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Kapitel 1

Es war eine schöne Nacht, der Mond hing als hell erleuchtete matte Scheibe am Firmament und warf ein sanftes Zwielicht über die von Schnee bedeckten Straßen von Inistra. Der erbarmungslose Schneefall hatte sich erst vor kurzer Zeit eingestellt, doch die Kälte war nicht verflogen. Mit einem Seufzen rückte Rylar seinen Mantel zurecht. Er war dünn, alt und der Stoff an manchen Stellen verschlissen, jedoch hielt er warm und das war die Hauptsache. Sein Blick wanderte über den im Mondlicht bläulich schimmernden Schnee und stöhnte auf. Spuren suchen war jetzt nicht mehr. Er musste sich anders behelfen um seine Beute zu verfolgen. Und er würde seine Beute schnell finden müssen, am besten bevor sie das Territorium der Gilde Vayrem verließ. Das war zwar kein Problem für die Mission, aber sein eigener Reiz, wenn seine Beute Vayrems Boden verließ, machte das oft mehr Probleme als es wirklich wert war. In diesem Fall allerdings würden sie ihn ziehen lassen. Der Flüchtige war ein fünffacher Mörder und würde sich bald auf dem Territorium einer Gilde befinden, die ihm nur Schwierigkeiten machen würde. Seine Gilde Rakdos war nirgendwo besonders geschätzt und wahrscheinlich hatte er die besten Chancen auf Gnade wenn er in Vayrems Gebiet blieb, jedoch war er ihm schon zu dicht auf den Fersen. Er würde auf keinen Fall umdrehen. Mit schnellen Schritten rannte Rylar auf die nächste Hauswand zu, lief zwei Schritte an ihr hinauf und griff dann nach einem Absatz, der aus der sonst glatten Steinwand ragte. Er zog sich am Absatz in die Höhe und griff nach einem Fensterbrett. Vom Fensterbrett zog er sich in die Höhe, wagte den Sprung zur Regenrinne, die stabiler war, als sie aussah. Mit geübter Kraft zog er sich auf das Dach und sprang auf die Füße. Schnellen Schrittes überquerte er das Dach und sein Blick fiel auf die Zielperson, die geradewegs auf die grauen Säulen zu rannte. Die grauen Säulen markierten den Übergang von Vayrems Territorium in das der Denker von Inistra. Izarek hatte ein wundervolles Territorium, es gab immer etwas zu sehen, man wurde nicht angepöbelt und bespuckt, davon abgesehen war es immer wieder ein Erlebnis von den kleinen Steinklötzen, welche die Straßen von Vayrem pflasterten und sich Häuser nannte in eine Umgebung zu schauen die mit riesigen Türmen und Schmieden, wie auch Läden übersät war. Er schüttelte den Kopf, er musste sich konzentrieren, jetzt mehr denn je. Mit einem schnellen Sprung überwand er den Abstand zwischen dem Dach und einer der Säulen des Denkmals. Noch ein Sprung und er hatte ihn eingeholt. Er holte tief Luft und sprang, an der oberen Kante der Säule fand er halt und vertraute erneut auf seine Handschuhe, als er den Griff lockerte und sanft an der glatten Oberfläche der Säule herab glitt. Beinahe lautlos, aber der Flüchtige hätte ihn in seiner Panik ohnehin nicht bemerkt. Völlig außer Puste kam er um die Ecke gerannt, in der Rylar grade zum Stehen gekommen war. Geschickt streckte er ein Bein aus und seine Beute landete im Dreck.

„Was zur Hölle… was ist passiert?“, hakte seine Beute nach und schaute in Rylar Richtung.

„Im Namen vom eisernen Gesetz von Vayrem nehme ich sie in Gewahrsam, sie haben das Recht…“, begann Rylar, doch seine Beute sprang auf und rannte los.

„Ja… Sie haben auch das Recht weg zu rennen…“, vollendete er genervt ehe er ihm hinterher rannte und den Dolch aus dem Hüfthalfter zog. In wenigen Metern würde er um eine Ecke biegen müssen, der perfekte Moment. Seine Beute bremste ihren Lauf ab, als sie bemerkte, dass sich vor ihm eine sehr stabil aussehende Mauer befand. Rylar nutzte den Augenblick der Verwirrung und warf den Dolch, der mit einem ungesunden Laut im Bein des Flüchtigen stecken blieb. Schreiend fiel seine Beute erneut in den Dreck und Rylar setzte den Weg mit ruhigen Schritten fort.

„Hören Sie, wir können das hier auf die freundliche, oder auf die bösartige Art durchziehen… Die freundliche Art ist, dass Sie sich einfach abführen lassen und sich ohne Probleme zu machen dem Gericht stellen, die bösartige Art ist, ich hacke Ihnen Arme und Beine ab und trage sie dann zum Gerichtsgebäude. Ich habe zwar den Auftrag Sie lebend zu fangen, aber zwischen lebendig und tatsächlich Lebensfähig ist ein großer Unterschied.“, seufzte Rylar und zog mit einem unangenehmen Ruck die Klinge aus dem Bein des Flüchtigen.

Ohne zu zögern wischte er das Blut, das an der Klinge klebte, mit der Innenseite seines verschlissenen Mantels ab und steckte den Dolch zurück in den Halfter. Der Flüchtige lachte dreckig und hustete, als er dabei Staub einatmete.

„Dazu bist du doch gar nicht fähig du kleines Würstchen, ihr Jäger aus Vayrem redet immer nur, aber in Wahrheit seid ihr feige Säue, die nicht dazu fähig sind, ein Loch in den Schnee zu pissen.“, würgte der Flüchtige und grinste verächtlich. Rylar atmete genervt aus. Mit einem Fuß trat er dem Flüchtigen aufs Kreuz und zog erneut das Messer.

„Bist du dir sicher, dass ich dir erst meine Entschlossenheit demonstrieren soll?“, hakte Rylar gelassen nach und der Flüchtige keuchte unter seinem Gewicht.

„Geh nach Hause und spiel mit deinen Puppen, Junge.“, hustete der Flüchtige erneut und Rylar packte ihn an den halblangen, fettigen Haaren und zerrte seinen Kopf in die Höhe. Die Klinge lag an seiner Kehle.

