor deren Garstigkeit es ihr fast geschwunden hätte. Nun erzählte er ihr, wie er zu dem seltenen Vogel gekommen war, und wie herrlich ihm die Probe geglückt war, die er mit ihm an den Unterirdischen angestellt hatte, und wohlgefällig rief er noch einmal: "Sei froh, meine liebe Lisbeth! Du sollst es sehen, wie ich sie mit dieser zu Paaren treiben will."

Nun muß ich auch das Geheimnis erzählen, das in der Kröte steckte. Klas Starkwolt hatte dem kleinen Johann oft erzählt, daß die Unterirdischen keinen Gestank vertragen könnten, und daß sie bei dem Anblick, ja bei dem Geruch von Kröten sogleich in Ohnmacht fielen und die entsetzlichsten Schmerzen litten; mit Gestank und mit diesen garstigen und scheußlichen Tieren könne man sie zu allem zwingen. Daher findet man auch nie etwas Stinkendes in dem ganzen gläsernen Reiche, und die Kröten sind dort etwas Unerhörtes, und man muß daher diese Kröte, die so wunderbar in einem Stein eingehäuft und fast ebenso wunderbar aus diesem ihrem steinernen Hause herausgekommen war, fast ansehen als von Gott von Ewigkeit her zu solcher geheimen Wohnung verdammt, damit Johann und Lisbeth zusammen aus dem Berge kommen und Mann und Frau werden könnten.

Johann und Lisbeth glaubten auch gern an ein solches Wunder, besonders Lisbeth, die Gottes liebes, frommes Kind war. Und als Johann ihr alles erzählt und erklärt hatte, was er ferner tun und wie er die Kleinen endlich zu seinem Willen zwingen wollte, da fiel sie ganz entzückt und gerührt auf ihr Gesichtchen zur Erde und betete und dankete Gott, daß er sie endlich von den kleinen Heiden erlösen und wieder zu Christenmenschen bringen wolle. Und sie ging ganz fröhlich heim und faltete ihre Händchen im Bette noch viel zum Gebete und hatte die Nacht die allersüßesten Träume. Johann legte sich auch nicht traurig nieder, und er überdachte und überlegte sich alles, wie er die Kleinen erschrecken und endlich mit seiner geliebten Braut aus dem Berge ziehen wollte.

Und den folgenden Morgen, als es getagt hatte, rief er seinen Diener und hieß ihn die fünfzig Vornehmsten holen mit ihren Frauen und Töchtern. Und sie erschienen alsbald vor Johann, und er sprach zu ihnen:

"Ihr wisset alle, und ist euch nicht verborgen, wie ich hierher gekommen bin, und wie ich diese manchen Jahre mit euch gelebt habe, nicht als ein Herr und Gebieter, sondern als ein Freund und Genosse. Und ich habe es wohl gewußt, wie ich hätte Herr sein und meiner Herrschaft gegen euch gebrauchen können; und das habe ich nicht getan, sondern nur einen einzigen von euch hab' ich als Diener gebraucht, und auch nicht als Diener, sondern mehr als Freund. Und ihr schienet mit mir zufrieden zu sein und mich lieb zu haben; als es aber dahin gekommen ist, daß ich endlich eine einzige kleine Freundlichkeit von euch begehren mußte, habt ihr euch gebärdet, als forderte ich Leben und Reich von euch, und mir sie trotzig abgeschlagen. Ihr wisset auch, was ich da ergriffen habe, und wie ich angefangen habe, euch mit Arbeit und Streichen zu plagen, damit ihr einsähet, daß ihr unrecht hättet, und mir die Liebe tätet. Aber ihr seid trotziger und hartnäckiger gewesen, als ich strenge, und aus Barmherzigkeit habe ich ablassen müssen von der Strafe. Ihr habt das aber nicht erkannt, sondern habt mich ausgelacht als einen Dummen, der keinen Rat wisse, euch zum Gehorsam zu zwingen. Ich aber weiß wohl Rat und will es euch bald zeigen, wenn ihr in eurer Verstocktheit bleibet und mir die Lisbeth nicht losgeben wollt. Darum zum letzten Male, besinnet euch noch eine Minute, und sagt ihr dann nein, so sollt ihr die Pein fühlen, die euch und euren Kindern von allen Peinen die fürchterlichste ist!"

Und sie säumten nicht lange und sagten mit einer Stimme nein und dachten bei sich: "Welche neue List hat der Jüngling erdacht, womit er so weise Männer einzuschrecken meint?" Und sie lächelten, als sie nein sagten. Dies Lächeln ärgerte Johann mehr als alles andere und voll Zorns rief er: "Nun denn, da ihr nicht hören wollt, sollt ihr fühlen", und lief geschwind wie ein Blitz einige hundert Schritt weg, wo er das Gefäß mit der Kröte unter einem Strauch versteckt hatte.

Und er kam zurück, und als er sich ihnen auf hundert Meter genahet hatte, stürzten sie alle hin, als wären sie mit einem Schlage zugleich vom Donner gerührt, und begannen zu heulen und zu winseln und sich zu krümmen, als ob sie von den entsetzlichsten Schmerzen gefoltert würden. Und sie streckten die Hände aus und schrien einer um den andern: "Laß ab, Herr! Laß ab, und sei barmherzig! Wir fühlen, daß du eine Kröte hast, und daß kein Entrinnen ist. Nimm die greulichen Plagen weg; wir wollen ja alles tun, was du befiehlst." Und er ließ sie noch einige Sekunden zappeln; dann entfernte er das Gefäß mit der Kröte, und sie richteten sich wieder auf, und ihre Züge erheiterten sich wieder, denn die Pein war weg, wie das Tier weggenommen war.

Johann behielt nur die sechs Vornehmsten bei sich und ließ die Weiber und Kinder und die übrigen Männer alle gehen, wohin jeder wollte. Zu den sechsen aber sprach er seinen Willen also aus:

"Diese Nacht zwischen zwölf und ein Uhr ziehe ich mit der Lisbeth von dannen, und ihr beladet mir drei Wagen mit Silber und Gold und edlen Steinen. Wiewohl ich alles nehmen könnte, was ihr in den Bergen habt, da ihr so widerspenstig und ungehorsam gegen mich gewesen seid, will ich euch doch so hart nicht strafen, sondern barmherziger gegen euch sein, als ihr gegen mich und die Lisbeth gewesen seid. Auch alle meine Herrlichkeiten und Kostbarkeiten und Bilder und Bücher und Geräte, die in meinem Zimmer sind, werden auf zwei Wagen geladen, also daß in allem fünf Frachtwagen bereit gemacht werden. Mir selbst aber rüstet ihr den schönsten Reisewagen, den ihr in euren Bergen habt, mit sechs schwarzen Rappen, worauf ich und meine Braut sitzen und zu den Unsrigen einfahren wollen. Zugleich befehle ich euch, daß von den Dienern und Dienerinnen alle diejenigen freigelassen werden, welche solange hier gewesen sind, daß sie droben zwanzig Jahre und drüber alt sein würden; und ihr sollt ihnen soviel Silber und Gold mitgeben, daß sie auf der Erde reiche Leute heißen können. Und das soll künftig ein ewiges Gesetz sein, und ihr sollt mir es hier diesen Augenblick beschwören, daß nimmer ein Menschenkind hier länger festgehalten werden soll als bis zu seinem zwanzigsten Jahre."

Und die sechse leisteten ihm den Schwur und gingen dann traurig weg; er aber nahm jetzt die Kröte und vergrub sie tief in die Erde. Und sie und die übrigen Unterirdischen rüsteten alles zu, und auch Johann und Lisbeth bereiteten sich zur Reise und schmückten sich festlich gegen die Nacht, damit sie als Braut und Bräutigam erscheinen könnten. Es war aber jetzt beinahe dieselbe Zeit, in welcher er einst in den Berg hinabgestiegen war, die Zeit der längsten Tage, also Mittsommerszeit, die sie die Sonnengicht nennen. Und er war etwas über zwölf Jahre in dem Berge gewesen und Lisbeth etwas über dreizehn, und er ging in sein einundzwanzigstes Jahr und Lisbeth in ihr achtzehntes. Die kleinen Leute taten mit großem Gehorsam, aber sehr still alles, wie er ihnen befohlen hatte; desto lauter aber war die Schar der Diener und Dienerinnen, welche sein neues Gesetz über das zwanzigste Jahr mit erlöset hatte. Diese jubelten um ihn und um seine Lisbeth her und freueten sich sehr, daß sie mit ihnen auf die Oberwelt ziehen durften.

Und als alle Kostbarkeiten herausgeschafft und die erlöseten Diener und Dienerinnen hinaufgefahren waren, setzten Johann und seine Lisbeth sich zuletzt in die silberne Tonne und ließen sich hinaufziehen. Es mochte wohl eine Stunde nach Mitternacht sein. Und es deuchte ihnen ebenso als vormals, wie sie hinabgefahren waren. Sie waren von Jubel umrauscht und von Musik umtönt, und endlich klang es über ihren Köpfen, und sie sahen den gläsernen Berg sich öffnen, und die ersten Himmelsstrahlen blinkten zu ihnen hinab nach so manchen Jahren, und bald waren sie draußen und sahen das Morgenrot schon im Osten dämmern. Johann sah eine Menge Unterirdischer, die um ihn und Lisbeth und die Wagen geschäftig waren, dort hin und her wallen, und er sagte ihnen das letzte Lebewohl; dann nahm er seine braune Mütze, schwang sie dreimal in der Luft um und warf sie unter sie. Und in demselben Augenblick sah er nichts mehr von ihnen, sondern erblickte nun nichts weiter als einen grünen Hügel und bekannte Büsche und Felder und hörte die Glocke vom Rambiner Kirchturme eben zwei schlagen. Und als es still geworden war und er von dem unterirdischen und überirdischen Getummel nichts weiter hörte als einige Lerchen, die ihre ersten Morgenlieder anstimmten, da fiel er mit seiner Lisbeth im Grase auf die Knie, und sie beteten beide recht andächtig und gelobten Gott ein recht christliches Leben, weil er sie so wunderbar von den Unterirdischen errettet hatte. Und alle Diener und Dienerinnen, welche durch sie miterlöset waren, taten desgleichen.

Darauf erhuben sie sich alle, und die Sonne ging eben auf, und Johann ordnete nun den Zug seiner Wagen. Voran fuhren zwei Wagen, jeder mit vier Rotfüchsen bespannt, die waren mit eitel Gold und Dukaten beladen, so schwer, daß die Pferde von der Last stöhneten; diesen folgte ein anderer Wagen mit sechs schneeweißen Pferden, welche alles Silber und Kristall zogen; hinter diesem fuhren zwei letzte Wagen, jeder mit vier Grauschimmeln bespannt, und diese waren mit den herrlichsten Geräten und Gefäßen und Edelgesteinen und mit der Bibliothek Johanns beladen. Er mit seiner Braut fuhr zuletzt in einem offenen Wagen aus lauter grünem Smaragd, dessen Decke und Vorderseite mit vielen großen Diamanten besetzt waren, und sechs mutige, wiehernde Rappen zogen ihn. Er war aber nebst seiner Braut auf das kostbarste geschmückt, damit sie den Ihrigen auch durch den Schmuck und die Pracht als ein rechtes Wunder Gottes kämen. Denn beide waren von ihnen lange als tot betrauert und wer hätte wohl gedacht, daß sie jemals wiederkommen würden? Die erlösten Diener und Dienerinnen in gläsernen Schuhen und weißen Kleidern und Jäckchen mit silbernen Gürteln gingen vor und hinter und neben den Wagen und geleiteten sie; einige führten auch die Pferde. Denn sie wollten sie alle bis Rambin begleiten und von da jeder seines Weges weiter ziehen. Es waren ihrer in allem zwischen fünfzig und sechzig. Und sie jauchzeten vor Freuden, und einige, welche Geigen und Pfeifen und Trompeten mit hatten, spielten lustig auf. So zogen sie mit Jauchzen und Klingen die Hügel hinab auf die Straße, welche von Rambin nach Garz führt. Es war aber dem Johann und der Lisbeth gar wundersam zumute, als sie den Turm von Rambin wiedersahen und die Sturmweiden von Drammendorf und Giesendorf aus der Ferne, wo sie als Kinder soviel gespielt hatten. Als sie vor Rothenkirchen hinzogen, kam eben die Kuhherde über den Berg, und Klas Starkwolt mit seinem treuen Hurtig zog ihr langsamen Schrittes nach. Johann sah ihn und erkannte ihn stracks und dachte bei sich: "Den treuen Alten wirst du nicht vergessen." Und so zog er mit seiner Begleitung weiter, und alle Leute, die auf der Straße waren, hielten oder standen still, und viele liefen ihnen nach, ja einige liefen voraus und meldeten in Rambin, welche blanke und prächtige Wagen dort auf der Landstraße führen, und brachten das ganze Dorf auf die Beine. Der Zug ging aber sehr langsam wegen der schwer beladenen Wagen.

So zogen sie etwa um vier Uhr morgens in Rambin ein und hielten still mitten im Dorf, etwa zwanzig Schritt von dem Hause, wo Johann geboren war. Und es war alles Volk zusammengelaufen und aus den Häusern gegangen, damit sie die glänzende Herrlichkeit mit eigenen Augen sähen. Johann entdeckte bald seinen alten Vater und seine Mutter und erkannte unter den vielen auch seinen Bruder Andres und seine Schwester Trine. Auch der alte Pfarrer Krabbe stand da in schwarzen Pantoffeln und einer weißen Schlafmütze, wie er eben aus dem Bette gekommen war, und gaffte mit den andern; aber Lisbeth erkannt ihn nicht mehr, denn sie war zu klein gewesen, als sie in den Berg entführt worden. So hielten sie etwa zehn Minuten still, ohne sich etwas merken zu lassen. Und man kann wohl sagen, daß in dem Dorfe Rambin nie eine solche Herrlichkeit erschienen war und auch nicht erscheinen wird bis an der Welt Ende. Johann und seine Braut funkelten von Diamanten und edlen Steinen; die Wagen, die Pferde, die Geschirre waren auf das prächtigste geziert, die Begleiter und Begleiterinnen alle in der Blüte der Jahre, mit den schönen, weißen Kleidern angetan und den sonderbaren Mützen und gläsernen Schuhen. Alles war wie aus einer andern Welt, so daß der Küster, seines Handwerks ein Schuhmacher, der in seiner Jugendwanderschaft bis nach Moskau und Konstantinopel gekommen war, sagte: "Sind es keine tatarische und persische und asiatische Prinzen, so müssen sie vom Mond heruntergekommen sein, denn in dem Lande Europa habe ich dergleichen nie gesehen und bin doch auch in vielen Städten gewesen, wo Kaiser und Könige wohnen!" Der gute Küster irrte sich aber; sie kamen weder aus Persien noch aus der Tatarei, sondern ganz aus der Nähe, aber freilich aus einer sehr wenig entdeckten Welt.

Als Johann nun glaubte, es sei genug, und sie hätten ihre Augen bis zur Sättigung geweidet, sprang er rasch vom Wagen und hob sein schönes Kind auch heraus und drang durch die Menge hin, die ihm ehrerbietig Platz machte. Und ohne sich lange zu besinnen, eilte er zu dem niedrigen, strohenen Häuschen, wo Jakob Dietrich mit seiner Frau stand, und umhalsete sie beide und küssete sie, die sich vor ihm zur Erde werfen und seine Knie küsse wollten. Er aber wehrte ihnen und sprach: "Mitnichten! Das darf nicht sein! Kennt ihr mich denn nicht? Ich bin euer verlornen Sohn Johann Dietrich, und diese hier ist meine Braut." Und die beiden Alten erstaunten und wußten nicht, ob sie wachten oder träumten; alles Volk aber, das dies sah und hörte, verwunderte sich und rief: "Johann Dietrich, der verlorne Johann Dietrich ist von den Unterirdischen wiedergekommen, und seht, was er mitgebracht hat!"

Johann Dietrich aber stand dort nicht lange müßig bei seinen Eltern, sondern, als er den alten Pfarrer Krabbe in der weißen Schlafmütze erblickte, lief er eilends hin und holte ihn fast mit Gewalt herbei; denn der alte Mann wußte nicht, was der ungestüme Jüngling im Sinn hatte. Und er führte den alten, ehrwürdigen Herrn zu Lisbeth und fragte ihn: "Kennst du diese?" Ehe er aber noch antworten konnte, zog er ihm Lisbeth in die Arme und sprach: "Dies ist deine verlorene Tochter und meine Braut, die bringe ich dir wieder. Und nun sollst du uns segnen und christlich zusammensprechen, da wir auf eine so wundersame Weise wieder zu den Unsern gekommen sind." Und der alte Mann war lange sprachlos und hing an der Brust seiner Lisbeth und weinte vor Freude; denn sie war sein einziges Kind, und er hatte sie lange als eine Tote beweint. Und als er sich besonnen hatte von dem ersten Erstaunen, nahm er die Hände seines Kindes und legte sie in die Hände Johanns und hieß Jakob Dietrich und seine Frau auch hinzutreten und sprach: "So segnet euch denn der Gott des Friedens und der Barmherzigkeit, der euch so wunderbar zusammengebracht hat, und lasse euch Kinder und Kindeskinder sehen und in seiner Furcht wandeln bis ans Ende eures Lebens! Siehe, ich preise ihn, daß er mich diesen Tag hat sehen lassen."

Als dies vorbei und noch viel gefragt und erzählt war, und als die Nachbarn und die Gespielen und Gespielinnen sich den Johann und die Lisbeth wieder besehen und jeder auf seine Weise an seinen Zeichen wieder erkannt hatten, da gingen die beiden zu den Eltern in die Häuser. Johann aber säumte nicht mit der Hauptlust, mit der Hochzeit, die binnen acht Tagen sein sollte. Und er schickte viele hundert Wagen in den Wald, welche Bäume und Zweige in unendlicher Menge herbeifuhren. Und er ließ viele Zimmerleute und Schreiner und Tapezierer kommen. Und wo jetzt das Kloster steht, einige hundert Schritt vor dem Dorfe, da ließ er einen hohen und weiten Laubsaal bauen und von beiden Seiten Tische aufschlagen und in der Mitte eine Tanzbühne, und der Saal war so groß, daß er wohl fünftausend Menschen fassen konnte. Zu gleicher Zeit schickte er nach Stralsund und Greifswald und ließ ganze Böte von Wein, Zucker und Kaffee laden; auch wurden ganze Herden Ochsen, Schweine und Schafe zur Hochzeit hergetrieben, und wieviele Hirsche, Rehe und Hasen dazu geschossen sind, das ist nicht zu sagen, sowenig als die Fische zu zählen sind, die dazu bestellt wurden. In ganz Rügen und Pommern ist auch kein einziger Musikant geblieben, der nicht dazu verdungen wurde. Denn Johann war sehr reich und wollte seine Pracht sehen lassen. Auch hatte er das ganze Kirchspiel zur Hochzeit geladen und auch alle die schönen, weißen Jünglinge und Jungfrauen dabehalten, die er erlöset hatte, und die nun seinen Ehrentag mitfeiern wollten.

Dies war die Ordnung der Hochzeit: Als der Morgen angebrochen war, gingen alle Gäste in die Kirche, und der alte Krabbe dankete Gott und erzählte die wunderbare Erhaltung und Errettung und Verlobung der Kinder; darauf segnete er sie ein und gab sie feierlich zusammen. Nun gingen sie in zierlicher Reihe alle in den großen Laubsaal, so daß Jakob Dietrich und seine Frau Lisbeth zwischen sich führten, Johann aber zwischen Vater Krabbe und seinem alten Klas Starkwolt ging. Denn diesen hatte er sogleich kommen lassen und ihn reichlich beschenkt, so daß er für seine übrigen Lebenstage geborgen war; auch hatte er ihm die schönsten Hochzeitskleider anmessen lassen. Und Klas hatte ihm versprechen müssen, bei ihm zu bleiben und mit ihm zu leben, so oft und viel er wollte; und das hat er redlich gehalten. Nach diesen Ehrenpaaren folgten die feinen Weißen aus dem Berge Paar um Paar, und darauf die ganze übrige Freundschaft, Nachbarschaft und Kirchspielschaft, nach Stand und Würden und Alter, wie es sich gebührte. Und sie hielten eine Hochzeit, wie sie in Rambin nie wieder gehalten worden, und wovon noch die Urenkel zu erzählen wissen. Vierzehn ausschlagene Tage und Nächte ist geschmaust und getanzt worden, und da hat man über vierzig Paare auf gläsernen Schuhen tanzen sehen, was seitdem etwas Unerhörtes gewesen. Und die Leute haben sich über die Tänzerinnen gewundert, so anmutigen Tanz haben sie gehalten; denn die Unterirdischen sind die ersten Tanzmeister in der Welt, und da hatten sie ja tanzen gelernt.

Und als die Hochzeit vorbei war, da ist Johann herumgereist im Lande mit seiner schönen Lisbeth, und sie haben sich viele Städte und Dörfer und Güter gekauft, und er ist Herr von beinahe ganz Rügen geworden und ein sehr vornehmer Graf im Lande. Und auch der alte Jakob, sein Vater, ist ein Edelmann geworden, und Johanns Brüder und Schwestern haben Junker und Fräulein geheißen. Denn was kann man sich nicht alles für Silber und Gold schaffen? Schier alles, nur nicht die Seligkeit; sonst hätte der arme Mensch auf Erden auch gar keinen Trost. Johann aber hat in all seinem Reichtum nie vergessen, auf welche wunderbare Weise Gott seine Jugend geführt hat, und ist ein sehr frommer, christlicher Mann gewesen. Und seine Frau Lisbeth ist noch fast frommer gewesen als er. Und beide haben Kirchen und Armen viel Gutes getan, auch selbst viele Kirchen gebauet und sind endlich, von allen, die sie kannten, gesegnet, seliglich im Herrn verschieden. Und diese Kirche, die jetzt in Rambin steht, hat der Graf Johann Dietrich auch bauen lassen und hat sie sehr reich beschenkt von seinem vielen Gelde. Und sie ist zum ewigen Andenken an seine Geburt da gebaut, wo Jakob Dietrichs Häuschen gestanden hat. Und er hat viele kostbare Geräte dahin geschenkt, goldene Becher und silberne Schalen von der allerkünstlichsten Arbeit, wie die Unterirdischen sie in ihren Bergen machen, nebst seinen und der Lisbeth gläsernen Schuhen, zum ewigen Andenken, was ihnen in der Jugend geschehen war. Diese sind aber weggekommen unter dem großen König Karolus XII. von Schweden, als die Russen hier auf die Insel kamen und schlimm hauseten. Da haben die Kosaken auch die Kirche geplündert und das alles mitgenommen.

So war der kleine Johann Dietrich aus einem armen Hirtenknaben ein reicher und vornehmer Herr geworden, weil er das Herz gehabt hatte, hinabzusteigen und sich die Schätze zu holen. Aber viele sind schon dadurch reich geworden, daß sie nur irgendein Pfand von den Unterirdischen gewonnen haben. Dadurch haben sie sie soweit in ihre Macht gekommen, daß sie ihnen etwas haben schenken oder zuliebe tun müssen. Manchen schenken sie auch freiwillig etwas und lehren sie schöne Künste und allerlei Geheimnisse; aber diesen, die ein Pfand oder etwas Verlornes von ihnen haben, müssen sie aus Not dienstbar und gefällig werden.

Das Silberglöckchen

Ein Schäferjunge zu Patzig, eine halbe Meile von Bergen, wo es in den Hügeln auch viele Unterirdische hat, fand eines Morgens ein silbernes Glöckchen auf der grünen Heide zwischen den Hünengräbern und steckte es zu sich. Es war aber das Glöckchen von einer Mütze eines kleinen Braunen, der es da im Tanze verloren und nicht sogleich bemerkt hatte, daß es an dem Mützchen nicht mehr klingelte. Er war nun ohne das Glöckchen heruntergekommen und war sehr traurig über diesen Verlust. Denn das Schlimmste, was den Unterirdischen begegnen kann, ist, wenn sie die Mütze verlieren, dann die Schuhe. Aber auch das Glöckchen an der Mütze und das Spänglein am Gürtel ist nichts Geringes. Wer das Glöckchen verloren hat, der kann nicht schlafen, bis er es wiedergewinnt, und das ist doch etwas recht Betrübtes. Der kleine Unterirdische in dieser großen Not spähete und spürte umher; aber wie sollte er erfahren, wer das Glöcklein hatte? Denn nur wenige Tage im Jahr dürfen sie an das Tageslicht hinaus, und dann durften sie auch nicht in ihrer wahren Gestalt erscheinen. Er hatte sich schon oft verwandelt in allerlei Gestalten, in Vögel und Tiere, auch in Menschen, und hatte von seinem Glöckchen gesungen und geklungen und gestöhnt und gebrüllt und geklagt und gesprochen; aber keine kleinste Kunde oder nur Spur von einer Kunde war ihm bis jetzt zugekommen. Denn das war das Schlimmste, daß der Schäferjunge gerade den Tag, nachdem er das Glöckchen gefunden, von Patzig weggezogen war und jetzt zu Unrow bei Gingst die Schafe hütete. Da begab es sich erst nach manchem Tag durch ein Ungefähr, daß der arme kleine Unterirdische wieder zu seinem Glöckchen und zu seiner Ruhe kommen sollte.

