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Schneitzlreuth

Freitag.

Schneitzlreuth, Berchtesgadenerland. Immerhin schon in Bayern. Das fängt ja gut an. Stoßdämpferpanne. So jetzat. Do samma im Fürtstenhof bei der Familie Irrscher, wo der heurige Gamsbock springt von Stein zu Stein und dabei ruaft jolladadihää, jolladadihää, das ist urkundlich erwähnt erstmalig im Jahre 1136. Is woar! Jo da schaugst, gell, Bazi. Tschuldigung, homm sie villeicht zwoa Stoßdämpferln? Des Hotel für die gsunde Greisenkur hat fumpf Schtern. Dofüa sitzesch uff dera Bank und schaust auf die moderne Schkulptur von dera Sparkass. Nacha bischt wie neu, au im Fitnessmassagedampfbad mit dena nackichte Weiber, des koscht extra, mei liaber Freind. Jo, so gehts im Schneitztaler Grund, do is nicht nur die Luft gsund, aber des koscht au extra, do legst die nieder, so gut wie die Luft do is, und die Bänke und die Gebäude, I sag dir, Gebäude hats do, und Greisen mit Mützen und behsche Jacken, die gehn erst do ums Eck, und dann do, und dann nochemol bei der Sparkass und beim Bahnhof und dera Grünanlag und dener Schpritzbrunnen, des is künstlerisch do legst di nieder. Un dann nochemol ums Eck beim Hirschen und dann beim Adler und beim Schneiztaler Grund vorbei mit dene Parkbänk, dann bist wiader bei der Sparkass mit dera Schkulptur, des is modern und sauber, des glabst net. Homm sie scho an Kontakt? Und Stoßdämpferln? So, noch via Tag. Zeit vergeht net, Jessas Maria und Josef.

Wissen Sie was Heldenschnecken sind? Die haben selbst 1423 schon einen Vertrag bei der HUK-COBURG abgeschlossen. Direkt beim orthopädischen Institut. Wie sie dann verdrossen auf der weißen Parkbank gefröstelt haben, lief grad gegenüber der Schneitztaler Wirt zum Traktorparkplatz, zog übertrieben devot den grünen Jägerhut und rief mit drohendem Unterton: Ja, gehts noch? Wieviel Mozartkugeln muss man fressen in Bad Reichenhall bis man merkt dass sie mit feinstem Alpensalz gefüllt sind? Wieviele Bischöfe, wieviele Äbte, wieviele Landfeger und leibeigene Hofmeister müssen verstorben sein, bis die Inschrift so verwittert ist dass man denkt da steht Kur-Apotheke Dienstags geschlossen. Alles gegen Arthrose und periodisches Herzflimmern. Und vor allem Ruhe, viel viel Ruhe! Kein Wunder, hier ist keiner unter siebzig, nicht mal der Amtierende Stadtschreiber in seinem zerschlissenen Lodenwams. Da stand er dann wie angenagelt und wusste dass er keinen Hunger hatte. Die gingen alle vorüber, in winddichten Anoraks, die Luft war feucht und kühl. Nein, man brauchte nicht zu beschreiben, potent wie ein Hamster, wie der Gartenzaun vorüberflitzte, schneller als man die Latten zählen konnte, falls das überhaupt jemand wissen wollte. Oder wen was wo juckte, weil die Rückenlehne rubbelte, wie der Regenschirm mit grellem Laut zu Boden fiel sodass es momentan erhebliche Irritation beim Beobachter auslöste, was wiederum niemanden etwas anging weil eh keiner davon Notiz genommen hatte. Wie unbehaglich wollen sie sich fühlen wenn sie so vorsichtig den Prospekt auf die Theke legen dass es hoffentlich keiner merkt bis Sie selbst ebenso wie der ganze Tresen endlich unter einer überwältigenden Schuldlawine zusammenbrechen, was dann endlich allseitiges Befremden auslöst, was wiederum die Last Ihrer Schuld vermehrt sodass es für den Rest ihres Daseins an Ihnen nagt? Letztendlich interessiert Sie noch verstohlen knispelnd warum momentan der Luftzug nachlässt oder unvermutet die Richtung ändert. Aber behalten Sies für sich, mir isses egal.

Samstag im Schneitzlreuther Fürtstenhof um zehne beim Balkonfrühstück. Herr-lich. ! Mit rauchen und Sonne, und der Tigerfalter wird gefilmt, gewissermaßen auf Zillaloid gebannt. Wer hätte das gedacht! Drüben rauscht der Bach in der Schneitzlbachklamm, man kann ihn sogar durch die Bäume sehen. Da geh ich doch gleich mal rüber. 

 „Da braucht man gutes Schuhwerk“ Ja, wo krieg ich jetzt ein Schuhwerk her.

„Ist jetzt Scheitzlreuth selbst eine geschlossene Ortschaft?“

„I wo, da kann jeder kommen und gehen wie er will.“

Noch dreimal schlafen. Was kann ich für meine Beschreibungsinkontinenz. Ich bin ja keine zwanzig mehr. Der Bach schäumt wild und eisig. Die Steine sind glitschig. Aus Flechten, Moosen und versteinerten Baumschwammparasiten tropft es ohne Ende dass die Blätter nicken als sprächen sie seit Ewigkeiten mit dem Wasser. Hier ist alles echt Bio. Die Kamera wird in den harten Strom gehalten und zeigt uns eine Welt in der uns alles schwankend entgegenstrebt. Manager von Großkonzernen trampeln zerstreut des Wegs in Goretex von Kopf bis Fuß und so manches entschuldigende Grüss Gott fliegt herüber und hinüber. Bewundernder Blick auf die tropfende Kamera. „Ja, sind sie da jetzt sicher.“ „Und ob!“

Sonntag. Zu Besuch im Flecken Inzell im Berchtesgadenerland am Sonntag um die Mittagsstunde auf der kantigen Bank im Baumschatten vor der folklorischen Dorfbäckerei mit dem Eiscafe „IL BUON GELATO“. Heute geöffnet. Die Kinder lassen es krachen und machen den Gänseruf nach. Der Neufundländer, gewaltig wie ein Bär, wedelt dass es bis hier herüberzieht. Durch Streicheln wird er ermutigt, dass er noch mehr wedelt. Es weht mir die Mütze vom Kopf. Die Leute essen Eis und kommen neben mich auf die Bank sitzen. Manche Leute sind so alt dass man sieht dass das Eis alles ist was sie haben. Der Höhepunkt des Tages. Danach gehts nur noch abwärts. Sie fahren mit der Zunge darüber und schauen besorgt auf das Eis hinab das dahingeht wie die verrinnende Zeit. Die Verkürzung der Telomere an den Chromosomenenden ist nachweislich proportional an die fortschreitende Verkleinerung der Eiskugel gekoppelt. (Eine interessante Bestätigung ist hier der Grönlandhai, auch Eishai genannt, der 400 Jahre alt werden kann da ihm Eis in unbegrenzten Mengen zur Verfügung steht). Und dann? Was soll nur werden? Einstweilen ist noch alles gut. Man kann sich ja noch ein Eis holen. Ein PKW fährt diskret durch die Sonntagsruhe. Dann noch einer. Dann ein kompletter Löschzug der freiwilligen Feuerwehr Inzell plus Ambulanzen und Polizei mit Blaulicht und Sirenen. Alle Babys weinen lauter als die Lalüs, die Alten krümmen sich und halten sich die Ohren zu. Offenbar sind einer oder mehrere Fälle von Ableben in diesem Fall nicht auf Zellteilungsseneszenz sondern auf sogenannte Katastrophentode zurückzuführen die mit der Lebenserwartung nichts zu tun haben. Aufatmen können wir allerdings erst wenn wir diese aus der Gesamtstatistik herausrechnen, da wir davon ausgehen, dass uns sowas nicht passieren kann. Wir holen uns statt dessen ein Eis. Ein Blick in die Kübel genügt: Es ist noch genug da.

Montag. Rätselhaft. Langsam ist es wie die Sahara. Nur der Wind, Sonne und die Stille. Für immerdar, so der Herrgott will? Jessas Maria und Josef, was für ein Kurgrab. Die machet hia a guts Gscheft, so wie das die Leut krank macht. Noch einmal schlafen? Wers glabt. Do legst di nieder. Wos is jetzt dos füra Schtraf. I hob doch nix getan.

„Herr Professor Dr. Schneitzlhuber, sind jetzt Krokantbecher das richtige Futter für widerlich übermästete Pinscher mit rosa Halsbändern, die gierig die Kiefer schnappen lassen, oder hat man Ihnen IN den Koalitionsgesprächen eher den Eindruck vermittelt dass die Kanzlerin sich hier zu weit aus dem Fenster gelehnt hat, während sie von einer johlenden Meute von Erstklässlern mit Popeln beworfen wird, weshalb diese von der linksfaschistischen Presse als Popelisten bezeichnet werden?“

„Selbstverständlich, und nicht nur das. Wir haben weitestdahingehend, während Zwerge vorübergeführt wurden, auch in den parallel tagenden Fachgruppen zum Ausdruck gebracht dass man über die abstoßende Schroffheit grauer Felswände allein deshalb nicht hinwegsehen kann weil sie kilometerweit aufragen, nur damit die Sonne früher untergeht. Unsere europäischen Nachbarn, insbesondere Albanien und San Marino, haben hierzu schon vor Jahren ernstzunehmende Bedenken vorgetragen die ja auch IN den Koaltionsgesprächen geräuschvoll unter den Teppich gekehrt wurden, nicht zuletzt um die anstehende Diskussion die hier angestoßen werden sollte gnadenhart abzuwürgen. Es ist ja letzten Endes auch eine Frage der Inschpiration und der pseudokulturellen Suffizienz auf beiden Seiten der Grenze wie auch der aktuellen Debatte wie man es überhaupt weiterführen sollte nachdem man sich hier bis ins Koma das Steißbein durchgesessen hat. Harnleiterentzündungen, Nasenverschorfungen, Migräne, Verfärbungen an Stellen die man gar nicht benennen darf, Schlaflosigkeit und Restless-Leg-Syndrom sind nur einige wenige der Irritationen die ein vergurktes und verzorrenes Weltbild von witzigen Hirrköpfen und bizarren Popelisten in breiten Strömungen hervorquellen lässt, bis doch eine deutliche Politikverdrossenheit ein fruchtbares Ausschwitzen selbst in russischen Fußballstadien zum Erliegen bringt. Während der Bupräser Fehlgeburten frisst, Progromschlampe Giftei den kleinen Mädels die Kleidchen auszieht und die Zöpfe abschneidet und Beck, Thaus, Edathy und Cohn-Bendit gierig starrend das verdammt sexy finden sehnen wir uns nach einem Tor für Deutschland. Wir werden die Japaner noch vermissen nach dem beschämenden deutschen Klumpatsch, immel saubel und fleundlich und frink, frink wie Wieser mit Klawatte.

Noch einmal schlafen. Fliegenreich ist dieser Ort. Fliegenreich, müd und gärend wie die Slums von Nairobi. Ich hau dann nach Osten ab. Ich wär ja präpotent wie hem hem hem Provinzdschemsbond schweig er, Till. Ach Schnuffi, sollte ich etwas anderes verraten, vielleicht sogar meine Gedanken? Das ist ja hiermit schon vollzogen. Nur tote Hosen sind gute Hosen. (Ist das Kunst oder kann das weg?)

Mittwoch. Auf dem morschen Steg im verwunschenen Fotzenwald. Fliegenreich im Fotzenwald ist ein Luftkurort der gehobenen Klasse, genau gesagt 823 m über dem Meeresspiegel. Aber der ist hier nicht zu sehen, weder weit noch breit. Wenn man wieder geht hat man Grund zum Grinsen, das war ja wie im Transitzentrum. Und nicht nachgeschmissen. Und wenn ich gleich mein Radl mit die neie Stoßdämpferln abhol dann sagt der wahrscheinlich das wärn jetzt die für das Sportmodell, wie bestellt, ich hätt aber das Bisinesmodell, des dauert jetzt nochemol a Woch. I krieg an Schreikrampf. Und des koscht nochemol a Handvoll Schotter. Dann lass ich mich vom ADAC ausfliegen.

Balkan

Donnerstag

Veszprém, Ungarn. Scorpio Irish Pub. Ungarn ist so herrlich unspektakulär. I get me some Bolo-neeze. Forint klingt wie was zum Essen: Forintfilet, Forintsorbet, Forintgelee, Forintgratin, Forintragout.

Freitag. Timisoara, Rumänien. Gut Stadtul. Gut Hotelul. Gut Futballul. Gut Wettul. Hier bei Terregova Pausul mit Apful und Wassul. Sonnul. Gut Omul. 4 Apful 3 Lei.Camerul filmul. Hundul bellul.

Samstag. Grenze. Neues Land, neues Glück, derselbe Regen: Bulgarien. Forum Hotel absolut ordentlich. Mädchen gehen trotzig allein im Dunkeln und werfen entgegenkommenden kampflustige Blicke zu. Russland hat verloren. Noch mehr Balkan? In son Bretterrestaurant in Sofia wo ich noch nie hinwollte, aber der Navi zog da vorbei, und das Wasser stand schon wieder am Bodenbrett, geschweige denn bis zum Hals. Also, wie bereits angedeutet, in einem bulgarischen Restaurant. Es ist frisch und feucht, aber wenn das Mädel sich Mühe gibt und die Kiefern auseinanderbringt dann kann das noch nett werden. OPEN? Hoffentlich. Speisekarte, sachtse die ist aber auf bulgarisch. JA UND? Ich kenn euren Schnack besser als ich ausseh, hab auch genau oder fast bestellt was ich gewollt hab. Der Salat war schon mal super.

(Als ich beim FORUM tropfnass reinfuhr, am Balken vorbei, weil für Mopeds die Lücke groß genug war, kam auch gleich der Security irgendwas mit illegales Parken. Ich gleich zum Hoteleingang gezeigt. Ach so? Pell mich aus meinem Froschmannanzug, bin so gut wie neu, sagt die Empfangstante zerstreut-enttäuscht achso äh hamwa garnich mehr... es sei denn Sie wollten 56 Euronen hinblättern, aber Sie mit ihrem Moped... Ich sach piece of cake, her damit, muss noch in die Stadt, tauchtse schon weg: Iff ju want we can call you a Täxi. Und der Security draußen, ja, so, dann hier herum und dort hinaus

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 21.12.2018
ISBN: 978-3-7438-9143-2

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