Leseprobe: Teil 1
DIE HELDEN DER FREIZEIT
Garantiert spannend
Roboter machen Spass und beflügeln unsere Fantasie.
Plüschdinos stapfen neugierig durch unsere Wohnungen, Baukästen laden zum Schrauben und Programmieren ein und monströse Zerstörer verbreiten in Filmen Angst udn Schrecken.
SPIELROBOTER: Ein Dino auf Entdeckungstour
Normalerweise ist Pleo vergnügt und neugierig. Er schlendert herum und schaut, was so los ist. Er kann aber auch anders sein: verspielt oder ängstlich, traurig oder böse. Pleo ist das wohl ungewöhnlichste Kuscheltier, das es zurzeit gibt, denn Pleo hat eine eigene Persönlichkeit. Damit gehört er zu einer neuen Generation von Spiel- zeugen, die man nicht fernsteuern muss, sondern die von sich aus etwas tun und die reagieren, wenn andere etwas mit ihm machen. Das scheint anzukommen: Allein in den USA wurde Pleo schon 80 000-mal verkauft.
Der etwa 50 Zentimeter hohe, eineinhalb Kilo schwere Spielzeugdino kostet ungefähr 260 Euro. Das ist viel für ein Kuscheltier, aber wenig für eine »kleine Sensation«, die er für einen Journalisten der Zeitschrift Wirtschaftswoche ist. Pleo sei der erste bezahlbare Serienroboter, der nur Vergnügen bereiten soll. »Damit«, so der Journalist, »erreicht das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine eine neue Qualität.«
Eine Reporterin der Nachrichtenagentur Reuters, die Pleo auf der Elektronikmesse CeBit in Hannover kennenlernte, glaubt sogar, dass solche Spielzeuge eines Tages den Hund als besten Freund des Menschen ablösen könnten. Und sie scherzt: »Haustiere, ihr seid gewarnt!«
Pleo ist ein Dinosaurierbaby, und zwar der originalgetreue Nachbau eines frisch geschlüpften Camarasaurus. Er verhält sich so, wie man es von einem Tierbaby erwartet: Wenn er traurig ist, weil man vielleicht länger nicht mit ihm gespielt hat, sollte man ihn auf den Arm nehmen und streicheln. Das besänftigt ihn: Er schließt die Augen, kuschelt sich an und schläft ein. In welcher Stimmung er sich befindet, verrät seine Körpersprache: Er plinkert mit den Augen, schlägt mit dem Schwanz, hält den Kopf schief, duckt sich und streckt die Beine. Außerdem stößt Pleo Laute aus, wie man sie aus Dinofi lmen kennt: Er röhrt und brüllt, er fiept und jault.
Der kleine grüne Kerl kann Dinge erforschen, sich hinlegen, eine bedrohliche Tischkante im Blick behalten, in ein Blatt beißen und daran ziehen. Er kann sogar auf- passen, ob jemand in der Wohnung ist. Ihn aufzufordern, solche Dinge zu tun, hat aber keinen Sinn, denn Sprache versteht er nicht – das wäre von einem Dinosaurier auch ein bisschen viel verlangt.
Man muss ihn stattdessen an bestimmten Körperstellen anfassen: Damit er zum Beispiel etwas erforscht, muss man ihn an beiden Vorderbeinen für drei Sekunden drücken. Damit er sich hinlegt, muss man für zehn Sekunden eine Hand auf seinen Rücken legen. Und damit er in den Wachhund-Modus wechselt, muss man sogar vier Körperstellen gleichzeitig berühren.
Pleo will spielen.
Dass Pleo so lebendig wirkt, verdankt er einer Menge Technik: Unter seiner weichen, beweglichen Haut verbergen sich knapp 2000 Einzelteile, 14 Motoren und 38 Sensoren: Mit seiner Videokamera, den Tast-, Beschleu- nigungs- und Gleichgewichtssensoren sowie dem Mikrofon kann er gehen, sehen, fühlen und hören. Seine Persön- lichkeit wird von einem speziellen Programm gesteuert.
Obwohl Pleo so viel kann, sind seine Möglichkeiten letztlich doch begrenzt. Damit aber keine Langeweile aufkommt, kann man Pleo neu programmieren. Dafür hat er auf der Unterseite einen USB-Anschluss und einen Schlitz für eine Memory-Card. Auf der Homepage von Pleo, der PleoWorld, gibt es Programm-Updates des Herstellers und Zusatzprogramme, die Fans von Pleo selber geschrieben haben. Und die Fangemeinde ist ziemlich groß: Auf PleoWorld sind fast 30 000 Mitglieder registriert, knapp 1000 kommen aus Deutschland.
Wenn man etwa das Halloween-Zusatzprogramm lädt, verhält sich der sonst so liebe Pleo unberechenbar und stößt gruselige Laute aus. Oder mit dem Pleosaurus-Rex -Programm entdeckt er seine wilde Seite und verbreitet Angst und Schrecken – soweit das einem Dino-Baby eben möglich ist.
