-Prolog-
Jene Männer, die die Schlacht überlebten, selbst die Verletzten frönten dem Alkohol. Wegen dem Sieg hatten Jäger, zu seinen Ehren, 2 Hirsche erlegt, gehäutet, zerteilt und über der Flamme der Feuerstelle gebraten.
Ohne Zweifel war ihnen ein glorreicher Sieg über die Römer gelungen, das konnte Arminius nicht abstreiten. Sie hatten 3 Legionen plus Tross auf ihrem Heimatboden vernichtet. An die 20.000 Mann. Etwas das schier unmöglich schien. Dabei waren die Römer auch nur Menschen aus Fleisch und Blut.
Arminius hinkte, nahm ein Schluck Wein aus dem Krug. Ihm war es gelungen die zerstrittenen Germanenstämme davon zu überzeugen gemeinsam gegen den römischen Vormarsch über den Rhein vorzugehen. Keine leichte Aufgabe, den einige Stammesfürsten neigten zu der Ansicht es sei besser mit Rom Seite an Seite zu leben, statt die Schwerter zu kreuzen. Möglicherweise hatten diejenigen unter dem Fürstenrat sogar recht, doch Arminius, einst im Dienste Roms, wusste es besser. Aus diesem Grund entschloss er sich die Stämme zusammenzuführen und gegen Publius Quinctilius Varus ins Feld zu ziehen. Um die Römer davon abzuhalten das germanische Volk zu unterwerfen. Rom duldete niemanden an seiner Seite, das hatte ihn die Zeit in Roms Diensten gelehrt.
Er schaute auf das Objekt mit dessen Hilfe es ihm gelang die Stammesfürsten zu überzeugen. Ohne, wäre sein Vorhaben nie gelungen, davon war Arminius überzeugt. Gleichzeitig verdeutlichte ihm sein Sieg, wie machtvoll das Objekt war. Kaum keiner unter seinen Männern kannte die Wahrheit. Alleine deswegen war Varus mit seinen 3 Legionen gekommen. Er wollte es in seinen Besitz bringen, um mit der Macht, dass das Objekt beherbergter nach Rom zurückzukehren.
Der einstige Statthalter Germaniens war nicht der Erste, der danach suchte. Mythen, Sagen und Legenden rankten sich um das Objekt und seine Macht. Varus mochte geschlagen sein, doch jemand würde seine Stelle einnehmen.
Arminius durfte nicht zu lassen, dass es in Fremde oder falsche Hände fiel. Aus diesem Grund hatte er einen Entschluss gefasst, von dem niemand etwas erfuhr. Die Gier der Macht konnte Freund wie Feind vergiften.
Ein Junge von 15 Jahren betrat das Zelt des Cheruskerfürsten. Arminius hatte ihn rufen lassen. Er vertraute dem Jungen mehr als seinen engsten Freunden und Beratern. Niemand durfte erfahren, wozu er sich entschloss.
Einen Moment lang betrachtete er das Objekt, bewunderte seine Schön- und Reinheit. Dann verhüllte der Germane es, packte es in eine abgewetzte Ledertasche, zog die Riemen straff und händigte Sie dem Jungen aus.
Dieser nahm die Tasche zögerlich, hängte Sie sich um.
Von seinem Anführer bekam er einen Zettel gereicht. Der Junge nahm ihn, lass, schaute den Fürsten mit überraschten Blick und großen Augen an. „Hast du alles verstanden?“ Arminius trank einen weiteren Schluck Wein.
Der Junge nickte kommentarlos.
„Gut.“ Er nahm den Zettel wieder an sich, warf ihn ins Feuer und sah zu, wie die Flammen es gierig verzerrten. „Geh.“
Das Zögern konnte er dem Jungen nicht verdenken. Er verlangte viel von ihm. Zu viel!! Arminius war davon überzeugt das Richtige zu tun. Der Junge war seine einzige Hoffnung dass das Objekt von der Bildfläche verschwand oder zumindest solange das er die Wiederkehr nicht mehr miterlebte.
Als der Junge schließlich verschwand, wurde er wehmütig. Etwas in ihm wollte es zurückhaben. Die Gier. Arminius konnte ihr widerstehen. Sollte es jemals wieder zurückkehren, hoffte er anderen würde es ebenso ergehen.
Andernfalls war die Welt dem Untergang geweiht.
***
Seufzend lehnte sich Robert Stein zurück. Der Stuhl knirschte unter der Bewegung. Er rieb sich die Augen, gähnte ausgiebig und streckte seine Glieder. Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm, wie spät es war, 2 Uhr 17. Um sich zu vergewissern schaute Stein aus dem Fenster. Draußen herrschte finstere Nacht. Leichter Schneefall rieselte aus den Wolken. Gelegentlich brach die Wolkendecke auf und man sah den Mond.
Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie lange er sich im Institut aufgehalten hatte. Stein blickte sich im Lesesaal um. Niemand war mehr da, außer ihm.
Das Institut schloss um 19 Uhr seine Pforten. Besucher wurden 30 Minuten vor Schluss dezent von den Mitarbeitern darauf hingewiesen dass die Besuchszeit sich dem Ende näherte. Um kurz vor 19 Uhr machten die Mitarbeiter einen Rundgang, baten die Letzten verbliebenden zusammen zu packen und zu gehen. Nur ihn ließen Sie in Ruhe.
Der Grund war der, das Stein nicht irgendjemand war, sondern zu einem illustren Kreis von Leuten gehörte die auch weit nach 19 Uhr im Institut bleiben konnten. Er war Mitglied vom Aufsichtsgremium. Außerdem war der Institutsleiter ein Freund von ihm. Dabei war Stein eigentlich niemand der seine Beziehungen zu seinem Vorteil nutzte. Naja, außer in dieser Sache. Sie war einfach zu wichtig um sich an die offiziellen Öffnungszeiten des Instituts zu halten.
Stein konnte das Gähnen nicht unterdrücken, streckte sich erneut. Um bis spät in die Nacht zu recherchieren, war er einfach nicht mehr jung genug. Der Mann war 63 Jahre alt, hatte lichtes graues Haar, das in seinen jüngeren Jahren voll und braun war. Sein Gesicht sah zerknautscht aus aber von Hause aus freundlich. An sich befand sich Stein in guter körperlicher Verfassung, für jemanden in seinem Alter.
Er nahm seine Tasse, schlenderte behäbig zur Kaffeemaschine, goss sich eine Tasse ein, nippte einmal, um zu testen, wie heiß das schwarze Elixier war. Die Bewegung tat seinen Gliedern gut. Stein sah aus dem Fenster.
Das Gebäude, in dem das Institut untergebracht war, war ein Neubau im Berliner Bezirk Mitte, lag in einer Seitenstraße vom 17. Juli nahe der Siegessäule. Der Schnee blieb liegen, benetzte Straßen und Bürgersteige mit einer feinen weißen Schicht. Der erste Schnee im neuen Jahr.
Stein kehrte zu seinem Arbeitsplatz zurück, nahm einen Schluck Kaffee, stellte die Tasse am vorhergesehenen Platz ab, ließ seinen Blick über das Durcheinander schweifen und überlegte ob es Sinn machte seine Suche fortzusetzen. Die gewünschte Wachmannwirkung vom Kaffee hielt sich in Grenzen. Er war Müde, das verdeutliche die nächste Gähnattacke.
Dennoch packte Stein nicht zusammen. Irgendwo in dem Durcheinander lag das, wonach er suchte, davon war der Mann überzeugt. Sicherlich hätte er Morgen, bzw. Heute weiter danach suchen können, doch sein Drang war stärker als die Müdigkeit und die einsetzende Resignation.
So machte Stein sich an die Arbeit, ohne wirklich zu wissen, wonach er eigentlich suchte. Er wusste nur, sobald er es sah, würde er es wissen. So ging er wahllos die Unterlagen, Bücher und Papiere durch, die auf dem Tisch lagen.
20 Minuten später ließ er davon ab herumzustochern, nahm seine Notizen zur Hand, ging sie durch, kaute auf dem Bleistift herum, überlegte, was wichtig war und was nicht, schaute nach zusammenhängen, blätterte hin und her, schrieb hier und da was hinzu oder strich etwas durch, unterstrich oder umkreiste was anderes.
Bei seinen Nachforschungen war er schon immer akribisch gewesen. Man konnte nie zu wenig Informationen sammeln. Inwieweit sie wichtig waren, zeigte sich erst am Ende. Besser man hatte sie als nicht.
Stein mühte sich 10 Minuten lang einen Ansatzpunkt zu finden, der ihm die Suche erleichterte. Es gelang ihm nicht. Missgestimmt über den Fehlschlag, legte er seine Notizen beiseite, schaute zur Decke hinauf und unterdrückte ein Gähnen.
Er brauchte Schlaf, neue Kraft und Energie, einen wachen Blick. Ansonsten konnte er noch Stunden lang weitersuchen. Möglicherweise eröffnete ihm die Ruhe eine neue Perspektive, an die er im Moment nicht dachte. Ein neuer Ansatz, der ihn ans Ziel brachte oder zumindest näher heran als jetzt.
Niedergeschlagen schaute er auf seinen Arbeitsplatz. Stein sortierte seine Unterlagen und Notizen, legte sie auf einen Haufen, packte die Bücher und Papiere vom Institut zusammen.
Gerade als er ein dünnen ausgeblichenen Ledereinband zu klappen wollte, verharrte der Mann schlagartig. Seine Augen sahen was im aufgeschlagenen Einband, das in seinem Kopf etwas auslöste.
Erst konnte Stein sich keinen Reim darauf machen, doch dann ganz untererwartet, als er schon dachte es sei nichts, fiel es ihm wie Schuppen von Augen. Mit einmal vernetzte sich ein Teil seines Wissens, das bisher lose im Becken schwamm.
Das war es!!
Euphorisch stopfte Stein seine Sachen in die Aktentasche, darunter auch der Einband. Eigentlich war es verboten Bücher, Papiere oder Unterlagen des Instituts mitzunehmen. Doch Stein würde es seinem Freund erklären, sobald er sich sicher war gefunden zu haben, wonach er suchte. Wobei er keinen Zweifel daran hegte, das dem nicht so war.
***
Stein eilte die Treppe hinunter, ging schnellen Schrittes durch die Empfangshalle. „Gute Nacht, Professor.“, rief ihm der Sicherheitsmann hinter der Empfangstheke zu. Er nahm ihn gar nicht wahr. In seinem Kopf fügten sich die Teile ineinander, so das er nicht bemerkte, wie der Sicherheitsmann der Nachtschicht, sein Handy herausholte und jemanden anrief, als Stein durch die Drehtür nach draußen trat.
Schnellen Schritts ging er die Stufen vom Vorplatz hinunter, schaute sich beiläufig um und machte sich auf den Weg in Richtung 17. Juni. Dort wollte Stein ein Taxi nehmen. Er besaß keinen Führerschein und die öffentlichen Verkehrsmittel, die er sonst nutzte, kamen um diese Uhrzeit nicht in Frage.
Unter seinen Schuhen knirschte der frisch gefallene Schnee. Stein warf einen Blick nach hinten, für den Fall das ein Taxi angefahren kam, wollte er es anhalten. Stattdessen sah er wie ein Mann aus einem geparkten Auto stieg, über die schmale Seitenstraße lief und in die gleiche Richtung unterwegs war wie er.
Erst war Stein viel zu sehr damit beschäftigt die Entdeckung aus allen Perspektiven zu beleuchten, doch dann wurde ihm mulmig. So sehr das er wieder nach hinten blickte. Der Mann war immer noch hinter ihm. Ein ungutes Gefühl stieg auf. Er wollte gerade wieder nach vorne sehen, als er bemerkte, wie der Mann wegsah. Stein folgte ihm.
Auf der anderen Seitenstraße war ein weiterer Mann. Ungefähr auf seiner Höhe.
Das konnte kein Zufall sein. Dann entsann er sich dass der Mann auf seiner Seite bereits im Auto gesessen hatte, als er aus dem Institut gekommen war.
Sie hatten auf ihn gewartet!!
Der Schock lähmte ihn nicht, wie man es wohl erwartet hätte, sondern vertrieb die Müdigkeit aus seinem Geist und Körper. Stein legte an Tempo zu, ohne zu rennen. Er war sich absolut sicher, dass die Männer ihn verfolgten.
Da tauchte die breite Allee vom 17. Juni auf. Keine 50 Meter entfernt lag die beleuchtete Siegessäule, eins der Wahrzeichen von Berlin.
Wofür Stein im Moment keinen Blick hatte. Er wagte einen Blick nach hinten. Die Männer blieben ihm auf den Fersen, beschleunigten ihre Schritte.
Quietschende Reifen und Gehupe ließen ihn wieder nach vorne schauen. Die Rufe der Männer hinter ihm verstand Stein in dem Moment nicht. Die Szenerie schien so unwirklich.
Ein dunkler Minivan hatte einen Nachtbus der Berliner Verkehrsbetriebe kurz vor dem Kreisverkehr, der um die Siegessäule führte, geschnitten. Der Busfahrer trat augenblicklich auf die Bremse, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Und wie viele Autofahrer quittierte er das Manöver mit der Hupe und zornigen Flüchen, die man ihm von den Lippen ablesen konnte.
Der Fahrer vom Minivan trat in die Eisen. Das Fahrzeug kam auf Steins Höhe zum stehen. Rief da jemand seinen Namen!! Der Wagen stand keine Sekunde, da ging die Seitentür auf. 3 Gestalten in Schwarz sprangen hinaus. Ihre Gesichter waren unter Masken, wie sie die Männer vom SEK trugen, verborgen. Sie trugen matte Schusswesten, in ihren Händen hielten die äußeren Männer Maschinenpistolen vom Typ H&K MP5. Die Schützen hoben die Schusswaffen, zielten an Stein vorbei und betätigten den Abzug.
Stein stand wie angewurzelt da, konnte sich nicht bewegen, selbst wenn er gekonnt hätte. Der Schock, der seine Glieder lähmte, saß einfach zu tief um ihn abzuschütteln und wegzurennen.
***
Ein cineastischer Schusswechsel begann. Die Schützen feuerten unablässig, gingen hinter den geparkten Autos am Parkstreifen vom 17. Juni in Deckung, wechselte ihre Magazine und schossen weiter.
In einem hatte Stein recht, die Männer hinter ihm waren ihm gefolgt, aber nicht um ihn zu überfallen oder zu berauben. Sie wollten ihn beschützen. Doch mit dem stattfindenden Angriff hatten Sie nicht gerechnet. Als der Minivan bremsend zum stehen kam und die Seitentür aufging, riefen Sie dem Professor zu er solle in Deckung gehen. Der Mann bewegte sich aber nicht von der Stelle. Sie konnten ihn nicht rechtzeitig erreichen. Also versuchten die Männer alles erdenkliche um den Professor irgendwie zu schützen. Vergebens.
Denn, während die Schützen Sie unter Feuer nahmen, somit in die Deckung zwangen, trat der mittlere Angreifer auf Stein zu, sagte etwas das dieser nicht verstand, hob die Pistole in seiner Hand und drückte ohne zu zögern ab.
3 Kugeln trafen den Mann in die Brust, warfen ihn Rücklinks zu Boden. Stein nahm nichts davon wirklich war, es erschien ihm so unwirklich und doch real. Er schaute hinauf zur Goldelse, wie die Berliner die Statur der Siegessäule liebevoll nannten. Auf ihn wirkte es in diesem Moment so, als würde sie auf ihn hinunterschauen. Dass er starb, erschreckte ihn nicht, sondern vielmehr der Umstand, dass sein Mörder die Aktentasche nahm, ihn keines weiteren Blickes würdigte und zurück in den Minivan stieg.
Was habe ich getan!!
Er war nicht das Ziel, sondern das, was in der Aktentasche steckte. Darin lag der Schlüssel zu einem Geheimnis, das so erkannte er jetzt, nie gelüftet hätte dürfen. Doch seine Besessenheit es zu finden brachte die Angreifer näher heran und die Welt an den Rand des Abgrunds.
Bitte lieber Gott verzeih mir.
Stein war kein gläubiger Mann, doch jetzt richtete er sich an den lieben Gott in der Hoffnung er möge ihm seine Schuld verzeihen. Sein Bewusstsein entschwand, löste sich auf wie Nebel in den Morgenstunden. Er betrachtete die Schönheit der Goldelse, nahm alle Details wahr, wie nie zuvor.
Dann wurde sein Blick verschwommen. Nur die Goldelse blieb klar und deutlich zu erkennen. Seine Augenlieder wurden schwer. Aus seinem Körper wichen die letzten Kraftreserven. Da schob sich jemand in sein Gesichtsfeld.
Stein war überrascht, wie jung der Mann aussah. Er war einer der Beiden die ihm gefolgt waren. Sein Mund bewegte sich, doch er verstand ihn nicht. Dann schloss er die Augen mit der Erkenntnis, das er sie nie wieder öffnen würde, zumindest nicht in dieser Welt und in der Hoffnung, dass jemand diejenigen aufhielt, die nun im Besitz des Schlüssels waren.
Der junge Mann, fühlte den Puls des Professors, der die Augen nicht öffnen wollte. Kein Puls. Er war Tod. Nicht verwunderlich bei 3 Kugeln in der Brust. Auf seinem Hemd hatte sich ein großer Blutfleck gebildet. Unter dem Körper quellte eine Blutlache auf den Asphalt. Demzufolge musste eine Kugel den Körper durchschlagen haben. Selbst wenn ein Notarzt sofort zur Stelle gewesen wäre, hätte er den Mann nicht retten können.
Er schaute hoch.
Einige Fahrgäste des Nachtbus sprachen in ihre Handys. Manch einer mochte die Geschehnisse per Videofunktion aufgezeichnet haben und die Datei später einem hiesigen Nachrichtensender verkaufen oder der Polizei zur Verfügung stellen.
Sie mussten schleunigst von hier verschwinden. Der Professor war Tod. Die Angreifer mit der Aktentasche längst über alle Berge.
Der junge Mann steckte die Pistole weg, erhob sich und lief mit seinem Begleiter in die Seitenstraße zurück.
Wenige Minuten später ertönten Sirenen.
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-Eins-
„Ludwig Undeutsch entdeckte die Drachenhöhle am 14. März 1928 bei Steinbrucharbeiten. Er war damals der Bruchmeister.“, fügte der Gruppenleiter der Führung den Frauen und Männern hinzu. Die Gruppe, bestehend aus 10 Leuten, nahm an einer Führung der Drachenhöhle Syrau im sächsischen Vogtland teil. Seit Jahren war die Tropfsteinhöhle ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen und einheimische Gäste. „Bereits 28. September öffnete man die Höhle für Besucher.“ Der Gruppenleiter führte die Leute tiefer in das Höhlensystem, dessen Ausmaße unvorstellbar waren. „Das Höhlensystem erstreckt sich an die 550 Meter, liegt am tiefsten Punkt 15 Meter unter der Erdoberfläche und verfügt über unzählige miteinander verbundene Säle. Das Gestein“ Er schlug mit der Hand auf den Fels. „besteht aus einer Karbonatsalzverbindung die landläufig als Dolomitgestein bekannt ist.“ Einige Besucher schauten unschlüssig zur Felswand, sahen den feuchten Film und dachten daran, dass Salz sich im Wasser auflöste. Wie zum Beispiel beim Kochen. Sie blickten nicht besonders vertrauenerweckend drein. „Keine Sorge der Fels ist massiv. Andernfalls wäre die Drachenhöhle während der Bombardements im 2. Weltkrieg eingestürzt und sie müssten ihren Urlaub woanders verbringen.“ Verhalltendes Gelächter kam auf. Er ging weiter, die Gruppe im Schlepp.
„Stimmt es das die Nazis hier im 2. Weltkrieg geheime Waffenforschung betrieben?“, fragte einer der jungen Leute aus der Gruppe.
Seltsamerweise amüsierte ihn die Frage immer wieder, den Sie wurde immer gestellt, bei jeder Gruppe. Es war ein weitverbreiteter Mythos, ja Irrtum, dass Hitler und Konsorten in der Drachenhöhle geheime Waffenfabriken oder Forschung betrieben. Dergleichen wurde ja auch von den weitläufigen Katakomben unter dem einstigen Berliner Flughafen Tempelhof behauptet.
„Nein.“, gab er mit einem schmunzeln zurück. Das Gesicht des Fragenstellers zeigte Enttäuschung. „Die Drachenhöhle war keine Geheimbasis der Nazis. Sie haben sie aber untersucht.“ Die Mimik vom jungen Mann hellte sich ein wenig auf. „Ein Team aus Wissenschaftlern und Forschern aus verschiedenen Bereichen haben sie untersucht. Es gab wohl Vorkriegspläne im Höhlensystem eine Bunkeranlage zu installieren.“ Entsprechende Unterlagen wurden vor wenigen Jahren in einem Archiv in der Landeshauptstadt gefunden. Die Pläne waren nie umgesetzt worden. Warum und wieso blieben unbeantwortet. „Dazu ist es jedoch nie gekommen.“ Er ging weiter, betrat mit der Gruppe eine der Säulenkammern. „Das ist die Elefantenohrgrotte.“ Aus der Gruppe kamen erstaunte ausrufe. Der Grund dafür lag hinter dem Absperrgitter. Eine aus dem Boden ragende 50 Zentimeter lange Sinterfahne aus Karbonatsalzgestein. Sie schimmerte grün-gräulich mit orangen Einschlüssen. Das Elefantenohr war natürlichen Ursprungs. Eine wunderbare Laune der Natur von unschätzbaren Wert.
Die Teilnehmer der Führung zückten ihre Handys und Digitalkameras, um die Skulptur zu fotografieren. Ihr schaute Führer auf die Uhr. „Wenn Sie möchten, können sie für 7 Minuten lang das Höhlensystem auf eigene Faust erforschen.“
Wie erwartet nahmen die jungen Leute das Angebot in freudiger Erwartung an. Die älteren Teilnehmer hingegen wollten mehr über den Ursprung und die Geschichte wissen.
***
Susanne Reuter stupste ihren Begleiter. „Siehst du, Max. Ich hab dir doch gesagt, das ist ein Kriegsmärchen.“ Max Falk schaute verlegen zu Boden. Er hatte die Frage über die angebliche geheime Waffenforschung der Nazis in der Drachenhöhle gestellt.
Der schlaksige junge Mann gehörte zu jenen die den weltweiten Verschwörungstheorien der Vergangenheit und Gegenwart nicht abgeneigt war. Statt ihr zu sagen, dass er weiterhin glaubte, das dem so war, sich ihr Führer irrte, schwieg Max. Immerhin hatten die Nazis die Höhle untersucht. Vor Kriegsbeginn!! Nicht um eine Bunkeranlage zu installieren, davon war er überzeugt.
Die Drachenhöhle war unglaublich. Die Kammersegmente hatten die Größe von einer Ein-Zimmer Wohnung oder eines kompletten Mehrfamilienhauses. Gigantische Höhle, so groß wie ein Fußballfeld. Der Hauptgang schien für Riesen wie in Gullivers Reisen geschaffen zu sein. Das Gewölbe schraubte sich in die Höhe, verlor sich in der Dunkelheit, so das man die Decke kaum sah. Die Felswände glatt, kaum mit Unebenheiten versehen, als hätte man sie aus dem Fels geschlagen und poliert. Ein feuchtsalziger Geschmack lag in der Luft.
„Hey. Schaut euch das an!“, rief ein Mann aufgeregt und winkte sie zu sich.
Neben Max und Susanne waren mit 2 Freunden von ihnen dabei. Sie gehörten der gleichen Studiengruppe an. Karin Bußgeld und Timo Weber.
„Wow!“
Sie traten ans Geländer. Dahinter lag ein schier endloser Krater, der bis zum Mittelpunkt der Erde reichen musste. Nach wenigen Metern bereitete sich eine undurchdringliche Schwärze aus, die einem die Sicht versperrte.
„Oh!“
Susanne schaute ihre Freundin Karin an. Im Gegensatz zum Rest sah sie nicht in die Tiefe, sondern in die Höhe. Sie reckte den Kopf. Der Krater grub sich nicht nur in die Tiefe, sondern auch in die Höhe. Scharfkantige oder abgeschliffene Kanten. Flache Vorsprünge, keinen Fußbreit. Sprichwörtlich sah man ein Licht am Ende des Tunnels. Der Krater schien oben in einen Schlitz überzugehen, durch den gerade Mal ein Blatt Papier passte. Eine optische Täuschung. Alleine auf ihrer Höhe maß der Krater an die 50 Meter.
„Einfach unglaublich.“ Max konnte sich entscheiden ob er nach oben oder nach unten sehen sollte.
Ein passender Kommentar wie Susanne fand. Der Ausflug zur Drachenhöhle hatte sich jedenfalls gelohnt, selbst für Max auch wenn sich seine These bezüglich der geheimen Nazi Waffenforschung nicht bewahrheitete. Sie schaute auf ihre Uhr.
„Was war das?“, fragte Karin. Ihre Freundin schaute in den Gang zurück aus dem Sie gekommen waren. Sie glaubte etwas gehört zu haben. Einen dumpfen Knall.
Susanne horchte. Doch da war nichts. „Ich hör nichts.“
„Seht mal.“ Timo stand in der Ecke, schaute übers Geländer nach oben und nach unten.
Die Freundinnen kamen zu ihm. Timo war das genaue Gegenteil von Max. Er hatte eine sportliche Statur, maß 1 Meter 85 wog an die 80 Kilo, ging regelmäßig ins Fitnessstudio, spielte Fußball und Basketball, joggte zusammen mit Susanne am Landwehrkanal in Berlin und war durchaus gut aussehend. Dafür hatte er nicht den blassesten Schimmer von elektronischen Geräten oder Computern, wie Max.
Susanne nahm die Taschenlampe zur Hand, die jeder vor der Führung bekam, für den Erhalt und Funktionstüchtigkeit unterschrieben hatte. Sie leuchtete an die Stelle, die bereits Timo beschien.
An der Wand hing ein Seil herunter. Nicht irgendein Seil, sondern eins das Profikletterer benutzten. In ihrer Freizeit kletterte Susanne ein Mal die Woche in einer Kletterhalle in Berlin-Friedrichshain. Sie war eine passionierte Kletterin. In den kommenden Sommerferien wollte Susanne an einer Bergtour teilnehmen. Zu diesem Zweck hatte sie sich im Internet nach passender Ausrüstung und entsprechenden Touren umgesehen.
Das Seil ragte gute 10 Meter vom Geländer aus in die Tiefe. Sie glaubte nicht, dass das dahin gehörte. Es schien beinahe so als wäre jemand den Krater hinabgestiegen.
„Lasst uns zurückgehen. Es wird Zeit.“
Keiner erhob einen Einwand, daher setzten sich die Freunde in Bewegung.
Timo und Karin gingen vorneweg. Ihre Freundin versuchte sich bei Timo einzuschmeicheln. Sie stand auf ihn und wollte wissen, ob die Gerüchte über sein bestes Stück stimmten. Susanne folgte ihnen. Hinter ihr kam Max, der herumtrödelte.
Sie kamen an einer Kammer vorbei, die im Dunkeln lag. Aus dem Augenwinkel glaubte sie für einen Moment einen Lichtkegel gesehen zu haben. Außer ihnen war niemand soweit in die Drachenhöhle vorgedrungen. Susanne ging an der Öffnung vorbei. Dabei fiel ein glitzern auf. Sie stoppte, schaute in die Kammer. Da glitzerte tatsächlich was auf dem Boden. Es war wie ein Flimmern an einem heißen Tag. Aus irgendeinem Grund war ihre Neugierde geweckt.
„Hey, wartet mal Leute.“, rief sie Karin und Timo zu.
***
Susanne schaltete ihre Taschenlampe wieder ein, weil die Kammer von keiner Lichtquelle beschienen wurde. Langsam trat Sie ein, schwenkte die Taschenlampe hin und her, schaute sich um. Die Kammer war wie eine Blase. Die Wände waren eine ebene Fläche, abgeschliffen ohne Spuren hinterlassen zu haben. Sie ging tiefer hinein.
Auf dem Boden glitzerte es. Doch von kam es nicht, wie sie beim genauen hinsehen feststellte.
„Was ist das?“, fragte hinter ihr Max. Sein Lichtkegel tanzte an der Decke umher.
Hoch oben, an die 5 Meter ragte die Blase in die Höhe, funkelten unzählige kleine Punkte, die ins Felsgestein eingelassen waren. Wie winzige Diamanten, wie ein Sternenhimmel bei klarer Nacht, fehlte nur noch der Mond. Es wirkte so wundervoll, das Susanne wie gebannt nach oben sah.
„Wer sind Sie? Was tun Sie hier?“
Sie riss sich von dem Anblick los. Im Gang standen Timo und Katrin. Ihre Freundin klammerte sich regelgerecht an ihn. Susanne wollte ihre Freunde zurufen sie sollten reinkommen, als plötzlich Feuerwerkskörper zu explodieren schienen.
Sie sah wie ihre Freunde, wie wild zuckten, als hätten sie einen epileptischen Anfall. Doch bei so was spritzte einem kein Blut aus dem Oberkörper. Die Feuerwerkskörper waren Schüsse. Jemand schoss auf ihre Freunde.
Starr vor Angst sah Susanne wie Katrin und Timo zu Boden sackten, blutverschmiert und regungslos liegen blieben. Sie war gelähmt, konnte ihren Blick nicht abwenden, schreien, einen Gedanken fassen oder weglaufen. Das musste ein Albtraum sein.
Doch statt aufzuwachen, sah Susanne wie 2 Gestalten, komplett in Schwarz mit Skimasken an der Öffnung erschienen, auf ihre Freunde hinab blickten. Dann sah einer in die Kammer und schaute Sie direkt an.
Erst da setzte ihr Gehirn wieder ein, begann einen klaren Gedanken zu fassen. Wie vor den Kopf gestoßen sah Susanne ihre Hand an. Sie hielt die Taschenlampe, deren Lichtkegel den Boden beschien. Deswegen sah die Person sie an, wegen der Taschenlampe. Als Susanne wieder hoch sah, standen die Gestalten nebeneinander. Die Maschinenpistolen locker in Händen auf den Boden gerichtet, weder Max noch Susanne empfanden sie als eine Bedrohung.
Sie traten in die Kammer.
Da schien sich ein Schatten zu bewegen, direkt auf die Gestalten zu.
***
Wie in einem Film liefen die Geschehnisse in Zeitlupe ab. Der Schatten formte sich zu einer dunklen Gestalt, die wie aus dem Nichts zwischen den bewaffneten Männern auftauchte. Sie hatten sich auf die beiden Zivilisten konzentriert, und nicht damit gerechnet was nun folgte. Ihr Gegner war flink und kompromisslos. Keiner von Ihnen konnte die Waffe in Anschlag bringen und den Abzug ziehen.
Blitzschnell entwaffnete er den Linken mit einer Kombination, die kaum wahrnehmbar war. Ohne Pause, inne zu halten oder jegliches zögern schlug er wie ein Boxer auf den Rechten ein. Nieren, Leber, Schädel. Der Angreifer schwankte, stolperte rücklings gegen die Wand.
Sein Kumpane zog ein Messer, hieb und schwang es mit der Absicht ihren Kontrahenten zu töten. Doch er wich den Attacken aus, parierte sie, packte den Arm, schlug mit dem Ellbogen zu, machte eine schnelle Drehung und verdrehte ihm den Arm auf den Rücken. Ein Stöhnen war zu hören. Da kam der Kumpane auf ihn zu. Ohne den Arm loszulassen, holte er drehend Schwung, machte einen Schertritt. Der Knöchel traf ihn an der Schläfe. In der Vorwärtsbewegung sackte der Angreifer bewusstlos zusammen. Der Andere wollte sich aus dem Griff befreien, doch ihr Gegner hielt ihn wie ein Schraubstock fest. Dann schleuderte dieser ihn wie ein Kreisel gegen die Felswand. Er stöhnte halb bewusstlos auf, sackte auf die Knie. Ihr Gegner trat vor ihn.
Ungläubig schaute er hinauf in dessen Gesicht.
Susanne glaubte zu sehen, dass er ihn kannte, doch der Gedanke blieb nicht haften.
Mit einem Handkantenschlag setzte er den Mann außer Gefecht.
Da drehte er sich um, schaute die Susanne und Max an, trat vor und schaute nach oben. Dabei kam er in den Lichtschein der Taschenlampe.
Die Schattengestalt war ein Mann, kaum älter als wie sie beide, hatte ein markantes ausdrucksloses Gesicht, klare stechende Augen, eine athletische Figur und dunkle Kleidung, die ihn mit der Dunkelheit in der Kammer verschmelzen ließ, darüber trug er zudem ein Klettergeschirr.
Trotz der Geschehnisse blieb Susanne einfach stehen. Sie rührte sich nicht vom Fleck. Max schaute mit bleichem, verängstigten Gesicht zu ihr rüber, blieb aber stehen, wo er war.
„Bist du fertig?“, fragte der junge Mann. Obwohl er sie ansah, meinte er Susanne nicht. Auch nicht Max.
Da tauchte eine zweite Gestalt auf, trat in den Lichtschein, blickte die Zivilisten an. „Hab alles. Wir können verschwinden.“
Er nickte ihm zu, ohne den Blick von Susanne zu nehmen.
Es war nicht unangenehm, wie er sie ansah.
„Ihr solltet mit uns kommen.“ Er sprach feinfühlig, kaum außer Atem.
„Wieso?“ Sie klang so ruhig, dass es ihr unheimlich war.
An seinem Blick veränderte sich nichts. Sie glaubte einen Anflug von Sorge in seinen Augen zu erkennen. „Sie sind nicht alleine hier.“
„Wer sind Sie?“ In ihre Stimme kam eine Aggressivität, die vollkommen unerwartet aufkam. In ihrem Hinterkopf dachte Susanne an Katrin und Timo. Ihre Freunde waren Tod, kaltblütig erschossen, einfach so.
Sie sah wie der andere Mann den bewusstlosen Angreifern die Waffen abnahm, sich eine Maschinenpistole umhängte, das Messer und die Pistole an sich nahm und die Männer abklopfte. Dann lugte er um die Ecke, die Maschinenpistole im Anschlag, bereit jeden zu erschießen der im Gang lauerte.
Ohne ihr zu antworten, wandte er sich ab, nahm die 2. Maschinenpistole von seinem Begleiter entgegen. Sie redeten miteinander. Susanne konnte nicht verstehen, was sie sagten.
Da knackte das Walkie-Talkie der bewusstlosen Männer plötzlich.
„Olaf. Derek. Meldet euch.“, erklang es. Eine kurze Pause folgte. Max und Susanne sahen sich an. „Zum Teufel noch Mal gebt eure Position durch.“
Ohne groß darüber nachzudenken, folgte sie den Beiden, nickte Max zu. Ihr Freund wiederum folgte ihr. „Wir kommen mit euch.“, stellte sie fest.
Statt einer Erwiderung nickte er ihr nur zu. Sein Begleiter schaute um die Ecke, gab ein Zeichen. „Los. Zum Krater.“ Max und Susanne eilten los, ohne ihre toten Freunde anzusehen.
Sie hatten den Krater erreicht. Der junge Mann schnallte sein Klettergeschirr ab, reichte es Susanne. Sie nahm es, legte es mit schnellen Griffen an, so das ihm klar sein musste, dass sie keine Anfängerin war. Der Andere händigte Max sein Klettergeschirr aus, legte es ihm an, zog alle Gurte fest. Sein Freund holte das Seil, gab es Susanne, die es einspannte.
„Ich weiß nicht, wie viel Zeit wir haben. Ihr müsst zügig nach oben klettern. Wir decken euch.“ Sie nickte, kletterte übers Geländer, nahm das Seil und schwang sich in an die Kraterwand und begann mit dem Aufstieg. Direkt hinter kam Max, nachdem man das Seil in seinem Klettergeschirr einlegte. Etwas umständlicher stieg er über das Geländer, schaute ängstlich in die Tiefe und tastete sich zur Wand vor, dann folgte er Susanne.
Die beiden Männer kamen wenig später.
Sie hatten mehr als Hälfte der Strecke geschafft als ein Grollen durch den Krater hallte.
***
Olaf und Derek gehörten zu einem Trupp Söldner, die über den Hauptstollen in die Drachenhöhle eingedrungen waren. Sie waren schwer bewaffnet, trugen dunkle Kampfanzüge und eindeutige Instruktionen.
Wie die unzähligen Male zuvor gehorchten die Männer, stellten ihre Anweisungen nicht in Frage und drangen ein und sicherten die Vorhalle.
Der bärtige Mann, der das Oberkommando über die Söldner hatte, schaute sich die Leichen der Gruppe mit dem Führer gleichgültig an. Sein voller schwarzer Bart ergraute langsam. Wenn er sein Haar länger getragen hätte, wären grauen Strähnen zu sehen. Sein Gesicht war zerknittert, um seine Augen hatten sich Krähenfüße eingraben. Die Nase war klein, der Nasenrücken hatte einen Huckel, der durch einen Bruch entstanden war. Seine Augen waren dunkel, kalt. Sie strahlten etwas aus das einen nur blanke Furcht empfinden ließ. Er war gnadenlos, duldete in der Regel kein Versagen, er tötete jeden der ihm im Weg stand. Ob seine eigenen Männer, unbeteiligte Zivilisten oder jene die glaubten ihn aufhalten zu müssen. Ihm war jedes Mittel recht um sein Ziel zu erreichen. Wenn er dafür ein ganzes Dorf auslöschen oder eine Höhle säubern musste war ihm vollkommen gleichgültig.
Der Trupp drang tiefer in die Drachenhöhle ein, in je 2 Mann Teams. Jede Kammer, jede Höhle und jeder Gang. Mit einer präzisen und tödlichen Effektivität, die man nur durch eine militärische Ausbildung erhielt, schwärmte der Trupp aus. Jedes Team hatte die Anweisung sie jede Minute beim Truppführer zu melden.
Nach 5 Minuten blieb die Meldung von Olaf und Derek aus. Zuvor wollten sich die Beiden mit der süßen Zivilistin vergnügen. Den Typen bei ihr hätten Sie einfach über den Haufen geschossen. Ihre Disziplin ließ hin und wieder zu wünschen übrig. Der Job war gemacht, also kam danach das Vergnügen. Doch soweit kam es nicht. Was zur Folge hatte dass die Beiden die obligatorische Minutenmeldung ausließen und auch die nachfolgenden Funkrufe nicht beantwortet. Sie waren schließlich bewusstlos.
So beschloss der Truppführer nach ihnen zu suchen. Minuten später wurden sie gefunden.