„Walker Rift, Ihnen wird zur Last gelegt, fünf Frauen im Beisammensein mit ihren Kindern auf der Straße angegriffen und auf grausamste Art getötet zu haben, während Sie die Kinder haben zusehen lassen, glauben Sie auch nur einen Moment, dass ich zögern würde einen dreckigen Bastard wie Ihnen die Kehle aufzuschlitzen?“, erklang Rylar Stimme mit einer nahezu greifbaren Kälte darin.

„Deine Stümpergilde würde dir dafür den Prozess machen.“, grinste Rift,

während die Klinge sich enger an seine Kehle drückte. Ein Blutstropfen glitt

an seinem Hals herab, als Rylar die Klinge etwas enger an seine Kehle schmiegte.

„Ja, weil ich eine wahnsinnige Sauerei gemacht hätte. Und danach, würden  mir einen Orden dafür verleihen, dass ein Mistkerl wie du nicht mehr in der Stadt herum läuft und unschuldige Frauen und Kinder schändet.“, antwortete Rylar mit unheimlicher Gelassenheit.

„Ich habe die Kinder nie angerührt…“, begann Rift, doch er verschluckte den Rest des Satzes als Rylar die Klinge weg nahm und ihm den Kopf auf den harten Asphalt drosch.

„Du Schwein hast sie zusehen lassen, wie du ihre Mütter schändest und ermordest!“, entgegnete Rylar eiskalt.

Als Gesicht und Asphalt sich trennten erklang ein leises Wimmern aus Rifts Kehle, während vereinzelte Zähne zu Boden fielen und Blut aus seinem Mund lief.

„Oder möchtest du das etwa leugnen?“, die Klinge fand die Kehle des Flüchtigen erneut.

„Ich hab doch nur…“, erneut küsste Rifts Gesicht den Asphalt und er schrie vor Schmerz auf, als Rylar seinen Kopf an den Haaren wieder in die Höhe zerrte.

„Ich bin wirklich ehrlich zu dir, wenn ich sage, dass du ab jetzt besser die Fresse hälst. Und wenn sie dich vor Gericht bringen, würde ich dir dringend raten die Klappe zu halten und deinen Anwalt für dich reden zu lassen.“, erklärte Rylar mit ruhiger Stimme. Rift bewegte den Kopf auf und ab.

Ein nicken. Rylar schlug den Kopf des Flüchtigen erneut auf den Boden und ließ dann die Haare los, an denen er ihn festgehalten hatte.

„Wofür war das denn?“, spuckte Rift blutig hervor. Rylar stand auf und steckte den Dolch weg.

„Einfach nur so.“, entgegnete er mit einem Ton, als hätte er ihm viel lieber die Kehle aufgeschnitten. „Steh auf und wenn du erneut auf die Idee kommst weg zu laufen oder zu sprechen, weißt du ja wie gut ich im Messer werfen bin.“, erklärte Rylar erneut und schenkte ihm ein finsteres und grausames Lächeln.

„Im Namen des eisernen Gesetzes von Vayrem nehme ich Sie, Walker Rift in Gewahrsam. Sie haben das Recht Ihre Fresse zu halten, einen Anwalt hinzu zu ziehen und trotzdem jeden Prozess zu verlieren. Ihr Pflichtverteidiger tut mir jetzt schon leid, ich hoffe für sie, dass es eine junge Mutter ist, die genau weiß, was sie getan haben. Und glauben Sie mir, selbst wenn sie etwas Anderes sagen. Mütter können wahnsinnig nachtragend sein.“, erklärte Rylar und schaute dem Flüchtigen in die Augen.

„Haben Sie ihre Rechte verstanden?“, hakte er nach. Rift starrte ihn an.

„Soll ich sie nochmal zum Nicken zwingen?“, fragte Rylar ungerührt nach und Rift schüttelte frenetisch den Kopf.

„Also? Hast du deine Rechte verstanden?“, hakte Rylar noch einmal nach.

„Ja…“, keuchte Rift und spuckte Blut auf den Boden.

„Gut.“, erklärte er, packte Rift an der Schulter und zog ihn auf die Füße.

„Das nächste Gerichtsgebäude ist nicht weit, bis dahin solltest du schön brav sein und glaube besser nicht, dass die Vollzugsbeamten, in deren Obhut ich dich geben werde freundlicher und verständnisvoller sind als ich. Diese Kerle haben Tag täglich mit Leuten wie mir zu tun, also rechne damit, dass du auch dort nicht über die Stränge schlagen solltest.“ 

Hastig nickte Rift, wobei ihm blutiger Speichel aus den Mundwinkeln sickerte.

„Achso und das…“, Rylar deutete auf Rifts aufgerissenes und geschwollenes Gesicht und das, durch Messerwunde blutende Bein. Er setzte eine betretene Miene auf.

„Das solltest du dringend behandeln lassen, sonst wirst du es irgendwann bereuen. Ich muss hoffentlich nicht erwähnen, dass es besser für dich wäre wenn du keine Monologe hälst wie: Ich kann nicht laufen, mein Bein blutet… bla bla bla, sein einfach ein Mann und halt es aus.“, erklärte er weiter und Rift warf ihm hasserfüllte Blicke zu.

„Wieviel?“, fragte Rift nach und starrte Rylar mit finsterem Blick entgegen.

„Wieviel wovon?“, hakte Rylar nach.

„Wieviel du für meinen Kopf kassierst?!“, brüllte Rift und versuchte sich aus Rylar Griff zu befreien, doch der hielt ihn fest wie ein Schraubstock.

„Weniger als für den Kopf mit Rest, aber glaub mir, wenn du weiter so dumme Fragen stellst verzichte ich auf den Bonus, den ich für das Adjektiv ‚lebendig‘ erhalte und bringe denen tatsächlich nur deinen Kopf, also halt die Klappe.“, erklärte Rylar mit einer Seelenruhe, bei der einem schlecht werden konnte. Rift lief Kreidebleich an, der Mund aufgeklappt, was keine gute Idee war, denn ihm liefen blutige Speichelfäden über die Geschwollenen Lippen.

