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In the night

Ronald „Ron“ Gorn verließ gegen Ende der Spätschicht die kleine Fabrik am Rande der Innenstadt.Es war ein Arbeitstag wie jeder andere gewesen und wie nach jedem anderen Tag machte er sich auf den Weg in seine Stammkneipe, welche sich ziemlich genau in der Mitte zwischen der Fabrik und der U-Bahnstation befand, welche er für die Heimfahrt benötigen würde. Da seine Schicht in den Abend hinein verschoben war, begegneten ihm bereits die ersten Partywütigen und da hier nach Dienstschluss das Amüsierviertel von Freedom-Town war, begegneten ihm hier die gesamte Palette der Bevölkerung.Hier konnte man vom feinen Smoking über die neo-viktorianische Mode des letzten Sommers hin bis zu Muscleshirt und Jeans alles finden. Am ungewöhnlichsten war allerdings der Teil der Menschen mit gelber oder grüner Haut. Seitdem Futuretec vor einigen Jahren die Color-Modifier (TM) vorgestellt hatte, nahmen diese Freaks immer mehr zu und wenn er näher ran gehen würde, könnte er wahrscheinlich weitere Augmentations ausfindig machen. Wieder einmal fragte er sich, ob er einfach nur alt wurde oder ob diese Menschen, falls man diese Cyborgs noch als solche bezeichnen konnte oder wollte, einfach immer durchgeknallter wurden.

 

Zum Glück tauchte linker Hand wie jeden Tag gerade noch rechtzeitig das „Tigers“ auf, bevor er den Gedanken allzu sehr vertiefen konnte. Das Tigers war eine kleine, notdürftig sauber gehalten Bar, welche direkt per Zeitreise aus dem Detroit der 1960er Jahre hätte stammen können. Schräg zum Eingang befand sich linker Hand die Bar mit den abgewetzten Barhockern, rechter Hand die drei kleinen Tische, an denen auch kleinere Gruppen sitzen konnten. Gegenüber vom Eingang, an der Stirnseite befand sich das Heiligtum von Jim „Bad Eye“ Mike, dem Rausschmeißer, Barkeeper, Inhaber und wohl noch einiges anderes in Personalunion: Auf dem Boden stand eine mehr schlecht als Recht funktionierende Jukebox und auf halber Höhe zur Decke eine stattliches Hirschgeweih von 1,2m Durchmesser. Obwohl Bad Eye immer behauptet es sei echt und er das Vieh selbst erlegt hätte, hatte Ron da so seine Zweifel. Nicht das er es Bad Eye nicht ohne weiteres zugetraut hätte, auch eine ganze Herde Hirsche im Nahkampf zu erlegen, allerdings waren die freilebenden Hirsche so gut wie ausgestorben und das er ein solches Glück gehabt hatte, eines der letzten Exemplare zu finden, weigerte sich Ron einfach beharrlich.

Als Ronald die Eingangstür öffnete, schlug ihm erst einmal der auf der einen Seite vertraute, aber doch immer wieder in Nuancen andere Duft der stickigen Bar entgegen. Bier und Schweiß mischten sich mit Tabakrauch, Synthol sowie einigen kleine Duftnoten anderer, ziemlich sicher extralegaler Substanzen. Auch wenn der Kongress den Tabakkonsum eigentlich verboten hatte, so wurde dieser doch abseits des Rampenlichtes stillschweigend geduldet, da es zumindest dafür sorgte, dass sich die kleinen Fische nicht wegen Nicklichkeiten anfingen aufzulehnen. Aus dem Hintergrund hörte er über den allgemeinen Geräuschhintergrund hinüber das Krachen der Jukebox, die sich trotz ihres Alters weigerte einzugestehen, dass sie „America the brave“ einfach nicht spielen konnte.