Kurz danach trat der bärtige Mann in die Kammer. Die Leichen im Gang und die seine bewusstlosen Männer interessierten ihn nicht. Er schaute an die Decke, zu dem einzigartigen Schauspiel was sich einem in der Kammer bot. Ihn ließ es kalt. Auf seinem Gesicht zeigte sich keine Regung. Seine Mimik war stets eine gleichgültige Maske.
„Schafft die Beiden zu den Fahrzeugen.“, befahl sein Adjutant dem Truppführer knapp und mit der nötigen strenge in der Stimme.
„Jawohl, Major.“ Er wies seine Männer an die Kerle wegzubringen. Ein Sanitäter sollte sie sich draußen ansehen.
Der Adjutant vom General winkte einem schmalen Mann mit Brille und bleicher Haut zu. Er trug einen Rucksack auf dem Rücken und einen Dokumentenkoffer bei sich. Beim Anblick der Kammerdecke entwich ihm ein verblüfftes Oh.
„Mach dich an die Arbeit.“, wies ihn der Adjutant zurecht.
Er nickte schnell, stellte den Koffer ab, nahm den Rucksack vom Rücken und begann mit seiner Arbeit.
Der General rührte sich die Zeit über nicht vom Fleck.
„Hauptmann.“ Der Truppführer trat zum Major. „Lassen Sie die Drachenhöhle durchkämen. Sie müssen noch hier sein.“ Er machte einen Schritt auf den Mann zu. „Niemand darf die Höhle verlassen.“ Die Erinnerung war unmissverständlich.
„Jawohl, Major.“ Er gab umgehend entsprechende Anweisungen aus. Die Nachlässigkeit seiner Männer fiel auf ihn zurück.
Der Techniker hatte das Gerät aufgebaut, es mit seinem Laptop verbunden, begann mit der Prozedur und packte wenig später alles wieder zusammen. Die Angelegenheit war keine große Sache. Wie veranschlagt dauerte sie keine 5 Minuten. Effektivität war das A und O in der Truppe. „Bin fertig.“, meldete er schließlich und verschloss den Koffer.
Bisher hatten die Söldner niemanden entdeckt der in der Lage gewesen wäre ihre Genossen auszuschalten. In dem weitläufigen Höhlensystem konnte man sich gewiss dem Zugriff der Söldner entziehen.
Der General sah sich die Decke noch einen Moment an. Obwohl er abwesend schien, hatte er alles mitbekommen. Dann wandte er sich davon ab, schaute zu seinem Adjutanten. „Sprengt die Kammer.“ Mit diesem Befehl verließ der bärtige Mann die Kammer.
Aus ihren Rücksäcken holte das Sprengteam des Trupps alles Nötige heraus, platzierte die Ladungen, stellte den Zeitzünder ein und folgten den Anderen nach draußen.
Innerhalb weniger Minuten hatten die Söldner die Drachenhöhle verlassen, erreichten den Parkplatz, stiegen in die 4 BMW SUV’s und fuhren davon. Zurück blieben 17 Leichen und eine zerstörte Kammer.
In den Abendnachrichten würden alle hiesigen Fernsehsender vom Massaker von Syrau berichten und Live vor Ort sein.
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-Zwei-
Ungefähr zur gleichen Zeit, wie die Söldner die Drachenhöhle verließen, hatten Susanne, Max und die beiden namenlosen Männer den Krateraufstieg geschafft. Obgleich sie trainierte was Susanne vollkommen fertig. Sie schwitzte und keuchte vor Anstrengung. Ihre Arme schmerzten. Ihre Muskeln und Sehnen brannten wie Feuer.
Susanne half Max auf die Beine. Er stand am Rande des Zusammenbruchs. Als es ihm besser ging, schaute sie sich um.
Sie befanden sich auf einem Plateau vom Berg, unter dem die Drachenhöhle lag. Es herrschte eine friedliche Atmosphäre. Bäume an den Hängen untermalten den Eindruck. Der Krater hingegen wirkte wie eine offene Wunde des Bergs. Zwei Quads standen ein wenig abseits vom Krater.
Die beiden Männer machten sich gleich nach ihrer Ankunft daran zusammenzupacken. Der junge verstaute das Klettergeschirr, den Rucksack und die Waffen im Stauraum der Fahrzeuge. Dem Nummernschild nach hatten Sie sie gemietet.
Sein Kollege entfernte die unterarmlangen Bolzen, die sie vor dem Abstieg in den Fels geschossen hatten. Im Inneren des Titanbolzens der knapp 5 Zentimeter Umfang hatte, befand sich eine hydraulische Winde und das Kletterseil. Am Bolzengehäuse befanden sich Einkerbungen aus den Greifhaken aus Titan sich in das Gemäuer gruben. Alleine mit dem Seil konnte man einen liegen gebliebenen Lkw von der Autobahn abschleppen. Es besaß eine mehrere Tonnen schwere Zugfestigkeit. Ein Muss für jeden Profi.
Susanne trat dem jungen Mann in den Weg, als sie sicher war, dass Max keinen Kreislaufzusammenbruch erlitt. „Du hast meine Frage nicht beantwortet.“ Er schaute ohne Anzeichen von Feindseligkeit an. „Wer seit ihr?“
Sein Freund verstaute die Kletterausrüstung in den Quads.
„Diejenigen, die euch das Leben gerettet haben.“, konterte er eine Spur zu hart.
Doch davon ließ sich Susanne nicht beeindrucken. Natürlich hatte er recht, dessen war sie sich bewusst, hätte er die Männer nicht ausgeschaltet, lägen sie und Max genau wie Katrin und Timo Tod in der Drachenhöhle. Leichte Übelkeit kam auf. Sie waren am Leben. Ihre Freunde nicht. So dankbar sie den Beiden dafür auch war, wollte Susanne einfach wissen wer Sie, die Mörder waren und wieso all das geschah.
Wie angewurzelt blieb sie stehen, blickte ihm entschlossen und fest in die Augen. Sie konnte durchaus hartnäckig sein. „Was geht hier vor sich? Wieso wurden unsere Freunde erschossen?“, hackte Susanne uneinsichtig nach. Sie wollte Antworten und ließ sich nicht so einfach abspeisen.
„Sie waren Zeugen.“ Er versuchte herauszufinden, wie viel er ihr erzählen konnte, ohne die eigenen Ziele bei der Sache zu gefährden. Es war ein Wettlauf, ein tödlicher. Vor allem auf Seiten ihrer Gegner. Sie hingegen versuchten Koraterallschaden, wie in der Drachenhöhle zu vermeiden. Ihnen war nicht daran gelegen Unschuldige zu töten, weil sie einem Weg waren.
„Zeugen! Von was?“
Sein Freund hatte alles verstaut. Jetzt stand er abwartend neben seinem Quad, behielt den Freund der Frau im Auge und wartete geduldig. Dabei lief ihnen die Zeit davon.
„Wenn ihr wollt, nehmen wir euch mit ins Tal.“, schlug er ihr vor. Mehr sagte er nicht, wandte sich ab und ging zu seinem Quad. Seinem Begleiter nickte er zu. Sie stiegen auf die Geländefahrzeuge, warfen die Motoren an.
Susanne schaute ihm hinterher. Sie konnte sich nicht helfen, doch sie wurde das Gefühl nicht los das er Max und sie schützen wollte indem er ihnen nichts sagte. Zufrieden damit war sie keineswegs. Sie wollte den Grund wissen. Denn Susanne konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass weit mehr dahinter steckte, als er ihr sagen wollte oder konnte. Die Beiden waren nicht zufällig den Krater zur Drachenhöhle hinabgestiegen.
Zusammen mit Max folgte sie ihm zu den Fahrzeugen. Sie nahm sein Angebot an mit ins Tal zu fahren. Denn wenn Susanne ehrlich war wusste Sie nicht wo sie waren.
***
Während man huckepack fahrend das Tal erreichte, wurden die Leichen in der Drachenhöhle gefunden und die Polizei alarmiert. Binnen kürzester Zeit trafen mehrere Kranken- und Streifenwagen sowie die Feuerwehr aus dem gesamten Landkreis ein. Die Polizei riegelte den Zugang zur Drachenhöhle weiträumig ab, durchsuchten mit einer Hundertschaft und Hundestaffel das Höhlensystem nach möglichen Überlebenden.
Aufgrund der Art und Schwere des Verbrechens, in einer deutschlandweiten Boulevardzeitung würde auf morgigen Titelseite stehen: Das Massaker von Syrau, übernahm das sächsische Landeskriminalamt (LKA) die polizeilichen Ermittlungen.
Oberkommissarin Tina Schuster bekam die Leitung der Sonderkommission (Soko) 45. Zusammen mit ihrem Team wurden Sie per Hubschrauber nach Syrau geflogen. Sofort nach ihrer Ankunft fuhren Sie zur Drachenhöhle, wo der bisherige Ermittlungsleiter sie ins Bild setzte. Viel hatte er nicht, den die Ermittlungen standen am Anfang.
Trotzdem hörte Schuster ihm zu, nickte ab und an verstehend und delegierte ihre Leute mit Nachforschungen und Aufgaben, die die Ermittlung voranbringen sollten. Seit gut 20 Jahren war sie im Polizeidienst, hatte mit 20 die Polizeischule abgeschlossen, war in Hamburg Streife gefahren, machte nach 5 Jahren die Prüfung zum kommissarischen Dienst, bestand sie erfolgreich und wechselte Leipzig, wo es im Gegensatz zu Hamburg eine freie Stelle gab. Sie gehörte zu jenen die umsichtig agierten aber dennoch zielstrebig ihre Arbeit machten, sich nicht aus der Ruhe bringen ließen, weder durch die Presse, Vorgesetzte, Kollegen oder die Opferfamilien. Ein wirkliches Privatleben hatte sie nicht. Gelegentliche Affären ja, aber nichts Festes oder auf Dauer. Im 7. Jahr bekam Schuster eine Stelle beim LKA Sachsen in Dresden, wo sie seit 3 Jahren ihr eigenes Team leitete und durchaus sehenswerte Ergebnisse vorzuweisen hatte.
Ihre neuste Ermittlungsaufgabe gestaltete sich schwieriger, als es ihr Anfang erschien. Die Täter hatten die Toten mit einer erschreckenden Präzision erschossen, die doch beunruhigend war. Bei einem Amoklauf, wie die ortsansässigen Kollegen erst vermuteten, zu recht, wie Sie fand, schossen die oder der Täter wild um sich. Das führte dazu das mehrere Schüsse daneben gingen und Spuren am Tatort hinterließen. Des Weiteren kam es dabei zu einem erhöhten Munitionsverbrauch. Hier aber waren gerade einmal gut doppelt so viele Patronenhülsen gefunden worden, wie Leichen vorhanden waren. An die 37 Hülsen hatte man sichergestellt. Jede Hülse stammte aus einer Maschinenpistole. Der Waffentyp war schnell ermittelt. Vermutlich handelte es sich um H&K MP5. Spezialeinheiten der Polizei wie das SEK oder die bundespolizeiliche GSG9 verwendeten die Maschinenpistole der deutschen Waffenfirma Heckler & Koch. Amokläufer hatten in der Regel keine vollautomatischen Maschinenpistolen zur Hand. Ein weiteres Indiz, das sich um keinen Amoklauf handelte, war die fehlende Registrierungsnummer auf den Hülsen. Patronen dieser Art unterlagen im Freien Handel einer Kennzeichnungspflicht und jeder Verkauf musste den landeseigenen Aufsichtsbehörden gemeldet werden. An Privatpersonen ohne Waffenschein mit der entsprechenden Eintragung durfte weder die Waffe noch die Munition verkauft werden. Und wenn dann mit einer 7 wochigen Verzögerung in der die Aufsichtsbehörde eine gründliche Überprüfung des Käufers vornahm. Erst wenn die Behörde Grünes Licht gab, durfte der Käufer die Munition oder Waffe in Empfang nehmen.
Da die Registrierungsnummer fehlte, sie wurde nicht weggefeilt oder ausgefräst, bedeutete dass das die Munition im Ausland oder auf dem Schwarzmarkt verkauft worden war. Bei Letzterem gab es die Möglichkeit den Käufer zu ermitteln, auch wenn die Chance gering war. Anders sah es da bei Ersteres aus. Die Chance herauszufinden wer der Verkäufer und Käufer der Munition war, stand bei Null.
Dadurch gewann Schuster die Erkenntnis dass die Täter keine Amokläufer wie in Winningen oder Erfurt waren, sondern Profis. Gestützt wurde die Sache auch durch die Schusswunden der Opfer. 2 bis 3 Schüsse in die Brust, in einem nahezu identischen Muster. Entweder dicht beieinander, wie bei dem 2 Schussmuster oder in einem dichten Dreieck. Eine solche Präzision kannte Sie nur durch ihr gelegentliches Training mit den Jungs vom SEK.
Keinem der Opfer, so wurde festgestellt, wurde etwas geraubt. Es sah auch nicht danach aus, als hätte man sie zusammengetrieben. Die Täter hatten die Drachenhöhle durchkämmt. Dabei wurde jeder erschossen der ihnen über den Weg lief. 6 Opfer lagen in der Vorhalle. 5 in der Elefantenohrgrotte. 2 in einer Salzkristallhöhle. 1 auf der Herrentoilette. 1 draußen im Kartenhäuschen. 2 im Gang im hinteren Bereich der Drachenhöhle, nahe des Drachenkraters. Wo eine Höhlenkammer eingestürzt war. Die Spurensicherung fand später Restespuren von Plastiksprengstoff. C4, um genauer zu sein. Ein militärisch genutzter Plastiksprengstoff.
Schuster stand auf der Treppenplattform. Hinter hier lag der Zugang zum Hauptschacht der in die berühmt berüchtigte Drachenhöhle von Syrau führte. Am Aufgang zur Treppe, die hinauf führte, stand das Kassenhäuschen, wo ein Mitarbeiter der Drachenstiftung erschossen worden war. Ein Weg führte vom weiter unten gelegenen Parkplatz dahin. Dass es nicht mehr Opfer zu beklagen gab, lag am Wochentag. Es war Mittwoch. Da war die Drachenhöhle nur für Gruppenführungen geöffnet. Anderfalls hätten Sie wohl eine weit höhere Opferzahl zu beklagen.
Ihre Gedanken befassten sich mit den gewonnen Erkenntnissen, den im Raum stehenden Vermutungen und den vorhandenen Indizien.
„Tina.“ Ein Kollege aus ihrem Team eilte zu ihr. Er war Deutschtürke, 27 Jahre, sportlich und ein fähiger Mann. In seiner Hand hielt er sein Handy.
„Wir haben 2 Zeugen.“
***
Ihre Lebensretter hatten Susanne und Max in Sichtweite vom Dorf Syrau im Tal abgesetzt. Anschließend fuhren die Beiden weiter in Richtung Dorf, wo sie wahrscheinlich die Quads gemieteten. Keiner von Ihnen sah zurück.
Auf sich alleine gestellt marschierten Sie also in die gleiche Richtung. Susanne nahm es ihnen nicht übel, dass Sie sie abgesetzt hatten. Sie mussten ja davon ausgehen das Sie, sobald das Dorf erreichte, zur Polizei ging, um die Sache zu melden. Wer auch immer ihre Begleiter waren oder was sie in die Drachenhöhle zu suchen hatte, sie konnten sich nicht mit den Behörden rumschlagen. Sie war sich sogar ziemlich sicher, dass die Beiden Dreck am Stecken hatten.
Unterwegs dachte Susanne intensiv über die Situation nach. Dabei wurde Sie das Gefühl nicht los das Ganze hatte etwas mit der Sternendecke der Kammer zu tun, in der Max und Sie gewesen sind, als ihre Freunde erschossen wurden. Sie rief sich das Bildnis vor Augen, versuchte daraus schlau zu werden, konnte sich aber keinen Reim darauf machen.
Gute 25 Minuten später hatten sie das Dorf erreicht, fragten nach einer Polizeistelle, folgten der Wegbeschreibung, betraten das Eckgebäude an der einzigen Hauptstraße des Dorfs und sagten dem älteren Beamten hinter dem Tresen Sie seien Zeugen eines Mordes in der Drachenhöhle.
Der Mann starrte Sie einen Moment an, bat die Freunde einen Augenblick zu warten, eilte zu einem der 3 Schreibtische im Raum hinter dem Tresen und rief jemanden an.
Minuten später saßen Max und Susanne im Büro des Dienststellenleiters, tranken Tee bzw. eine Flasche Wasser und hatten die Bekanntschaft von Oberkommissarin Tina Schuster und ihres Kollegen Franz Müller von der LKA-Soko gemacht.
Wie gewünscht hatte ihnen Susanne die Geschehnisse in der Drachenhöhle geschildert. Von ihrer Ankunft mit dem Auto von Timo, über die Tour durch die Drachenhöhle, bis hin zum Tod ihrer Freund. Was sie den LKA-Beamten verschwieg, war ihre Rettung durch den jungen namenlosen Mann, dem Krateraufstieg, ihrer anschließenden Unterhaltung und der Fahrt auf den Quads ins Tal, wo sie abgesetzt wurden und sich auf dem Weg ins Tal machte.
Als Max gefragt wurde ob das tatsächlich so abgelaufen sein, Susanne hörte die leichten Zweifel in der Stimme der Frau Schuster, bejahte er die Geschichte nach einem kurzen Zögern und Blick auf Susanne. Was nicht hieß, dass die LKA-Beamtin ihnen glaubte. Mit ihrem Kollegen verließ sie das umfunktionierte Büro zum Befragungsraum.
„Überprüf die Beiden und ihre Geschichte.“ Müller nickte. „Sie verschweigen uns was und ich will wissen was.“ In ihrer Laufbahn hatte Schuster gelernt die Menschen zu beobachten, ihre Gestik und Mimik zu lesen. Dadurch besaß sie ein gutes Gespür wenn ihr jemand ein Bären aufbinden wollte. Ganz so war es bei den Beiden hinter der matten Bürotür zwar nicht, aber dennoch steckte mehr dahinter. „Ach und finde heraus was es mit dieser Kammer mit der Sternendecke auf sich hat.“, rief Schuster ihm hinterher.
Sie winkte einen uniformierten Kollegen zu sich.
***
„Wieso hast du ihr nicht die Wahrheit erzählt?“, fragte Max flüsternd und schaute zur Bürotür.
Die Sache war nicht abgesprochen gewesen. Als Susanne die Geschehnisse wiedergab, hatte sie sich kurzerhand entschlossen einen Teil zu verschweigen. Jetzt, im Nachhinein, wusste sie nicht, wieso sie es getan hatte. Man konnte annehmen, dass sie es den beiden Männern schuldig war, deren Identität solange zu verschleiern, wie sie konnte. Andererseits kannte sie die Identität nicht, geschweige den die Namen der Zwei.
Davon abgesehen, dass die LKA-Frau ihr nicht völlig glaubte, was die Erzählung anging. Susanne war noch nie eine besonders gute Lügnerin gewesen. Sie hatte es nur in seltensten Fällen für nötig gehalten zu lügen. Hierbei schien es ihr angebracht. Auch wenn ihr nicht ganz klar war, wieso.
Bevor Susanne Max antworten konnte, ging die Bürotür auf. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie die LKA Frau würde sie mit ihrer Lüge konfrontieren, doch dem war nicht so.
„Wir werden Sie vorläufig in einer Pension im Ort unterbringen. Dort können sie sich ausruhen. Wenn sie wollen, können wir ihnen einen Seelsorger vorbei schicken.“, bot Schuster ihnen an. Schweigen trat ein. „Der Kollege fährt Sie.“ Dann holte sie eine Visitenkarte hervor, schrieb etwas auf die Rückseite und reichte sie Susanne. „Sollte ihnen noch was einfallen, können Sie mit unter der Handynummer erreichen.“ Sie nahm die Visitenkarte entgegen, las den Aufdruck und nickte zögerlich. „Gut. Wenn wir noch Fragen haben, wissen wir ja, wo sie sind.“
***
Sie stand natürlich unter Druck. Nicht wegen der Toten oder den aufgenommenen Ermittlung in der Sache, sondern weil ihre Konkurrenten ebenfalls in der Kammer mit der Sternendecke gewesen sind. Der Techniker arbeitete seit ihrer Ankunft im alten Bauernhaus am Projekt zu dessen Zweck die Söldner in die Drachenhöhle von Syrau eingedrungen waren und 17 Menschen erschossen.
Inzwischen hatten Olaf und Derek das Bewusstsein wieder erlangt. Ihre Schilderung bestätigte nur was Sie schon wussten bezüglich der Anwesenheit der Anderen. Der Sanitäter diagnostizierte bei den Beiden Prellungen, angeknackste Knochen und schwere Gehirnerschütterungen. Sie waren vorläufig nicht weiter einsatzfähig.
Was nicht sonderlich schlimm war, den sie hatten sich bei der Aktion nicht gerade mit Ruhm bekleckert und konnten froh sein noch unter lebenden zu weilen. Denn Versagen duldete der General von seinen Männern nicht.
Sie hatten das wozu sie gekommen sind. Jetzt musste der Techniker seinen Job machen. Bis dahin konnten sie nichts weiter tun als warten. Nicht gerade eine Stärke des Generals. Doch Ungeduld zahlte sich niemals aus, das wusste er. So stand der Mann abwartend auf der Verander vom Bauernhaus, schaute über die Landschaft und harrte der Dinge die da kamen.
Da erschien sein Adjutant, der Major. „Wir haben möglicherweise ein Problem.“
Sein Boss ließ sich davon nicht beirren. Probleme, so sein Vater, waren da um gelöst zu werden und er hatte in seinem Leben schon so manches Problem gelöst. Auf die eine oder andere Weise.
„Es scheint Zeugen zu geben.“
Bei der Aussage drehte sich der General rum, schaute seinen Stellvertreter für einen Moment an und kehrte in seine Ausgangsposition zurück. „Kümmere dich darum.“
„Jawohl.“ Er schaute den Mann einen Augenblick an. Dann kehrte der Major ins Bauernhaus zurück. Vorbereitungen waren zu treffen.
Der General rührte sich nicht vom Fleck.
***
Sie hatten die Quads tatsächlich bei einem Verleiher in Plauen, unweit der Drachenhöhle, ausgeliehen, um, wie sie dem Inhaber sagten, Querfeld einzufahren und die Natur zu genießen. Was nicht ganz gelogen war. Zurück rechnete man ab, bekam nach einem Check der Fahrzeuge die Kaution abzüglich der Reinigungspauschale zurück.
Die Männer gingen mit ihrer Tasche und Rücksäcke durch Ort zu ihrer Unterkunft. Einem Ferienhaus mit angrenzenden Hof. Die Vermieterin, eine nette alte Dame, war nicht mehr so gut zu Fuß, daher hatte sie beschlossen die oberen Zimmer ihres Familienhauses zu renovieren und zu Ferienwohnungen umzubauen. Sie zog ins Erdgeschoss, übernahm die Verwaltung und Betreuung der Gäste.
Am Hoftor hing ein Schild das darauf hinwies das Ferienwohnungen frei waren. Sie hatten 2 der 5 Wohnungen bezogen. Auf dem Hof, der für die Gäste auch als Parkplatz diente, stand ein Auto der Mittelklasse von Honda. Ein Mietwagen, wie man unschwer am Kölner Kennzeichen erkennen konnte. Sein Freund und Kumpane verstaute die Taschen und Rücksäcke im Kofferraum. Im Laufe des Tages würden Sie abreisen. Immerhin musste man damit rechnen von der Polizei gesucht zu werden, sobald sich die Frau und der Mann als Überlebende bzw. Zeugen der Geschehnisse in der Drachenhöhle meldeten.
Unterdessen trat der junge Mann in eins der Zimmer. Hinter der Tür herrschte ein organisiertes Chaos, bei dem die Vermieterin wohl einen Herzinfarkt bekommen hätte. Eine Frau in seinem Alter, mit rotem lockigen Haar, einem Sommersprossen gesprenkeltem Gesicht und drahtigen Körper saß inmitten des Durcheinanders vor einem Laptop. Alice, wie die gleichnamige Märchenfigur, kam ihm manchmal genauso vor wie Alice im Wunderland. Sie war unscheinbar aber ungemein intelligent, ein Genie im Umgang mit Computern und elektronischem Gerät aller Art. Auch wenn man bei dem durcheinander im Zimmer einen anderen Eindruck vermittelt bekam.
„Ihr seit spät.“, kommentierte Alice sein erscheinen.
Auf den ersten Blick mochte die gute Seele ihres Unternehmens keine Schönheit sein, doch wenn Sie etwas Zeit investierte wurde aus dem Entlein ein Schwan. Er gab ihr die Speicherkarten vom HD-Camcorder und der Digitalkamera. „In 3 Stunden reisen wir ab.“ Was nicht viel Zeit war, doch bis dahin sollte Alice vorläufige Ergebnisse vorliegen haben. „Wenn was ist, ich bin unter der Dusche.“, sagte er auf dem Weg aus dem Zimmer.
Sie hatte sich bereits ihrer Aufgabe zu gewandt. „In Ordnung, Ben.“, rief Alice ihm abwesend nach.
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-Drei-
Tante Sophie hieß die Pension in der das LKA Max und Susanne vorläufig unterbrachte, bzw. in eins der freien Zimmer mit getrennten Betten. Trotz des Protests bekam sie kein eigenes Zimmer. Sparmaßnahmen, erwiderte ein LKA Beamter sarkastisch. Er informierte sie dass der Polizist, ein leicht Übergewichtiger Ende 40 im Foyer der Pension seinen Posten bezog. Als Max nach etwas zu Essen fragte, sagte der LKA Mann, er solle einen Lieferdienst nehmen. Bis auf Weiteres hatten Sie das Gebäude oder das Zimmer nicht zu verlassen.
Max legte sich aufs schmale Bett, schaute sich in dem spartanisch eingerichteten Zimmer um, schaltete den Fernseher an und zappte durchs Programm. Wenige Minuten später klopfte es an der Tür. Der Polizist gab ihnen eine Auswahl von Lieferdienstkarten. Nicht mehr als 20 Euro, alles darüber mussten die Beiden aus eigener Tasche bezahlen, so der kahlköpfige Mann. Vor sich hin murmelnd ging Max die Karten durch.
Susanne hingegen hatte keinen Hunger. Einmal mehr fragte sie sich, wieso sie ihre Retter gedeckt hatte und der LKA-Beamtin nichts von ihnen erzählte. Man verdankte ihnen ihr Leben, daran gab es nichts zu rütteln. Doch so edelmütig wirkten die Beiden dann doch nicht. Wie die Mörder ihrer Freunde hatten Sie etwas in der Kammer mit der Sternendecke gesucht. Bloß was!? Sie versuchte sich die Kammer ins Gedächtnis zu rufen. Außer der fulminanten Sternendecke befand sich nichts in ihr. Da kam ihr ein Gedanke. Was wenn Sie nach der Sternendecke suchten? Ja, das musste es sein. Doch was hatte es mit der Sternendecke auf sich? Ihre Neugierde war geweckt. Wieso brachte man dafür 17 Menschen um? Susanne verdrängte die Erinnerung an die Erschießung ihrer Freunde, schluchzte innerlich und versuchte sich auf was anderes zu konzentrieren.
So beschloss sie TV zu gucken. Auf einem hiesigen Nachrichtensender wurde vom Syrau Massaker berichtet. Da klopfte es wieder an der Tür, 30 Minuten nach dem Max seine Bestellung beim Polizisten abgegeben hatte. Er nahm sie entgegen, setzte sich an verschließenden Fenstertisch aß seine Pizza Salami und den mitgelieferten Salat. Danach legte Max sich aufs Bett.
Zusammen schauten Sie Wer wird Millionär, rieten fleißig mit, freuten sich mit den Kandidaten oder ärgerten sich über sie. Am Ende der Sendung schaltete man ins öffentlich-rechtliche Programm, wo eine Sondersendung zu den Geschehnissen in der Drachenhöhle Syrau ausgestrahlt wurde. Auszüge aus der Pressekonferenz wurden eingespielt. Hypothesen ausgestellt. Vermutungen geäußert. Inhaltlich brachte die Sondersendung nichts neues.
Da Max im Verlauf der Sendung eingeschlafen war, zappte Susanne durch die Kanäle. Eigentlich war Sie niemand der zappte, sondern sich im Fernsehprogramm eine Sendung heraussuchte und diese anschaute. Heute war jedoch kein Tag wie sonst.
Gerade als Sie etwas interessantes gefunden hatte, gingen die Tischlampe neben ihrem Bett und der Fernseher gleichzeitig aus. Na Toll Stromausfall. Als nach Minuten weder das Licht noch der Fernseher wieder funktionierten, stand Susanne von ihrem Bett auf und ging zur Zimmertür, um ihre Laune an dem nichtsnutzigen Polizisten im Foyer auszulassen. Sie streckte die Hand nach dem Knauf aus.
„Verdammte Scheiße. Was ist das für ein Saftladen hier.“
Susanne schaute durch den Spion. Ein fülliger Mann trat auf den Flur und stapfte wie ein Koloss in Richtung Treppe. „Hey. Wer sind Sie?“, rief der Mann ungehalten.
Blobb!! Blobb!! Dann schlug etwas Schweres auf den Boden auf. Eine unheimliche Ruhe kehrte ein. Susanne stand einfach nur da, starrte auf die Tür.
Knrrrr!! Das Ächzen der Bodendielen war ein Weckruf. Das war kein Stromausfall. Jemand hatte die Stromversorgung gekappt, war ins Gebäude eingedrungen, die Treppe hinaufgegangen und schritt nun den Flur entlang. Sie waren Zeugen hörte Susanne den jungen Mann sagen. Genau wie Max und Sie.
Knrrrr!! Wer auch immer es auslöste, kam näher.
Eine unerkannte Furcht kam auf. Langsam, bedächtig ging sie rückwärts, von der Tür weg. Eine Panikattacke drohte ihr rationales Handeln zu ertränken. Eine Stimme schrie sie solle weglaufen, sich verstecken. Doch wohin? Wollte ihr rationales Ich wissen. Darauf hatte die Stimme keine Antwort. In ihrem Zimmer gab es nichts, wo sie sich verstecken konnten. Aus dem Fenster konnte sie nicht fliehen. Das Zimmer lag drei Etagen über den Erdboden. Es gab keinen Fenstersims. Sie ging zum Telefon, nahm den Hörer ab. Doch kein Freizeichen war zu hören. Das Knirschen der Bodendielen hörte auf. Direkt vor ihrer Zimmertür. Der Klinke wurde langsam, wie in Zeitlupe, hinuntergedrückt.
Susanne eilte hinter an die Wand, wo der kurze Flur in den Wohn/Schlafraum des Zimmers führte. Sie lugte um die Ecke, sah, wie die Tür sehr langsam geöffnet wurde. Lautlos traten 2 Gestalten in schwarzer Kleidung über die Schwelle. Hastig zog sie den Kopf zurück, hielt das altmodische Telefon in Händen, umklammerte es so stark das ihre Fingerknöcheln weiß waren und hielt vor Angst die Luft an.
Ihre Sinne waren aufs äußerste gereizt. Sie hörte wie die Gestalten langsam durch den kurzen Flur schlichen. Kein schneller Schritt. Vorsichtig um die Bewohner des Zimmers nicht zu wecken, damit ihre Opfer nicht um Hilfe rufen konnten. In der Pension mochte es kein Lebender mehr hören, dafür aber die Nachbarn, wenn ein Todesschrei durch die Nacht ertönte und einen aus dem Schlaf riss.
Susanne richtete ihren Blick nur auf den Übergang vom Flur ins Zimmer. Ein Schalldämpfer tauchte auf, erst die Spitze dann immer mehr.
„Ole … Ole … Ole“, tönte es lallend von draußen.
Die Gestalt mit dem Schalldämpfer verharrte, bewegte sich nicht. Ein unverständliches Flüstern ertönte aus dem Flur. Dann verschwand der Schalldämpfer.
„We are the Champions …“ Schritte ertönten, das knarren vom Holz des Treppenaufgangs.
Sie wagte vorsichtig um die Ecke zu schauen. Zu atmen traute Susanne sich einfach nicht. Die Gestalten standen hinter der Tür. Einer schaute durch den Spion, wie sie als der dicke Mann poltert aus seinem Zimmer trat.
„Ole … Ole … Ole … Wir sind die Macht im“ Der Verursacher lallte auffällig, wie ein jemand der Sturz betrunken war. „Hey“, unterbrach der Mann seinen Gesang. Er musste den dicken Mann bei der Treppe gefunden haben. „liegst hier einfach im Gang, Alter.“ Der betrunkene Schlachtenbesinger schlurfte den Flur entlang, nuschelte kauderwelsch. „Ups!“ Ein betrunkenes Lachen ertönte. Dann klimperte es. Er hatte den Zimmerschlüssel aus seiner Tasche gezogen. „Geh rein …Ole …Ole“, setzte er seine Arie fort. Man hörte wie der Mann versuchte den Schlüssel ins Schloss zu stecken. „Ätsch.“, stieß er triumphierend heraus. Anscheinend war es ihm gelungen den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Klack!! Er musste beim Klinkendrücken abgerutscht sein.
Dann ging alles unglaublich schnell…
***
Ben, die Kurzform von Benjamin, war bis zur nächsten Straßenecke gegangen, schaute sich sporadisch um. Links. Rechts. Autos fuhren auf der Hauptstraße entlang, ebenso Lkw’s, die die Lkw-Maut auf der Autobahn umgehen wollten. Die Lkw’s kamen meist auf dem Ostblock. Nicht allzu weit von Plauen entfernt lag die Grenze zur Tschechischen Republik. Am Ortseingang, wie Ausgang, standen Blitzer und regelmäßig machte die Polizei Fahrzeugkontrollen in der Umgebung.
Er wollte gerade wieder zurückgehen, als ihm eine Limousine auffiel. Sie fuhr von der Hauptstraße in eine Nebenstraße und verschwand aus seinem Sichtbereich. Eigentlich nichts Ungewöhnliches. Auch nicht dass das Fahrzeug dem Kennzeichen nach aus München kam. Vermutlich war es nur auf der Durchreise. Oder jemand in Plauen bekam Besuch. Doch sein Bauchgefühl war anderer Ansicht. Zu Recht, wie sich herausstellen sollte.
Kurz nach dem die Limousine in die Nebenstraße eingebogen war, traten 2 Männer aus eben dieser hinaus auf die Hauptstraße, nutzten die Möglichkeit die Straße zu überqueren und liefen völlig normal. Ben konnte sich nicht erinnern die Kerle bereits gesehen zu haben oder zu kennen. Trotzdem war etwas an ihnen das ihm wohl bekannt war. Sie wirkten nicht wie gewöhnliche Leute.
Ihre Haltung. Ihr Gang. Ihr Gehabe. Ihre Ausstrahlung. Die Männer gehörten zum Tross des Generals. Er wusste es vom ersten Augenblick an. Sie waren Angehörige des Söldnertrupps, dass der General befehligte.
Er glaubte nicht das deren Anwesenheit in Plauen Zufall war.
Ohne weiter darüber nachzudenken, folgte er ihnen.
Am Ende der Straße betraten die Männer ein Gebäude. Tante Sophie stand auf dem Schild über dem Eingang. Eine Pension. Ben kannte den General gut genug, um zu wissen, dass der Mann sich niemals dort einquartierte. Schon gar nicht nach einer solchen Aktion wie in der Drachenhöhle.
Er wartete. Dann ging er über die Straße und betrat die Pension. Kaum war Ben durch die Tür stoppte er. Im Sessel, in einer Ecke, gegenüber der Rezeption, saß ein Polizist mit einer Zeitung und 2 Schüssen in der Brust. In dem Gebäude selbst war es dunkel. Langsam schlich Ben weiter. Hinter der Rezeption lag eine Dame. Auch in ihrer Brust steckten zwei Kugeln. Schalldämpfer!! Andernfalls hätte er die 4 Schüsse gehört. Im Gegensatz zu jemand anderem konnte er Knallfrösche oder Böller von Schüssen unterscheiden. Nichts dergleichen war zu hören gewesen. Demzufolge mussten die Söldner Schalldämpfer benutzt haben. Bloß wieso waren sie in die Pension eingedrungen?
Vom Treppenaufgang ertönte ein Knirschen. Sie waren Oben. Dort mussten die Zimmer für die Gäste der Pension liegen. Sein Blick ging zum Polizisten. Der Mann hatte nicht mal die Chance gehabt seine Waffe zu ziehen oder danach zu greifen. Er hatte vermutlich nicht damit gerechnet, das professionelle Mörder die Pension betraten. Doch weshalb war der Polizist überhaupt in der Pension!? Er saß da in dem Sessel und schien auf etwas zu warten.
Nein, er wartete nicht sondern hatte seinen Posten im Foyer bezogen, wie es Polizisten taten die auf Zeugen aufpassen sollten. Jetzt wusste Ben den Grund, weshalb die Söldner in die Pension gekommen waren. Sie wollten jemanden eliminieren. Und Ben kannte nur 2 Personen, um die sich der General kümmern lassen würde.
Er handelte, ohne groß darüber nachzudenken. Schon auf der ersten Stufe wurde ihm bewusst, wie er vorgehen würde. „Ole …Ole …Ole …“, rief er lallend und stampfte schwankend die Stufen hinauf. Ben hatte keine Waffe dabei, geschweige den einen Plan. Also musste er improvisieren. Bei dem, was er tat musste, man flexibel sein, sich auf die Situation einstellen und auf Veränderungen reagieren, statt zu agieren.
„We are the Champions …“, sang Ben genauso, wie es Betrunkene nach einem Fußballspiel taten. Für die Söldner kam es mit Sicherheit überraschend. Sie würden sich auf die Situation einstellen, sobald ihnen klar war, dass eine Gefährdung von ihm ausging. Von einem Betrunkenen ging höchst selten eine Gefahr aus.
„Ole … Ole … Ole … Wir sind die Macht im“ Er erreichte das Ende der Stufen. Keinen Meter entfernt lag ein dicker Mann auf dem Flur. In seiner Brust steckten 2 Kugeln. Auf dem XXL-Hemd war ein großer Fleck Blut. Neben ihm lag ein Schlüssel für eins der Zimmer. Ben wankte die letzte Stufe hinauf, stützte sich an der Wand ab. „liegst hier einfach im Gang, Alter.“ Dann schlurfte er an ihm vorbei. Im Flur selbst war niemand. Langsam und schwankend ging er vorwärts. Die Söldner mussten in einem der Zimmer sein. Er tastete nach der Gravur auf dem Schlüssel, 5. Somit gehörte dem dicken Mann das Zimmer 5. Ben erweckte nahezu perfekt den Eindruck ein Betrunkener zu sein. Ein Plus für ihn war der Stromausfall, so konnten ihn die Söldner nicht genau sehen, vor allem sein Gesicht. Ihm fehlte nämlich der trübe Blick und die glasigen Augen eines Mannes, der zu viel getrunken hatte.
