Die Sonne stand schon kurz über dem Horizont und die wenigen Wolken färbten sich rot und violett, so dass es aussah, als stände der Himmel im Westen in Flammen. Der kleine Bach plätscherte leise vor sich hin als er die große Stadt verließ und zwischen Brombeerranken und Brenneseln gen Süden floss. Genau an der Stelle, an der auf der einen Seite die Häuser aufhörten, während sie auf der anderen Seite den Bach noch einige Meter begleiteten, stand eine Buche, die schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hatte und deren unterste Äste so tief hingen, dass ihre Enden in den Bach reichten. Diese niedrigen Äste konnte man gut dazu benutzen die höheren zu erklimmen, wenn man noch nicht groß genug war, um sie durch bloßes Hochspringen zu erreichen. Genau aus diesem Grund und wegen der fantastischen Aussicht auf die Umgebung, die vor allem aus Feldern und Wiesen sowie ein paar Straßen in größerer Entfernung bestand, hatten die beiden diesen Baum zu Ihrem Lieblingsaufenthaltsort und Ihrer Kommandozentrale gewählt.
Es war bereits Herbst. Morgens hatte schon der erste Rauhreif die Wiesen bedeckt. Und auch jetzt, kurz vor Sonnenuntergang war es schon empfindlich kalt. Aber das störte die beiden nicht. Sie hatten schon Winterjacken und feste Schuhe an. Außerdem waren sie ohnehin meist in Bewegung, so dass Ihnen selten kalt wurde. Heute hatten sie den Staudamm, der den Bach über die Ufer treten lassen sollte, was aber nicht ganz gelungen war, wieder abgebaut. Und jetzt befanden sie sich in der Buche in ca. 4 Metern Höhe und überlegten, ob es nicht möglich wäre noch höher zu klettern. 4 Meter waren schon eine beträchtliche Höhe, vor allem von oben gesehen und es war außerdem nicht die beste Zeit um gewagte Kletteraktionen zu starten. Einmal wegen der Kälte, die die Finger mit der Zeit taub werden ließ, andererseits wegen des schwächer werdenden Lichts der fortschreitenden Dämmerung. Aber das kümmerte die beiden wenig. Es gäbe da oben so gute Äste, auf denen man fantastisch sitzen konnte und eine herrliche Aussicht haben würde. Man musste nur die wenigen Meter bis dahin überbrücken. Aber das war nicht so einfach.
Klaus versuchte es als erster. Er klammerte sich an den Stamm und robbte etwa einen Meter den Stamm hoch. Die Hose wurde schmutzig und die Borke rieb stark an Klaus' Beinen, so dass sie in kürzester Zeit wund waren. Aber er ließ sich nichts anmerken. Moritz schaute ihm mit gemischten Gefühlen zu. Als Klaus einen armdicken Ast direkt über sich erreichen konnte, ergriff er ihn und zog sich, den zweiten Arm nachziehend, an dem Ast hoch. Direkt darüber wuchs ein weiterer dünnerer Zweig aus dem Stamm heraus. Mit seiner Hilfe konnte er das Gleichgewicht halten und sich auf den armdicken Ast setzen.
„Puh, das war ganz schön schwierig.“ Klaus war selbst über seinen Mut überrascht und als er jetzt nach unten schaute, auch erschreckt. So hoch war er noch nie gewesen. Ihm wurde ganz anders zumute. „Und wie kommst Du da wieder runter?“ fragte Moritz.
Genau dasselbe fragte sich Klaus auch gerade. „Ach, das kriege ich schon hin.“ antwortete er mit übertriebenem Optimismus. In Wirklichkeit war er sich nicht sicher, wie er das schaffen sollte. „Komm doch auch höher,“ sagte er zu seinem Freund.
„Würde ich ja gern“, antwortete dieser, „aber wie? Und wo?“ Sie überlegten. „Vielleicht hier auf dieser Seite“, meinte Klaus und deutete auf einen breiten Ast hoch über Moritz. Um diesen zu erreichen hätte er sich wahrscheinlich auf seinen jetzigen Ast stellen und sich dann irgendwie hochhangeln müssen. Aber da er nicht so waghalsig wie Klaus war und auch kein Gibbon oder sonst ein Kletteraffe, ließ er es lieber bleiben.