Er war nämlich auf den Einfall gekommen, ob auch ein Rabe oder Dohle oder Krähe oder Uglaster das Glöckchen gefunden und etwa bei seiner diebischen Natur, die sich in das Blanke vergafft, in sein Nest getragen habe. Und er hatte sich in einen angenehmen, kleinen bunten Vogel verwandelt und alle Nester auf der ganzen Insel durchflogen und den Vögeln allerlei vorgesungen, ob sie ihm verraten möchten, daß sie den Fund getan hätten, und er so wieder zu seinem Schlaf käme. Aber die Vögel hatten sich nichts merken lassen. Als er nun des Abends flog über das Wasser von Ralow her über das Unrower Feld hin, weidete der Schäferjunge, welcher Fritz Schlagenteuffel hieß, dort eben seine Schafe. Mehrere der Schafe trugen Glocken um den Hals und klingelten, wenn der Junge sie durch seinen Hund in den Trab brachte. Das Vögelein, das über sie hinflog, dachte an sein Glöcklein und sang in seinem traurigen Mut:

Glöckelein, Glöckelein.
Böckelein, Böckelein,
Schäflein auch du,
Trägst du mein Klingeli,
Bist du das reichste Vieh,
Trägst meine Ruh.

Der Junge horchte nach oben auf diesen seltsamen Gesang, der aus den Lüften klang, und sah den bunten Vogel, der ihm noch viel seltsamer vorkam. Er sprach bei sich: "Potztausend, wer den Vogel hätte! Der singt ja, wie unsereiner kaum sprechen kann. Was mag er mit dem wunderlichen Gesange meinen? Am Ende ist es ein bunter Hexenmeister. Meine Böcke haben nur tonbackene Glocken, und er nennt sie reiches Vieh, aber ich habe ein silbernes Glöckchen, und von mir singt er nichts!" Und mit den Worten fing er an, in der Tasche zu fummeln, holte sein Glöckchen heraus und ließ es klingen. Der Vogel in der Luft sah sogleich, was es war, und freute sich über die Maßen; er verschwand aber in der Sekunde, flog hinter den nächsten Busch, setze sich, zog sein buntes Federkleid aus und verwandelte sich in ein altes Weib, das mit kümmerlichen Kleidern angetan war. Die alte Frau, mit einem ganzen Sack voll Seufzer und Ächzer versehen, stümperte sich quer über das Feld zu dem Schäferbuben hin, der noch mit seinem Glöcklein klingelte und sich wunderte, wo der schöne Vogel geblieben war, räusperte sich und tat einige Huster aus hohler Brust und bot ihm dann einen freundlichen guten Abend und fragte nach der Straße zu der Stadt Bergen. Dann tat sie, als ob sie das Glöcklein jetzt erst erblickte, und rief: "Herre je, welch ein niedliches, kleines Glöckchen! Hab' ich doch in meinem Leben nichts Feineres gesehen! Höre, mein Söhnchen, willst du die Glocke verkaufen? Und was soll sie kosten? Ich habe ein kleines Enkelchen, für den wäre sie mir eben ein bequemes Spielgerät."—"Nein, die Glocke wird nicht verkauft!" antwortete der Schäferknabe kurz abgebissen; "das ist eine Glocke, so eine Glocke gibt's in der Welt nicht mehr: wenn ich nur damit anklingele, so laufen meine Schafe von selbst hin, wohin ich sie haben will; und welchen lieblichen Ton hat sie! Hört mal, Mutter", (und er klingelte) "ist eine Langeweile in der Welt, die vor dieser Glocke aushalten kann? Dann kann ich mir die längste Zeit wegklingeln, daß sie in einem Hui fort ist." Das alte Weib dachte: "Wollen sehen, ob er Blankes aushalten kann?" und hielt ihm Silber hin, wohl drei Taler; er sprach: "Ich verkaufe aber die Glocke nicht." Sie hielt ihm fünf Dukaten hin; er sprach: "Das Glöckchen bleibt mein." Sie hielt ihm die Hand voll Dukaten hin; er sprach zum drittenmal: "Gold ist Quark und gibt keinen Klang." Da wandte die Alte sich und lenkte das Gespräch anderswohin und lockte ihn mit geheimen Künsten und Segenssprechungen, wodurch sein Vieh Gedeihen bekommen könnte, und erzählte ihm allerlei Wunder davon. Da ward er lüstern und horchte auf. Das Ende vom Liede war, daß sie ihm sagte: "Höre, mein Kind, gib mir die Glocke; siehe, hier ist ein weißer Stock" (und sie holte ein weißes Stäbchen hervor, worauf Adam und Eva sehr künstlich geschnitten waren, wie sie die paradiesischen Herden weideten, und wie die feistesten Böcke und Lämmer vor ihnen hintanzten; auch der Schäferknabe David, wie er ausholt mit der Schleuder gegen den Riesen Goliath), "diesen Stock will ich dir geben für das Glöckchen, und solange du das Vieh mit diesem Stäbchen treibst, wird es Gedeihen haben, und du wirst ein reicher Schäfer werden; deine Hämmel werden immer vier Wochen früher fett werden als die Hämmel aller andern Schäfer, und jedes deiner Schafe wird zwei Pfund Wolle mehr tragen, ohne daß man ihnen den Segen ansehen kann." Die alte Frau reichte ihm den Stock mit einer so geheimnisvollen Gebärde und lächelte so leidig und zauberisch dazu, daß der Junge gleich in ihrer Gewalt war. Er griff gierig nach dem Stock und gab ihr die Hand und sagte: "Topp, schlag ein! Die Glocke ist dein für den Stock." Und sie schlug ein und nahm die Glocke und fuhr wie ein leichter Wind über das Feld und die Heide hin. Und er sah sie verschwinden, und sie deuchte ihm wie ein Nebel hinzufließen und sanft fortzulaufen, und alle seine Haare richteten sich zu Berge.

Der Unterirdische, der ihm die Glocke in der Verkleidung einer alten Frau abgeschwatzt, hatte ihn nicht betrogen. Denn die Unterirdischen dürfen nicht lügen, sondern das Wort, das sie von sich geben oder geloben, müssen sie halten; denn wenn sie lügen, werden sie stracks in die garstigsten Tiere verwandelt, in Kröten, Schlangen, Mistkäfer, Wölfe und Lüchse und Affen, und müssen wohl Jahrtausende in Abscheu und Schmach herumkriechen und herumstreichen, ehe sie erlöst werden. Darum haben sie ein Grauen davor. Fritz Schlagenteuffel gab genau acht und versuchte seinen neuen Schäferstab, und er fand bald, daß das alte Weib ihm die Wahrheit gesagt hatte, denn seine Herde und all sein Werk und seiner Hände Arbeit geriet ihm wohl und hatte ein wunderbares Glück, so daß alle Schafherren und Oberschäfermeister diesen Jungen begehrten. Er blieb aber nicht lange Junge, sondern schaffte sich, ehe er noch achtzehn Jahre alt war, seine eigene Schäferei und ward in wenigen Jahren der reichste Schäfer auf ganz Rügen, so daß er sich endlich ein Rittergut hat kaufen können: und das ist Grabitz gewesen hier bei Rambin, was jetzt den Herren vom Sunde gehört. Da hat mein Vater ihn noch gekannt, wie aus dem Schäferjungen ein Edelmann geworden war, und hat er sich auch da als ein rechter, kluger und frommer Mann aufgeführt, der bei allen Leuten ein gutes Lob hatte, und der hat seine Söhne wie Junker erziehen lassen und seine Töchter wie Fräulein, und es leben noch davon und dünken sich jetzt vornehme Leute. Und wenn man solche Geschichten hört, möchte man wünschen, daß man auch mal so etwas erlebte und ein silbernes Glöcklein fände, das die Unterirdischen verloren haben.

Der gläserne Schuh

Ein Bauer aus Rothenkirchen, Johann Wilde genannt, fand einmal einen gläsernen Schuh auf einem der Berge, wo die kleinen Leute zu tanzen pflegen. Er steckte ihn flugs ein und lief weg damit und hielt die Hand fest auf der Tasche, als habe er eine Taube darin. Denn er wußte, daß er einen Schatz gefunden hatte, den die Unterirdischen teuer wiederkaufen müßten. Andere sagen, Johann Wilde habe die Unterirdischen mitternächtlich belauert und einem von ihnen den Schuh ausgezogen, indem er sich mit einer Branntweinflasche dort hingestreckt und gleich einem Besoffenen gebärdet habe. Denn er war ein sehr listiger und schlimmer Mensch und hatte durch seine Verschlagenheit manchen betrogen und war deswegen bei seinen Nachbarn gar nicht gut angeschrieben, und keiner hatte gern mit ihm zu tun. Viele sagen auch, er habe verbotene Künste gekonnt und mit den Unholden und alten Wettermacherinnen geheimen Umgang gepflogen. Als er den Schuh nun hatte, tat er es denen, die unter der Erde wohnen, gleich zu wissen, indem er um die Mitternacht zu den Neun Bergen ging und lauten Halses schrie: "Johann Wilde in Rothenkirchen hat einen schönen gläsernen Schuh, wer kauft ihn? Wer kauft ihn?" Denn er wußte, daß der Kleine, der einen Schuh verliert, den Fuß solange bloß tragen muß, bis er in wiederbekommt. Und das ist keine Kleinigkeit, da die kleinen Leute meist auf harten und steinichten Boden treten müssen. Der Kleine säumte auch nicht, ihn wieder einzulösen. Denn sobald er einen freien Tag hatte, wo er an das Tageslicht hinaus durfte, klopfte er als ein zierlicher Kaufmann an Johann Wildens Türe und fragte, ob er nicht gläserne Schuh zu verkaufen habe? Denn die seien jetzt eine angreifische Ware und werden auf allen Märkten gesucht. Der Bauer antwortete, er habe einen sehr kleinen, netten gläsernen Schuh, so daß auch eines Zwerges Fuß davon geklemmt werden müsse, und daß Gott erst eigene Leute dazu schaffen müsse; aber das sei ein seltener Schuh und ein kostbarer Schuh und ein teurer Schuh, und nicht jeder Kaufmann könne ihn bezahlen. Der Kaufmann ließ ihn sich zeigen und sprach:

"Es ist eben nichts so Seltenes mit den gläsernen Schuhen, lieber Freund, als Ihr hier in Rothenkirchen glaubt, weil Ihr nicht in die Welt hinauskommet"; dann sagte er nach einigen Hms: "Aber ich will ihn doch gut bezahlen, weil ich gerade einen Gespann dazu habe." Und er bot dem Bauern tausend Taler. "Tausend Taler ist Geld, pflegte mein Vater zu sagen, wenn er fette Ochsen zu Markt trieb", sprach der Bauer spöttisch; "aber für den lumpigen Preis kommt er nicht aus meiner Hand, und mag er meinethalben auf dem Fuße von der Docke meiner Tochter prangen. Hör' Er, Freund, ich habe von dem gläsernen Schuh so ein Liedchen singen hören, und um einen Quark kommt er nicht aus meiner Hand. Kann Er nicht die Kunst, mein lieber Mann, daß ich in jeder Furche, die ich auspflüge, einen Dukaten finde, so bleibt der Schuh mein, und Er fragt auf anderen Märkten nach gläsernen Schuhen." Der Kaufmann machte noch viele Versuche und Wendungen hin und her; da er aber sah, daß der Bauer nicht nachließ, tat er ihm den Willen und schwur's ihm zu. Der Bauer glaubte ihm's und gab ihm den gläsernen Schuh; denn er wußte, mit wem er's zu tun hatte. Und der Kaufmann ging mit seinem Schuh weg.

Und nun hat der Bauer sich flugs in seinen Stall gemacht und Pferde und Pflug bereitet und ist ins Feld gezogen und hat sich ein Stück mit der allerkürzesten Wendung ausgesucht, und wie der Pflug die erste Scholle gebrochen, ist der Dukaten aus der Erde gesprungen, und so hat er's bei jeder neuen Furche wieder gemacht. Da ist des Pflügens denn kein Ende gewesen, und der Bauer hat sich bald noch acht neue Pferde gekauft und auf den Stall gestellt zu den achten, die er schon hatte, und ihre Krippen sind nie leer geworden von Hafer, damit er je alle zwei Stunden zwei frische Pferde anschirren und desto rascher treiben könnte. Und der Bauer ist unersättlich gewesen im Pflügen und ist immer vor Sonnenaufgang ausgezogen und hat oft noch nach der Mitternacht gepflügt, und immerfort, immerfort, solange die Erde nicht zu Stein gefroren war, Sommer und Winter. Er hat aber immer allein gepflügt und nicht gelitten, daß jemand mit ihm gegangen oder zu ihm gekommen ist; denn er wollte nicht sehen lassen, warum er so pflügte. Und er ist weit geplagter gewesen als seine Pferde, welche den schönen Hafer fraßen und ordentlich Schicht und Wechsel hielten; und er ist bleich und mager geworden von dem vielen Wachen und Arbeiten. Seine Frau und Kinder haben keine Freude mehr an ihm gehabt; auf die Schenken und Gelage ist er nicht mehr gegangen und hat sich allen Leuten entzogen und kaum ein Wort mehr gesprochen, sondern ist stumm und in sich gekehrt so für sich hingegangen und hat des Tages auf seine Dukaten gearbeitet, und des Nachts hat er sie zählen und darauf grübeln müssen, wie er noch einen geschwinderen Pflug erfände. Und seine Frau und die Nachbarn haben ihn bejammert wegen seines wunderlichen Tuns und wegen seiner Stummheit und Schwermut und haben geglaubt, er sei närrisch geworden; auch haben alle Leute seine Frau und Kinder bedauert, denn sie meinten, durch die vielen Pferde, die er auf dem Stalle hielt, und durch die verkehrte Ackerwirtschaft mit dem überflüssigen Pflügen müsse er sich um Haus und Hof bringen. So ist es aber nicht ausgefallen. Aber das ist wahr, der arme Bauer hat keine vergnügte Stunde mehr gehabt, seit er so die Dukaten aus der Erde pflügte, und es hat wohl mit Recht von ihm geheißen: Wer sich dem Golde ergibt, ist schon halb in des Bösen Klauen. Auch hat er es nicht lange ausgehalten mit diesem Laufen in den Furchen bei Tage und Nacht. Denn als der zweite Frühling kam, ist er eines Tages hinterm Pflug hingefallen wie eine matte Novemberfliege und vor lauter Golddurst vertrocknet und verwelkt, da er doch ein sehr starker und lustiger Mensch war, ehe er den unterirdischen Schuh in seine Gewalt bekam. Seine Frau aber fand nach ihm einen Schatz, zwei große vernagelte Kisten voll heller, blanker Dukaten. Und seine Söhne haben sich große Güter gekauft und sind Herren und Edelleute geworden. So macht der Teufel zuweilen auch große Herren. Aber was hat das dem armen Johann Wilde gefrommt?

Der Alte von Granitz

Nicht weit von der Aalbeck liegt ein kleiner Hof namens Granitz unter der großen waldigen Uferforst, welche auch die Granitz genannt wird. Auf diesem Höfchen lebte vor nicht langen Jahren ein Herr von Scheele. Dieser war in seinen späteren Tagen in Trübsinn gesunken und sah fast keinen Menschen mehr, da er früher ein sehr munterer und geselliger Mann und ein gewaltiger Jäger gewesen war. Diese Einsamkeit des alten Mannes, sagen die Leute, kam daher, daß ihm drei schöne Töchter, die man die drei schönen Blonden hieß, und die hier in des Waldes Einsamkeit unter Herden und Vögeln aufgewachsen waren, mit einem Male alle drei in einer Nacht davongegangen waren und nie wiedergekommen sind. Das hatte der alte Mann sich zu Gemüt gezogen und sich von der Welt und ihren lustigen Freuden abgewendet. Er hatte vielen Umgang mit den kleinen Schwarzen und war auch mancher Nacht außer dem Hause, und kein Mensch wußte, wo er gewesen war; wenn er aber um die Morgendämmerung heimkam, flüsterte er seiner Haushälterin zu: "Pst! Pst! Ich habe heint an hoher Tafel geschmaust." Dieser alte Herr von Scheele pflegte seinen Freunden zu erzählen und bekräftigte es wohl mit einem tüchtigen husarischen und weidmännischen Fluche, in den Granitzer Tannen um die Aalbeck und an dem ganzen Ufer wimmele es von Unterirdischen. Auch hat er Leute, die er dort herum spazieren führte, oft eine Menge kleiner Spuren gezeigt, wie von den allerkleinsten Kindern, die da im Sande von ihren Füßchen einen Abdruck hinterlassen hätten, und ihnen plötzlich zugerufen: "Horch! Wie es da wieder wispert und flüstert!" Ein ander Mal, als er mit guten Freunden längs dem Meeresstrand gegangen, ist er wie in Bewunderung plötzlich still gestanden, hat auf das Meer gezeigt und gerufen: "Da sind sie meiner Seele wieder in voller Arbeit, und viele Tausende sind um ein paar versunkene Stückfässer Wein beschäftigt, die sie ans Ufer wälzen. Was wird das die Nacht ein lustiges Gelag werden!" Dann hat er ihnen erzählt, er könne sie sehen bei Tage und bei Nacht, und ihm tun sie nichts, ja sie seien seine besonderen Freunde, und einer habe sein Haus einmal von Feuersgefahr errettet, da er ihn nach Mitternacht aus tiefem Schlafe aufweckte und ihm einen Feuerbrand zeigte, der vom Herde gefallen und schon anderes Holz und Stroh, das auf der Flur lag, anzünden wollte. Man sehe beinahe alle Tage einige von ihnen am Ufer; bei hohen Stürmen aber, wo das Meer sehr tobe, seien sie fast alle da und lauern auf Bernstein und Schiffbrüche, und gewiß vergehe kein Schiff, von welchem sie nicht den besten Teil der Ladung bergen und unter der Erde in Sicherheit bringen. Und wie herrlich da unter den Sandbergen bei ihnen zu wohnen sei, und welche kristallene Paläste sie haben, davon habe auch kein Mensch eine Vorstellung, der nicht da gewesen sei.

Dieser alte Mann galt sonst für einen guten und freundlichen Mann, und kein Mensch hat ihm nachgesagt, daß er etwas tue, was einen Bund mit bösen Geistern verrate. Aber der Umgang mit den kleinen Schwarzen ist nicht immer so unschuldig. Davon gibt es auch eine Geschichte.

Der Falscheid

Bei dem Kirchdorfe Lancken unweit der Granitz wohnte ein Bauer namens Matthes Pagels, ein sinniger, fleißiger Mann, der sehr einsam und still lebte, und den die Leute für sehr reich hielten. Einige munkelten auch, er sei ein Hexenmeister. Aber mancher wird für einen Hexenmeister gehalten, der sein Geld durch die natürlichste Hexerei erwirbt, daß er fleißig ist und gut aufpaßt. Dieser Pagels war aber kein guter Mensch. Er bekam Streit mit einem seiner Nachbarn, weil dieser ihn beschuldigte, er pflüge ihm an einer Seite den Acker ab. Und der Bauer Pagels tat das wirklich; er fluchte und schwur aber, das ganze Ackerstück gehöre ihm in seiner ganzen Breite, soweit er gepflügt hatte, und noch zehn Schritte weiter bis zu der hohen Buche, die oben an dem Rain stand; und das wollte er durch Eid und Schriften beweisen. Und er hat es bewiesen durch Eid und Urkunden und ein Papier vorgebracht, wodurch der Acker sein geworden ist. Die Leute sagen aber, zwei von den kleinen Schwarzen, die ihm auch das Geld in das Haus getragen, haben das falsche Papier geschmiedet und in der großen höllischen Staatskanzlei des Teufels geschrieben und besiegelt. Matthes Pagels aber hat schon bei seinem Leben die Strafe dafür gehabt, daß er weder Kraft noch Ruhe hatte vor seinen kleinen Geistern: jede Nacht um zwölf Uhr mußte er mit aller Gewalt aus dem Bette und auf dem Ackerstück rundwandeln und auf die hohe Buche klettern und dort zwei volle Glockenstunden aushalten und frieren. Noch sieht man ihn zuweilen da als einen kleinen Mann im grauen Rocke mit einer weißen Schlafmütze auf dem Kopfe; gewöhnlich sitzt er aber wie eine schneeweiße Eule auf dem Baume, sobald die Mitternacht vorbei ist, und schreit ganz jämmerlich. Und kein Mensch kommt dem Baume gern zu nahe, und kein Pferd ist da auf dem Wege vorbeizubringen, sondern sie schnauben und blasen und bäumen sich und gehen auch mit dem besten Reiter durch und querfeldein. Als meine selige Mutter, die in Lancken geboren war, noch ein Kind war, sangen die Leute noch vom Matthes Pagels und seiner Buche:

Pagels mit de witte Mütz,
Wo koold un hoch is din Sitz!
Up de hoge Bök
Un up de kruse Eek
Un achter'm hollen Tuun;
Worüm kannst du nich ruhn?

Darüm kann ick nich rasten:
Dat Papier liggt im Kasten,
Un mine arme Seel
Brennt in de lichte Höll.

Rattenkönig Birlibi

Ich will die Geschichte erzählen von dem Rattenkönig Birlibi, eine Geschichte, die mir Balzer Tievs aus Preseke oft erzählt hat nebst vielen andern Geschichten. Balzer war ein Knecht, der auf meines Vaters Hofe diente, als ich acht, neun Jahre alt war, ein Mensch von schalkischen Einfällen, der viele Geschichten und Märchen wußte. Die Geschichte von dem Rattenkönig Birlibi lautet also:

In dem stralsundischen Dorfe Altenkamp, welches zwischen Garz und Putbus seitwärts am Strande liegt, hat vormals ein reicher Bauer gelebt, der hieß Hans Burwitz. Das war ein ordentlicher, kluger Mann, dem alles, was er angriff, geriet, und der im ganzen Dorfe die beste Wehr hatte. Er hatte sechzehn Kühe, vierzig Schafe, acht Pferde und zwei Füllen auf dem Stalle und in den Koppeln, glatt wie die Aale und von so guter Zucht, daß seine Füllen auf dem Berger Pferdemarkt immer zu acht bis zehn Pistolen das Stück bezahlt wurden. Dazu hatte er sechs hübsche Kinder, Söhne und Töchter, und es ging ihm so wohl, daß die Leute ihn wohl den reichen Bauer zu Altenkamp zu nennen pflegten. Dieser Mann ist durch nächtliche Gänge im Walde um all sein Vermögen gekommen.