Nur noch wenige Schritte war er von Zimmer 5 entfernt, als er bemerkte dass die gegenüberliegende Tür, also Zimmer 4 nur angelehnt war. In der Dunkelheit fiel das einem Betrunkenen sicherlich nicht auf. Hinter der Tür mussten also die Söldner stehen. Wahrscheinlich beobachteten Sie ihn durch den Spion. Sein Gesicht konnten sie durch die Dunkelheit nicht sehen. Außerdem achtete Ben darauf es ihnen nicht zu zeigen.
Seine Darstellung war eine Oscarnominierung wert, fand er. Andernfalls hätten ihn die Söldner längst über den Haufen geschossen. Sehr zur Freude des Generals. Doch darauf musste der Kerl weiterhin warten.
Er rülpste. „Ups!“ Ben klapperte mit dem Schlüssel, als vor der Zimmertür 5 stand, sich gegen den Rahmenvorsatz lehnte, hörbar schnaufte. Er stützte sich ab, beugte sich zum Schloss herunter und fingerte mit dem Schlüssel herum. Dabei achtete er darauf die Tür im Blick zu haben. Sie konnten ihn jetzt einfach in den Rücken schießen. Das die Söldner es nicht taten würden sie bereuen.
„Geh rein …Ole …Ole“ Der Schlüssel steckte. Ben schloss auf, griff nach der Klinke, richtete sich auf und rutschte ab. Klack!!
Der Moment war gekommen. Blitzschnell drehte er sich rum, sprintete los, sprang und warf sich gegen die Zimmertür. Der Söldner hinter der Tür bekam die volle Wucht ab, als die Tür gegen ihn flog. Er hatte einfach nicht damit gerechnet, dass der Betrunkene eigentlich gar keiner war, so überzeugend war Ben gewesen.
Er schlüpfte ins Zimmer, sah eine Gestalt im Flur stehen. Der Partner hob die Waffe. Ding!! machte es und der Söldner sackte bewusstlos zusammen. Sein Kollege erholte sich von dem Aufprall, sprang den Eindringling an und hieb mit Schaft nach Ben’s Kopf. Er wich dem Hieb aus, ging in die Knie und schlug dem Söldner auf den Solarplexus, in die Nieren und die Leber. Sein Gegner stöhnte, machte einen Schritt nach hinten um aus dem Infight zu gelangen und den nicht Betrunkenen zu erschießen.
Ben hingegen nutzte den Schritt, kam hoch, griff nach dem Arm mit der Pistole, schlug dem Söldner mit der Faust ins Gesicht, brach ihm dabei die Nase. Der Griff um die Waffe lockerte sich. Er verstärkte seinen Druck, blockte den Schlag des Söldners, trat ihm mit dem Knie in die Rippen, packte den anderen Arm und warf ihn kurzerhand gegen die gegenüberliegende Wand. Der Mann sackte an, ließ die Waffe fallen, ächzte, keuchte und stöhnte. Er bekam keine Chance sich zu erholen.
Mit einem Schlag knockte Ben ihn aus. Etwas außer Atem trat er ins Zimmer. Aus dem Augenwinkel sah er eine Bewegung, machte einen Ausfallschritt und griff zu.
Vor Schreck ließ Susanne das Telefon fallen, schrie erschrocken auf und schlug geistig gegenwärtig mit der freien Hand zu. Klatsch!!
„Verdammt.“, beschwerte sich eine ihr bekannte Stimme.
***
Als der Trubel losging, wachte Max erschrocken auf. Er wollte etwas rufen, doch Susanne zeigte ihm er solle still sein. Sie lugte um die Ecke, sah, wie 1 weitere Gestalt ins Zimmer schlüpfte, wie ein Fuchs in einen Hühnerstall. Derjenige, der Eindringlinge der tiefer im Flur stand, hob er die Pistole. Susanne reagierte einfach. Sie zog dem Kerl das altmodische Telefon über den Hinterkopf und der Mann sackte in sich zusammen.
Die Rauferei ging los.
Irgendwann kehrte Ruhe ein. Bis eine Gestalt an der Schwelle zum Übergang von Flur ins Zimmer auftauchte. Sie konnte nicht erkennen, ob es einer der Eindringlinge war oder der Helfer. Rein instinktiv schlug sie mit dem Telefon zu. Vollkommen unerwartet machte die Gestalt einen Ausfallschritt, packte ihr Handgelenk. Sie erschreckte sich so sehr das Sie das Telefon fallen ließ und es klirrend zu Boden fiel. Dann schlug sie mit der freien Hand, drauf den Kerl mit der flachen Hand ins Gesicht und verpasste ihm eine Ohrfeige.
„Verdammt.“ Es war die Stimme des jungen Mannes aus der Drachenhöhle. Die aufgestaute Angst und Furcht fiel augenblicklich von ihr ab. Da ließ er ihr Handgelenk los. „Behandeln sie so jeden der ihnen das Leben rettet? Zum zweiten Mal.“ Ben rieb sich die Wange.
Susanne stand kurz davor sich zu entschuldigen, doch der aufkommende Trotz erstickte das Vorhaben ihm Keim. „Was machen Sie hier?“, wollte sie statt der Entschuldigung wissen. „Wo ist der Polizist?“ Die Antwort darauf kannte Susanne bereits. Wenn die Männer im Flur, den Dicken einfach über den Haufen schossen, hinderte sie es mit Sicherheit nicht daran einen Polizisten zu erschießen. Da wurde ihr zum ersten Mal bewusst in was für einen Schlammassel sie steckten. Susanne wurde übel.
„Packen sie ihre Sachen, hier sind sie nicht mehr sicher.“
Doch wenn Sie in der Obhut der Polizei nicht sicher waren, wo dann? Gab es überhaupt noch einen sicheren Ort? „Und wo sind wir sicher?“, fragte Susanne niedergeschlagen. Die Polizei konnte sie nicht schützen. Vielleicht konnten sie sich irgendwo verstecken, doch Susanne bezweifelte dass sie sich vor den Männern aus der Drachenhöhle lange genug verbergen konnten. Was also sollten sie tun?
Ben schwieg. Darauf hatte er keine Antwort. Möglicherweise würde die Polizei ihre Maßnahmen zum Schutze der Beiden verstärken, sie in einem sicheren Haus unterbringen, wo man sie rund um die Uhr be- und überwachte. Nichts davon konnte den General daran hindern die Zeugen zu eliminieren. Sie hatten etwas gesehen, was sie nicht hätten sehen sollen. Ob Sie überhaupt wussten, was sie gesehen hatten oder nicht spielte für den Mann keine Rolle.
„Bis ich mir was überlegt habe, kommen sie mit uns.“ Für den Augenblick waren sie bei ihnen sicherer, als irgendwo sonst. Jedenfalls für eine Weile.
So verließen die Drei eilig das Zimmer, liefen den Flur entlang, vorbei an der Leiche des Dicken, die Treppe hinunter, wo die Leichen der Dame und des Polizisten lagen, durchs Foyer nach draußen. Ohne jede Hatz gingen sie die Straße entlang, erweckten den Anschein 3 Freunde zu sein, die auf dem Heimweg oder zu einer Unternehmung unterwegs waren.
Unterwegs holte Ben sein Handy heraus, rief seinen Freund an und teilte ihnen mit unverzüglich die Zelte abzubrechen. Er und Alice sollten ihn an der Hauptstraße Richtung Bayreuth abholen. Sie gingen die Hauptstraße entlang, bis eine Mittelklasse Limousine neben ihnen hielt. Max und Susanne zögerten nicht einzusteigen. Ben stieg auf der Beifahrerseite ein, schaute Jonas kurz an. Man sah ihm an das er mit der Situation alles andere als einverstanden war, doch er behielt seinen Einwand für sich. Vorerst und fuhr los, nach dem alle eingestiegen waren.
Sie fuhren aus Plauen hinaus, folgten der Bundesstraße bis zur Autobahnauffahrt der A72, nahmen die Auffahrt Richtung Bayreuth, reihten sich in den fließenden Verkehr ein und waren eins von Hunderten Fahrzeugen, die die Autobahn befuhren.
Nach 20 Minuten des Schweigens drehte sich Ben um, schaute die beiden an. „Ich glaube wir sollten uns einander vorstellen.“ Den Seitenblick von Jonas ignorierte er. Alice hingegen schien keine Meinung dazu zuhaben. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt auf ihr Netbook einzutippen. Ben hielt der Frau die Hand hin. „Mein Name ist Benjamin.“
Susanne zögerte. „Susanne.“
Ben schaute ihren Begleiter an.
„Max.“, stellte er sich verlegen vor.
„Das sind Alice und Jonas.“, vollendete Ben die Sache.
Schweigen kehrte ein. Bis Susanne eine wohl berechtigte Frage stellte. „Wohin fahren wir?“
Ben’s Mundwinkel verschoben sich zu einem Schmunzeln. Damit wirkte er noch jugendlicher als er, wieso schon aussah. Sie schätzte ihn auf höchstens Anfang Dreißig.
„Alice?“ Er wandte sich wieder nach vorne.
„Nürnberg.“ Sie schaute nicht einmal auf, als Alice die Antwort gab.
***
Die Angelegenheit entwickelte zu etwas das weit mehr war als ein bloßer Amoklauf oder Massaker an Unschuldigen. Bisher hatte sie nichts Neues in Bezug auf die Drachenhöhle Syrau. Dafür aber in Plauen.
In der Pension Tante Sophie lagen 3 Leichen. Die Besitzerin, ein Gast und ein Polizist. Von Susanne Reuter und Max Falk fehlte bisher jede Spur. In ihrem Zimmer sah es wie nach einem Kampf aus. Blutspritzer im Flur. Zerstörtes Mobiliar. Beschädigtes Türscharnier. Dellen und Löcher in der Flurwand. Ein im Zimmer liegendes Telefongerät mit Wählscheibe. Die Spurensicherung fand daran Haare und Hautreste. Es wurde ebenso sichergestellt wie die Blutspritzer.
Daher konnte man mit Fug und Recht behaupten, dass Tina Schuster nicht aller bester Stimmung war. Die Ablösung des Beamten im Sessel hatte ihn mit 2 Schüssen in der Brust im Foyer sitzend gefunden. Sofort machte der Kollege Meldung. Zusammen mit dem Beamten, der draußen im Wagen saß und den toten Polizisten zum Revier fahren wollte, durchsuchten Sie die Pension. Dabei fanden die beiden Beamten lediglich die erschossene Besitzerin hinterm Empfangstresen und den dicken Mann im Flur.
Sofort nach dem man Schuster informierte, fuhr sie zur Pension. Dort verschaffte sie sich einen Überblick. Alle 3 Toten wiesen ein Doppelschussmuster auf. Wie einige der Opfer in der Drachenhöhle. Wer auch immer hierfür verantwortlich war, war ein Profi so viel stand schon mal fest. Ansonsten hatten sie nicht viel. Schuster hatte die sichergestellten Blutspritzer sowie das Haar und die Hautreste mit der allerhöchsten Dringlichkeitsstufe per Kurier ans LKA-Labor in Dresden geschickt.
Sie blickte auf ihre Uhr. Der Kurier musste die Sachen vor 10 Minuten im Labor abgegeben haben. Sobald sie in ihrem vorläufigen Büro in der Polizeidienststelle von Plauen war, würde sie im Labor anrufen und sich erkundigen, ob die Proben eingetroffen waren. Sie wollte sicherstellen, dass das Labor nicht trödelte. Ein Kollege war erschossen worden. Der Umstand spornte Schuster und jeden aus ihrem Team nur umso mehr an, die Täter zu finden. Des Weiteren mussten Sie Frau Reuter und Herrn Falk ausfindig machen.
Wer auch immer hinter dem Mordanschlag steckte, würde es wieder versuchen. Da war Sie sich absolut sicher. Demzufolge musste etwas in der Drachenhöhle geschehen sein, von dem die Beiden nichts hätten wissen sollen. Vermutlich hatte die Frau ihr genau das verschwiegen. Bei der nächsten Unterredung würde Tina nicht so freundlich sein, sondern solange bohren, bis sie Antworten hatte auf ihre Fragen.
Ihr Handy klingelte.
Sie schaute aufs Display, die angezeigte Nummer hatte die Vorwahl von Dresden. Die restlichen Zahlen kannte Schuster ebenfalls. Die Nummer gehörte dem Chef vom LKA Sachsen.
***
Man sah es dem General nicht direkt an aber er war wütend. Wieder hatten seine Männer versagt. Er hielt ihnen zu gute, das sie überrumpelt wurden. Ihr Gegner war nicht irgendjemand, sondern einer der Besten. Genau aus diesem Grund gehörte er einst zu seinen Männern. Daher wussten sie auch, gegen wen sie kämpften, kannten seine Stärken und Schwächen.
Nichtsdestotrotz gelang es ihm erneut seine Männer auszuschalten, als wären es Anfänger oder Amateure. Nichts von beiden waren die 2 die der Major aussandte, um die Zeugen zu beseitigen. Trotzdem versagten sie genauso wie Olaf und Derek.
An ihnen ein Exempel zu Stautieren konnte durchaus vernünftig sein. Und für einige Augenblicke war der General sogar geneigt die Anweisung dazu zugeben. Dass er es letztlich nicht tat, lag nicht an seiner Güte oder Menschlichkeit. Sein Problem war, dass es heutzutage nicht einfach war, fähiges und noch geschultes Personal zu finden.
So würde er Notgedrungen an ihnen festhalten, auch wenn sie sich eigentlich keine Fehler mehr leisten konnten.
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-Vier-
Das Germanische Nationalmuseum beherbergte die größte Sammlung von Schriften und Gegenständen der germanischen Stämme Deutschlands. 1852 in Nürnberg vom fränkischen Edelmann Hans Freiherr von und zu Aufseß gegründet. Auf einer Ausstellungsfläche von circa 28.000 Quadratmetern präsentierte man um die 1,3 Millionen Einzelstücke zur deutschen Kultur und Kunst von der Vor- und Frühgeschichte bis zur unmittelbaren Gegenwart. Ungefähr 30.000 Exponate stammten aus der persönlichen Sammlung von Herrn Freiherr von und zu Aufseß, dem Gründer des Germanischen Nationalmuseums.
Er wollte damit der wissenschaftlichen Erforschung einen umfangreichen Zugang ermöglichen. Bis heute nutzten Studenten, Wissenschaftler und Forscher aus aller Welt die sich mit dem Thema Germanien befassten das Germanische Nationalmuseum und die Sammlung für ihre Arbeiten.
Zu den wichtigsten Abteilungen des Museums gehörten die vor- und frühgeschichtliche Abteilung von der Altsteinzeit bis zur Merowingerzeit, eine Gemälde- und Skulpturensammlung, welche die Entwicklung der deutschen Malerei und Bildhauerei bis zum 20. Jahrhundert aufzeigt, eine Sammlung historischer Waffen und Jagdaltertümer, eine volkskundliche Abteilung mit einer einzigartigen Trachten- und Textiliensammlung, eine Abteilung historischer Musikinstrumente, das Kupferstichkabinett mit rund 300.000 Blatt und die Münzsammlung, mit etwa 100.000 Münzen und Medaillen die umfangreichste im deutschen Sprachraum. Hinzu kommt das Archiv für bildende Kunst, in dem bedeutende Nachlässe von Malern, Bildhauern, Architekten und Kunstgelehrten lagen, die ebenfalls für die Öffentlichkeit zugänglich waren.
Einige Exponate der Sammlung wurden für Ausstellungen in der ganzen Welt angefragt. In der Regel stimmte die Museumsleitung sowie die Stiftung Germanien den Anfragen zu. Von den wertvollsten Exponaten wurden Kopien ausgestellt. Die echten Stücke lagerten im Tresorraum unter dem Museum. Eine allgemein übliche Vorgehensweise, insofern sich keine Versicherung fand die die Stücke versichern wollte.
Ein Exponat interessierte Ben, Jonas und Alice besonders.
Eine der Schriften von Manius, einem germanischen Gelehrten zur Zeit des Cheruskerfürst Arminius. Er war ein Wissenschaftler und Erfinder, der zur falschen Zeit geboren wurde, urteilte Hans Freiherr von und zu Aufseß über den Mann, dessen Schriften aus seiner Sammlung stammten. Über den Mann war wenig bekannt, eine Verbindung zu Arminius schien es nicht zu geben, obwohl Manius in einer Schrift vom Cheruskerfürsten berichtete konnte nicht bewiesen werden, ob sich die Männer je persönlich begegneten. In einer Schrift hingegen schrieb der Gelehrte über die Varusschlacht, die darauffolgenden Auswirkungen, den Widerstand Germaniens gegenüber Rom und den Feldzug Roms nach der Varusschlacht.
Die Schrift, für die Sie sich interessierten, war im Index als Schrift der Sterne betitelt. Was wenige wussten, lange bevor Galileo Galilei sagte die Erde sei keine Scheibe, sondern eine Kugel, stellte der Germane Manius eben diese These auf. Als Grundlage dafür nahm er seine Sternenforschung. Die Bahnbrechend für diese Zeitepoche war aber in der modernen Altertumswissenschaft keine Bedeutung fand. Neue Wege oder Sichtweisen nachzugehen, gehörte nicht zu den Stärken der modernen Wissenschaft.
Jedenfalls war Manius nicht nur ein Wissenschaftler und Erfinder, der seiner Zeit weit voraus war, sondern auch ein Mathematikgenie der Formeln und Gleichungen entsann die Jahrtausende später das Rückgrat der Mathematik bildeten. Hans Freiherr von und zu Aufseß gehörte zu den wenigen die sich je ernsthaft mit dem Thema um die Person Manius auseinandersetzten. Daher seine Auffassung der Mann sei zur falschen Zeit geboren.
Nichtsdestotrotz beschäftigte sich ein Bereich im Germanischen Nationalmuseum mit eben diesen Mann. Der Bereich begrenzte sich lediglich auf einen kleinen Raum, der mehr wie eine Abstellkammer wirkte, als ein Ausstellungsraum eines Museums.
Nicht alleine deswegen verzichteten Ben, Jonas und Alice darauf dem eigentlichen Germanischen Nationalmuseum einen Besuch abzustatten. Das wonach Sie suchten befand sich andernorts, nämlich in der namensgebenden -Hans Freiherr von und zu Aufseß Bibliothek-, im Schloss Bergendorf das im gleichnamigen Außenbezirk der Stadt Nürnberg stand.
***
Schloss Bergendorf gehörte, einst zu den Besitztümern von Hans Freiherr von und zu Aufseß, der es nach der Gründung des Germanischen Nationalmuseums ihnen überließ. Später ging das Schloss in die Stiftungsmasse über, wo zu seinen Ehren die -Hans Freiherr von und zu Aufseß Bibliothek- einrichtet wurde. In deren Sammlung sich unter anderem die Schriften von Manius befanden.
Schirmherrin über Schloss Bergendorf und die Bibliothek war Gräfin Lorana von Großzollen, die zur Familie von und zu Aufseß gehört. Schon als Mädchen hatte sie sich mit der Kultur der Germanen beschäftigt, studierte später Germanistik und deutsche Vor- und Frühgeschichte. Sie bekam eine Dozentenstelle in London, lebte 10 Jahre dort, kehrte nach Nürnberg zurück, wurde Gastdozentin an der Freien Deutschen Universität, nahm an Kongressen und Konferenzen in Europa und Weltweit statt. Dann übernahm die Gräfin den Schirmherrensitz über Schloss Bergendorf, etablierte die -Hans Freiherr von und zu Aufseß Bibliothek- und setzte sich für die Fortführung des Erbes von Hans Freiherr von und zu Aufseß ein.
Ihr Lebenslauf war beeindruckend, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Gräfin gerade einmal 40 Jahre alt war. Sie war eine attraktive Frau, hatte als Mädchen an etlichen Schönheitswettbewerben in Deutschland, vorwiegend in Bayern, teilgenommen und manche sogar gewonnen. Die Gräfin war nicht nur hübsch, sondern auch intelligent und wissbegierig. Wie schon Hans Freiherr von und zu Aufseß gehörte Lorana von Großzollen zu einer der wenigen Experten die sich mit dem germanischen Gelehrten Manius befassten.
Ihre Abhandlungen über den Mann waren nur einem sehr übersichtlichen Personenkreis bekannt und anerkannt. Man hatte sie sogar publiziert, in mehrere Sprachen übersetzt, aber in der Regel staubten die Bücher in den hintersten Ecken der weltweiten Unibibliotheken ein.
Alice hatte bei ihren Recherchen herausgefunden dass die Manius Schriften im Schloss Bergendorf aufbewahrt wurden. Darunter auch jene Schrift für die Sie sich interessierten. Das Problem war nur dass die Gräfin ihnen niemals gestatten würde die originale Schrift einzusehen, geschweige den auszuleihen.
Es half daher alles nichts, sie brauchten die Schrift der Sterne. Dort lag nämlich der Schlüssel den sie brauchten um das Rätsel in der Sternendecke zu entschlüsseln. Zumal Ben und seine Gefährten unter Zeitdruck standen. Der General konnte jeden Moment mit seinen Truppen einfallen, ein Blutbad anrichten und sich nehmen was er brauchte.
Insofern sich das Material von Professor Stein als brauchbar herausstellte, musste der General nicht zwangsläufig auf Schloss Bergendorf einmarschieren. Dann konnten seine Leute im Stande sein das Rätsel der Sternendecke so zu lösen, ohne dafür die Schrift der Sterne von Manius benutzten zu müssen. Damit konnten Ben und Co ins Hintertreffen geraten. Sie mussten daher unter allen Umständen schritt halten, andernfalls war ihr Tun völlig umsonst.
***
-2 Stunden zuvor-
Gut 1 Stunde Autofahrt von Nürnberg entfernt lag an der Autobahn ein Rasthof mit Tankstelle, Restaurant und Übernachtungsmöglichkeit. Einmal im Jahr wurden in Deutschland die Rasthöfe vom ADAC auf Herz und Nieren getestet. Der Rasthof Timm lag letztes Jahr im oberen Mittelfeld. Familien, Geschäftsleute, Trucker, Touristen und Andere tankten, ruhten sich aus oder nutzten die Gelegenheit um zu Essen und zu Trinken.
Obwohl Ben sich ein Sandwich kaufte und es aß konnte man nicht sagen das er zusammen mit Jonas und Alice zu einer der Kategorien zählte. Susanne und Max hatten sich an einen anderen Tisch gesetzt. Sie beobachtete die Unterhaltung der 3. Immer wieder schweiften ihre Blicke umher, um zusehen ob sie beobachtet oder belauscht wurden.
20 Minuten später kam Ben zu ihnen.
Seine Freunde blieben sitzen.
Er schaute Susanne und Max an. Sein Blick verriet nichts.
„Was geht hier vor?“, fragte Susanne.
Ben’s zögern hatte nichts mit der Frage oder passenden Antwort zu tun. Ihm gefiel es genauso wenig die Beiden in die Sache mit reinzuziehen wie Jonas, doch im Augenblick schienen die 2 bei ihnen sicherer zu sein als anderswo. Mit Sicherheit würde der Polizeischutz jetzt umfangreicher ausfallen. Was den General aber nicht davon abhielt sie umzubringen.
Da betraten 2 Polizisten der Autobahnpolizei das Restaurant. Ihr Blick schweifte lässig umher, ohne nach jemand bestimmten zu suchen.
„Der Grund warum man euch umbringen will liegt im Geheimnis der Sternendecke.“, begann er ohne ihre Frage zu beantworten.
„Geheimnis?“ Bisher war Max Falk recht schweigsam gewesen.
Ben sah ihn ruhig an und nickte. „Was wisst ihr über Arminius?“
„Hat er nicht das Heer gegen die Römer angeführt!“, antwortete Max unsicher.
„Ja. Arminius war der Cheruskerfürst, der die germanischen Stämme einte und gegen Publius Quinctilius Varus in die Schlacht zog.“ Bei dem Namensgeber der Varusschlacht erschien auf Max Gesicht ein wissender Ausdruck. Die Varusschlacht gehörte zur früheren deutschen Geschichte, wie der Mauerfall. „Er besiegte die Legionen des Varus und verhinderte so die Expansion Roms über den Rhein hinaus.“
„Was hat das mit dem Blutbad in der Drachenhöhle und dem Mordversuch auf uns zu tun?“, ging Susanne harsch dazwischen. Sie brauchte keine Geschichtsstunde, sondern antworten.
Ben nahm es ihr nicht übel. Ihre Reaktion war mehr als verständlich. Schließlich kam es nicht allzu häufig vor das jemand einen innerhalb von 24 Stunden 2 Mal versuchte umzubringen. „Die Zusammenführung der Stämme gelang ihm durch ein Objekt das sich in seinem Besitz befand. Dadurch besiegten sie die Römer. Es ist auch der Grund für die Geschehnisse in der Drachenhöhle und dem Mordanschlag auf euch.“
Susanne war sich nicht sicher, wie sie darauf reagieren sollte. Er machte nicht den Eindruck als würde er sie auf den Arm nehmen. „Was für ein Objekt? Wovon redest du?“ So langsam wurde sie zornig.
„Das Herz des Drachens.
Danach suchen wir. Genau wie der General, der euren Tod will, weil ihr die Sternendecke gesehen habt. In ihr befindet sich ein Hinweis auf den Standort des Herzens. Dafür bringen er und seine Männer jeden um.“
„Ihr seit Schatzräuber!“ Die Erkenntnis überraschte Susanne nicht sonderlich. Irgendwie hatte sie es bereits vermutet, war sich aber nicht sicher gewesen.
„Wir sind die Guten.“
„Ein Indiana Jones Verschnitt für Arme.“, polterte sie erzürnt. Susanne schaute zu den Polizisten. Für einen Moment war sie geneigt aufzustehen und ihnen zu sagen wer sie waren. Sie würde sie bitten Frau Schuster anzurufen, die dann alles erklären konnte. Die Frau würde Schutzhaft anordnen.
„Was ist dieses Herz des Drachen?“, fragte Max neugierig.
„Das weiß niemand.“
„Natürlich!!“, kommentierte seine Freundin verärgert.
Ben ignorierte sie. Für solche Kindereien hatte er keine Zeit und Nerven. „Der Sage nach verleiht das Herz einem übernatürliche Kräfte, die einen unbesiegbar macht.“
„Interessant!!“, warf Susanne dazwischen. „Wenn dieser Arminius es besaß, wieso ist er dann seit“ Sie stoppte kurz. „fast 2000 Jahren Tod?“
„Als die Varusschlacht vorüber war, erkannte er, welche Macht das Herz barg. Das Herz war der wahre Grund weshalb Publius Quinctilius Varus in Germanien eingefallen war. Er wollte seine Macht nutzen und zum Herrscher Roms werden.
Arminius wusste das Varus nur der Anfang war, also beschloss er es an einen geheimen Ort zu verstecken, so das es von niemanden gefunden und missbraucht werden konnte. Gleichzeitig ließ er alle im Glauben es weiterhin zu besitzen. Nur so konnte er sicher gehen, dass niemand danach suchte, was geschehen wäre wenn bekannt geworden wäre, dass es nicht mehr in seinem Besitz befände.
So konzentrierten sich jene, die das Herz wollten auf ihn.“
„Wer?“, hackte Max interessiert nach, als Ben pausierte.
„Alle.
Angefangen bei Julius Caesar. Attila. Dschingis Khan. Saladin. Alexander der Große. Napoleon. Hitler. Stalin. Sie alle suchten danach.“ Max machte ein überraschtes Gesicht. Susanne hingegen ließ sich nichts anmerken. Sie war nicht so überzeugt, wie ihr Freund.
„Nicht zu vergessen Ihr und dieser General, der unseren Tod will, weil wir die Sternendecke in der Drachenhöhle gesehen haben.“, fügte sie stattdessen hinzu.
Ben nickte. „Der General gehört zu einer der 3 Fraktionen der Bruderschaft.
Sie sind überall auf der Welt.
Sie kontrollieren alles von Drogen bis Waffen, Prostitution und Menschenhandel hin zu Piraterie und Entführungen. Sie beschützen das Cali Drogenkartell in Kolumbien, die Diamantenfelder und Minen in Sierra Leone, das Öl in Nigeria, den Drogenanbau in Kambodscha.
Sie schützen oder stürzen Regierungen in Afrika, Süd- und Mittelamerika, Asien.
Sie kämpfen für die USA, NATO und EU im Nahen Osten, Irak und Afghanistan.
Sie sind Söldner, einzig und allein der Bruderschaft verpflichtet und sonst niemanden. Keinem Land, keiner Regierung oder Staatsoberhaupt.“
Ben wechselte einen kurzen Blick mit Jonas, dann schaute er zu den Polizisten, die dabei waren das Restaurant zu verlassen.
„Woher“, fragte Susanne vorsichtig. „weißt du soviel darüber?“
Er schaute sie an. „Ich war einer von Ihnen.“
***
Die Neuigkeit mussten Sie erstmal verkraften, so dass am Tisch schweigen herrschte.
„Ein Söldner?“, hackte sie bemüht deutlich zu klingen nach.
Ben nickte einfach.
Womit das Schweigen eine Fortsetzung fand.
Um sie herum hingegen ging das Leben weiter. Kinder tobte, weinten, motzten. Überforderte Eltern. Freund die sich in der Runde ausgelassen unterhielten. Es wurde gejohlt und gelacht. Das ganz normale Leben eben.
„Dieser General ist also hinter diesem Herzen her?“, wiederholte Max Augenblicke später.
„Ja.“
„Was will er damit?“
„Dasselbe, was all die Personen vor ihm wollten, über die Macht des Herzens verfügen.“
„Und ihr?“ Susanne war ruhig, schaute den jungen Mann aufmerksam in die Augen und ins Gesicht.
„Wollen ihn daran hindern.“
„Wie?“
„In dem wir es vor ihm finden.“
So einfach die Antwort klang war es nicht.
Der General verfügte im direkten Vergleich über mehr Ressourcen, Geld und Personal. Was Ben und seine Freunde nicht davon abhielt gegen ihn zu kämpfen. Sie mochten ihm in allen belangen unterlegen sein, doch darum ging es nicht. Wenn das Herz des Drachens in seinem Besitz war, konnte ihn niemand mehr aufhalten.
„Wie?“, wollte Max wissen. Im Gegensatz zu Susanne hatte er sich entschieden ihm zu glauben und zu helfen. Besser als darauf zu warten umgebracht zu werden.
„Dazu müssen wir das Geheimnis der Sternendecke entschlüsseln. Der Schlüssel befindet sich in der -Hans Freiherr von und zu Aufseß Bibliothek- von Schloss Bergendorf in Nürnberg.“ Ben sah die beiden nacheinander an. Ein älteres Ehepaar unterhielt sich mit den Polizisten. Wahrscheinlich waren es Touristen, die nach dem Weg fragten, sich Beschweren oder etwas anzeigen wollten. „Ihr könnt mit uns kommen oder geht zur Polizei zurück. Sie werden sich diesmal mit Sicherheit mehr Mühe geben euch zu beschützen.“ Dann stand er auf, nickte Jonas zu, der vom Hocker rutschte. „Ihr habt die Wahl.“ Damit ließ Ben sie am Tisch zurück und ging Richtung Ausgang, vorbei an den Polizisten. Jonas und Alice folgten ihm.
***
Als Ben, Jonas, Alice, Max und Susanne ankamen, fehlte vom General jede Spur. Was nicht hieß, dass er nicht doch noch auftauchen würde. Diesmal aber wohl nicht in der Absicht jeden umzubringen der auf dem Grundstück, um das Schloss und drinnen weilte. Die dadurch entsehende Aufmerksamkeit konnte er nicht gebrauchen, zumal dann jeder Polizist in Deutschland jagt auf ihn machte.
Sie parkten den Wagen auf dem Besucherparkplatz vor dem Schloss. Einem 3 stöckigen Gebäude mit einer reich verzierten beigen Stuckfassade. Neben dem Haupthaus, dem eigentlichen Schloss, gab es noch zwei Nebengebäude, die sich nahtlos ans Schloss fügten. Der Parkplatz war mit hellem Sandkies ausgelegt, der unter den Sohlen knirschte. Ein breiter Weg führte zum überdachten Säuleneingang. Den Weg säumte zu beiden Seiten eine knie hohe Hecke, fein säuberlich getrimmt. Eine große Rasenfläche führte um das Schloss herum, wo auf der Rückseite ein Koiteich lag. Auf dem Grundstück standen alte Kieferbäume, Eichen und Buchen. Gut 1 Kilometer im Osten lag ein Mischwald, der noch zum Schloss gehörte.
Ohne Zweifel ein Ort, an dem es sich unbeschwert Leben ließ.
Auf dem Parkplatz standen 2 Reisebusse und 7 Autos. In einem der Nebengebäude war ein Café untergebracht. Zusammen mit Max setzte sich mit Susanne und Alice an einen leeren Tisch, bestellte bei der netten Bedienung einen Kaffee und ein Stück Kuchen. Sie sah, wie Ben mit Jonas in das Haupthaus ging.
Ben schaute sich in der Halle um. Skulpturen aus der Zeit der germanischen Stämme, Masken, Gefäße aus Ton und Lehm, unterschiedliche Schilde mit Stammeswappen, alte Waffen. All das stammte aus dem Besitz von Hans Freiherr von und zu Aufseß. Jeder Gegenstand war auf seine Art kostbar, gefunden in ganz Deutschland dem Kernland der germanischen Stämme.
Bei einem Mehrfachinfoständer lagen Prospekte für Ausstellungen, Workshops, Lesungen, Konzerte und dergleichen aus. In der Mitte der Halle stand ein Miniaturnachbau einer Siedlung, die dem Bronzeschild nach Bergendorf hieß. Der topografischen Beschaffenheit des Geländes nach stand die Siedlung einst auf dem Grund und Boden von Schloss Bergendorf.
„Guten Tag, die Herren.“, begrüßte ein junger Mitarbeiter im Dress der Stiftung Ben und Jonas. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Sagen Sie der Gräfin das 2 interessierte Gäste in Bezug auf Herrn Manius in der Halle warten.“ Er klang nicht nur hart, sondern schaute auch entsprechend drein. Der Mitarbeiter verschwendete kein weiteres Wort, starrte sie stattdessen an und ging schnellen Schrittes davon.
Im Gegensatz zum General zog Ben die Kooperation vor, statt jeden umzubringen oder anderweitig Gewalt anzuwenden. Wenn es sich vermeiden ließ, verzichteten Sie darauf. Manchmal war es notwendig, das wusste Ben und setzte sie auch ein, sofern sich die Situation nicht anders Regeln ließ.
Das Modell stellte einen Augenblick eines Tages dar. Alles war reich an Details. Die Hütten, die Gegenstände, das Gelände, die Wiese, die Felder, die Hügel, die Bäume, Sträucher, Pflanzen und selbst der Fluss. So eine Miniaturlandschaft kannte Ben nur aus der Speicherstadt in Hamburg.
Obwohl sein Blick auf die Miniatursiedlung gerichtet war, sah Ben wie die Gräfin höchstpersönlich die Stufen herunterkam, über das Absperrseil stieg, kurz mit dem Mitarbeiter sprach und dann zu ihnen kam.
„Guten Tag.“ Gräfin von Großzollen ließ es nicht an der nötigen Höflichkeit mangeln. „Ich bin Gräfin von Großzollen, die Verwalterin von Schloss Bergendorf.“
Ben betrachtete einen bärtigen Germanen beim Holzhacken. „Beeindruckend.“, nuschelte er abwesend.
„Wie bitte?“, hackte die Gräfin unschlüssig nach.
„Das Modell.“, meinte Ben, richtete sich auf. „Muss eine Menge Zeit gekostet haben die Siedlung zu bauen.“ Auch wenn sie unter Druck standen, konnte er nicht einfach mit der Tür ins Haus fallen. Oder!! „War bestimmt aufwendig.“
Die Gräfin blieb ruhig. „Es hat die Modellbauer einige Stunden beschäftigt.“, gab sie zu. „Wie war ihr Name?“
„Benjamin.“ Er verzichtete darauf ihr einen Nachnamen zu nennen.
„In welcher Angelegenheit wollten sie mich sprechen, Herr nur Benjamin?“
Sein Schmunzeln aufgrund der versteckten Spitze war echt. „Wir müssten uns mal die Schrift der Sterne vom germanischen Gelehrten Manius ausleihen.“ Er kam direkt auf den Punkt. Sie starrte ihn mit scharfen Augen an.
„Tut mir leid, das wird nicht möglich sein. Die Schriften sind Einzelstücke und nicht ausleihbar.“, erwiderte sie scharf.
Damit war zu rechnen gewesen. „Ich fürchte leider“ Ben schob mit einer Hand seine Jacke einwenig beiseite. Zum Vorschein kam eine Pistole. „ich muss darauf bestehen, Frau Gräfin.“ Sie sahen einander an, fetzten mit ihren Blicken die Messer und gaben keinen Zentimeter nach.
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-Fünf-
Die Gräfin schaute sich besorgt in der Halle um. Keiner schenkte ihnen Beachtung. Niemand hatte gesehen, was sie gesehen hatte. Erleichterung kam auf, nicht viel aber immerhin. „Wer sind Sie?“
„Das spielt keine Rolle, verehrte Gräfin.“, antwortete Ben ruhig. „Wir brauchen die Schrift der Sterne um das Rätsel der Sternendecke aus der Drachenhöhle von Syrau zu entschlüsseln.“ Bei der Erwähnung der Drachenhöhle weiteten sich ihre Augen panisch. Der Grund dafür war das Blutbad, dass der General anrichtete und seither von den Medien beherrscht wurde. „Ich versichere Ihnen wir haben nichts mit dem Blutbad zu tun.“ Seltsamerweise glaubte Gräfin von Großzollen dem jungen Mann sofort. Es lag an seinen Augen. „Ich weiß allerdings nicht wann diejenigen hier auftauchen die die Verantwortung für das Blutbad tragen.
Daher bitte ich sie uns zu vertrauen.“
„Sie suchen das Herz des Drachens!!“, stellte die Gräfin nüchtern fest. Jetzt war es an Ben überrascht dreinzublicken. Er nickte. „Folgen Sie mir.“ Sie machte kehrt, ging zur Treppe zurück. Ben und Jonas folgen ihr.