In der Zwischenzeit war es immer dunkler geworden. Und das war keine gut Voraussetzung für einen gefährlichen Abstieg aus schwindelerregender Höhe mit klammen Fingern. Also entschloss man sich – inzwischen hatte auch Moritz bemerkt, dass es Klaus da oben mulmig geworden war – herabzusteigen, und zwar ganz nach unten. Es wurde auch langsam Zeit nach Hause zu gehen.
Klaus versuchte mehrmals sich zu drehen und so herunterzuklettern wie er gekommen war. Aber er hatte solche Angst wegen der Höhe, in der er sich befand, dass er sich nicht traute. Moritz begab sich rüber auf die Seite, auf der Klaus vorher gesessen hatte und befand sich damit fast direkt unter Klaus. Er stellte sich langsam auf und umklammerte den Stamm mit dem rechten Arm. Den linken hatte er frei und so streckte er ihn Klaus entgegen. Klaus versuchte ein weiteres Mal sich zu drehen. Diesmal traute er sich, da sein mutiger Kumpan mit seiner freien Hand sein Bein hielt, so dass er nicht aus dem Gleichgewicht kommen konnte. Endlich umklammerte Klaus wieder den Stamm, während Moritz sich weiter nach unten bewegte, um Platz zu machen. So schaffte es der vorher so mutige Klaus unter starkem Herzklopfen wieder den Bereich des Baumes zu erreichen, auf dem er sich relativ sicher fühlte. Da er nun genug vom Klettern und von großer Höhe hatte, ging er direkt weiter nach unten bis zum Boden.
Mit zitternden Knien kam Klaus unten an. Auch Moritz war nicht wohl zumute, da er Angst um seinen Freund gehabt hatte. Nun hockten beide zwischen den Faulbaumbüschen am Fuße der Buche, die sie erklettert hatten. Die Hände waren ganz steif vor Kälte und sie wärmten sich indem sie die Arme um die Beine schlangen. „Danke“, sagte Klaus nur. Dann schwiegen sie wieder.
Der Himmel war inzwischen dunkel geworden. Die wenigen Wolken stachen schwarz vor dem dunkelblauen Hintergrund ab. Der Bach plätscherte ruhig vor sich hin und beruhigte die Gemüter durch seine gleichmäßigen Geräusche, die nie aufzuhören schienen. Jenseits des Baches zwischen den dunklen Bäumen, die in der Gärten wuchsen, sah man immer wieder erleuchtete Fenster, deren gleißende Helligkeit aus den schwarzen Silouetten der Häuser hervorstach.
Aber manche Häuser blieben unbeleuchtet. Sie sahen aus wie düstere, aber friedliche Ungeheuer in der stillen Umgebung des Stadtrandes. Schweigend standen sie in dieser typischen Szene, die sich hier und an anderen Orten immer und immer wiederholen. Die Geräusche der Natur und des Tages erstarben, das Licht verging und an deren Stelle traten die Stille, unterbrochen vom Murmeln des Baches und dem Rauschen der entfernten Straße, sowie die immer zahlreicher werdenden Lichter, die von den Fenstern der Häuser ausgingen. Manchmal war der Himmel wolkenlos und man hat das unendliche Meer der Sterne über sich. So war es auch an diesem Oktoberabend.
Der Atem von Klaus ging zunehmend ruhiger. Sie saßen schon einige Minuten bewegungslos da und schauten zu den Häusern auf der anderen Seite hinüber. Links und rechts stand je ein beleuchteter Altbau. Dazwischen befand sich eine alten Villa, die von einem weitläufigen Garten umgeben war. Ihre Fenster waren unbeleuchtet und der Garten lag ruhig und verlassen da. Man konnte undeutlich die Baumgruppen ausmachen, die sich auf dem gepflegten Rasen verteilten. Begrenzt wurde das Grundstück von einem alten, rostigen Zaun, der fast über die ganze Länge von Brombeerranken überwuchert war.
