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Bibi Dumon Tak:
Kuckuck, Krake, Kakerlake.
Das etwas andere Tierbuch.



Für Kinder ab 8 Jahren.
Mit schönen Illustrationen von Fleur van der Weel.



Leseprobe:

Das Glühwürmchen

Wenn der Abend schwül ist und voller Gezänk von Eulen, Grillen und schnarrendem Nachtgetier, dann kann man sie tanzen sehen: Glühwürmchen. Ihre Hinterleiber gehen an und aus. Und das wollen sie in einem fort sagen: Sieh mich an! Sieh mich an! Sieh mich an!
Sie sehen aus wie Lampions, die blinken. Oder wie kleine Sterne, die sehr niedrig am Himmel stehen.
So finden sie einander, die Männchen und die Weibchen. Es sind eigentlich keine Würmchen, sondern Käfer. Je schöner sie blinken, je heller ihr Licht ist, desto lieber haben sie einander.
Im Krieg wurden Glühwürmchen als Taschenlampen benutzt. Die Soldaten fingen sie und stopften sie in ein Einmachglas. Aber es gab auch Soldaten, die die Glühwürmchen zwischen ihren Fingern zerrieben. Wenn sie dann im stockdunkeln etwas lesen mussten, eine Landkarte zum Beispiel, dann hielten sie ihre leuchtenden Finger dicht über das Papier. So kamen die Soldaten im pechschwarzen Wald nicht vom Weg ab.
Glühwürmchen sind Lichter in der Finsternis, nicht nur füreinander, sondern auch für Menschen, die sich verirrt haben.


Der Wasserreservoirfrosch

Es ist dort trocken und kahl. Die Erde ist geborsten und liegt wie in Puzzelstücke zerrissen auf dem Boden. Unbewegliche Puzzelstücke, die hart sind wie Beton.
Wer kann da nur wohnen? Welches Lebewesen vermag an einem Ort zu überleben, der toter ist als der Tod? Ein Frosch? Sicher nicht.
Doch! Der Wasserreservoirfrosch sitzt tief unter der Erde verborgen. Er hat eine Mumie aus sich gemacht.
Ein unbewegliches Tier, das verstummt und versteinert in einem wasserdichten Anzug dasitzt und wartet. Den wasserdichten Anzug hat er aus eigenen Stücken Haut gemacht. Er hat ihn angezogen und wartet auf Regen. Seltenen Regen. Es kann mitunter Jahre dauern, bis der Regen kommt.
Aber wenn die ersten Tropfen auf das Betondach über seinem Kopf fallen, dann spitzt er die Ohren. Der Regen, aaah, der Regen. Das Wasser macht die Erde weich. Die Puzzelstücke verschwinden. Der Frosch isst seine wasserdichte Haut auf und krabbelt rasch ans Tageslicht. Er isst und trinkt sich in der nassen Erde voll, bis er beinahe platzt, und sucht dann eine Frau auf.
Wenn die Regenpfützen austrocknen, lässt sich der Wasserreservoirfrosch wieder in die Keller der Wüste sinken. Dort schließt er sich ein. Er zieht seinen Anzug an, so dass das ganze Wasser, das er getrunken hat, nicht nach draußen kann. Und dann heißt es wieder warten auf den nächsten Regenschauer.

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Tag der Veröffentlichung: 06.11.2009

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