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„Guten morgen Schatz“. Während die Worte wie jeden Morgen mit der selben überzeugenden Intensität aus ihrem Mund kamen, nahm sie den Kaffeebecher von Rob um ihm die erste Tasse Kaffee dieses Tages einzuschenken. „Morgen“, ertönte es mit einer blassen, heiseren Stimme. Er nahm die Tasse, die nun auf dem Küchentisch stand in die Hand und trank einen beherzten Schluck. „Ich muss heute etwas länger arbeiten, die Leute in der Firma haben eine neue Entwicklungstechnik, wir fertigen heute ein erstes Model an“. Nun klang seine Stimme kräftiger genauso wie man sie bei ihm erwarten würde, hätte er noch nie mit einem selbst geredet. Mit dem Blick auf den Boden gerichtet, nickte Susi einmal steif und drehte sich zu der Kaffeemaschine. Für Ihren Mann war es der Alltag und nach Susi´s Empfinden war es Ihm durch die vergangenen Jahre auch nicht schwer gefallen seine Arbeit, als eine völlig normale einzustufen. Auch wenn seine Arbeit ihr nicht zusagte, liebte sie ihn dennoch. Denn es war seine Art, die Kunst sie mit Worten genau da zu berühren, dass sie über alles hinweg sehen konnte.
Rob war morgens schon immer in Eile gewesen, manchmal konnte man ihn mit einem kleinen Kind vergleichen der stöhnend und bettelnd im Bett lag und die Mutter um ein paar Minuten Aufschub anbettelte. Susi hatte sich eine Weile die Mühe gemacht, dies mit Rücksicht und Vernunft zu betrachten, jedoch war Sie nun schwanger und machte sich bereits jetzt darüber Gedanken, wie es doch wäre 2 Kinder quängelnd im Bett vorzufinden. Dieser Gedanke reichte aus um Rob zwar mit Rücksicht zu begegnen, jedoch hatte die Vernunft für sie einen höheren Stellenwert erlangt und sie weckte ihn seitdem bloß noch ein einziges Mal am Morgen.
Dies hatte zu Folge, dass er zwar allein aufstand jedoch solange dafür brauchte, dass er vor der Arbeit kaum Zeit fand sich mit Susi zu unterhalten. Manchmal war es sogar so spät, dass er ihr morgens nicht einmal einen Blick zuwarf bevor er mit den hastigen Worten „Morgen und bis später“ durch die Haustür verschwand. Seine Arbeit raubte ihm viel Zeit und mitlerweile war das nicht nur noch für ihn ein Verlust sondern auch für Susi. Manchmal wagte sie es sich garnicht auszumalen wie es wohl sein würde wenn das Kind erst da wäre. Man würde denken können eine harmonische Familie anzutreffen aber der Vater würde das eigene Kind kaum auf der Straße erkennen. „Darling heute Abend, nimm dir bitte nichts vor. Ich werde zwar spät nach Haus kommen, dafür verspreche ich dir wirst du den Abend nie vergessen“. Er lächelte sie dabei so voller Zuversicht und liebevoll an, dass Ihr einmal wieder klar wurde, dass er es immer wieder fertig brachte, sie zu besänftigen, gleich wie erschüttert oder verärgert sie auch sein mochte.
Der Tag verlief für Susi eigentlich immer gleich, sobald Rob das Haus verlassen hatte.
Zunächst trank sie eine von dem zuvor gekochten Kaffee, auch wenn sie sich jedesmal vornahm dies nicht mehr zu tun, nachdem sie von der Schwangerschaft erfahren hatte.
Es war schwierig für sie jedem Tag mit neuem Elan zu begegnen es war generel schwierig geworden in dieser Welt irgendwas mit Frohsinn zu betrachten.