Der Hersteller unterstützt solche Aktivitäten der Fans nach Kräften und stellt deshalb eigene Programme ins Netz, die es einem leichter machen, eigene Erweiterungen für Pleo zu schreiben. Möglich ist dabei alles, behauptet der Hersteller: »Die Liste von Tricks, die Pleo lernen kann, ist so lang wie deine Vorstellungskraft.«
EIN BABY FÜR DIE ÄLTESTEN
Beinahe so ausgefeilt wie Pleo, aber noch kuscheliger ist das Robbenbaby Paro. Wird Paro schlecht behandelt, heult er, wenn man ihn herzt, zeigt er Freude. Wird er gerufen, wendet er seinen Kopf in die Richtung, aus der der Ruf kommt.
Ist er hungrig, muss man ihn über einen speziellen Schnuller, der mit der Steckdose verbunden ist, mit Strom füttern. Die weiße Robbe mit ihrem plüschigen Fell ist aber nicht für Kinder gedacht, sondern für Menschen im Alters- oder Pfl egeheim – er ist ein sogenannter therapeutischer Roboter. Paros Fell lässt sich leicht pflegen, und die Elektronik in seinem Inneren ist so abgeschirmt, dass auch Menschen mit Herzschrittmachern keine Angst haben müssen, dass ihr Gerät aus dem Takt kommt. In Alten- heimen leistet die Robo-Robbe tatsächlich gute Dienste, wie Versuche in Japan und anderen Ländern gezeigt haben: Die alten Menschen haben mit Paro etwas, das sie beschäftigt und anregt. Sie können die Robbe streicheln und sich um sie kümmern. Dadurch werden die Menschen zufriedener, sie sind weniger aggressiv und bleiben länger geistig fit.
Die Befürchtung, dass die alten Menschen dann seltener etwas mit anderen Menschen zu tun haben wollen, hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil, sie reden sogar mehr miteinander, denn Paro ist ein prima Gesprächsthema. Insgesamt hilft Paro den Menschen also, wieder etwas mehr am Leben teilzunehmen. Auch Altenheime in Deutschland testen den Roboter bereits.
Kuschelst du mit mir?
Dauerschmuser Paro braucht viel Liebe.
EIN HUND, DER MÄNNCHEN, ABER KEINE HÄUFCHEN MACHT
Ähnlich gute Ergebnisse haben Versuche in den USA mit Roboterhunden gebracht: Heimbewohner fühlen sich mit ihnen weniger einsam. Das Erstaunliche dabei war, dass die künstlichen Hunde genauso gut abschnitten wie echte Hunde, die zum Vergleich mitgetestet wurden. In der Praxis sind lebende Pudel und Dackel aber keine wirkliche Alternative: Tiere bleiben immer ein wenig unberechenbar, und sie können auch hygienische Probleme mit sich bringen.
Einer der beiden getesteten Roboterhunde war Aibo. Er ist so etwas wie der Urvater der selbstständigen Spielzeuge – Pleo und Paro wären nicht möglich gewesen ohne den Roboterhund der Firma Sony. Aibo war bei seinem ersten Auftritt im Jahr 1999 eine riesige Sensation. Einen mechanischen Hund, der laufen, bellen und mit dem Schwanz wedeln konnte, hatte es vorher noch nicht gegeben. Er war allerdings so teuer, dass er als Spielzeug höchstens für die Kinder aus reichen Familien in Frage kam. Dafür war Aibo für Forscher umso interessanter: Sie brauchten sich nicht die Mühe zu machen, einen eigenen Roboter zu bauen, um Dinge wie Bewegungsabläufe und Teamarbeit studieren zu können, sondern sie kauften sich einfach einen Aibo und programmierten ihn neu.
Fass!
Wie jeder Hund jagt Aibo gerne Bällen nach.
Aibo hat inzwischen ausgebellt – Sony baut ihn nach 150 000 verkauften Exemplaren seit März 2006 nicht mehr. Auch bei den jährlichen Fußballweltmeisterschaften der Roboter, dem RoboCup, hatte Aibo 2008 in China seinen letzten Einsatz.
Beim RoboCup 2009 in Österreich wurde Aibo von dem
zweibeinigen Roboter Nao abgelöst. Beim RoboCup gibt es einen eigenen Wettbewerb, in dem Mannschaften aus Robotern desselben Typs gegeneinander antreten: also früher Aibos gegen Aibos und heute Naos gegen Naos. Besonders spannend sind diese Wettkämpfe für die Forscher, weil dabei alle Teams dasselbe Robotermodell verwenden und deshalb am Ende nicht die besten Bastler, sondern die besten Programmierer gewinnen.
