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Englische Fußballfans

Was wurde und wird in unseren Medien nicht alles über englische Fußballfans geschrieben.

Und der Tenor, der beim deutschen Konsumenten ankommt, ist der, dass das ja alles Hooligans sind.

Es begab sich nun im Jahre 2006, dass ein ganzes Rudel Fußballfans aus der englischen Stadt Liverpool in dem Hotel in Nürnberg einquartiert war, in dem ich als Nachtportier arbeite.
Denn der FC Everton hatte ein Europaligaspiel in Nürnberg, damals hieß das allerdings noch UEFA-Cup.
Das Rudel, etwa 25 trinkfreudige Engländer, war schon am Abend vor dem Spiel da – und sie glühten so richtig vor. Will heißen, sie gaben sich alle Mühe, die Hotelbar trocken zu trinken. Nun dies gelang ihnen nicht, dennoch legten sie eine Trinkfreude und eine Schlagzahl bei derselben an den Tag, die mich, der ich nun auch wirklich etwas vertrage, in Verwunderung, ja fast schon Erschrecken versetzten.
Sie hielten mich also sehr in Bewegung, weil sie ihr Bier und ihren Schnaps sehr schnell vertilgten und dies anscheinend den Durst nur anfachte. Zum Schnaps muss ich noch bemerken, dass sie alle Sorten tranken, nur irischen sowie amerikanischen Whisky nicht – aus Gründen nationalen Stolzes, wie mir einige erklärten.
Als sie dann, weit nach Mitternacht, immer lauter wurden, zog ich den Kopf ein und sagte laut: „Last order Gentlemen“.
Von deutschen Gästen war ich seither gewöhnt, dass bei derartigen Ansagen Protest kamen, oder die einfache Antwort, das läuft sich nicht – aber meine Endländer sagten nur ok, bestellten sich jeder noch zwei Biere auf's Mal, die meisten von Ihnene noch einen mehrstöckigen Schnaps, danach zahlten sie und wankten auf ihre Zimmer.

Tag Zwei: Schon ab dem späten Nachmittag, also kurz, nachdem ich aufgestanden war, hatte mich eine gewisse Nervosität beschlichen. Meine innere Leinwand spielte mir die ganzen mediengeschürten Filme vor, die von agressiven englischen Fußballfans handelten, deren Team verloren hatte.
So beschloss ich, der eigentlich aus der Kirche ausgetreten ist, ab sofort an den Fußballgott zu glauben und flehte selbigen an, der englischen Mannschaft mindestens ein Unentschieden zu gewähren.
Ich hatte dann auch schon ab frühabends das Internet mit dem Sportliveticker an, und zwar schon zwei Stunden, bevor das Spiel überhaupt begann.

Mit sehr hohem Puls fuhr ich dann mit der U-Bahn zu dem Hotel, in dem ich arbeite, laut Internet stand das Spiel noch 0:0, als ich aus dem Haus ging.
Im Hotel angekommen, in dem noch nicht ein einziger Engländer zurück war, machte ich gleich das TV-Gerät an – und zu meiner unendlichen Erleichterung hatte der FC Everton gewonnen.
Ich meine: Sorry FC Nürnberg, aber ich will leben!!!
So nach und nach kamen sie dann, in allerbester Laune und in sämtlichen Stadien der Trunkenheit. Fast jeder hatte eine eher mehr als weniger leere Flasche Jim Beam unter den Arm geklemmt – keine Rede mehr davon, dass der englische Stolz das trinken amerikanischen Verschnittschnapses nicht zulässt.
Und keiner, nicht ein einziger mehr wollte Bier aus der Hotelbar. Dafür nahmen sie literweise Cola mit, um auf ihren Zimmern noch eine gepflegte Nachbetrachtung des glorreichen Sieges vorzunehmen.
Geneigter Leser, was soll ich sagen – ich gönnte es ihnen.
Doch einer der englischen Recken fehlte noch.
Der kam dann gegen 03:30 und wollte mit seiner halbgefüllten Flasche Jim Beam direkt in die Hotelbar durchstarten, mein Hinweis, dass selbige schon geschlossen sei, bewog ihn dann jedoch, in Richtung seines Zimmers zu gehen.
Dies jedoch stellte sich als nicht ganz einfach heraus, denn um zum Aufzug zu gelangen, muss man erst neun oder zehn Stufen erklimmen.
Das stellte meinen Engländer erst mal vor ein größeres Problem: grübelnd stand er vor der Treppe, anscheinend in konzentrierter Berechnung, wie dieses Problem zu lösen sei.
Nach circa zwei Minuten sagte er triumphierend Yeah, klemmte sich den Flaschenhals zwischen die Zähne, begab sich zu Boden und krabbelte die Stufen auf allen Vieren empor. An der vorletzten Stufen dann ergriff er das Treppengeländer, zog sich mit beiden Händen daran empor und gab sich einen beherzten Vorwärtsschwung.
Vom eigenen Schwung getragen lief, nein eher torkelte er, gleich einer schlecht gespielten Billardkugel, im Zickzack den Gang entlang, wobei er immer wieder links und rechts an der Wand anstieß, merkwürdigerweise traf er nicht ein Mal an einer Zimmertür auf, was mich vermuten ließ, dass er diese Übung nicht zum ersten Male durchführte.
Leider kam er nicht beim Aufzug an, der geradeaus in Laufrichtung war, sondern sein letzter Zickzackschritt ließ ihn nach links taumeln – und links vom Aufzug ist eine Toilette.
Ich hatte dies alles mit fassungslosem Staunen beobachtet, als dann aus der Toilette ein ziemliches Gezeter zu hören war.
Dies bewog mich dann doch, meinen sicheren Platz an der Rezeption zu verlassen und nachzusehen, was den betrunkenen englischen Fußballfan so aus der Fassung gebracht hatte.
Nun er stand in der Toilette, machte ständig den Lichtschalter an und aus und beschwerte sich bei meinem Anblick heftigst – der Aufzug bewege sich kein bisschen und das Licht sei auch kaputt.
Mit einem unerschütterlichen: May I help you Sir hakte ich ihn unter, führte ihn zum Aufzug und brachte ihn in sein Zimmer.
Die Jungs kamen alle am folgenden Morgen noch vor Ende meiner Schicht, da sie einen frühen Flug hatten und fast alle sagten beim zahlen zu mir: I apologize. Ich sagte jeweils: no problem all is ok und dachte mir: warum entschuldigen die sich alle – so schlimm war das ja nun auch nicht.

Dies enthüllte sich mir dann zwei Tage später, als eine unserer Azubinen sich bei mir beklagte: „Weißt du, die haben fast alle in die Dusche gekotzt!“ Ich konnte ihr nur sagen, dass dies schon eine gute Leistung war, nachdem der Zustand anscheinend zu heftig war, um die Kloschüssel noch treffen zu können – sie hätten in diesem Zustand durchaus auch mitten ins Zimmer kotzen können.

Was ich in diesen beiden Nächten lernte: die englischen Fußballfans sind auch nicht schlimmer oder besser als die anderer Nationen, doch sie trinken in Dimensionen, bei denen die meisten Anderen außen vor bleiben.

Ich hätte jedoch mitten ins Zimmer gekotzt!

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Tag der Veröffentlichung: 18.11.2010

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