Lorana von Großzollen führte die Männer nach oben, in den 1. Stock des Schloss. Im Südflügel lag ihr Wohnraum und Arbeitszimmer. Als sie die Stelle auf Schloss Bergendorf antrat, hatte die Gräfin nach 7 Wochen ihre Wohnung in der Nürnberger Innenstadt aufgegeben und war ins Schloss gezogen. An Platz mangelte es nicht. Insgesamt verfügte das Schloss über mehr als 145 Zimmer. Das gesamte Erdgeschoss war für die Stiftung und die Bibliothek reserviert. Im 1. Stock waren Ateliers, die Werkstatt der Restaurateuren und Handwerker, die Büros der Hausmeister und die Verwaltung untergebracht. Der 2. Stock beherbergte ein Archiv und Lagerräume.
Sie betrat eins der Zimmer, die zu ihrem Wohnraum im Schloss gehörten. Die Einrichtung entsprach, der eines Adligen der im 19. Jahrhundert lebte. Ein leicht muffiger Geruch lag in der Luft. Die Gräfin schritt zu einem großen Gemälde an der Wand, gegenüber des gekachelten Kamins und den barocken Fenstern. Sie schob das Ölgemälde einfach beiseite. Es war an einem versteckten Schienensystem befestigt.
Dahinter lag die verputzte Wand. Die Farbe entsprach der von der Wand, keine Spuren von Vergilbung, Schmutz oder sonstigen Ablagerungen. Wenn Bilder (egal welcher Art) lange an einer Stelle hingen, sie dann abgenommen wurden, sah man einen deutlichen Unterschied. Hier hingegen war das nicht der Fall.
Sie drückte ihren Daumen an die Wand. Eine handgroße Platte der Wand verschwand. Ein digitales Eingabefeld erschien. Die Finger der Gräfin tanzten über die Tasten. Jetzt senkte sich eine längliche Platte ab. Hinter der Platte standen in 3 Regalfächern Bücher, Schriftrollen und Einbände von unschätzbaren Wert. Darunter auch die Schriften von Manius.
Ben pfiff positiv überrascht, trat vor, ließ sein Blick über die Sammlung schweifen. Unbezahlbare Erstausgaben. Ein Skizzenblock von Van Gogh. Schriftrollen mit dem Siegel von Kleopatra. Alleine die ersten 5 Exemplare der 1 Reihe waren an die 100 Millionen wert.
Zielsicher nahm die Gräfin einen Einband heraus auf dessen Stirn das germanische Zeichen für Sterne eingeprägt war. Eingefasst in Leder. Der Deckel war reich verziert mit frühen germanischen Ornamenten. Sie hielt es vorsichtig in Händen. „Er wusste, dass der Tag kommen würde.“, flüsterte die Gräfin und strich ehrfürchtig über den Deckel. Sie sah auf, schaute Ben mit einem wissenden Glanz in den Augen an.
***
Sie hatten sich auf einem Wohnwagenpark am Stadtrand von Nürnberg einquartiert. Wie immer besaß Alice einen Wohnwagen für sich. Ben, Jonas, Max und Susanne waren im nebenanliegenden Wohnwagen untergebracht. Man hatte in bar und im Voraus gezahlt. Mit einem Bonus umgingen sie das Ausfüllen von Papieren oder dergleichen. Sie mussten nur solange bleiben bis Alice das Rätsel aus der Sternendecke anhand der Schrift der Sterne entschlüsselte.
Gleich nach ihrer Ankunft im Wohnwagenpark, machte sich Alice an die Arbeit.
Für die Anderen hieß es warten.
Der Professor suchte nach dem Artefakt genau wie Sie, besaß ein fundiertes Wissen über Arminius, Manius und das Herz des Drachens. Wegen dessen Suche war der General auf das Herz des Drachens gekommen, setzte dabei jedes Mittel ein um das Artefakt in seinen Besitz zu bekommen, er hatte sich darin verbissen wie ein Rottweiler in ein Stück Fleisch, würde es nicht loslassen, bis er es in Händen hielt. Egal wen oder wie viele er dafür umbringen musste.
Schon alleine deswegen durfte der General niemals in den Besitz des Herzens kommen. Ben wollte ihn aufhalten. Dafür war er sogar bereit sein Leben zu geben. Wenn er ihn damit aufhalten konnte, war sein Leben ein kleiner Preis, den er zahlen würde.
Sein Grund den Professor, in jener Nacht in Berlin, zu entführen war der Gleiche wie der vom General. Mit seiner Hilfe wollte Ben ihn dazu bewegen Ihnen bei der Suche nach dem Artefakt zu helfen. Es wäre ihm auch gelungen, davon war Ben überzeugt. Alleine dass die Gräfin ihnen die Schrift, der Sternen so ohne Weiteres überließ, sprach für ihn.
Dem General wäre jedes Mittel recht gewesen, um Stein zur Mitarbeit zu zwingen. Daher ergab die Tat in Berlin keinen Sinn. Sie brachten ihn um, klauten die Aktentasche. Andererseits wollten Ben und Jonas genau zum gleichen Zeitpunkt zu schlagen, daher hatten sie ihn beschattet. Der Ausgang war tragisch, aber sich Vorwürfe zu machen brachte sie nicht weiter und machte den Mann nicht wieder lebendig.
Also machten sie weiter, um zu verhindern das der General und Konsorten das Herz des Drachens fanden und für ihre Zwecke nutzten, die nichts gutes verhießen.
Einst hatte Ben unter seinem Befehl gestanden, hatte sie ausgeführt ohne sie zu hinterfragen oder überhaupt infrage zu stellen. Bedingungsloser Gehorsam. Nichts anderes verlangte der Mann von seinen Leuten. Egal wo, wie und wann.
Ben hatte sich gegen ihn gestellt, bekämpfte ihn und ausnahmslos jeden seiner Männer. Darunter einstige Freunde, von denen er schon welche getötet hatte, weil sie ihm keine Wahl ließen und ansonsten ihn getötet hätten. Er empfand keine Reue. Schon eher dafür, was er unter dem General einst tat.
Die Erinnerungen daran hatten nichts von ihrer Schärfe, Härte und Wucht verloren. „Ben.“ Jonas riss ihn aus seinen Gedanken. „Alice hat es geschafft.“ Er schaute auf seine Uhr. Musste neuer Rekord sein!
***
Die Suche nach dem Herz des Drachens konnte man als Schnitzeljagd bezeichnen. Sie lösten die Rätsel deren Lösungen Hinweise waren, die zu weiteren Hinweisen führten. Manius tat genau das was ihm einst der Cheruskerfürst auftrug. Auf seiner Reise versteckte er überall Hinweise, Rätsel und Geheimnisse. Die Lösungen und das Zusammensetzen all dessen brachte einen an den Ort, wo der germanische Gelehrte das Artefakt versteckte.
Wer die Rätsel und Geheimnisse löste, die Hinweise richtig deutete erwies sich letztlich als würdig. Das Problem bei der Sache war, das auch die Bösen, wie der General, die Schnitzeljagd erfolgreich beenden konnten. Dann wäre der Wille von Arminius dahin zu verhindern dass die falschen Leute in den Besitz vom Herz des Drachens kamen.
Das Rätsel der Sternendecke war ein solcher Hinweis. Eine Karte in der Eckpunkte verborgen waren, die mit Hilfe der trigonometrischen Funktionen entschlüsselt, miteinander verbunden und so den Standort des nächsten Hinweis ergaben.
Die kryptografischen Fähigkeiten von Manius konnten sich mit einem Supercomputer messen lassen. Er entsann Verschlüsselungsmethoden die erst vor 10, 20 Jahren als veraltet galten. Andere Parameter konnten selbst heutige Mathegenies zur Verzweiflung bringen.
Ben jedenfalls verstand nicht mal die Hälfte, ach so gut wie nichts, von dem was Alice voller Ehrfurcht, Respekt und Hingabe erzählte, als sie versuchte ihnen die Sache zu erklären. Einzig und allein Max Falk schien ihr ansatzweise folgen zu können. Da hatten sich 2 gefunden.
Sie fuhren in einem Minivan. Fliegen konnten sie wegen der Fahndung von Max und Susanne nicht. Der Zug wäre machbar aber eben nicht so sicher wie das Auto. Man hielt sich penibel an die Geschwindigkeitsbegrenzungen, den Sicherheitsabstand und wechselte sich beim Fahren ab.
Eine Verkehrskontrolle wegen auffälliger Fahrweise konnten Sie im Moment nicht gebrauchen. Schließlich wussten sie nicht inwieweit der General und seine Männer mit der Entschlüsselung des Hinweises waren. Immerhin verfügte er über die Unterlagen von Professor Stein.
Demnach war es nur eine Frage der Zeit bis er auf den Standort des Hinweises stieß.
Am Frankfurter Kreuz nahm man die Ausfahrt Richtung Wiesbaden.
***
Von den Römern gegründet, im Zuge der germanisch-römischen Auseinandersetzungen vom chattischen Stamm der Mattiaker erobert und nach dem Tod von Arminius von den Römern zurückerobert, war die heutige Stadt Wiesbaden schon damals für ihre heißen Quellen bekannt. Viel aus jener Zeit war nicht erhalten geblieben.
Während des römischen Feldzugs nach Arminius Tod kämpften die Germanen erbittert um die damalige Siedlung, wo die heutige Innenstadt lag. Was dazu führte, dass Sie beinahe komplett zerstört wurde. Im Verlauf der Geschichte blieben Veränderungen am Stadtbild nicht aus. So dass letztlich kaum ein Bauwerk in der Gegenwart noch aus der germanisch-römischen Zeitepoche stammte.
Dazu zählte ein Brunnen im historischen Viertel, dessen Schacht längst zugeschüttet worden war. Sowie die einstige Villa des römischen Generalkonsuls. Sie wurde im Verlauf der Geschichte zum Sitz der nassauischen Herzöge, Kaiser Wilhelm II, der Nazis, das Hauptquartier der US-Armee nach der Befreiung Wiesbadens im 2. Weltkrieg und dem heutigen hessischen Landtag.
Wiesbaden, die Landeshauptstadt vom Bundesland Hessen, hatte ungefähr 600.000 Einwohnern und 26 Ortsbezirken. Sie gehört zu den Kernstädten des Rhein-Main Gebiets. Im Einzuggebiet lag der US-Militärstützpunkt Erbenheim mit dem dazugehörigen Flugplatz der US-Air Force. Von wo aus die US Luftwaffe bei der Berlin Blockade den Westteil der geteilten Stadt Berlin aus der Luft versorgte und damit als die Luftbrücke in die Historie einging. Die Stadt war unter anderem für seine 15 Thermal- und Mineralquellen bekannt, gehört dahin gehend zu den ältesten Kurbädern Europas.
Außerdem lag irgendwo in der Stadt ein Hinweis auf das Versteck vom Herz des Drachens.
Die Gruppe um Ben parkte die Autos in einem kostenpflichtigen Parkhaus in der Innenstadt. In einem nahegelegenen Restaurant aßen und tranken sie was. Anschließend besprach man sich, wer wohin ging um nachdem Hinweis zu suchen, von dem sie annahmen das er in der Stadt versteckt war. Zur Kommunikation kauften sie Prepaid Handys, die Nummer wurden im Kurzwahlspeicher abgelegt.
Ben ging mit Susanne zum hessischen Landtag. Jonas und Max zum Brunnen. Alice blieb an ihrem Computer im Wohnwagen über Headset mit den Gruppen in Verbindung.
An den Orten vermuteten sie die Hinweise. Jedenfalls nach der Entschlüsselung der Sternendecke. Vermutlich hatte der Gelehrte Manius den nächsten Anhaltspunkt (Hinweis), an 2 Orten in der damaligen Siedlung versteckt, war weitergezogen, um andernorts die Schnitzeljagd fortzusetzen. Er machte es den Suchenden nicht einfach. Ein Grund weshalb bis heute das Herz des Drachen nicht gefunden wurde.
Doch alles hat irgendwann ein Ende.
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-Sechs-
Im Verlauf der Jahrhunderte wurde die Villa immer wieder beschädigt, zerstört, neu aufgebaut und umgebaut. Trotz allem gehörte es zum ältesten Bauwerk der Stadt, mit einer bewegten Vergangenheit und stand unter Denkmalschutz. Eine Ausstellung im Südhaus dokumentierte die Geschichte des Hauses.
Man hatte die Villa in einen Gebäudekomplex integriert, worin unter anderem der hessische Landtag tagte. Die historische Stuckfassade aus Sandstein der Villa war vor Jahren restauriert und instand gesetzt worden. Auf der Rückseite befand sich eine neumodische Fassade aus Glas und Stahl sowie der Eingang zum hessischen Landtag.
Sie betraten durch das Eingangsportal der einstigen Villa ein großes Foyer. Der Boden, polierter Granit. Die Wände hatten einen ergrauten Anstrich. Links führte ein Durchgang zu den Räumen, in denen die Ausstellung residierte. Vorne kam man in den Sommergarten, ein mittelgroßer Innenhof. Rechts gelangte man in das Restaurant, das den Innenhof bewirtschaftet. Über einen Treppenaufgang, der durch den mittigen Durchgang geteilt wurde, kam man nach oben. Die oberen Etagen des Gebäudekomplexes waren durchweg Büroflächen. Gespannte Seile, wie bei Theateraufführungen, versperrten einen den Weg hinauf. Ein mehrsprachiges Schild wies daraufhin, dass das Betreten der Treppen verboten war.
Ben und Susanne standen im Foyer, der Villa, dem heutigen Südhaus. „Wir sind drin, Alice. Wohin jetzt?“ Über ein ergonomisch sitzendes Handy-Headset sprach Ben mit Alice via Handy. Sie schauten sich um.
Unzählige Besucher, Touristen, Einheimische und Auswärtige hielten sie im Foyer auf, kamen oder gingen aus den Räumlichkeiten der Ausstellung und oder des Restaurants. Der Innenhof war gut besucht mit Rentnern, Gruppen, Paaren, Familien. Kellner schwirrten umher, nahmen Bestellungen auf, brachten Rechnungen oder Getränke und Speisen. Ein Koch am offenen Grill wendete Fleisch, Fisch und Rohkost. Den Geruch vom Holzkohlegrill lag in der Luft. Durch die Oberlichter der hohen Decke fiel Sonnenlicht und sorgte für eine angenehme Atmosphäre.
Neben all diesen Dingen suchte Ben nach Dingen, auf die Otto normal Verbraucher kaum achtete. Überwachungskameras, Bewegungsmelder, Lichtschranken, Sicherheitspersonal.
Wie er feststellte, gab es 2 festinstallierte Überwachungskameras, deren Fokus auf die Durchgänge zum Restaurant und der Ausstellung lagen. Ein Sicherheitsmann einer privaten Sicherheitsfirma, der zugleich auch als Infogeber fungierte, stand dekorativ im Foyer herum, ohne auf Besonderheiten zu achten. Wofür er wahrscheinlich nicht hoch genug entlohnt wurde.
Alice Stimme erklang. „Ben. Ihr müsst ins Eckzimmer, 2. Stock im Nordwestflügel des Südhauses.“ Über die Verbindung hörte er wie ihre Finger auf die Tastatur eintippten. „Ich sende die GPS-Koordinaten an dein Handy.“ Sekunden später piepte das Handy die Empfangsmelodie einer eingehenden SMS.
Kurz vor dem Einsatz hatte Alice auf jedes Handy ein GPS-Live Programm installiert, das einem über das Display die aktuelle GPS-Koordinate anzeigte. Die geschickten Koordinaten wurden automatisch ins Programm eingespeist und fixiert. Nun mussten Sie nur noch den aktuellen Wert in Einklang bringen.
„Alice. Log dich ins Sicherheitssignal der Überwachungskameras. Ich will nicht ins offene Messer laufen.“
„Bin schon dabei, Boss.“ Alice Finger schwirrten über die Tastatur.
Ben schaute Susanne an, nickte ihr zu, sah sich, nachdem Sicherheitsmann um, wies mit einer Kopfbewegung auf den Treppenaufgang.
Sie gingen darauf zu, bemüht völlig normal zu wirken. Sein Blick wechselte zwischen den Kameras und dem Sicherheitsmann hin und her. Der Mann, Mitte 40, war viel zu sehr damit beschäftigt eine Gruppe junger Frauen im Auge zu behalten, als sich um mögliche Gefahren zu beschäftigen. Der Erfassungsbereich der Kameras streifte den Treppenaufgang. Es war also durchaus möglich das man ihr hinaufgehen bemerkte.
„Bin drin.“ Sie war eine Zauberin. Keine 5 Minuten hatte ihr Log-in gedauert. Das Sicherheitssystem der Firma musste keine Herausforderung für Alice gewesen sein. „Erzeuge eine 30-Sekunden-Schleife.“ Sie warteten geduldig am Treppenaufgang. Auf den Monitoren sahen sie wie ein unschlüssiges Paar aus. „Okay, Ben. Ihr könnt hoch gehen. Ich weiß jedoch, nicht wie lange die Typen brauchen, um die Schleife zu erkennen.“, warnte Alice ihn.
Ben schaute, nachdem Sicherheitsmann, wartete auf den passenden Moment. Als der Mann seine Aufmerksamkeit wieder den Frauen widmete, statt der Umgebung, nickte Ben Susanne zu und zusammen stiegen sie über das Seil, nahmen 2 Stufen auf einmal und verschwanden.
***
Wie erwartet war der Treppenaufgang im 1. Stock der hinunter führte ins Erdgeschoss ebenfalls mit einem Abspeerband versehen. Sie stiegen drüber und setzten ihren Weg in den 2. Stock fort. Im offenen Treppenhaus gab es keinerlei Videoüberwachung. Genauso in den Fluren, wie Ben feststellte, als sie in Richtung Eckzimmer gingen. Der GPS-Höhenwert auf dem Handydisplay stimmte exakt überein.
Wie es Manius, zu dessen Zeit, möglich war den Höhenwert zu berechnen, war Ben schlichtweg ein Rätsel. Andererseits konnten die Ägypter und Griechen zu jener Zeit komplexe mathematische Rechnungen aufstellen und lösen, die selbst heute Herausforderungen waren.
Der 2. Stock war so gut wie verwaist. Die 2 Leute, die ihnen über den Weg liefen, waren viel zu sehr mit eigenen Dingen beschäftigt als auf sie zu achten. Und selbst wenn nicht, machten Ben und Susanne den Eindruck als würden sie irgendwo im Gebäudekomplex arbeiten. Hätte jemand sie angesprochen, hätte Ben ihnen eine plausible Lüge aufgetischt.
Das Eckzimmer erwies sich als ein Aufenthaltsraum. Eine Kaffeeküche, wenn man so wollte. Mehrere Tische mit Stühlen. Eine Kaffeebar. Eine kleine Küchennische, mit Herd, Kühlschrank, Ober- und Unterschränken, einer Spüle und eine Anrichte. Der Duft von frisch gebrühten Kaffee lag in der Luft. In zwei Schalen lagen Knabberzeug und Kekse.
Die Wände waren cremefarben gestrichen. Der Teppich war abgewetzt, verschließen und in dunkelblau. Die Eckwände waren komplett verglast. Sie boten einen schönen Ausblick auf das Stadtbild.
Ben nahm das Handy zur Hand, schaute auf das Display und ging solange umher, bis die GPS-Koordinaten übereinstimmten. Dann sah er auf, drehte sich einmal herum. Auf den ersten Moment sah und fiel ihm nichts auf, was auf einen weiteren Hinweis hindeutete. Das hieß natürlich nicht das dieser nicht existierte. Dieser Teil vom Gebäudekomplex, das Südhaus, war die eigentliche Villa. Nun konnte es für den fehlenden Hinweis mehrere schlüssige Erklärungen geben. Doch im Moment machte er sich darüber keine Gedanken. Den wie sie bei der Suche nachdem Herz des Drachens schon mehrmals feststellten, war Manius niemand der seine hinterlegten Hinweise allzu offen platzierte.
Susanne trat neben ihn, schaute auf das Handydisplay und sah sich um. Wie schon Ben konnte sie nichts entdecken. „Und was jetzt?“
Ben strengte seine Fantasie an, versuchte sich in die damalig Zeit hinein zu versetzen, in einen Mann, der dazu auserkoren war, etwas zu verstecken, was nicht in die falschen Hände fallen durfte, es aber denjenigen nicht zu schwer machen durfte, die verhindern wollten, dass die Bösen in den Besitz des Artefakts kamen.
Alle bisherigen Hinweise entpuppten sich als ausgeklügeltes Netzwerk, aus Sackgassen, falschen Fährten und Fehlinformationen. Nur die die würdig sind, finden den Weg. So lautete ein Satz in den Schriften des Manius. Dumm nur das sich der Satz auf die Guten wie Bösen anwenden ließ, wie der General und seine Männer zeigten.
Ein weiteres Mal sah sich Ben im Raum um, schaute wohlbedacht nach allem, was sich als Hinweis entpuppen konnte. Doch hier war nichts. Jedenfalls sahen sie es nicht, da der Raum so wie heute damals nicht ausgesehen haben mochte. Ein Punkt, der natürlich bedacht werden musste. Sie konnten aber schlecht die Wände zerkloppen, um zu sehen, was dahinter lag. Was a; zu lange dauerte und b; nicht unbemerkt blieb. Nichtsdestotrotz hatte Ben das Gefühl, das der Hinweis irgendwo hier lag. Woher dieses Gefühl oder was es war, konnte er nicht sagen. Es war einfach da.
In seiner Fantasie wandelte sich der Raum vom Aufenthaltsraum der Gegenwart in das Eckzimmer der Vergangenheit. Die Wände waren mit Sandsteinplatten und Holzpanellen verkleidet. Die Fenster hatten romanische Rahmen, das Oberlicht war aus Bleiglas mit verschiedenen Mustern. Draußen sah er das damalige Wiesbaden, eine wachsende römische Siedlung am Rand vom germanischen Kernland.
Immer wieder verschwammen die Bilder der Räume miteinander, wie ein abstraktes konfuses Gemälde eines namenlosen Künstlers, wo man dachte, er sei beim Malen auf Droge gewesen.
Er inspizierte das Eckzimmer ausgiebig, ließ keinen Millimeter aus. Ben schaute aufs Handydisplay, wo die GPS-Daten übereinstimmten, sah auf und blickte aus den Fenstern bzw. der Glasfassade hinaus.
Da kam ihm ein Gedanke, der ihm den nötigen Schubs gab.
Er drehte sich zur Seite. Dadurch änderte sich eine der Koordinaten. Es handelte sich um die Himmelsrichtung. Wie auch immer Manius es fertigbrachte, er hatte nicht nur eine exakte Positionsangabe errechnet, sondern auch die Himmelsrichtung angegeben, in die die Sucher blicken mussten.
Ben schmunzelte anerkennend.
Er kehrte in die gewünschte Ausgangsposition zurück, sah hinaus. Sein Schmunzeln wurde zu einem breiter werdenden Lächeln.
„Jonas?“
„Yo.“ Die Stimme seines Freundes erklang.
„Seit ihr am Brunnen?“
„Unsere Position stimmt mit den Koordinaten überein.“
Ben richtete seinen Blick wieder hinaus. „Seht ihr was wir sehen?“
Susanne schaute ihn verwundert an. Sie wusste nicht, wovon er sprach.
„Wenn du das meinst, was ich glaube, dass du es meinst, dann ja.“
Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Wovon redeten die Beiden!?
„Meine Güte!“, hauchte Max verblüfft.
Ihr Freund schien es auch zu sehen. Was zum Teufel war es!! Susanne trat wieder neben Ben, blickte auf das Handydisplay, schaute auf. Direkt vor ihr erhob sich ein Kirchturm aus dem zu sehenden Stadtbild. Ansonsten sah man nichts außer Häusern und Dächern.
„Unglaublich.“, fügte Max seinem vorherigen Ausruf hinzu.
„Was zum Geier seht ihr?“, wollte Susanne ungehalten wissen.
Bei der Antwort weiteten sich ihre Augen.
***
In den hiesigen Stadtführern Wiesbadens wurde die Sankt-Michael-Kirche als eins der ältesten Bauwerke der Stadt ausgewiesen. Was zum Teil auch stimmte, den der Kirchturm war in der Spätepoche der römischen Periode erbaut worden, als sich der christliche Glaube über die Grenzen Roms hin ausbreitete und zur Festigung vom Christentum führte, der fortan diesen Teil der Welt prägte. Festzuhalten war aber das der Turm zwar in jener Zeit erbaut wurde aber nicht fertiggestellt wurde. Das geschah erst rund 50 Jahre später, um das Jahr 61 nach Christus. Wo der Niedergang Roms bereits im vollem Gange und nicht mehr aufzuhalten war.
Der Turm widerstand in den gut 2000 Jahren komischerweise allen widrigen Bedienungen. Er ragte knappe 75 Meter in die Höhe, war damit verhältnismäßig klein geraten. Dennoch war der Turm ein prägendes Element vom Wiesbadener Stadtbild.
In den 80ger Jahren drohte er sogar einzustürzen, da die Jahrhunderte auch am Turm doch nicht spurlos vorüber gegangen waren. Die Stadt investierte an die 3,5 Millionen D-Mark zur Stabilisierung. Vor 5 Jahren hatte die Kirchenverwaltung den Turm für den Publikumsverkehr gesperrt. Aus Gründen der Sicherheit, so die Begründung.
Um zu verhindern das Leute dennoch unerlaubten Zutritt zum Turm unternahmen, wurde der Zugang vom Kirchenschiff mit einer Gittertür versperrt. Seither konnten Unbefugte den Turm nicht mehr betreten.
Für Ben und seine Gefährten war das lediglich ein Hindernis nicht mehr.
Sie suchten im Kirchenschiff der Sankt-Michael-Kirche der römisch-katholischen Glaubensgemeinschaft nach Hinweisen des Germanen Manius. Doch da das Kirchengebäude erst Jahre nach dem Turm erbaut worden war, verwunderte es keinen das sie nichts fanden. Demnach blieb als Aufbewahrungsort nur der Turm. Und Ben war nicht gewillt sich von einer Gittertür daran hindern zu lassen das Herz des Drachens vor dem General zu finden. Nur war es zweifelhaft, ob die Kirchenobrigkeit mitspielte.
Ben hatte nicht vor eine Erlaubnis einzuholen.
Der Turmaufgang lag im hinteren Bereich des Kirchenschiffs. Eine der Säulen verdeckte ihn teilweise, was ihnen ganz zuträglich war. Susanne, Max und Ben standen so, das andere nicht sehen konnten, was Jonas hinter ihnen an der Gittertür machte.
Er sprühte den Eisenriegel der Tür mit flüssigen Stickstoff aus einer herkömmlich aussehenden Sprayflasche ein. Als der Riegel vereist genug war, schlug Jonas mit einem Spitzhammer dagegen, wodurch dieser regelgerecht zerbröselte. Er klopfte Ben auf die Schulter, nickte ihm zu und verstaute die Spraydose in seiner Jackentasche.
„Wir gehen hoch. Ihr bleibt hier.“ Sein Freund und Kumpane erhob keinen Widerspruch.
Zusammen mit Susanne schlüpfte Ben durch die Gittertür, zog diese hinter sich zu und ging die Wendetreppe hinauf. Jonas und Max begaben sich ins Kirchenschiff, verhielten sich normale Kirchenbesucher. Dabei behielt Jonas den Kircheingang im Blick.
Was keiner von Ihnen ahnte, ein Trupp vom General war auf dem Weg zu ihnen.
***
Trotz seiner geringen Höhe dauerte es bis Susanne und Ben oben ankamen. Oben angekommen waren sie ganz schön aus der Puste. Sie brauchten wenige Minuten um zu Atem zu kommen.
Der Wendeaufgang mündete in den Boden, den sie beim verlassen betraten. Der Raum war nicht größer als 30 Quadratmeter, nahm die Lange und Breite vom Turmquerschnitt ein und lag unterhalb der Turmspitze. In den unverputzten Steinwänden lagen mittig kleine Öffnungen auf Kopfhöhe, durch die man hinaussehen konnte.
Susanne sah eher zufällig auf den Boden. „Oh!“
Der Boden war nicht aus Holz, wie man vermuten konnte, sondern bestand aus einer einzigen Steinplatte. Das besondere daran war, die Gravur einer Landkarte. Kein Wunder also das der Kirchturm für Besucher gesperrt war. Die Karte war einzigartig und bedeutsam zugleich. Sie zeigte nämlich die heutige Bundesrepublik Deutschland sowie Teile der Nachbarstaaten zur Zeiten der römischen Epoche. Das germanische Kernland. Die Heimat von Arminius und dem Herz des Drachen.
Was Interessant an der Kartengravur war, war das fehlen jeglicher Städte, Siedlungen, Provinzen oder Festungen. Daher konnte man die Landesumrisse leicht übersehen oder falsch interpretieren. Doch für Ben gab es keinen Zweifel, hierbei handelte es sich um eine Landkarte des germanischen Kernlandes und deren Nachbarländereien.
Ganz unvermittelt sah Ben nach oben an die Decke.
Wo die nächste Entdeckung wartete.
„Interessant.“
„Was?“ Susanne sah zu Ben, folgte seinem Blick an die Decke.
Die Decke war wie die Wände aus Stein gemauert. Nur mit dem Unterschied das in der Mitte eine schwarze Glasscheibe im Durchmesser eines Fußballs eingefasst war. Diese Glasscheibe hing direkt über der Karte.
Ben sah zu den Öffnungen. Deren länglichen Kanten hatten eine gleichwinklige Schräge. Irgendwie glaubte er nicht dass das Zufall war. Was war aber der Zweck? Diese Frage konnte er nicht so ohne weiteres beantworten. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf den Boden und die Decke. Was wenn alles zusammenhing!? Eine Art Zusammenspiel? Ohne Zweifel eine interessante These, aber ihnen fehlte die Zeit sich den Kopf zu zerbrechen. Sie standen unter Druck, schließlich konnte jederzeit der General mit seinen Männern auftauchen.
„Wieso ist das noch keinem aufgefallen?“, fragte Susanne mehr sich selbst als Ben. Sie konnte sich nämlich nicht erinnern jemals hiervon gehört oder gelesen zu haben.
Ben holte eine kleine Taschenlampe hervor. Das Utensil führte er stets bei sich, wie die Glock Pistole. Er schaltete sie ein, leuchtete auf den Boden und ging umher. Irgendwo in diesem Raum fand sich ein Ansatz, der ihnen den nächsten Hinweis präsentierte. Der Steinboden gab das Geheimnis nicht preis. Also versuchte Ben es an der Decke. Doch nichts dergleichen geschah.
Langsam wurde es eng. Zu eng für seinen Geschmack.
Im Überlegen, wie sie dem Raum sein Geheimnis entlockten, drehte er am Kranz, für die Lichtfilterfunktion. Das Gadget, eine Erweiterung von Alice, sorgte dafür das man einen Infrarotfilter, Schwarzlichtfilter, Neonlichtfilter und Nachtsichtfilter zuschalten konnte.
„Hey. Was war das?“
Ben hielt inne, schaute Susanne an und stoppte seine Grübelei. „Was meinst du?“
Sie sah ihn euphorisch an. „Was hast du gerade gemacht?“
„Nachgedacht.“, antwortete er nichtssagend.
Die Aufregung in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Irgendwas war passiert. „Nein. Ich meinte was du mit der Taschenlampe gemacht hast!“
Er sah zu seiner Hand. Sein Daumen lag auf dem Filterkranz bei der Lampe. „Ach, das. Damit kann ich verschiedene Lichtfilter einstellen.“ Ben blickte Susanne an. „Wie Schwarzlicht.“
„Halt die Lampe auf die schwarze Scheibe und mach das noch mal.“ Ihre Entschlossenheit war merkwürdig.
„Was?“
„Herrgott.“, grollte sie genervt. „Dreh an diesem Kranz! Ich glaub ich hab was gesehen.“
Für einen Moment war Ben geneigt ihr einfach zu widersprechen, doch er ließ es bleiben. Eine Diskussion kostete sich zu viel Zeit. Also drehte er am Kranz, zielte mit der Taschenlampe auf die schwarze Glasscheibe.
Ein Filter nachdem anderen ohne Ergebnis. Als er die Sache abbrechen wollte, kam der UV-Filter. Ben öffnete den Mund für einen bissigen Kommentar, als die Scheibe plötzlich explodierte.
***
Sie explodierte nicht im übertragenen Sinne. Gleißende Lichtstrahlen schossen aus der Scheibe. Je mehr er mit dem Lichtkegel der Lampe über die Scheibe glitt, desto mehr Lichtstrahlen entwichen, strahlten wie Laser zu Boden, der von Lichtpunkten gesprenkelt wurde. Ein seltsames und faszinierendes Schauspiel zugleich. Mit einer Besonderheit einem bei genauer Betrachtung auffiel, sofern man wusste, was dahinter steckte.
„Wow.“
Als die Lichtstrahlen auf den Steinboden trafen, bildete sich nicht nur ein Lichtpunkt, sondern erschien zu jedem Punkt ein Name in germanisch. Dem Vorläufer der heutigen deutschen Sprache. Ein Großteil der Punkte, einem guten Dutzend, lagen im germanischen Kernland. Nur wenige außerhalb. Und wenn sich Ben nicht komplett irrte, zeigte einer der Lichtpunkte auf eine Stelle, die das heutige Wiesbaden auf heutigen Landkarten darstellte. Das Gleiche auch bei der Drachenhöhle von Syrau. Dem Bergbaustollen im Ruhrgebiet, jenseits des Rheins.
All diese Lichtpunkte repräsentierten einen Ort an dem Manius Hinweise versteckte. Manche von waren nicht mehr existent. Irgendwie musste er damit gerechnet haben, den Professor Stein nach hatte Manius jeden Hinweis, bis auf den Letzten, in seinen Schriften vermerkt. Auch wenn das einem nicht ersichtlich war, den seine kryptologischen Fähigkeiten überstiegen manche Verschlüsselungssoftware von Heute.
„Das ist unglaublich.“ Wie recht Susanne hatte.
Ben konnte ihr da nur zustimmen.
„Ähm, Leute. Wir bekommen Besuch.“ Jonas Warnung blieb nicht ungehört.
Nun drängte die Zeit, so gerne er sich die Sache noch länger angesehen hätte, war dies nicht mehr möglich. Ohne Gefahr zu laufen, dass auch der General die Entdeckung machte. Das wollte er unter allen Umständen verhindern. Die Lichtpunkte zeigten neben den Hinweisorten auch noch etwas anderes, was der General nicht sehen durfte.
Mit der Videofunktion seines Handys nahm Ben kurzerhand das Schauspiel auf, schaute sich die Sequenz an und schickte es anschließend als eMail Anhang an Alice. Dann löste er das Video, schaltete die Lampe aus, griff in den Mehrzweckgürtel unter seinem Sweatshirt. Hervor holte er handgroßes grünbraunes Päckchen, indem ein Drückknopf mit zwei LED-Lampen drinsteckte. Er drückte den Knopf, woraufhin das rote LED-Lämpchen anfing zu blinken.
„Hey! Was ist das?“
Ben ignorierte Susanne’s Einwand. Mit Schwung warf er es an die Glasscheibe. Das Päckchen blieb an der Scheibe haften. Als er die Taschenlampe aus machte, erstarb das Schauspiel abrupt. Nichts deutete mehr darauf hin das es stattgefunden hatte.
„Wir müssen gehen. Los!“ Er packte sie energisch am Arm, zog Susanne zur Wendetreppe. „Jonas, verschwindet. Sofort!“
***
Sie eilten die Stufen hinunter, drohten einen Drehwurm zu bekommen. Doch sie mussten so schnell wie möglich weg. In kürzester Zeit hatten den Abstieg geschafft. Ben zog die Gittertür auf, schob Susanne hindurch, trat hinaus und prallte gegen sie. Er wollte sie schon fragen, warum sie stehen blieb, als er den Grund sah.
Direkt vor Ihnen, vor Susanne, standen 4 Männer identisch gekleidet. Sie waren alle breitschultrig, grimmig und entschlossen beim ersten Anzeichen von Widerstand Gewalt anzuwenden. Diese Typen vom General waren von der schnellen Sorte.
Der Anführer trat vor, würdigte Susanne nur eines abschätzendes Blickes. Seine Aufmerksamkeit galt niemand anderem als Ben. Ein freudloses Schmunzeln erschien auf dessen Gesicht. „Du hast es also gefunden.“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
„Yep.“ Ben hatte Jonas und Max nirgendwo gesehen. Er hoffte, dass sie sich noch rechtzeitig absetzen konnten. Andernfalls standen ihre Chancen den General aufzuhalten schlechter als wieso schon. „Ich war schneller.“, sagte Ben stolz. Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Mal wieder.“ Dabei verzog sich sein Mund zu einem Lächeln.
Der Anführer funkelte ihn wütend an. Per Nicken gab er seinen Begleitern ein Zeichen.
Sie hatten noch keinen Schritt gemacht, als Ben den Button vom Garagentorfunksender ähnlichen Gerät in seiner Hand drückte.
Ein dumpfes Grollen ertönte hinter ihnen aus dem Wendeaufgang des Turms.
Die Männer verharrten. Blanker, nackter Zorn zeigte das Gesicht des Anführers. Er wusste sofort, was das Grollen zu bedeuten hatte.
Mit Gerät, einem Funksender, hatte Ben das C-4 Päckchen detonieren lassen. Was die Glasscheibe sprengte. Der General würde niemals sehen, was sie gesehen hatten. Ein Teilerfolg, dessen war sich Ben bewusst. Denn der General kannte Mittel und Wege an sein Ziel zu kommen.
Ohne Widerstand zu leisten, gingen sie mit den Männern mit, verließen die Kirche, stiegen getrennt in die SUV’s ein. Vorher waren Ben und Susanne unauffällig, aber gründlich, abgetastet worden. Die Handys und sein Mehrzweckgürtel waren ihnen abgenommen worden. Sie warfen alles in die nächstgelegene Mülltonne. Außer der Glock, die behielten sie.
Dann fuhren die Fahrzeuge davon.
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-Sieben-
Als Jonas den Trupp vom General kommen sah, warnte er sofort Ben. Doch schon indem Augenblick, wo er sie sah, wusste er das es zu spät war. Sie würden den Turm niemals rechtzeitig verlassen. Und wenn doch, hieß das noch lange nicht das Sie die Kirche verließen.