Vielleicht sollte Rylar das nächste Mal etwas sanfter zuschlagen? Nein, dieser Kerl hatte es mehr als verdient. Die Umrisse des nächsten Gerichtsgebäudes schälten sich aus der nächtlichen Atmosphäre. Immer dichter und deutlicher wurden die Konturen des Gebäudes und es dauerte nicht lange, bis sie angekommen waren. Rift hatte den Rest des Weges darauf verzichtet etwas zu sagen. Gut für ihn. Offensichtlich war er lernfähig, wenn man das so nennen konnte. Die massigen Tore der Justizanstalt wurden von zwei, in weißblaue Mäntel gewandeten Wachen aufgeschoben und aufgehalten. Sie nickten Rylar zu, er kannte sie beide. Immerhin lieferte er hier oft genug Verbrecher ab um sich davon eine kleine Wohnung leisten zu können.

„Guten Abend Rylar.“, lächelte der ältere der Beiden.

„Abend? Ich glaube es würde eher guten Morgen heißen… Aber dir auch einen guten Abend Willam, was macht das Knie?“, grinste Rylar zurück und erinnerte sich daran wie ein Verbrecher Willam bei der Flucht das Knie zertrümmert hatte.

„Das liegt immer im Auge des Betrachters. Es ist noch dunkel, also ist es Abend. Mein Knie hat sich noch nie so gut mit der Winterkälte verstanden, aber jetzt scheinen die beiden wirklich im Krieg zu liegen…“, erklärte Willam, hütete sich jedoch davor weiter abzuschweifen.

„Hey Moment mal ist das nicht dieser Typ aus Rakdos? Walker Rift? Ja verdammt das ist der Kerl unter der hübschen Fassade hätte ich den Hurensohn kaum erkannt. Gute Arbeit mein Junge.“, lachte Willam laut auf und klopfte Rylar freundschaftlich auf die Schulter.

„Das Einfangen oder das Zurichten?“, hakte Rylar lächelnd nach und betrachtete Rifts Gesicht, dass an allen möglichen und unmöglichen Stellen Aufgeschürft, geschwollen und ungesund bläulich verfärbt war.

„Beides, manchmal bist du ein echter Künstler.“, Willam lachte, der Jüngere von beiden hielt sich aus der Unterhaltung raus. Der Name des Jungen war Zalman, er redete nicht viel und auch nur dann wenn er gefragt wurde. Eindeutig nicht die Art Mensch, die Rylar bevorzugte.

„Können wir das schnell abwickeln? Ich möchte so schnell wie möglich nachhause, es ist… Kalt.“, erklärte Rylar und Willam nickte gönnerisch.

„Klar, du hast uns eine Menge Ärger erspart, das wäre wirklich undenkbar gewesen, hätte dieser Kerl Vayrems Gebiet durchquert ohne dabei einem der Jäger vor die Füße zu laufen, das hätten wir vor dem hohen Rat niemals verantworten können.“, entgegnete Willam freundlich und deutete auf das Innere des Gerichtsgebäudes.

„Zalman, warte kurz hier, ich werde mit unseren Gästen nach drinnen gehen und den Papierkram regeln.“, gab Willam einen knappen Befehl und Zalman schien mit einem Mal noch strammer zu stehen als zuvor. Beeindruckend.

Offensichtlich zählte Willam hingegen Rylar Meinung doch zu den höhergestellten Instanzen des Gerichts von Vayrem. „Moment noch, wir sollten die Wunde versorgen bevor er euch den Fußboden vollblutet.“, erklärte Rylar ruhig und deutete auf Rifts Bein, was er offensichtlich nicht zu belasten versuchte.

„Da könntest du recht haben…“, gab Willam zurück und zog Verbandszeug aus der Tasche, Rylar wollte gar nicht wissen warum er das Zeug Griffbereit bei sich trug.

Mit ein paar schnellen Handgriffen hatte Willam die Klingenwunde so verbunden, dass kein Blut mehr auf den Boden tropfte.

„Das werde ich später nähen, bis dahin muss der Verband reichen.“, grinste Willam und Rylar wusste Bescheid, bei jedem anderen Gefangenen hätte er das Bein sofort genäht, aber bei diesem Dreckskerl, würde er sich Zeit lassen.

Er nickte. Unsanft stieß Rylar seinen persönlichen Gefangenen durch das große Portal ins Innere des Gerichtsgebäudes. Willam folgte den beiden in kurzem Abstand. Im Inneren des Gebäudes schlug ihnen der bekannte Geruch von Pergament und Tinte entgegen, dazu mischte sich der Geruch von Papier und Druckerschwärze. Die meisten der Gesetzbücher von Vayrem waren noch auf Pergament geschrieben, eigenhändig festgehalten vom Hohen Rat. Wers glaubte… Wahrscheinlich war bei den ersten Ratsversammlungen zur Festlegung der Gesetze ein kleiner Schreiberling hin und her gewetzt um die wahnsinnig wichtigen Worte des Rates aufzuschreiben. Man konnte es drehen und wenden wie man wollte, aber die Gesetze waren seit den ersten Ratsversammlungen nicht mehr geändert worden und wurden von den Gelehrten der Gilde wie das Wort eines Gottes verwahrt, beinahe schon angebetet. Rylar stieß einen Seufzer aus. Auch er besaß mehrere Gesetzbücher aus Pergament und hielt manche der dort festgehaltenen Gesetze für mehr als überholt. In den Büchern stand immer noch fest geschrieben, dass Angehörige eines Mordopfers das Recht hatten Blutrache an dessen Mörder zu begehen. Ein Gesetz was auch heute immer wieder zu Familienfehden führte und in einem Teufelskreis aus Mord und Totschlag endete bis der letzte Mann der Familie endlich ins Gras gebissen hatte. Was für ein Irrsinn.