Während ein lauter Schrei vom Billiardtisch hinten links her hallte, ging Ron an die Bar und wurde von Bad Eye mit einem für seine Verhältnisse fast überschwänglichen << Ron, altes Haus! Wie geht’s? >> begrüßt. Da dieser Schlagabtausch sich zu einem kleinen Ritual zwischen den beiden entwickelt hatte, antwortete Ron pflichtbewusst << Beschissen, aber rück trotzdem ein Bier raus. >> Der Barmann grinste verschmitzt und begann unter der Theke ein frisch gezapftes Bier hervorzuziehen, welches er schon vorbereitet hatte, als er Ron die Tür hereinkommen sah. << Wie war dein Tag? Geht dir dein Vorarbeiter immer noch auf die Eier? >> fragte er Ron. Dieser nahm erst mal einen tiefen Schluck und fing dann zu erzählen an << Immer noch ist gut, wird immer schlimmer mit dem Kerl. Hält sich für Gott persönlich, nur weil er sich nen neues Aug geleistet hat. Der rennt jetzt mit nem zweiten Paar Arme rum und bildet sich Wunder was drauf ein, das er jetzt doppelt so schnell tippt, mindestens! Was der damit abends mit seiner Alten anstellt, will ich so genau gar net wissen. Hab ich dir eigentlich schon von der erzählt? Schweinchenrosa, sag ich dir! Auf der letzten Abteilungsfeier ist die rumstolziert wie nix gutes. Noch ein Ringelschwänzchen dran und fertig ist die untote Miss Piggy. Echt Mann, total widerlich! Und bei dir? Wie läuft das Geschäft? >> Bad Eye atmete hörbar aus und sagte: << Ging schon mal besser. Seitdem das Flynns und das Joeys diese neuen 3D-Eingangsschilder haben kommen doch deutlich weniger zum guten alten Bad Eye. Irgendwie stehen die jungen Hüpfer total drauf, wenn die Figur über dem Eingang nicht ganz nach Flachbrett aussieht.>> Beide fingen an zu lachen.

 

Vom Billiardtisch kam ein charakteristischer Jubelschrei rüber; der Putter hatte wohl wieder zugeschlagen. Der Putter hieß eigentlich Jeanice Mac Donald und benutzte eine Kombination aus weiblichem Charme und überlegener Billiardtechnik, um sowohl einsame oder hochnäsige Männer als auch eifersüchtige Frauen zu einem Spielchen zu überreden und dabei nach Strich und Faden auszunehmen.

Jeanice kam mit einem leichten Grinsen und einer minimalen Fahne an die Bar und fing an: << Hey Deae Eye, rück mal ne Whiskey raus; hatte gerade ne Glückssträhne.>> und blinzelte Bad Eye veführerisch zu. Während Jim das gewünschte hinstellte, verließ Jeanice Opfer unter lautem Fluchen die Bar. Jeanice hatte es wohl geschafft, ihn tatsächlich bis auf den letzten Credit auszunehmen. Leg dich nicht mit dem Potter an, rief sich Jim ins Gedächtnis, während er ein verschmitztes zumindest nicht ernsthaft anfügte. << Einmal Whiskey, die Dame. Sag mal Jean, mein Hase; Jim wusste, wie sehr sie diesen Spitznamen hasste; wie viel Kröten hast du dem armen Schwein eigentlich abgenommen? >> Mit einem theatralischen Seufzer fügte er hinzu: << Und wie soll ich eigentlich meine Bar finanzieren, wenn die Kunden kein Geld mehr zum Trinken haben, weil du ihnen vorher alles abnimmst? Willst du doch nicht als Kellnerin anfangen? >>

Damit hatte Jim alle seine Trümpfe ausgespielt. Wenn es etwas gab, das Jeanice Mac Donald mehr hasste als den Spitznamen „Hase“, dann die Vorstellung wieder als Kellnerin zu arbeiten. Jetzt würde der Abend entweder sehr schnell und ereignislos zu Ende gehen oder sehr viel später und dafür deutlich interessanter. Nach einem kurzen, wütenden Moment, drang aus Jeanice Mund ein tiefkehliges Lachen. Sie hatte an dem Abend mehr als genug verdient, vielleicht sogar genug für die ganze Woche, von daher ließ sie sich auf das Spielchen gerne ein. Nicht das Jim mit seinen Ende 50 ein verdammtes wandelndes Supermodel gewesen wäre (zumindest nicht außerhalb der Rubrik „Tonne des Monats“ der Vanity Fair), aber er war an diesem Abend der einige, der sie nach ihrer kleine Show am Billiardtisch noch nehmen würde. Die anderen Typen hätten wohl zuviel Angst, das sich ihr Spitzname „Putter“ auf mehr beziehen könnte als nur das Lochen von Billiardkugel und wenn Ron von ihren Phenoaugs erfuhr, dann war es wohl endgültig Zeit für die Apokalypse. Also setzte sie ein unschuldiges Lächeln auf, blickte Jim direkt in die Augen und begann leise zu säuseln: << Du weißt doch, wie gerne ich bei dir kellnern würde, allerdings ist das Trinkgeld einfach zu niedrig. >> Dabei beugte sie sich vor und ließ eine der Creditchips, den sie vorhin erbeutet hatte, in ihrem Dekolletee verschwinden. << Außerdem würde ja sonst niemand mehr an deinem schönen Tisch spielen und das ja ZUUU schade…>>