Hans Burwitz war auch ein starker Jäger, besonders hatte er eine treffliche Witterung auf Füchse und Marder und war deswegen oft des Nachts im Walde, wo er seine Eisen gelegt hatte und auf den Fang lauerte. Da hat er im Dunkeln und im Zwielichte der Dämmerung und des Mondscheins manche Dinge gesehen und gehört, die er nicht wiedererzählen mochte, wie denn im Walde des Nachts viel Wunderliches und Absonderliches vorgeht; aber die Geschichte von dem Rattenkönig Birlibi hat man von ihm erfahren. Hans Burwitz hatte in seiner Kindheit oft von einem Rattenkönig erzählen hören, der eine goldene Krone auf dem Kopfe trage und über alle Wiesel, Hamster, Ratten, Mäuse und anderes dergleichen Springinsfeldisches und leichtes Gesindel herrsche und ein gewaltiger Waldkönig sei; aber er hatte nie daran glauben wollen. Manches liebe Jahr war er auch im Walde auf Fuchs- und Marderfang und Vogelstellerei rundgegangen und hatte vom Rattenkönig auch nicht das mindeste weder gesehen noch gehört. Da mochte der Rattenkönig aber wohl in einer anderen Gegend sein Wesen getrieben haben. Denn er hat viele Schlösser in allen Ländern unter den Bergen und zieht beinahe jedes Jahr auf ein anderes Schloß, wo er sich mit seinen Hofherren und Hofdamen erlustigt. Denn er lebt wie ein sehr vornehmer Herr, und der Großmogul und König von Frankreich kann keine bessere Tage haben, und die Königin von Antiochien hat sie nicht gehabt, die ihr Vermögen in Herzen von Paradiesvögeln und Gehirnen von Nachtigallen aufgefressen hat. Und das glaube nur nicht, daß dieser Rattenkönig und seine Freunde Nüsse und Weizenkörner und Milch je an ihren Schnabel bringen; nein, Zucker und Marzipan ist ihr tägliches Essen, und süßer Wein ist ihr Getränk, und leben besser als König Salomon und Feldhauptmann Holofernes.

Nun ging Hans Burwitz wieder einmal nach Mitternacht in den Wald und war auf der Fuchslauer. Da hörte er aus der Ferne ein vielstimmiges und kreischendes Getöse, und immer klang mit heller Stimme heraus: Birlibi! Birlibi! Birlibi! Da erinnerte er sich des Märchens vom Rattenkönig Birlibi, das er oft gehört hatte, und er dachte: "Willst mal hingehen und zusehen, was es ist!" Denn er war ein beherzter Mann, der auch in der stockfinstersten Nacht keine Furcht kannte. Und er war schon auf dem Sprunge zu gehen, da bedachte er das Sprichwort: "Bleib weg, wo du nichts zu tun hast, so behältst du deine Nase"; aber das Birlibi tönte ihm nach, solange er im Walde war. Und die andere Nacht und die dritte Nacht war es wieder ebenso. Er aber ließ sich nichts anfechten und sprach: "Laß den Teufel und sein Gesindel ihr tolles Wesen treiben, wie sie wollen! Sie können dem nichts tun, der sich nicht mit ihnen abgibt." Wollte Gott, Hans hätte es immer so gehalten! Aber die vierte Nacht hat es ihn übermächtigt, und er ist wirklich in die bösen Stricke geraten.

Es ist der Walpurgisabend gewesen, und seine Frau hat ihn gebeten, er möge diese Nacht nur nicht in den Wald gehen, denn es sei nicht geheuer, und alle Hexenmeister und Wettermacherinnen seien auf den Beinen, die können ihm was antun; denn in dieser Nacht, die das ganze höllische Heer loslasse, sei schon mancher Christenmensch zu Schaden gekommen. Aber er hat sie ausgelacht und hat es eine weibische Furcht genannt und ist seines gewöhnlichen Weges in den Wald gegangen, als die andern zu Bett waren. Da ist ihm aber der König Birlibi zu mächtig geworden. Anfangs war es diese Nacht im Walde eben wie die vorigen Nächte, es tosete und lärmte von fern, und das Birlibi klang hell darunter; und was über seinem Kopfe durch die Wipfel der Bäume schwirrte und pfiff und rauschte, das kümmerte Burwitz nicht viel, denn an Hexerei glaubte er gar nicht und sagte, es seien nur Nachtgeister, wovor dem Menschen graue, weil er sie nicht kenne, und allerlei Blendwerke und Gaukeleien der Finsternis, die dem nichts tun können, der keinen Glauben daran habe. Aber als es nun Mitternacht ward und die Glocke zwölf geschlagen hatte, da kam ein ganz anderes Birlibi aus dem Walde hervor, daß Hansen die Haare auf dem Kopfe kribbelten und sauseten und er davonlaufen wollte. Aber die waren ihm zu geschwind, und er war bald mitten unter dem Haufen und konnte nicht mehr heraus.

Denn als es zwölf geschlagen hatte, tönte der ganze Wald mit einem Male wie von Trommeln und Pauken und Pfeifen und Trompeten, und es war so hell darin, als ob er plötzlich von vielen tausend Lampen und Kerzen erleuchtet worden wäre. Es war aber diese Nacht das große Hauptfest des Rattenkönigs, und alle seine Untertanen und Leute und Mannen und Vasallen waren zur Feier desselben aufgeboten. Und es schienen alle Bäume zu sausen und alle Büsche zu pfeifen und alle Felsen und Steine zu springen und zu tanzen, so daß Hansen entsetzlich bange ward; aber als er weglaufen wollte, verrannten ihm so viele Tiere den Weg, daß er nicht durchkommen konnte und sich ergeben mußte, stehenzubleiben, wo er war. Es waren da die Füchse und die Marder und die Iltisse und Wiesel und Siebenschläfer und Murmeltiere und Hamster und Ratten und Mäuse in so zahlloser Menge, daß es schien, sie waren aus der ganzen Welt zu diesem Feste zusammengetrommelt. Sie liefen und sprangen und hüpften und tanzten durcheinander, als ob sie toll waren; sie standen aber alle auf den Hinterfüßen, und mit den Vorderfüßen trugen sie grüne Zweige aus Maien und jubelten und toseten und heulten und kreischten und pfiffen jeder auf seine Weise. Kurz, es war das ganze leichte Diebsgesindel der Nacht beisammen und machten gar ein scheußliches Geläute und Gebimmel und Getümmel durcheinander. In den Lüften ging es ebenso wild als auf der Erde; da flogen die Eulen und Krähen und Käuze und Uhus und Fledermäuse und Mistkäfer bunt durcheinander und verkündigten mit ihren gellenden und kreischenden Kehlen und mit ihren summenden und schwirrenden Flügeln die Freude des hohen Tages.

Als Hans erschrocken und erstaunt sich mitten in dem Gewimmel und Geschwirr und Getöse befand und nicht wußte, wo aus noch ein, siehe, da leuchtete es mit einem Male heller auf, und nun sangen viele tausend Stimmen zugleich, daß es in fürchterlich grauslicher Feierlichkeit durch den Walde schallte und Hansen das Herz im Leibe bebte:

Macht auf! Macht auf! Macht auf die Pforten!
Und wallet her von allen Orten!
Geladen seid ihr allzugleich;
Der König ziehet durch sein Reich.

Ich bin der große Rattenkönig.
Komm her zu mir, hast du zu wenig!
Von Gold und Silber ist mein Haus,
Das Geld mess' ich mit Scheffeln aus.

So klang es im feierlichen und langsamen Gesange fort, und dann schallten immer wieder einzelne kreischende und gellende Stimmen mit widerlichem Laute darunter Birlibi! Birlibi! Und die ganze Menge rief Birlibi! nach, daß es durch den Wald schallte. Und es war der Rattenkönig, welcher einhergezogen kam. Er war ungeheuer groß wie ein Mastochs und saß auf einem goldenen Wagen und hatte eine goldene Krone auf dem Haupte und hielt ein goldenes Zepter in der Hand, und neben ihm saß seine Königin und hatte auch eine goldene Krone auf und war so fett, daß sie glänzte; und sie hatten ihre langen kahlen Schwänze hinter sich zusammengeschlungen und spielten damit, denn ihnen war sehr wohlig zumute. Und diese Schwänze waren das Allerscheußlichste, was man da sah; aber der König und die Königin waren auch scheußlich genug. Und der Wagen, worin sie saßen, ward von sechs magern Wölfen gezogen, die mit den Zähnen fletschten, und zwei lange Kater standen als Heiducken hinten auf und hielten brennende Fackeln und miauten entsetzlich. Dem Rattenkönig und der Rattenkönigin war aber vor ihnen nicht bange; sie schienen hier zu gewaltige Herren und Könige über alle zu sein. Es gingen auch zwölf geschwinde Trommelschläger dem Wagen voran und trommelten. Das waren Hasen; die müssen die Trommel schlagen und andern Mut machen, weil sie selbst keinen haben.

Hansen war schon bange genug gewesen; jetzt aber, als er den Rattenkönig und die Rattenkönigin und die Wölfe und Kater und Hasen so miteinander sah, da schauderte ihm die Haut auf dem ganzen Leibe, und sein sonst so tapferes Herz wollte fast verzagen, und er sprach bei sich: "Hier mag der Henker länger bleiben, wo alles so wider die Natur geht! Ich habe auch wohl von Wundern gelesen und gehört; aber sie gingen doch immer etwas natürlich zu. Daß dies aber buntes Teufelsspiel ist und teuflisches Pack, sieht man wohl. Wer nur heraus wäre!"

Und Hans machte noch einen Versuch, sich heraus zu drängen; aber der Zug brauste immer frisch fort durch den Wald, und Hans mußte mit. So ging es, bis sie an eine äußerste Ecke des Waldes kamen. Da war ein offenes Feld und hielten viele hundert Wagen, die mit Speck und Fleisch und Korn und Nüssen und anderen Eßwaren beladen waren. Einen jeden Wagen fuhr ein Bauer mit seinen Pferden, und die Bauern trugen die Säcke Korn und das Speck und die Schinken und Mettwürste und was sie sonst geladen, hinab in den Wald, und als sie Hans Burwitz stehen sahen, riefen sie ihm zu: "Komm! Hilf auch tragen!" Und Hans ging hin und lud mit ab und trug mit ihnen; er war aber so verwirrt, daß er nicht wußte, was er tat. Es deuchte ihm aber in dem Zwielichte, als sehe er unter den Bauern bekannte Gesichter, und unter andern den Schulzen aus Krakvitz und den Schmied aus Casnevitz; er ließ sich aber nichts merken, und jene taten auch wie unbekannte Leute. Mit den Bauern aber hatte es die Bewandnis: sie hatten sich dem Rattenkönig und seinem Anhange zum Dienst ergeben und mußten ihnen in der Walpurgisnacht, wo des Rattenkönigs großes Fest steht, immer den Raub zu dem Walde fahren, den Rattenkönigs Untertanen einzeln aus allen Orten der Welt zusammengemaust und zusammengestohlen hatten. Und Hans kam nun auch ganz unschuldig dazu und wußte nicht wie. Sowie die Säcke und das andere in den Wald getragen wurden, war das wilde Diebsgesindel darüber her, und es ging Grips! Graps! und Rips! Raps! hast du mir nicht gesehen, und jeder griff zu und schleppte sein Teil fort, so daß ihrer immer weniger wurden. Der König aber hielt noch da in seinem hohen und prächtigen Wagen, und es tanzeten und toseten und lärmten noch einige um ihn. Als aber alle Wagen abgeladen waren, da kamen wohl hundert große Ratten und gossen Gold aus Scheffeln auf das Feld und auf den Weg und sangen dazu:

Hände her! Mützen her!
Wer will mehr? Wer will mehr?
Lustig! Lustig! Heut geht's toll,
Lustig! Händ' und Mützen voll!

Und die Bauern fielen wie die hungrigen Raben über das ausgeschüttete Gold her und griffelten und graffelten und drängten und stießen sich, und jeder raffte so viel auf von dem roten Raube, als er habhaft werden konnte, und Hans war auch nicht faul und griff rüstig mit zu. Und als sie in bester Arbeit waren wie Tauben, worunter man Erbsen geworfen, siehe, da krähete der Morgenhahn, wo das heidnische und höllische Reich auf der Erde keine Macht mehr hat—und in einem hui war alles verschwunden, als wäre es nur ein Traum gewesen, und Hans stand ganz allein da am Walde. Und der Morgen brach an, und er ging mit schwerem Herzen nach Hause. Er hatte aber auch schwere Taschen und schönes rotes Gold darin; das schüttete er nicht aus. Seine Frau war ganz ängstlich geworden, daß er so spät zu Hause kam, und sie erschrak, als sie ihn so bleich und verstört sah, und fragte ihn allerlei. Er aber fertigte sie nach seiner Gewohnheit mit Scherz ab und sagte ihr nicht ein Sterbenswörtchen von dem, was er gesehen und gehört hatte.

Hans zählte sein Gold (es war ein hübsches Häuflein Dukaten), legte es in den Kasten und ging die ersten Monate nach diesem Abenteuer nicht in den Wald. Er hatte ein heimliches Grauen davor. Dann vergaß er, wie es dem Menschen geht, die Walpurgisnacht und ihr schauerliches und greuliches Getümmel allmählich und ging nach wie vor im Mond- und Sternenschein auf seinen Fuchs- und Marderfang. Von dem Rattenkönig und seinem Birlibi sah und hörte er nichts mehr und dachte zuletzt selten daran. Aber als es gegen den Frühling ging, veränderte sich alles; er hörte zuweilen um die Mitternacht wieder das Birlibi klingen, daß seine mattesten Haare auf dem Kopfe ihm lebendig wurden, und lief dann zwar immer geschwinde aus dem Walde, hatte aber dabei doch seine heimlichen Gedanken auf die Walpurgisnacht; und weil das, was die Menschen bei Tage denken, ihnen bei Nacht im Traume wiederkommt und allerlei spielt und spiegelt und gaukelt, so blieb auch der Rattenkönig mit seiner Nachtgaukelei nicht aus, und Hans träumte oft, als stehe der Rattenkönig vor seiner Türe und klopfe an; und er machte ihm dann auf und sah ihn leibhaftig, wie er damals in dem Wagen gesessen, und er war nun ganz von lauterem Golde und auch nicht so häßlich, als er ihm damals vorgekommen, und Rattenkönig sang ihm mit der allersüßesten Stimme, von der man nicht glauben wollte, daß eine Rattenkehle sie haben könnte, den Vers vor:

Ich bin der große Rattenkönig.
Komm her zu mir, hast du zu wenig!
Von Gold und Silber ist mein Haus,
Das Geld mess' ich mit Scheffeln aus.

Und dann kam er dicht zu ihm heran und flüsterte ihm ins Ohr: "Du kommst doch wieder zur Walpurgisnacht, Hans Burwitz, und hilfst Säcke tragen und holst dir deine Taschen voll Dukaten?" Zwar hatte Hans, wann er aus solchen Träumen erwachte, neben der Freude über das Gold immer ein Grauen, und er sprach dann wohl: "Warte nur, Prinz Birlibi, ich komme dir nicht zu deinem Feste!" Aber es ging ihm, wie es andern Leuten auch gegangen ist, und das alte Sprichwort sollte an ihm auch wahr werden: Wen der Teufel erst an einem Faden hat, den führt er auch wohl bald am Strick. Genug, je näher die Walpurgisnacht kam, desto mehr wuchs in Hans die Gier, auch dabei zu sein. Doch nahm er sich fest vor, dem Bösen diesmal nicht den Willen zu tun, und ging den Walpurgisabend auch glücklich mit seiner Frau zu Bett. Aber er konnte nicht einschlafen; die Wagen mit den Säcken und die Bauern und die großen Ratten, die das Gold aus Scheffeln auf den Boden schütteten, fielen ihm immer wieder ein, und er konnte es nicht länger aushalten im Bette, er mußte aufstehen und sich von der Frau fortschleichen und in den finstern Wald laufen. Und da hat er diese zweite Nacht ebenso wieder erlebt als das erstemal. Er hatte sich ein Säckchen mitgenommen für das Gold und hatte auch viel reichlicher eingesammelt als das vorige Jahr.

Nun deuchte ihm, habe er des Goldes genug, und er tat einen hohen Schwur, er wolle sich nimmer wieder in die Versuchung geben und auch nie wieder in den Wald gehen. Und er hat den Schwur gehalten und sich selbst überwunden, daß er nicht in den Wald gegangen ist und keine Walpurgisnacht wieder mitgehalten hat, so oft ihm auch noch von dem Birlibi und dem goldenen Rattenkönige geträumt hat. Er hat das aber nicht in seinem Herzen sitzen lassen, sondern hat es mit eifrigem Gebet wieder ausgetrieben und den Bösen endlich müd, gemacht, daß er von ihm gewichen ist. So war manches Jahr vergangen, und Hans hieß ein sehr reicher Mann. Er hatte sich für seine Dukaten Dörfer und Güter gekauft und war ein Herr geworden. Es munkelte auch unter den Leuten, es gehe nicht mit rechten Dingen zu mit seinem Reichtum; aber keiner konnte ihm das beweisen. Aber endlich ist der Beweis gekommen.

Der Böse lauerte auf den armen Mann, an dem er schon einige Macht gewonnen hatte. Er war ergrimmt auf ihn, weil er von seinen hohen Festen in der Walpurgisnacht ganz ausblieb, und als Hans einmal wieder mit sündlicher Lüsternheit an das Goldsammeln gedacht und darüber das Abendgebet vergessen, auch einige unchristliche Flüche über eine Kleinigkeit getan hatte, hat er mit seinem Gesindel hervorbrechen können, und Hans hat nun gelernt, was das goldene Spielwerk des Königs Birlibi eigentlich auf sich habe. Seit dieser Zeit hat Hans weder Stern noch Glück mehr in seiner Wirtschaft gehabt. Wieviel er sich auch abmattete, er konnte nichts mehr vor sich bringen, sondern es ging von Tage zu Tage mehr rückwärts. Seine ärgsten Feinde aber waren die Mäuse, die ihm im Felde und in den Scheunen das Korn auffraßen, die Wiesel, Ratten und Marder, die ihm die Hühner, Enten und Tauben abschlachteten, die Füchse und Wölfe, die seine Lämmer, Schafe, Füllen und Kälber holten. Kurz, das Gesindel hat es so arg gemacht, daß Hans in wenigen Jahren um Güter und Höfe, um Pferde und Rinder, um Schafe und Kälber gekommen ist und zuletzt nicht ein einziges Huhn mehr hat sein nennen können. Er hat als ein armer Mann mit dem Stock in der Hand nebst Weib und Kindern von Haus und Hof gehen und sich auf seinen alten Tagen als Tagelöhner ernähren müssen.

Da hat er oft die Geschichte erzählt, wie er zu dem Reichtum gekommen und aus dem Bauern ein Edelmann geworden ist, und hat Gott gedankt, daß er Ratten und Mäuse als seine Bekehrer geschickt und ihn so arm gemacht hat. "Denn sonst", hat der arme Mann gesagt, "Wäre ich wohl nicht in den Himmel gekommen, und der Teufel hätte seine Macht an mir behalten, und ich hätte dort jenseits endlich auch nach des Rattenkönigs Pfeife tanzen müssen." Das hat er auch dabei erzählt, daß solches Gold, das man auf eine so wundersame und heimliche Weise gewinne, doch keinen Segen in sich habe; denn ihm sei bei allen seinen Schätzen doch nie so wohl ums Herz gewesen als nachher in der bittersten Armut; ja, er sei ein elenderer Mann gewesen, da er als Junker mit Sechsen gefahren, als nachher, da er oft froh gewesen, wenn er des Abends nur Salz und Kartoffeln gehabt habe.

Das brennende Geld

Drei Bauern kamen eine Herbstnacht oder vielmehr früh, als es mehr gegen den Morgen ging, von einer Hochzeit aus dem Kirchdorf Lancken geritten. Sie waren Nachbarn, die in einem Dorfe wohnten, und ritten des Weges miteinander nach Hause. Als sie nun aus einem Walde kamen, sahen sie an einem kleinen Busche auf dem Felde ein großes Feuer, das bald wie ein glühender Herd voll Kohlen glimmte, bald wieder in hellen Flammen aufloderte. Sie hielten still und verwunderten sich, was das sein möge, und meinten endlich, es seien wohl Hirten und Schäfer, die es gegen die Nachtkälte angezündet hätten. Da fiel ihnen aber wieder ein, daß es am Schlusse Novembers war, und daß in dieser Jahreszeit keine Hirten und Schäfer im Felde zu sein pflegen. Da sprach der jüngste von den dreien, ein frecher Gesell: "Nachbarn, hört! Da brennt unser Glück! Und seid still und lasset uns hinreiten und jeden seine Taschen mit Kohlen füllen; dann haben wir für all unser Leben genug und können den Grafen fragen, was er für sein Schloß haben will." Der älteste aber sprach: "Behüte Gott, daß ich in dieser späten Zeit aus dem Wege reiten sollte! Ich kenne den Reiter zu gut, der da ruft: Hoho! Hallo! Halt den Mittelweg!" Der zweite hatte auch keine Lust. Der jüngste aber ritt hin, und was sein Pferd auch schnob und sich wehrte und bäumte, er brachte es an das Feuer, sprang ab und füllte sich die Taschen mit Kohlen. Die andern beiden hatte die Angst ergriffen, und sie waren im sausenden Galopp davongejagt, und er ließ sie auch ausreißen und holte sie dicht vor Vilmnitz wieder ein. Sie ritten nun noch ein Stündchen miteinander und kamen schweigend in ihrem Dorfe an, und keiner konnte ein Wort sprechen. Die Pferde waren aber schneeweiß von Schaum, so hatten sie sich abgelaufen und abgeängstigt. Dem Bauer war auch ungefähr so zumute gewesen, als habe der Feind ihn schon beim Schopf erfaßt gehabt. Es brach der helle, lichte Morgen an, als sie zu Hause kamen. Sie wollten nun sehen, was jener gefangen habe, denn seine Taschen hingen ihm schwer genug hinab, so schwer, als seien sie voll der gewichtigsten Dukaten. Er langte hinein, aber au weh! er brachte nichts als tote Mäuse an den Tag. Die andern beiden Bauern lachten und sprachen: "Da hast du deine ganze Teufelsbescherung! Die war der Angst wahrhaftig nicht wert!" Vor den Mäusen aber schauderten sie zusammen, versprachen ihrem Gesellen jedoch, keinem Menschen ein Sterbenswort von dem Abenteuer zu sagen.

Man hätte denken sollen, dieser Bauer mit den toten Mäusen habe nun für immer genug gehabt; aber er hat noch weiter gegrübelt über den Haufen brennender Kohlen und bei sich gesprochen: "Hättest du nur ein paar Körnlein Salz in der Tasche gehabt und geschwind auf die Kohlen streuen können, so hätte der Schatz wohl oben bleiben müssen und nicht weggleiten können." Und er hat die nächste Nacht wieder ausreiten müssen mit großem Schauder und Grauen, aber er hat es doch nicht lassen können; denn die Begier nach Geld war mächtiger als die Furcht. Und er hat es wieder brennen sehen genau an der gestrigen Stelle; bei Tage aber war da nichts zu sehen, sondern sie war grasgrün. Und er ist hingeritten und hat das Salz hineingestreuet und seine Taschen voll Kohlen gerafft, und so ist er im sausenden Galopp nach Hause gejagt und hat sich gehütet, daß er einen Laut von sich gegeben noch jemand begegnet ist; denn dann ist es nicht richtig. Aber er hat doch nichts als Kohlen in der Tasche gehabt und ein paar Schillinge, die von den Kohlen geschwärzt waren. Da hat er sich königlich gefreut, als sei dies der Anfang des Glückes und das Handgeld, das die Geister ihm gegeben haben. Er mochte aber die paar losen Schillinge von ungefähr in der Tasche gehabt haben, als er ausritt. Und die Schillinge haben dem armen Mann, der sonst ein fleißiger, ordentlicher Bauer war, keine Rast noch Ruhe mehr gelassen; jede Nacht, die Gott werden ließ, hat er ausreiten müssen und seine besten Pferde dabei tot geritten. Man hat es aber nicht gemerkt, daß er Schätze gefunden hat, sondern seine Wirtschaft hat von Jahr zu Jahr abgenommen, und endlich ist er auf einer Nachtfahrt gar einmal verschwunden. Und man hat von ihm und von seinem Pferde nie etwas wieder gesehen; seinen Hut aber haben die Leute in dem Schmachter See gefunden. Da muß der böse Feind ihn als Irrlicht hineingelockt haben; denn er braucht solche Künste gegen die, welche sich mit ihm einlassen und ihn suchen.