Aber gut. Das war das öffentliche Gesetzbuch, es galt herauszufinden ob Vayrems Hoher Rat, die Gildenmeisterin oder ihre Inquisitoren mittlerweile möglicherweise nach einer ganz anderen Verfassung handelten und richteten. Jede Nacht las Rylar in den alten Gesetzbüchern, prügelte sich das Geschriebene bis zum letzten Paragraphen ein, um endlich die Prüfung ablegen zu können, die notwendig war um ein Inquisitor zu werden. Inquisitoren unterstanden direkt der Gildenmeisterin und waren sowohl Anwälte, Richter und Jäger in einer Person, mit dem Unterschied, dass sie das Wohlwollen der Bürger genossen, während einfachen Jägern von allen Seiten Verachtung entgegengebracht wurde. Ja man hatte es nicht leicht als gemeiner Kopfgeldjäger auf der Suche nach Gerechtigkeit, deshalb hatte die Gildenmeisterin die Inquisition ins Leben gerufen.

„Also, wie ich sehe ist das Glück zu dir zurückgekehrt, nachdem du die letzten beiden Verbrecher nur Stückweise abgeben konntest.“, stellte Willam fest und Rylar seufzte gestreckt. Willam grinste wissend.

Die letzten beiden Jagden waren alles andere als gut verlaufen. Er hatte die beiden Straftäter zwar gestellt und gefangen, jedoch hielten es beide für eine bessere Idee sich in die Luft zu sprengen, anstatt dem Gesetz entgegen zu treten, was für Rylar eine sehr schmutzige Nacht und ein Viertel des eigentlichen Kopfgelds bedeutet hatte. Rylar stupste den starr dastehenden Rift an.

„Du sprengst dich jetzt aber nicht plötzlich in die Luft oder?“, hakte Rylar hoffnungsvoll nach und Rift erwiderte seinen Blick mit deutlich absehbarer Abscheu.

„Ich glaube diesmal habe ich Glück.“, antwortete Rylar für sich selbst und schenkte Willam ein breites, zauberhaftes Lächeln. Willam tat einen Schritt zurück.

„Es sind seltsame Themen auf die du mit einem solchen Lächeln reagierst.“, stellte Willam klar und Rylar Mundwinkel formten ein Grinsen.

„Wie dem auch sei, die Belohnung hast du dir verdient.“, er schritt hinter einen der Schreibtische und zog einen Steckbrief auf der obersten Ablage, darauf war unverkennbar das Gesicht von Rift abgebildet.

„Walker Rift, gesucht wegen fünffachen Mordes und Nötigung Minderjähriger, das Kopfgeld ist festgesetzt auf 30 Goldmonde.“, rezitierte Willam blind und legte den Steckbrief wieder ab um nach einer schweren Geldbörse zu greifen. Er zählte die Münzen ab und legte sie in einen Umschlag, den er Rylar reichte. Rift verhielt sich noch immer ruhig. Gute Idee, hier im Inneren des Gerichtsgebäudes hatte er keine Chance mehr zu entkommen, jedenfalls so lange Rylar noch hier war.

„Bringen wir ihn erstmal in seine Zelle.“, grinste Willam und Rylar nickte ihm zu. Er packte Rift am Arm und führte ihn in einen der Gänge, die vom Empfangsraum abgingen.

Jedes Gerichtsgebäude der Gilde sah gleich aus, ein großer Empfangsraum, rechts davon ging ein weiß gekachelter Gang ab, links davon ein schwarz Gekachelter. Der weiße Gang führte zu den Sitzungsräumen und Gerichtssälen, der schwarze zu den Zellen und Folterkammern. Die Folterkammern allerdings kamen eher selten zum Einsatz, jedenfalls glaubte das Rylar, was wollte man schon aus einem einfachen Mörder an Informationen erwarten? Willam ging den Gang mit einer Selbstverständlichkeit entlang, als sei es das normalste der Welt einen Jäger bis zu den Zellen mitzunehmen. Normalerweise wurden Jäger gleich mit dem Erhalt ihres Geldes abgespeist, doch hier war Rylar mehr als nur ein Jäger. Er hatte sich das Recht verdient einen Gefangenen bis zu seiner Zelle begleiten zu dürfen, als er einen flüchtigen Gefangenen im Empfangsraum kampfunfähig machte, nachdem dieser zwei Wachen niedergeschlagen hatte. Erwartungsvoll schloss Willam die Zellentür auf. Die anderen Zellen waren leer. Die Gefängniszellen der Gerichtsgebäude blieben nie lange belegt. Rylar stieß Rift ins Innere der Zelle und Willam schloss die Zelle ab, dann steckte er den Schlüssel weg.

„Weißt du… Egal was alle anderen sagen, für mich seid ihr Jäger wertvoll und macht eine gute Arbeit. Natürlich sind nicht alle Jäger verantwortungsbewusst, aber du zumindest bist es und das macht mich froh.“, erklärte Willam und Rylar lächelte ihn schwach an.

„Jeder hat eine Chance verdient, ich bin froh, dass du mir meine gegeben hast.“, erklärte Rylar ruhig und Rift begann im Inneren seiner Zelle zu rebellieren.

„Achso und wo bleibt meine Chance?!“, brüllte Rift und Rylar schaute ihn kalt an.

„Du hattest die Chance es bei einem Mord zu belassen, deine zweite Chance bekommst du vor Gericht, aber ich prophezeie dir, dass du auch diese Chance vermasseln wirst, dafür hast du einfach zu viel auf dem Kerbholz.“, antwortete Rylar mit ruhiger Stimme und Willam nickte dazu. Rift spuckte verächtlich auf den Boden.

„Das macht es nicht besser.“, erklärte Willam finster und ging voraus zum schwarzen Gang. Rylar folgte ihm.

„Sei brav, sonst muss ich dich wieder fangen und nächstes Mal werde ich nicht so freundlich sein.“, sagte Rylar zum Abschied, ehe die Tür zum Zellenblock zufiel und von außen mit einem Schlüssel abgesperrt wurde.

