BANGKOK
Heute ist nicht mehr Weihnachten. Aber sonst ist alles wie immer.
Im Centrol Pinklao sind manche heftig Upper Class und man sollte sie nicht so beglotzen. Schlitzröcke bis zum Strumpfband, abweisend gradeaus. Und das alles nur für eine Sonnenbrille? Und das ganze Spacefood! Kann man das wirklich essen? Dies sind die wahren Tempel. Der Buddha begnügt sich mit einem Reiskorn und kaut langsam. So holt er das doppelte raus. Schön kühl hier. Uniformierte Glitzerengel niesen gedämpft in den Ärmel: Hapsuu. Rätselhaftes Asien! Man kann hier alles kaufen, aber keiner sagt Dir wozu es gut ist.
THUNDER STRETCH wo ALLE Autos gleichzeitig links fahren, dass man sein eigenes Wort nicht versteht.
Ja? Was wollen Sie wissen über den Wettkampf der verlorenen Meile? Der Herr da links...ja...nein, ich meine links von hier aus...interessiert Sie nicht? Was machen Sie dann in meiner Geschichte? Was meinen Sie wozu ich mir hier den Arsch aufreiße...ja...? Die Dame, die sich da so schön balanciert..?
Wie es begann? Das Wunder der Betonallee im braunen Dunst der sinkenden Sonne. Wie dann die Kehre kam zurück zur brüllenden Rennbahn an der Mopedwerkstatt vorbei und am leergefressen Grillstand dass man sich fragte was auf den allerhöchsten Pfeilern noch lief, so hoch dass man es weder hören noch sehen konnte. DAS war sie, die verlorene Meile. Sie hieß Nam Pak oder Pak Nam, das stand auf dem Schild.
Wer hat das Gefährt so schief zusammengeschweißt dass es kaum sich selbst transportieren kann, geschweige denn seinen rußgeschwärzten Fahrer? Und die sperrigen Streben und Handkurbeln und das klöternde Gestänge, ist das Transportgut oder gehört es zum Funktionieren des Fahrzeugs? Der Fahrer schaukelt. Jetzt ist er die Schwelle hoch. Etwas fällt hinten runter. Auch er fährt die verlorene Meile, das kann ich bezeugen. Und noch eine Kriegerin im schwarzen Burnus auf einem Dreirad das eigentlich nicht vom Fleck kommen dürfte, soviel pendelnde Säcke hängen dran. Die Straße hat keine Neigung, daher muss das Dreirad einen Motor haben der es antreibt. Auch ist sie bereits außer Sicht und fährt ein in die jetzt hell erleuchtete Auffahrt zur verlorenen Meile. Apfelsinenfarbene Mönche müssen die Strecke natürlich zu Fuß bewältigen, dafür brauchen sie keine Startnummer und müssen sich nicht bei der Etappenkontrolle melden, weil sie sowieso alle gleich aussehen. Nur an den Schreinen und Klostertoren müssen sie das Krung Thep Mahanakhon rufen, dann schaut der Pförtner kurz hinaus und macht eine Notiz über die Stadt im Pflaumenhain, wobei er sich die Brille zurechtrückt. Auch ein Bus ohne Passagiere biegt ein in die verlorene Meile. Hier ist echter Wetteifer nötig, denn er hat einen Platten und macht schappadapp schappadapp bis er keuchend die Startlinie erreicht, was uns zu Recht zweifeln lässt ob er je ans Ziel kommt.
Nun kommt die Mopedbrigade, mehrere Hundertschaften sägen im Pulk die verlorene Meile hoch und scheren sich nicht um die Kontrollstempel: Jeder kann sie sehen, keiner kann sie zählen, sie sind einfach zu schnell mit ihren aufgebohrten Ventilen. Dass man in dem Gedröhn noch die Fehlzündungen hört schafft angenehme Dynamik. Es sind die Lümmels von der königlichen Militärakademie mit ihren schaukelnden Dienstausweisen. Denen muss man nicht den Weg erklären, die machen vor nichts halt bis zum Zielbalken und warten nicht einmal dass er den Weg freigibt. Sie hauen sich die Frontlichter ein und kommen fliegend ins Ziel. Und ab ins Lazarett, wenn es denn noch einen Wert hat. Ja, Leute, das war sie, die verlorene Meile am steingrauen Gestade. Die ersten gehen schon. Bitte lassen Sie nichts liegen und denken Sie an unsere Platzanweiser. Bunnies in Pettycoats mit lila Schleifen winken sich gekonnt ein Taxi heran. Manche gehen zum Bus und diskutieren gedämpft, und es gibt an diesem Abend sicher nur ein Thema: Die verlorene Meile, und wer dabei war, nicht aber wer gesiegt hat, denn auf der verlorenen Meile sind wir alle gleich.