Kater Martinchen

Auf der Halbinsel Wittow auf Rügen ist ein Dorf, das heißt Putgarten, nicht weit von dem berühmten Vorgebirge Arkona, wo der alte heidnische Götze Swantewit weiland seinen Tempel gehabt und sein wüstes Wesen getrieben hat. In diesem Dorfe Putgarten lebte eine reiche Bäuerin, die hieß Trine Pipers. Sie war jung Witwe geworden und hatte keine Kinder, wollte auch nicht wieder freien, obgleich viele Freier um sie warben, denn sie war ein sehr schönes und frisches Weib. Das konnten die Leute nicht recht begreifen, zumal da sie sonst immer lustig und munter war und bei keinem Tanze und Gelage fehlte. Denn das mußte man sagen, einen aufgeräumteren Menschen gab es nicht als diese Bäuerin, und kein Haus hatte so viel Lustigkeit als das ihrige. Alle hohen Feste hatte es Tanz und Spiel bei ihr; die Fasten wurden von Anfang bis zu Ende durchgehalten und mit Schmäusen, Spielen und Tänzen gefeiert, Pfingsten und am Johannistage ward unter grünen Lauben getanzt, und am Martinstage setzte keine Bäuerin so viele gebratene Gänse auf, und wenn sie ihr Korn eingebracht, wenn sie Ochsen oder Schweine geschlachtet oder Wurst gemacht hatte, mußte die ganze Nachbarschaft sich mit freuen und mit ihr schmausen. Kurz, diese Bäuerin lebte so prächtig, daß kaum eine Edelmannsfrau besser leben konnte. In ihrem Hause war alles nett und tüchtig und fast über das Vermögen einer Bäuerin zierlich. Ebenso lustig und tüchtig sah es auf ihrem Hofe und in ihren Ställen aus. Ihre Pferde glänzten immer wie die Aale, und man hätte sie Sommer und Winter als Spiegel gebrauchen können; ihre Kühe waren die schönsten und gedeihlichsten im ganzen Dorfe und hatten immer volle Euter; ihre Hühner legten zweimal des Tages, und von ihren Gänseeiern war nie eines schier, sondern jedes gab ein Junges. Weil ihr Haus lustig und sie freigebig war, so hatte sie auch immer die schönsten und flinksten Knechte und Dirnen auf ganz Wittow.

So lebte Trine manches Jahr, und kein Mensch konnte begreifen, wie sie als Bäuerin das Leben so halten und durchsetzen konnte, und viele hatten schon gesagt: "Nun, die wird auch bald vor den Türen herumschleichen und schnurren gehen." Aber sie focht und schnurrte nicht herum, sondern blieb die reiche und lustige Trine Pipers nach wie vor. Andere, die dies lustige Leben so mit ansahen, meinten, es gehe nicht mit natürlichen Dingen zu; sie habe Umgang und Gemeinschaft mit bösen Geistern, und die bringen es ihr alles ins Haus und geben ihrem Vieh und ihren Früchten so wunderbaren Segen und Gedeihen—als wenn Gott nicht der beste und einzige Segenbringer und Segensprecher wäre. Viele wollten bei nächtlicher Weile einen Drachen gesehen haben, der wie ein langer feuriger Schwanz auf ihr Haus herabgeschossen sei; das sei ihr heimlicher Buhler, der hänge ihr den Wiem voll Schinken und Mettwürste, fülle ihr die Kisten und Kasten mit Silber und Gold und stehe mit am Butterfasse und helfe buttern und gehe mit in den Stall und helfe melken. Andere, noch boshafter, sagten, sie selbst sei eine Hexe und könne sich unsichtbar machen: so schleiche sie den Nachbarn in die Häuser, stehle aus Keller und Speisekammer, nehme den Hühnern die Eier aus den Nestern, melke die Kühe und rupfe den Schafen die Wolle und den Gänsen die Dunen aus. Darum sei sie so glatt und glau und könne soviele Wohlleben ausrichten und ein Leben führen, als wenn es alle Tage Sonntag wäre. Das bemerkten einige Nachbarsleute noch und schüttelten die Köpfe dabei, daß Trine eine leidige Freundlichkeit habe, womit sie wohl hexen könne, und daß sie Kindern nie in die Augen sehe, wieviel sie auch sonst mit ihnen schmeichle und kose; denn sie habe als Hexe kein Kind in ihren Augen, und es tue ihr sehr wehe, wenn sie den unschuldigen Kindern, die noch nichts verbrochen haben, in ihre reinen Augen schauen müsse.

So lief allerlei Geschwätz unter den Leuten rund, und sie flüsterten und munkelten viel über Trine Pipers; aber sie konnten ihr doch nichts anhaben und beweisen. Sie tat all ihr Werk tüchtig vor den Leuten, war redlich in Handel und Wandel, ging fleißig zur Kirche und gab Priester und Küster willig und freundlich das Ihrige und hatte immer eine offene Tasche und einen offenen Brotkorb für die Armen, wenn sie an ihre Türe kamen. Auch gingen die, welche ihr die Ehre so hinter ihrem Rücken zerwuschen, recht gern zu ihren Festen und Tänzen und schmeichelten und heuchelten ihr.

Trine Pipers hatte auf diese Weise wohl zwanzig Jahre ihre Wirtschaft geführt, und alles war ihr immer nach Wunsch geraten. Da bekam sie einen bunten Kater ins Haus, und bald ging im Dorfe und in der Nachbarschaft das Gerede: der sei es, das sei der Gewaltige, nun sei es endlich zum Vorschein gekommen, und auch ein Kind könne es sehen, der trage ihr all das Glück zu. Denn leider sind die meisten Menschen so, daß sie meinen, es müsse mit einem Menschen was Heimliches oder Ungeheures sein, wenn er die Narrenkappe des Lebens nicht gerade so trägt wie sie, und wenn er die Schellen daran nicht ebenso klingen läßt.

Ein bunter Kater ward in Trines Hause gesehen, und kein Mensch wußte, wo der Kater hergekommen war. Trine lächelte und machte einen Scherz, wenn man sie fragte, und sagte es nicht. Einigen hatte sie wohl gesagt, sie habe einen Bruder, der sei Schiffer in Stockholm, der habe ihr den schönen Kater einmal aus Lissabon mitgebracht; aber das glaubten sie nicht. Der Kater war groß, bunt und schön, grau mit gelben Streifen über dem Rücken und hatte einen weißen Fleck am linken Vorderfuß. Da schrien die alten Weiber: "Da sehen wir's ja, da haben wir's! Einen dreifarbigen Kater? Wer hat in seinem Leben gesehen oder gehört, daß es Kater mit drei Farben gibt?" Trine liebte den Kater sehr und saß manche Stunde mit ihm allein und spielte mit ihm, der mit wohlgefälligem Brummen seinen Kopf an ihr streichelte und gegen alles, war ihr zu nah kam, ausprustete und aufpfuchsete: die arme Trine ward älter, die arme Trine hatte keine Kinder, sie mußte was zu spielen haben. So saß sie nun manche Stunde, wo sie sich sonst draußen in ihrer Wirtschaft tummelte, still in der Stube und spielte mit ihrem Martinichen; denn so rief sie den Kater. Martinichen und Mieskater Martinichen klang es in der Stube, Martinichen klang es auf der Flur, Martinichen auf der Treppe und auf dem Boden. Keinen Tritt und Schritt tat sie, Martinichen war immer dabei, und von dem Vorratsboden und aus der Speisekammer brachte er immer seine Bescherung mit im Munde. Kurz, der bunte Kater Martinichen aus Lissabon war ihre Puppe und ihr Spielzeug; er stand mit ihr auf und ging mit ihr zu Bette, ja sie ging nicht in die Nachbarschaft, daß sie ihr Martinichen nicht unterm Arm trug; Martinichen leckte von ihrem Teller und lappte aus ihrem Napf, er war der Liebling, er durfte alles, keiner durfte ihm was tun: Hunde wurden herausgejagt, die ihn beißen wollten, ein Knecht ward verabschiedet, weil er ihn Murrkater und Brummkater, Speckfresser und Mausedieb genannt hatte.

Dies gab Geschichten und Lügen und Märchen im ganzen Dorfe, bald im ganzen Kirchspiele, dann im ganzen Ländchen: Trine hieß eine Hexe, die einen wundersamen Kater habe, mit dem es nicht richtig sei, und vor dem man sich hüten müsse. Das sei ein Kater, einen solchen zweiten werde man in der ganzen Welt umsonst suchen; den ganzen Tag tue er nichts als fressen und sich hinstrecken und sonnen oder auf Trines Knien herumwälzen, des Nachts liege er auf ihrem Bette bis an den lichten Morgen, und doch finde der Knecht, wenn er morgens frühe zur ersten Fütterung in den Pferdestall gehe, immer zwei große Haufen toter Ratten und Mäuse vor der Haustüre aufgetürmt. Was möge das wohl für ein Kater sein, der für diesen feisten und glatten Faulenzer die Arbeit tue?

Dies Gerede und Gemunkel hatte sich freilich erst draußen herumgetrieben; dann kam es auch in Trinens Haus und zu Trinens Leuten, und ihnen fing an, bei ihr ungeheuer zu werden. Wenn sie mit schmeichelnder Stimme Mieskaterchen! Mies—Mieskaterchen! Martinichen! Misichen—Martinichen! rief und den knurrenden und spinnenden Kater auf den Schoß nahm und ihm den Rücken streichelte, und er sich dann vor Vergnügen krümmte und an ihr strich und brummte, und ihm die grünen, umnebelten Augen im Kopfe funkelten, dann guckten die Leute die beiden Spieler mit großen Augen an und wären um alles in der Welt mit ihnen nicht lange in der Stube geblieben. Trine hatte sonst immer die tüchtigsten und schönsten Leute gehabt, aber die konnten es jetzt in ihrem Hause nicht aushalten; sie zogen weg, und sie konnte zuletzt nichts als Hack und Mack in ihren Dienst bekommen, und auch die blieben nicht lange, und fast jeden Monat hatte sie frische Leute. Alle Welt glaubte nun einmal, Trine sei eine Hexe, und keiner wollte mit ihr zu tun haben. Auch war es mit der alten Gastlichkeit und Fröhlichkeit des Hauses vorbei und mit den Schmäusen und Tänzen, denn keiner wollte kommen; und Trine mußte mit ihrem Mieskater Martinichen einsam sitzen und ihre Bratgänse und Würste allein verzehren.

Aber ach, du arme Trine Pipers, die du sonst so froh und fröhlich gewesen warst und alle gern erfreut hattest, wie ging es dir auf deinen alten Tagen? Nicht allein keine Gesellen und Gesellinnen und Nachbarn und Nachbarinnen kamen mehr, sich des Segens zu freuen, den Gott dir gegeben hatte, und sich mit dir zu erlustigen, sondern in wenigen Jahren verging auch das, wovon du dich hättest erlustigen können. Die Leute kopfschüttelten und flüsterten zwar, der Kater sei es, der sei bisher der unsichtbare Bringer und Zuträger gewesen und habe Scheunen, Kornböden, Keller, Speisekammern, Milcheimer und Butterfässer und Geldkatzen und Sparbüchsen gefüllt; aber nun war ja dieser Wundertäter und Hexenmeister da, warum ging es denn nicht noch gedeihlicher als vorher? Warum ging vielmehr Trinens Wirtschaft von Tage zu Tage mehr zurück? Die arme Trine hatte Knechte und Mägde, wie sie kaum ein Bettlerkrug willig beherbergt hätte, recht was man Krücken und Ofenstecken nennt; ihre sonst so glatten Pferde magerten ab und verreckten an Rotz und Wurm; ihre Schweine und Kühe hatten Läuse und gaben keine Milch mehr; ihre Schafe und Gänse wurden Drehköpfe, als hätten sie geheime Wissenschaft studiert; ihre Hühner und Enten legten keine Eier und brüteten nicht mehr; ihr Feld trug Disteln und Dornen für Korn und Weizen. Kurz, Trine geriet in zwei Jahren in die bitterste Armut: Pferde waren weg, Kühe waren weg, Schweine ausgestorben, Schafe geschlachtet, Tauben und Hühner vom Marder aufgefressen, der Hund an der Kette verhungert—kein Hahn krähte mehr auf ihrer Haustüre, kein Bettler seufzte mehr sein Gebet davor. Und Trine saß allein und verlassen mit gelben, gefurchten und gerunzelten Wangen und von Tränen und Jammer triefenden Augen und schneeweißen Haaren in der frierenden Ecke ihres leeren Zimmers und hielt ihren magern und in der Asche verbrannten Kater auf dem Schoße und weinte jämmerlich über den kargen Brocken, die man ihr von fern zuwarf; denn keiner mochte ihr gern nah kommen.

So hat man sie eines Morgens gefunden tot auf dem Boden ihres Stübchens hingestreckt und ihren treuen Mieskater Martinichen tot auf ihr liegend. Die Leute haben mit Grauen davon erzählt. Und die sonst so reiche Trine, die der Kirche und Geistlichkeit immer so gern gab, als sie noch was zu geben hatte, ist begraben, wie man Bettler begräbt, ohne Sang und Klang, ohne Glocken und Gefolge; kein Nachbar hat sie zum Kirchhof begleiten wollen, kein Verwandter ist ihrer Leiche gefolgt, sie hatte ihnen ja nichts nachgelassen. O kalte Welt, wie kalt wirst du denen im Alter, die dann nichts haben, womit sie sich die Füße zudecken können, und ach, auch die irdischen Mängel, die man mit schärferen Augen an den Alten betrachtet!

Als Trine nun tot war, erzählen die Leute, ist sie immer als Hexe umgegangen und geht bis diesen Tag als Hexe um in der Gestalt einer alten, grauen Katze, die man daran kennt, daß sie Augen hat, die wie brennende Kohlen leuchten, und daß sie ganz entsetzlich laut sprühet und prustet, wenn man sie jagt. Sie wird noch alle Mitternächte auf der Stelle gesehen, wo ehedem Trinens Haus war, und heult dort erbärmlich; im Winter aber, wann in den Scheunen und auf den Dächern die wütigen Katzenhochzeiten sind, ist sie immer voran auf der höllischen Jagd und führt das ganze Getümmel und miaulet und winselt auf das allerscheußlichste. Diese Stimme verstehen die Leute in Putgarten so wohl, daß alt und jung gleich rufet: "Hört! Da ist wieder die alte Trine!"

So ist es Trine Pipers gegangen, und so geht es vielen Menschen bis diesen Tag. Sie ist eine arme, elendige Bettlerfrau geworden und hat ihren christlichen, guten Namen verloren, weil sie den bunten Kater Martinichen lieber gehabt hat als Menschen. Denn wenn sie auch keine Hexe gewesen ist, so haben die Nachbarn und Nachbarinnen es doch geglaubt, weil sie sich in ihrer unnatürlichen und häßlichen Liebe zu der unverständigen Kreatur so in des Katers Gemüt und Gebärden hineingestohlen und hineinvertieft hatte, daß sie Menschen nicht mehr so suchte und liebte wie sonst. Sie mag zuletzt auch mit Katzenfreundlichkeit geblinzelt und mit Katzenaugen geschielt und mit allerlei Katzenmännchen sich gekrümmt und gewunden haben, so daß kein Mensch und kein Vieh und also auch kein Glück es länger bei ihr hat aushalten können und sie zuletzt mit ihrem Mieskater Martinichen ganz allein geblieben und so im größten Elende umgekommen ist.

Thrin Wulfen

Nicht weit von Schoritz, zwischen Schoritz und Puddemin, an dem Wege, wo man von Garz nach dem Zudar fährt, lag einst ein kleines Dorf, das hieß Günz, worin ein paar Bauern wohnten, die nach Schoritz zu Hofe dienten. Die sind aber ganz zerstört mit Häusern und mit Gärten, so daß man dort keine Spur mehr sieht, daß jemals Menschen dort gewohnt haben. In diesem Dorfe Günz wohnte ein Bauer, der hieß Jochen Wulf, der hatte eine Frau, und die hieß Thrin; das war eine arge Hexe, von deren losen Künsten und bösen Streichen die Leute noch heute zu erzählen wissen. Daß sie aber eine Hexe war, konnte man ihr anmerken an ihrer außerordentlichen Freundlichkeit und Leidigkeit, woraus List und Schelmerei oft hervorlächelten, und an den schönen und leckeren Sachen, die sie immer bei sich trug, und womit sie die Hunde und kleinen Kinder an sich lockte. Davor hat den Leuten auch gegraut, daß ihr, wohin sie immer gekommen, die Katzen von selbst auf den Schoß gesprungen sind, was diese Tiere, die eben keine Menschenfreunde sind, sonst nimmer mit Fremden tun. Denn durch die Kinder und durch Leckereien, die sie den Kindern geben, und durch Sälbchen und Kräuterchen, womit sie bei Kinderkrankheiten immer gleich zur Hand sind, drängen sich die alten Hexen in alle Häuser, und Hunde und Katzen dürfen sie nicht zu Feinden haben, weil ihre Arbeit meistens des Nachts ist, wo die andern Christenmenschen schlafen. Doch merkten die Leute ihr und ihrem Manne ihr heimliches und verbotenes Handwerk dadurch an, daß sie sehr reich wurden, und daß der Bauer Wulf dreimal soviel Korn und Weizen verkaufen konnte wie seine Nachbarn, und daß seine Pferde und Kühe, wenn er sie im Frühling ins Gras trieb, so glatt und fett waren wie die Aale, und als ob sie aus dem Teige gewälzt wären. Auch sagten alle Leute, sie habe einen Drachen, und den haben sie des Nachts oft auf ihr Dach herabschießen sehen, wo er ihr Raub und Schätze von andern zutrug. Das ist auch gewiß, und viele Leute haben es erzählt, die bei nächtlicher Weile bei Günz vorbeigegangen sind, daß es dann auf dem Wege oft geknarrt und geseufzt hat, wie die Räder an schwerbeladenen Wägen knarren und seufzen. Da haben die Leute sich umgesehen oder sind aus dem Wege gesprungen, damit sie nicht übergefahren würden; sie haben aber weder Pferde noch Wagen gesehen, und es ist ihnen ein entsetzliches Grauen angekommen. Das ist aber auch der alte, heimliche Drache gewesen, der den Nachbarn die Garben gestohlen und sie in des Wulfs Scheunen hat einfahren lassen. Daß die Thrine Wulfen eine arge Wetterhexe war, hat man am meisten auf der Weide und Brache an dem jungen Vieh sehen können. Wenn sie einmal unter eine Herde kam, gleich streckte ein Kalb alle viere von sich und hatte den Frosch, oder ein paar Dutzend junge Gänschen machten nicht zum Vergnügen den Drehhals, oder einige Lämmer und Jährlinge wurden Kopfhänger und Kopfschüttler, oder eine Schar Säue tanzte den Dreher. Sie gebärdete sich bei solchem Anblick, als tue es ihr sehr leid (die alten Hexen aber können es nicht lassen, junges, freudiges Vieh zu behexen, und wenn es ihr eigenes wäre), und sie sagte den Hirten oder Nachbarn, sie habe und wisse manche heilsame Mittel gegen solche Übel; sie sollen nur zu ihr kommen und sich eine Salbe holen und die kranken Tierchen damit bestreichen, gleich werde es dann besser mit ihnen werden. Das haben einige getan, und wirklich hat es stracks geholfen, aber den meisten hat gegraut, über ihre Schwelle zu treten, und da hat das liebe Vieh denn dran gemußt. Alle aber haben sich zugeflüstert, Thrin Wulfen habe sie behext und ihnen den Schabernack angetan. So zum Beispiel hatte sie eine Frau, welche sich mit ihr erzürnt und sie eine alte Wetterhexe gescholten hatte, in ihrem eignen Hause festgezaubert, daß sie nicht über die Schwelle zu gehen wagte und alle Türen und Fenster dicht versperrt hielt. Denn sie glaubte, sie sei in eine Erbse verwandelt, und jeder Vogel, der vorüberflog, war ihr so fürchterlich, daß sie bei seinem Anblick schrie, als fliege ihr Tod heran, ja daß sie bei dem Ton eines Gefieders aus der Luft schon in Ohnmacht fiel und mit Händen und Füßen zappelte; für die Enten, Hühner und Tauben aber in ihrem Hofe war der jüngste Tag gekommen, und sie hatten ihnen allen sogleich beim Beginn ihrer Krankheit die Hälse umdrehen lassen. Auch hatte die alte Bösewichtin es dem Mann dieser Frau angetan, daß er wie ein kindischer und besoffener Narr tanzen mußte, sobald er einen Ziegenbock springen sah. Und dies ist allen Leuten lächerlich und ärgerlich anzusehen gewesen, und das ärgste dabei ist noch gewesen, daß die Einfältigen vor dem Mann eine Art Grauen bekommen haben, als sei er auch von der Ziegenbocksgesellschaft und von den Blocksbergfahrern; die Klugen aber haben wohl gewußt, von wem diese Bockssprünge herrührten, doch keiner hat es ihr beweisen können. Und man kann wohl denken, wie die alte Bosheit in sich gelacht hat, daß der unschuldige Mann für ihren Gesellen gehalten worden ist. Ihr Vieh war immer das fetteste und mutigste in der ganzen Dorfherde, und man konnte an vielen Zeichen sehen, daß der Teufel sein Spiel damit hatte; denn fast nie ist ein Stück davon krank worden, und sie hat ihnen solche Kraft und Stärke angezaubert, daß von ihren kleinsten Kälbern die größten Ochsen sich stoßen ließen, und daß ihre Ferkel die wütendsten Eber aus dem Felde schlugen.

Auch haben die Leute sie in mancherlei Verwandlungen umherlaufen und herumfliegen gesehen, aber niemand hat sich unterstanden, sie anzupacken oder ihr etwas zu tun; auch haben sie die allerwunderlichsten bunten Hunde und Katzen und sogar Füchse und Wiesel bei Tage und bei Nacht um ihren Hof laufen gesehen, aber keiner hat sie angetastet; sie wußten wohl, aus wessen Stall dieses gefährliche Vieh war. Von Elstern und Krähen aber hüpften immer ganze Scharen auf ihrem Hofe und ihren Dächern, und von ihrem einzigen Hausgiebel uhuheten des Nachts mehr Eulen, denn von allen Häusern und Dächern in Swantow und Puddemin zusammen.

So ist sie in der Nachbarschaft viel herumgestrichen und herumgeflogen auf Schelmstücke und Diebsschliche, und es ist ihr lange genug glücklich gegangen. Der Pastor zum Zudar, der Herr Manthey hieß, hat die meiste Not mit ihr gehabt, und auch wohl deswegen, weil er dem Bösen selbst den Krückstock reichte, womit er ihn überholen konnte, da er mehr ins Buch der vier Könige guckte als in Bibel und Evangelienbuch. Einmal ist Thrin Wulfen zu seiner Frau gekommen und hat ihr eine Stiege Eier gebracht, und sie und die Frau Pastorin haben einander viel erzählt und sind sehr herzig und heimlich miteinander geworden, so daß die Frau Pastorin endlich die Thrin, als sie Ade gesagt, umhalst hat. Da ist ihr aber geschehen, daß sie vor Schrecken ohnmächtig worden und wie tot hingefallen ist. Denn was hat sie gesehen? Vor ihren sehenden Augen und unter ihren greifenden Händen ist die Thrin plötzlich eine rote Füchsin geworden und hat ihr mit den Vordertatzen die Wangen gestreichelt und mit der Schnauze das Gesicht geleckt und dabei recht fürchterlich greinig und freundlich ausgesehen. Das hat die Pastorin später vielen Leuten erzählt; wie es aber weiter geworden, hat sie nicht gewußt; denn als sie wieder zur Besinnung gekommen, war die Thrin weg und auch keine Spur von ihr und der roten Füchsin mehr da als der Geruch der füchsischen Küsse in ihrem Gesichte und ein paar leichte rote Streifen, womit sie sie bei der umhalsenden Liebkosung gekratzt hatte. Zuerst hat die Frau Manthey die Geschichte aus Furcht verschwiegen und erst nach Verlauf von Jahren erzählt. Auch Pastor Manthey ist inne geworden, daß er gegen die losen und leichten Künste der Thrin sich nicht mit der gehörigen geistlichen Rüstung gewaffnet hatte, und daß sie an ihn durfte; er hat bemerkt, daß ihm ein Dieb an seine Schinken und Würste kam, und das ist auch die Thrin gewesen. Denn wie manche Nacht ist sie als Katze in Wiemen und Keller und Speisekammern geschlichen und hat sich eine Wurst, eine Spickgans oder ein Stück Schinken nach Hause getragen! Endlich war es ruchbar geworden, daß man oft eine unbekannte graue Katze durchs Dorf laufen gesehen und daß auch andern Leuten auf eine ähnliche, unbegreifliche Weise manches abhanden gekommen war. Da lauerte der Pastor des Abends und in der Frühe oft genug auf mit einem geladnen Gewehr; aber nimmer hat er den schleichenden Dieb erwischen können. Endlich aber ist ihm die Katze mal in dem Garten in den Wurf gekommen, als er Sperlinge schießen wollte, und er hat ihr unverzagt aufs Leder gebrannt und sie mit humpelndem Fuß über den Zaun springen und jämmerlich miauen gehört. Der Schäfer aber, der hinter dem Garten eben mit den Schafen vorbeitrieb, als der Mantheysche Schuß fiel, hat erzählt, es sei neben ihm ein altes Weib über den Weg hingehinkt, die habe jämmerlich gewinselt und geheult, und sie habe ihm geklagt, des Krügers großer Hund habe ihr den Fuß blutig gebissen. So sei sie über die Zudarsche und Schoritzer Heide fortgehumpelt, und man habe ihr Gewinsel noch lange aus der Ferne hören können. Und das war wirklich die Thrin aus Günz gewesen; der Pastor hatte ihr das linke Bein durchschossen.