 

Izarek, das Gebiet der Gilde, der Wissenschaftler strahlte im Glanz des Wissens und der Wissenschaft. Voller Bewunderung ließ Cereza ihren Blick über die Türme des Gildenviertels gleiten. Ein Anblick an dem man sich nicht satt sehen konnte, jedenfalls wenn es nach ihr ging. Mit ruhiger Hand strich sie über das kalte Metall des Scharfschützengewehrs, welches sie in den Armen trug, während sie zum Apell stand. Die neuesten wissenschaftlichen Errungenschaften waren in diese Erfindung geflossen. Niv‘raz selbst hatte daran gearbeitet und sein unendliches Wissen mit in diese Waffe fließen lassen. Ein Geschenk für ihren perfekten Einsatz im Dienste der Gilde, hatten sie es genannt und noch nie hatte sie sich so wohl gefühlt wie in dem Moment, als sie die Truhe öffnete in der die Waffe gelegen hatte. Sie war nun endlich Mitglied des flammenden Emblems, der Elitetruppe von Niv‘raz Armee. Sie errötete, als sie daran dachte wie der große Drache eine Dankesrede zu Ihren Ehre gehalten hatte, nachdem sie es drei Wissenschaftlern der Gilde Zalrum ermöglicht hatte nach Izarek zu kommen um ihre Forschungen dort weiter voran zu treiben. Sie blickte gen Himmel und seufzte sanft, sie liebte den Anblick der Forschungstürme von Izarek, sie schimmerten in allen erdenklichen Farben und sahen einfach atemberaubend aus. Sie strich sich das seidig glatte Haar aus dem Gesicht hinter ihr Ohr und blinzelte mit ihren großen Smaragdgrünen Augen, roch den Geruch von schweren Dampfmaschinen und elektronischen Gerätschaften, sie schloss die Augen und fühlte sich… Zuhause. Izarek war mit Abstand das mordernste und am weitesten entwickelte Gildenviertel in ganz Inistra und das war auch der Grund warum ihre Armee und die Spezialeinheit, das flammende Emblem von Außenstehenden so gefürchtet wurden. Und das obwohl ihre Gilde stets Gastfreundlich war und Angehörige anderer Gilden stets willkommen hieß. Selbst die Jäger aus Vayrem und die Diebe aus Zalrum hatten freien Zugang zum Gildenviertel, wenn sie keinen Mist bauten. Niv‘raz predigte stets Verständnis für die weniger entwickelten Gilden und pries stets den Wissensdurst der Unwissenden in den Himmel. Hier in Izarek hatte jeder, der sich zur Wissenschaft berufen fühlte die Möglichkeit seinen Forschungsdrang auszuleben und das war eines der Dinge, die Cereza so an ihrer Heimatstadt schätzte und das obwohl sie in ihren Kindheitstagen stets zu den Richtern und Anwälten, wie auch den Inquisitoren von Vayrem aufgesehen hatte und davon geträumt hatte in den Straßen von Izarek für Recht und Ordnung zu sorgen.

„ACHTUNG!“, erklang die Stimme des Hauptmanns und sofort reagierte Cereza, indem sie eine stramme Pose einnahm, welche der Armee von Izarek zu Eigen war. Das Scharfschützengewehr ruhte an ihrer Schulter gelehnt und war jederzeit dazu im Stande angelegt und benutzt zu werden. Selbstverständlich war das Scharfschützengewehr nicht die einzige Waffe, auf die sie sich verlassen konnte. An ihrer Weste lagen mehrere Dicke Bolzen an Schlaufen befestigt, in zwei Gürtelhalftern hingen zwei automatische Pistolen kurz dahinter hingen zwei Messerlange Bajonette, die sie allerdings nur selten verwendete obwohl sie täglich den Umgang damit schulte um nicht zu versagen sollte es einmal zu Nahkampf kommen. Des Weiteren hing an der Rückseite ihres Gürtels ein Beutel mit allerlei technischen Spielereien wie Lichtrauchgranaten und Taserschlingen. Ersteres war eine Granate, die bei Anwendung keine Explosion verursachte sondern lediglich einen lauten Knall, einen grellen Lichtblitz und das Ausströmen eines feinen Nebels, der das Licht noch einmal reflektierte, damit die Augen sich nicht wieder so schnell vom Lichtblitz erholten, letzteres bestand aus zwei schweren Kugeln, die mit einem Drahtgeflecht verbunden waren, wenn man einen Gegner damit traf wickelten sich die Kugeln um den Körper, womit sie zeitgleich das Drahtgeflecht um den Gegner wickelten, wenn die Kugeln dann durch einen durch Aufprall ausgelösten Magnetismusstoß zusammen stießen wurde ein harter Stromschlag durch den Körper des Getroffenen gejagt. Perfekt um flüchtenden Gegnern die Fluch zu vermasseln. Sie liebte diese Dinger. In den Innenseiten ihres Mantels steckten in Schlaufen befestigt Magazine, auf der linken Seite die schweren Magazine ihres Scharfschützengewehrs, auf der rechten Seite Magazine für die Faustfeuerwaffen an ihrem Gürtel.

„Anlegen!“, erklang die Stimme des Hauptmannes erneut und Cereza legte das Gewehr an, ohne darüber nachdenken zu müssen.

„Zielen!“, brüllte der Hauptmann und Cereza warf einen Blick durch das Zielfernrohr, was bei Betätigung eines Schalters an der Seite auf ein Wärmelichtbild umschalten konnte. Also war es selbst bei Dunkelheit möglich sein Ziel perfekt anzuvisieren. Das Zielkreuz fand eine der Übungspuppen rechts vom Hauptmann.

„FEUER!“, kam der Befehl und Cereza drückte ohne mit der Wimper zu zucken ab. Die massige Kugel des Scharfschützengewehrs überwand die Distanz zwischen ihr und der Puppe in weniger als einer Sekunde und zerriss den Hals der Übungspuppe mit unnachahmlicher Durchschlagskraft. Kraftlos fiel der Kopf der Puppe zu Boden, während der Knall des Gewehrs durch die schalldämpfende Vorrichtung der Waffe kaum Hörbar war und sich ein dünner Rauchfaden aus dem Lauf seinen Weg gen Himmel bahnte. Ein perfekter Schuss. Natürlich war es schwieriger ein Ziel zu treffen, was sich in der Bewegung befand, aber nichts was bei Cereza auch nur ein Zucken verursacht hätte. Sie schoss und sie traf. Sie war eine Meisterschützin und Niv‘raz hatte das erkannt. Was wollte sie mehr? Sie wollte einen Auftrag um sich endlich zu beweisen. Um den anderen Angehörigen des flammenden Emblems endlich zeigen zu können, dass sie zu Recht in die Spezialeinheit aufgenommen wurde. Und sie wusste, dass dieser Auftrag nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.

