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18:43


Ich glaube zu dieser Uhrzeit sollte ich nicht mehr hier lang laufen. Das haben sie in der Sprachschule gesagt. Gestern. Ja, gestern nach dem Unterricht als, wie über den Handwerkermarkt liefen. Der Handwerkermarkt, eine große bunte Sache, voll mit Ständen, an denen sie Hängematten, Ponchos, Schachspiele mit Inkafiguren, echte Alpakapullover, Tücher und Webetaschen verkaufen. Auch ich habe mir eine Hängematte gekauft. Eine Woche bin ich nun schon hier.

Jetzt ist es 18:43 Uhr und schon dunkel und im Dunklen soll man nicht mehr auf der Straße sein, dann wird es gefährlich haben sie gesagt. Dann soll man ein Taxi nehmen, eines von den Gelben, aber nicht mehr zu fuß und noch dazu alleine unterwegs sein.

Es wird schon nichts passieren.

Es ist aber auch kein Taxi weit und breit zu sehen. Das ist bestimmt nur Panikmache, so schnell passiert einem schon nichts.

Die haben erzählt, dass man auch in den Bussen aufpassen soll, vor allem wenn die voll sind, dann schneiden sie einem einfach die Rucksäcke und Taschen auf und klauen alles raus.

Mir ist noch nie etwas passier, mir wird auch jetzt nichts passieren. Wenn jemand kommt, dann, dann ... tue ich so, als ob ich nichts verstehe, naja ich verstehe ja wahrscheinlich ehe nichts, nach einer Woche Spanischkurs.

Oder ich renne weg, oder ich schrei ganz laut.

In der Sprachschule haben sie erzählt, dass vor zwei Wochen Einem aus der Schule, am helllichten Tag, die Kamera geraubt wurde. Zwei Typen nahmen ihn in die Mitte, zeigten ihm ein Revolver und nahmen ihm dann die Kamera ab – und das am helllichten Tag.

Verdammt warum kommt den jetzt kein Taxi vorbei, wenn ich keins brauche, gibt es Tausende, die hupend auf sich aufmerksam machen wollen.

Scheiße, da kommen zwei Typen auf mich zu, scheiße, scheiße, scheiße ...

Ahmm ne, die laufen bestimmt auch nur so wie ich durch die Straße. Nicht jeder der nach Dunkelheit auf der Straße ist, ist ein Dieb – ha, sonst hätten die Diebe ja keine Opfer mehr!



Quito hat schon was, groß und anonym, nicht so wie bei uns, auf dem Dorf. Hier kann man die Sau rauslassen, ohne dass es am nächsten Morgen heißt, der Sohn vom Rodriguez hat gestern Nacht wieder Scheiße gebaut. Quito ist schon cool, aber teuer. Juan Carlos hat aber gemeint das mit dem Geld ist kein Problem, ich solle mir nur ein paar Freiwillige suchen, die mir ihres geben wollen, und falls die mir noch ein Handy oder eine Kamera dazugeben, wüsste er schon, wo man die Sachen gut los werden könne. Der hat gut reden. Ich habe so was noch nie gemacht – und wenn es schief geht und ich zusammengeschlagen werde oder ins Gefängnis komme?

Scheiße, wird schon nicht schiefgehen. Ich muss nur schauen, dass keine Polizeistreife in der Nähe ist und am Besten sonst auch niemand. Ich kann mir das Opfer ja aussuchen. Eigentlich ist es wohl wirklich ganz einfach. Ich suche mir ein vorsichhinträumendes am besten weibliches Opfer aus. Dränge sie in eine Ecke, tue so, als ob ich ein Messer habe oder am besten einen Revolver, ramme ihn ihr in die Rippen und lasse sie ihre Handtasche ausräumen, dann drohe ich noch ein bisschen und laufe weg. Ja, das ist gut. So kann es funktionieren.

Und wenn sie merkt, dass ich nur bluffe, dass ich gar keinen Revolver habe, und wenn sie anfängt zu schreien? Und wenn dann die Anwohner aus dem Haus kommen und wenn die mich festhalten und die Polizei rufen, oder, oh Gott, ich habe gehört wie die im Norden ein Diebespaar erwischt haben und mit Benzin übergossen haben und anzünden wollten, die Polizei hat die dann gerettet.