„Jonas, verschwindet. Sofort!“
Noch bevor der Satz ertönte, packte Jonas Max, zerrte ihn hinter sich her, bugsierte ihn in den Beichtstuhl, folgte ihm, zog den Vorhang zu. Er war sich sicher das sie ihn und den männlichen Alice Verschnitt nicht gesehen hatten. Seine Hand ging automatisch zu der Pistole, die er wie Ben bei sich trug, umfasste den Griff, zog sie aber nicht heraus. Sie waren immerhin im Beichtstuhl einer Kirche. Durch einen Spalt lugte er hinaus, sah, wie der Major mit Anhang Ben und Susanne gegenüberstand.
„Du hast es also gefunden.“, hörte er den Major sagen.
„Yep. Ich war schneller.“ Er musste ihn einfach provozieren. „Mal wieder.“
Jonas war sich absolut sicher das der Major Ben das heimzahlen würde. Auch das auftretende Lächeln war ihm wohl bekannt. Für den Bruchteil einer Sekunde erblickte Jonas den Funksender in Ben’s Hand.
Was auch immer im Turm gewesen war, er hatte es gesprengt.
Was gut und schlecht zugleich war.
Kurz darauf führten die Söldner Ben und Susanne unauffällig aus der Kirche.
Jonas wartete 5 Sekunden, zog den Vorhang weg eilte durchs Kirchenschiff zum Ausgang. In seinem Kielwasser folgte Max, der alles mit ansah. „Alice?“
„Ja.“
„Sie haben Ben und Susanne.“
Am Ende der Verbindung herrschte Stille.
Draußen sahen sie wie die SUV’s abbogen und verschwanden. „Log dich in die Verkehrsüberwachung. Sie sind nach Osten gefahren.“ Jonas und Max eilten über den Platz. „Zwei dunkle SUV’s.“
„Bin dabei. Was hast du vor?“ Alice hatte sich wieder gefangen.
Beim Gehen ging Jonas seine Optionen durch. Viele waren es nicht. „Keine Ahnung.“
***
Die Fahrt verlief ereignislos und schweigend. Nicht das Ben oder Susanne sich überhaupt unterhalten wollten. Andererseits wollte er nicht das Sie zu schaden kam. Was nicht ganz auszuschließen war. Seine Bitte sie gehen zulassen, kam man natürlich nicht nach. Sie gaben ihm nicht mal Kontra. So musste Ben mit ansehen wie er im zweiten SUV Susanne im ersten Fahrzeug folgte. Zu einem Treffen mit dem General.
Auf das Wiedersehen hätte er liebend gern verzichtet. Nicht aus Scham oder Angst. Ben empfand auch keinen Hass, Groll oder Wut für den Mann. Es ging auch nicht um ihn, sondern darum, was der Mann Susanne antat, um ihn zum sprechen zu bringen. Dahin gehend kannte der General keinerlei Skrupel. Ein Umstand der Ben eine Furcht empfinden ließ, die nicht auf sein Wohl münzte.
Sie fuhren ohne Zwischenfall auf das Gelände vom Wiesbadener Hauptbahnhof, überquerten die Gleise, stoppten an einem verwaisten Bahnhofsteg abseits des Hauptstreckennetzes vom Hauptbahnhof. Auf dem Gleis stand eine zugstarke Lokomotive mit 5 Waggons.
Der Privatzug des Generals.
Auf dem Bahnhofsteg und um das Gelände des toten Gleis hielten sich bewaffnete Kräfte auf, die zum Personalkader ihres Gegners gehörten.
Mit Kabelbinder verschnürt stiegen sie aus den Autos, wurden unsanft in Richtung Zug bugsiert. Eine Handvoll Söldner stiegen zu erst ein. Dann die Gefangenen. Abschließend der Rest der Wachen. Kurz darauf erhielt der Zugführer das Abfahrsignal. Woraufhin sich der Zug in Bewegung setzte.
Man führte die 2 vom dritten Waggon in den zweiten. Die Waggons waren mit automatischen Schiebetüren untereinander abgeschottet. Um sie zu öffnen, musste man in ein Tastenfeld eine Kombination eingegeben. Sobald der Sicherheitscode akzeptiert wurde, entriegelte sich die verstärkte Schiebetür und ging auf. Der gesamte Zug war kugel- und explosionssicher. Es bedurfte eine Armee, um überhaupt hineinzugelangen. Was aber keine Garantie dafür war ihn auch wieder lebend zu verlassen.
Der 2. Waggon war der persönliche Waggon des Generals. An der Einrichtung hatte sich seit seinem letzten Besuch nicht viel geändert, wie Ben feststellte. Es gab alles, was man brauchte, um ein Söldnerkommando zu leiten ohne auf die privaten Annehmlichkeiten zu verzichten, die das viele Reisen mit sich brachte. Der Waggon war mit einem splitterabweisenden Teppich ausgelegt, der lärmdämmend war. Die Wände hatten hinter der Rotbuchen Vertäfelung einen 7 Zentimeter dicken Stahlplattenmantel mit Kevlar Einlage. Das Inventar war zweckdienlich. Schreibtisch. Computer. Internetanschluss. Telefon für Videokonferenzen. Couchgarnitur. Bar. Flachbildschirm. Stereoanlage. Ein 5.1 Dolby Digital System. Ein Bücherregal mit Klassikern und Fachliteratur zu allerlei Themen. Hinter der verstärkten Tür im hinteren Bereich lag ein Doppelbett. Ein Kleiderschrank mit einem geheimen Waffenfach. Eine Kommode, ebenfalls mit einem Waffenfach ausgestattet.
Der Zug strotzte vor Feuerkraft, mit der man locker irgendwo einen Krieg führen konnte.
Bewohnt wurde der Waggon vom General. Einem Mann von 1 Meter 90, breitschultrig, mit kräftigen Brustumfang, kurzen ergrauten Haaren, ledriger Haut, einer kantigen Gesichtsform und harten Augen. Er hätte gut ein Boxer sein können oder jemand der mit harter Arbeit sein Geld verdiente.
Der Mann legte den Telefonhörer auf, als seine Gäste eintraten, sah kurz die Frau an, ging um den Konferenztisch aus mattierten Glas und Chromgestell. „So sieht man sich wieder.“, begrüßte der General den männlichen Part seiner unfreiwilligen Gäste kühl. „Mein Sohn.“
***
Susanne konnte nicht fassen, was sie soeben gehört hatte, entsprechend blickte sie zu Ben, der ihren Blick nicht erwiderte, sondern seine Augen auf den Mann gerichtet hielt, der sich als sein Vater ausgab. Die steinerne Miene des Mannes, der ihren Tod wollte, weil sie etwas gesehen hatten von dem Sie damals nicht wusste was es bedeutete, bekam kurzweilig Risse, ein Sekunden langes Schmunzeln, als er ihre Verblüffung bemerkte.
Ben hatte ihr und Max nicht die ganze Wahrheit erzählt, was seine Vergangenheit mit dem Söldnerbund betraf. Der General war sein Vater, oder Erzeuger (kam auf die Sichtweise an). Sie hatten jedoch nie eine wirkliche Vater-Sohn Beziehung. Er diente unter dem Mann, der sein Vater und Befehlshaber zugleich war. Schweigend, aufrecht stand er in der Höhle des Löwen.
„Deine Freunde und du habt euch als hartnäckig erwiesen.“ Sein Vater sprach nicht wie ein Vater. Er ließ es an allem Mangel was man mindesten von einem Vater gegenüber seinem Sohn erwarten konnte.
„Danke.“ Ben wusste, dass das nicht als Kompliment gemeint war.
Der General ging nicht auf die Bemerkung ein. „Ihr seit zu einem Ärgernis für mich geworden, mein Sohn.“ Er verschränkte die Arme hinter den Rücken. Seine kalten Augen ruhten auf Ben. „Doch euer Tun wird mich nicht daran hindern das Herz des Drachen in meinen Besitz zu bringen.
Auch wenn du glaubst, der Vorfall in der Kirche ändere das.“ Das er von der Sprengung der Glasscheibe wusste, überraschte Ben nicht. Der Major hielt ihn über alles am Laufenden. Er war die rechte Hand des Generals. „Ich werde mir die Allmacht des Artefakts sichern. Weder du noch sonst irgendjemand wird mich daran hindern.“
Genau aus diesem Grund hatte Ben entschieden sich gegen seinen Vater zustellen, ihn zu bekämpfen mit allem was er aufbieten konnte. Was im Vergleich zu den Möglichkeiten des Generals bei Weitem nicht ausreichte. „Das werde ich zu verhindern wissen.“
Der Major trat vor. „Wie willst du das anstellen, Bruderherz? Indem du die Glasscheibe sprengst!“, höhnte sein Bruder und Sohn des Generals. „Wir haben die Unterlagen vom Professor. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir das Artefakt gefunden haben.“ Der Hass des Majors gegenüber Ben vor unüberhörbar. Sie waren nie wirklich Brüder gewesen, mehr Rivalen, Konkurrenten.
Ben wandte sich seinem Bruder zu. „Dumm nur das du ihn erschossen hast und nicht weißt was er alles wusste und nicht niedergeschrieben hat.“ Aus diesem Grund wollten Ben und sein Vater Professor Stein lebend. Dann hätte man ihn zu Mitarbeit bewegen können (auf die eine oder andere Weise), sein Wissen nutzen können um das Artefakt vor dem jeweils anderem zu finden.
In den Augen seines Bruders loderte der Hass. Er war unbeherrscht, besaß eine Aggression die mehr schadete als hilfreich war. Schon des Öfteren hatte der Major dadurch Dinge getan die vollkommen unsinnig und ihrem zutun unzuträglich waren. Sein Bruder grunzte. „Wir brauchen ihn nicht. Genauso wenig wie dich.“ Er schaute zu Susanne. Eine animalische Gier lag in seinen Augen, die sein Bruder nur zu gut kannte.
Ben trat vor sie. „Rühr Sie an und ich werde dich töten.“
Die Drohung ließ den Major diabolisch sein Gesicht verziehen. „Der gute Samariter.
Du wirst Sie genauso wenig beschützen können wie das Herz des Drachen.“
Der General kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. „Bringt Sie in die Zellen.“
***
„Nette Familie, die du da hast.“, meinte Susanne sarkastisch.
Sie saßen in jeweils einer Zelle. Der Zellentrakt lag im hinteren Abteil des vierten Waggons war vom Rest des Abteils durch eine Stahltür abgetrennt. Die Zellen waren Zwinger für Menschen. Die Gitter waren im Boden und in der Decke verankert und verschweißt. Die Zellentüren wurden über eine Konsole am Traktdurchgang kontrolliert. Von dort aus konnte man sie öffnen und schließen. Es gab daher kein Schloss, das man knacken konnte.
„Man kann sich seine Familie nicht aussuchen.“, erwiderte Ben seelenruhig. Er saß auf der Pritsche an der Wand gelehnt.
Wie er so ruhig dasitzen konnte, verstand Susanne nicht. „Nein, aber einem sagen, dass diejenigen die einen versuchen umzubringen Vater und Bruder sind.“
Ben blieb gelassen. „Ich hielt es nicht für wichtig.“, log er wohl wissend das Sie es als Lüge sehen würde.
Sie gluckste ohne eine Spur von Heiterkeit. „Du bist ein schlechter Lügner.“
„Muss ich wohl von meiner Mutter haben.“
„Wie kannst du so ruhig dasitzen?“, wollte Susanne wissen.
Da ging die Trakttür summend auf. Zwei Söldner traten ein. Einer ging den kurzen Gang entlang, blieb vor ihrer Zellentür stehen. Sein Kamerad bediente die Konsole, öffnete Susanne’s Zelle.
Unschlüssig schaute sie zwischen den Söldnern und Ben hin und her. Irgendwie hatte sie das Gefühl, er hatte damit gerechnet.
„Los. Der General will mit ihnen sprechen.“
„Wieso?“
Der Söldner trat genervt in die Zelle, packte Susanne grob, zog sie auf die Beine und schubste sie hinaus. „Bewegung, Kleine oder ich mach dir Beine.“ Dabei sah der Mann grinsend zu Ben.
Sie folgte den Söldnern aus dem Zellentrakt, ahnungslos was der General, Ben’s Vater, von ihr wollte.
***
Als feststand das die SUV’s in Richtung Hauptbahnhof fuhren, wusste Jonas wohin sie Ben und Susanne brachten. Zum Zug des Generals. Mit dem war der Söldnerboss stets unterwegs, wenn sein Tross in Europa haltmachte. Der Zug war sein rollendes Hauptquartier, eine Festung auf Gleisen.
Sie kannten ihren Aufenthaltsort, was gut und schlecht zugleich war. Ein Befreiungskommando kam nicht in Frage. Dafür verfügten sie nicht über die Mittel und Personal, also stand ein Frontalangriff außer Frage.
Auch alle anderen Möglichkeiten, die Jonas gedanklich durchging, würden den Zug nicht knacken, geschweige ankratzen. Schon gar nicht während der Zug eins der weitverzweigten Schienennetze Europas befuhr. Ob der Zug aber stand oder fuhr, änderte nichts an der Tatsache das Sie nicht die geringste Chance hatten Ben und Susanne daraus zu holen.
Ein Umstand der Jonas gar nicht gefiel. Denn was auch immer die 2 im Turm sahen, der General würde nichts unversucht lassen es aus ihnen herauszubekommen. Selbst wenn das bedeutete seinen eigenen Sohn zu foltern.
Er nahm sein Handy zur Hand, wählte eine Nummer und wartete bis sein Anruf entgegen genommen wurde.
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-Acht-
Nils Konrad, Vater zweier Söhne, ehemaliger Soldat, Söldnerchef und als der General bekannt, war bereit jedes Mittel einzusetzen, um in den Besitz des Herzens zu kommen. Selbst wenn er dazu eine Stadt in Schutt und Asche legen musste, würde er es tun. Der Nutzen, den das Artefakt barg, war unermesslich. Die Allmacht würde ihn reicher und machtvoller machen als irgendeinen Menschen auf dem Planeten. Niemand konnte ihn dann noch aufhalten. Ihm waren keine Grenzen mehr gesetzt. Wer sich ihnen in den Weg stellte, wurde pulverisiert. Ob einzelne Personen, ganze Armeen oder Staaten spielte keine Rolle.
Ja, das war Allmacht.
Es klopfte an der Tür, die kurz darauf geöffnet wurde. 2 Söldner traten mit der Frau ein, die eigentlich längst Tod sein sollte. Nicht viele Leute konnten von sich behaupten sein Todesurteil überlebt zu haben.
Konrad nahm den reich verzierten Dolch von der Tischplatte seines Arbeitsplatzes, ging auf die Frau zu, die sein Sohn gerettet hatte, zwei Mal. Ob es Ben ein drittes Mal gelang, war zwar schwer vorstellbar aber darauf wetten würde er dennoch nicht.
Susanne schrak nicht davor zurück, als Ben’s Vater mit dem Dolch in der Hand auf Sie zu kam. Sie sah dem Mann in die Augen. Die Kälte darin war erschreckend, ja beinahe unmenschlich. Trotzdem fiel ihr kein Anzeichen dafür auf, das er sie umbringen wollten. Zumindest hier und jetzt.
Eine Armlänge blieb er vor ihr stehen, ließ sie keine Sekunde aus den Augen. Der Blick von Ben’s Bruder hatte einen erschütternden Schauer bei ihr verursacht. In seinen Augen lag etwas das Sie so noch nie gesehen hatte. Bei ihrem Vater war das anders. Ja, sie empfand Furcht und Angst vor dem Mann, schließlich war sie ihm ausgeliefert, konnte nirgendwo hin.
Er nahm ihre Hand, hob sie an ohne grob zu werden. Susanne war wie gelähmt. Sie konnte sich dagegen nicht wehren, was auch immer geschah. Dann bewegte er die Führhand der Klinge nach vorne, langsam ohne jede Hektik, schob sie zwischen die gefesselten Hände. Eine kleine Bewegung und er konnte ihr die Pulsadern aufschlitzen.
Stattdessen zerschnitt Ben’s Vater den Kabelbinder, mit dem man sie fesselte. Ohne den Blick von ihr abzuwenden, befahl er den Söldnern draußen zu warten. Die Männer zögerten nicht, gingen hinaus, machten hinter sich die Tür zu.
„Setzen Sie sich.“ Er drehte sich um, legte den Dolch wieder dahin zurück, von wo er ihn genommen hatte. „Möchten sie was Trinken, Frau Reuter?“ Den zerschnittenen Kabelbinder warf er in den rostbraunen Müllheimer, ging zur Bar und schenkte sich einen Drink ein.
Susanne setzte sich in den breiten, altmodischen Sessel. „Nein.“ Wieso sie so ruhig klang, entzog sich ihrer Kenntnis. Dabei hatte sie gehörige Angst, vor dem was geschehen würde.
Gleichgültig nahm Konrad die Ablehnung zu Kenntnis. Ein Nein hörte er zwar nicht oft, aber das bezog sich mehr auf andere Dinge, wo er einfach kein Nein akzeptierte. „Sie fragen sich sicher wieso sie hier sind.“
Susanne nahm allen Mut zusammen. „Sie wollen wissen was wir im Turm gesehen haben.“ Ob ihre Mühe, die Angst aus ihrer Stimme zu vertreiben erfolgreich war, war schwer einzuschätzen. Der General jedenfalls zeigte keine Reaktion.
Da hatte sich natürlich recht. Konrad wollte, nein musste, es wissen. Schließlich konnte jeder Hinweis den Aufbewahrungsort des Herzen beinhalten. Sein Sohn hatte ihr das Leben gerettet, zwei Mal. Nicht dass das von Bedeutung für ihn oder sein Anliegen war. „Sie halten mich für den Bösen.“ Die Feststellung war nicht überraschend. „Was wenn ich ihnen sage, dass Sie sich irren?“
„Jemand der Leute umbringt, weil er glaubt, sie hätten etwas gesehen, von dem sie gar nicht wissen was es bedeutet, kann nicht zu den Guten gehören.“
Seine Mundwinkel verzogen sich. „Ich habe mich nicht als einen der Guten bezeichnet.“ Das Zucken, den mehr war es nicht, war so schnell verschwunden, wie es gekommen war. „Ich sagte nur ich sei keiner der Bösen.
Das, Frau Reuter, liegt schließlich im Augen des Betrachters. Oder etwa nicht?“
„Sie haben Menschen umgebracht. So etwas tun die Guten nicht, sondern die Bösen.“ Gut, vielleicht klang das naiv, für jemanden der als gebildet und klug galt. Doch irgendwie hatte sie ja recht.
Konrad nahm einen Schluck. „Das hat Ben auch getan. Ist er jetzt ein Guter oder ein Böser?“
Eine Fangfrage, die sich nicht so leicht beantworten ließ. „Ja, als Söldner bringt man Leute um. Unschuldige und jene, die es nicht sind. Wie also stellte man fest wer von Ihnen ein Guter und wer ein Böser ist?“
Susanne wusste es nicht. Eins wusste sie jedoch mit ziemlicher Sicherheit, Ben gehörte nicht mehr zu denen. Andernfalls hätte er ihr und Max nicht 2 Mal das Leben gerettet. So was taten die Bösen nicht. „Er hat seine Wahl getroffen.“
„Das hat er.“, stimmte der General ihr zu. „Er hat sich gegen seine Familie entschieden, hat mich verraten. Für was?“ Konrad sah die Frau an, trank den letzten Schluck. „Das Gute!“ Er sprach die Worte mit Verachtung aus. „Es gibt kein Gut oder Böse, Frau Reuter.“ Er lachte kehlig, stellte das Glas ab, setzte sich auf die Kante seines Schreibtischs. „Es spielt aber keine Rolle.“ Konrad trat näher. „Ben wird mich nicht aufhalten.“ Er wandte sich zum Fenster, sah durch die Panzerglasscheibe.
***
Susanne wusste nicht, was sie davon halten sollte. Geschweige den, wieso der General sie holen ließ. Was bezweckte er mit der Unterhaltung? Wollte er sie bekehren, auf seine Seite, die dunkle Macht, zerren!! Ihr Blick ging zum Dolch.
Für den Bruchteil einer Sekunde war sie drauf und dran zutun, was sie in dieser Millisekunde dachte. Das Sie es nicht tat lag an ihrem gesunden Menschenverstand. Etwas das der General verloren zu haben schien, wenn er es den je besaß.
„Lloyd.“
Einer der Söldner, die draußen standen, trat ein. „Ja, Sir?“
„Bringt Sie zurück.“
Lloyd, der Söldner, nickte. Zusammen mit seinem Kumpanen trat zu Susanne.
Diesmal stand sie von alleine auf. Dabei erhaschte sie einen Blick auf den Schreibtisch. Ein gebundenes Buch, mit verschließenden Ledereinband, lag darauf. Die aufgeschlagene Seite zeigte eine Handzeichnung einer Rüstung, die keinerlei Ähnlichkeiten mit denen aus dem Mittelalter oder einer anderen Epoche hatte.
Susanne dachte sich nichts weiter dabei, blickte zum General, der weiterhin am Fenster stand und hinaus sah. Wortlos verließ sie den Waggon, kehrte unter Bewachung der Söldner zum Zellentrakt zurück, wo Ben sich keinen Millimeter gerührt zu haben schien.
Sie trat in ihre Zelle. Die Tür fiel ins Schloss. Der Söldner schnalzte anzüglich mit der Zunge, warf Ben ein Grinsen zu und verließ das Zellenabteil. „Ich hoffe dir ist in der Zwischenzeit eingefallen wie wir hier rauskommen, Ben.“
Als er ihr nicht antwortete, sah Susanne ihn an.
Er lächelte.
„Wieso lächelst du?“
***
Augenblicke nachdem Susanne in Begleitung der Söldner gegangen war, trat der Major in den persönlichen Waggon seines Vaters und Befehlshabers. Auf dem Monitor sah man den Livestream der Überwachungskameras im Zellenabteil. Das Übertragungsbild war in 4 Fenster unterteilt, die alle ein anderes Bild zeigten.
Sein Vater hatte sich nicht vom Fleck gerührt, als die Frau die sein Bruder gerettet hat, gegangen war. Er stand einfach da, vor dem Fenster, schaute hinaus.
„Ich hoffe dir ist in der Zwischenzeit eingefallen, wie wir hier rauskommen, Ben.“ Der Zellentrakt war auch mit hochempfindlichen Mikrofonen ausgestattet, die ein kristallklares und digitales Tonsignal auffingen. „Wieso lächelst du?“
Susanne konnte nicht ahnen, das sich der Major andernorts zur gleichen Zeit die selbe Frage stellte, sie aber nicht aussprach. „Er weiß es.“ Er schaute zu seinem Vater.
Der General zeigte keine Reaktion.
***
Um den Zug des Generals zu verfolgen, hatte sich Alice ins Streckenkontrollzentrum der Deutschen Bahn gehackt. Es dauerte zwar länger als vorgesehen, aber im Endeffekt hinderten die Sicherheitssperren, Firewalls und Verschlüsselungscodes sie nicht daran. Sie brauchte eben nur etwas länger als geplant.
Einmal im System verfolgte Sie die Fahrt des Zuges, der nicht die Farbmarkierung der Personen- oder Frachtzüge besaß. Züge dieser Art gab es nicht allzu viele. Und nur einer war im Wiesbadener Raum abgefahren. In Richtung Nordosten.
Einen Fahrplan oder dergleichen gab es nicht. Zumindest hatte Alice keinen gefunden. Was merkwürdig war, wie Privatflugzeuge, mussten auch Privatzüge einen Fahrplan abgeben. Schließlich mussten die Züge auf den Gleisen entsprechend dirigiert oder umgeleitet werden.
„Wohin willst du?“, fragte sie den Farbcode vom Zug des Generals.
Der Zug fuhr auf einer Strecke, die hauptsächlich von Intercitys und Regios benutzt wurde. Sie führte nach Norden, machte nach gut 7 Kilometern einen Schwenk nach Westen, um sich durch das Rheintal, Hunsrück, Moseltal und die Eifel zu schlängeln, ging bis zur belgischen Grenze und darüber hinaus. Entlang der Strecke gab es Hunderte von Bahnhöfen, an denen der Zug halten konnte.
Da kam Alice eine Idee.
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-Neun-
Durch den Ausgang der Varusschlacht hatten sich die Römer auf die Westseite des Rheins zurückgezogen. Bis zu jenem Tag an dem Arminius starb, das Bündnis der Germanenstämme zerbrach und Streitigkeiten ausbrachen. Von da an setzten die Römer über den Rhein, besetzten wichtige strategische Siedlungen und Städte entlang des Rheins und machten sich die Uneinigkeit der Germanen zunutze. So gelang es ihnen letztlich die Germanen zu besiegen, deren Ländereien zu besetzen. Das gesamte Kernland.
Arminius Erbe, so ein Historiker, war nicht der Sieg über Rom, sondern der Untergang der Germanen nach seinem Tod. Denn die Streitereien innerhalb der germanischen Stämme waren eine Folge der nicht vorhandenen Nachfolgeregelung.
Die Wahrheit war jedoch eine andere, die nicht in den Geschichtsbüchern stand. Sein Tod machte deutlich dass das Herz des Drachen nicht mehr in seinem Besitz war. Andernfalls hätte es ihn vor dem Tod bewahrt. So lautete zumindest die Legende. Er wurde umgebracht, von einem seiner eigenen Leute, weil sein Mörder in den Besitz des Herzen kommen wollte. Nicht mehr und nicht weniger.
Und es gab nur eine Person, die wusste, wo sich das Herz befand.
Manius, einst ein Junge in Arminius Diensten, wurde vom Cheruskerfürsten zum Wächter vom Herz des Drachen auserkoren. Es zu schützen, zu verhindern das Freunde wie Feinde danach suchten. Zudem widerstand er dem Drang der neue Träger zu werden. Eine Bürde, die nicht jeder im Stande war, zu leisten. Andere wären daran gescheitert oder zerbrochen. Nicht so der Junge, den Arminius viel abverlangte.
Wie aus allen Jungen wurden sie Männer, wurden Jahr für Jahr älter, gingen einer Arbeit nach, lernten jemanden kennen und lieben, gründeten eine Familie, sahen die Kinder aufwachsen, wie sie eigene Kinder bekamen und früher oder später starben. Da war Manius keine Ausnahme.
Er verstarb im Wissen, dass das Herz in Sicherheit war.
So lange bis sich jemand als würdig erwies der neue Träger zu sein.
Wann das geschah und wer es war, wussten nur die Götter.
***
-Tage zuvor-
Der Frankfurter Flughafen war nicht nur der größte deutsche Flughafen, sondern ein Internationales Drehkreuz, von wo Hunderte Flugzeuge nach Asien, Afrika, Ozeanien, Nordamerika, Süd- und Mittelamerika und in die Karibik abhoben. Zig Tausende Menschen landeten oder starteten ihre Reise von hier aus in die gesamte Welt.
Nicht so Ben und Jonas. Sie waren nicht gekommen um eins der Flugzeuge zu besteigen und weg zu fliegen. Man hatte ein solches gerade erst verlassen.
Flughäfen wie der in Frankfurt am Main, waren eigene Städte. Sie verfügten über eine eigene Infrastruktur mit allem was dazu gehörte. Strom- und Wasserversorgung. Kanalisation. Gewerbe. Ordnungskräfte. Ein Flughafen war eine Stadt in einer Stadt.
Am frühen Vormittag war es im Hauptterminal brechend voll. Tausende Menschen gingen von A nach B und zurück, belagerten die Infoschalter, hetzten zu den Flugsteigen, verabschiedeten sich tränenreich oder begrüßten einander. Dennoch lief alles in geordneten Bahnen, obgleich ein Außenstehender einen anderen Eindruck bekam.
Ungeachtet dessen betraten Ben und Jonas die Premium Lounge der Lufthansa. Dort waren Sie mit denjenigen verabredet, die Sie um das Treffen baten. Um die Annehmlichkeiten der Premium Lounge nutzen zu können, musste man einer derer sein die die Schwarze Mitgliedskarte der Fluggesellschaft besaßen. Wovon wiederum weniger als 1000 Stück weltweit im Umlauf waren. Inhaber anderer Karten bekamen keinen Zutritt zur Premium Lounge.
Weder Ben noch Jonas besaßen überhaupt eine Karte der Lufthansa oder einer anderen Fluggesellschaft, bisher jedenfalls. Als Sie in Berlin-Tegel ihre hinterlegten Flugtickets am Lufthansa Schalter abholten, waren im Umschlag auch 2 der exklusiven schwarzen Karten. Damit stand fest, das diejenigen die um das Treffen baten, einflussreiche Leute waren. Schließlich erfüllten keiner von Ihnen im Ansatz die Kriterien für eine solche Karte.
„Herzlich willkommen. Ihre Karten bitte?“, bat die Angestellte hinter dem Tresen freundlich. Beide gaben ihr die Karten. Sie zog eine nach der anderen durch das Lesegerät, prüfte die ausgelesenen Daten auf ihrem Flachbildschirm. „Angenehmen Aufenthalt.“ Sie gab ihnen die Karten zurück.
Beide steckten sie ein, traten auf die milchig mattierte Automatiktür zur Premium Lounge zu. Als sie in den Sensor kamen, öffnete sich die Eingangtür nur, weil die Angestellte die Freigabe eingegeben hatte. Hinter der Schuss- und Explosionssicheren Ganzglastür lag die Premium Lounge.
Was keiner von Ihnen wusste, die Lounge befand sich offiziell im Umbau und stand daher nicht zur Verfügung. Andererseits sah man nichts von dem Umbau.
Stattdessen betraten Ben und Jonas eine vollfunktionstüchtige Lounge, die Sie nie von Innen gesehen hätten. Der Luxus war nicht protzig oder dekadent. Es herrschte eine wohlfühl Atmosphäre, wie in einem Spa.
Kaum waren Sie über die Schwelle getreten, schloss sich die Tür. Dabei hatten sie den Sensorbereich auf dieser Seite gar nicht verlassen. Vor ihnen türmte sich eine Wand in Gestalt 3er Männer auf. Sie trugen dunkle Anzüge, unter den Sakkos verbargen sich Pistolen oder kompakte Maschinenpistolen sowie Schusswesten. Professionelle Leibwächter, die entsprechend bezahlt wurden und jeden Cent wert waren.
Einer hielt einen Detektor in der Hand, scannte sie gründlich ab. Da es keinen Grund gab sie einer Leibesvisitation zu unterziehen, traten die Männer beiseite.
Die Lounge verfügte über einen offenen Sitzbereich und Nischen, für jene, die es diskreter mochten. Da außer ihnen niemand sonst die Lounge besuchte, hatten ihre Gastgeber den offenen Sitzbereich, mit den Ledersesseln gewählt.
„Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten.“, begann der Herr mit dem grau melierten Haar. Mit ihm waren 2 weitere Herren anwesend. Sie trugen allesamt Maßanzüge und vermittelten den Eindruck Stammgäste der Premium Lounge zu sein. „Bitte setzen Sie sich doch.“
Ben und Jonas folgten der höflichen Bitte. Trotzdem blieben Sie wachsam. Gerade wegen der kürzlichen Ereignisse, die ihnen anscheinend die Einladung einbrachte. Was verwunderlich war bei dem Ausgang in Berlin. „Wer sind Sie?“ Ben kam gleich zur Sache. Ihnen fehlte die Zeit um länger als unbedingt notwendig in der Premium Lounge zu bleiben.
Wie auch immer die Herren die Direktheit empfinden mögen, sie zeigten es nicht. Die 3 waren Leute von Rang. „Die Wächter vom Herz des Drachen.“
***
Manius war mit der Gewissheit gestorben, das es Jemanden gab, der genau wie er, sein Leben opfern würde um zu verhindern dass das Herz in die falschen Hände geriet. Sein Schüler wiederum suchte sich zu gebender Zeit seinen Schüler. Jeder wurde sorgfältig ausgesucht, geprüft, geschult und ausgebildet. Manius war der erste Wächter vom Herz des Drachen. Ihm sollten weitere folgen.
3 davon saßen Ben und Jonas gegenüber. Wirklich überraschend kam die Offenbarung nicht. Genau das war der Grund, wieso Manius das Herz so versteckte, dass es gefunden werden konnte. Seine Nachfolger sollten in der Lage sein es zu finden. Dummerweise konnten dadurch Leute wie der General es genauso finden. Was wohl auch der Grund für dieses Treffen war.
„Sie scheinen nicht sonderlich überrascht?“, stellte der rechte Herr fest.
„Nicht darüber.“
„Worüber den?“, wollte der Herr in der Mitte wissen.
„Ihre Einladung.“, antwortete Jonas.
„Was wollen Sie von uns?“
Die Herren sahen einander an. Keiner verzog bei dem Blickwechsel die Miene oder zeigte eine anderweitige Reaktion. Sie hatten sich voll im Griff, waren dennoch besorgt, den das Erbe über das sie wachten war in Gefahr. Sie mussten ihr Vorgehen daher sorgfältig überlegt haben. Jemand Außenstehenden einzuweihen, der dazu noch einst einer derer war die nicht in den Besitz vom Herz kommen durften, barg immer die Gefahr der Enttarnung. „Ihre Hilfe.“, sagte der Linke.
Ben schaute den Herr an. „Wobei?“
„Zu verhindern, dass ihr Vater das Herz findet.“ Die Antwort kam vom Herrn in der Mitte. Unter den 3 schien es keine Rangfolge zu geben. Was sie undurchsichtig machte.
Sie wussten also das sein Vater der General war. Ob das nun gut oder schlecht war, konnte Ben nicht sagen. Demnach verfügte die Gruppe über entsprechende Informationsnetzwerke. Doch ihr Anliegen an ihn und Jonas offenbarte gleichzeitig, das ihr Einfluss begrenzt war. Inwieweit das gut oder schlecht war, musste sich zeigen. „Wieso tun sie es nicht selber?“ Die Herren hätten im Moment auch gut an einen Pokertisch sitzen können. „Als Wächter wissen Sie doch sicherlich, wo das Artefakt ist.“ Da, ein zucken der Augenbrauen. Oh!! Jetzt verstanden Ben und Jonas, wieso sie eingeladen wurden.
„Wir haben es versucht.“, sagte der Rechte. „Doch leider waren unsere Mühen nicht von Erfolg gekrönt.“
„Professor Stein!“
Der Rechte nickte knapp.
Professor Stein war ein Wächter. Und noch etwas ergab sich dadurch. „Sie wissen nicht, wo das Herz ist!“
„Wir möchten das Sie das Herz für uns finden.“
Bingo!! Ben schaute zu Jonas. War das soeben ein Jobangebot!?
***
-Gegenwart-
Wer auch immer im Hintergrund die Fäden zog, er sorgte dafür, dass der Zug vom General Freie Fahrt bekam. Dabei war das Gleis eine wichtige regionale Strecke. Wodurch sich ein Problem ergab. Denn, sobald der Zug hielt, war das Gleis für den nachfolgenden Verkehr blockiert. Was zu erheblichen Verspätungen und Behinderungen führte. Und zu unangenehmen Fragen. Demzufolge musste der Zug vom General, sobald das Ziel erreicht war, auf ein weniger befahrendes Nebengleis oder ein Abstellgleis dirigiert werden. Um den nachfolgenden Zugverkehr nicht zu behindern. Daher musste der Zug seine Passagiere am Bestimmungsort absetzen und aufs zugewiesene Parkgleis fahren.
Was der Zugführer, nach Anweisung des Generals bzw. des Majors, auch tat.
Wie der zuständige Controller im Streckenkontrollzentrum der Deutschen Bahn sah Alice auf ihrem Bildschirm, wie der Zug langsamer wurde. Da er in ein Stadtgebiet einfuhr, musste der Zug seine Geschwindigkeit drosseln. Auch auf den Schienen gab eine Art Straßenverkehrsordnung, hier hieß sie bloß sinniger weise Schienenverkehrsordnung. An die hatten sich alle Verkehrsteilnehmer des bundesweiten Streckennetzes zu halten.
Doch als der Hauptbahnhof der Stadt näher kam, drosselte der Zugführer die Geschwindigkeit weiter, unter die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzung innerhalb eines Siedlungsgebiets. Je näher der Bahnhof kam, desto langsamer wurde der Zug. Das wiederum konnte nur eins bedeuten.
Der Zug vom General hatte sein Ziel erreicht.
Alice wählte Jonas Nummer.
„Ja?“
Sie nannte ihm das Ziel.
„Ich bin auf dem Weg.“
Dann war das Gespräch beendet.
Alice schaute einen Augenblick auf den Bildschirm, sah, wie der Zug in den Bahnhof einfuhr und wie erwartet stoppte. Sie vergeudete keine Zeit, wandte sich einem anderen Bildschirm zu. Ihre Finger huschten über die Tastatur ihrer Computerstation.
Keine 5 Minuten später zeigte ein anderer Bildschirm, in einem Mehrfachfenstermodus, eine aktuelle Überwachungsübertragung. Sie zeigte verschiedene Livebilder jenes Bahnhofs, an dem der Zug vom General gehalten hatte. Der Zug setzte sich wieder in Bewegung.
Doch das interessierte Alice nicht. In einem der Fenster sah sie die Bahnhofshalle. Dort herrschte gerade ein reger Publikumsverkehr. Ihr Interesse galt einer Gruppe, die den Bahnhof durch den Haupteingang verließ, sich aufteilte und in 3 wartende Mittelklasse Limousinen stiegen.
Zu der Gruppe gehörten auch Ben und Susanne.
***
Jonas Anruf gleich, nachdem er mit Max die Kirche in Wiesbaden verließ, rief er via Handy ihre Auftraggeber an, die Wächter vom Herz des Drachens. Ohne näher auf die Details einzugehen, berichtete er ihnen von der Gefangennahme der 2 und das Sie auf dem Weg zum Zug waren.
„Was brauchen Sie?“ Der Herr am anderen Ende klang sachlich.
Überrascht von der Sachlichkeit war er nicht. Jonas sagte ihm, was er benötigte.
Zusammen mit Max stieg er in ihren Wagen, fuhr nicht gerade im Sinne der Straßenverkehrsordnung durch die Wiesbadener Innenstadt. Ungefähr 35 Minuten außerhalb der Stadt lag ein kleiner Privatflugplatz. Er bestand lediglich aus einer kleinen Start- und Landebahn, einen Tower, Parkpositionen gleich neben der Bahn und 2 nebeneinander stehenden Hangars, die zusammen gerade Mal ein halbes Fußballfeld groß waren.
Sie kamen gerade an, als ein Hubschrauber landete.
Jonas parkte den Wagen, ließ die Schlüssel stecken, stieg mit Max aus, liefen zum Hubschrauber und stiegen ein. Dabei nahm Max vorne beim Piloten platz, während Jonas nach hinten ging.