Heute ist Sonntag. Mit Bronchitis bei 30 Grad ist man einer von vielen. Hoffentlich überleb ich das noch, bevors ne Lungenentzündung wird. Bangkok is ne Giftglocke, die bringt selbst Verstorbene zum Husten. Der Regen gestern war die größte Überraschung. Da blieb kein Auge trocken, da werden sie alle zum Köter wenn sie meinen ich hab ja meine Plastikhütte mit Kartonfundament und einen Berg schwarzer Lumpen. Der schläfrig blinzelnde Waran auf dem dümpelnden Ponton ist so groß wie ein Krokodil und giftig, aber er meint das nicht bös, er braucht das für seine Verdaunung. Machen wir einen Bogen um ihn.
Im Gaysorn Village darf man nicht geizen mit der teuren Tüte, damit alle sehen können wo du warst. Im Davidoff, dem einzigen Zigarrenladen von Thailand. Aber essen, essen, essen und Glitzerkonfettikonsum der dir wie Wüstensand durch die Finger rieselt. Soviel ist sicher, Substanz hat hier nur die plattgetretene Armut, auch wenn sie erst zehn Jahre alt ist und schmutzverkrustet auf den Stufen schläft. Und durchhalten und strammstehen in der Taxiwarteschlange. Da wird schon mal abgelehnt als wolle man per Anhalter fahren. (Auch der Kellner hustet. Warum auch nicht.) Wenn mir nicht ohnehin schon zum Umfallen zumute wäre, dann würde mir allein schwindelig von den Ergebnissen der Oberflächenverschönerung die ständig an zahlreichen Personen mehr oder weniger mit Erfolg durchgeführt wird. Zurück ins Ghetto. Da gibts auch Girlanden aus bunten Dioden, und zum Kauf übersichtlich ausgelegt: Alte Schuhe, Knöpfe, Lappen, Schrauben, Kupferspulen, halbe Puppen, angebissene Hamburger, Blechgefäße, Sprungfedern, Eisentrümmer und vieles andere das nur sagt: Das hab ich! Dazu die knochigen Knie hochgestellt im erdbraunen Khaki auf der nassen Decke. Ich weiß warum dies das Zentrum ist. Da hinten ist der Königspalast. Bangkok ist so akustisch wie ein Stanzwerk von Kraus-Maffay. Überall. Da bin ich mal gespannt obs im grünen Pak Meng leiser raschelt.
PAK MENG
Pak Meng hat eine Straßenkreuzung. Das heißt, wenn man geradeaus durchführe würde man direkt in der Andamansee landen, so ist es ratsam rechts oder links abzubiegen. Drei Polizisten weisen heftig trillernd nach rechts und nach links. Immer Regen, Regen, Regen. Bringt Regen Segen? Von wegen. Regen bringt den Sturm Pabük. ( Der- der- heftig- schleudert). Die Palmen vom Resort wackeln schon. Die Wellen schlagen höher als die Polizei erlaubt. Darum darf kein Boot raus.
Da! Ist das eine einheimische Kreatur? Ein Tier mit roten Füßen hinter dem Ventilator. Es verbirgt sich. Warum entzieht es sich dem Blick des Beobachters? Was hat es zu verbergen? Welcher Art gehört es an? Fürchtet es verzehrt zu werden? Das Gesetz des Dschungels verlangt Respekt. Nun muss der Kurgast leise husten damit das Gleichgewicht der Natur nicht gestört wird. Vergeblich richtet er das Augetelefon auf den Ventilator. Da das Wesen dort Schutz gesucht hat und seitdem nicht hervorgekommen ist, muss es sich noch dort befinden. Dass es mühelos über die senkrechte Wand läuft hat es den Van-Der-Waals Kräften zu verdanken, nicht etwa irgendwelchen schmatzenden Saugnäpfen die sofort die Aufmerksamkeit von Fressfeinden oder Kurgästen auf sich ziehen würden. So kann es geräuschlos und mit hoher Geschwindigkeit zwischen Flachbildschirm und Ventilator hin und her laufen ohne jemals vom Augetelefon erfasst zu werden.