„Still Gestanden!“, erklang erneut die harte Stimme des Befehlshabers. Cereza salutierte wie alle anderen auch.

„Gute Arbeit, ihr seid befreit.“, gab der Befehlshaber nun mit ruhigerer Stimme zu verstehen und Cereza lockerte die Schultern. Sie seufzte, der Apell war wohl das mit Abstand langweiligste am Dasein als Soldatin.  Sie hatte nie verstanden wie es ihr helfen sollte eine bessere Soldatin zu sein, wenn sie an einem Apell teilnahm.

Sie konnte sich zwar vorstellen, dass es beim Apell unter anderem darum ging Befehle auszuführen, jedoch hielt sie nichts davon Wortlos Befehle auszuführen, jedenfalls nicht, wenn Menschenleben davon abhingen, die man möglicherweise noch retten konnte. Sie blinzelte, vor ihrem inneren Auge sah sie wieder den weinenden Jungen, der ihr seine Hand entgegen streckte. Sie sah sich selbst, wie sie ihre Hand nach ihm ausstreckte um ihn vor dem Absturz der Gebäudekante zu bewahren, dann sah sie den Soldaten, der die Worte aussprach, die ihr bis heute immer wieder durch den Kopf gingen.

„Wir haben unsere Befehle, für diesen Jungen haben wir keine Zeit.“, dann hatte der Soldat seine Waffe gezogen und dem Jungen ohne jede Gefühlsregung in den Kopf geschossen. Sie sah wie der Kopf des Jungen in einer Wolke aus Blut und Fleisch zerplatzte, sie spürte die Überreste seines Gehirns die auf ihre Haut klatschten und haften blieben, ehe sie in einem Rinnsal aus Blut allmählich von ihrer Haut herab glitten. Sie spürte wie sie eine innere Leere packte. Sie konnte sich genau erinnern, dass sie einfach aufgestanden war und hinter dem Soldaten hergelaufen war. Ohne Fragen zu stellen. Ohne Konsequenzen zu bedenken. Nein. So eine Soldatin wollte sie niemals sein und so eine Soldatin würde sie auch niemals sein, nicht solange sie noch ein Wörtchen mit zu reden hatte.

„Meisterin Cereza?“, drang eine Stimme wie durch einen dichten Nebelschleier an ihr Ohr. Sie schreckte hoch und blickte in das Gesicht von Hauptmann Maze.

„H… Hauptmann!?“, stammelte sie und bemerkte erst dann, dass sie bereits still stand und salutierte. Verdammt. Warum reagierte ihr Körper von sich aus auf sowas? Moment hatte er sie Meisterin genannt?

„Meisterin?“, fragte sie resigniert und verwirrt, während sie den Hauptmann anstarrte, der ihr einen belustigten Blick zuwarf.

„Es ist immer schwer heraus zu finden wo man steht, wenn man eine solche Karriere wie ihr hinlegt Meisterin.“, entgegnete er ruhig und wartete verständnisvoll auf eine Reaktion. Sie dachte darüber nach. Er war einer der Hauptmänner der allgemeinen Armee von Izarek und somit jedem normalen Soldaten überstellt, aber sie war keine normale Soldatin.

Sie gehörte zum flammenden Emblem Niv’raz Spezialeinheit. Richtig im Endeffekt unterstand sie aus militärischer Sichtweise nur Niv’raz selbst, das bedeutete, dass der Hauptmann … unter ihr stand… ??? WAS?! DER VERDAMMTE HAUPTMANN STAND UNTER IHR? Warum zur Hölle nahm sie an diesem Apell teil?

„Ich äh… Moment… Was?“, stammelte sie verwirrt und senkte die Hand, mit der sie soeben noch salutiert hatte.

„Ja, mit eurer Aufnahme zum flammenden Emblem steht ihr nun über mir Meisterin.“, lächelte der Hauptmann freundlich. Das war ein seltsames Gefühl. Sie war grade mal 22 und der Hauptmann der mindestens doppelt so alt war wie sie selbst sprach sie mit ‚Meisterin‘ an.

„Hauptmann, was kann ich für euch tun?“, wählte sie die höflichste Floskel, die ihr im Moment einfiel.

„Ich wollte nur sagen, dass es mich ehrt, dass ihr noch immer zum Apell antretet, selbst, wenn ihr über mir steht, das zeigt, dass ihr im Herzen doch eine Soldatin seid. Er salutierte und grinste dabei. Cereza nickte.

„Ich will euch keineswegs zu nahe treten Meisterin, aber solltet ihr euch nicht eigentlich auf eure Prüfungsmission vorbereiten?“, hakte der Hauptmann nach. Und er hatte sowas von Recht. Verdammt! Sie stieß einen Seufzer aus, und blickte gen Himmel.

„Ihr habt recht, allerdings… Es ist schwer für mich, mich auf etwas vorzubereiten wovon ich nicht mal weiß, wie es aussehen wird. Ich hab keine Ahnung wie meine Prüfung gestellt werden wird und ich weiß nicht, wie die ‚Aufgabenstellung‘ aussehen wird.“, erklärte Cereza und der Hauptmann lächelte bitter.

„Glaub mir, wenn man dir deine Prüfung stellt, wirst du es merken und ich glaube, dass es nichts gibt worauf man sich nicht mit Zielübungen und Nahkampftraining vorbereiten kann.“, entgegnete der Hauptmann und grinste.

„Was ist mit einer Matheklausur?“, hakte Cereza nach und der Hauptmann verzog angewidert das Gesicht.

„Okay, vielleicht kann man sich nicht auf alles mit Nahkampftraining und Zielübungen vorbereiten, allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass die Prüfung eines Mitglieds des flammenden Emblems nicht daraus bestehen wird Zahlen umzurechnen.“, erwiderte der Hauptmann und hustete leicht.