Kaum saßen die 2, hob der Hubschrauber auch schon ab.
„Ihr Paket liegt unter der Sitzbank.“, meinte der Pilot.
Das Paket war eine gewöhnlich aussehende Sport- oder Reisetasche, wie sie es millionenfach gab. Bei dieser Tasche hingegen machte der Inhalt den Unterschied. Jonas stellte sie neben sich, öffnete sie und schaute hinein. Auf den ersten Blick sah es so aus als wäre alles drin was er brauchte um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Währenddem Flug per Hubschrauber hinter dem Zug des Generals, klingelte sein Handy. Das Display zeigte Alice Nummer an.
„Ja?“
Sie nannte ihm das Ziel des Zugs.
„Ich bin auf dem Weg.“
Er beendete die Verbindung, tippte dem Piloten auf die Schulter, setzte die Kopfhörer auf.
„Ja, Sir?“
Jonas nannte ihm das Ziel.
Der Pilot nickte.
Max drehte sich zu ihm. „Koblenz!“
„Sieht so aus, Max.“
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-Zehn-
Die kreisfreie Stadt Koblenz, verfügte über eine wechselhafte Geschichte, in der Sie oft im Fokus von Kriegsparteien stand. Sie liegt zwischen den Flüssen Mosel und Rhein, die am bekannten Deutschen Eck zusammenflossen. Vor Jahren feierte die Stadt, mit einem großen Fest, ihr 2000 jähriges Bestehen. Damit gehörte zu den ältesten deutschen Städten. Ihre Gründung rührte noch vor der Zeitrechnung nach Christi her.
Im Jahre 14 v.Chr. errichteten die Römer eine befestigte Siedlung in der Mündungsspitze von Mosel und Rhein. Zu beiden Flussseiten wurden Hafenanlagen errichtet. Die Schifffahrt bildete über Jahrzehnte das Rückgrat der Siedlung und späteren Stadt.
Bei der Expansion Roms nach Mittel- und Nordeuropa wurde Koblenz zu einem wichtigen Handelsposten, die Hafenanlagen mehrfach ausgebaut.
Erst nach dem Bruch der germanischen Koalition, durch Arminius Tod, gelang es den Franken die Stadt einzunehmen.
Heute gehörte die circa 135.000 Bewohner umfassende Stadt zum Bundesland Rheinland-Pfalz. Teile der Stadt gehören zum UNESCO-Welterbe. 60 Kilometer Rheinaufwärts liegt die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn und 90 Kilometer Rheinabwärts die Landeshauptstadt Mainz. Im Süden wird Sie von Ausläufern des Hunsrücks begrenzt, von Westen her von der Eifel.
Koblenz ist in 28 Stadtteile gegliedert, verfügt über ein gemäßigtes Klima und ist Anlaufstelle für Mosel-Rhein Kreuzfahrtschiffe. Touristische Schwerpunkte sind das Kastell Niederberg, ein ehemaliges römisches Militärlager für Hilfstruppen, auf der rechtsseitigen Seite des Rheins. Das deutsche Eck. Das nördliche Tor. Die Basilika Saint Kastor. Schloss Stolzenfels. Das Kurfürstliches Schloss in der Stadt. Die Balduinbrücke und die Festung Ehrenbreitstein, jenseits des Rheins. Hauptattraktion ist der Rosenmontagszug des Koblenzer Karnevals.
Einer der Hauptarbeitgeber in Koblenz ist die Bundeswehr mit ihren etlichen Einrichtungen im Stadtgebiet. Dazu zählen 4 Kasernen, das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung, Wehrtechnische Dienststelle, Bundesamt für Informationsmanagement und Informationstechnik der Bundeswehr, Zentrum Innere Führung, Heeresführungskommando, Feldjägerdienstkommando und das Bundeswehrzentralkrankenhaus.
Entlang des Rheins und der Mosel gab es eine Vielzahl von Burgen, Festungen und Burgschlössern als irgendwo sonst in Mitteleuropa. Die sogenannten Burgentouren erfreuten sich im Frühling und Sommer großer Beliebtheit.
Was aber nur wenige Leute wussten, die Festung Ehrenbreitstein war auf den Grundmauern einer römischen Wehranlage errichtet worden, die zu jener Zeit ihr Dasein fristete als Arminius die Germanen einte, die Legionen des Varus besiegte und als der Cheruskerfürsten den Jungen Manius aussandte das Herz des Drachen zu verstecken. Auf seinen Reisen machte Manius auch in Koblenz halt. Nicht ohne einen Hinweis für jene zu hinterlassen die später als Wächter vom Herz des Drachens in Erscheinung traten. Damit Sie zu gegebener Zeit den Standort des Artefakts ermitteln konnten, um es in Sicherheit zu bringen, sofern es erforderlich wurde.
Den Hinweis deponierte er in der heutigen Festung Ehrenbreitstein.
Genau dahin waren der General und seine Männer unterwegs. Der Hinweis gehörte zu einer Gruppe, die als die finalen Hinweise galten. Der, in der Festung Ehrenbreitstein, war der Letzte, den der General brauchte, um den Standort vom Herz des Drachen zu ermitteln.
***
Als die Fahrzeuge mit dem General, Ben, Susanne und den Söldnern über die Balduinbrücke fuhren, landete der Hubschrauber mit Max und Jonas an Bord auf einem Heli-Port der Augusta-Kaserne, 20 Minuten von der Festung Ehrenbreitstein entfernt. Kaum hatten die Kuffen den Asphalt berührt, öffnete Jonas die Tür, sprang hinaus, griff sich die Tasche und ging geduckt aus dem Wirkungskreis der laufenden Rotoren. Am Heli-Port stand ein dunkler SUV mit Kennzeichen der Feldjäger bereit. Ihr Kontaktmann bei den Wächtern hatte alles arrangiert.
Die Autoschlüssel steckten.
Jonas warf die Tasche auf den Beifahrersitz.
Er hatte sich während des Flugs nach Koblenz umgezogen. Jetzt trug er eine schwarze Flakweste, einen Mehrzweckgürtel an dem jeweils 3 Blend,- Rauch- und Explosionsgranaten steckten. Dazu gehörte eine Munitionstasche mit 5 Reservemagazinen a 30 Schuss 5,56 mm NATO-Munition für das G36K Sturmgewehr von Heckler & Koch. Eine HK USP (Universale Selbstladepistole) Pistole mit 5 Reservemagazinen a 15 9mm Patronen. Nicht zu vergessen das Medi-Kit. Ein Erste-Hilfe-Set für den Kampfeinsatz. Er war mit allem ausgestattet, als würde Jonas zu einem Kommandounternehmen in Afghanistan ausrücken.
In der Tasche befanden sich weitere Reservemagazine, eine UMP (Universale Maschinenpistole) von Heckler & Koch, eine Kevlarweste, eine weitere USP, ein Set Rauchgranaten sowie ein zusätzliches Medi-Kit. Alles im allem eine zweite Kampfausrüstung.
Als der Rotor in den Leerlauf ging, stieg Max aus dem Hubschrauber, sah wie Jonas in den Mercedes-SUV stieg, den bulligen Geländewagen startete und los fuhr. Wenn alles nach Plan lief, würde er mit Ben und Susanne zurückkehren.
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Gerade als die Mittelklasse-Limousinen des Generals auf dem rückseitigen Parkplatz hielten, und der Tross ausstieg, bog Jonas an der A48 Richtung Norden (Vallendar, Neuwied) an einem Stopp-Schild rechts ab. Die Auffahrt führte zum Schlosshof, die Vorderseite, der Festung hoch. Jonas musste, sehr zu seinem Ärger, abbremsen. Ein Auto vor ihm kroch die 300 Meter lange Auffahrt im Schneckentempo hinauf.
Unterdessen betrat die Gruppe um den General, Ben und Susanne das Hauptgebäude.
Das Festungsgelände beherbergte ein Restaurant, das Landesmuseum Koblenz, die Koblenzer Jugendherberge, das Ehrenmal des Heeres sowie verschiedene Verwaltungsstellen. Jede Stunde gab es Führungen durch die Festung. Woran dem General und seinen Männern nicht gelegen war. Sie interessierten sich mehr für den Zugang zu den unterirdischen Katakomben der Festung.
Alle Festungen, Schlösser und Burgen verfügten über unterirdische Gänge, die mal mehr mal weniger verzweigt waren. Sie dienten als Lagerstätte, Gefängnisse, Depots und bei Belagerungen als Bunker. Zudem gab es geheime Zugänge über die die Verletzten, Frauen, Kinder und Alte evakuiert und Munition, Verpflegung, Medizin und frische Truppen eingeschleust werden konnten. Daher war es für die Belagerer jener Zeit ungemein wichtig die geheimen Zugänge aufzuspüren.
Der Hauptzugang war durch eine schwere Holztür mit Eisenbeschlägen versperrt. Auf einem Schild wurde explizit darauf hingewiesen, das Fremde keinen Zutritt hatten. Was den General wenig kümmerte. Seine Männer vereisten das Schloss, wie Ben im Turm, schlugen dagegen und ein Loch, so groß, wie der Kopf eines Kleinkindes, entstand.
2 Söldner gingen mit schussbereiten Uzi’s voraus, der General, der Major, 5 Söldner, Ben und Susanne folgten. 2 Söldner bildeten die Nachhut, des kampfstarken Verbandes.
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Die Wände der Katakomben waren nur grob aus dem Fels geschlagen, kahl und von Hause aus Feucht. Von der Decke jener Gänge, die bei der Führung benutzt wurde, hingen nackte Leuchtstoffröhren. Alle sonstigen Gänge lagen im Dunkeln. Innerhalb kürzester Zeit konnten sie von den Hausmeistern an das bestehende System angeschlossen werden.
Der Söldnerverband hatte seine eigenen Leuchtmittel mitgebracht.
An ihren Maschinenpistolen trugen die Söldner Taschenlampen, deren Lichtstrahlen die Dunkelheit zerschnitten. Da zurzeit keine Führung in den Katakomben stattfand, begegnete die Gruppe auch niemanden. Sie erreichten ihr Zeil nach wenigen Minuten.
Es handelte sich um eine garagengroße Kammer, mit einer gewölbten Decke, je eine Säule links und rechts am Durchgang, die aus dem Fels modelliert waren. Der Boden war mit Granitplatten versehen, die aus einem Steinbruch der Region kamen. Die Wände waren glatt geschliffen und poliert. An den Wänden fanden sich Eisenbeschläge, die als Halterungen für Fackeln dienten.
Die Hauptattraktion hingegen war ein großes Wandgemälde, das ein namenloser Künstler malte. Das Motiv, die Festung Ehrenbreitstein, das deutsche Eck und eine aufstrebende Siedlung Castellum apud Confluentes (Kastell bei den Zusammenfließenden), das spätere Koblenz.
Vor dem Absperrband standen Infotafeln, in der über die Geschichte informiert wurde. Von der Gründung, zur Entstehung bis hin zum geografisch-politischen Wechsel der Region und der heutigen Stadtgeschichte.
Ein beeindruckendes Gemälde, das zur 2000 jährigen Feier der Stadt Koblenz, mühevoll gereinigt und restauriert wurde. Pate stand die Stiftung für germanische Kulturschätze.
Der Major postierte Männer vor und am Eingang. Für die unvergängliche Schönheit hatte Ben’s Halbbruder keinen Blick. Ihr Vater hingegen betrachtete das Wandgemälde ausgiebig, prägte sich jedes Detail ein.
Der Söldner mit dem Rucksack stieg über das Abspeerband, ging in die Knie, nahm seinen Rucksack ab, öffnete ihn. Darin verbarg sich eine ultramoderne technische Ausrüstung, die jeden Archäologen verzückte. Ohne auf einen Befehl zu warten, begann der Technikspezialist mit seiner Arbeit.
Susanne löste ihren Blick vom Gemälde. Auch im Raum sorgten die Söldner dafür das Sie getrennt blieben. Was einen Grund hatte. Sofern Ben nämlich etwas versuchte, konnte sein Vater oder Bruder Sie als Druckmittel benutzen.
Tatsächlich hatte Ben daran gedacht, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Das Problem war eben nur, das zwischen ihm und Susanne weitere Söldner standen. Auch wenn es nur 3 Meter waren, war die Distanz zu groß. Ein solches Risiko war er nicht bereit einzugehen. Ben erwiderte ihren Blick mit mehr Zuversicht, als Sie erwartete.
Der Techniker holte einen Schminkkasten ähnlichen Koffer aus dem Rucksack, öffnete ihn, entnahm tennisballgroße Kugeln, die er durch eine Drehbewegung zu 2 Halbkugeln machte. Sie bestanden aus einer mit Mikrosensoren versehenden Polymere Außenhaut. Die Geräte waren die neuste Generation der Sensortechnologie.
Der Söldner pappte am Senkrechtenrand 4 Sensorkugeln, drehte am Zahnkranz. Die LED-Sensoren begannen leuchtend zu pulsieren, wie bei einem Leuchtkreisel. Jedes Mal wenn er eine weitere Sensorkugel aktivierte, synchronisierten sie sich.
Auf der Waagerechtenrandseite platzierte er 8 Stück.
Anschließend ging er zum Rucksack, holte einen Tablet-PC heraus, tippte auf die Touchoberfläche, sah zum General. „Wir sind soweit, Sir?“
Sein Boss nickte.
***
Mit einer Eingabe vom Techniksöldner startete die Sequenz.
Von der ersten Sensorkugel, die Startkugel, ging ein gebündelter türkiser Laserstrahl ab, traf auf die nächste Sensorkugel, woraufhin ein Piepton vom Tablet-PC ertönte. Der Laserstrahl ging von Sensorkugel zu Sensorkugel, rund herum. Anschließend legte sich über das gesamte Wandgemälde ein türkiser Schimmer, ein Sensorfeld. Der Techniker überprüfte alle Einstellungen, sah auf und startete die nächste Sequenz.
Die LED-Sensoren hatten aufgehört zu pulsieren, stattdessen leuchteten sie permanent auf der obersten Stufe. Mit dem Start der nächsten Sequenz änderte sich das. Das gesamte Sensorfeld ging Stufe um Stufe abwärts, auf das Wandgemälde zu, bis es sich wie eine zweite Haut drauflegte, eindrang und verschwand. Die Sensorkugeln begannen gleichmäßig zu blinken.
Susanne schaute fasziniert zu, sah verstohlen zu Ben und erhaschte einen Blick auf den General, der seinen Blick keinen Moment vom Gemälde abwandte. Eine Piepmelodie ertönte. Der Techniker machte einige Eingaben.
Das erschien das Sensorfeld wieder, blieb auf dem Wandgemälde liegen. Die Sensorkugeln stellten das Blinken sofort ein.
Als eine weitere Piepmelodie ertönte, weiteten sich die Augen des Technikers. Er konnte seinen Blick nicht vom Touchschirm seines Tablet-PC wenden. Susanne versuchte einen verstohlenen Blick zu erhaschen. Was Sie zu sehen bekam, war unglaublich.
Unter dem Wandgemälde befand sich eine Landkarte jener Zeit. Sie zeigte das heutige Deutschland und Gebiete aller Nachbarstaaten, Grenzlinien der innerdeutschen Regionen, Städte, Siedlungen, Waldgebiete, Gebirgszüge, die Nord- und Ostküste, die Landzunge die Deutschland mit Dänemark verband, Flüsse, Seen. Alles war so detailliert eingezeichnet, wozu man Heute Satelliten und unzählige Vermessungsstunden brauchte. Ein Meisterwerk unter einem Meisterwerk.
Doch das Entscheidende an der historischen Landkarte waren nicht all die Details, sondern die darin verborgenen Markierungen. Jede Markierung zeigte einen Hinweisstandort. Sie waren über das damalige Kernland Germaniens und den römisch besetzten Gebieten verteilt. Die Drachenhöhle von Syrau, der Turm von Wiesbaden, die Festung Ehrenbreitstein, auf Sylt, am Bodensee, im Harz, dem Ruhepott, auf der Zugspitze und anderen Orten.
Seine Finger gingen über den Touchschirm. „Beginne mit der Extrapolation.“, hauchte der Techniker verblüfft.
Susanne schaute zu Ben. Er stand einfach da, seelenruhig, ohne sichtbare Angst oder Furcht vor dem, was ihnen bevorstand. Etwas anderes blieb ihm wohl auch kaum übrig. Umringt von bewaffneten Söldnern, gefesselt und gute 10 Meter von ihr entfernt. Doch all die Zeit über, lieferte er sich mit dem General, seinem Vater, ein Wettstreit wer zu erst den finalen Hinweis auf das Herz des Drachens fand. Dabei ging keiner von Ihnen allzu zimperlich vor. Keiner wollte, dass er jeweils andere der Erste war. Und jetzt wo sein Vater kurz davor stand, zu erfahren, wo das Herz versteckt lag, tat er nichts um das zu verhindern. Gut, seine Möglichkeiten waren eingeschränkt, hielt ihm Susanne zugute, doch etwas an seinem Verhalten störte Sie. Beim längeren nachdenken, stellte Sie fest, das es nicht seine Untätigkeit war, sondern diese Gelassenheit und Ruhe. Als ob er bereits wusste, was folgte.
Das Turmschauspiel!!
Sie schaute zu ihm.
Eine Tonmelodie ertönte. Die Extrapolation war abgeschlossen.
***
Der General und der Major traten hinter den Techniker, umzusehen was das Ergebnis war.
Aus dem Augenwinkel nahm Susanne eine Bewegung wahr.
Ping!! Pong!! Ping!!
Etwas kullerte in den Raum.
Eine Tennisball große Kugel kam kreiselnd zum stehen.
„Schließ deine Augen.“, rief Ben ihr zu. Sie tat es, kniff die Augen fest zusammen.
Keine Sekunde zu spät. Die Kugel detonierte in einem blendend weißem Lichtblitz, der einen erblinden ließ. Hatte man zu diesem Zeitpunkt die Augen offen, sah direkt in den Lichtblitz konnte man dauerhaft erblinden oder schwere Sehstörungen erleiden. Spezialeinheiten von Militär und Polizei setzten die Kugeln bei Geiselbefreiungen ein. Sie wurden auch als Blendgranaten bezeichnet.
Diese Blendkugel hatte noch eine zweite Eigenschaft. Bei der Detonation wurde neben dem Lichtblitz ein magnetischer Impuls freigesetzt, wie bei einer Atombombe. Er grillte alle technischen Geräte im Umkreis von 4 bis 7 Metern. Der Unterschied zum Atombombenimpuls war, der das er weitaus schwächer war, als sein großer Bruder.
Nichtsdestotrotz hatte die Freisetzung des magnetischen Impuls zur Folge das die gesamte hochmoderne Ausrüstung der Söldner nur noch Schrottwert hatte, als Jonas die Mehrzweckkugel aktivierte und in den Raum warf.
Als der Lichtblitz erlosch, zögerte Ben keine Sekunde. Er knockte einen taumelnden Söldner aus, nahm sich die Maschinenpistole, eilte zu Susanne, packte Sie am Arm und rannte los.
Der General hatte sich im allerletzten Moment abgewandt, als er die Kugel sah. Dennoch konnte er sich nicht ganz der Wirkung des Lichtblitzes entziehen. Er sah für Sekunden nur Sterne. Die Söldner schrien vor Schmerzen, hielten sich die Augen, wälzten sich auf dem Boden oder knieten.
Verschwommen sah er wie sein rebellischer Sohn die Frau packte und davon rannte. Der General wartete nicht, bis er wieder sehen konnte, schoss hinter Ben und Susanne her. Die Kugeln schlugen in die Wand ein. „Hinterher.“
Etwas wacklig auf den Beinen liefen die Söldner los, die sich am schnellsten erholten.
Der General sah auf den Tablet-PC. Der Touchschirm war dunkel und gesprungen. Beim Lichtblitz hatte der Techniker ihn fallen lassen.
***
Ben und Susanne liefen an Jonas vorbei. Im Gang, vor dem Raum, lagen die Söldner, die den Durchgang bewachen sollten. Hinter ihnen ertönten Rufe und Schritte. Kurz darauf schossen die Söldner auf die Flüchtenden.
Mehrere Stufen auf einmal sprinteten Sie die Treppe hinauf. Jonas, am Treppenaufgang, erwiderte das Feuer, folgte den Beiden nach oben. Ben stieß die Tür auf.
Eine Gruppe wollte gerade mit der Führung beginnen, als er mit Susanne ins Foyer platzte, durch eine Tür, die eigentlich verschlossen sein sollte. Als dann Jonas, in seiner Kampfausrüstung und dem Sturmgewehr im Anschlag folgte, wandelte sich die Verwirrung in Angst. Mütter drückten ihre Kinder an sich.
Der ehrenamtliche Herr, der die Festungsführungen machte, stoppte, als er Jonas sah.
Ben trieb Susanne zur Eile. „Los. Raus hier.“
Sie hatten das Foyer zur Hälfte durchschritten, als die Söldner durch die halb offene Tür drangen, sich umsahen, die Zivilisten ignorierten und das Feuer auf die 3 eröffneten.
Aus der Angst wurde Panik. Schreie ertönten. Manche warfen sich zu Boden oder suchten anderweitig das Weite, gingen in Deckung, weinten und riefen um Hilfe.
Jonas drehte sich rum, schoss, traf einen Söldner mit 3 Schuss in die Brust. Seine Genossen eröffneten umgehend das Feuer auf ihn, woraufhin er hinter einer Säule Deckung suchte. Die Kugeln zerfetzten die Steinsäule.
Ben erwiderte das Feuer, schoss das Magazin der erbeuteten Maschinenpistole leer, warf die unbrauchbare Waffe weg. Er nickte Jonas zu. Sein Freund kam hinter der Säule vor, schoss auf die Söldner. „Los.“ Ben schupste Susanne, zog Sie hinter sich her und rannte zum Durchgang, der zum Schlosshof führte. Um Sie herum schlugen Kuglen ein, zerfetzten Stein, Holz, Beton und zerschmetterten Glas. Jonas folgte ihnen, schoss aus dem Lauf, traf zwar nicht, zwang die Söldner aber in Deckung zu gehen.
Sie erreichten die Schwelle, als der General, gefolgte vom Major und weiteren Söldnern sowie dem Techniker durch die Tür traten.
***
Immer noch mit Handschellen gefesselt, sprinteten Ben und Susanne auf den Schlosshof. Ein herrliches Ausflugswetter herrschte. Die Sonne schien, vereinzelte Wolken am Himmel, ein laues Lüftchen, angenehme Temperaturen. Ideales Wetter.
Auf dem Schlosshof, der auch als Parkplatz fungierte, standen ein Dutzend Autos unterschiedlichster Modelle und Marken. Dazu eine Handvoll Reisebusse aus dem In- und Ausland. An die hundert Menschen hielten sich im Moment auf dem weitläufigen Gelände der Festung Ehrenbreitstein auf. Touristen wie Auswärtige.
Die Terrasse des Restaurants war gut besucht. Als die ersten Schüsse ertönten, hielten die Meisten Sie für Feuerwerkskörper, die Rabauken gezündet hatten. Daher machte sich keiner Sorgen oder weitere Gedanken.
Dann trat Jonas, in seiner Montur, aus dem Hauptgebäude auf den Schlosshof, rannte hinter der Frau und dem Mann her. Nur die wenigsten dachten sich was dabei. Sie hielten es für eine Filmszene. Erst als die Söldner erschienen, schossen und ein Wagen, hinter dem die 3 in Deckung gingen, durchlöchert wurde, begriffen die Leute, dass das keine Filmszene war.
Jonas wechselte das Magazin, lugte hinter dem Volvo vor, schoss. Einen Söldner traf er ins Bein. Ein glatter Durchschuss. Ben sah wie sein Vater und Halbbruder auf der Schwelle erschienen. Sie blieben stehen, beteiligten sich nicht an der Verfolgung, sondern beobachteten.
Er schnappte sich Jonas Pistole, erschoss einen Söldner kurzerhand. „Wir müssen schleunigst verschwinden.“
Jonas nickte. „Der Mercedes SUV.“
Ben blickte sich auf dem Parkplatz um. Das Auto stand am äußersten Rand. Er sah zu Susanne. „Bist du soweit.“
Sie war außer Atem. Ihre Beine schmerzten, die Lugen verlangten nach Sauerstoff. Um Sie herum wurde geschossen, mal wieder. Susanne nickte dennoch.
„Los.“
Sie sprang auf, zog den Kopf ein, hörte die Schüsse, rannte los. Zwischen die geparkten Fahrzeuge. Windschutzscheiben bersteten als Kugeln einschlugen. Reifen zerplatzten. Susanne erreichte den SUV, öffnete die Hintertür, wurde zu Boden gerissen. In diesem Augenblick platzte die Scheibe. Eine Kugel hatte Sie durchschlagen. Sie hatte mitten in der Flugbahn gestanden. Jonas wirbelte herum, erschoss den Söldner präzise mit den letzten Patronen im Magazin.
Susanne grabbelte ins Innere des SUV’s, zog die Beine an.
Jonas stieg auf der Beifahrerseite ein, ließ das leere Magazin aus dem Schacht gleiten, rammte ein volles rein, lud durch, zerschlug die Scheibe mit seinem Ellbogen und eröffnete das Feuer auf die verbliebenden Söldner, die ihnen das Leben schwer machten.
Ben sprang auf den Fahrersitz, drückte den Startbutton, legte den Rückwärtsgang ein, trat das Gaspedal durch. Der SUV heulte auf, machte einen Satz zurück, rammte dabei einen hinter ihm geparkten Renault-Cilo aus Berlin.
Zwei Söldner tauchten auf, nahmen den SUV ins Kreuzfeuer.
Brutal ruckte er den 1. Gang ein, trat das Blech vom Gaspedal durch, drehte das Lenkrad nach rechts. Die Reifen fanden sofort Bodenhaftung. Der Kies spritzte hinterrücks weg, zerdepperte die Frontscheibe vom Cilo und VW-Passat. Der Wagen schoss nach vorne, rammte das Auto neben ihm weg. Zurück blieb ein verbeulter Skoda.
Die Heckscheibe splitterte.
Jonas wandte sich in seinem Sitz rum, verstellte den Schussmechanismus seines Sturmgewehrs,betätigte den Abzug. Einer der Söldner wurde in dem Kugelhagel getötet. Sein Kumpane rettete sich hinter ein Fahrzeug, dessen Heck durchlöchert wurde.
Der SUV raste auf die schmalspurige Auffahrt zu, hüpfte über die Schwelle. Ohne auf das Stoppschild oder den Verkehr zu achten, lenkte Ben auf die A48 Richtung Norden ein. Der Lkw-Fahrer hinter ihm musste in die Eisen gehen, als der SUV vor ihm einlenkte.
Ungeachtet dessen sah Ben nach hinten. „Bist du verletzt?“
Susanne hievte sich vom Boden auf die Rückbank. „Nein.“
Erleichtert warf er Jonas einen Seitenblick zu. „Wieso hat das so lange gedauert?“
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-Elf-
Obgleich Ben nicht glaubte, sein Vater würde Ihnen jemanden hinterher schicken, gingen Sie dennoch kein Risiko ein, fuhren von der anderen Seite zurück in die Koblenzer Innenstadt, parkten den lädierten SUV im Parkhaus der Löhr Einkaufspassagen. Unauffällig mit einem Auto, das Einschusslöcher in der Karosserie und in den Scheiben aufwies, weiterzufahren wäre zu risikoreich gewesen.
So nahmen Sie sich beim Verlassen der Einkaufspassagen ein Taxi, ließen sich zum Eingangstor der Augusta-Kaserne fahren, bezahlten, gingen unbehelligt durch die Einlasskontrolle, obwohl Ben und Susanne immer noch Handschellen trugen.
Ein Feldwebel der Feldjäger brachte die 3 in einem Jeep zum Heli-Port, wo der Hubschrauber ihrer Auftraggeber aufgetankt und von Technikern der Luftwaffe inspiziert wurde. Erleichtert stellte Max fest das keiner verletzt war. Auch Susanne freute sich ihn wiederzusehen. Ein Oberfeldwebel der Feldjäger schloss die Handschellen auf.
Nachdem sie was getrunken hatte, wandte sich Susanne an Ben. „Du weißt, wo es ist! Oder?“
Tatsächlich hatte er seit geraumer Zeit einen Verdacht, wo Manius das Herz vom Drachen versteckte. Je länger Sie suchten, mehr Hinweise und Anhaltspunkte fanden, desto klarer bildete sich sein Verdacht heraus. Wirklich sicher war Ben sich erst durch das Turmschauspiel. „Wo würdest du ein bedeutsames Artefakt verstecken? Von dem du weißt das es zu jener Zeit alle Welt sucht.“
Susanne dachte darüber nach. Inzwischen wusste Sie das Manius, der germanische Gelehrte, dieses ominöse Herz des Drachens so versteckte, dass es nicht jeder finden konnte aber gleichzeitig nicht unauffindbar war. Die größte Gefahr ging damals von den Römern aus, die wohl alles in ihrer Macht getan hätten, um es in ihren Besitz zu bringen. Aus unterschiedlichen Gründen und Zwecken. Wahrscheinlich war schon damals klar dass das römische Reich nicht ewig existieren würde. Die Mythen, Legenden und Sagen über das Herz des Drachen trugen dazu bei das immer wieder danach gesucht wurde. Plötzlich kam ihr ein Gedanke, der so unglaublich erschien, das Susanne ihn für unglaubwürdig hielt. Trotzdem setzte er sich bei ihr fest, wie ein Blutegel. Erstaunt über diesen Gedanken blickte sie ihn an.
An seinem Gesicht erkannte Sie das ihr Gedanke keinesfalls so abwegig schien, wie Sie dachte.
Max sah zwischen ihnen hin und her. Irgendwie bekam er etwas nicht mit. „Wo ist es?“
Susanne sah ihren Freund an. Max hatte keinen blassen Schimmer. Sie konnte ihre Gedanken drehen und wenden, wie sie wollte, die Antwort blieb die Gleiche.
***
Sie standen so kurz davor herauszufinden, wo das Herz versteckt war. Jetzt hatten Sie nichts. Die technische Ausrüstung war vom magnetischen Impuls unwiderruflich zerstört. Die Scandaten des Wandgemäldes unbrauchbar. Sie standen mit leeren Händen da.
Na ja so ganz stimmte das auch wieder nicht.
Ja, er war stinksauer über das, was in der Festung geschehen ist. Wer an seiner Stelle, in seiner Position wäre das nicht! Schließlich leitete er keine Pfandfindergruppe, sondern ein Söldnerkommando. Andererseits gab es bei jedem Unternehmen Rückschläge. Nur das bei diesem eine kleine Gruppe von Leuten dafür verantwortlich war, das er demnächst seinen Kader aufstocken musste.
Konrad schaute auf das Buch auf seinem Arbeitsplatz. Sie hatten Koblenz längst verlassen, fuhren auf der Rhein-Bahnstrecke, die zu den schönsten Europas zählte. Im Moment interessierte ihn das überhaupt nicht. Seine Aufmerksamkeit galt dem Geheimnis vom Herz des Drachen, womit sich ein Teil des Buchs befasste. Sein Sohn kannte die wahre Bedeutung des Artefakts nicht, das er so vehement versuchte vor ihm zu finden. Nicht mal seine Auftraggeber, die Wächter vom Herz des Drachen, wussten davon.
Der Major trat nach dem klopfen ein. „Wir haben Sie gefunden.“
Seine Söhne waren wie 2 Seiten einer Medaille. Ben war gewitzt, einfallsreich und aufrichtig. Greg hingegen kompromisslos, unnachgiebig und hart. Sie konnten nicht unterschiedlicher sein, obgleich er keinen von beiden bevorzugte. Auch hatte Konrad nie seine Hand gegen einen seiner Söhne, als Kinder, erhoben. Er war streng, kühl und distanziert. Trotzdem liebte er sie auf seine Weise, die ihn nicht zum Vater des Jahres machte. Das wollte er auch nie sein.
Disziplin, Pflichtbewusstsein und Gehorsam. Diese Dinge zählten. Es waren die Säulen seines harten und brutalen Lebens. Die Bruderschaft stand an erster und einziger Stelle.
Der General sah nicht auf. „Sag ihm, wenn Sie ihr ein Haar krümmen, sind Sie Tod.“ Greg, der Major, nickte und ging um die Anweisung des Generals, seinen Vater, weiterzuleiten.
***
Alice hängte sich ihre bunte Tragetasche um, schaute sich im Wohnwagen um, falls Sie etwas vergessen hatte. Nichts dergleichen fiel ihr auf. So verließ sie den Wohnwagen. Draußen warteten die Männer, die Sie in Ben’s Namen abholten und zum Flughafen bringen sollten. Dort würde man wieder zusammen kommen. „Ich bin soweit.“
Der Chef der Leibwächter nickte, gab seinen Kollegen einen Wink. Sie formierten sich um Alice, gingen den Weg entlang. Für manche war der Wohnwagenpark zu einer festen Adresse geworden. Der Einheiten im Wohnwagenbereich in dem Alice die letzten Tage und Stunden verbrachte, wurde nur vermietet.
Sie erreichten den Parkplatz, auf dem 2 Limousinen standen.
Dann brach die Höhle los.
Alice wurde zu Boden gerissen. Um Sie herum ertönten Schüsse aus automatischen Waffen und Pistolen. Rufe, Schreie, Lärm. Das Knallen und Rattern wehrte keine 30 Sekunden, dennoch kam es ihr länger vor.
Als Sie aufsah, lagen ihre Begleiter blutverschmiert auf dem Kies. Die Limousinen waren durchlöchert. Die Leibwächter bei den Wagen lagen Tod am Boden. Aus der Idylle hatte sich ein Blutbad entwickelt.
Schwubb!! Schwubb!!
Alice schaute in den Himmel.
Ein Hubschrauber senkte sich kreisend. Männer in dunklen Kampfanzügen erschienen. Sie hatten den Parkplatz umstellt. Zu wem Sie gehörten war allzu offensichtlich. Keiner trug polizeiliche Abzeichen oder Uniformen. Der Transporthubschrauber setzte zur Landung mitten auf dem Parkplatz an, zwischen die umstehenden Autos.
Da klingelte das Handy des Chefs der toten Leibwächter. Vor nicht mal 10 Minuten hatte ihr Ben über das Handy gesagt, das die Männer Sie zum Nürnberger Flughafen brachten.
Einer der Söldner kniete sich neben den Mann, klopfte seinen Körper ab, holte das Handy aus der Sakkotasche, sah aufs Display und nahm den Anruf entgegen.
***
Mit dem Hubschrauber wurden die 4 in 20 Minuten zum Flughafen Köln-Bonn geflogen. Zuvor hatte Ben die Wächter über die Lage informiert. Sie stellten Ihnen ein Flugzeug, ein Airbus 319, zur Verfügung. Er wartete startbereit auf dem militärischen Teil des Köln-Bonn Flughafens. Von dort wollten Sie nach Nürnberg fliegen, Alice auflesen und dann weiter, zum Ort, wohin Manius das Herz brachte.
Vor ihrem Abflug hatte er Alice gesagt, dass die Leibwächter Sie zum Flughafen brachten. Sobald Sie losfuhren, sollte sie ihn anrufen.
Das war vor 40 Minuten gewesen.
Der Hubschrauber landete auf dem Flughafen, sie stiegen aus. Ben rief die Nummer an unter der er Alice bzw. ihren Leibwächter erreichte. Nach mehrmaligen Klingeln wurde sein Anruf entgegen genommen. „Was ist los bei euch? Alles in Ordnung?“
Keine Antwort. Er hörte nichts. Kein Rauschen. Keine Stimmen. Keinerlei Hintergrundgeräusche, wie zum Beispiel das Motorengeräusch, Stimmen, den Wind, das Rascheln der Blätter, Fahrgeräusche oder Vogelgeschwitzter. Ben verharrte wenige Meter vor der Treppe am Einstieg zum A319. „Wenn ihr etwas zustößt, bring ich euch um.“
Jonas blieb an der Treppe stehen, drehte sich zu ihm. „Was ist?“
Die Verbindung wurde unterbrochen.
Ben hielt das Handy am Ohr. Sein Gesicht sprach Bände. „Sie haben Alice.“
***
„Was machen wir jetzt?“, fragte Susanne nach dem Ben ihnen von der Entführung von Alice durch die Söldner seines Vaters erzählte. Jonas und er hatten den selben harten Gesichtsausdruck. Sie machten sich Sorgen.
Ben schaute aus dem kleinen Fenster der Flugzeugkabine.
Ihr Airbus war als Geschäftsflieger konzipiert worden. Es gab genügend Platz. Bequeme breite Ledersitze. Ein Entertainmentset mit einem großen Flachbildschirm. Eine Bar. Ein Konferenztisch mit kleinen LCD-Bildschirmen. Ein Bad mit Dusche. 5 Schlafkabinen mit je einem Einzelbett und einer kleinen Kommode.
Ein Mitarbeiter des Bodenverkehrsanbieters, der ihren Airbus abfertigte, zog die Treppe ab, hängte Sie an sein Fahrzeug und fuhr davon. Kurze Zeit später ließ der Pilot nach Absprache via Headset mit dem Bodenmitarbeiter die Triebwerke an. Dann erhielt er die Rollfreigabe, gab Schub und der A319 setzte sich in Bewegung.
„Er wird ihr nichts tun.“, sagte Jonas kühl.
Max sah ihn an. Er machte sich ebenfalls Sorgen um Alice. Schließlich hatte er vorgehabt Sie zu fragen, ob Sie mit ihm ausging. „Wo her willst du das wissen?“
Jonas blickte ihn an. „Sie ist die Einzige, die ihm zeigen kann, wo das Herz des Drachen liegt.“
Ben drückte den Rufknopf.
Die einzige Flugbegleiterin an Bord kam an seinen Platz. „Sie wünschen?“
„Sagen Sie dem Piloten, das wir nicht in Nürnberg zwischenlanden.“
„Du willst ihr nicht helfen?“ Susanne war erschüttert. Jonas zeigte keine Reaktion. Max war einfach nur geschockt.
Ben sah Sie an. Die Flugbegleiterin war gegangen. „Wie Jonas schon sagte, er wird ihr nichts tun.“ Er wandte den Blick ab, sah aus Kabinenfenster.
Minuten später heulten die Triebwerke auf. Der Airbus beschleunigte, raste die asphaltierte Startbahn entlang, erhob sich und stieg in den Himmel hinauf. Nach der Startphase brachte der Pilot das Flugzeug auf Kurs. Zuvor hatte er den geänderten Flugplan an die Deutsche Luftsicherung durchgegeben.