Rob stieg aus seinem Auto. Jedes Mal wenn er die Fahrertür mit einem Schwung zufallen ließ bedauerte er den Anblick seines Wagens. Der silberne Combi sah alt und gebrechlich aus. Wenn man genau hinsah fanden sich unzählige Kratzer im glänzenden Lack. Öffnete man die Kofferraumtür, so ertönte ein quälendes Quietschen und man hatte das Gefühl, das selbst das Auto um seinen Zustand bestens bescheid wusste. Die Sitze waren ausgefranzt und der Stoffbezug hatte seine Farbnuance mit Sicherheit bereits mehrere Male gewechselt. Es war für Ihn das Sinnbild der Ungerechtigkeit. Rob hatte soviel in seinem Leben geleistet. Das redete er sich jeden Tag von neuem ein, um nicht zu verzweifeln. Er war ein Mann der zielstrebig und Karriereorientiert war und das war er wirklich. Er war ein Mann der zwar jeden Morgen Probleme mit dem Aufstehen hatte, jedoch nie zu spät zur Arbeit erschien. Seine Uhr ging immer ein paar Minuten vor, sodass er im schlimmsten Fall lediglich pünklich kam. Er war in den letzten Jahren niemals krank gewesen, er würde eine Grippe lieber zu verheimlichen versuchen, als dies als Grund für einen ausgelassenen Arbeitstag zu akzeptieren.
Man könnte sagen, dass Rob geradezu vernarrt in seine Arbeit war. Selbst seine Urlaubstage, die sich in den letzten Jahren angesammelt hatten, fingen langsam an zu verfallen. Bis auf die wenigen Tage zu Weihnachten nutze er keinen Einzigen von Ihnen.
Und so stand er jeden Morgen dort und dachte genau darüber nach. Es war ein Trugbild. Dieses Auto stand für etwas das er nicht war. So zweifelte er in letzer Zeit immer häufiger daran, dass es richtig war was er tat. Das mikrige Gehalt sollte dafür nicht der alleinige Grund sein.

In seinem Beruf waren Diskretion und Einfallsreichtum ein wichtiger Aspekt. Vielleicht war es die Tatsache, dass dies völlig zusammenhangslos erscheinenden Vorraussetzungen waren ,die ihm den Anreiz gegeben haben sich daraufhin zu bewerben.
Damals wusste man nicht viel über dieses anfangs sehr kleine Unternehmen. Und wenn jemand etwas darüber wusste, konnte man sich sicher sein, dass er für das Unternhemen arbeitete. Wie bereits erwähnt, war es ein Grundsatz, die Dinge die sich in diesen Räumlichkeiten ereigneten, für sich zu behalten. Schon oft hat Rob erleben müssen, wie reihenweise Mitarbeiter des Unternehmens ausgeschlossen worden sind, weil sie der Frau, dem vertrauenserweckenden Nachbarn oder der demenskraken Schwiegermutter etwas darüber berichtet hatten. Oft waren es bedeutende Mitarbeiter gewesen, die genauso wie Rob breits viele Jahrzente Zeit und vorallem Kraft aufopferten. Er wusste zwar nicht immer wie dies herraus kam, jedoch wusste er, dass sein Arbeitgeber über genug Einfluss und Macht verfügte um sich darüber keine Gedanken machen zu müssen.
Als ihm dieser Gedanke auf dem Weg zum Eingang überfiel, musste er kurz schmunzeln. Es klang beinahe überzogen und lachhaft einem Unternehmen soviel Prestige zuzuschreiben. Als er vor der gewaltigen vergläserten Eingangstür stand und den Namen Resurrection Company in stattlichen gold-matten Buchstaben vor sich aufleuchten sah, verflüchtigte sich jedoch das Schmunzeln auf seinen Lippen so schnell wie es gekommen war. Er griff mit einem unbehaglich, einschüchterndem Gefühl nach dem Griff der Eingangstür und betrat die sterile, fulminante Eingangshalle.