Wo es sich z B jetzt im Moment genau befindet kann auf Grund der Van-Der-Waals Unschärferelation niemand mit Gewissheit sagen. Es kann immer noch hinter dem Ventilator sitzen oder während der umständlichen Bedienung des Augetelefons in den wesentlich vorteilhafteren Schutz des Flachbildfernsehers zurückgekehrt sein. Genau genommen befindet es sich aus der Sicht des Beobachters an zwei Orten gleichzeitig: Hinter dem Ventilator UND dem Flachbildfernseher. Vielleicht ist es sogar tot UND lebendig wie Schrödingers Katze. Außerdem gebietet der Schutz einheimischer Kreaturen diesen die freie Wahl des Aufenthaltsortes zuzugestehen, unabhängig von Zeit, Zahl und Geschwindigkeit der Ortswechsel und Haftungsprinzip an glatten Oberflächen nicht mit altmodischen Saugnäpfen sondern mittels schwacher molekularer Wechselwirkungen der fein verzweigten Flimmerhärchen. Wenn man Haare sagt, muss es dann nicht Häärchen heißen? Hääh? Ich glaub nicht, dies ist nicht Finnland, sondern, ganz im Gegenteil, Thailand. So steht es in der Fremdenverkehrsbroschüre.
In 2 1/2 Stunden gibt es Essen, dann werde ich mich erkundigen. Auf jeden Fall werde ich den invader nicht dem Ordnungsdienst melden. Er heißt wie der-Sturm-der-mit-den-Palmen-wedelt, dass selbst durch das geschlossene Fenster die Vorhänge schwanken.( Anm. Hier irrt Wontoschka. Pabük ist nicht der „invader“ sondern „der-der-heftig-schleudert.“ Das wäre auf den Gecko nicht anwendbar. Er sagt nur ab und zu tschak-tschak- tschak. Oder jak_jak_jak adv. tremblingly ; shiveringly ; quiveringly ; shakingly ; tremulously ; shudderingly. Eine gewisse Sinnverwandschaft zu dem-der-heftig-schleudert ist durchaus vorhanden).
Die Vögel draußen machen tschak tschak tschak und lüü lüü lüü, viel schneller als sonst. (Hier irrt Wontoschka. Es mag in vielen Ländern Vögel geben, die tschak tschak tschak machen, in Thailand tun das nur die Geckos). Wär ich in Griechenland würde ich sagen hinter dem Ventilator und / oder dem Flachbildfernseher verbirgt sich der chalkidische Spreizfußsalamander, aber der hatte keine roten Füße.
Eben flog ein großer Vogel vorbei. Ein Tier mit roten Füßen war weder hinter dem Ventilator noch hinter dem Flachbildfernseher zu finden. Vielleicht war es der thailändische Plattfußsalamander, der passt überall durch. Korrekt gesehen war es letzten Endes ein Gecko, (der-welcher-die-Fliegen- frisst.)
KOH LIPE
Siri Lanta Speedboat
Das haut Dir das Rückrat in die Schädeldecke. Wann kotzen die andern?
Meine Beine sind besser von der Calendulasalbe, obwohl jemand mit dem Bügeleisen drübergegangen ist. In Wirklichkeit war es die Sonne. Hoffentlich zerspringt dieses rasche Seefahrzeug nicht, niemand trägt eine Schwimmweste. Es machte schöne Luftsprünge und knallt dann wieder auf die Andamansee. Wie halten die Leute das bloß aus. Mir kann nichts passieren, ich habe eine Brecharzenei genommen, von Max und Susanna, die mit ihren Zwillingen von Malaysia durchgekommen sind.
Are you evil? Ist Ihnen übel?
Werfen Sie es einfach herauf. Just throw up.
Meine Beine sind besser und ich bin nicht schlecht. Sind wir bald da? Halb.
Eine Frau ist schon schlecht. Ich würde ihr gerne eine Tablette geben, aber ihr Freund ist auch schlecht und ich hab nur eine. Sollen sie es doch hinaufwerfen, dann
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Bodo Wontoschka
Bildmaterialien: Bodo Wontoschka
Tag der Veröffentlichung: 25.08.2019
ISBN: 978-3-7487-1374-6
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Jacob und Sui, für Max, Susanna und ihre Jungs