Jetzt flog der A319 ohne Zwischenstopp nach Rom, zur Ewigen Stadt.
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-Zwölf-
In dieser Hinsicht sollte Ben recht behalten. Sein Vater hatte nicht vor Alice zu töten. Weder jetzt noch später. Zumindest für eine überschaubare Zeit. Was danach geschah, würde sich zeigen.
Wie nicht anders zu erwarten hatte Alice getan, wofür der General Sie entführen ließ. Nämlich den Standort vom Herz des Drachen zu lokalisieren. Auf die Schnelle war sie nämlich die Einzige Person die dazu im Stande war.
Rom, also.
Bei dem Gedanken wie die antiken Römer wohl reagiert hätten musste Konrad lächeln. Eine Seltenheit bei ihm. Als Chef einer Söldnergruppe hatte man auch nicht viel zum Lachen. Vor allem nicht wen man hinter bedeutsamen Artefakten hinterherjagte.
Das Flugzeug, eine gecharterte MD-800, überflog gerade die Alpen.
Ben hatte einen mehrstündigen Vorsprung. Ärgerlich aber eben nicht zu ändern. Am Ende zählte, wieso nur das Sie vor ihnen beim Artefakt waren, es in Besitz nahmen. Bei einer Sache irrte sich sein Sohn.
Konrad schaute in das alte Buch, das Herz des Drachen war nur der Anfang.
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Zwischen der Landung des A319 mit Ben, Max, Jonas und Susanne an Bord und der MD-800 mit dem General, dem Major und 25 Söldnern lagen etwas mehr als 5 Stunden, wobei Sie auf verschiedenen Flughäfen landeten. Ben und seine Gruppe kamen auf dem Flughafen Rom-Ciampino am Privatterminal an. Während der General mit seiner Truppe in ihrer MD-800 den Flughafen Rom-Fiumicino anflogen.
Vom Flughafen fuhren Sie mit einem der Shuttle-Busse in die Innenstadt. Auf dem Flug nach Rom hatten Sie die Zeit genutzt, um in Erfahrung zu bringen, wo Manius das Herz des Drachens versteckte. Den der finale Hinweis hinterließ keinerlei Angaben zum Aufbewahrungsort. Das Turmschauspiel zeigte lediglich das es im damaligen antiken Rom versteckt lag, mehr nicht. Der Aufbewahrungsort innerhalb Roms war im Wandgemälde in den Katakomben der Festung Ehrenbreitstein verzeichnet. Unter dem Gemälde befand sich nämlich eine Stadtkarte des antiken Roms, worin der Standort markiert war.
Mit der Blend-Impulsgranate zerstörten Sie die Scandaten und die entschlüsselte Markierung.
Nur bedeutete es gleichzeitig das Sie in einer zeitaufwendigen Suche eben jenen Ortes suchen mussten, der im Wandgemälde markiert war. Um ihn zu finden, hatten Sie bis zu 5 Stunden Zeit.
Der General würde in der Zeit nicht untätig bleiben. Die Koblenzer Festung mochte gesperrt sein, doch sein Vater hatte einen Blick auf das Scanergebnis werfen können. Was auch immer er sah, er hatte einen Ansatz und würde ihn verwenden, um das Herz des Drachens zu finden.
Mit Alice erzwungener Hilfe.
Jetzt, so kurz vor dem Ziel, durften Sie nicht ins Hintertreffen geraten.
Was Sie noch mehr unter Druck setzte.
Erschwerend kam hinzu das Alice durch nichts und niemanden zu ersetzen war. So mussten Sie sich mühsam auf die Suche machen. Ihre Recherchen hatten also schon einen schlechten Start. Was sich wie ein Roter Faden hin zog.
Erst kurz vor der Landung des Generals, auf dem Flughafen Rom-Fiumicino, erzielten Sie den alles entscheidenden Durchbruch.
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Rom, eine der ältesten Städte Europas, einstige Hauptstadt eines Weltreichs, wurde auch die Ewige Stadt und die Stadt der Obelisken genannt. Der Legende nach von Romulus gegründet entwickelte Sie sich schnell zum Ausgangspunkt des römischen Reichs in all seinen Facetten. Prunkvolle Bauwerke, ihrer Zeit voraus, entstanden. Villen, die heute noch dekadent wirken. Prachtvolle Gärten und Anlagen und Paläste. Stadtplaner, ihrer Zeit weit voraus, schufen ein Abwassersystem (die Kanalisation), eine Trinkwasserversorgung, gepflasterte Straßenzüge, steinerne haushohe Aquädukte. Bäder entstanden. Antike Apotheken. Eine kostenlose Krankenversorgung. Theater und Arenen zur Unterhaltung.
Das Antike Rom war seiner Zeit um Jahrhunderte voraus. Eine Millionen Stadt die letzten Endes an den Problemen scheiterte die in der Moderne keine anderen waren. Bloß die Lösungen sorgten dafür das die Millionenstädte ihrer Zeitepoche nicht untergingen.
Rom, so ein Dichter, ist immer eine Reise wert.
Was zweifelsohne stimmte. Doch in ihrem Fall waren Sie nicht nach Rom gekommen um die zahlreichen Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Ihr Anliegen war dafür zu sorgen, dass ein sagenumworbenes Artefakt nicht in die falschen Hände geriet. Dazu waren Sie in Rom. Jenen Ort, an dem die Römer nicht danach suchten, weil es Ihnen nicht in den Sinn kam, das man es direkt vor ihrer Nase versteckte.
Genau das aber tat Manius.
Ben bewunderte den Germanen für seinen langen Atem, den Einfallsreichtum und die Raffinesse, mit der er die Hinweise versteckte, tarnte und legte. Er führte die Suchenden auf falsche Fährten, in Sackgassen und durch das heutige Europa. Von der Küste Frankreichs, bis hinauf nach Norddeutschland, in die Wälder Polens und Tschechiens, in die Alpen, über die Pyrenäen nach Spanien und Portugal.
Letztlich führten alle Wege nach Rom.
Bei dem Gedanken musste Ben diebisch grinsen. Jonas, neben ihm, fuhr das Auto durch den dichten Verkehr. Sie hatten sich das nächstbeste Auto an einer Mietfiliale geschnappt, die Formulare ausgefüllt, die Kaution und den Mietpreis bezahlt, das Komplettpakt der Schadensversicherung abgeschlossen.
Da piepte die Armbanduhr von Jonas.
Keiner sagte ein Wort. Alle wussten, was die eindringliche Tonmelodie zu bedeuten hatte. Das fünfstündige Zeitfenster hatte sich soeben geschlossen.
Sie kamen im stockenden Verkehr der legendären Via del Babuino nur langsam voran. Die Straße ist Teil des Tridente, des Dreizacks. Ihm gehören neben der Via del Babuino, die Via di Ripetta und Via del Corso an. Vorne, am Ende der schmalen Einbahnstraße, sahen Sie bereits ihr Ziel, den Piazza del Popolo mit seinem Wahrzeichen, dem Obelisk Flaminio in der Mitte des Platzes.
Manius hatte etwas Unglaubliches vollbracht, eine Meisterleistung der Kryptografie.
Setzte man die Koordinaten aller versteckten Hinweise, dem sogenannten Goldenen Weg, untereinander, ergaben sich mehrere Zahlenreihen. Teilte man diese Reihen in Blöcke auf, verband man die untereinanderliegenden Blöcke miteinander, ergaben sich neue Koordinaten. Spielte man mit den vielen Möglichkeiten herum, oder gab Sie in eine computertechnische Suchmatrix ein, stieß man früher oder später auf den Geniestreich von Manius.
Jede dieser neu zusammengesetzten Koordinaten stellte die Standorte der zwölf Obelisken im antiken Rom dar. Verband man jeden Obelisken miteinander ergab sich daraus ein wirres undurchsichtiges Muster, wenn man das auf ein Gemälde brachte, brachte es bei einer Auktion wahrscheinlich einen Millionen Betrag ein. Hob man in jenem Muster die Obelisken hervor, fiel einem auf, das eine Mehrzahl der Kreuzungspunkte der Linien über einem bestimmten Obelisken lagen. Nämlich jener 23,9 Meter hohe Obelisk der vor Ihnen, auf dem Piazza del Popolo stand.
***
Er wurde von Sethos I. begonnen anzufertigen und von Ramses II. vollendet, gegen 1200 v. Chr. in Heliopolis aufgestellt, wurde er um 10 v. Chr. von Augustus nach Rom gebracht und auf der Spina des Circus Maximus aufgestellt. Im Jahr 1589 wurde der Obelisk im Auftrag von Papst Sixtus V. auf seinen heutigen Platz gestellt. Zugleich ließ er Veränderungen am Obelisken vornehmen. Im 19. Jahrhundert wurde der Piazza del Popolo umgestaltet. Darunter fiel auch der Obelisk.
Er war von vier separaten Löwenbrunnen im ägyptischen Stil umgeben. Auf der Spitze trug er ein Kreuz. Der Platz wurde eingeebnet, gepflastert, bekam gegenüber dem Obelisken einen Brunnen der die Göttin Roma mit den Flüssen Tiber und Aniene darstellte und auf der anderen Seite ein Neptunbrunnen flankiert von zwei Tritonen spendiert.
Der Regen hatte nachgelassen. Die Nässe spiegelte sich auf der Straße. Die Besucher trugen Regenschirme und Mäntel. Trotz des tristen Wetters war der Piazza del Popolo sehr gut besucht. Viele tummelten sich vor dem Obelisken, ließen sich mit ihm im Hintergrund fotografieren, knipsten die Brunnen der Göttin und von Neptun.
Um den Platz standen die berühmten Santa Maria in Monte Santo und Santa Maria dei Miracoli Zwillingskirchen im Süden. Im Norden wiederum stand das Porta del Popolo neben der Santa Maria del Popolo Kirche. Der Pinciohügel ragte im Osten hinauf, auf dem die Villa Borghese lag.
Sie parkten den Wagen in der nächstbesten Lücke, überquerten die Umgehungsstraße vom Platz über einen Zebrastreifen, gingen auf den Obelisken zu. Ben schaute sich vor dem hohen Bauwerke um, sah die Zwillingskirche, das Tor, den Hügel mit der Villa und dem Neptunbrunnen davor, den Brunnen der Göttin Roma, die einzelnen Löwenbrunnen. Die Seiten des Obelisken oberhalb des Sockels waren mit Reliefs und Hieroglyphen versehen, die bis zur Spitze ragten. Auf der Spitze stand ein Kreuz, das der Papst nachträglich anbringen ließ.
Ben trat ein paar Meter zurück, schaute durch sein digitalen Diopter, der eigentlich an einem Scharfschützengewehr montiert war. Am Zahnkranz drehend, zoomte er die östlichen Reliefs und Hieroglyphen heran, wanderte langsam nach oben und dann wieder herunter. Die Sichtung wiederholte er an allen Seiten.
Dann schaute er zum Porta del Popolo, setzte den Diopter an erhöhte den Zoomfaktor soweit bis er die Reliefs über dem Torbogen erkennen konnte.
Jonas trat neben ihn, behielt die Umgebung im Auge und wirkte angespannt. Kein Wunder, schließlich konnten jeden Moment ein Söldnerkommando auftauchen.
Manius machte es Ihnen nicht einfach, so viel stand schon mal fest. Verständlicherweise, den andernfalls wäre schon jemand anderes vor Ihnen auf das Herz gestoßen.
„Ich verstehe das nicht.“ Susanne sah sich den hohen Obelisken an, der aus einem Stück gefertigt und von Ägypten aus nach Rom verschifft worden war. „Wo ist das Herz?“ Sie blickte zu Ben, der den Diopter absetzte. Seine Augen leuchtenden.
„Ben.“ Jonas sah nach Süden zu der berühmten Zwillingskirche, zwischen die eine Straße zum Platz führte.
2 SUV’s fuhren aus der mittleren Straße vor, hielten an der Seite. 5 dunkelgekleidete Männer mit Mänteln verließen den vorderen SUV. Aus dem hinteren stiegen 3 identisch gekleidete Männer. Die fünfer Gruppe gingen über den Zebrastreifen, betraten den Piazza del Popolo von Süden her. Drei weitere SUV’s fuhren durch das Porta del Popolo, teilten sich, hielten mit quietschenden Reifen an. Weitere Männer stiegen aus, kamen von Norden, Osten und Westen auf den Platz.
Susanne fiel auf das Ben und Jonas das Söldneraufgebot seelenruhig zur Kenntnis nahmen. Sie wirkten keineswegs besorgt über die Tatsache, dass Sie soeben von den Männern des Generals eingekreist wurden. Sie hatten den Porta del Popolo abgeriegelt. Unter den Mänteln verbargen Sie mit Sicherheit keine Fotoapparate, wie die Touristen.
Ben blickte seinen Vater eine Weile an. Dann sprach sein Bruder in seinen Ärmel, worin das Mikro des Sprechfunks versteckt war. Worauf sich die 4 Gruppen a 5 Männer augenblicklich in Bewegung setzten.
„Bist du soweit?“
Die Söldner betraten den Platz.
„Ja.“
Ben wandte den Blick von seinem Vater. Sie mochten Vater und Sohn sein, doch Sie konnten nicht unterschiedlicher sein.
„Wofür?“, wollte Susanne wissen, schaute die zwei Freunde an.
„Dann los.“
Jonas holte einen elektronischen Garagenöffner ähnliches Gerät aus seiner Tasche. Auf dem Display leuchteten 4 nummerierte Ziffern grün auf. Er wartete einen Augenblick, drückte den Button, mit dem sich sonst ein Garagentor öffnen ließ.
Eine dumpfe Detonation ertönte.
***
Als Ben, Jonas, Max und Susanne die Piazza del Popolo betraten, hatte Jonas einen weiten Bogen über den Platz gemacht. Sie dachte sich nichts weiter dabei. Daher achtete Susanne auch nicht darauf, was Ben’s Freund und Weggefährte tat.
Für den Fall das der General mit seinen Söldnern auftauchte, mussten Sie eine Option in der Hinterhand haben, die Ihnen eine Fluchtmöglichkeit bot. Denn der General würde Sie nicht freiwillig vom Piazza del Popolo gehen lassen. Nicht wenn er es verhindern konnte.
Die Fluchtmöglichkeit sollten Ihnen Rauchbomben verschaffen. Da der Platz zu jeder Tageszeit und wetterunabhängig gut besucht war, konnten und wollten Sie keine gefährlichen Explosivstoffe verwenden, die möglicherweise Unschuldige in Mitleidenschaft zogen. Was seinem Vater vollkommen egal war.
Sie verließen sich nicht nur auf die Ablenkung durch Rauchbomben, die einen dichten Nebel über dem Platz erzeugen sollte. Während seines scheinbares Rundgangs hatte Jonas beim deponieren der Rauchbomben in den Müllheimern ein PrePaid Handy am Ohr, das er zuvor in einem Handyladen kaufte. Der Anruf dauerte keine 30 Sekunden. Dann warf er es zusammen mit einer verpackten Rauchbombe in den Müllheimer, ohne vorher die Verbindung zu beenden.
Mit einer Verzögerung von 3 Sekunden detonierten die Rauchbomben, als Jonas den behelfsmäßigen Zünder per Button drückte. Ben`s Freund war während seiner Militärzeit Sprengstoffexperte.
Für die Verzögerungszünder hatte er herkömmliche Elektrobauteile verwendet, die man in jedem Elektrogeschäft kaufen konnte. Jede Rauchbombe, außer der Ersten, war mit einem Verzögerungszünder ausgestattet. Sobald Jonas den umfunktionierten Garagenöffner betätigte, waren die Zünder aktiviert, spulten den gespeicherten Zeitintervall ab und detonierten.
***
Der General und Major sahen, wie sich die Rauchsäulen innerhalb kürzester Zeit zu einer Nebelbank vereinten. Der dichte Nebel lag über dem Piazza del Popolo, verschluckte alles und jeden der sich auf dem Platz aufhielt.
Immer wieder eilten Besucher, die sich auf dem Piazza del Popolo aufhielten aus dem Nebel. Die Söldner standen am Rand des Platzes. Sie warteten auf Anweisungen. Vorher sollten Sie Ben und seine Mitstreiter festsetzen, den Platz sichern. Notfalls unter Anwendung von Gewalt.
Wieder einmal zeigte sich das Ben erfinderisch war um sich gegen alle Eventualitäten abzusichern. Es war wie der überlieferte Kampf zwischen David und Goliath. Der vermeidlich Schwächere siegte über den Stärkeren. Ben und seine Freunde waren immer für eine Überraschung gut.
Der Major, sein zweiter Sohn, war der Ärger über seinen Bruder deutlich anzusehen. „Zwei Mann sichern ab. Der Rest geht rein.“, blaffte der Mann wutentbrannt in sein Mikro.
Wie befohlen blieben 2 Mann aus jeder Gruppe an Ort und Stelle, kontrollierten die flüchtenden Passanten. Ihre Söldnerkollegen begaben sich in die Nebelbank, wo die Sichtweite unter einem Meter lag. Sie sahen sprichwörtlich nicht die eigene Hand vor Augen.
Keine Minute war vergangen, als plötzlich aus allen Richtungen zum Piazza del Popolo Fahrzeuge der Carabinieri mit Blaulicht auftauchten. Schwer bewaffnet mit Maschinenpistolen sprangen die Frauen und Männer in ihren dunkelblauen Uniformen aus ihren Einsatzfahrzeugen, richteten ihre Waffen auf die Söldner.
Sanitätsfahrzeuge mit Sirene und Blaulicht fuhren am General und Major vorbei. Die Carabinieri hatten den Piazza del Popolo innerhalb kürzester Zeit abgeriegelt, die Söldner verhaftet und entwaffnet.
Ein Einsatzhubschrauber tauchte über dem Piazza del Popolo auf, ging tiefer. Die Luftverwirbelungen der Rotoren sorgte dafür das der Nebel auseinander stob, sich abschwächte und den Blick auf den Platz frei gab.
Grimmig sahen der abseitsstehende General und Major das lediglich das Söldnerkommando auf dem Platz, um den Obelisken verteilt, weilte. Von Ben, Jonas und den 2 Mitläufern fehlte jede Spur. Die Söldner am Porta del Popolo Zugang zum Piazza del Popolo lagen bewusstlos auf dem Boden. Unter der Obhut der Carabinieri wurde das Söldnerduo von Sanitätern versorgt.
Der Nebel war nur eine Ablenkung. Er sollte die Flucht seines rebellischen Sohnes und seiner Gefährten verschleiern. Als Absicherung fungierten die Carabinieri. Ihr erscheinen sollte ihnen den Rücken frei halten.
Konrad sah seinen Sohn an. Der Major sah sich das Schauspiel mit wutverzerrter Miene an. Seine Hände zu Fäusten geballt stand er da, starrte auf die Szenerie, die Ihnen sein Bruder einbrockte. Die Gelassenheit seines Vaters machte ihn nur noch wütender.
Der General nickte dem Fahrer zu. Sie stiegen in das Auto. Er nahm sein Handy zur Hand, wählte eine Nummer, erteilte der Söldnerreserve Anweisungen, teilte dem Fahrer mit, wohin die Fahrt ging.
Ben mochte Ihnen einen schweren Schlag mit der Inszenierung versetzt haben, das konnte Konrad nicht leugnen. Am Ende waren Sie jedoch nicht.
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-Dreizehn-
Ihre Hoffnung war die Inszenierung am Piazza del Popolo würde den Söldnerbund um seinen Vater und Bruder soweit aufhalten, das Sie das Herz des Drachens holen und verschwinden konnten. Ohne eine weitere, möglicherweise blutige Auseinandersetzung mit dem General und Gefolge führen zu müssen.
Die Hoffnung sollte sich nicht bewahrheiten.
Zu erst gingen Susanne und Max aus dem Nebel in Richtung Porta del Popolo. Die Söldner erkannten die 2 wieder und wollten Sie gerade festsetzen als Ben und Jonas aus dem Nebel auftauchten und das Duo ausknockten. Da der Nebel die Sicht auf die nördliche Seite versperrte, bemerkte niemand ihre Flucht. Sie eilten unbemerkt durch das Porta del Popolo, überquerten die Querstraße. Kurz danach bogen Einsatzfahrzeuge der Carabinieri an der Straße ab, fuhren durch das Tor zum Platz, der weiterhin im Nebel lag.
Als der Hubschrauber den Nebel vertrieb, saßen Sie in einem Auto, den Jonas kurzerhand kurzschloss. Sie fuhren scheinbar ziellos durch die Innenstadt.
„Wohin fahren wir?“, fragte Susanne.
Ben wandte sich vom Beifahrersitz zu ihr. „Zum Herz.“
***
Ja, die Schnitzeljagd führte nach Rom. Doch dort höre sie nicht sofort auf. Manius hatte beim Obelisken Flaminio, der heute auf der Piazza del Popolo stand, einen finalen Hinweis zurückgelassen. Um genauer zu sein auf dem Obelisken. Eins der Reliefs, die die Säule zierte, zeigte die Darstellung eines Triumphbogens. Im Gegensatz zu anderen Reliefs, Hieroglyphen und Darstellungen war diese nur auf einer Seite der Säule zu sehen. Jede Seite stellte eine exakte Kopie, mit geringen Abweichungen, der jeweils anderen Seite dar. Doch auf allen sonstigen Seiten der Säule fehlte genau dieses Relief.
Ging man nun in die Geschichte des Standorts der Piazza del Popolo ins antike Rom zurück, fand man heraus das dort zu jener Zeit ein Triumphbogen stand. Siegreiche Feldheeren zogen durch ihn in die Stadt ein. Die damalige breite Allee wurde auch der Weg der Sieger genannt.
Bei der Umgestaltung des Platzes im 19. Jahrhundert, wurde der Triumphbogen kurzerhand entfernt und andernorts aufgestellt. Heute stellt er das Eingangsportal des Antiken Museums in der Innenstadt, dem einstigen Zentrum des antiken Roms. Der Weg der Sieger wurde zum Opfer einer wachsenden Metropole.
Im Jahre 1965 gebaut. Ende 1969 fertiggestellt. 1981 und 1998 umgebaut. 2002 wurde der Anbau in einer feierlichen Zeremonie eingeweiht. Das Museum der Antike beschäftigte sich ausschließlich mit der antiken Geschichte Roms und dessen Ausdehnung zum Weltreich, sowie dessen Niedergang und die damit einhergegangenen Folgen.
Eine Besonderheit war die Darstellung mehrerer Reliefs am Triumphbogen. Sie zeigten seltsamerweise untypische Formen, die wie ein Historiker im Jahr 2005 zufällig herausfand, zusammengefügt ein faustgroßes Herz ergaben. Niemand, weder Experte noch Amateur, konnten sich eine solche Darstellung erklären. Die Reliefs gaben Ihnen Rätsel auf. Vor allem wegen ihrer untypischen Darstellungen.
Was sich bis zum heutigen Tage auch nicht änderte. Dabei hatten schon Wissenschaftler, Forscher und Experten aus aller Welt versucht das Geheimnis zu ergründen. Ohne Erfolg.
Nun standen Ben, Jonas, Susanne und Max vor dem 3 Stockwerk großen Triumphbogen durch das berühmte siegreiche romische Feldheeren wie Caesar, Gaius Octavius und Marcus Antonius mit ihrem Heer durchritten.
Damals stellte der Triumphbogen den Nordzugang zu Rom dar, der jedoch für den Publikumsverkehr gesperrt war und nur zur besonderen Anlässen geöffnet wurde. Heute betraten Hunderte von Museumsgästen das Bauwerk mit seiner originalen sandfarbenen Fassade. Im Jahr waren es an die 250.000 Menschen.
Jeder ließ sich mit dem Triumphbogen im Rücken, darunter, davor und daneben fotografieren. Auf einer Infotafel wurde über die Geschichte, den Bau, der eigentliche Standort, die Bedeutung zur Zeiten Roms informiert.
Dutzende durchschritten den Bogen, durch den locker 2 Lkw’s nebeneinander passten. Ein Seil in der Mitte grenzte die Besucher ab. Auf der einen Seite gelangte man hinein und auf der anderen wieder hinaus. Manche standen staunend im Bogen.
5 Meter vor dem Bauwerk hatte die Museumsleitung Absperrseile aufstellen lassen. Sie sollten verhindern, dass die Fassade beschädigt wurde. Verrückte gab es überall. Eine mehr als vernünftige Maßnahme.
Dumm nur das sich Ben und seine Gefährten nicht davon abhielt dem Triumphbogen sein Geheimnis zu entlocken.
Nämlich das Herz des Drachen.
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Um zu verhindern dass die Fassade trotz Absperrung beschädigt wurde, patrouillierten unbewaffnete Aufseher einer privaten Sicherheitsfirma in der Halle, am und um den Triumphbogen. Bei Vorkommnissen waren Sie autorisiert Störenfriede festzusetzen. In solchen Fällen rief der Mitarbeiter in der Sicherheitszentrale im Verwaltungstrakt des Museums, die Polizei. Die Frauen und Männer besaßen alle notwendigen Schulungen, die die Museumsleitung bei den Vertragsverhandlungen forderte und festschreiben ließ. Alle 4 Monate mussten die eingesetzten Mitarbeiter zu Nachschulungen.
Nichts davon was die Trainer in den Sitzungen vermittelten, sollte die Frauen und Männer auf das vorbereiten, was sich im Laufe des Tages ereignete. Mit so was rechnete weder ihr Arbeitgeber, die Trainer, die Mitarbeiter selbst oder die Museumsleitung.
Das Problem, das Ben und Jonas bei dem Unternehmen hatten, war die fehlende Vorbereitungszeit. Ihr Zeitfenster machte es unmöglich sich einen raffinierten Plan zurechtzulegen, um das Herz an sich zu bringen. Sie mussten also ein wenig subtiler vorgehen. Ohne dabei die Unschuldigen einer bedrohlichen Gefahr auszusetzen.
Womit sein Vater, so kurz vor dem Ziel, an ihrer Stelle keinerlei Probleme hätte.
Hinzu kam das einige der Reliefs mit den Herzabbildungen in luftiger Höhe lagen. Sie zu erreichen, ohne das jemand davon Wind bekam, war nahezu ausgeschlossen. Und Einmischungen von Außen konnten Sie überhaupt nicht gebrauchen.
Susanne stand mit den anderen bei einem Informationsständer in dessen Fächer Prospekte und Broschüren lagerten. „Wie sieht euer Plan aus?“ Sie informierten über verschiedene Veranstaltungen, Feiern und Lesungen, die in den Räumen des Museums stattfanden oder vom Museum gesponsert wurden.
Ben und Jonas sahen sich in der gut besuchten Halle um. Ein unablässlicher Strom von Menschen kam oder verließ das Museum durch den Triumphbogen. Die Frauen und Männer schlenderten patrouillierend herum, schauten sich nichtssagend um, kommunizierten via Walkie-Talkie untereinander oder mit der Sicherheitszentrale. Museumsmitarbeiter, meist Studenten, leiteten Führungen, gaben Auskunft und beantworteten neugierige Fragen zum Antiken Rom. Daher war die Frage nach einem Plan durchaus berechtigt.
„Ein Plan!“ Ben schaute Susanne an, wechselte dann zu Jonas. „Wir improvisieren.“ Sein Freund nickte knapp.
„Improvisieren!“, hackte Susanne nach, schaute die 2 an. „Ihr nehmt mich auf den Arm?“
„Nehmen wir Sie auf den Arm?“, fragte Ben Jonas mit gespielter Entrüstung.
„Nicht das ich wüsste.“
„Sehr witzig.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust, schaute beide grimmig an. „Verarschen kann ich mich alleine.“
Ben lachte, warf einen letzten Blick durch die Halle. Aus seinem Rucksack holte er ein Tablett-PC, wie ihn der Söldnertechniker in der Festung Ehrenbreitstein verwendete. Er tippte auf die Touchoberfläche. So sehr sich Ben auch wünschte Alice wäre bei Ihnen, um diesen Teil ihres improvisierten Plans auszuarbeiten, mussten Sie wohl oder übel auf ihre Computerexpertin verzichten. Daher ging die Sache nicht so schnell von statten, wie mit ihrer Hilfe.
Mit dem Tablett-PC hackte sich Ben über das kaum nennenswerte verschlüsselte Netzwerk, dass die Kassen mit dem Hauptrechner verband, über den auch das Sicherheitssystem lief. Die Abwehrmaßnahmen gegen einen Hack waren geradezu lächerlich. Computer mit einer Kindersicherung waren besser geschützt.
Sobald Ben sich ins System gehackt hatte, begann er den Zugriffsschlüssel auf das gesamte Netzwerk zu klonen. So konnte er dann praktisch auf jedes Subsystem des Netzwerks zugreifen, ohne Gefahr zu laufen durch irgendwelche versteckten Sicherheitsabwehrsysteme aufgespürt zu werden.
Kurz nach seiner Eingabe, knackte es und aus den versteckten Lautsprechern im gesamten Museum tönte eine Ansage auf Italienisch.
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„Attenzione. Attenzione.
Ospiti d'onore del museo, si prega di lasciare immediatamente il museo. Seguire le istruzioni del personale. Questo non è un trapano.” (Achtung. Achtung.
Verehrte Museumsgäste, bitte verlassen Sie umgehend das Museum. Bitte folgen Sie den Anweisungen der Mitarbeiter. Dies ist keine Übung.)
Die Ansage wurde in Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch wiederholt. Über Funk bekamen die Sicherheitskräfte ihre Anweisungen. Die Museumsmitarbeiter sprachen sich untereinander ab, scharrten Gästegruppen um sich und führten Sie in Richtung Ausgang. Die Evakuierung lief geordnet und zügig. Laut der Sicherheitsvorschrift musste das Museum in weniger als 3 Minuten gästefrei sein. Mitarbeiter gingen zusammen mit Sicherheitsleuten durch alle Räume des Museums, auf der Suche nach versprenkelten Gästen. Nach 2 Minuten und 27 Sekunden meldete man der Zentrale die vollständige Evakuierung.
Bloß kam der Funkspruch nie in der Sicherheitszentrale an. Der gesamte Funkverkehr war von Ben umgeleitet worden. Die Frauen und Männer an den Überwachungsmonitoren in der Sicherheitszentrale sahen auf ihren Schirmen das gewohnte Bild eines gut besuchten Museumstages. Auch der Sicherheitsalarm war nicht ausgelöst worden, geschweige den das Evakuierungsprotokoll. Ganz zu schweigen die Alarmdirektverbindung zur Feuerwehr, die keinen Mucks von sich gab.
Trotzdem wurden die Bereiche des Museums, wie es das Alarmprotokoll verlangte, durch die Feuerschotts voneinander abgeriegelt, so das ein möglicher Brand in einem Teilbereich sich nicht ausbreiten konnte. Für so einen Fall würde dann das Löschsystem Stickstoff in den Bereich mit dem Brand sprühen und dem Feuer so den Sauerstoff entziehen.
Dieser Teil der Brandbekämpfungsmaßnahmen blieb inaktiv.
Kaum war die Halle mit dem Triumphbogen durch die Feuerschotts abgeriegelt, öffnete sich eine bis dahin verschlossene Tür, hinter der ein kleiner Raum lag, zu dem eigentlich nur Mitarbeiter vom Reinigungsservice Zutritt hatten.
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Ben, Jonas, Max und Susanne hatten sich kurz vor der Durchsage unbemerkt in den Raum begeben. Da er verriegelt war, öffneten ihn die Sicherheitsleute nicht extra. Die Möglichkeit hatte natürlich bestanden, für den Fall, dass das so käme, hätten Sie handeln müssen. So aber konnten Sie beginnen dem Triumphbogen sein Geheimnis zu entlocken.
Ben stieg über das Absperrseil, schaute sich die Hieroglyphen und Reliefs an. Auf Kopfhöhe befand sich eine Darstellung, die für sich genommen vollkommen deplatziert wirkte, aber in Zusammenhang mit dem Drumherum irgendwie hineinpasste. Das Relief zeigte eine sehr plastische Darstellung eines unteren Herzmuskels. Sein Blick wanderte hoch.
In 2 Meter Höhe lag ein Relief, umgeben von Hieroglyphen, das eine Herzkammer zeigte.
Niemand wusste, wie das Herz des Drachen aussah. Manius hatte die Symbolik eines menschlichen Herzens verwendet. Die Ägypter waren, was die menschliche Physiologie anging, den Römern um Lichtjahre voraus. Auf deren Wissen baute sich die heutige medizinische Grundlage über den menschlichen Körper auf.
Ben tastete vorsichtig über das Relief. Er klopfte sachte mit den Knöcheln dagegen. Es klang seltsamerweise nicht hohl. Auch gab es hinter der Reliefplatte keinen Hohlraum, worin man es drücken konnte. Er hielt kurz inne, schaute sich die Reliefs zu beiden Seiten an. Dumm das Ben in seiner Schulzeit in Bio nicht so zugehört hatte, wie es hätte sein müssen. Dann hätte er sich womöglich erinnern können, wie ein Herz aufgebaut war. Und selbst, es hätte ihn nicht wirklich weiter gebracht. Die Aufschlüsselung der Reliefs folgte keinem ersichtlichen Muster.
Was nicht hieß, das es kein Muster gab.
Um es zu entschlüsseln, fehlte Ihnen die Zeit. Bald würden die Sicherheitsleute vor dem Museum zu der Erkenntnis gelangen, das es sich um einen Fehlalarm handelte. Ganz zu schweigen vom General und seiner Meute an bewaffneten Söldnern.
So blieb Ben letztlich keine andere Wahl. Er schraubte das Kopfstück der Abspeerpfähle ab. Es sah wie eine geschlossene Knospe einer Blume aus, war mit Messing beschichtet. Er nahm es in die Hand, hielt es fest und schlug mit dem Kopfstück gegen das antike Relief.
Beim zweiten Schlag splitterte es. Bruchstücke fielen herab. Das Relief war eine Sandsteinplatte. Dahinter lag ein nackter Sandsteinquader. Ohne irgendeine Darstellung. Die Reliefs, Hieroglyphen und sonstigen Darstellungen stellten die Fassade dar. So wurde der eigentliche Triumphbogen verschachtelt.
Ben schlug erneut zu.
Der Sandstein bröckelte. Beim 2en Schlag schlug er ein kleines Loch in den scheinbar massiven Sandsteinquader, die im Inneren eigentlich nicht hohl sein sollten. Dieser hier war es aber.
Er löste die Bruchstücke. Dahinter kam eine kleine Aussparung zum Vorschein. Sie war Handbreit und Handhoch. In ihr, auf einer Waagschale, lag ein bronzefarbenes Stück, das die exakte Kopie der zuvor zerschlagenen Reliefdarstellung war. Ein Stück vom Herz des Drachen.
Ben wandte sich zu Jonas. In seiner Hand hielt er das Stück. Seine Augen leuchteten. Sein Gesicht strahlte. Sie hatten es gefunden. Doch so schnell die Freude über den Fund gekommen war, so abrupt endete sie.
Aus dem Augenwinkel nahm er eine flüchtige Bewegung war. Als er hinsah, hielt Susanne eine Pistole in der Hand. Sie zielte auf ihn. „Keine Bewegung.“ Die Warnung galt sowohl Ben als auch Jonas.
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-Vierzehn-
Max stand mit geschockt geweiteten Augen dar. Ben und Jonas rührten sich nicht. Die Verblüffung dieser Wendung war Ihnen anzusehen. Was Susanne ein böses Schmunzeln entlockte. Es wehrte aber keine 2 Sekunden. Sie hatten erst ein Stück vom Herz.
Ohne Ben und Jonas aus den Augen zu lassen, holte Sie ein Handy hervor. Susanne betätigte den Kurzwahlspeicher, wo sich lediglich eine Nummer befand. Ihr Anruf wurde umgehend entgegen genommen. „Wir haben es gefunden.“ Mehr sagte Sie nicht, beendete den Anruf. Das Handy steckte Sie weg.
„Für wen arbeitest du?“
Sie lächelte Ben an. „Du solltest besser die anderen Stücke zusammentragen, als unnütze Fragen zu stellen.“ Susanne sah ihn kaltherzig an. Sie klang nicht nur ruhig, sondern war es auch.
Anhand ihrer Haltung erkannte Ben auf Anhieb das Sie nicht zum ersten Mal eine Waffe auf einen Menschen richtete. Während der ganzen Zeit über, hatte Sie diese Seite vor ihm verborgen. Mit Bravour. Weder er noch Jonas oder Alice hatten ihr wahres Ich bemerkt. Nun stellte sich die Frage, für wen Sie arbeitete. Für seinen Vater jedenfalls nicht. Soviel stand fest. Eine wage Ahnung beschlich ihn.
Ihr Mund zuckte kurz. „Wie es scheint, brauchst du eine entsprechende Motivation!“ Dann, im Bruchteil einer Sekunde, richtete Sie die Waffe auf Max, der die Augen aufriss. Ohne das geringste Zögern drückte Susanne ab. Bevor Ben und Jonas einen Schritt machen konnten, zielte Sie wieder auf Ben.
Max sah geschockt an sich herunter. Er spürte keinen Schmerz. Als ihn die Kugel traf, war es mehr wie ein harmloser Stich. Bloß mit dem Unterschied, dass der Stich eine offene blutende Wunde zurückließ. Susanne hatte auf ihn geschossen. Oh Gott!! Der zuvor schmerzstillende Schock verschwand im Nu.
Ihr war es vollkommen egal, was mit Max passierte. „Ich hab genug Kugeln übrig, um ihn als Zielscheibe zu verwenden.“ Ihre Gleichgültigkeit wäre für jemand anderen erschreckend gewesen. Nicht so für Ben und Jonas. „Was ist, Ben!?
Soll ich mein Zielschießen fortsetzen?“
Ben schaute den bleichen Max an. Er drückte verzweifelt auf die Wunde. Was die Blutung stoppte. In seinen Augen sah er Verzweiflung. Sein Blick kehrte zu Susanne zurück. Er schaute den Triumphbogen entlang.
Das nächste Relief wartete.
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Bei den Reliefs auf Kopfhöhe gab es keine Schwierigkeiten. Anders sah es da schon bei jenen aus, die in luftiger Höhe lagen. Sie zu erreichen war keine wirkliche Schwierigkeit. Denn schon als Kinder kletterten Jungs leidenschaftlich gerne auf Bäume, Skulpturen, Felsen und dergleichen. Ohne irgendwelche Hilfsmittel.