Dieser geistliche Schuß gab einen großen Glückswandel. Thrin lag wohl ein Vierteljahr elend im Bette; dann sah man sie wieder, aber sie humpelte mit einem lahmen Beine und erzählte den Leuten, sie sei beim Äpfelschütteln vom Baum gefallen und habe sich dabei das Bein verrenkt. Nun ging es ihr aber schlimm. Weil sie nicht mehr so flink auf den Füßen war als sonst, so konnte sie, wann die Begier zu hexen mit plötzlicher Lüsternheit in ihr aufstieg, nicht mehr geschwind zu andern oder zu Fremden kommen, sondern mußte ihr Eigenes behexen. Da ward denn fast täglich irgend etwas verdreht, gelähmt oder umgebracht. Bei Tauben, Hühnern und Gänsen fing es an, und mit dem großen Vieh hörte es auf. Und wieviel der alte Jochen Wulf sie auch prügelte, das half alles nichts; die Hexenlust ist ein unauslöschlicher und unbezwinglicher Trieb. Als also alles Federvieh verdorben oder erwürgt war, da ist die Kunst über die Ferkel und Lämmer hergefahren, darauf an die Kälber und Schafe, endlich an die Kühe und Pferde. Der Bauer hat nun immer wieder neues Vieh kaufen müssen, und in solcher Weise ist in ein paar Jahren der Reichtum vergangen und das ungerechte Teufelsgut zerronnen. Ja, ihr eignes, einziges Kind hat sie zum Krüppel hexen müssen; und der alte Wulf ist aus Angst, daß ihm zuletzt ähnliches widerfahren möge, in die weite Welt gegangen und ist auf immer ein verschollener Name geblieben. Einige erzählen aber, die Thrin habe ihn verwandelt und habe wegen seiner Sünde die Macht dazu gehabt, weil der alte Schelm um ihre Hexerei gewußt und die Früchte davon gehehlt und mitgenossen habe; und so müsse er nun als ein greulicher Werwolf rundlaufen und die alten Weiber und Kinder erschrecken. Die Thrin aber sei nach der Flucht des Wulf als eine arme Bettlerin aus der Wehr geworfen und habe zuletzt in Puddemin gewohnt, sei aber zuzeiten immer noch hin und wieder als eine lahme Katze oder Füchsin umgegangen oder habe als eine lahme Elster auf Bäumen und Dächern herumgehüpft; endlich aber sei sie vor das Gewehr eines Freischützen geraten, wodurch die Katzengestalt für immer festgemacht worden. So haben viele Leute sie öfter als eine wilde, graue Katze an dem Günzer Teiche sitzen gesehen, auch als kein Haus mehr dastand; auch haben andere es dort um die Mitternacht häufig miauen und prusten und pfuchsen gehört, daß ihnen vor Grauen die Haare zu Berge standen.

De Kröger van Poseritz

Im Lande Rügen nich wiet van de Olde Fähr etwa eene Mil vam Sunde is een Karkdörp, dat het Poseritz. Då wahnde mal een riker Smitt, un de hedd ook eenen swarten Pudel, de kunn afsünnerlichste Künste. Dat Deerd was to sinen Künsten so klook und haselierig, datt de Smitt, de mit siner Smed eenen Krog helt, dat Hus jümmer vull Lüd hedd. De Pudel was so god, as hedde de Mann alle Dag Poppenspill edder eene heele Bande Kumödiganten im Huse hett. Dat gaff schöne Penning un klung hell in den Büdel herin; äwerst o weh! wo hett et toletzt för de arme Seel klungen! De Kröger wurd een riker Mann dör sinen Pudel, denn alle Lüde drögen ein dat Geld to un wullen den Pudel sine Künste spelen sehn. Se seggen, de Pudel wahnde nich egentlich bi dem Smitt. Denn des Dags hett man em då nich sehn; man in der Schummering kam he un bleef bet in deepste Nacht. He was äwerst een van de höllischen Schatzwächters ut den Bargen bi Gustow, worunner de olden Heiden mit ehren Schätzen begrawen liggen. Un då müßt he des Dags unner der Erd liggen un um de Middnacht as Wächter herumwedeln. Un he mag dem Kröger woll jeden Awend een paar Dukaten in den Poten mitbröcht hebben. Denn de Kröger wurd in weinigen Jåhren een steenriker Mann un buwede sick sinen Krog torecht as de Poseritzer Propost un Eddelmann un köfde sick eenen Morgen Land äwer den annern. Äwerst wo leep ditt lustige Spill toletzt henut? So rückt alle vörbadene Lust der Minschenkinder to Anfang as Liljen un Rosen; äwerst ehr Ende het Gestank. De swarte Nachtwächter bleef weg un kam nich mehr in't Hus. Un de Smitt was ängstlich un verstürt, un de Gäste fragden nah dem Hund. Denn sede de Smitt: "Man mütt mi den Hund stahlen hebben edder ook hett en Deef en doodslagen un ingrawen." Doch was dem armen Kerl nich woll um't Hart, un he sach går nüsterbleek un bedröwt ut, so datt de Lüde nich begripen kunnen, wo een vernünftig Minsch sick äwer een unvernünftig Deerd so grämen künn, un allerlei bunt Gerede drut entstund.

So weren een paar Weken vörleden, un eenen Sündagawend, as de Kröger mit veelen Gästen üm den Disch satt un Kårten spelde, hürden se wat dör de Luft susen un gegen dat Finster slan, un en düchte, dat was een swarter Pudel. Un allen kam een grausamer Gruwel an, un se mügten nich upkieken gegen dat Finster. As se sick äwerst wedder een beten besunnen hedden, sproken se lang dåräwer; de Kröger äwerst satt still achter dem Awen un let den Kopp hängen. Un se foppten sick toletzt unner eenanner, wer woll dat Hart hedd, herut to gahn un to sehn, wat då were. Un een Snider nam sick de rechte Sniderkrauwagie un begehrde eenen Gesellen, de dat Aventür mit em wagen wull. Un et fund sick eener to em, un se gingen in den Gården, wo dat Finster herutging, un süh, då lag een dooder, swarter Pudel, den de Snidergesell recht god kennde. Un se meenden nu all, man hedde dat dem Smitt tom Schabernack dhan, wiel de Pudel em as een güldnes Hohn was, un een Fiend un Schelm hedde den dooden Hund so gegen dat Finster smeten. Un se gröwen een Loch an dem Tun und leden den Pudel dårin und sett'ten sick dårup wedder tom Spill dal. Äwerst de Smitt satt achter dem Awen un sede keen Starwenswurt un was sehr trurig. Un as se wedder van besten Künsten de Kårten flegen leten un uttrumfden, fung dat buten wedder an to susen un to brusen, un Kling! sede dat Finster, un de Pudel flog äwer den Disch un föll in de Stuw dal, un de meisten Gäste, de üm den Disch seten, föllen vör Schreck van den Bänken un krüzden un segneden sick. De tappre Snidergesell, de een Hart hedd gröter as sin Natelknoop, nam den Pudel un smet en tom Finster herut; un de Gäste nehmen ehre Höd van der Wand un makten sick up de Beenen. Un knapp was eene halwe Stund vorgahn, då sede dat wedder Kling! un de Pudel föll to'm tweeten Mal in de Stuw. Då lag he bi dem bedröwten Wirt bet an den hellen, lichten Morgen, denn de arme Minsch bleew alleen sitten, un Fru un Kinder un Gesellen weren to Bedd gahn. As äwerst de Sünn upging, was de Pudel weg, un keen Minsch wüßt, wo he stawen un flagen was. He hedd äwerst eenen grausamern Gestank as dat schändlichste Aas nah sick laten. Un up desülwige Wis is dat Greuel düslingto alle Nacht dörcht Finster edder dörch de Dören, ja dörcht Dack un de Wänd flagen; un hulpen keene Breder un Rigel, un ick glöw, he hedd sinen Weg dörch Stal un Demantsteen braken. Se gingen hen un begröwen den Hund mit grotem Staate; se brukten Segen un Bespreken äwer siner Gruft—alles umsüs: he kam jümmer wedder. De arme Smitt grep to un makte sick eene annere Stuw torecht, he tog ut bawen herup in een Stüwken unner de Auken, he meende sick to vörsteken; äwerst de Pudel hedd em eene to fine Näs, jümmer flog he herin, wo de Smitt was. Nu ging dat natürlich to, dat Krog un Smede bald leddig un vörlaten stunden, un datt de Smitt mit Wif un Kindern un mit dem aasigen, stinkenden Pudel eensam un alleen sitten un truren müßte. Wat dheed de arme Mann toletzt? He ging to un vörköfde alles, Smed und Krog un Acker un Gården, un tog van Poseritz weg. Un dem Mann, de dat Hus van em köft hedd, let de Pudel ook keene Ruh, un he kunn nich eher ruhig slapen vör all dem Gesuse un Gebruse und dem Günsen und Krassen, dat et des Nachts bedref, bet he dat Hus afbraken un an eener annern Stell weder upbuwt hedd. Don week de Düwel van em, äwerst van dem armen Smitt week he nich. Disse hedd de Lade vull Dukaten un wull een Eddelmann warden und köfde sick eenen schönen Hoff, de Üselitz het. Äwerst wat Eddelmann un Dukaten! Dat ging all to End mit em. De Pudel tog mit em in sin Eddelmannshus un husierde so arg, dat keen Knecht edder Magd bi dem jungen Eddelmann bedarwen kunn. Tolest satt de arme Smitt mit Fru un Kindern un mit all sinem Rikdom heel vörlaten då. Un as de Bös em lang nog ängstigt hedd up Erden, hett he em in eener Nacht den Gnadenstot gewen. Et was eene schöne, stille Sommernacht, keen Blitz un keene Lüchting to sehn, keen Lüftken, dat im Rohr spelde, då hebben de Nawers, de üm Üselitz wahnen, plötzlich een gewaltiges Für upstigen sehn, un in eener halwen Stund is alles, alles, Hus un Hoff un Minschen un Veh un de Smitt mit den Sinigen un mit sinem Düwelsgolde to Stoff un Asch vörbrennt west und hett man nümmer keene Spur van em sehn. Äwerst een Mann ut Mellnitz, de tom Löschen tolopen was, hett eenen swarten Pudel sehn, de mit greulich glönigen Oogen dör den Gården un Busch wegstrek un noch lang gräselich hülde. So hült de Satan vör Froiden, wenn he arme Seelen vörslingen kann.

De Brügg bi Slemmin

Ick mütt bi disser Gelegenheit ook noch vörtellen van der Brügg in dem Slemminer Holt, wo de Weg nah Zornow utlöpt. Da geit dat gar wunnerlich to; wo menniger stolter Rüter hett sick dar den Sand vam Pels schüddeln müßt! Denn jede Kreatur weet darüm un wahrschuwt, datt et da nich richtig is. As ick een Jung van viertein, föftein Jahren was, hödd ick de Koi bi dem Holländer to Slemmin un drew oft int Holt, un wenn ick ook dem wilden Jäger sine Hund hett hedd, keen Kalf hedd ick achter de Sünn äwer de Brügg kregen. Darüm steit da herüm ook jümmer dat schönste un längste Gras, denn dat Veh müßt den Verstand verlaren hebben, dat da mit egnem Willen gräsen gahn wull, un ick glöw, keen dummer Dreihhals van Schaap edder Goos würd da een Halmken anrühren. Un wer des Nachts äwer de Brügg föhren edder riden mütt, o Herre Jemerus! wat kost't dat oft vör Künst un Sprüng! Un wo snuwen de Perd un zittern un daddern un bäwern vör Angst, datt se äwer de behexte Brügg schälen, un scheten up der Brügg in de Knee un laten den schumigen Sweet vam Liwe drüppeln, as hedden se een paar Mil im Galopp lopen, edder as wenn se in de Lüchting van Kanonen springen schullen. De Minsch alleen wett nicks davon, wenn se em't nich vörtellt hebben edder wenn he nich in der Nacht kümmt un de Ulen und Kraihen in so dickem Swark üm de Düwelsbrügg flegen. Un ditt is de Geschicht van der Brügg:

In Zornow was eene smucke Dern, eenes Schepers Dochter, de hedd sick dreimal vörjumfert un jedesmal ehr Kind ümbröcht, un de drei Kinder in dem Graben bi der Brügg in de Erd steken. Äwerst achter dem drüdden Kinde is de Satansundhad utkamen, un se hebben de Dern nahmen un se in eenen Sack dhan un bi der Brügg in dem Graben vörsöpt, un hebben de Lik van der armen Sünnersche bi ehren Kindekens ingraben. Äwerst wat künn tüschen dissen Vördrag wesen? Un't is darnah eene dulle un wilde Wirtschaft worden, datt den Lüden de Haar to Barg stahn sünt, so hebben sich de flegenden un klagenden Geisterken van den Kindekens föhlen un vernehmen laten. Un wer in dem Holte wat to dhon hett, dem will ick nich raden, datt he sick lang nah Sünnenunnergang edder vör Sünnenupgang da betrappeln lett. Dat piept un flüstert un wispert un tutet un hült da denn de ganze Nacht dörch, as wenn Katten Hochtid hollen edder lütte Kinder quarren, un Ulengequiek un Kraihengeschrei klingt jümmer datüschen. Denn in eener hollen Eek äwer der Brügg sitt Dag und Nacht eene olde Ul, un dat is de arme Schepersdochter, de in disser Welt keene Rauh findt. Un des Nachts mütt se jümmer hen un her flegen van Boom to Boom un van Twig to Twig un schreien un quiken, datt eenem de Haar up dem Kopp susen, un drei junge Ulen uhuen un flegen jümmer achter ehr her, un dat sünt de drei Kinder, de se vermordt hett. Äwerst tüschen twelw un een da geit et erst recht lustig, un Gott gnade dem, de denn äwer de Brügg mütt. Denn hett sick dat ganze Ulenrik tosam vörgadert, un se maken eene Musik in der Luft, wornah dat ganze düwelsche Heer in der ersten Mainacht danzen künn, un een hungriger Wulf mit glönigem Rachen steit an der Eck un hölt eene Baßviol tüschen den Beenen un speelt lustig up, un Vöss un Katers un Marten, Ilken un Wesel un anner deefsches Nachtgesindel danzt dato. Ick hew't nich sehn, äwerst de Smitt in Slemmin hett't sehn. De is mal darunner geraden, un he was äwen nich up Gottes Strat, denn he hedd de Äx up'm Nacken un wull sick eene junge Eek hauen. Den hebben se terreten und terzust—hast du mir nicht gesehen—un so is he to Huse kamen ganz terkraßt un verbaast, un sine Oldsche hett em drei Weken eene Kindersupp kaken müßt: so hedden de Satansgesellen den armen Schelm afängstigt. Dat is äwerst wiß un wahr, wat ick van den Koien un Perden vörtelld hew, un keen ordentlich un christlich Deerd un Vagel, de van Gott weet, geit in de Eek edder sett't sick da herüm. Ick hew all min Dag keenen Vagel in ehren Twigen singen edder zirpen hürt, Ulen un Hawks un Kraihen, Rawen und Hesters un anner dergliken Düwelsgerät dat süht man woll darup sitten. Mit der Brügg is't äwen so; keen ehrlicher Vagel sitt up ehren Pösten edder Geländer, nich eenmal eener van den lustigen un näswisen Vägeln, as de Meesk, de Quäkstart edder Steenbicker, de sünst so nülich un flink sünt alles Holt, wat se man sehn, to besitten un to befladdern. Denn ook de allergeringsten un lüttesten Deerdeken weten een beten van Gott, un et weiht en ook een beten Wind to, wo wat Gewaltigs un Greulichs geschehn ist, un gruweln sick davör."

Schipper Gau un sin Puk

Ji hewt woll oftermals hürt, wo veele Hexerei un Töwerei mit Katten, Zegenböcken, Heimken un Schorfpoggen drewen ward un wo de olde Fiend sick darachter steckt un den armen verbiesterden Minschen in de Höll herin spelt. Äwerst dat gifft so veelerlei Töwerei, datt et nich to denken noch uttospreken is, un wer schullt't glöwen, datt de Düwel listig nog is, in Müggen un Käwer ja in den allerminsten Worm sick herintomaken, wenn de vörblendte Minsch nah sinen Dingen lüstern is un nah dem Düstern un Vörborgnen snappt? Denn wer hängen will, seggt dat Sprickwurt, de kan woll dör eenen Spennenfaden to Doode kamen. As ick in miner Jugend in minen Wanderjahren ut minem Vaterlande Holsteen nah Rotterdam up Arbeit kamen was, hew ick mennige snurrige Ding davon sehn un hürt; denn de Schippers hebben veelen sodhanen Awerglowen un mennigerhand heemliche Künste. Ick mag't äwerst nich all nahseggen; doch will ick ju eens vörtellen, wat hier bi uns eenem Mann ut Barth edder vam Dars in Prerow begegnet is un wovon alle Lüde to seggen wüßten, as ick noch een junger Gesell was.

In Barth lewde een Schipper Hinrich Gau, dat was de glücklichste un vörwegenste Schipper in der ganzen Ostsee, dem ook alles to Faden leep. He unnerstund sick, wat keen anner Schipper dörfte, un se seden, he kunn mit allen Winden segeln, un wenn he wull, ook wedder den Strom. Soveel was eenmal wiß, he wagde sick herut midden im Winter un in dem bösesten Unweder un kam jümmer mit ganzen Masten und heelen Segeln davon, wenn de annern Schipp terreten un terspleten in den Hawen lepen edder gar so deep vör Anker legen, datt keen Minschenoog se wedder to sehn kreeg. Mit dem Gau äwerst ging alles vörwärts, as künn he den Wind ut'm Sack schüdden, grad as he'n brukte. So was he denn jümmer de erste up dem Platz un makte de besten Frachten und ward in wenigen Jahren een riker Mann, datt se en den riken Schipper edder den riken Gau nömden. Dat Ding hedd äwerst so sinen egnen Haken un um all dat Gausche Glück un Geld mügt ick an dem Haken nich hängen, woran Gau fast was. Denn de Lüde munkelden so wat van eenem blanken Käwer edder eener grönen Pogg in eenem Glase; un dat was sin Puk, de em den Wind un dat Glück makte, un de Matrosen wullen dat düwelsche Ding unnerwielen sehn hebben, wenn't stief weihde edder de Nacht gefährlich düster was, wo't as een lütt winzig Jüngiken in eener swarten Jacke eene rode Mütz up'm Kopp up dem Schipp herümleep un alles nahsach, edder ook as een old gris Männiken mit eener kritwitten Parück up dem Kopp, dat am Stürroder satt un in den Häwen keek un dem Schipp den Weg wisde. Un se vörtellden ook, datt de Schipper sine blanken und grönen Düwelskamraten sehr prächtig plegde in eenem aparten Schrank in siner Koje, wo keen Minsch hensnuwen dörft, un datt he en da jümmer söten Muschatwin un Rosinen un Figen hendrog. Denn de in der bittern un suren Hölle wahnen, laten sick am lichtesten mit Zuckerbackels un Nüdlichkeiten locken un festholden, wenn man se to sinem Deenst anbinden will.

Dat Glück was up disse Wis un mennigen schönen Dag mit dem Schipper Gau up der Fahrt west, un he vörstund sine Geisterkens to regieren, un se weren em up't Komando gehursam un willig. Äwerst toletzt vörsach he sick eenmal, un de Düwel slippte em los, un drew sin böses Spill so schrecklich, datt jeder sehn kunn, wat et was. Schipper Gau was mit eener riken Ladung ut England kamen un sin Schipp lag up dem Strom der Sundschen Rhede vör Anker. He was eenen Dag in de Stadt fahren, un Gott weet, wo't geschach—denn süs ging he den Dag weinigstens wohl dreimal an Burd—he was in een woist Gelag geraden un se hedden so deep in't Glas keken, datt Gau Schipp un Puk un de ganze Welt vörgatt. So hedd unser Schipper twee utgeslagene Dage in Stralsund vördrunken, un sine Dinger, de he hungern let, weren grimmig worden, hedden de Gläser terbraken, worin se seten, un blösen eenen Storm up, datt dat Schipp anfung mit allen Segeln to spelen un sick von allen Ankern losret. De Lüde, de up der Brügg un Lastadie stunden, vorwunderden sick—denn bi de Stadt weihde kum een Lüftken—wo dat Schipp rundküselde as een Swin, dat to veelen Branwinsbarm sapen hett. Un et wurd een grot Geschrei, un veele Schippers lepen herbi un ook Schipper Gau. He kreeg flugs een paar von sinen Matrosen un eenige annere Waghälse tohop, löste sin Boot un leet de Remen knarren un reep: "Frisch Jongs! frisch! wenn ick an Burd kam, schälen mine Kerls voll wedder to Loch, se kennen min Komando woll." Un Gau kam richtig an dat Schipp, dat sick jümmer rundüm küselde, as wenn't in eenem Strudel stack. Alle annern Schipp rührden sick nich, as wenn för se keene Luft weihde, un was een heel moj Wäder. Äwerst de kecke Gau hedd sick dittmal to veel vörmeten; sine Bürschchen, de weegn des langen Hungers to grimmig weren, leten sick van em weder locken noch hissen; se makten jümmer gewaltigern Storm un dullere Arbeit un küselden toletzt so arg, datt Schipp mit Mann un Mus to Grund gingen.

To der Tid ging mennig Gerede mank de Schippers hen un her, un veelen is woll bang worden; äwerst ick glöw, et gifft noch van der Art, de ehre lütten Düwelkens in Schachteln un Gläsern mit an Burd nehmen.