 

Ron hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Er kannte die Flirts über 2 Bier der beiden und auch ihre Ergebnisse, sowohl die guten als auch die schlechten und obwohl man bei den beiden nie sicher sein konnte, sah es doch heute eher nach Nahkampf denn Faustkampf aus. Nachdem Jeanice Zeit und Ort für Runde 2 mit Bad Eye klar gemacht hatte, wandte sie den Körper zu Ron: << Na Ronnie, heute schon die kleinen Freuden des Lebens genossen? Oder noch kein Glück bei ner Dame gehabt? Die Blauhaarige am Tisch neben der Jukebox scheint noch einsam zu sein…>> und bewegte den Kopf leicht in die Richtung. Ron nahm demonstrativ sein Bier in die Hand, drehte sich zu Jeanice um, trank eine Schluck und sagte dann: << Nein, ich habe hier alle Freuden, die ich brauche. Bier, gute Musik; die Jukebox spielte gerade Johnny Cash; und schöne Frauen; wobei er mit dem Krug demonstrativ auf Jeanice zeigte. Was soll ich denn sonst noch brauchen? >>. Jeanice begann leicht zu schmulzeln und sagte: << Schmeichler! Ronnie, Ronnie, Ronnie, was soll aus dir nur mal werden? Aber wenn du schon auf den Spaß verzichtest, dann lass mich wenigstens meine Schulden bezahlen. Hier hast du die 50 Credits von letzter Woche zurück. >> Sie schob ihm 2 Kreditchips hinüber und widmete sich wieder intensiver Jim sowie der gemeinsamen Abendplanung.

Nach 2 weiteren Bier und einigen Plaudereien mit mehr oder weniger regelmäßigen Gästen beschloss Ron, das es wohl an der Zeit für den Heimweg wäre. Er verabschiedete sich von Jim und Jeanice, verließ zum Klang von Sinatras „My way“ den Pub und tauchte in die relative Dunkelheit de Nacht ein.

Ron liebte die die Dunkelheit, vor allem hier in den Randbereichen der Stadt. In der Harlington Street, dem Kern des pulsierenden Herzens von New Lindborough, würden die vielen Leuchtreklamen sowie die restliche Beleuchtung für eine quasi taghelle Umgebung sorgen. Er lief zielstrebig auf die Treppe zu welche zur U-Bahn führte und bemerkte dabei nicht, wie die allgegenwärtigen Kameras langsam zu ihm drehten.

Genesis

Elias Walker betrat wie jeden Morgen gegen 9.00 das Amt für Wasser- und Transportwesen. Hinter diesem etwas kryptischen Namen befand sich in Wirklichkeit die zentrale Steuerung (fast) aller Infrastruktur von New Lindsborough, welche sich in den letzten Jahren durch Behördenkonzentration und eine nicht unerhebliche Summe an der richtigen Stelle (wie hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wurde) entwickelt.

Als er durch die breite Eingangshalle trat, begann er damit sich zu erinnern, wie es mit dem kometenhaften Aufstieg der Behörde angefangen hatte. Elias war fast von Anfang an dabei gewesen. Er hatte vor fast 20 Jahren; war das wirklich schon so lange her?; als Angestellter in der Verwaltung angefangen und dort begonnen systematisch Daten über Wasserverbrauch, Leckagen sowie Durchfluss- und Veschmutzungsparameter zu erstellen. Heute geschah dies alles vollautomatisch, damals war es durchaus eine beachtliche Leistung gewesen. Und viel wichtiger war, das sein Abteilungsleiter sein Potential erkannte und ihn zu seinem Nachfolger machte, als er selbst in Rente ging.

Der gute, alte Henry, dachte Elias mit einem kleine Lächeln, bevor er wieder der junge Analyst wurde. In den Jahren bis zur Pensionierung Henrys wurde das Amt vollkommen durchtechnologisiert und sowohl die innere Infrastruktur wie auch die äußere Anbindung an zentrale Systeme wie Stromversorgung oder das städtische Hilfs- und Kontrollnetz wurde frühzeitig vorgenommen. Dies führte dazu, das aus dem kleinen, beschaulichen und manchmal auf Außenstehende etwas verschlafen wirkende Amt im Laufe der letzten 10-15 Jahre ein zentraler Knotenpunkt wurde, was allerdings sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich brachte.