Um diese Zeit kamen eigentlich keine Jogger und nur noch ganz selten Hundebesitzer vorbei. Der Weg lag verlassen vor Ihnen. Da wurde Moritz eine Siloutte gewahr, die sich langsam den Weg entlang bewegte. Das war im Prinzip nichts ungewöhnliches. Aber irgendetwas gefiel Moritz nicht an der Art, wie der Schatten sich bewegte. Er stieß Klaus vorsichtig an hauchte: „Da!“ Klaus schaute in die Richtung und erkannte was Moritz gemeint hatte. Sie sahen sich fragend an und blieben schweigend und bewegungslos sitzen.
Der Schatten war stehengeblieben und schien sich umzusehen. Dann bewegte er sich zu Seite und kurz danach hörten sie ein leises Knacken, dann nochmals und so ging es weiter. Die beiden Jungs waren starr vor Schrecken. Da schnitt offensichtlich jemand mit einer Kneifzange oder einem Bolzenschneider ein Loch in den Zaun des im Dunkeln daliegenden Hauses. Dann hörte man, wie an Ästen und Blättern gerissen wurde. Der unheimliche Schatten hatte das herausgeschnittene Zaunstück, an dem einige Ranken hingen, herausgezogen. Jetzt zwängte er sich durch die entstandene Lücke. Man hörte das Kratzen von Draht und Ästen auf Stoff.
„Das ist ein Einbrecher!“ flüsterte Klaus so leise er konnte.
„Was machen wir jetzt?“ fragte Moritz.
Da blieb der Schatten, der sich gerade in Richtung Haus bewegen wollte, plötzlich stehen. Er schien zu lauschen. Die beiden Jungs hielten den Atem an und rührten sich nicht. Der Mann – oder war es eine Frau – war ungefähr 12 oder 15 Meter entfernt. Die beiden saßen zwischen 2 Büschen und es war fast stockdunkel, vor allem dort unten, wo sie kauerten. Es war nahezu unmöglich, dass man sie von dort, wo der Einbrecher stand, sehen konnte. Trotzdem blieb den beiden fast das Herz stehen. Einige lange Sekunden verstrichen, dann bewegte sich der Schatten weiter Richtung Haus. Aus Vorsicht schwiegen die beiden erst einmal. Ab und zu hörte man ein Knacken. Der Schatten des Einbrechers verschwand immer wieder zwischen den Büschen. Aber als er das Haus erreicht hatte, konnte man ihn deutlich sehen. Seine schwarze Silouette hob sich deutlich gegen die weiße Hauswand ab.
Jetzt war er weit genug weg, um wieder reden zu können. Klaus flüsterte leise zu Moritz:
„Wir müssen die Polizei rufen. Hast Du dein Handy dabei?“
„Ja, aber wir müssen weiter weg, damit er uns nicht hört. Wir müssen noch warten, bis er drin ist, sonst hört er , wenn wir weiter weggehen.“
Klaus nickte. Vom Haus her hörten sie ein leises, kratzendes Geräusch. Der Schatten stand vor einem der Fenster. Kurze Zeit später schwang ein Fensterflügel auf und der Einbrecher schwang sich leichtfüßig hinein. Dann ging das Fenster wieder zu.
Langsam erhoben sich die beiden Freunde. Klaus zeigte nach hinten und Moritz nickte. Der Weg nach vorn über den Bach auf den kleinen Weg, der direkt an dem Grundstück vorbeiführte, war zu gefährlich. Zu leicht hätte man sie sehen oder hören können. Daher zogen sie sich nach hinten auf das Feld zurück. Sie hielten sich nahe an der Hecke, die an das Feld angrenzte, um auf dem freien Feld nicht aufzufallen. Moritz zog sein Handy heraus.
„Welche Nummer sollen wir anrufen?“ fragte er.
„Natürlich die 110, „ antwortete Klaus.