De witte Fru to Löbnitz

In Löbnitz ging de Red, datt eene witte Fru bi nachtslapender Tid rundging. Ehr Gang was van der Bleke äwer dat Steg, dat achter dem Backhuse up der Beek liggt, dörch dat Backhus üm den Schaapstall un üm de grote Schün, un denn gar langsam dör den Boomgarden un Blomengarden, wo se oft still stund un sick bückte, as wenn se Äppel upsammelde edder Blomen plückte. Van da ging se toletzt in dat Hus, wo se üm Klock een meist ut dem Keller unner der Trepp herupsteeg mit eenem Licht in der Hand, waran blage Fünkschen stöweden un dat hell upgnisterde. So is se oft sehn üm de Gespensterstund; un ook mine selige Moder sede, se hedd se mal schemern sehn. Se plag jümmer an der Trepp stilltostahn un sick wunnerlich ümtokiken ook woll de Husdör to beföhlen, ob se slaten were; denn ging se langsam un potentatisch de Trepp herup un steg to Bänen unner de Oken to den Katten un löschte ehr Licht ut. Dat is enmal wiß, keen Minsch ging to der Tid gern up de Dele un up de Trepp; un dat was dat Besünnlichste, datt keen Hund da je to liggen edder to rasten plegde. Un oft is't schehn, datt Mäge, de de Trepp mit Licht herupgingen edder des Nachts da wat to bestellen hedden, plötzlich as för dood henstörteden un denn elendig krank wurden; un de hebben vörtellt, de witte Fru wer en mit dem blagen gnistrigen Licht in den Weg treden un hedd se anpust't. Van disser witten Fru vörtellde Johann Geese eenmal:

"Mit der witten Fru, de to gewissen Tiden, am meisten im Harwst un Winter to Löbnitz ümgeiht, schall man sick woll in acht nehmen, un den Düwel nich im Äwermod vörsöken. Dat is een erzböses Wif, un se geiht nich vörgäws in der wilden Unruh rund un makt ehrlichen Lüden de Nacht gruwlich. Dat's woll hundert Jahr her un länger, datt se to Löbnitz würklich lewde un regierde. Se was een rikes un vörnehmes Eddelmannswif un se seggen, se kam ut Polen—so schön un witt as de witte Dag, datt ehres Gliken van Schönheit kum up der Welt west is. Äwerst se was eene leidige Hex un falsch un listig van Grund ut, un slimmer as Bollis im Winter; un de olde Fiend hedd ehr den letzten Bloodsdruppen vörgiftet, datt ook nich een god Haar mehr an ehr was. Se was grausam hoffardig un lichtfardig, solang se jung un schön was, un schall ehren olden Mann mit Gift vörgewen hebben. As et äwerst mit ehr gegen dat Older ging un se een, drei Stieg Jahr up dem Puckel hedd, da vörlet se de lustige Düwel, de im Blood sitt, äwergaff se sinem slimmsten Broder, dem hungrigen un kattigen Gitzdüwel, dem Düwel, de nich slapen kann, dem rechten Negendöder der Seelen, as de Herr Pastor seggt. Nu wurd dat olde Wif eene slimme Minschenschinnerin un Lüdplagerin un kratzte ut dem Blood und Sweet der armen Lüde Gold in Hupen tosam un vörgrof't an veelen Stellen. Un as se endlich van disser Welt weg müßt, is't ehr tor Straf sett't, datt se up desülwige Wis, as se annern keene Rauh un Rast günnt hett, ook im Grawe noch keene Rauh finden schull. Darüm mütt se nu ümgahn in der doistern Nacht, wenn alle frame Kreaturen un christlichen Minschen slapen, un de hungrigen Wülw und Vöss un Marten un Ilken un anner sodhan Tüg alleen up den Beenen sünt. Denn mütt se herut in Hagel un Snei un Wind un Regen in dem witten Doodenhemd mit dem gefährlichen Licht in der Hand. Un wiel se im Keller un in der Bleke dat meiste Geld vorgrawen hett, darüm mütt se dar am meisten ümlopen. De Herr hett woll de Löcher sehn, de de Schatzgröwers dissen Winter up der Bleke upwöhlt hebben? Äwerst de dummen Narren! da ward keen Minsch wat finden. Denn je slimmer de Minsch ist, de Geld in der Erd vörgröft, desto grötere Macht hett de Bös äwer den Schatz un desto deeper kann he en to sick heruntertrecken. Un wer seggt uns, wo veele dausend Faden deep he ehre Geldkasten in de Erd herunnerslaken hett? Dat is ook wahr un is dör veele Teken bewist, datt düslike vordammte Seelen, de im Graw keene Rauh hebben, van Gott brukt warden de Slimmen in Tucht to holden. Denn wer in vörbadner Tid as Sliker edder Deef herümlurt un wat söcht, wo he nicks vörlaren hett, un dem witten Wiwe in den Wurf kümmt, mit dem dörft se affahren, as't ehr geföllt, wenn he nich noch tor rechten Tid een himmlisch Gewehr ergrippt, as een Evangelienbook edder een Gebet, dem Gott anmarkt, datt et nich tom Spaß ut der Kehle geiht. Dat hett sick vör een twintig Jahr begewen. Da was in Langenhanshagen een Snider, de het Jakobs un was as een Töwerer un Deef vörropen, de des Nachts selden in sinem Bedd sleep. Den funden se eenes Morgens to Löbnitz an der Eek achter dem Backhus, wo de Steg äwer de Beek geiht. O je! wo bummelde de grote Kramsvagel! un wo frisch weihede dat Sniderhoiken im Wind! He was mit eener frischen grönen Wide upknüppt. Sine Fründschaft sede woll, datt he sick woll sülwst een Leed andhan hedd; äwerst wi weten dat beter: sine Uphengersche lewt noch."

De Prester un de Düwel

Starkow hett jümmer deege Presters hett, de as unser Pastor Scheer den Minschen woll an't Hart to kamen un den Düwel, wenn he sick nich gar to sehr inwörtelt hett, uttodriwen vörstunden. Un wet de Herr, wo dat herkümmt? In olden Tiden, as de Heiden hier utdrewen un Gotts Wurt un dat bloodige Krütz predigt wurden, was disse Gegend hier üm Starkow Redbaß un Löbnitz nicks as Holt, Heid un Morast, wo hier un dar een Mann in sinem Hüsken wahnde. Da kam ook een Pastor un de nüe Kark schull buwt warden; äwerst der Lüde was wenig un dat Weinige ook noch arm. De Pastor is een sehr gottsfürchtig Mann west un klok dabi un hett veel hen un her sunnen, up wat Wis he Gotts Wark vollbringen un sinem hilligen Wurt eene Stad bereiden künn. Un da is em de Düwel infollen, de olde Schalk un Seelenfänger, de sick oft bi em infund, wenn he sine stille Bedstund in sinem Kamerken helt. Denn he kennde en woll, wenn he sick as eene swarte Fleg up sine Bibel settede un darup herümwipperde. Denn de Stank blef nah, wenn de Fleg wegflog. Un de kloke Herr hett den Düwel mit List dran kregen un bedragen, un Satan hett sweeten müßt, datt em de höllschen Druppen äwer de Näs lepen. Un in drei Dagen hett de Kark fix und fardig da stahn, as de Herr se noch süht, un is eene van den öldesten in Pamerland, un ehr Baumeister hett se nich mit inwihen helpen dörft. Äwerst dat mütt man em laten, so slimm de olde Fiend is, he hett eene grote Dägd, un dat is de Dägd der Geduld un Arbeitsamkeit, datt he sick nicks vördreten lett, wat to sinem Geschäft hürt—un datt künn een Christenminsch sick ook woll van dem Doiwel leeren laten. Wo sehr de kloke Prester en ook vexirrt un narrt hedd, he makte een fründlich Gesicht dato, un kam jümmer wedder un frog sinen Kunden, ob he em noch nich in wat denen künn un ob he nich noch eene kleene Arbeit för en hedd. De Prester öwerst fürchte sick vör dem Schelm, datt he en doch beluren mügte, un wull nicks mehr mit em to dhon hebben.

Nu was da een Dörp, dat nah Starkow in de Kark ging; dat lag achter dem Holt heel nah, un de Pastor müßt oft dahinriden. Äwerst so nah dat Dörp ook lag, was't wegen Unwegsamkeit doch een Dreiviertelwegs. Denn he müßt eenen wieden Weg maken äwer Oldenhagen un üm den groten Wald herüm, wiel in dem Holt een deeper Morast was, wo man alleen im Sommer äwer kunn. Da föll dem Pastor eenes Dages in, ob he sinen Werkmeister nich wedder bruken un dran kriegen schull. Un as de Düwel eenmal wedderkam, slot he den Handel af mit em un besprack sick mit dem Bösen: He schull em in drei Dagen den Weg dör't Holt un eenen Damm äwer den Morast maken, un he wulle mit Lif und Seel sin wesen, wenn he en betrappelde, datt he man eenen Strohhalm breet ut sinem Vörbeet ging. De Prester satt awerst in sinem Garden unner eenem Boom un las de Predigt äwer, de he den nächsten Sünndag holden wull; un sin Swur was: "Düwel, wenn du in drei Dagen den Weg un Damm dör dat Holt to der Horst fardigkrigst, so schast du mine Seel nehmen, wo du se findst, wenn ick nich mehr up dissen minen Vörbeet stah." Un de Düwel schmunzelde in sinem Sinn un dachte: Den Vagel hest du fangen; denn wo will de dumme Prester dat woll anfangen, datt ick'n nich mal uter sinem Vörbeet treffen schall? Dat Lewen is lang un de Gedanken sünt kort un ehr Beten van Faden ritt licht af. Un he ging lustig weg un makte sick an de Arbeit, haude Eeken af un makte Brüggen un slepte Steene un karde Sand, un ehr drei Dag üm weren, stund de grade Weg da un lag de schöne Damm fardig, so schön un glatt, datt een Könnig mit Lust dräwerfahren kunn. Un he kam to dem Prester un sede: "De Weg un de Damm sünt makt." Un he lurde em nu up, wo he en faten un begigeln künn.

Un kum vergingen een paar Dag, so nam de Prester sinen Stock in de Hand un ging den Weg nah Redbas herut, sick sine Brewe un Zeitungen van der Post to halen. Un as he kum an de Brügg kamen was, wo de Sched is tüschen de Redbasser un Starkower Feldmark, wipps, hast du mir nicht gesehn, was de olde Grising da in sinem roden scharlaken Tressenrock un mit sinem Hahnenfoot, wippelde as een Hester üm dat kranke Küken, üm den Prester herüm, un stellde sick achter em up den Weg, datt he em nich wedder torügg lopen künn. Un he grüßte en up sine döwelsche Wise gar fründlich un reep: "Willkamen, Presting! Nu müßt du mal mit mi kamen un tosehn, wo't sick in der Höll lewt un ob du se denen Buren richtig utleggt hest. Wo steiht et? Hest du din Fell brav insmeert, datt et in der Hitt nich springt?" Un as de Düwel disse spötsche Red dhan hedd, makte he sick an den Prester un wull en packen; äwerst he kunn nich! Denn em kam een Gruwel un Grusen an, as wenn he mit sinen Klauen in kold Is tastet hedd. Un de Prester lachte mit grotem Vergnögen, blos em ut siner Pip den Tabaksrook in de Näs un sede: "Holt, Düwel! da is noch een Sticken vör, datt du nich herin kannst. Markst du, datt ick up minen Vörbeet stah? Un damit du Schlangenschelm et begrippst un in dinen Düwelsknaken zitterst un bäwerst, so kumm her un seh!" Un de Prester tog eenen Stäwel ut un wieste dem Düwel, datt he drei, vier Bläder ut dem Evangelienbook in sine Socken inneiht hedd. Un de hedd he ook in sinen Stäweln hett, as he im Garden den Eid swur un sinen Handel äwer den Weg dör't Holt afslot. Un de rode Düwel wurd vör Grimm blaß un bleek as de Kalk an der Wand un schämde sick un vörzagde an dem Prester, un neihde ut, as wenn em Für unner den Salen brennde, un hett sick sin Leder nich mehr bi em sehn laten. Un de Prester hett as een gottselig Mann lewt, un is so storwen, un de Kark steiht bet dissen hütigen Dag, un de Damm liggt noch un führt den Namen sines Baumeisters, het de Düwelsdamm; äwerst nahgrad wer't woll nödig, datt man den Düwel eenmal wedder dran krege tom Utbetern; denn he hett vördammt veele Löcher. Un wenn man ditt so bedenkt un de olden Geschichten hürt, so mag man sick woll wundern, datt de Presters nu tor Tiden so weinig känen un den Düwel nich mehr am Strick hebben. Se segen, de olde Herr van der Finsternis un Düsternis is dood un lewt nich mehr, äwerst se känen't nich bewiesen un ick glöwt nich; denn he reckt sine Tatzen noch oft nog hervör. Un wahrhaftig leider Gotts! an dem Düwel fehlt et nich, man de rechte Glow fehlt un de rechte Leewe, de rechte fürige himmlische Leewe, de de ganze vullgeproppte glönige Höll un alle Millionen Düwels mit eenanner utbrennen un in Asch vörwandeln kann. Un darüm vörseggt en dat Hart, et mit em uptonehmen. De Olden vörstunden't beter un wüßten den Spruch mit der Dhad uttoleggen: West klok as de Slangen un eenfoldig as de Duwen. To der Tid, as de Düwel Karken und Klöster buwen müßt, gaff't gottskloke Lüde; nu äwerst sünt se düwelsklok un negenklok un äwer all der Klokheit is de Vörnunft dumm worden, wo se de goden un slimmen Geister mit eenem Blick underscheiden un den Engels und Düwels in Christo begripen un den Lüden utdüden kunnen. Se söken den leewen Gott in der Welt, wo he is un ook nich is, un nich in der Bibel, wo en jeder finden kann, dem Negenklokheit de Oogen nich vörglastert hett. Weer he so säker un wiß up der Landstrat to finden, so were de leewe Heiland jo ümsüs vam Himmel herunnerkamen, sin dürbares Blood am Krütz för uns to vörgeten.

De Wewer un de Steen

De Herr hett woll dat steenerne Krütz sehn, dat am Wege steiht, wo man van der Löbnitzer Mähl nach Redbas geiht. Da lag vör dissem een Steen, de was in twee Stücken tersprungen. Den hebben se wegnahmen, as de Fürst Hessenstein de prächtige Redbasser Brügg buwen let; un dat is schad, denn de Steen hedd wat in sick, un't was eene Geschicht mit em, woran sick Mennigeen spegeln un wobi jeder Wandersmann, de vörbiging, sine goden Gedanken hebben kun; un he was recht een Wahrnagel för de Deewe un för alle falschen Nachtslikers. Nu he äwerst weg is, ward et woll to swind vörgäten sin, un wer weet, wo lang dat Krütz noch steiht, denn nu is de Tid da, wo se alles umkehren un dat Olde vörachten.

Vör langen langen Tiden, lang vör Minschengedenken, wahnde in Redebas een Wewer, dat was een groter Schelm. He wewerde äwerst nich veel—denn sin Wewstohl stund jümmer still—äwerst he grep to eener Kunst, wodör man een lustig Lewen holden un swind rik warden kann; un de Düwel hedd to sinem Gespinst den Inslag makt, un nu mag de arme Stacker tosehn, wo he dat Netz utrawweln will, dat he sick sülwst wewt hett. Des Nachts, wenn de ehrlichen Lüde slapen, was min Wewer jümmer flink mit sinen Gesellen up den Beenen, un fette Swin un Gös, de de Bur den annern Morgen tohauen wull, un Schinken un Mettwurst un mennig swarer Immenrump un blanker Schepel Weiten kam int Hus, un nüms wußte, up wat för eenem Wege. Dat äwerst wüßten alle Lüde im Dörp, datt de Wewer ful was as de Oss üm Wihnachten un datt he fedder lewde as de Schult un Vörwalter. Un se munkelden woll unner sick, he were een Deef un Röwer un stünd' ook mit dem olden Draken im Vörbund, de em alles todröge; äwerst bewiesen kunn em't keener. Nu begaff sick't eenes Dages, datt unser Meister Urian mit sinem Gesellen dem Löbnitzer Möller eene Nacht in de Mähl brok, un datt jeder sinen Sack Weiten furtdrog. Glik drup kam de Möller mit sinem Burschen, un se funden de Mähl apen un den Weiten weg un lepen up den Wegen herut, ob se nüms gewahr warden künnen. Un se kemen ook up den Redbasser Weg un packten unsern Wewer, de mit sinem Weiten up eenem groten Steen satt; de Gesell äwerst was wiet vörut. De Möller un de Mählenbursch nehmen nu unsern Wewer tüschen sich un prügelden en deeg af, un darup müßt he sinen Weiten wedder upsacken un mit gewaltigem Pusten un Stänen nah Löbnitz bet an dat Möllerhus dregen. Da hölden se en fest, denn se meenden ganz säker; datt he de Weitendeef were. Un den annern Vörmiddag was groter Gerichtsdag to Löbnitz. Un de Wewer hölt sick stif und lögnede alles, un lede sware Klag up den Möller un den Mählenburschen, datt se en as eenen Deef festholden, up der Landstrat slagen un em sinen egnen Weiten afnahmen hedden. "Denn"—schreide he—"ditt is min Sack (he hedd äwerst sinen egnen Sack mit sinem Namenteken mitnahmen un den Weiten darin schüddet) un de Weiten darin is min Weiten, den ick mi gistern Awend van dem Buren to Holthof köfft hew. Un wenn ji't nich glöwen willt, so schickt hen un latet den Buren halen un fragen, un wenn he seggt, datt ick den Weiten van em nich köfft hew, will ick nu un ewig een Schelm heten." Un se schickten nah'm Holthof, un de Bur sede ut, as de Wewer bedürt hedd; denn he stack ook mit drin un was een Afflegger un Deewshehler. Un nu wüßte de Richter keenen annern Rat, he hölt den Wewer woll för eenen Deef, äwerst he kunn em't nich up't Lif seggen, un darüm müßt he en tom Swur laten. Un he nam den Möller un den Mählenburschen un den Wäwer, un se gingen mit eenanner to dem Steen un dem Krütz up der Heid am Wege, wo de Möller en packt hedd, un da vörmahnde he den Wewer noch eenmal, Gott de Ehre to laten, wenn he sündigt hedd, un leewer sine Sünd to bekennen un de Straf to liden, as eenen falschen Eid to dhon un ewig in der Höll to braden. "Denn"—sede he un sach den Schelm dabi sehr ernsthaftig an—"disse Steen wat woll tügen gegen di, wenn du falsch swerst, un disse Durnbüsche warden de Köpp äwer di tohop stecken un Weh und Zeter äwer di schreien." De Wewer äwerst let sick nicks anfechten, he makte sin Hart fast un verschot keene Min un schwur frisch weg, datt he unschuldig were an des Möllers Dör un Weiten, un sprack mit frecher luder Stimm: "Lat dissen Steen in Stücken springen, un wenn et een muntlos Kindeken weet, datt ick de Deef bün, lat et oogenblicklich dat Wurt gewinnen." Un da gingen se van dem Steen weder nach Löbnitz torügg, un de Spruch was: De Möller un de Mählenbursch müßten dem Wewer Afbidde dhon un för den Schimp un de Släge hundertföftig Daler betalen und alle Kosten stahn. Dat hedden se noch to ehrem Schaden; de Wewer äwerst strek dat Geld in un lachte in sin Füstken, nam sinen Weitensack up den Puckel un plegde sick eenen goden Dag van dem Roof un van dem glücklichen Geldfang.

Nu was't to spad em totoropen: "Holl up!

Die alte Burg bei Löbnitz

Nahe bei Löbnitz über grünen Wiesen, wodurch sich das Flüßchen Barth hinschlängelt, grünt ein kleiner Eichenwald mit einem durchrinnenden Bächlein und den schönsten und dichtesten Haselbüschen, welche sich fast jeden Herbst unter dem braunen Schmuck ihrer Früchte beugen. An der Südseite des Wäldchens liegt eine Ziegelei, und am nördlichsten Ende erhebt sich eine Burghöhe, deren Umwallung ringsum eine Senkung umgibt, in welcher die elegischen und zauberischen Sträuche Kreuzdorn und Hagedorn, Hollunder und Alf-Ranke, Nessel und Nachtschatten sich festgesiedelt hatten und dem Andringer das Aufsteigen fast schwer machten; auch hatten die Füchse sich den Wall und sein altes Gemäuer zu ihren unterirdischen Wohnungen durchminiert. Dieser alten Burg gegenüber erhob jenseits am rechten Ufer des Flusses unweit Wobbelkow ein stattliches Hünengrab sein grünbemoostes Haupt, von dessen Gipfel man die Stadt Barth mit ihren roten Dächern und in der Landschaft umher ein halbes Dutzend Kirchtürme und ein halbes Hundert Höfe und Dörfer überschauen konnte. Dieses Eichwäldchen ward nach den Trümmern jener Burg gewöhnlich nur zur alten Burg genannt. Hier hatte sich nun ein Abenteuer begeben, welches durch alle Münde und Mäuler der Menschen die Runde machte: Eine junge, hübsche Dirne, welche die Kühe des Zieglers im Busche hütete, war plötzlich verschwunden oder entlaufen, und da geschah es, daß die Stimmen der Sage sich wieder aufweckten, die oft verschollen ihre Zeit träumt und schläft und dann mit doppelter Lebendigkeit wieder in die Ohren der Menschen tönt. Und in folgender Weise war die Erzählung des Gärtners Christian Benzin:

"Herr, sie sagen so was von der Dirne des Zieglers, die vor vierzehn Tagen am hellen scheinenden Mittag verschwunden und nicht wiedergekommen ist. Die Leute munkeln, und des alten Schweden Sturbergs Jungen aus Wobbelkow, die einem Kalbe nachgelaufen, haben es gesehen: Ein Matrose in bunter, rotgestreifter Jacke ist mit ihr am Saum des Waldes spazierengegangen und hat einen Blumenstrauß in der Hand gehabt, und sie glauben, der habe sie weggelockt und mit sich auf sein Schiff genommen. O du Herr Jemine! Das Schiff, worauf die Dirne fährt! Soviel ist wahr, den Buntjack werden die Sturbergsjungen wohl spazieren gesehen haben, aber meiner Sir so weit, als die dummen Leute sich einbilden, ist sie nicht unter Segel gegangen. Ich weiß wohl, wo sie sitzt, und Jochen Eigen, den sie immer den Edelmann schelten, weiß es wohl noch besser, aber der schämt sich und sagt's nicht und verrät nichts von seinen Hausheimlichkeiten, als wenn er mal ein wenig zu tief ins Glas geguckt hat." Und bei diesen Worten machte der Gärtner Christian eine gar absonderliche und verwunderliche Miene.

"Nun, Benzin, nur her mit Euren Geschichten! Jetzt, hoffe ich, wird's einmal wohl ans Licht kommen, warum Ihr bei dem Namen alte Burg immer so wunderliche Reden und Gebärden braucht. Hier muß es irgendwo stecken, daß Ihr auf der Jagd nie in diesen Busch hinein wollt und mit leichten, diebischen Katzentritten an seinem Rande umherschleicht oder Euch in gehöriger Entfernung Eure Stelle anweisen laßt. Darum habt ihr, als die schönen Mamsellen aus Barth jüngst dahin Nüsse pflücken gingen und noch andere hübsche junge Frauen mitgehen wollten, so wunderliche Gesichter geschnitten und sie in den Löbnitzer Wald auf den Kamp zu laufen verlockt, wo man unter den Pfriemenbüschen wohl Hasen und Füchse aufjagen, aber keine Nüsse schütteln kann. Es muß was Besonderes mit diesem Busche sein. Und nun heraus damit! Ich lasse Euch diesmal nicht los."

"Ja, Herr, dies ist Euch ein Busch! hier ließe sich viel erzählen, und wer eine hübsche Frau und schöne Tochter hat, der lasse andere Weiber in diesen Busch Nüsse pflücken gehen. Ich sage nur soviel: wie manche hübsche Jungfer würde ihr Herzleid zu erzählen haben, wenn sie sich nicht schämte! Ich erinnere mich noch, mein Vater hat mir's erzählt,—es sind wohl ein paar Stiege Jahre her—da waren ein paar schöne Jungfern aus Barth gekommen Nüsse zu pflücken, und sie sind hier im Wäldchen verschwunden. Man hat die Verschwundenen tage- und wochenlang gesucht, wie man Stecknadeln sucht, bei Sonnenlicht und Laternenlicht, aber keine Spur von ihnen gefunden, kein Mensch hat sie wiedergesehen. Mein Vater sagt, es sei große Wehklage und Trauer um sie gewesen—denn es waren Kinder ehrsamer und reicher Leute—und zuletzt in Kentz und Starkow und in allen Kirchen umher mit den Glocken um sie geläutet, als hätte ein Wolf oder Bär sie gefressen. Aber deren gibt's hier nicht; ich weiß wohl, wer der Wolf ist. Und doch hat sich's wunderlich genug offenbart: sie waren nicht von wilden Tieren aufgefressen, sondern nach acht bis zehn Jahren von Vergessenheit und Verschollenheit sind sie mit einemmal noch ganz frisch und blank wieder unter den Lebendigen aufgetreten und haben sich nichts merken lassen. Aber die Leute haben doch eine Art Grauel vor ihnen angewandelt und haben ihrer Jungferschaft nicht recht getraut, und die armen hübschen Mädchen haben zuletzt als alte Jungfern sterben müssen.

Und nun will ich erzählen, was Jochen Eigen mir erzählt hat, der diese Geschichten am besten weiß; aber er wird sich hüten sie dem Herrn zu erzählen. Und dann wird der Herr verstehen, warum ich hübsche junge Frauen und Mädchen nicht so leichtfertig in den Wald laufen lassen will, und warum ich neulich krank ward, als ich die Nacht bei dem Fuchsbau am Burgwall, wo sie gegraben hatten, Schildwache stehen und die jungen Füchse, wenn sie etwa heraus wollten, zurücktreiben sollte.