Ne, positiv denken, das ist die einfachste Sache der Welt, ich wähle mir mein Opfer gut aus und dann läuft die Sache schon. Was Juan Carlos kann, das kann ich auch.

Nein, ich habe keine Angst und zeige auch keine Angst. Die Zwei laufen nur so durch die Straßen. Oh Gott, jetzt sind wir gleich auf gleicher Höhe, dann werde ich es wissen.

Sie gehen vorbei, ja sie gehen wirklich vorbei und drehen sich auch nicht um.
Ich bin schon angesteckt von dieser Kollektivangst. Ich bin halt auch kein Opfer, ich habe keine Angst und strahle das auch aus, da traut sich so schnell dann keiner.

Da kommt schon wieder jemand auf mich zu, das ist aber nur ein Typ. Was kann der alleine mir schon anhaben.

Der verhält sich aber komisch. Warum schaut er sich die ganze Zeit um? Bestimmt hat er Angst vor Dieben. Na, da habe ich ihm ja was voraus, ich hab keine Angst. Ich strahle das auch aus und da traut sich dann keiner.

Jetzt oder nie, da ist es, mein Opfer, es ist auch sonst niemand in der Nähe, es scheint auch keine Polizeipatrouille in der Nähe zu sein. Ok, ich nähere mich ganz normal, und wenn wir auf gleicher Höhe sind, zeige ich ihr meine Zeigefingerrevolver durch den Stoff der Jacke, mach ihr Zeichen, das sie kein Laut von sich gibt, und lass sie ihre Taschen ausräumen. Sie wird nicht schreien vor lauter Angst und mir ihr Geld, Handy und keine Ahnung was sonst noch geben und froh sein mit dem Leben davon gekommen zu sein.

Der Typ ist nur so auf der Straße unterwegs, der sieht nicht aus wie ein Dieb, oder? Wie sieht ein Dieb eigentlich aus? Naja, ganz cool und locker bleiben, der geht schon vorbei wie die andren zwei Typen auch. Was für eine Panikmache in der Sprachschule.

Und wenn sie doch schreit, oder Pfefferspray dabei hat?

Und wenn er mich jetzt überfällt?

Scheiße, scheiße, scheiße ich kann es nicht.

Wie ich mir doch dachte, ein Typ der einfach, wie ich auf der Straße ist.

„Hey gringa“

Wie, der redet mit mir? Warum dreht der sich um? Warum kommt der auf mich zu? NEIN

Jetzt oder nie, oh Gott „Dame tu plata“, oh Gott, jetzt versteht die mich nicht „Money“. Ja, sie hat Angst, das ist gut.

Scheiße, was mach ich? Der scheint eine Pistole zu haben, oh jeh, ganz ruhig bleiben, der will nur dein Geld.

Mach schon, such nicht so lange „hurry, hurry“. Hoffentlich hat es noch keiner mitbekommen, wenn sie nur nicht schreit.

Vielleicht soll ich schreien, aber vielleicht schießt er dann. „Da, nimm“

Na endlich und jetzt – nichts wie weg, aber wenn sie nun schreit, „Shout – pang pang – you understand“. Jetzt, nichts wie weg, in die Nebenstraße rein. Jippy, das hat geklappt, war echt einfach, cool. „Hey, was wollt ihr?“

„Gib uns das Geld, das du der Gringa abgenommen hast“

„Hey Jungs, wir sind im gleichen Gewerbe und das war mein Fang“.

„Kleiner, wenn du uns nicht verstehst, haben wir auch andere Mittel und das hier ist unser Revier.“

„Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh........................“

„Ok, das war es dann wohl, wer nicht hören will muss fühlen, der wird wohl nicht mehr hier plündern. Wie viel ist es denn?“

Er ist weg, zum Glück, ich will weg von hier. Scheiße da kommt ja schon wieder jemand. Ah, endlich ein Taxi „Taxi, Taxi“ nur noch weg von hier. Aber ich kann das Taxi ja gar nicht mehr zahlen!

18:51


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Tag der Veröffentlichung: 16.04.2009

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