Moritz wählte. Das Freizeichen war zu hören. Kurz darauf wurde der Hörer abgenommen. Eine tiefe Stimme sagte:
„Notrufzentrale München, Müller.“ Moritz flüsterte ins Handy:
„Hier wird gerade eingebrochen. Wir haben es vom Weg aus beobachtet.“ Der Polizeibeamte antwortete:
„Jetzt mal der Reihe nach. Wer bist Du denn?“
„Ich heiße Moritz Werner.“
„Und wo wird eingebrochen?“
„Hier in der ..., äh, Neudecker Straße.“
„Welche Hausnummer?“
„Weißt Du die Hausnummer?“ fragte Moritz Klaus.
„Nee.“
„Wissen wir nicht, aber es ist kurz hinter der Kreuzung Hamburger Straße“
„Das ist ein bisschen ungenau, aber ich gebe einem Streifenwagen Bescheid, sie sollen mal vorbeischauen,“ sagte der Polizist.
„Was habt Ihr denn genau gesehen?“
„Ein schwarz angezogener Mann hat ein Stück aus dem Zaun rausgeschnitten und ist ins Haus eingestiegen, durchs Fenster. Das Haus ist Weiß und eine alte Villa, mit großem Garten.“
„Ok, dann bleibt wo Ihr seid, Ihr seid doch in sicherer Entfernung, oder?“
„Ja,“ antwortete Moritz.
„Also dann bleibt wo Ihr seid, ich schicke eine Streife.“
„Ok, Tschüss,“ sagte Moritz und legte auf.
„Und?“ fragte Klaus.
„Sie schicken eine Streife,“ antwortete sein Freund.
„Hmm.“ Einige Augenblicke standen beide etwas ratlos da.
„Komm,“ meint dann Klaus, „wir gehen näher ran, vielleicht bekommen wir ja zu sehen, wie sie ihn festnehmen.“
„Meinst Du?“ kommt es von Moritz, dem etwas mulmig bei dem Gedanken ist, dem Einbrecher entgegen zu gehen.“
„Ja klar, sowas gibt’s doch sonst nur im Fernsehen. Los!“ versucht Klaus ihn umzustimmen.
Er geht vor und Moritz kommt nach. Langsam und vorsichtig nähern sie sich durch die undurchdringliche Dunkelheit dem Haus. Um näher heranzukommen müssen sie den Bach überqueren. Die kleine Brücke befindet sich aber einige Meter bachaufwärts. In der Dunkelheit der Bäume und Büsche sehen sie fast nichts müssen sich daher von Busch zu Busch vortasten. Zu Ihrer rechten orientieren sie sich anhand des Geräusches des Bachs. Nach ein paar Minuten haben sie die Brücke gefunden und sind auf dem Weg, der den Bach begleitet. Es sind nur ein paar Schritte bis zu der Stelle, an der der Einbrecher den Zaun durchgeschnitten hat. Sie erahnen sie mehr als dass sie sie sehen können.
Aber kaum sind sie dort angelangt, hören sie aus der Ferne eine Polizeisirene. Erst denken sie sich nicht viel dabei. Martinshorn und Sirenen hört man oft in der Großstadt. Aber als sie immer näher kommt wird ihnen klar, dass das Ihre Polizeistreife sein muss.
„Das wird doch nicht...“ meint Klaus.
„Ich glaube schon. Die wollen den Einbrecher festnehmen,“ entgegnet Moritz.
„Wie kann man denn so blöd sein? Was meinen die denn was ein Einbrecher macht, wenn ein Polizeiauto angefahren kommt? Dass er schon mal runtergeht, damit die Herren Polizisten nicht extra Treppen steigen müssen um den Einbrecher festzunehmen?“
„Wir müssen hier weg. Er kommt sicher gleich,“ entgegnete Moritz mit flehender Stimme. Da hörten sie schon, wie die Hintertür aufgerissen wurde und jemand ins Freie stürzte. Die Taschenlampe war an und man erkannte daher genau wo sich der Einbrecher sich gerade befand. Für die beiden Jungs war das ein großes Glück, denn erstens sahen sie genau wo der Verbrecher war und zweitens sah der Einbrecher nur das, was sich in seinem Lichtkegel befand. Alles andere war für ihn schwarz – zumindest hier draußen, weit entfernt von allen Straßenlaternen.
