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„Friss Staub Mann.“
Lucius wand sich in seinen Fesseln. Das Ergebnis war wenig hilfreich. Die alten Rancher verstanden sich auf ihr Handwerk. Mit jeder Bewegung schnitten die dicken Seile noch tiefer in seine Haut. Innerlich verfluchte er sich für seine Gier.
Ein paar Stunden noch warten und ihm wäre dieses Dilemma erspart geblieben. Doch der Hunger hatte ihn unvorsichtig werden lassen. Das Ende vom Lied...nun ja...er hätte sich wohl doch an einen anderen Hof heranwagen sollen. Aber Mary , die jüngste Tochter des alten McLeary, dessen Familie seit den ersten Siedlertagen hier ihr Vieh züchtete, hatte es ihm schon vom ersten Augenblick an angetan. Heute Nacht hätte sie es sein sein sollen. Doch er hatte den alten Gauner unterschätzt. Diesem musste aufgefallen sein, wie Lucius auf den diversen Strassenfesten des Sommers um die schöne Maid herumstolziert war. Nun lag er auf dem Rücken mit gefesselten Händen und Füssen im Staub des Hofes seiner Angebeteten. Während seine Füsse unvorteilhafterweise noch eine gut zwei Meter lange Verbindung zum besten und schnellsten Pferd McLearys hielten.
Mit den Worten die ihm der Rancher so nachdrücklich ins Ohr brüllte, liess er auch schon Taten folgen, die genauer genommen nur in einer einzigen Handbewegung endete, und auf dem Hinterteil des Pferdes landete, welches Lucius das Vergnügen hatte aus seiner Position besser als ihm lieb war zu betrachten.
`Wenigstens ist es eine relativ schöne Nacht`dachte Lucius in dem Augenblick als sich der Gaul mit einem heftigen Aufbäumen in Bewegung setzte.
Eben jene Schönheit vergass er jedoch nach den ersten Metern recht schnell. Das Pferd ganz wie sein Besitzer es vorgehabt hatte, nahm statt der erhofften fast ebenen Strasse, angesichts der überraschenden Freiheit, lieber einen etwas unkonventionellen Weg. Einfach gesagt. Es beschloss mit seiner last am hinteren Ende querfeldein zu galoppieren.
Lucius konzentrierte sich und versuchte die hässlichen Geräusche seiner brechenden Knochen und seiner aufreissenden Haut zu ignorieren, als das Pferd, den Rand des Berges erreichte der im Südosten die McLeary Farm begrenzte.
Weit genug und damit ausser Sichtweite beschloss er den, zumindest für das Pferd, vergnüglichen Ausritt ein Ende zu bereiten. Froh endlich seine Kräfte einsetzen zu können, bog er den Oberkörper in eine aufrechte Position, so das er nur noch auf dem Hinterteil hinter dem ausgelassenen Pferd hinterherrutschte, welches dieses nur noch mehr in Mitleidenschaft zog. Mit einem kurzen Blick schätzte er den Abstand zu einem kleinen Vorsprung zirka 20 Meter vor dem Kopf seines vierbeinigen Peinigers ab, um im passenden Augenblick die Hacken fest in den Boden zu stemmen und in jenem Vorsprung Halt zu finden.
Der gewaltige Ruck, als das Pferd mit seinem gesamten Gewicht von ihm gestoppt wurde, drohte ihm fast die Arme aus den Gelenken zu reissen.
Das Pferd hatte, auch zum Leidwesen Lucius, wie er in den nächsten gemächlichen Stunden eines langen Spaziergangs feststellen sollte, keine Chance. Die übermenschlichen Kräfte seines ehemaligen Anhängsels waren zu viel für das Genick, um das das Seil geschlungen war. Mit einem widerwärtig trockenen knackenden Geräusch gab die verlängerte Wirbelsäule des Pferdes nach und wurde schlagartig in einen grotesken Winkel Richtung des eigenen Rückens und hin zu Lucius geknickt.
Lucius hörte förmlich die Muskel und Sehnenstränge im Hals des Pferdes reissen. Warmes wohlduftendes aber tierisches Blut, wie er sich mit leichtem Widerwillen erinnerte, sickerte aus der offenen Wunde die einmal der Hals des Gauls gewesen war. Ohne seine Fesseln zu beachten, robbte Lucius mehr schlecht als recht auf den Kadaver zu. Rücksicht auf die zahllosen Brüche, Wunden und Abschürfungen , von Prellungen ganz zu schweigen nahm er indes jedoch nicht. Auch wenn ihm die ein oder andere Stelle, nun ja...Unbehagen bereitete.
In Sekundenschnelle war er an der offenen Wunde angelangt. Er vergass jegliche Etikette die seine Art so liebgewonnen hatte, und tauchte fast zur Gänze mit dem Gesicht in dem lebensspendenden Strom flüssiger Herrlichkeit ein.
Schmatzend und saugend nahm er soviel wie er konnte von dem Lebenssaft in sich auf.
Als die grösste Gier gestillt war, rollte er sich satt und zufrieden, nichts destso trotz , schwer atmend von den anstrengenden letzten Minuten, auf den Rücken.
Noch bevor er in einen leichten Dämmerschlaf viel, wie ein gewöhnlicher Sterblicher , der sich soeben den Bauch mit einem saftigen Brathuhn vollgeschlagen hatte, befreite er sich mit spielerischer Leichtigkeit von seinen Fesseln.
Dem geneigten Leser hätte sich nun wahrlich ein fantastisches Schauspiel geboten. Etwas missgestimmt, richtete sich Lucius die gebrochenen Knochen in einen halbwegs aktzeptable Position, wobei er die Fingerfertigkeit und das Feingefühl eines Metzgers an den Tag legte. Scheinbar völlig schmerzfrei lotste er so einen Knochen nach dem anderen in seine ursprüngliche Position. Nur an einer Stelle zog er pfeifend Luft zwischen den Zähnen ein.
Ein Beckenknochen, der als solcher kaum noch zu erkennen gewesen war, ragte nur Millimeter neben dem Gemächt des verhinderten Rodeoreiters heraus.
„Würstchen am Spiess“, murmelte er entsetzt.
„Das war wahrlich knapp.“
Nachdem auch dieses Beinahe Maleur das den armen Lucius womöglich härter getroffen hätte, als der Verlust eines anderen Gliedmasses, behoben war. Genoss er den Anblick der sich in Sekunden schliessenden Wunden.
„Ich habs doch immer gesagt: Pferd ist viel gesünder als Schwein.“ , kicherte er vor sich hin.
Nur ein paar Minuten später, richtete er sich befreit auf, und blickte zum Horizont wo sich in wenigen Stunden die Sonne anschicken würde, diese gottverdammte Gegend zu erhellen.
Lucius musste sich beeilen. Einen sicheren Unterschlupf für den Tag und eine neue Nahrungsquelle für die darauf folgende Nacht finden. Längst stand sein, zugegeben nicht ganz freiwilliger, Entschluss fest.
Dieses Land war nichts mehr für ihn. Zeit für einen Tapetenwechsel.
„Ich mochte die Mode hier eh nie.“ fügte er mit einem bitteren Unterton in der Stimme, angesichts seiner völlig runierten und in Fetzen hängenden Gaderobe, seinen Gedanken hinzu.

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Tag der Veröffentlichung: 28.01.2011

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