ZWEI KLUGE EIERKÖPFE
Während der niedliche Pleo und die Kuschelrobbe Paro vor allem Gefühle wecken und Freude machen sollen, ist PaPeRo, der Personal Robot, ganz auf Kommunikation programmiert – er ist sozusagen der Intellektuelle unter den mechanischen Hausgefährten. Mit PaPeRo wollen die Entwickler der japanischen Firma NEC herausbekommen, was es eigentlich heißt, mit einem Roboter zusammen- zuleben. Deshalb haben sie sich auf PaPeRos Innenleben konzentriert und Fähig keiten wie gehen und greifen beiseitegelassen. Auch in seinem Aussehen haben sich die Entwickler ganz auf das Wesentliche beschränkt. Der fünf Kilo schwere und 40 Zentimeter große PaPeRo wirkt deshalb relativ simpel: Er sieht aus wie ein großes buntes Ei auf Rädern. Den Kopf erkennt man nur daran, dass er oben sitzt, sich drehen und neigen kann und zwei große dunkle Flecken als Augen hat. Den Mund formen viele bunte Lämpchen, die grob signalisieren, ob PaPeRo spricht, lacht oder traurig ist.
Wie Pleo hat PaPeRo eine eigene Persönlichkeit. Er wird also auch von sich aus aktiv, und wenn man ihn anspricht, dreht und neigt er sein Gesicht, so dass er einen ansieht. Er kann einzelne Menschen an ihrem Aussehen unter- scheiden und individuell und sehr natürlich antworten. Fragt man ihn zum Beispiel nach der Uhrzeit, sagt er: »Lass mich mal schauen«, neigt seinen Kopf kurz nach unten, hebt ihn wieder und sagt die Uhrzeit. Er kann auf Wunsch den Fernseher anmachen, Rätsel aufgeben und Verstecken- spielen. Seine Gefühle drückt er durch tanzen aus, das heißt für ihn: sich im Kreis drehen, den Kopf bewegen und Musik abspielen. In Zukunft soll man mit PaPeRo nachsehen können, ob zu Hause alles in Ordnung ist: Der Roboter schickt einem die Bilder auf das Handy.
Ein ähnlicher Eierkopf wie PaPeRo ist Nabaztag, ein schneeweißes Ding, das mit seinen zwei großen Ohren am ehesten an einen Hasen erinnert. Der Roboter soll so etwas wie die Kommunikationszentrale einer Wohnung sein und ihre Bewohner mit der Außenwelt verbinden. Ein Nabaztag ist also Multimediastation und Internet-Computer in Gestalt eines sprachbegabten Hasen.
Und das Langohr hat nette Spielereien auf Lager: Seine Löffel etwa dienen als Kommunikationsmittel. Wenn zum Beispiel ein befreundeter Nabaztag-Besitzer in seiner Wohnung das rechte Ohr seines Hasen nach unten dreht, macht es der eigene Hase genauso, wenn man die beiden vorher als Hasen freunde defi niert hat. Das kann dann heißen: »Hallo, ich denke gerade an dich.«
Eierköpfe unter sich:
PaPeRo …
... und Nabaztag
Seine Verbindung mit dem Internet eröffnet dem Nabaztag im Grunde unendliche Möglichkeiten:
Er liest E-Mails vor, fischt gezielt Nachrichten aus dem Internet, macht auf Veranstaltungen aufmerksam und organisiert Treffen mit Freunden. Natürlich kann er auf Zuruf auch Musikstücke abspielen oder ein Radioprogramm einstellen.
Und obendrein sieht er schick aus: Als bunt blinkendes Hasenei macht er auf dem Sofatisch eine gute Figur. Kein Wunder, dass er eine eingeschworene Fangemeinde hat, die eifrig neue Programme schreibt, um die Fähigkeiten ihrer Hasen noch zu erweitern. Manche sind so verliebt in ihren Bunnybot, dass sie Fotos ihres Lieblings in verrückten Verkleidungen an die anderen schicken.
IM LADEN DER TAUSEND ROBOTER
Diese wunderlichen und wunderbaren Roboter kann man
nicht unbedingt im Spielzeugladen um die Ecke kaufen.
Eine mögliche Quelle ist der Fachhandel im Internet, wie beispielsweise der Internet-Laden General Robots, der ganz auf Freizeitroboter spezialisiert ist. Neben den technischen Raffi nessen der Roboter legt Antje Ebert, die Gründerin von General Robots, besonderen Wert auf deren Erscheinung. Sie verrät sogar, dass sie am meisten Gefallen an Robotern findet, die gar nichts können, dafür aber toll aussehen, nach dem Motto: nutzlos, aber cool. Doch was heißt bei einem Spielzeug schon »nutzlos«? Ein Spielzeug soll ja vor allem die Fantasie anregen, und das gelingt eher durch das Aussehen der Roboter als durch ihre Fähigkeiten.
Copyright © Berlin Verlag
Der Funken sprühende Blech-Michel: Sparkling Mike
Texte: Berlin Verlag
ISBN: 978-3827053602
Tag der Veröffentlichung: 28.06.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
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