„Da könntet ihr allerdings recht haben.“, ergab sich Cereza und begann damit ihr Scharfschützengewehr in eine dunkle Decke einzuwickeln. Sobald sie zuhause war, würde sie es auseinander nehmen, reinigen und in die Truhe zurücklegen, bis dahin allerdings würde sie sich die Waffe auf den Rücken schnallen.

„Ich bin mir sicher, dass ihr die Prüfung bestehen werdet, ich habe seit Jahren keine Soldatin mehr gesehen, die so fähig war wie ihr es seid.“, begann der Hauptmann von neuem und Cereza schüttelte den Kopf.

„Es gibt einen Unterschied, zwischen einer guten Soldatin und einer guten Kämpferin. Ein guter Soldat führt seine Befehle aus ohne sie anzuzweifeln.“, gab Cereza zurück und der Hauptmann grinste sie wiedererwartend an.

„Nicht jeder Soldat führt ohne nachzudenken seine Befehle aus. Ich weiß, was damals bei dieser Mission geschehen ist und ich verstehe das Verhalten von Leutnant Morgan bis heute noch nicht. Dieser Junge hätte nicht sterben müssen, das wissen wir beide, ich allerdings glaube, dass Morgan einfach Angst hatte. Er hatte Angst etwas falsch zu machen, hat sich vorschnell für die Ausführung seiner Befehle entschieden und… getan was er getan hat.“, erklärte der Hauptmann widerwillig.

„Er hat ohne mit der Wimper zu zucken ein Kind erschossen, was ohne weiteres hätte gerettet werden können. Für mich gibt es keine Methode das schön zu reden, schon gar nicht sowas wie: ‚Er hat nur Befehle befolgt.‘“, entgegnete Cereza mit deutlicher Bitterkeit in der Stimme. Sie hasste es an diesen Moment zurück zu denken. Sie hasste es die Schreie des Jungen in ihrem Kopf dröhnen zu hören und sie hasste es den Knall der abgeschossenen Waffe immer wieder zu hören. Sie hasste es immer wieder zu sehen wie der Kopf des Jungen zerplatzte und vor Allem hasste sie sich selbst für ihre Reaktion. Wie hatte sie einfach weg gehen können. Wie hatte sie diese unglaubliche Kälte in ihrem Inneren spüren können. Wie war das möglich? Wie hatte sie nur so reagieren können? Ein normales Mädchen hätte geschrien, den Leutnant geschlagen oder auf irgendeine andere Art und Weise schockiert reagiert. Warum hatte sie dieser Mantel aus Leere umschlungen und warum war sie ihm einfach hinterher gelaufen, ohne auch nur eine Art von Abscheu zu fühlen. Tatsächlich hasste sie es am meisten, dass sie in den Momenten danach wie auch im betreffenden Moment selbst, rein gar nichts gefühlt hatte. Da war einfach nur diese beklemmende Leere, die sie gefangen genommen hatte bis sie sich in dieser Nacht in den Schlaf geweint hatte. Das war das letzte Mal, dass sie geweint hatte. Seit dem hatte sie viele Dinge erlebt, die Tränen wert gewesen wären, aber sie konnte einfach nicht.

„Es gibt etwas, was immer hilft, wenn man Wut und Verzweiflung im Herzen trägt.“, erklärte der Hauptmann mit  Mitleidvoller Miene. Cereza blickte zu ihm auf und schaute ihn resigniert an.

„Meisterin, ich fordere euch zum Nahkampfduell heraus.“, grinste der Hauptmann und Cereza schaute ihn fassungslos an. War das sein ernst? Jetzt in diesem Moment? Sie biss die Zähne aufeinander und vergewisserte sich mit einem schnellen, unauffälligen Griff, dass die Bajonette sich an der richtigen Stelle an ihrem Gürtel befanden.

„Also Meisterin? Erweist ihr mir die Ehre?“, hakte der Hauptmann noch einmal nach und schaute sie herausfordernd an. Was hatte er vor? Dachte er es sei das Beste, wenn sie all ihre Wut und Verzweiflung gegen ihn richtete? Sie hielt das für keine gute Idee.

„Ich glaube das ist im Moment keine gute Idee.“, erklärte sie, während sie es dachte.

„Ich glaube schon Meisterin. Ihr seid emotional sehr aufgewühlt und es ist meine Pflicht als Hauptmann euch auf andere Gedanken zu bringen.“, erklärte der Hauptmann mit ernstem Gesicht. „Ihr seid ein Hauptmann, kein Seelsorger.“, entgegnete Cereza und starrte den Hauptmann einfach nur an.

„Stimmt ein Seelsorger versucht zu reden, darin bin ich nicht gut. Im Duell allerdings lernt man sich selbst und sein Gegenüber besser kennen, als man es glauben könnte davon abgesehen glaubt man nicht welche Art von Spannungen man im Kampf los werden kann. Natürlich gibt es noch andere Arten euch von eurer Wut zu befreien, aber ich bin eindeutig zu alt um euch diese Wege vorzuschlagen.“, grinste der Hauptmann breit und Cereza stutzte. Was war das denn jetzt für eine Anspielung? Der Hauptmann zog den Säbel, der an der Seite seines Gürtels hing.

„Nehmt ihr die Herausforderung an Meisterin?“, hakte der Hauptmann nach und Kampfeslust tobte in seinem Blick. Cereza hielt das noch immer für eine wahnsinnig dumme Idee, warum mussten Männer immer versuchen solche Dinge mit Gewalt aus der Welt zu schaffen?

„Ich…“, begann Cereza und wich der heranrasenden Klinge mit einem Sprung nach hinten aus.

„Habe ich euch zum Zögern ausgebildet?!“, fragte der Hauptmann nun im Ton, der eines Hauptmannes würdig war.