Vor langen, langen Jahren war Jochen Eigens Urgroßvater*, ein prächtiger, stolzer Edelmann, so prächtig und steinreich, daß er den Zaum seines Pferdes mit Juwelen besetzte und in einem goldnen Steigbügel saß. Dieser hatte im Lande Rügen und auch hier im Pommerlande viele schöne Höfe, Wälder und Bauern, so viele, daß man sie nicht zählen konnte—ein prächtiger, stolzer Mensch, der mit sechsen vom Bock fuhr, einen Läufer vor sich herlaufen und seine Pferde in langen Strängen springen ließ. Aber es war ein wilder, verwegner Mensch, der nichts von Gottes Wort und Wegen wissen wollte, ein toller Jäger und Reiter und ein greulicher Weiberjäger, der wie der Falk auf die Tauben, auf die schönen Dirnen lauerte. Diesem Eigen hat in jenen alten Zeiten auch Löbnitz und Diwitz und Wobbelkow gehört, und hier bei Löbnitz hat er im Walde ein prächtiges Burgschloß gehabt mit vielen Türmen und Fenstern, wo er manche schöne Nacht durchschwärmt und durchtrunken und mit seinen lustigen Gesellen bei Wein und Weibern bankettiert hat. Und dort auf dem hohen Hünengrabe an dem andern Ufer, dort am Wege zwischen Redebas und Wobbelkow, hat er sich ein prächtiges, aus eitel gehauenen demantenen Steinen gebautes Lustschloß hingestellt. Da ist er oft hingaloppiert und hat dort gesessen und mit einem Kieker auf die Landstraßen umher ausgeschaut, ob seine wilden Lauscher und Räuber, die er ausgeschickt hatte, schöne Weiber einzufangen, nicht irgendwo mit Beute heransprengten. Diese armen Gefangenen haben sie dann bei nächtlicher Weile, wo andere gute Christenleute schlafen, auf die Burg im Walde geschleppt und dort versteckt, daß weder Hund noch Hahn danach gekräht hat. So hat der böse Mensch sein wildes, verruchtes Wesen viele lange Jahre getrieben, und Gott hat ihm manchen Tag die Zügel schießen lassen. Das lag aber in seinem Blute, und Jochen, dem der Edelmann lange vergangen sein sollte, dessen Großvater schon ein armer Weber gewesen—der Herr glaubt nicht, was die alten Leute von dem zu erzählen wissen, wie grausam der in seinen jungen Jahren auf die hübschen Dirnen gejagt hat. Er will sich's nun nur nicht mehr merken lassen, aber diese lüsternen Edelmannsnücken hat er noch genug in sich. Endlich aber ist doch des alten wilden Jägers Tag gekommen, es ist Krieg geworden, und Pest und Hunger und Moskowiterzeit und Kalmückenzeit, ich weiß den Namen nicht recht, aber eine grausame böse Zeit ist gekommen, und da ist jener Bösewicht auch von seinem Jammer gefaßt worden: seine Schlösser und Häuser verbrannt, seine Scheunen und Speicher ausgeleert, sein Vieh weggetrieben. Da hat er sich zuletzt hier in die Burg bergen und verstecken und knapp leben lernen müssen wie andere arme Leute. Da ist seine Rechnung bei dem höchsten und obersten Rechenmeister übervoll gewesen, und er hat ihn mit seinem Blitz geschlagen und sein prächtiges Sündenhaus angezündet, und er und seine Weiber sind alle zu weißen Aschen verbrannt, und von der ganzen Herrlichkeit, wo sonst Geigen und Trompeten klangen und Tag und Nacht bankettiert ward, liegen noch kaum ein paar Steine da, und nun sind die Füchse und Marder und Eulen die einzigen Nachtmusikanten.

—————————————— * Die Eigen sind allerdings ein altes adliges Geschlecht in der Insel Rügen gewesen, aber jetzt längst verloschen und verschollen. Möglich, daß Jochen Eigen, welchen sie gern den Edelmann schalten, aus jenem Geschlechte war. Ich habe weder Lust noch Veranlassung gehabt seinem Ursprunge diplomatisch nachzuforschen. Bei diesen Geschichten dringt sich übrigens wieder die bekannte Erfahrung auf, daß Bauern und Dienstleute in Erinnerung mancher Unbill und Ungerechtigkeiten, die ihnen von schlimmen Edelleuten widerfahren sind, indem sie der freundlichen Herren darüber vergessen, eine Freude und Ergötzung erleben, wenn sie sich märchenhaft erzählen, wie das Unglück oder gar der Gottseibeiuns irgendeinem bösen verruchten Geschlechte das Garaus gemacht habe. ——————————————

Der Herr weiß wohl die alte Eiche, die dicht an der Burg steht, ein besonderes altes Gewächs, welchem der Blitz auch vor einigen Jahren die eine Hälfte abgespaltet hat. Da spielt jetzt eine gar wunderliche Musikantengesellschaft drauf. Wenn man nur achtgibt und aufmerkt, daß auch kein Vögelchen im Walde schwirrt und zirpt, um den Baum ist's nimmer still. Spatzen und Zeisige und Meisen flattern und schreien da bei Tage in solcher Menge, daß man sein eigen Wort nicht hören kann, und des Nachts—o herrje!—machen die Eulen und Krähen und Raben ihren Gesang, daß einem die Haare zu Berge stehen. Sie sagen auch, daß die Füchse dann aus ihren Löchern kommen und mitheulen, und daß die Schlangen, deren unten am Bache so viele sind, dann einen Ringeltanz halten; aber ich habe es nicht gesehen. Das ist aber einmal wahr, daß man die Pferde, die in ihren Nüstern von Gespenstern und anderm Teufelszeug eine Witterung haben, an dieser Seite des Waldes selbst bei Tage kaum grasen sieht. Der Herr hat auch wohl den schwarzen Storch gesehen, der nicht weit von der Burg auf einer abgestumpften Buche horstet. Hier um Löbnitz, Redebas und Divitz, wo die Barthwiesen und Bäche so viele Nattern, Schlangen und Frösche ziehen, hat's der Störche auf allen Dächern und Scheunen die Menge, aber nirgends sieht man einen schwarzen Storch als hier. Zuweilen sollen Jahre sein, so er ganz ausbleibt, schon seit Menschengedenken hat man davon gesprochen, aber er erscheint zu seiner Zeit immer wieder. Dieser schwarze Storch ist hier der Feldhauptmann des ganzen Vogelgefieders. Viele Leute sagen, er sei der alte Edelmann selbst oder auch ein Sohn von ihm, den er mit einer Mohrenprinzessin gezeugt haben soll, die er dem Sultan im Mohrenlande abgekauft hatte. Denn Zauberer, Hexenmeister, Mohren und solches wanschaffene Teufelsgesindel, das keinen ordentlichen Vater und Mutter vorzeigen kann, wippsen hier des Nachts umher, und diese haben die vielen Fußtritte ausgetreten, die zu dem Wall hinlaufen; denn die Menschen hüten sich wohl, um dieses Revier Fußsteige zu machen. Dieses Gesindel wohnt bis auf den heutigen Tag in unterirdischen Sälen, die noch viele hundert Schuh tief unter den Füchsen liegen, und mancher hat es deswegen tief unter dem Wall heraus oft so wunderlich sausen und klingen gehört, mit ganz anderer Gewalt und andern Tönen, als Füchse und Marder in ihren Löchern machen können. Mit diesem schwarzen Storch ist es ein gar absonderliches Ding. Das wissen alle Bauern und Hirten zu erzählen, er hat auf den Wiesen ein dreimal größeres Jagdrevier als irgendeiner der bunten Störche, und keiner von diesen kommt ihm in sein Verbiet; ja sie fliegen gleich davon, als wenn sie den Teufel sähen, sobald sie ihn nur von fern erblicken. Des Nachmittags gegen den Abend, wenn die Sonne ins Gold zu gehen anfängt, sieht man ihn zwischen der Burg und dem Hünengrabe immer hin und her fliegen, auch sitzt er dann oft auf diesem Hügel und schaut gegen die Stadt Barth hinüber, woraus er in seinen Tagen vielleicht manche hübsche Dirne verlockt hat. So muß er nun nach Gottes Spruch und Urteil viele Jahrtausende in Vogelgestalt herumfliegen—denn wer wird ihn zu erlösen kommen?—und statt seiner früheren Leckerbissen mit der schlechten Speise der Frösche und Schlangen, die jeder Mensch anspeit und ausspeit, vorlieb nehmen, und in seinem schwarzen Rock zeigen, daß er ein Schelm und Bösewicht von Natur ist. Aber es ist sonst doch noch etwas anderes dabei, und das ist eben das Greuliche, der Matros in der bunten Jacke. Ich weiß nicht, ob es ein Matros ist, in welcher Gestalt ihn viele wollen gesehen haben, oder ein hübscher flinker Jägerbursch, aber die bunte Jacke gehört einmal dazu. Und keiner versteht, wie dieser Buntjack und der Schwarzrock, der Storch, zugleich da sein können, und was diese Vermaskierung bedeutet, aber ein buntes Teufelsspiel ist es sicherlich, und hat manche arme Seele um Ehre und Glück gebracht. Denn wenn so ein glatter Geelschnabel und Grünling von einer hübschen jungen Dirne oder ein anderes schönes Weibsbild hier im Walde Blumen lesen oder Nüsse pflücken geht und ihre Gedanken nicht in acht nimmt, daß sie nicht ganz auf Gottes Wegen bleiben—ich meine, wenn sie etwas zu junges und zu Lustiges denkt oder mit verbotenen Götzenbildern des Herzens spielt, wie unser Herr Pastor Scheer sagt, auf der Stelle stellt sich der schöngestreifte Buntjack ein und macht vor ihr seine Kratzfüße. Er macht sich gar leidig und freundlich heran, reicht Blumensträußchen, erbietet sich als Diener die Nußbeutel zu tragen, und spielt so mit tausend Blücklingen und Heuchlingen und Schmeichlingen um die Weibsen herum, daß die armen Begigelten und Behexten nicht wissen, wie ihnen geschieht, und nimmer gewahr werden können, welch ein Hahnenfüßler er ist. Auch kommt er wohl immer ganz wie von ungefähr als ein feiner, blöder Jüngling, als ein hübscher, unschuldiger Knab', irgendein buntes Vöglein auf der Hand tragend und sprechend: 'Sie sucht Blumen, schöne Jungfer, Sie will Nüsse pflücken—o komm Sie mit mir! Ich weiß wo schönste Blumen stehen, wo braune Nüsse in Menge hängen.' Und so lockt er sie fort, und führt sie durch Blumen und Nüsse immer tiefer in den Wald, und lockt sie endlich auf den Burgwall—'O da ist eine ganz prächtige Aussicht, schöne Jungfer', ruft er, 'da kann Sie die schöne Welt mal weit umher überschauen.' Da oben liegt aber ein kleiner roter runder Stein wie zu einem Sitz zurechtgemacht mit einem immergrünen Plätzchen daherum, da hat der Schelm Blumen und Nüsse hingestreut, und wohl rosenrote Äpfel und Pflaumen, und heißt sie sich setzen und sich des Blicks über die weite Landschaft freuen. Aber siehe! Wie sie herantreten und den Stein berühren, tut sich das grüne Plätzchen auf, und Buntjack und Jungfer und Nüsse und Blumen—alles sinkt plötzlich tief in die Erde hinab, in die unterirdischen Säle, aus welchen es oft so wunderlich herausklingt—und die armen versunkenen Dirnen kommen nimmer wieder, oder einige kommen auch wohl nach Jahren wieder an das Licht und unter die Menschen, aber sie schämen sich zu sagen, wo sie so lange gewesen sind und was ihnen widerfahren ist. O wie manche hübsche Jungfer, die mit dem lustigen Buntjack Blumen und Nüsse pflücken ging, hat hier den Blumenkranz ihrer Unschuld verloren. Ich sage soviel, meine Frau ließe ich für alle Schätze der Welt nicht in diesen Busch gehen. Die Jungen, die des Nachts auf den Wiesen die Pferde hüten, erzählen viel von dem Eulen- und Krähengeschrei, aber zuweilen haben sie auch ein Wimmern und Winseln wie tief aus der Erde heraus gehört, und dann haben sie den schwarzen Storch gesehen sich in der Luft über dem Walde mit den Flügeln wiegend und klatschend, als sei ihm das eine Freude. Aber ich weiß nicht, ob man alles so glauben soll, aber gewiß böses Spiel ist dahinter, wiewohl man glauben soll, daß Gott solches Spiel nicht zuläßt bei denen, die mit den rechten Gedanken und mit frommen Bibelsprüchen in der Brust versehen sind, und wenn sie sich auch unter lauter Teufelsgesindel im düstersten Walde und in einsamster Wüste verirrt hätten."

Der Rabenstein

Es gibt viele absonderliche und wunderseltsame Geschichten und Dinge in der Natur, von welchen kein Mensch begreift, wie sie sich begeben und zusammenhängen, und sind doch da. Und wenn die Menschen sie erzählen hören, erstaunen sie und erschrecken, aber wissen können sie sie nicht. So ist es auch mit dem Rabenstein, wovon viele erzählen, aber keiner etwas Gewisses weiß; daß es aber Rabensteine gibt, das weiß man wohl.

Ihr habt auch wohl von Diebslichtern gehört. Die sind fast eben wie der Rabenstein und wie andere unsichtbare Diebslaternen. Es ist aber greulich zu erzählen, wie Diebslichter gewonnen werden. Sie sind die Finger von ungeborenen und unschuldigen Kindlein; denn die Finger von schon geborenen und getauften Kindern kann man dazu nicht gebrauchen. Und was für ungeborene Kindlein sind das? Und wie muß man die Lichter gewinnen? Wenn eine Diebin oder Mörderin sich selbst erhängt oder ersäuft hat oder gehängt oder geköpft worden ist und ein Kind in ihrem Leibe trägt, dann mußt du hingehen um die Mitternacht, auf des Teufels Straßen, und nicht auf Gottes Straßen, mit Beschwörungen und Zaubereien, und nicht mit Gebet und Segen, und mußt ein Beil oder Messer nehmen, das von Henkershänden gebraucht ist, und damit den Bauch der armen Sünderin öffnen, das Kind herausnehmen und seine Finger abschneiden und zu dir stecken. Aber solches muß durchaus um die Mitternacht vollbracht werden und in vollkommenster Einsamkeit und Schweigsamkeit, so daß auch kein leisester Laut, ja kein ach! und kein Seufzer über die Lippen des Suchenden gehen darf. So gewinnst du Lichter, die, wenn du willst, brennen, und, wie kurz sie auch sind, doch nimmer ausbrennen, sondern immer gleich lang bleiben. Diese Zauberlichter haben die sonderliche Natur und Eigenschaft, daß sie augenblicklich brennen, wie und wo ihr diebischer Inhaber nur denkt oder wünscht, daß sie brennen sollen, und ebenso geschwind als sein Wunsch und Gedanke erlöschen. Durch ihre Hilfe kann er in der dichtesten finstersten Nacht, wenn und wo er will, alles sehen; sie leuchten aber nur für ihn und für keinen andern, und er selbst bleibt unsichtbar, wenn sie auch alles andere hell machen. Dabei sitzt noch die Greulichkeit in ihnen, daß sie eine geheime Gewalt über den Schlaf haben und daß in den Zimmern, wo sie angezündet werden, der Schlafende so fest schnarcht, daß man zehn Donnerbüchsen über seinem Kopf losknallen könnte und er doch nicht erwachte. Denke, wie lustig sich da stehlen und nehmen läßt!

Auf diese Weise werden die Diebslichter gewonnen und gebraucht, aber anders der Rabenstein und nicht so greulich, wiewohl auch ein vom Satan und von seinen Gelüsten verblendetes und verhärtetes Herz dazu gehört, sich den Rabenstein in die Tasche zu schaffen. Dies ist aber der Rabenstein, und auf folgende Weise wird er gewonnen:

Die Raben, Krähen, Adler und andre solche Vögel, welche scharfe Schnäbel und Klauen haben und von Gott auf den Raub angewiesen sind, sagen die Leute, werden sehr alt und leben wohl zweihundert und dreihundert Jahre, also viel länger als die ältesten Menschen. Wenn nun ein Rabenpaar hundert Winter miteinander gelebt und geheckt hat, dann legt es erst den Rabenstein, und, wie sie sagen, alle zehn Winter einen neuen Stein. Dieser Rabenstein soll nach der Sage aus den Augen der Diebe herauswachsen, welche die Raben am Galgen ausgehackt haben; und das müssen die Raben an vielen hundert Dieben getan haben, ehe sie einen solchen Wunderstein legen können. Er ist von der Größe einer Wälschen Nuß oder eines Rabeneies, ganz rund und glatt und feuerrot wie ein Karfunkelstein, und die Raben legen ihn in der letzten Nacht des Hornungs: denn noch im Winter legen sie ihre Eier und im ersten Frühling, wann es noch reift und friert, haben sie schon befiederte Jungen. Es hat aber dieser grausige Wunderstein zwei Eigenschaften; die erste, daß er in der Nacht leuchtet wie eine Sonne und alles umher hell, seinen Träger aber unsichtbar macht, so daß sich herrlich mit ihm stehlen läßt: die zweite, daß er zu Galgen und Rad hinlockt.

Wer einen Rabenstein suchen und fangen will, der muß in die hohen Forsten suchen gehen, wo die großen, himmelhohen Bäume stehen; denn auf den schlanksten und schiersten Fichten, Eschen und Buchen, welche der gewandteste Matrose nicht leicht erklettern kann, baut der kluge Vogel Rabe sein Nest. Da muß er lauschen und lugen, wo er Rabentöne aus hoher Luft klingen hören und Rabennester entdecken mag, und zwar an solchen Tagen, wo Schnee gefallen ist; denn dann kann er allein die rechten Nester finden. Er mag nämlich alle Nester ruhig sitzen lassen, unter deren Bäumen Schnee liegt, denn in solchen ist kein Rabenstein. Der Rabenstein nämlich ist so warm von oben, daß es unter seinem Neste nimmer friert noch taut und daß der Schnee in der Minute vergeht, in welcher er fällt. Aber wer dies auch weiß, kann doch wohl hundert Jahre in allen Wäldern und unter allen Bäumen herumlaufen und sich die Augen aus dem Kopfe gucken, und findet doch das Nest mit dem Rabenstein nicht. Denn das Glück oder gottlob leider der Teufel läßt sich nicht immer so leicht greifen, als die einfältigen Leute sich einbilden. Denn überhaupt sind wenige Raben in der Welt, und von diesen wenigen wie wenige werden hundert Jahre alt oder gar zweihundert und dreihundert! Weil strenge Winter, wilde Buben, Jäger und mächtigere Raubvögel die meisten in der Jugend verderben—und ferner, wie schwer auch sind die Rabennester zu finden, da der Rabe nur einen Klang oder Ton macht, wenn er in hoher Luft fliegt oder auf dem Aase sitzt oder im Neste angegriffen wird, sonst aber der verschwiegenste und einsamste aller Vögel ist! Hat nun auch einer einmal einen solchen Baum gefunden, so will es noch ein rechtes Löwenherz, ja Satansherz dazu, den Rabenstein aus dem Neste herunterzuholen. Denn hört, wie das geschehen muß:

Wer den Rabenstein haben will, der muß in der letzten Nacht des besagten Hornungs in den Wald gehen, wo der Baum mit dem hoffnungsvollen Neste steht. Er muß ganz einsam und allein kommen, und auch keine Menschenseele muß wissen, wohin und wofür er ausgegangen ist; und auch keinen Laut, nicht einmal ein Hustchen oder ein Seufzerlein darf er von sich geben. Auf die Glocke der Zeit muß er achtgeben und genau um die Mitternachtstunde zur Stelle sein; denn nur in der Gespensterstunde, zwischen zwölf und eins in der Nacht, läßt der Stein sich gewinnen. Dann muß er sich so splitterfasernackt entkleiden, wie Adam weiland im Unschuldkleide der Natur im Garten Eden gestanden ist; und in diesem Naturkleide muß er nun den Stamm hinaufklettern und zitternd und bebend im Sinn behalten, daß er keinen Ton vernehmen lassen darf; denn alsbald ihm auch nur der leiseste Laut entführe, würde er gleich des Todes sein. Aber nun merkt euch hierbei wieder des Teufels List. Wenn er den armen gierigen Kletterer bis oben zur Spitze hinaufgelockt hat, wo das heillose Nest sitzt, dann darf er nicht hineinschauen und sich den leuchtenden Stein aussuchen, sondern er muß sich nun noch dreimal um den Stamm herumschwingen, die Augen zutun, und blind hineingreifen, und was sein Finger zuerst berührt, das muß er behalten. So hat sich's oft begeben, daß manche mit einem faulen Ei heruntergekommen sind und für alle Angst, Arbeit und Schmerzen nur Spott gehabt haben. Es bringen es überhaupt wohl wenige zustande mit dem Rabenstein, unter Hunderten, die ihn begehren, wohl kaum einer. Denn alles ist dabei halsbrechend und ungeheuer. Den meisten vergeht gewiß schon die Lust, wenn es um die kalte tote Mitternacht an das Auskleiden gehen soll, und sie nehmen in der Angst die Flucht, und haben dann gewiß das Geschwirr und Gesurr des höllischen Nachtgesindels im Nacken hinter sich. Auf diese Weise hat mancher freche und verwegene Bursch Schuh und Stiefeln, Rock und Hut verloren und den Leuten hinterher von Dieben und Räubern erzählt, die ihn so bis aufs Hemd ausgezogen haben; die guten Leute hätten diese Räuber und Kleider und Schuh aber unter dem Rabennest finden können. Viele erfrieren und ermatten auch, indem sie den Stamm kaum halb hinaufgeklettert sind, oder können es vor Schmerz nicht länger aushalten, denn es geht dabei wohl an ein ehrliches Schinden der Knie, Schenkel und Arme, und so müssen sie endlich mit Schimpf zurückkriechen oder fallen auch wohl gar jämmerlich herunter. Das bleibt aber wahr, wenn sie auch oben bis zur äußersten Spitze und zum Neste gelangt sind, dann wird's erst recht teuflisch und gefährlich. Nun in der Mattigkeit und Angst den vollen Verstand behalten und den Ton so bezwingen, daß auch kein Laut aus der Brust dringt, die Augen zutun, sich dabei dreimal um den Stamm schwingen, und dann mit der Hand ins Nest fahren und den letzten Glücksgriff tun—das ist wahrhaftig nicht jedermanns Ding. Dabei stürzen noch die meisten herunter und brechen den Hals, besonders wenn es ihnen zu mächtig wird und sie doch stöhnen oder murmeln. Dann ist es um sie getan. Sowie auch nur der leiseste Laut fast nur atmet, geschweige klingt, ist sogleich ein ganzes Heer da, das mit zu dem Satansgaukelspiel gehört. Viele hunderttausend Raben füllen plötzlich mit ihrem Gekrächze die Luft und umflattern den armen Sünder, und fallen mit Flügeln, Klauen und Schnäbeln so dicht auf ihn, daß er herunter muß, er mag wollen oder nicht. Da geht's denn zuletzt an den Sturz und an ein Hals- und Beinbrechen—denn wäre der Kletterer ein Löwe von Mut und Stärke, er muß herunter—und mit den Augen und einem bißchen von Wangen und Nase nimmt die Gesellschaft gleich fürlieb. Dies sind die Geschichten, wovon man so oft hört, die man auch oft in Zeitungen liest, wo auf die vermeinten Mörder gelauscht und gefahndet werden soll: ein junger Jägerbursch oder Handwerksbursch sei nackt und zerrissen und zerfleischt im Walde gefunden, von Räubern ausgeplündert und erschlagen oder von zuckenden Bären und Wölfen zerrissen. Er hat sein mitternächtliches Wagstück mit dem schwarzen Federvolke so bezahlen müssen, und die Räuber, Mörder und reißenden Tiere haben weder Knüppel und Pistolen noch Zähne und Tatzen geführt.

Und nun will ich auch eine Geschichte erzählen von einem, der den Rabenstein besessen hat, und was er ausgerichtet und wie es mit ihm geendet hat.