Klaus packte Moritz am Handgelenkt und zog ihn ein paar Schritte vorwärts. Dann duckte er sich unter einen Strauch, der am Wegesrand steht. Er hatte sich gemerkt aus welcher Richtung der Einbrecher gekommen war. Und um zu verhindern, dass er über sie stolperte nachdem er durch das Loch im Zaun geklettert war, war er in die andere Richtung gegangen und hatte sich dann versteckt.
Der Einbrecher hatte inzwischen den halben Garten durchquert. Die beiden Freunde hielten den Atem an. Ihre Herzen schlugen so stark, dass sie Angst hatten, der Einbrecher könnte das laute Klopfen hören. Einen Augenblick später hörten sie, wie sich jemand durch das Loch im Zaun quetschte. Der Lichtkegel der Taschenlampe bewegte sich wirr hin und her, manchmal nur ein paar Meter von Moritz und Klaus entfernt. Im gleichen Augenblick stoppte das Polizeiauto vor dem Haus und das Martinshorn wurde ausgeschaltet. Zwischen dem Nachbarhaus und der Villa sah man den Schein des Blaulichts, das noch immer eingeschaltet war. Man hörte die Türen klappen. Der Einbrecher rannte den Weg zurück den er gekommen war. Auf beiden Seiten des kleinen Weges befanden sich die Rückseiten der Gärten, die um diese Zeit natürlich alle leer und verlassen waren. Daher konnte der Dieb die Taschenlampe anlassen. Es würde ohnehin niemandem auffallen.
„Hinterher,“ flüsterte Klaus und lief los. Moritz folgte ihm, obwohl er schreckliche Angst hatte. Aber er wollte sich vor seinem besten Freund nicht lächerlich machen. Außerdem - wann erlebte man schon einmal so ein Abenteuer. Da musste man auch mal einen bisschen was riskieren. Abgesehen davon kannten sie die Gegend wie Ihre Westentasche. Sollte man sie bemerken würden sie selbst im Stockdunkeln problemlos von jeder beliebigen Stelle aus einen oder mehrere Fluchtwege finden. Sie könnten sich trennen und sofort den Polizisten Bescheid geben, die nur einige Meter entfernt vor oder im erbrochenen Haus nach dem Einbrecher suchten.
Etwa 50m vor Ihnen sahen sie den hüpfenden Lichtkegel des rennenden Einbrechers. Sie trabten langsam hinterher – in sicherer Entfernung. Gleich würde er einen kleinen Seitenweg erreichen, der zur Straße führte. Würde er in ihn einbiegen? Oder würde er weiterlaufen bis der Weg am Bach selbst auf die Straße mündete? Er bog ab und ging zwischen zwei Gärten der Straße zu. Die Freunde liefen hinterher. Als sie den Seitenweg erreicht hatten, sahen sie gerade noch, wie der Einbrecher nach links abbog. Seine Taschenlampe hatte er jetzt ausgeschaltet, da an der Straße die Laternen leuchteten und man hier natürlich auf Leute stoßen konnte, denen ein Mann mit Taschenlampe komisch vorgekommen wäre.