Die Schwierigkeit hierbei war jedoch das Zerschlagen der Reliefs, das Eindellen der Sandsteinquader. Gleichzeitig musste man dafür sorgen nicht abzustürzen. Denn all die Betätigungen forderten Kraft. Über die ein Mensch, selbst ein austrainierter, nur begrenzt verfügte.
Ben blieb aber keine andere Wahl. Er musste ohne jedes Hilfsmittel oder jedwede Absicherung den Triumphbogen hoch, das jeweilige Relief zerschlagen, sich dabei festhalten und abstützen. Das zerschlagene Relief entfernen. Den dahinterliegenden Sandsteinquader anschlagen. Das Stück vom Herz aus der Ausbuchtung bergen. Kurz durchatmen und dann weiter machen.
Nicht nur die verwandelte Susanne, sein Vater plus Bruder und Söldner, saßen ihm im Nacken, sondern auch die Zeit, seine schwindenden Kräfte, die verdutzten Sicherheitsleute außerhalb des Museums und jene Leute die Susanne angerufen hatte. Wer auch immer Sie waren.
Er hatte also gar keine andere Wahl, als weiterzumachen. Und nebenbei überlegte Ben wie Sie aus dem Schlamassel kamen, ohne das einer sterben musste. Man konnte also mit Fug und Recht behaupten, das Ben alle Hände voll zu tun hatte.
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Der Fahrer parkte den SUV samt General, dem Major, 2 Söldnern und der Gefangenen am Straßenrand gegenüber dem Museum für Antike. Auf dem Museumsplatz, vor dem Bau, standen zahlreiche Menschen. Sie schauten durchweg besorgt drein. Spendeten einander Trost. Andere hingen an ihren Handys. Die Sicherheitsleute versuchten ihr Bestes um den Eindruck zu erwecken es sei alles in Ordnung.
Kurz nach ihnen trafen Rettungswagen, Löschfahrzeuge und Einsatzautos der Polizei ein. Der diensthabende Mann der Sicherheitsleute fungierte als Ansprechpartner und wirkte ratlos. Den Sie bekamen keine Verbindung in die Sicherheitszentrale. Außer dem Museum schien der restliche Bau, wie der Verwaltungstrakt, nicht evakuiert worden zu sein.
Auch waren die Rettungswagen und Löschfahrzeuge der Feuerwehr erst alarmiert worden, als man telefonisch die Einsatzzentrale anrief. Da Minutenlang nichts geschah, seit man das Museum räumte.
Während sich die Einsatzkräfte absprachen, bzw. überlegten, wie man vorzugehen hatte, regelten Polizisten den stockenden Verkehr der Hauptstraße, die am Museum entlang führte. Ein Söldner ging über die Straße, kam zum SUV.
Der General ließ die Scheibe runter.
Der Söldner erstattete sofort Bericht. „Anscheinend wurde im Museum der Feueralarm ausgelöst.“ Er hatte sich erst unter den Passanten umgehört. Dann fand der Söldner einen gesprächigen Sicherheitsmann, der alles bei einer Zigarette bestätigte. „Sie haben es evakuiert.
Vor fast 40 Minuten.
Und eigentlich hätten die Einsatzkräfte der Feuerwehr bereits nach wenigen Minuten vor Ort sein müssen. Das Museum hat eine Direktverbindung zu nächstgelegene Feuerwache. Dort wurde aber kein Alarm gemeldet.
Sieht nach einem Fehlalarm aus.“
Nein, das war kein Fehlalarm. Der General blickte anerkennend zum Museum, als könnte er durch die Mauer blicken. Dann schaute Konrad zu ihrer Begleiterin auf der 2ten Rückbank. Da erschien sein anderer Sohn am Fenster.
Er hatte bei ihrer Ankunft das Kommando über den Reservetrupp übernommen. „Alle Gebäudezugänge sind durch den Feueralarm gesperrt.“
Konrad sah seinen Sohn an. „Stell einen Sturmtrupp zusammen.“ Dann sah er wieder zu Alice. „Du wirst uns einen Zugang verschaffen.“ Etwas anderes duldete er nicht und würde bestraft werden. Obwohl Sie weder zustimmte noch ablehnte, ließ der General ihr vom Techniker ein Notebook bringen. Der Computer war mit allem ausgestattet, was eine Expertin wie Alice brauchte um dem General mitsamt seinen Söldnern einen Zugang ins Museum zu verschaffen. Wo ihre Freunde waren.
Anders als Ben brauchte Sie keine extra Motivation in Form einer Kugel.
Als sich der Söldnertechniker davon überzeugte, das alles seine Richtigkeit hatte, stieg der General aus. Der Fahrer und Beifahrer blieben. Sie schalteten die Zentralverriegelung ein, so das Alice nicht flüchten konnte.
Zusammen mit dem eilig zusammengestellten Sturmtrupp, ging Ben’s Vater mit seinem Bruder im Schlepp über die Straße und verschwanden hinter einer Ecke aus ihrem Sichtfeld. Alice hatte Ihnen über die Tiefgarage einen Zugang ins Museum verschafft.
Womit Sie ihren Freunden im Museum Zeit verschaffte, zu tun, was Sie gerade taten. Denn von der Tiefgarage in die Empfangshalle brauchte man 15 bis 20 Minuten.
Alice sah auf ihre Uhr. 7 Minuten waren vergangen.
Plötzliche tauchten neben dem SUV zu beiden Seiten ein Mann auf. Sie konnte die Gesichter nicht sehen. Die Männer stoppten auf Höhe der Fahrerseite. Fahrer und Beifahrer hatten die Scheiben unten, weil Sie rauchten. Dann ging alles rasend schnell.
Ein dumpfes Blobb ertönte in schneller Folge. Die Söldner vom General rührten sich nicht.
Dafür öffnete eine dritte Person über die Beifahrerseite, die hintere Tür. Es war ein Mann mit einem Allerweltsgesicht. Er trug einen Anzug, der wie angegossen passte. Hinter ihm postierten sich 2 weitere Männer. Sie trugen, wie der Mann an der Tür, undurchsichtige Sonnenbrillen. Alice mochte nicht wissen wer die Männer waren, doch wusste Sie das es sich nicht um gute Samariter handelte. Ihr Auftreten glich dem der Söldner die Sie vor wenigen Augenblicken erschossen. Ohne das jemand etwas davon mitkam.
Profis. Söldner.
Alice stieg aus, wurde zu einer Limousine eskortiert, die kurz darauf in 2ter Reihe anhielt. Der Söldner öffnete ihr die hintere Tür. Sie stieg ein, wohl wissend vom Regen in die Taufe zu steigen. Er schloss die Tür. „Guten Tag, Frau Sönneberg.“, grüßte der Mann neben ihr bei ihrem Nachnamen. Der Fahrer fuhr los, reihte sich in den Verkehr ein.
Sie lehnte sich in die Sitzbank zurück. Alice hatte das ungute Gefühl das sich ihre Situation mit dem Wechsel keineswegs verbessert hatte.
***
4 der bronzefarbenen Stücke hatte Ben bereits geborgen. Das fünfte Relief zerschlug er gerade. Seine Arme wurden schwer. Die Muskeln brannten vor Anstrengung. Er schwitzte. Immer häufiger wischte er sich mit dem Ärmel über die Stirn, um zu vermeiden, dass der Schweiß in die Augen lief und brannte. Die körperliche Erschöpfung spürte er mit jedem Atemzug mehr und mehr.
Inzwischen brauchte er mehr Schläge um die Reliefs und die Oberfläche vom Sandsteinquader zu zerschlagen. Was dem stetigen Kraftverlust geschuldet war. Ben legte das Kopfstück auf der Kante ab, fand mit dem Schlagarm halt und gab somit dem Haltearm ein wenig Ruhe. Mit den steifen Fingern holte er das 7te Stück vom Herz des Drachen aus der Ausbuchtung, sah es kurz an und steckte es zu den anderen.
2 Reliefs noch.
1 auf der rechten Seite, wo Ben gerade zugange war. Das Letzte befand sich auf dem Querdach des Triumphbogens. Genau in der Mitte. Insgesamt gab es Links und Rechts je 4 Reliefs und Oben 1.
Die Stücke hatten alle eine andere Form, aber stets die gleiche Größe. Daher schätzte Ben, dass das Herz faustgroß war. Was ungefähr der bildlichen Darstellung entsprach die Manius einst vom Herz des Drachen machte. Und etwas anderes fiel ihm auf. Die Stücke mussten eine Art Gehäuse bilden. Der Kern hingegen schien hohl. Inwiefern das von Bedeutung war, würde sich zeigen.
„Du verlierst unnötig Zeit, Ben.“, teilte ihm Susanne mit.
Sie hatte es heilig. Was ihn nicht weiter wunderte.
Er steckte das Kopfstück weg und begann zum Achten Relief zu klettern.
Am Relief angekommen, brachte Ben sich in Halteposition, holte das Kopfstück raus. Durch die Anstrengung bildete sich auf seinen Handinnenflächen ein rutschiger Schweißfilm. Was dazu führte das ihm das Kopfstück aus den Händen glitt, zu Boden fiel und dort knallend aufschlug.
Mist!!
Runter zu klettern um es zu holen war keine Option. So musste Ben anderweitig das Relief zerschlagen. Er sammelte seine Kräfte, verschnaufte kurz, ballte eine Faust und schlug zu. Der auftretende Schmerz raubte ihn weiterer Reserven. Doch er schlug immer wieder zu. Bis Ben die Bruchstücke wegnahm. Seine Fingerknöcheln waren blutig. Nichtsdestotrotz schlug er erneut zu. Die Abdeckung der Ausbuchtung splitterte. Er nahm Sie ab, legte das Loch frei, entnahm das 8te Stück.
Ben zeigte es Susanne. Sie nickte zufrieden, ohne Jonas aus den Augen zu lassen. Er steckte es weg, sah zum letzten Relief hoch. Dafür musste er ganz noch oben. Ohne sich groß aufzuhalten, begann Ben zu klettern.
Dabei bröckelte eine Kante eines Schriftreliefs ab, wodurch er den Halt verlor und drohte in die Tiefe zu stürzen. Gerade noch rechtzeitig packte Ben mit der anderen Hand zu. Der Ruck tat höllisch weh. Es war so als würde man ihm den Arm rausreißen. Die Füße baumelten in der Luft. Er versuchte halt zu finden, verstärkte den Druck um zu sehen ob die Kante das Gewicht hielt. Als dem so war, griff Ben mit dem anderen Arm nach einer anderen Haltekante.
Er verschnaufte kurz, um sich zu sammeln. Die Kletterpartie forderte langsam Tribut. Bedacht setzte er seinen Aufstieg fort. Oben angekommen zog er sich schwerfällig auf das Dach vom Triumphbogen, legte sich hin ruhte sich erstmal aus.
Ein Kommentar vom Boden wegen der Pause blieb aus.
Ben kroch in die Mitte, beugte sich über die Kante, sah runter zu Susanne, Max und Jonas. Sie sahen nach oben. Mit der Faust schlug er auf das Relief ein, entfernte die Bruchstücke, hämmerte auf die Abdeckung ein. Aus der Ausbuchtung holte Ben das 9te und letzte Teilstück vom Herz des Drachen heraus, zeigte es Susanne, steckte es ein.
Kurze Zeit später begann Ben langsam mit dem Abstieg. Ein Fehltritt- oder Griff konnte ihm ein Freiflug verschaffen. Wogegen Susanne nichts hatte. Er hingegen umso mehr. Außerdem verschaffte Ben sich so Zeit einen Plan zur Klärung der Lage auszuarbeiten.
Am Boden angekommen, steckte Ben für Susanne gut sichtbar, die Teilstücke in einen Beutel, den Sie ihm zuvor zu geworfen hatte. Alle 9 Stücke wanderten in den Beutel. Ben verschnürte ihn, warf ihn Susanne zu. Die ihn Gekonnte auffing, ohne von Jonas Kopf zu zielen.
Genau in diesem Moment kam der Sturmtrupp mit dem General und Major durch die Tür vom Treppenhaus. Die Söldner nahmen alle ins Visier.
Ein flüchtiges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Stehen bleiben.“ Konrad gab das entsprechende Zeichen. Der Trupp stoppte. „Ihr kommt zu spät., General.“
Ben’s Vater schaute zum Triumphbogen, sah die Schäden an den Reliefs. Dann blickte er seinen erschöpften Sohn an, der neben Max hockte. Anerkennung spiegelte sich in seinem Gesicht kurz wieder. Ein flüchtiger Moment. Kaum erwähnenswert. „Tötet Sie.“
***
Mit Sie meinte sein Vater nicht nur Susanne, sondern alle. Ihn, Jonas und Max.
Doch soweit kam es nicht.
Eine Besonderheit der Triumphhalle, wie der Ort des Geschehens von den Mitarbeitern und Museumsgästen auch genannt wurde, war das Glasdach. An sonnigen Tagen konnte man durch die gläserne Dachkonstruktion auf andere Lichtmittel verzichten. Was Energiesparend ist. Und somit dem Bau EU-Fördergelder verschaffte.
In diesem Moment wurde das Glasdach zu einem anderen, nicht geplanten, Zweck verwendet. Es knallte mehrmals. Das Glas schepperte, zersprang und regnete zu Boden. Seile wurde durch das offene Dach geworfen. Männer in kompletter Kampfmontur seilten sich ab.
Bevor die Söldner am Boden wussten was geschah, wurden Sie von den Neuankömmlingen unter Beschuss genommen. Im Kugelhagel starben 3 Söldner auf der Stelle. Schnell brachten sich die Anderen in Deckung, erwiderten das Feuer.
Ben hatte Max unter den Triumphbogen gezogen. Andernfalls hätten ihn die herabfallenden Glasscheiben in Stücke geschnitten. Jonas war bei Ihnen. Aus ihrer Position sahen Sie, wie sich die Vermummten zu Susanne begaben. Demnach gehörten die Männer zu ihr.
Die Angreifer nahmen die Söldner seines Vaters kurzerhand in die Zange. Weitere Söldner verloren dabei ihr Leben. Der Sturmtrupp wurde dezimiert. Sein Bruder wurde von Kugeln getroffen und ging zu Boden. Sein Vater sah das. Er wollte seinem Sohn zu Hilfe heilen.
Ben sah wie Susanne seinen Vater aufs Korn nahm. Eine Kugeln traf den General in die Hüfte. Eine weitere in den Oberkörper und ins Bein. Er brach zusammen.
Trotz ihrer Rivalität konnte Ben nicht tatenlos zusehen.
Er stürmte los.
Was ein Angreifer zum Anlass nahm auf ihn zu schießen. Die Kugeln zischten an ihm vorbei. Ben hatte lediglich Anlauf genommen, rutschte nun über den Boden. Dabei nahm er ein Bruchstück auf, warf es auf den Schützen. Er traf sein Knie, wodurch der Mann sein Sturmgewehr verriss. Da war Ben bei ihm, verpasste ihm eine Kopfnuss, schlug ihm das Bruchstück mit der Bruchkante gegen den Schädel, entnahm seinen schlafen Fingern das Sturmgewehr.
Susanne sah sein Tun, zielte und schoss.
Eine Kugel traf Ben in den Oberschenkel, wodurch er aufs Knie sackte. Was ihm wohl das Leben rettete. Denn die übrigen Kugeln schwirrten dort durch die Luft wo er zuvor.
Sie nahm ihn erneut ins Visier. Bevor Susanne abdrückte, einen Bruchteil zuvor, wurde Sie selbst unter Beschuss genommen. Wodurch Sie von Ben abhielt. Er selbst nutzte den Moment um hinter einem Tressen, einer Kaffeestube, in Deckung zu gehen.
Der Beschuss, der ihm das Leben rettete, kam von seinem Vater.
Ohne sich weiter um Vater und Sohn zu kümmern, gab Susanne den Männern ihrer Seite den Befehl zum Abrücken. Schließlich hatte Sie alles was Sie wollte. Ob nun der General und Ben Tot waren oder nicht spielte keine Rolle. Ein Bonus vielleicht. Mehr aber auch nicht.
Der letzte Söldner starb im Kugelhagel.
Ohne nennenswerten Widerstand gelang Susanne die Flucht über einen anderen Zugang zum Treppenhaus. Wo Sie statt in die Tiefgarage aufs Dach unterwegs waren. Wo Minuten später ein Hubschrauber ohne Kennung landete, Sie aufnahm und wieder abhob.
***
Ben warf das Sturmgewehr beiseite, hinkte mit der Kugel im Bein zu seinem Vater. Er atmete schwer. Eine Blutlache bildete sich. Sofort sah man das es übel um ihn bestellt war. Der Mann war dennoch sein Vater. So kniete sich Ben neben ihn. „Nicht bewegen.“ Blut trat ihm auf den Mundwinkel. Er hustete.
„Ich…“ Konrad zitterte. „Ich wollte nicht das es so zwischen uns endet.“, nuschelte sein Vater.
Ben nahm seine Hand, drückte Sie. „Ich auch nicht.“
Sein Vater blickte ihn an. Nichts war mehr von der Härte und Kaltherzigkeit zu sehen. Es war der einfache Blick eines Vaters. „Du musst i…“ Ein erneuter Anfall kam. Er spuckte Blut. Verdrehte die Augen. Dann erschlaffte sein Körper.
Sein Vater war Tod.
Neben der aufkommenden Trauer, kam auch Zorn auf. Susanne hatte seinen Vater erschossen. Wer auch immer Sie war, für wen Sie auch arbeitete, Ben würde sich rächen.
Ja, sein Vater und er hatten nicht das gewöhnliche Vater-Sohn Verhältnis wie manch andere. Sie hatten sich bis aufs Blut bekämpft. Doch eine wirkliche Tötungsabsicht hatte es irgendwie nie gegeben. Auch wenn die Ereignisse in der Nachbetrachtung eine andere Aussage zeigten.
Der General blieb nun mal sein Vater.
In diesem Moment wurde die Sperre vom getürkten Feueralarm aufgehoben.
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-Epilog-
Polizisten drangen in das Museum. Denn das Feuergefecht hatte man draußen noch gehört. Ganz zu schweigen von dem Hubschrauber, aus dem die Angreifer sich abseilten und mit dem sie wieder verschwanden. Zusammen mit Susanne und den Teilstücken vom Herz des Drachen.
Wie Jonas und Max wurde auch Ben verhaftet. Sie bekamen Handschellen angelegt. Rettungsassistenten folgten. Sie untersuchten Max und Ben sowie dessen Bruder, der als Einziger von den Söldnern das Feuergefecht überlebte. Er und Max wurden auf einer Barre nach draußen gebracht, in einen Rettungswagen verfrachtet. Und mit einer Polizeieskorte in verschiedene Krankenhäuser gebracht.
Jonas und Ben andererseits wurden abgeführt.
Doch statt auf eine Polizeistation gebracht zu werden, fuhren die Beamten Sie mit Blaulicht und Sirenen auf einen italienischen Luftwaffenstützpunkt zur Rollbahn. Dort stand ein silberner Airbus 318-500.
Man half ihnen beim Aussteigen.
Ein Anzugträger kam bei ihrer Ankunft die Gangway hinunter.
Sie bekamen die Handschellen ab.
Der Mann im Anzug nickte den Polizisten zu, die daraufhin in ihre Autos stiegen und davon fuhren. Er trat zur Seite. „Wenn Sie mir bitte folgen würden. Man erwartet Sie.“
Sie folgten dem Kerl über die Gangway ins Flugzeug.
Eine hübsche Flugbegleiterin, in einer dunkelblauen Uniform ohne irgendwelche Embleme, begrüßte Sie an der Einstiegstür mit einem bezaubernden Lächeln. Der Anzugmann nickte ihr zu. Sie schloss die Flugzeugtür hinter Ihnen.
Ben und Jonas betraten die Flugzeugkabine.
Sie war wie Konferenzraum eingerichtet. Teppich. Eine Snackbar, vor der eine kleine Sitznische stand. Ein großer Konferenztisch aus Glas und Chrom. 20 Zoll Bildschirme an jedem Platz. Ein großer Flachbildschirm in der Mahagoni Vertäfelung. Dahinter lag ein Flur, über den man das Bad und den Privatraum erreichte. Das Bad war mit einem Whirlpool, einer Mehrkopfduschkabine, in der mehrere Personen Platz hatten, ausgestattet. Die Armaturen waren aus Messing, Chrom und edlem Mailänder Marmor.
Durch die Flugzeugfenster sah Ben wie die vordere Flugzeugtreppe weggefahren wurde. Anscheinend hatte der Betreiber des Flugzeugs nicht vor an Ort und Stelle zu verweilen. Ob das gut oder schlecht für Sie war, ließ sich noch nicht sagen.
Jedenfalls besser als Stunden in einer italienischen Untersuchungszelle zu verbringen.
Und Sie wurden bereits erwartet.
***
Ein Farbiger in den Fünfzigern, in einem maßgeschneiderten Blazer, kam zum Konferenztisch. Er hatte ein Kristallglas in der Hand. Der Statur nach trainierte der Mann regelmäßig. „Möchten Sie etwas Trinken? Einen Snack?“
Er hatte eine feine Aussprache.
Ben und Jonas verneinten.
Daraufhin schaute er den Anzugträger an. „Gut. Das wäre dann alles, Nigel.“
„Jawohl, Sir.“ Daraufhin verschwand der Anzugträger, schloss die Tür zum Konferenzraum.
Nun waren Sie alleine. „Bitte setzen Sie sich. Wir haben einiges zu besprechen.“
Keiner von Beiden rührte sich. Die Triebwerke heulten auf. „Wer sind Sie?“ Ben sah den Mann unmissverständlich an.
Der schien davon keineswegs beeindruckt. Er setzte sich einfach an den Tisch, stellte gelassen das Glas ab, schaute die Männer an. „Mein Name ist Colin Obasi.“ Die Telefonanlage auf dem Konferenztisch piepte. „Ja?“
„Sir. Wir haben Startfreigabe erhalten.“
„Gut, Kapitän. Sobald sich die Herren gesetzt haben, können wir starten.“
„Jawohl, Sir.“
Obasi sah Sie an. „Ich kann Ihnen versichern, dass Sie nichts zu befürchten haben.“
„Wohin fliegen wir?“
„Wohin Sie wollen, Mr Jonas.“
Sie sahen einander an. „Wenn das so ist.“, sagte Ben. „Ich wollte schon immer mal nach Bora Bora.“
Ein Schmunzeln erschien auf Mr Obasi’s Gesicht. „Ich glaube dafür müssten wir das Flugzeug wechseln.“ Er war entspannt. „Wir wäre es stattdessen mit Nizza? Soll dort sehr schön sein.“ Seiner Stimme nach meinte er es sogar ernst.
„Damit kann ich leben.“ Ben sah zu Jonas. „Was ist mit dir?“ Sein Freund zuckte mit den Schultern.
Wieder dieses Schmunzeln. Obasi drückte die Freisprechanlage ein. Die Stimme des Kapitäns drang aus den Lautsprechern. „Ja, Sir!“
„Wir haben ein neues Reiseziel. Nizza.“
„Natürlich, Sir. Wie Sie wünschen.“
„Zufrieden?“, richtete Obasi an die 2.
„Vorerst.“
„Dann würde ich Sie bitten sich zu setzen, damit wir starten können. Außerdem glaube ich wäre es von Vorteil, wenn Sie sich setzen. Wir haben nämlich einiges zu besprechen.“
Mit einem Schulterzucken setzten sich Ben und Jonas an den Konferenztisch. Der Bildschirm an ihren Plätzen erwachte zum Leben. Ein Bildschirmschoner erschien. Er stellte ein Aquarium dar. „Worüber?“, wollte Ben wissen.
Obasi war der geborene Verhandlungsführer. Er hatte sich vollkommen in Griff. Der perfekte Pokerspieler. „Über ihr Engagement für die Wächter vom Herz des Drachens.“
Irgendwie hatte Ben geahnt, dass es deswegen war. Wer auch immer dieser Obasi war, er schien ein informierter Kerl zu sein. „Wer sind Sie?“
Das Flugzeug rollte.
„Ich stehe dem Wächterrat vor, zudem die Wächter vom Herz gehören.“
„Wächterrat!“, wiederholte Jonas. „Davon haben Ihre Freunde kein Wort erwähnt als Sie uns baten das Herz zu finden.“, sagte Ben.
Der Mann nickte. „Das stimmt.“ Aufrichtige Zustimmung. „Man hielt es für besser die Information vertraulich zu behandeln.“
„Wieso?“, hackte Ben nach.
Obasi machte eine Eingabe, auf der Toucheingabe vor ihm.
Das Aquarium verschwand vom Bildschirm. Stattdessen tauchte ein Bild von einer Person auf, die ihnen nicht Fremd war. Susanne Reuter.
Sofort verfinsterte sich Ben’s Miene. „Wer ist Sie?“ Seine Stimme war eiskalt.
Der Bildschirm teilte sich. Auf der linken Seite blieb das Bild bestehen. Rechts hingegen tauchte ein Dossier auf. „Ihr echter Name ist tatsächlich Susanne Reuter.“ Obasi klang neutral. Wie ein Schwede oder Schweizer. „Sie trägt jedoch den Mädchennamen ihrer Mutter.“ Er machte eine weitere Eingabe. Das Dossier verschwand. Dafür tauchte ein anderes Bild auf. Es zeigte einen Mann Mitte 50, mit schroffen Gesichtszügen, stählernen stechenden Augen. „Ihr Vater ist Rupert Konrad.“ Obasi Blick blieb auf Ben gerichtet. „Ihr Onkel.“
***
Susanne hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem Bruder seines Vaters. Soweit Ben sich erinnerte, war er dem Mann als Erwachsender nie begegnet. Und als er im Dienste seines Vaters stand, hatte er nie über seinen Bruder gesprochen. Die Konrad-Brüder bildeten die Bruderschaft. Doch eine wirkliche Verbundenheit schien es zwischen Ihnen nicht zu geben. Genau wie bei Ben und seinem Bruder.
Bei genauerer Betrachtung stellte er doch eine Ähnlichkeit fest. Die Augen. Sie hatten dasselbe stählerne Stechen.
„Was hat mein Onkel mit dem Herz des Drachen zu tun?“ Ben behielt die Augen auf Susanne und ihren Vater gerichtet. Jetzt ergab alles einen Sinn. Sie war nicht zufällig in der Drachenhöhle gewesen. Hatte sein Vater gewusst, wer Sie war? Und hat deshalb versucht Sie zu töten? Seine eigene Nichte! Ein Familienmitglied! Sein ungutes Gefühl hatte sich bewahrheitet.
„Er hat danach gesucht. Genau wie ihr Vater und Sie.“ Jetzt richtete Ben seine Augen auf Obasi. Das Flugzeug rollte zur Startbahn, stoppte kurz und beschleunigte schließlich, bis es abhob. „Bloß mit dem Unterschied das Ihr Vater und ihr Onkel Konkurrenten waren.“
Verwundert über die Aussagen, kräuselte sich seine Stirn. „Konkurrenten!“ Wiederholte er verblüfft.
Obasi nickte, tätigte eine Eingabe.
Woraufhin die Bilder verschwanden. Sie wichen einem neuen Bild. Es handelte sich um eine Abbildung einer Zeichnung auf Wollpapier. Die Zeichnung zeigte eine Rüstung, die keinerlei Ähnlichkeiten mit sonstigen Rüstungsdarstellungen hatte.
Ben und Jonas sahen sich die Zeichnung an.
Er hatte Sie schon mal gesehen. In einem alten ledereingebunden Buch, das sich im Besitz seines Vaters befand.
„Was ist das?“, fragte Jonas. Ben neben ihm schwieg.
„Die Rüstung der Götter.“
Bei der Antwort schloss er seine Augen. Die letzten Worte seines Vaters drangen zu ihm durch. „Du musst i…“ Im Geiste vollendete Ben den Satz, der zuvor keinen Sinn ergab; Du musst ihn aufhalten. Mit Ihn meinte sein Vater seinen eigenen Bruder, den Onkel seiner Söhne, den Vater seiner Nichte. Darum war sein Vater hinter dem Herzen her. Er versuchte zu verhindern, dass sein Bruder es fand.
„Mein Vater wollte verhindern das sein Bruder, mein Onkel, in den Besitz des Herzen kommt.“ Ben schaute Obasi an, der ihm nickend zustimmte. „Mein Onkel sucht nach der Rüstung der Götter!“ Mehr eine Feststellung, als eine Frage. Wessen sich ihr Gastgeber wohl bewusst war, den er nickte erneut. Darum ging es also die ganze Zeit.
Ben fühlte sich mit einmal sehr müde und vollends erschöpft. Die ganze Zeit über hatte er gedacht sein Vater sei hinter dem Herz des Drachens her, um die schlummernde Macht zu nutzen. Stattdessen ging es ihm nur darum zu verhindern, dass sein eigener Bruder das Herz fand.
Sein Verrat. Die Suche. Ihre Auseinandersetzungen.
Ihm wurde speiübel.
„Was ist die Rüstung der Götter?“, fragte Jonas.
Am liebsten wäre Ben aus dem Flugzeug gesprungen. Ohne Fallschirm. Du musst ihn aufhalten, hörte er seinen Vater sagen.
***
Susanne lernte ihren Vater kurz nach dem Tod ihrer Mutter kennen. Ihre Mutter tauchte unter, verschwand als der Arzt, den Sie aufsuchte, ihr die Schwangerschaft bestätigte. Sie verlor auch nie ein Wort über ihren Vater.
Als Rupert Konrad auf der Bildfläche erschien, trainierte Susanne gerade für die Leichtathletik Schulmeisterschaften. Sie war 15. Auf Anhieb wusste sie damals das der Mann ihr Vater war. Es gab zwischen Ihnen dieses Band, das einfach da war. Sie sprachen Stundenlang miteinander.
Susanne blieb am Sportinternat, an dem Sie war, machte ihre Schule zu Ende, begann eine Ausbildung und meldete sich zum Dienst an der Waffe bei der Bundeswehr. Nach der Grundausbildung wurde Sie für 3 Monate in den Kosovo geschickt. Dort leistete Sie ihren Auslanddienst ab. Bis zu jenem Tag, als serbische Separatisten den NATO Kontrollpunkt angriffen, der unter Federführung der Bundeswehr stand. 3 Kameraden starben bei dem Angriff. 2 wurden schwer verletzt. Sie selbst wurde verletzt und zusammen mit einem anderen Kameraden entführt.
Die Separatisten misshandelten Sie. Erpressten die NATO und Bundesregierung. Sie sollten sich aus dem Kosovo zurückziehen. Doch weder die NATO noch die Bundesregierung verhandelten mit Terroristen. Worauf ihr Kamerad vor laufender Kamera hingerichtet wurde. Sofern es zuvor irgendwelche verdeckte Bereitschaft zum Verhandeln gab, hatte es sich mit der Hinrichtung erledigt.
Das Martyrium ihrer Gefangenschaft endete als ein Kommandotrupp den Unterschlupf stürmte. Indem kurzen aber heftigen Feuergefecht wurden alle Separatisten getötet. Der Kommandotrupp gehörte jedoch weder den NATO Kräften an, noch zur Bundeswehr, sondern zu ihrem Vater.
Er befreite Sie.
Fortan führte ihr Vater eine persönliche Vendetta gegen die serbischen Separatisten im Kosovo und deren Hintermänner in Belgrad. Er ließ keine Gnade falten. Es kam zu blutigen Straßenkämpfen in den Dörfern und Städten im Kosovo und in Belgrad selbst. Der Höhepunkt war ein Attentat auf eine Autokolonne in Belgrad. Das Bild ging um die Welt. Es zeigte 2 zerschossene Limousinen. Zugedeckte Leichen auf der Straße. Blutlachen. Zu den 17 Opfern zählte auch ein ehemaliger serbischer Armeegeneral. Einer der Führungsköpfe der serbischen Separatisten Bewegung im Kosovo. Die übrigen 2 Führungspersonen wurden in weniger öffentlichen Kommandounternehmen getötet.
Als Sie wieder genesen war, blieb Susanne bei ihrem Vater. Bewährte sich in seinen Diensten überall auf der Welt. Sie wurde eine Söldnerin. Zur rechten Hand ihres Vaters.
Aus diesem Grund war Susanne in der Drachenhöhle von Syrau.
***
Die Autokolonne, die vom Flughafen zu ihrem Vater fuhr, hielt. Aus der vorderen und hinteren Limousine stiegen mehrere Männer, dunkel gekleidet mit Sturmgewehren bewaffnet. Auf dem Grundstück verteilt standen weitere Söldner, die zum Kader ihres Vaters gehörten. In dem schmucken modernen Haus, das auf dem Grundstück stand, wohnte ihr Vater. Sie ging geschützt von ihrer eigenen Leibwache zur Tür, die sich umgehend öffnete.
Susanne trat ein, während die Söldner draußen blieben. Mit dem herkömmlichen Aktenkoffer ging Sie durch die Lobby auf die Terrasse. Die Terrasse verfügte über einen großen Pool und genügend Platz. Das Haus lag an einer Steilklippe. Es bot einen herrlichen Blick über die Adria. Man sah in der Ferne die vielen Kreuzfahrtschiffe.
Sie wunderte sich immer noch über die Leidenschaft ihres Vaters. Er saß auf der Terrasse unter einem Sonnenschirm und puzzelte. Jedes Puzzel das er fertig hatte ließ er einrahmen. Sie hingen im Haus verteilt, statt irgendwelcher teurer Gemälde, Skulpturen oder sonstigen Schnickschnack.
Susanne beugte sich zu ihm runter, gab ihm einen Kuss. „Vater.“ Diese Art der Herzlichkeit brachte Sie nur ihrem Vater entgegen. Sie stellte den Aktenkoffer flach auf den großen Tisch ab. „Ich hab dir etwas mitgebracht.“
Ohne scheinbar Kenntnis von ihr zu nehmen, fügte er ein Puzzel in ein anderes ein, betrachte sein Werk, das mit jedem neuen Puzzel der Vollendung näher kam. Dann sah ihr Vater auf. „Ich habe nichts anderes von dir erwartet, mein Schatz.“ Er löste die Bremsen seines Rollstuhls, fuhr zum Aktenkoffer. Mit seinen vernarbten Händen ließ er die Kofferschlösser aufschnappen, hob den Deckel an.
Auf der linken Seite vom Koffer lag ein altes ledereingebundenes Buch, dessen Deckel ausgeblichen war. Die Ränder waren stellenweise ausgefranst. Rechts daneben, in einer Schaumstoffvertiefung lagen 9 bronzefarbene Teilstücke, das Herz des Drachen.
Er strich übervorsichtig über das Buch. Die Trauer, die die Berührung auslöste, wehrte nur so lange, wie er es berührte. Der Besitz des Buchs bedeutete gleichzeitig einen Verlust. Ohne das man ihm etwas anmerkte, wandte er sich den Teilstücken zu. Sein Mund zuckte amüsiert. Bedächtig aber sicher setzten seine Finger die Teilstücke, wie eins seiner Puzzel, zusammen.
Er brauchte keine Minute.
Das zusammengesetzte Herz lag nun im Schaumstoffbett.
„Wunderschön.“, murmelte er ehrfürchtig.
Augenblicke später schloss ihr Vater den Koffer. „Es wäre nicht nötig gewesen ihn zu töten, mein Schatz.“ Beide wussten, wovon er sprach. „Rufus wird nicht begeistert sein.“ Den letzten Satz nuschelte er vor sich hin.
Sie schaute ihn an, erkannte keine Trauer oder Missbilligung. Daher schwieg Susanne zu seinem Kommentar. Möglicherweise hatte er Recht. Doch sein Bruder hätte den Feldzug fortgeführt. Entschiedener den je. Möglicherweise schaffte er es sogar Ben davon zu überzeugen an seine Seite zurückzukehren. Ihr Vorhaben auch Ben zu töten, war ihr nicht gelungen. Dafür hatte die Zeit nicht mehr gereicht. Dabei stand Sie so kurz davor neben dem Vater auch seine Söhne zu töten.
Ihr Vater kehrte zu seinem Puzzel zurück. „Wo stehen wir beim Arm der Götter?“ Er betrachtete sein Werk in Ruhe und mit einer Gelassenheit, die schon an Besessenheit grenzte.
„Dem letzten Bericht nach ist man im Zeitplan.“
Der Rand ist entscheidend, hatte er ihr gesagt, als Susanne ihn auf das Puzzeln ansprach. Die operativen Rahmenbedingungen mussten stimmen. Augenblicke des Schweigens verstrichen. „Ich möchte, dass du hinfliegst.“ Ob er ihr Nicken wahrnahm, war schwer zu sagen. Manchmal kam es einem so vor das ihr Vater beim Puzzeln seine Umwelt nicht wahrnahm. „Nimm eine Kommandoeinheit mit.“ Er fügte das letzte Randteil vom Puzzel ein. „Sorge dafür, dass der Zeitplan eingehalten wird.
Ben wird nicht tatenlos bleiben.“
Sie verkrampfte sich für ne Sekunde. „Soll er ruhig.“ Susanne würde sich eine erneute Chance nicht entgehen lassen ihn zu töten.
„Unterschätze ihn nicht, Liebes. Das hat schon sein Vater getan.“
Sie schwieg besser. „Ich werde die nötigen Vorbereitungen zum Aufbruch treffen.“
„Tu das.“
Susanne blieb einen kurzen Moment stehen, gab ihrem Vater einen Kuss und ging ins Haus. Mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch. Gegen wen Sie die richtete, wusste Susanne schon. Was ihr ein böses Schmunzeln entlockte.
Ihr Vater verharrte einen Moment, als seine Tochter verschwand. Er wollte ihr keinen Vorwurf machen. Sie hatte Nils getötet. Nicht das die Konrad-Brüder eine innige Beziehung pflegten. Doch der Tod seines Bruders hatte unvorhersehbare Folgen für Ihre Unternehmungen.
Sein Sohn, Ben, würde fortan alles daran setzen ihre Pläne zu sabotieren. Was Ihn zu einer unberechenbaren Gefahr mutieren ließ. Denn es gab einen festen Zeitrahmen für ihr Tun. Verpassten Sie ihn, musste man 10.000 Jahre warten, bis es wieder soweit war. Sie standen also unter Druck alles in der vorgegeben Zeit zu schaffen. Bisher lief auch alles im zumutbaren Rahmen.
Jetzt hingegen war Ben ein unkalkulierbares Element.
Er sah zum Aktenkoffer.
Die Rüstung der Götter.
Um nichts anderes ging es.
Der Wettlauf begann.
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-Ende-
© by Alexander Döbber
Tag der Veröffentlichung: 21.09.2011
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