Susi blieb noch eine Weile auf dem alten Ohrensessel sitzen und hielt dabei die Kaffeetasse fest umschlossen in ihren Händen. Für sie war der Alltag schon lange trist und einsam geworden. Rob sagte oft, wenn er wieder mal später von der Arbeit kam, dass sie sich Menschen suchen sollte, mit denen sie sich unterhalten und etwas unternhemen konnte. Er sagte dann immer sie sollte einen Buchclub oder "sowas" gründen. Oder "sowas" sprach sie leise aus als sie daran denken musste und schnaupte dabei kurz. Er hatte keine Ahnung wie es war in einem nie enden wollenden Zyklus zu verharren. Rob hatte ihr angeboten eine Putzhilfe einzustellen, die ihr dabei half den Haushalt zu bewältigen, während sie sich um den "Buchclub" kümmern könnte.So hätte sie mehr Zeit für sich, sagte er. Was Rob nur nicht verstand war, dass Zeit keine Rolle spielte, es war in ihren Augen sogar noch viel schlimmer, sollte sie in Zukunft noch mehr davon haben.
Sie richtete sich auf und sah durch das Wohnzimmerfenster auf die Veranda. Die Zeitung lag bereits dort und sie entschloss sich einen Blick hineinzuwerfen. In der Regel tat sie dies nicht sonderlich oft, auch Fernsehen war für sie unerträglich geworden. Man musste nur eine beliebige Zeitschrift aufschlagen oder einen zufällig gewählten Sender einschalten. Wenn es nach ihr ging war das alles eine riesige Lüge. Die Moderatoren schwafelten von Glück und taten fröhlich und das ganze immerzu. In jeder Zeitschrift warb man mit übertrieben gestaltenen Werbeanzeigen für Freizeit und Alltagsfüllern. Man konnte ja soviel erreichen und erleben, wo doch jetzt alles anders und besser war.
Sie lies sich nun wieder auf den Sessel fallen und klappte die Zeitung auf. Der Wirtschaftsteil war immer der selbe es änderte sich kaum etwas. Es waren immerzu die selben Menschen die erwähnt wurden und es waren auch immer die gleichen Problematiken betitelt. Rob und sie lebten schon seit langer Zeit in einem kleinen Vorrort von Massachusetts in dem nicht viel geschah und es die meiste Zeit sehr ruhig verlief. Sie blätterte und entschloss sich den Ortsteil zu lesen. Dort stand unter anderem auch, dass ein neues Einkauszentrum für die umliegenden, ebenfalls kleineren Orte errichten werden soll um die Ortschaft lebendiger zu machen. Ein paar Zeilen weiter hörte sie auf zu lesen und blätterte weiter. Es gab wie immer nichts Neues oder irgendetwas, dass sie dazu motiviert hätte einen Artikel vollständig zu lesen. Sie wollte die Zeitung gerade falten, da las sie unten auf der letzten Seite, eine unbedeutend wirkende Überrschrift " Suizidversuch einer 19- Jährigen". Susi faltete die Zeitung nun so, dass sie den Abschnitt dieses Artikels gut lesen konnte. Weiter stand dort " 19- Jährige versuchte sich in der Nacht zu Donnerstag das Leben zu nehmen. Ermittler vor Ort und die zustänfigen Stellen konnten bestätigen, dass die junge Frau sich mit einer Glasscherbe, einer zerbrochenen Schneekugel in den den Hals gestochen hatte. Sie verfehlte dabei nur knapp die Hauptschlagader. Die Ärzte des Generel Hospitals versuchten sie 2 Stunden ohne Erfolg am Leben zu erhalten." Mehr stand dort nicht. Es war beinahe lachhaft mit welch einer Gleichgültigkeit es dabei belassen wurde. Um ehrlich zu sein hätte in der Tat niemand weitergelsen, da jeder wusste was danach geschah. Susi seufzte kurz und sah dann diese Werbeanzeige direkt unter dem Artikel. Eigentlich war sie kaum zu übersehen, jedoch hatte man sich so sehr an ihr Bild und die Existenz gewöhnt, dass es mitlerweile schwer fiel auf sie aufmerksam zu werden. In einem schwarz umrahmten, langgezogenen Kästchen stand in einem unauffäligen Schriftzug :" Sind sie unzufrieden? Haben Sie sich ein anderes Leben vorgestellt? Wir möchten Ihnen helfen! Besuchen sie uns oder vereinbaren Sie vorab ein unverbindliches Gespräch unter der der Rufnummer 268, hier werden Sie gemacht." Ein kleiner Absatz folgte und darunter stand in kleinen Buchstaben der Name "Resurrection Company". Sie hatte bereits soviele dieser Werbeanzeigen gesehen, gelsen und gehört. Dieser Name war allgegenwärtig, er verfolgte dich auf jedem deiner Schritte. Zwar war der Werbespruch oft abgewandelt und angepasst an die zu bewerbenden Situationen aber die Nummer war immer die Selbe und es lautete immer "hier werden sie gemacht".

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Tag der Veröffentlichung: 16.11.2010

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