Jetzt rannten sie einige Meter, um ihn nicht zu verlieren. Kurz vor der Straße wurden sie langsam und hielten an bevor sie auf die Straße hinaustraten. Vorsichtig linsten sie nach links. Etwa 30 Meter weiter sahen sie ein Auto, dessen Scheinwerfer an waren. Es fuhr soeben los. Klaus sprang vor und suchte Deckung hinter einem anderen parkenden Auto. Der Wagen, es schien ein heller Golf zu sein, fuhr langsam an ihm vorbei. Er konnte das Kennzeichen deutlich erkennen: M-UG 9900. Als der Wagen vorbei war, lief er sofort zu Moritz und sagte ihm das Kennzeichen des Verbrecherautos. Beide merkten es sich. Moritz zückte abermals sein Handy. Dieses Mal meldete sich ein anderer Polizist als er die 110 gewählt hatte. Er gab wieder durch wer anruft, was passiert ist und wo sie sich befanden. Aber jetzt ging es schneller. Der Streifenwagen, der noch vor dem Haus stand, in das eingebrochen worden war, setzte sich schon 2 Minuten später mit quietschenden Reifen in Bewegung. Die Freunde hörten es und sahen den Wagen einen Augenblich später in einiger Entfernung vorbeifahren. Allerdings war der Fluchtwagen inzwischen längst hinter der nächsten Ecke verschwunden, so dass die Polizei ihn kaum erwischen würde. Aber das machte nichts. Über das Kennzeichen würden sie ihn schon kriegen.
Moritz und Klaus waren ziemlich müde und sie merkten jetzt auch, wie durchgefroren sie waren. Sie machten sie also endlich auf den Heimweg. Die Straßen waren leer. Die Luft war kalt. Sie gingen schweigend nebeneinander her und näherten sich bald der Stelle, an der sie sich trennen mussten.
„Also, bis morgen,“ sagte Klaus.
„Bis morgen,“ antwortete Moritz. Sie würden sich morgen ausführlich über Ihre Erlebnisse unterhalten. Jetzt mussten Sie erst einmal darüber nachdenken. Es war spannend und aufregend gewesen – und nicht ganz ungefährlich. Jetzt kehrten sie beide in Ihr Heim zurück und freuten sich nach dem Abenteuer, auch wenn es nur ein kleines gewesen war, auf das vertraute Zuhause und auf die Familie, in deren Mitte man sich nach der Aufregung erholen konnte.
Am nächsten Morgen trafen sie sich wie jeden Tag auf dem Schulweg. Als sie auf den Rädern nebeneinander her fuhren ging es natürlich gleich um das gestrige Abenteuer. Beide hatten ihrer Familie gleich alles davon erzählt und waren ausgefragt worden, bis alles in jedem Detail besprochen war. Die Eltern waren besorgt gewesen, weil sie sich in Gefahr gebracht hatten. Die Geschwister waren neidisch gewesen, weil sie nicht selbst die Helden auf Verbrecherjagd gewesen waren. Beide hatten noch Abends beschlossen morgens gleich eine jener Boulevardzeitungen zu kaufen, für die sie sonst kaum Interesse zeigten, in der Hoffnung, dass etwas über den nächtlichen Einbruch drin stehen würde.
So fuhren sie also zum nächsten Zeitungsstand an einer Bushaltestelle und kauften sich die AZ. Und tatsächlich, im Regionalteil gab es einen kleinen Artikel, in dem der Einbruch beschrieben war:
„...Gemeldet wurde der Einbruch von einem Jugendlichen, der den Einbruch beobachtet hatte. Als die Polizei eintraf, war der Vogel allerdings schon ausgeflogen...“
„Die Sirene haben sie nicht erwähnt, hä, da hätten sie sich auch lächerlich gemacht,“ meinte Klaus.
Moritz las weiter: „...schon ausgeflogen. Der Jugendliche war dem Einbrecher offenbar gefolgt und hatte kurze Zeit später das Autokennzeichen an die Polizei weitergegeben. Durch diesen Hinweis konnte der Einbrecher noch in derselben Nacht dingfest gemacht werden.“
„Jau,“ rief Klaus und sie klatschten Ihre Hände laut aneinander.
„Blöd, dass nur von einem Jugendlichen die Rede ist. Wir waren doch zweit,“ sagte Moritz.
„Na und, macht doch nichts. Hauptsache wir haben dafür gesorgt, dass der Verbrecher gefasst wurde.“
„Ja, Du hast Recht. Also los, auf zu neuen Heldentaten – in der Schule“, sagte Moritz mit einem Augenzwinkern. Und sie fuhren weiter zu Schule. (September 2010)
Texte: Dirk Wiese
Tag der Veröffentlichung: 02.02.2012
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