Vor langer langer Zeit lebte zu Boldewitz auf Rügen ein reicher und vornehmer Herr, der vieler Kaiser und Könige und Potentaten in schweren Fällen Kriegsobrister gewesen war, der hieß Herr Friedrich von Rotermund. Dieser brachte aus der Türkei oder aus der Tartarei, kurz, aus den Heidenländern, wo sie Weiber kaufen, wie bei uns die Pferde, ein wunderschönes Weib mit, von welcher kein Mensch wußte, ob sie eine Heidin oder Christin war. Sie war aber nicht sein eheliches Weib, sondern seine Kebsin. Mit dieser zeugte er ein Feierabendskind, und das war ein Knabe und hieß auch Friedrich. Es war aber kein Friedrich, sondern ein rechter Kriegerich; denn der Krieg und die Wildheit steckte darin, und er war von keinem Schulmeister noch Züchtiger zu bändigen, sondern ging durch wie ein kosakisches oder tartarisches Pferd. Er war aber schön wie Sonnenschein und stark wie Eichbäume und bei all seiner Wildheit den Menschen über die Maßen angenehm und gefällig; so daß jeder den Buben gern hatte. Nach seines Vaters Tode, als er fünfzehn Jahre alt war und nun einem älteren Bruder gehorchen sollte, welcher der Sohn der echten Ehefrau des alten Rotermund war, ertrug er die strengere Zucht nicht, sondern entlief und kam nach der Insel Hiddensee, und ging von da zu Schiffe in alle Welt hinaus und ward ein gewaltiger Matros. Als er sich das muntre Seeleben ein halbes Dutzend Jahre versucht hatte, ist er einmal wieder nach Stralsund gekommen und von da zu Hause nach Bergen in Rügen, wo seine Mutter wohnte. Und seine Mutter und andere Freunde haben ihn dort beredet, er solle auf dem Lande bleiben, welchem Gott feste Balken untergelegt hat, und das unstäte und unsichere Meer verlassen. Und er ist zu einem Förster in die Lehre gegangen, daß er das fröhliche und lustige Weidwerk lernte, und bald ein flinker und hübscher Jägerbursch geworden, vor welchem die Weiber und Mädchen in den Türen und Fenstern stillstanden und ausschauten und freundlich nickten und grüßten, wenn er vorüberging; denn er ist wohl einer der schönsten und reisigsten Menschen gewesen, die man weit und breit sehen konnte. Hier hat er nun aber, wie es oft bei den Weidmännern geschieht, mancherlei verbotene Künste gelernt, ist ein Freischütz geworden, und hat sich den Rabenstein geholt. Dies war dem mutigen Matrosen nur ein Spiel gewesen, welchem im wildesten Sturm nimmer ein Mast zu hoch noch zu glatt gewesen, daß er ihn nicht erklettert und von seiner Spitz dem heulenden Meer fröhlich in den offenen Todesrachen geschaut hätte.

Fritz Rotermund—so nannten ihn die Leute—hat sich nun von seinem Funde des Rabensteins nichts merken lassen, sondern seinen karfunklischen Diebsschlüssel gar lustig gebraucht; doch weil er von Natur sehr gutherzig und freundlich war, hat er keine sehr greuliche Taten getan, sondern solche, welche die leichtsinnige Jugend oft nur lustige Streiche nennt. Weil er mit seinem Stein unsichtbar in alle Häuser und Kammern gehen konnte, so hat er freilich die lustige Gabe genutzt, aber nie keinem ehrlichen oder armen Menschen nur einen Heller genommen; sondern wo er einen bösen, ungerechten Herrn wußte, der auf seinen Schätzen lag, die er aus dem Schweiß und Blut seiner geplagten Untertanen zusammengepreßt hatte, oder einen Filz und Wucherer, der unersättlich die letzte Habe der Kleinen und Geringen im Volk verschlang, da hat er fleißig eingesprochen und ihre Kisten und Beutel etwas leichter und schlaffer gemacht. Das ist aber besonders an ihm gewesen, daß er von solcher Diebsbeute fast nie etwas für sich behalten, sondern es fast alles hingetragen hat, wo er arme und notleidende Alte und hungrige und verlassene Kindlein gewußt hat. Da ist er nächtlich und mitternächtlich, wo alle Augen der tiefste Schlaf geschlossen hielt, in die Häuser geschlichen und hat die silbernen oder goldenen Gaben auf Tische, Betten und Wiegen hingeschüttet; daß die Leute, wenn sie erwachten, erstaunten und die Hände zusammenfalteten und beteten. Denn sie konnten nicht meinen, daß eine unsichtbare Diebshand die wohltätige Verteilerin gewesen sei, sondern mußten glauben, es sei von oben gekommen und ein Englein vom Himmel habe es ihnen ins Haus getragen. Und so ist in den Städten und Dörfern, welche der Förster Fritz besuchte, mancherlei Gerede entstanden zugleich von verwegenen Dieben und von wohltätigen Engeln, wie denn Gottes Reich und Satans Reich und die Gespräche darüber hier auf Erden immer mitsammen sind. Aber noch viele andre Schalkstreiche hat der lose Fritz verübt, der leicht wie der Wind allenthalben aus und ein schlüpfen konnte; und was würden die Türen und Fenster, wenn sie Mund hätten, von ihm nicht alles zu erzählen wissen! Doch das darf ich nicht alles erzählen, weil es sich hier nicht schickt; und auch die andern Possenstreiche alle könnte ich nimmer auserzählen, die er zu Weihnachten und Fastnacht und bei Hochzeiten, Tänzen und Mummereien als der unvermummte und doch unsichtbare Gast gespielt hat.

Eine Not aber hat Fritz bald in dem Rabenstein gefühlt, die eine schwere Not war und die als eine Teufelsplage der verbotenen Kunst anhängt. Weil nämlich der Rabenstein aus Galgenvögeln und Galgenaugen geboren wird, so hat er einen heimlichen und unüberwindlichen Trieb zu Galgen und Rad in sich, eine Witterung, die seinen Träger und Besitzer treibt, daß er mit dabei sein muß, wenn es an solchen hohen Stellen etwas zu tun gibt. Wenn daher auf der Insel in einem Hochgericht und an einem Galgen einer geköpft oder gehängt werden sollte, so trieb's ihn mit Teufelsgewalt und wie auf Windesflügeln hin; er mußte mit dabei sein, und sollte er drei, vier Meilen in zwei Stunden laufen, daß dem Atemlosen die Zunge aus dem Halse hing. Das war aber noch viel schlimmer und grausiger, daß er die Geburtstage und Jahrestage der gerichteten armen Sünder mitfeiern mußte. An dem Jahrestage der Hinrichtung nämlich versammelten sich die Geister der Gerichteten, damit sie ihren nächtlichen Totentanz um die Hochgerichte halten; und diesen Tanz begehen sie um die grausige Mitternacht, und da müssen alle die mitfeiern und mittanzen, welche den Rabenstein haben. So mußte denn auch Fritz manche liebe Nacht, wo er gern anderswo geweilt oder geschlafen hätte, im Hagel und Schnee, im Sturm und Donnerwetter hinaus in das wilde Weite und über Heiden und Felder, gleich einem Kain, zu Galgen und Hochgericht fortlaufen und den schaurigen Tanz mittanzen, bis ihm oft der Atem schier auszugehen anfing; denn seine Mittänzer und Mittänzerinnen hüpften begreiflicherweise auf den allerleichtesten Füßen einher. Und die Leute konnten ihm die Reise zu einem solchen nächtlichen Ball wohl anmerken, und daß ihm irgend was Unrechtes widerfahren war—denn er sah acht, vierzehn Tage nachher noch bleich und krank aus—er aber schüttelte alle fremde Bemerkungen und Fragen leicht von sich ab, machte irgendeinen Scherz oder Wind darüber und sagte: "Ei was! Ihr Siebenschläfer, die ihr euch jeden Abend zu regelmäßiger Zeit auf eurem weichen Pfühl hinstreckt, könnt euch wohl rosige Wangen und dicke Bäuchlein anschnarchen; aber mit dem Jäger ist es gar anders bestellt, der muß viel ein nächtlicher Gesell sein: Füchse, Marder, Ottern und anderes Wild, das euch die warmen Pelze liefert, fängt und belauert man nicht beim Sonnenschein. Man stößt da auch wohl zuweilen auf etwas, das nichts taugt, aber das schüttelt ein tapfrer Jäger auch wieder ab, und die tüchtigen und geheimen Jägerkünste zu lernen und die tapfern Jägergeschichten zu bestehen, dazu gebricht euch das Herz."

So hatte Fritz Rotermund es manches liebes Jahr getrieben und hatte wohl frisch und lustig gelebt und für Tänze und Gelage und Spiel und schöne Mädchen immer Geld in der Tasche; aber reich war er nicht geworden, denn volle Taschen konnte er nicht leiden. Er war bisher mit seinem grünen Rock zufrieden gewesen und immer noch ein Jägersmann geblieben; da begab sich aber von ungeschicht etwas, das den wilden Jäger zu einem zahmen Edelmann machen sollte, und das war dieses:

Im Kriege, zur Zeit des Königs Karolus*, waren bei der Stadt Bergen zwei Juden gehängt, die man als Pferdediebe ertappt hatte. Sie hatten dort schon ein Jahr an dem Galgen gebaumelt, als Fritz Rotermund zur Jahresfeier heraus mußte, um zu lernen, wie auf hebräisch um Galgen und Rad getanzt wird. Und da hat er einen recht geschwinden davidischen Reigen tanzen gelernt, denn die jüdischen Geister hatten sich in einem so schnellen asiatischen Schwunge herumgedreht, daß er—was ihm noch nie begegnet war—ermattet in Schlaf hingesunken und erst erwacht war, als das Morgenrot den Ost schon zu hellen begann. Da, als er erschrocken aufsprang, begab es sich, daß der Wind ihm die lumpigen Rockzipfel des einen Galgenkrametvogels, unter dessen dürren Beinen er in Schlaf gefallen war, so heftig gegen die linke Backe wehte, daß das Blut darnach heraussprang. Der Fritz, als er den Backenstreich fühlte und auf der darnach tastenden Hand Blut erblickte, rief halb schauderig, halb lachend aus: "Ei! ei! Mauschelchen! Du hast auch verdammt scharfe Knöpfe und willst deine Leute wohl an mir rächen, welchen ich in andern Geschäften zuweilen auch wohl mitternächtliche Besuche abzustatten pflege?" Und zugleich schaute er nach dem Rocke, und sah auch kein kleinstes Zeichen von einem Knopf, und das verwunderte und schauderte ihn noch mehr. Er ergriff daher den im Winde fliegenden Zipfel, damit er näher untersuchte, ob irgend in den Falten ein Knopf verborgen stecke. Aber auch da fand sich nichts. Wohl aber fühlte er etwas Hartes in den Ecken, und sah bald, daß diese mit tausend Fäden hin und her im Unterfutter so durchnäht waren, als wenn sie bis zum Jüngsten Tage halten sollten. Er griff nun frisch zu mit seinen Jägerfäusten und riß den ganzen Rockzipfel zu Fetzen auseinander, und was erblickte er? Ein paar funkelnde Edelsteine fielen vor ihm auf die Erde.

—————————————— * In Schweden und in den damals schwedischen deutschen Ostseelanden ist dieser König Karolus (Karl der Zwölfte) gleich dem Iskander der Morgenländer und unserm Friedrich Rotbart auf dem Kyffhäuser wenige Jahrzehnte nach seinem Tode ein mythischer Name geworden. Alles längstvergangne Ungeheure und Gewaltige reiht sich unter solche Namen; ob ein Jahrhundert oder einige Jahrtausende rückwärts oder vorwärts gerechnet werden müssen, was kümmert das das Volk, welches für das Poetische und Mythische eine wahrhaft göttliche Zeitrechnung hat, das heißt: nach dem gewöhnlichen Maße gemessen gar keine. ——————————————

Er nahm sie auf und betrachtete sie an seinem Rabenstein und an dem hellen Morgenrot, und fand, daß diese gegen jene Steine nur wie blasses Wasser waren gegen das rote Feuer. Und hoch sprang er in die Luft empor und rief: "Nun, dies ist der erste Galgentanz, der etwas anderes als Schauder und Greuel gebracht hat", und so trollte er sich davon.

Als er aber nach einer halben Stunde Galgen und Furcht weit hinter sich hatte und die Sonne schon am klaren Himmel stehen sah, da holte er die Steine wieder aus der Tasche und beschaute sie genauer, und wußte bald, was sie wert waren. Denn auf seinen vielen und weiten Seereisen hatte er viele Weltwunder und Meerwunder gesehen, und war auch gewesen, wo die schönen grünlockigen Seejungfern so zauberisch singen, daß die Schiffer den Matrosen, damit sie nicht zu ihnen in die Tiefe springen, die Ohren voll Teer gießen und mit Wachs zukleben müssen, und war auch an das Land gekommen, wo die Diamanten und Rubinen am Strande im Sande liegen, wie bei uns die Kieselsteine, hatte aber keine aufsammeln und mitnehmen dürfen wegen der greulichen Drachen und Greifen, die sie bewachen.

Er lief nun fröhlich zu Hause, holte sein Pferd aus dem Stall, sattelte es, und sagte auf acht Tage Ade, und so trabte er auf die Alte Fähre zu, und von da ging's auf Hamburg oder Berlin, wo er die kostbaren Judendiamanten wieder an Juden verkaufte und mit großen Säcken voll Dukaten, wohl über ein paar Tonnen Goldes, nach wenigen Tagen heimkam.

Nun hatte Fritz Geld in Hülle und Fülle, und mit dem Gelde kamen ihm auch vornehme und ernsthafte Gedanken, ja ganz neue Gedanken, wie er sie noch in seinem Leben nicht gehabt hatte. Er ging hin und ward ein Edelmann, und kaufte seinem Bruder Boldevitz ab, wo sein Vater gewohnt hatte und wo er geboren war, und kaufte auch Unruh und auch mehrere andere schöne Güter, die da herumliegen. Und der Jäger Fritz fuhr nun mit Vieren und mit Sechsen und mit langen Strängen, und hatte Diener und Jäger hinter sich auf dem Bock stehen und Läufer mit silbernen Stäben vor sich herlaufen, und hieß Herr Fritz von Rotermund, wie sein Vater in seinen Tagen geheißen hatte. Und nun nahm er sich auch ein schönes adliges Fräulein zur Frau und zeugte Söhne und Töchter, und lebte und gebärdete sich wie ein anderer Herr. Er blieb aber so freundlich und gebäurisch mit den Menschen und war so mild gegen seine Leute und so mitleidig gegen die Armen, daß alle verwundert sagten: Der wilde und leichtfertige Fritz ist ja ein Mensch und dazu noch ein Christenmensch geworden.

Und das war nicht bloß eitler Schein, sondern es war ihm herzlicher Ernst. Als Fritz so großes Gut erworben hatte und ein Edelmann geworden war, da schien auch wirklich ein neuer Geist in ihn gefahren zu sein, ein besserer Geist, der sonst so selten mit dem geschwinden und plötzlichen Reichtum ins Haus zu kommen pflegt. Er verabscheute von nun an seinen Rabenstein und seine mitternächtlichen Diebsschliche, liebte auch seine alten Schalkstreiche nicht mehr, sondern wollte sich wirklich von Herzen umwenden und bekehren und wieder ein Mensch Gottes werden, hielt sich daher hinfort zu andern guten Christen und zu Kirche und Abendmahl, und lebte mit Frau und Kindern und mit Freunden und Nachbarn und mit allen Menschen so, daß alle ihn lieb und wert hielten und seiner Jugend und Jugendstreiche gern vergaßen. Wie er nun aber wirklich christlich und menschlich zu sein und zu leben strebte, so hatte er doch noch einen plagenden Wurm, um welchen er und sein Gott allein wußten, und dieser schlimme Wurm war sein Rabenstein. Was der arme Mann um diesen ausgestanden und gelitten hat, das ist gar nicht zu beschreiben.

Er fühlte nämlich, sowie er sich wieder zum Christentum und zum Glauben seiner Kindheit zurückgewendet hatte, daß der Rabenstein nichts Geheures war, sondern eine böse teuflische Gaukelei, und hätte ihn sogleich von sich werfen mögen in den tiefsten See oder in die verborgenste Erde vergraben oder in dem gewaltigsten Feuer verbrennen, damit nimmer eine Menschenhand ihn wiederfände und mit seinem höllischen Glanze Unheil stiftete. Aber! aber! Wie ist es dir ergangen, armer Fritz Rotermund? Man wird des Rabensteins noch viel schwerer los, als man ihn gewinnt. Sowie Fritz den Rabenstein von sich werfen, wie er ihn der verschlingenden See, dem verzehrenden Feuer überliefern wollte, wich der tückische Stein kaum eine Sekunde von ihm, und flog ihm immer wieder in die Hand zurück, die ihn mit aller Gewalt von sich geschleudert hatte, oder in die Tasche, woraus er genommen war. Da hat nun Fritz, der jetzt wahrhaftig nicht der muntre und fröhliche Fritz heißen konnte, es nach und nach mit allen Elementen versucht, ob etwa eines den Stein lieber annähme als das andre; aber der fürchterliche Stein ist der unverlierbare und unzerstörbare geblieben. Er hat es außer diesen unglücklichen Proben am eifrigsten und unablässigsten mit dem allerbesten Element versucht, mit Andacht und Gebet; und wie viel er da gerungen hat, wie viel und oft er um die stille Mitternacht in seiner Kammer und im einsamen Walde und an heiliger Stätte auf den Knien gelegen und seinen Gott und Heiland um Barmherzigkeit gefleht hat, daß er ihn von dem Bösen erlösen wolle, das weiß auch Gott allein. Immer noch hat er die blutigen Gerichtstage mithalten und die mitternächtlichen Galgentänze noch mittanzen müssen, und jetzt mit entsetzlichem Grausen und Schaudern, weil der Christ wußte, was es war. So hat er wohl zwanzig Jahre gelebt in seinem neuen Stande, äußerlich der freundliche, christliche Mensch, der milde und barmherzige Herr, innerlich der Gepeinigte und Gemarterte. Er hat aber nicht abgelassen und ist nicht müde geworden in Demut und Gebet, und hat dies alles mit gebeugtem Herzen getragen als ein armer Sünder, den Gott für seinen leichtfertigen Übermut und seine heidnische Frechheit strafen und durch das, was ihm nun eine so grimme Pein geworden, vielleicht erretten wolle. Endlich ist der Tag dieser Errettung und Begnadigung gekommen, aber auf eine grauenvolle Weise.

Fritz ward eine Nacht zu einem Galgenfest getrieben nach Putbus, wo an dem Wege, auf dem man nach Kasnevitz fährt, etwa eine halbe Stunde vom Schlosse, auf einem öden Heidehügel, noch heute die Trümmer eines Galgens stehen. Dort fand er bei seiner Ankunft das greuliche Nachtgesindel schon in dem greulichen Tanze rundfliegen, und zugleich mit ihm ritt von der andern Seite her als Mittänzer ein Mann auf, der noch mit lebendigem Fleisch umkleidet war wie er und mächtig zu Rosse saß und einen blanken Säbel in der Rechten schwang, als forderte er jemand heraus. Und gewiß, er forderte heraus, denn der Fritz fühlte bei seinem Anblick den heißesten Grimm in sich entbrennen, und mußte sein Schwert ziehen und gegen ihn anlaufen, der, als er Fritzen zu Fuß anrennen sah, von seinem Rappen heruntersprang. Fritz erkannte ihn alsbald als den verrufenen alten Erzbösewicht, der am äußersten Ende der Insel auf Jasmund hauste und von dem die Leute sich viele greuliche und mordliche Geschichten erzählten. Sein Name war von Zuhmen. Der alte graue Schelm erschien aber auf diesem Tanzplatz, weil er vor ein paar Monaten einen Rabenstein gefunden hatte. Nun war er der zweite auf der Insel, der einen Rabenstein besaß und zu dieser mitternächtlichen Totenfeier hinaus mußte. Denn das ist auch noch eine treibende Wut und ein unseliges Verhängnis des entsetzlichen Steins, daß, wenn zwei sich begegnen, die den Rabenstein haben, sie auf Leben und Tod einen Kampf miteinander halten müssen.

Und so trafen denn die zwei in blinder Wut aufeinander und kämpften den gräßlichen Kampf, während das leichte Heer seinen lustigen Reigen um sie tanzte und wirbelte; und wie die Schläge ihrer Klingen sich verdoppelten, so verdoppelte sich in ihren Herzen auch der Grimm. Sie waren aber beide reisige Männer und gewaltig an Fäusten und Gliedern und waren im rüstig frischen Alter ergraut. Und der Kampf dauerte solange der Tanz dauerte, und das Gras um den Galgen war von ihrem Blute rot gefärbt; da, als es von dem Turm eins schallte, stürzte, von einem letzten gewaltigen Streich getroffen, der alte Jasmunder Bösewicht als Leiche hin, Fritz aber entfloh mit Grausen und mit tiefen und blutenden Wunden, die seinen Weg hinter ihm röteten. Er hatte sich aber auf des Feindes Rappen geschwungen, denn seine Füße hätten ihn nicht nach Hause zu tragen vermocht.

Und als der Sommermorgen graute, ritt er matt und blutig ins Tor zu Boldevitz ein und hatte nicht Angst um sein Leben, sondern um seine arme Seele. Und er weckte alsbald seinen treuen Diener und hieß ihn geschwinde ein Pferd satteln und gen Gingst galoppieren, daß er ihm den dortigen Herrn Pfarrer holte. Denn er sprach zu ihm: "Ich war ausgeritten und bin in dem Walde bei Kubbelkow unter Räuber geraten, und sieh! wie sie mich zerhauen haben und wie die Blutströme aus den tiefen Wunden an mir herabrinnen! Es wird in wenigen Stunden aus sein mit dem alten Fritz."

Und der Diener flog wie der Wind auf seinem Pferde dahin, denn er liebte seinen guten Herrn über alles. Und der erschrockene Pfarrer in Gingst war nicht Säumiger, denn er nannte Herrn Fritz Rotermund den besten Christen und den fleißigsten Kirchengänger unter seinen eingepfarrten Edelleuten. Und anderhalb Stunden nach des Dieners Ausflug waren beide in Boldewitz und fanden den alten Herrn auf dem Lager blaß und bleich wie den Tod und sein Weib und seine Kinder um ihn, welche ihm seine Wunden verbunden hatten. Er aber, als der Pastor hereingetreten ist, hat allen gewinkt herauszugehen, damit er mit dem geistlichen Herrn betete und sich zur Abfahrt bereitete.

Und als sie beide allein geworden, hat er dem Pastor alles erzählt und gebeichtet und den Mann so bestürzt, daß er kaum hat beten können. Bald aber hat der fromme Mann sich wieder genommen und hat die Bibel ergriffen und des todwunden Ritters Hände gefaßt, und über ihm gebetet, daß der gnädige Himmel sich des reuigen und zagenden Sünders erbarmen wolle. Und der Himmel hat sich gnädig auf das Gebet herabgelassen, und Fritz hat mit lauter Stimme und sehnsüchtigem Herzen die Worte des geistlichen Herrn nachgesprochen. Und bald hat er sich zum erstenmal in vielen Jahren ganz getröstet gefühlt und laut ausgerufen: "Gelobt und gepriesen sei Gott und Jesus Christus für diese Wunden!" Und der Pastor ist fröhlich erstaunt über diesen Ausruf und über des Ritters erheitertes und erleuchtetes Angesicht, und bald noch viel mehr und viel fröhlicher, als der Herr von oben das hörbare und sichtbare Zeichen der Gnade gegeben. Denn kaum hatte Fritz diesen fröhlichen Ruf des erlösten Herzens getan, als der unselige Karfunkelstein plötzlich aus der Tasche des Edelmanns herausfuhr, wie ein leuchtender Blitz durch die Luft hinzischte, und dann wie eine springende Feuerkugel sich gegen den Ofen schnellte, und kling! Kling! in der Sekunde in Millionen Stücke zerstob, wie ein Sandhaufen auseinanderweht, so daß man auch die Spur nicht von ihm sah. Und Fritz hat wieder freudig gerufen: "Mein Gott und mein Heiland, wie barmherzig bist du! Und sahet und hörtet Ihr wohl, Herr Pastor, wie der Teufel in nichts zerklungen und in Staub zerflogen ist?" Und er faltete in Inbrunst die Hände und dankte und betete; und der Pastor dankte und betete mit ihm und sprach: "So bist du gnädig, barmherziger Gott und Erhalter und Behalter aller Dinge, und erlösest und erquickest den reuigen Sünder!"

Und unter den beiden war große Freude, und sie umhalsten sich in Wonne, wie sich die Engel im Himmel umhalsen, und Fritz sprach: "Mein Abschied ist nahe, und darum geht, Herr Pastor, und holet mir Weib und Kinder." Und der Pastor hat sie gebracht, und Fritz hat die Hände auf sie gelegt und sie zum letztenmal geküßt und gesegnet, und ist dann augenblicklich mit Zuversicht und Freuden heimgegangen. Denn das Blut war aus seinen Adern gelaufen und die Luft an dem irdischen Leben aus seiner Seele.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 19.07.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /