„Wenn aber ein Mann, bei einem
Manne liegt wie bei einer Frau,
so ist das ein Gräuel.“
Altes Testament
Sommer
Mit langen behäbigen Bewegungen wischte sich Bauer Arnulf den Schweiß aus dem sonnenverbrannten Nacken. Die Mühe, die Plage, für heute waren sie beendet.
Es war die schlimmste Zeit des Sommers, arbeiten von vier Uhr morgens bis neun Uhr abends.
Nicht das diese Zeiten Arnulf etwas gesagt hätten, wie auch seine Nachbarn hatte er keine Ahnung von der Uhrzeit und konnte weder lesen noch schreiben.
Alles was er wusste war das die Plage, die schwere Feldarbeit, gerade jetzt am schlimmsten war.
Aber so ist das Leben nun mal, das wusste Arnulf. Das Leben ist eine Prüfung Gottes, nichts weiter.
Und wie der Herr ihn prüfte, jeden Tag aufs neue.
Arnulfs Gott war ein grausamer Gott, ein Gott der einem Mann seine Frau nahm und ihn ohne etwas auf der Welt zurück ließ als einem Haufen Kinder die versorgt werden mussten.
Müde, unendlich müde machte er sich auf seinen Weg zurück zum Hof. Weg von dem rötlichen Feuerball der untergehenden Sonne. Es war kein Anblick der Arnulf noch beeindruckt hätte. Er kannte ihn zu gut und er bedeute nur eins: Eine weitere Prüfung des Herrn, denn er hatte die Schönheit der Natur gemacht, eine trügerische Schönheit.
Denn wer stehen blieb um den Sonnenuntergang zu betrachten, der wurde von der Nacht geholt.
Arnulfs Hof lag in Wort-Runddorf einer kleinen bäuerlichen Siedlung in Ostfriesland. Alle Bewohner des Dorfes waren Bauern, der Schmied wohnte eine Tagesreise entfernt in einer etwas größeren Siedlung.
Arnulf liebte die Menschen in seinem Dorf nicht besonders. Er war kein Heiliger und das wusste auch der Herr, aber trotzdem kam er mit allen gut zurecht. Mit fast allen...
„Sei gegrüßt Arnulf, komm doch einmal her.“ Flander, natürlich, wie hatte er den nur vergessen können. Der gute Flander wie er hieß seit er den väterlichen Hof geerbt hatte.
„Hier Arnulf,“ Flander wollte ihm einen Korb überreichen.
„Stücke vom Schwein für dich, alle anderen haben schon welche bekommen, du bist der letzte der von den Feldern kommt, wie immer.“ Flander betrachte Arnulf eingehend.
„Du solltest nicht immer so hart plagen Arnulf,“ sagte er dann
„du musst an deine Kinder denken, was sollen sie machen wenn auch du ihnen noch stirbst?“
„Genau an die denke ich.“, brummte Arnulf und nahm Flander widerwillig den Korb ab.
Verfluchter Flander und sein Almosen, aber er brauchte das Fleisch.
„Gelobt sei der Herr.“ sagte Arnulf wandte sich ab und ging seiner Wege. Flander ließ ihn kopfschüttelnd gehen.
Der alte Arnulf. Nie wollte er etwas geschenktes annehmen. Dabei hatte der Herr doch genug Speise für alle seine Kinder auf der Erde gelassen.
Winter
Zittern und fluchend lag Arnulf dick eingepackt im Stroh. Sie schliefen alle im Stall bei den Tieren, so kalt war es diesen Winter.
Arnulf fand keinen Schlaf, Unruhig wälzte er sich herum. Sie hatten noch genug essen für eine Woche, vielleicht auch für zwei wenn er noch eine seiner Töchter tötete.
Vielleicht auch einen der Söhne.
Bei diesem Gedanken schossen ihm Tränen in die Augen die dann auf seiner Haut zu gefrieren begannen.
Was war bloß passiert? Das war die Frage die Arnulf beschäftigte, die ihm keine Ruhe ließ.
Hatte der Herr sich etwa von ihm abgewandt? Aber warum, was hatte er, Arnulf, den Verbrochen das es den Herrn in solchen Zorn versetzte? War er nicht immer gottesfürchtig gewesen? Hatte er den seine Kinder nicht getauft, nicht immer seine Abgaben an die Kirche gegeben? Hatte nicht er selbst vor einigen Sommern, ewig lange schien es ihm nun her, eine Erinnerung aus einem anderen Leben, dem Herrn ein ganzes Lamm geopfert um ihn zu Lob preisen? Ihm zum Wohlgefallen!
Aber vielleicht...Nein, Arnulf glaubte nicht daran. Der Herr bestrafte seine Kinder nicht grundlos.
Er prüfte ja, er prüfte, aber alles was der Herr tat hatte seinen Sinn, seine Bedeutung, man musste die Zeichen nur zu deuten wissen und Arnulf hatte die Zeichen gesehen. Den blutroten Himmel und die Prophezeiung, die Wahrheit. Arnulf wusste alles, doch er konnte es einfach nicht glauben, wollte es einfach nicht glauben...Flander, er war an allem Schuld und Arnulf war blind gewesen, so blind bis diesen
Herbst
Rot, blutig Rot war der Himmel.
Die Sonne ging unter und heute sah Arnulf ihr heute dabei zu.
Es war nicht einfach nur ein Sonnenuntergang, dies war ein Zeichen.
Ein Zeichen des Herrn für seine Kinder, nein, nicht für seine Kinder.
Ein Zeichen nur für ihn Arnulf.
Er saß am aüßersten Rand seines Feldes und starrte in den Sonnenuntergang, wie hatte der Pfarrer ihnen doch letztes mal eingeschärft: "Wenn aber ein Mann bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so ist dies ein Gräuel."
So steht es im heiligen Buch, hatte der Pfarrer gesagt und sie dann angewiesen das Werk des Herrn zu achten und jedes Gräuel das ihnen begegnete sofort zu melden.
„Wenn aber ein Mann, bei einem Manne liegt...“
Und was war wenn ein Mann bei einem Kinde lag? Das hatte Arnulf den Pfarrer fragen wollen, aber er wusste die Antwort schon.
Wenn ein Mann das tat, dann war er ein Hexer und ein Bote des Satans. Vielleicht auch besessen vom Dämon selbst.
„...so ist dies ein Gräuel.“
Sein eigener Sohn, dachte Arnulf und seine Gesichtszüge wurden immer härter während er in den sonnenuntergang starrte der ein blutiges Loch in den Himmel riss.
Frühling
Noch einmal überprüfte der Henker die Schärfe seines Schwertes. Heute konnte er sich keine Fehler erlauben, keinen nur halb abgeschlagenen Kopf, dafür würden sie ihn töten. Der Mann den er heute hinzurichten hatte war beinahe so etwas wie ein heiliger und er konnte auch verstehen warum. Er hatte diesem Mann in die Augen geblickt und etwas...das Feuer...gesehen.
Der Mann der heute sterben musste hatte seinen Nachbarn, dessen ganze Familie und auch seine eigenen Kinder getötet und all das im Namen des Herren.
Man hatte ihn nach seiner Tat festgenommen, was nur geglückt war weil er sich freiwillig sofort nach dem Ende des Massakers in der Kirche gestellt hatte, und bald darauf mit den Verhören begonnen. Dieser Mann faszinierte, selbst Mitglieder der Inquisition waren gekommen um mit ihm zu reden und sie alle hatten eines festgestellt. Dieser Mann hatte tatsächlich den Auftrag Gottes auf Erden ausgeführt.
Der Herr hatte ihm die Augen geöffnet und ihm gezeigt das sich zwischen seinem Nachbarn und einem seiner Söhne unaussprechliches abspielte. Daraufhin hatte er ein Zeichen bekommen und im Winter seinen Auftrag ausgeführt.
Sterben musste er trotzdem, er könnte sonst ein gefährliches Beispiel liefern.
An einem Mittwoch gegen sechzehn Uhr schlug man dem heiligen Arnulf den Kopf ab.
Tag der Veröffentlichung: 12.06.2010
Alle Rechte vorbehalten