Auf der einen Seite bedeutete es, das für die Bedürfnisse des Amtes mehr Credits zur Verfügung standen, was sich selbstverständlich auch in einer höheren Mitarbeiterzahl niederschlug (und aufgrund des „LIFO“ Prinzips auch die Jobs der Alteingesessenen sicherer machte). Außerdem sorgte es dafür, der der Amtsleiter eben mehr war als nur eine ausführende Marionette des Bürgermeisters, was gerade im Staatsdienst keine Selbstverständlichkeit war. Allerdings fingen damit die Probleme auch schon an, denn nun ging es sowohl bei den höheren Posten als auch bei der Arbeitsweise nun oft mehr um Politik denn Effektivität.

Ebenso wenig zu verachten waren allerdings auch die baulichen Veränderungen, die vorgenommen worden waren. Architektonisch stellte der neue Flügel, der zumindest von den Veteranen hinter vorgehaltener Hand auch Smaland genannt wurde, einen deutlichen Bruch zum Altbau dar, welcher in seinen rötlich/braunen Ziegeln mehr einem Bauwerk vergangener Jahrhunderte denn einem modernen Verwaltungsgebäude glich. Der Neubau hingegen war eher im neo-viktorianischen Stil erbaut worden, welcher sich vor allem durch viele, auch unXXX Glasflächen ebenso wie Ornamentik aus mehrfarbigem Glas auszeichnete. Auf dem Dach thronten an den hinteren Gebäudeecken die beiden Funkmasten, welche von vorne betrachtet die Figur von Nicola Tesla, welche sich mittig über dem Eingang befand, ähnlich dem Portal einer Kathedrale einrahmte.

Während der Eingang zum Neubau mit seiner hohen Eingangshalle auch nach dem durchschreiten der Eingangstür tatsächlich etwas an einen Sakralbau erinnerte, war spätestens eine Etage darüber ausschließlich die Geschäftigkeit eines Büros anzutreffen.

Das Herzstück des neuen Gebäudes befand sich jedoch im Keller, oft einfach nur Krypta genannt. Hier liefen neben neben den allgemeinen Lagerflächen im ersten KG auch die Leitungen für das neue Rechenzentrum zusammen. Neben dem offensichtlichen Zweck diese vor allzu neugierigen Augen zu verbergen, wurde der Keller als Standort für die beachtlichen Serverfarmen ausgewählt, da hier der Kühlungsbedarf im Vergleich zur Oberfläche geringer war. Die Server dienten hauptsächlich den zwei Zwecken, das Infrastrukturnetz zu steuern und zu überwachen und DIANA einen Rückzugsort zu geben. DIANA war die „digitale und integrative Auskunft nach A009“ und der ganze Stolz der Verwaltung von New Lindsborough. Dieser virtuelle Avatar vernetzte einerseits die gesamte Stadtverwaltung (d.h. der Nutzer konnte z.B. vom Finanzamt direkt auf die Dienste des Rathauses zugreifen und umgekehrt) und andererseits erlaubte die flexible Programmierung auch, das DIANA direkt die Kundenberatung übernehmen konnte.

Heute schritt Elias durch die Vorhalle des alten Gebäudeteils und wurde etwa ab der Mitte durch einen Avatar von DIANA begrüßt, welcher sich aufgrund der in den Wand eingelassenen Holoprojektoren überall im Gebäude manifestieren konnte. Das Aussehen von DIANAs Avatar passte sich den Wünschen der interagierenden Person an, so das es ohne Probleme mehrere, komplett unterschiedlich aussehende Avatare in eimem Raum geben konnte, wenn verschiedene Personen gleichzeitig mit DIANA interagieren. Das Ziel dieses Prozesses war, die Schwierigkeit eines Verwaltungsvorganges nicht noch zusätzlich dadurch zu erhöhen, das der Antragsteller Vorbehalte aufgrund des Aussehens gegenüber dem Beamten hatte. DIANA konnte aufgrund des Scans der Hirnwellen, welche jede Person unweigerlich bei jedem Denkvorgang aussandte, feststellen, welches Aussehen der jeweiligen Person sympathisch wäre.

