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Lauras Blick fiel auf die vielen fertig gepackten Taschen , die den schmalen Vorraum ihrer Wohnung beinahe unpassierbar machten. Endlich war es geschafft, und sie beschloss, rasch zu Bett zu gehen, um fit für den nächsten morgen zu sein. Morgen war ein ganz besonderer Tag…Laura würde zum erstenmal mit ihrem neuen Freund Aaron verreisen. Sie waren nun seit 4 Monaten ein Paar, und Aaron hatte ihr vorgeschlagen, den Sommerurlaub gemeinsam zu verbringen .Laura hatte natürlich sofort zugesagt, denn Aaron war der Mann ihrer Träume, er war ganz einfach perfekt, und Laura war soooo verliebt…..
Laura würde zum erstenmal in ihrem Leben campieren, und sie freute sich riesig.
Sie konnte sich alles schon ganz lebhaft ausmalen…. Zwei Wochen voll Strand, Sonne, das Meer, sie und Aaron vor ihrem Zelt. Sie konnte den beeindruckenden Sonnenuntergang beinahe schon sehen, und wenn sie die Augen schloss, konnte sie spüren, wie Aaron sie küssen würde, so wie nur er es konnte…..


Aaron konnte angesichts der zahlreichen Gepäckstücke ein gewisses Entsetzen nicht ganz verbergen. „Und du meinst du willst das wirklich alles mitnehmen? Ist denn alles davon tatsächlich nötig? Weißt du, Schatz, die Sache ist die, mein Auto, du weißt ja, Fred…er ist nicht gerade riesig, und mit den Sachen für das Zelt usw. ist er schon ziemlich voll. Ich hatte da an eine, maximal zwei Taschen gedacht, aber so viele…ich fürchte, wir haben das nicht Platz.“
Laura sah ihrem Freund ungläubig in seine schwarzen Augen mit den unverschämt langen Wimpern. Seltsamerweise fühlte sie zum erstenmal in ihrer zugegebenermaßen noch nicht lange bestehenden Beziehung so etwas wie Ärger in ihrem Inneren aufsteigen. „Ich habe wirklich nur das Nötigste eingepackt! Das was du hier an Gepäck siehst, muss wirklich mit.“
Wenig später standen sie vor Aarons Mini-Cooper, der tapfer immer noch mehr Gepäckstücke schluckte, und schließlich standen noch 3 Taschen am Gehsteig. „die 3 müssen hierbleiben. Du siehst ja, Fred ist voll.“, sagte Aaron in einem möglichst verständnisvollen Ton.
„Also wenn du mit mir in den Urlaub fahren möchtest, kannst du doch nicht verlangen, dass ich ohne meine wichtigsten Dinge mitkomme. Verstehst du nicht , ich brauch das alles, wir fahren schließlich für 14 Tage weg und nicht nur für ein Wochenende .“
„und was schlägst du vor? Soll ich Fred die Dinger vielleicht aufs Dach binden?“ fragte Aaron mit leicht erbostem Tonfall.
Noch während er diese Worte aussprach, bereute er bereits sie gesagt zu haben, doch es war zu spät. Voll Schaudern versuchte er, sich damit abzufinden, Fred einige unvermeidliche Kratzer auf dessen eigenhändig lackiertem weissen Dach zufügen zu müssen.
Doch was tat man nicht alles für seine grosse Liebe?
Eine Stunde später sah Frau Müller, die nette Nachbarin die versprochen hatte, während Lauras Abwesenheit deren Blumen zu gießen, wie ein bis aufs Dach vollbepackter Minicooper mit einem seltsamen metallenen Geräusch aus der Einfahrt bog und schließlich mit Vollgas davon fuhr.
„Die jungen Leute habens gut, “ dachte sie, „was würde ich jetzt für einen tollen Urlaub am Meer geben.“

Aaron lenkte Fred schweigend in Richtung Süden.
Laura warf ihm immer wieder verstohlene Blicke zu, doch Aaron schien sich zu sehr aufs Fahren zu konzentrieren, als dass er sie hätte bemerken können.
Schließlich schaltete er das Radio ein.
Laura mochte den Sender nicht besonders, aber sie beschloss, nichts zu sagen, um Aaron nicht zu kränken, schließlich hatte er sich sehr um ihr Gepäck bemüht.
„Wow, nun fahren wir also tatsächlich los. Ist das nicht toll?“ fragte sie.
„ja, sehr.“ Sagte Aaron, doch in seiner Stimme schwang eine bestimmte Reserviertheit mit, da war sich Laura sicher.
„Danke, dass du für mich doch noch alles eingepackt hast!“, sagte Laura und deutet Richtung Autodach. Aaron folgte ihrer Geste mit einem kurzen Blick, bevor er sich rasch wieder der Strasse zuwandte, und plötzlich kam ein befreiendes Lachen über seine Lippen, in das Laura sofort erleichtert einstimmte.
„Ist schon ok, Schatz. Dafür wird uns ein traumhaft schöner Urlaub entschädigen…und ausserdem kann ich Fred ja wieder lackieren, wenn wir wieder zuhause sind.“, sagte Aaron fröhlich und großzügig. Die Stimmung im Inneren des Autos wandelte sich schlagartig in Feierlaune, und die beiden fuhren fröhlich weiter.
3 Stunden später befanden sie sich schon ein ganzes Stück weiter südlich, bereits auf italienischem Terrain.
Fred raste tapfer über die Autobahn, „Summer in the City“ tönte aus dem Radio, und Aaron und Laura sangen aus vollem Halse mit. Oleanderbüsche blühten an den Strassenrändern, und wenn man die Augen schloss und ganz intensiv roch, konnte man mit etwas Einbildungskraft bereits das Meer riechen.
Plötzlich hörten sie ein seltsames Geräusch, das selbst ihren Gesang übertönte.
Totock, totock.
„was war das?“ fragte Aaron.
„Ich weiss nicht,halt mal an!“
Totock, totock, machte Fred. Immer lauter wurde das seltsame Geräusch, und Aaron hatte bereits einen Verdacht.
Er fuhr mit Fred auf den Pannenstreifen, brachte ihn zum Stillstand und sprang aus dem Auto.
Laura folgte ihm und sah auch sofort den plattgedrückten rechten Vorderreifen.
„Oh nein, so ein Mist! Wir haben einen platten Reifen!Warum ausgerechnet jetzt?“, rief Aaron. Laura versuchte, ihn zu beruhigen. „Hast du denn ein Reserverad dabei?“
„Ja, aber nur ein kleines. Wir müssen so schnell wie möglich zu einem Reifenhändler. Aber nun müssen wir erstmal das Reserverad montieren…oh nein!“
Aaron stand vor Freds vollgestopftem Kofferraum. „das Rad ist ganz unten drin…unter all dem Zeug!“
Kurzentschlossen begann Laura, alles Gepäckstücke auszuräumen , und schon bald lagen eine Menge Taschen, Koffern, Zeltteile bzw. Campingzubehör ganz in der Nähe des Strassengrabens.
Triumphierend öffnete sie das Aufbewahrungsfach für das Reserverad….und konnte kaum glauben, was sie da sah. Anstelle von Werkzeug und Reserverad fanden sich ein Cd-Radio mit Cds und eine Flasche Champagner mit 2 in Karton eingepackten Sektgläsern wieder.
„oh, Mist, ich hab ganz vergessen, das war für unseren ersten Urlaubsabend gedacht….ich wollte mehr platz schaffen, und dachte, das Rad lass ich daheim.Toll, toll, toll!“
„Und was machen wir jetzt?“ fragte Laura bang.
„Wir müssen jemanden anhalten der uns zum nächsten Reifenhändler bringt!“, sagte Aaron und versuchte, zuversichtlich zu klingen.
„Die Italiener sind sehr gastfreundlich, das wird kein allzugrosses Problem sein,“ setzte er nach, als er Lauras besorgten Blick wahrnahm.
„Aber wir sind mitten auf der Autobahn. Es wird schwierig werden, jemanden anzuhalten. Vielleicht sollten wir versuchen, die nächste Tankstelle zu Fuß zu erreichen?“,warf Laura ein.
„Vielleicht hast du recht,“ rief Aron laut, um den Lärm der nahe an ihnen vorbeirasenden Autos zu übertönen. „Aber zuerst müssen wir das ganze Zeug wieder in den Kofferraum verfrachten.“
Im selben Moment bremste ein Polizeiwagen ab und begab sich auf den Pannenstreifen, wo er nicht weit vom Mini-Cooper entfernt stehenblieb.
Zwei Carabinieri kamen auf das Paar zu, und sie wurden von einem italienischen Wortschwall überschüttet.Der ältere der beiden, der sehr streng wirkte und durch eine große Hakennase atmete, deutete streng auf die Champagnerflasche und schien sich mit seinem jüngeren Kollegen über die Notwendigkeit eines Alkoholtests zu unterhalten, doch dieser winkte überlegen lächelnd ab und schien sich plötzlich wieder seiner Englischkenntnisse zu erinnern.
Schließlich hatten Laura und Aaron es geschafft, teilweise in Englisch und einigen mühsam zusammengekratzten italienischen Phrasen ihre Notlage zu erklären.
„I am Alfredo“, sagte der Jüngere der beiden, „and we will help you. Please get into our car, we`ll bring you to the next petrol station.“
„But we have to bring a charge, because of driving without spare wheel.“,sagte der Ältere in fast perfektem Englisch mit einem Lächeln, als hätte er ihnen eben angeboten, ihren Urlaub in seiner Villa mit Pool zu verbringen. Laura und Aaron sahen sich an.

Als Frau Müller am nächsten Tag die Tür öffnete, um in der Wohnung ihrer Nachbarin nach dem rechten zu sehen, erwartete sie ein seltsames Bild:
Mitten im grossen Wohnzimmer stand ein kleines zelt, aus dem rhythmisches Schnarchen drang. Ungläubig starrte Frau Müller auf die Zeltplane, als sich plötzlich der Reisverschluss öffnete und Lauras Kof im Zelteingang erschien:
„Oh, Frau Müller, guten morgen, ich hab vergessen, Sie anzurufen! Vielen Dank für ihre Mühe, aber ab sofort brauchen Sie meine Blumen nicht mehr zu gießen. Aaron und ich haben beschlossen, unseren Urlaub lieber zu hause zu verbringen.“
Frau Müller schüttelte ihren Kopf und ohne nach dem Warum zu fragen verließ sie Lauras Wohnung, nicht ohne ein Schmunzeln.
Laura schlich in die Küche und bereitete ein gutes Frühstück zu. Fred aber stand erleichtert im Hof und genoss seine wiedergewonnene Leere.


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Texte: Alle Rechte liegen bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 23.06.2009

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