 

Der Avatar, welcher Elias heute begrüßte, war eine wohlproportionierte Dame von etwa 1,80m, die er, wenn Sie aus Fleisch und Blut gewesen wäre, auf etwa Ende 20 geschätzt hätte. << Guten Morgen, Verwalter Walker. Wie geht es ihnen? Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein? >> Elias erinnerte sich daran, das er durch seinen RFID Chip, welcher er im Pass trug, jederzeit identifiziert werden konnte und fragte sich wie schon so oft was geschehen würde, wenn er seinen Pass mir dem seiner Frau austauschen würde. Wäre die KI in der Lage, den Unterschied im Bezug auf Größe und Gewicht zwischen den Daten im Ausweis und der ihn führenden Person zu erkennen oder nicht? Er nahm sich wie schon so oft vor dieses Experiment irgendwann mal durchzuführen. Es begann zu schmunzeln, als er DIANA im Öffentlichkeitsmodus reden hörte. Für Kommunikation mit den Mitarbeitern hatte DIANA zwei verschiedene Modi: „Intern und Extern“ oder „Öffentlich und Privat“. Der private Modus war allerdings ausschließlich in den Büroetagen, in denen keine Kunden Zutritt hatten, aktiviert und ermöglichte es DIANA neben der Funktion als Empfangsdame und Mädchen für alles auch als Psychiater tätig zu werden. Mit dem Sprachbefehl <> konnten die Mitarbeiter dafür sorgen, das die folgenden Informationen in der Datenbank mit einem Geheimnisvermerk versehen wurden, was es DIANA unmöglich machte, in folgenden Gesprächen darauf zuzugreifen, es sei denn der Nutzer verlangte explizit danach. Die Aktivierung dieser speziellen Form des privaten Moduses war nur aus diesem heraus möglich und fand ebenso eine automatische Deaktivierung statt, wenn in den öffentlichen Modus gewechselt wurde. Gerade diese Funktion hatte DIANA im Amt zu so etwas wie der vielzitierten „Guten Seele“ werden lassen und dazu beigetragen, die anfängliche Skepsis gerade von vielen der älteren Mitarbeiter, sehr schnell abzubauen. <<Guten Morgen DIANA, mein Tag war bis jetzt sehr gut. Verlaufen alle Aufgaben nach Plan?>> fragte Elias. <<Selbstverständlich. Alle Prozesse laufen in den als unkritisch definierten Parametern. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?>> Elias verneinte rasch, ging weiter und der Avatar zerfloss rasch vor seinen Augen. Da er wußte, wozu DIANA fähig war, schmerzte es ihn sie so eingeengt, ja fast verkrüppelt zu sehen.

Er ging die lange, weite Halle hinab, welche an den Seiten neben den Säulen von verschiedenen Statuen und Gemälden aus vergangenen Zeiten eingerahmt wurde. Er ging in das sich an der Stirnseite befindende Treppenhaus und stieg in Stufen in den Keller hinab. Während er im ersten Kellergeschoss die klassische Ausgabe des Archivs betrachtete, würde ihn im 2.UG eines der größten Frischwasserreserven der Stadt erwarten. In seiner Anfangszeit wurde er oft von seinem alten Freund Hans Tschelkov in die Zisterne mitgenommen und obwohl die beiden Männer komplett unterschiedliche Funktionen gehabt hatten, waren sich die beiden von Anfang an sympathisch gewesen. Hans war ein Wasserwerker klassischer Ausbildung gewesen, dem Rohre und Ventile deutlich mehr zusagten als Tabellen und Statistiken, während Elias das genaue Gegenteil davon darstellte. Die beiden hatten sich während dessen Führung durch die Zisterne kennengelernt, denn Henry war der Meinung gewesen, das jeder Mitarbeiter des Amtes zumindest einmal in seinem Leben das gesamte Amt gesehen haben sollte, um so auch die Probleme und mit Abstrichen auch die Sichtweisen des anderen verstehen und im Idealfall in seine Arbeit einbauen zu können. Aus diesem Grund gab es für alle Neulinge bis heute die komplette Führung von den Antennen des Dachs bis hin zu Archiv und Zisterne im Keller, egal ob technisches Personal oder Manager. Obwohl (oder gerade weil) Hans damals schon stramm auf die 50 zuging, sah er in Elias jemanden wie den jungen Hans, wenn dieser eine Generation später geboren worden wäre. Von diesem Tag an war Hans sein Mentor und Freund geworden.

Elias lächelte in sich hinein, betrachtete die scheinbar endlosen Reihen Aktenordner und beendete seinen morgendlichen Rundgang durch die Krypta um durch das Treppenhaus sein Büro zu erreichen und mit dem täglichen klein-klein des Direktors des Amtes für Wasser- und Transportwesen zu beginnen. Doch heute sollte alles anders werden...

Impressum

Texte: Kai Pfannebecker
Bildmaterialien: Kai Pfannebecker
Tag der Veröffentlichung: 18.08.2013

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