„Nein Sir!“, blaffte sie mehr aus Reaktion als aus Überzeugung. „Wer zögert stirbt!“, brüllte der Hauptmann und schlug erneut zu, dieses Mal erwartete Cereza den Angriff und führte einen Handkantenschlag gegen den Waffenarm des Hauptmannes, der die Klinge vom eigentlichen Kurs abbrachte. Der Angriff verfehlte sie knapp, doch sie hatte Zeit gewonnen. Zeit, die sie nutzte um den Hauptmann mit einem schnellen Tritt auf Distanz zu bringen. In einer einzigen fließenden Bewegung, duckte sie sich, zog die beiden Bajonette und führte einen Wirbelangriff aus, wobei sie dem nächsten Säbelstreich entging, indem sie darunter hinweg tauchte, und den Hauptmann wieder auf Distanz brachte. Doch diesmal blieb sie nicht in der Defensive sondern ging zum Angriff über. Der Säbel ihres Gegners hatte eine deutlich höhere Reichweite als die Bajonette, dementsprechend, musste sie ihn in die Defensive zwingen um keinen Nachteil zu riskieren. Sie sprang auf den Hauptmann zu und setzte ihm mit zwei schnell geschwungenen Klingenhieben zu, denen er mehr schlecht als recht auswich, dann trat sie zu, traf den Hauptmann im Magen und setzte mit einem schnellen Klingenangriff nach. Die erste Klinge ging fehl, die zweite zog einen langen, tiefen Kratzer über seine Brustpanzerung. Mit einem schnellen Rückwärtsschritt brachte sie sich auf sichere Distanz. Der Hauptmann verlor keine Zeit, rannte auf Cereza zu und führte einen starken Säbelschwung von rechts oben nach links unten aus. Cereza entging dem Angriff mit einem Ausfallschritt nach rechts und vollführte einen Angriff mit dem linken Bajonett. Die Klinge lag an der Kehle des Hauptmanns und ritzte die Haut auf. Ein Blutstropfen quoll aus der entstandenen Wunde, beide standen still.

„Ihr habt gewonnen Meisterin.“, gab der Hauptmann nach kurzem Schweigen zu und tat einen Schritt zurück, um aus ihrer Reichweite zu treten.

„Ein guter Kampf, aber besiegt habe ich euch wegen eines Anfängerfehlers.“, erklärte Cereza und gab sich dabei Mühe nicht angestrengt zu klingen. Das Scharfschützengewehr auf ihrem Rücken war schwerer, als sie es in Erinnerung hatte. Mit einem Seufzer befreite sie die Waffe aus den Schnallen und ließ sie sanft in ihrer Decke zu Boden gleiten.

„Ein Anfängerfehler… So so.“, der Hauptmann grinste. Cereza verstand. Als Hauptmann machte man solche Fehler nicht, es sei denn man wollte Entschlossenheit und Auffassungsgabe des Gegners testen. Solche Tricks galten nur in Trainingskämpfen, da sie einen im echten Kampf leicht das Leben kosten konnten.

„Danke für das Duell.“, erklärte der Hauptmann und lächelte. Cereza wollte es nicht zugeben, aber die Wogen ihrer Gefühlswelt hatten sich durch die Ablenkung geglättet.

„Ich muss mich bedanken. Vielen Dank für die Lektion Hauptmann, das nächste Mal hoffe ich euch ohne gewährte Chancen eurerseits besiegen zu können.“, entgegnete Cereza ruhig und wollte Schreien. Er hatte sie gewinnen lassen! Wieso zur Hölle! Sie atmete tief durch.

„Selbstverständlich Meisterin. Ich freue mich bereits auf eine weitere Herausforderung.“, wieder dieses wölfische Grinsen von ihm. Langsam hasste sie es. Okay Cereza, alles ist gut, beruhige dich, keine Leichen hochgestellter Militärführer am Morgen. NEIN. Erneut atmete sie tief durch. Woher kam nur dieser Hass? Hatte sie die Tatsache so aufgeregt, dass man sie hatte gewinnen lassen? Ja. Sie hasste sowas, entweder man verlor ehrenvoll oder man gewann mit Ehre, aber einen Kampf zu gewinnen, weil der Gegner einen bewusst gewinnen ließ, das stand einfach außer Frage. Das stachelte sie… Moment. Das stachelte sie zum Trainieren an. Dieser alte Fuchs.

„Nun denn Meisterin, ich werde nun in die Kaserne zurückkehren. Meldet euch, wenn ihr euch für einen erneuten Kampf bereit fühlt.“ Dieser verdammte Fuchs! Nun hatte er sie soweit. Nächste Stadtion, die Trainingshalle für Nahkampf.

Kapitel 2

„Oh Rylar, was führt einen so unanständigen jungen Mann wie dich zu mir.“, fragte Pater Gregory und empfing die erwartete Reaktion. Rylars Gesichtszüge entgleisten.

„Was denn, ist es nicht das, was junge Männer wie du hören wollen, wenn sie nachts, nach einen schweren Job und kaltem, ekelhaften Wetter zurück nachhause kommen?“, seine Stimme klang wie immer dünn und dennoch von einer seltsamen Kraft begleitet.

„Das ist nicht mein Zuhause und Nein. Jedenfalls nicht … Nein auf jeden Fall nicht von Ihnen.“, gab Rylar zur Antwort und verzog nur mäßig angewidert das Gesicht. Seine Erziehung hatte das problematische verhindert.

„Nein Rylar, du darfst dem Pater in seinem eigenen Haus nicht vor die Füße spucken. Ja Rylar kotzen gehört auch zum Spucken.“, erklang die strenge Stimme seines Vaters in seinem Kopf. Der alte Mann war wirklich ein Spielverderber aller erster Güte gewesen. Ein sanfter Klapps traf Rylar am Kopf.

„Hey…“, klagte Rylar und Gegory schaute ihn finster an.

„Nur zur Vorsorge, ich weiß genau was du denkst und die Reinigungskraft ist schon hier gewesen. Schlimm genug, dass du die Schuhe nicht ausgezogen hast, jetzt wird mir Madame Juris morgen die Hölle heiß machen, wo die Fußspuren auf dem vorher so glatten Kirchenboden herkommen.“, seufzte der Pater und Rylar funkelte ihn an.

„Sie sollten für die alte Fettel wirklich mal ein Auge mit diesem Zölibat-Unfug zudrücken, sonst kommt sie nie vom ihrem Trip runter…“, gab Rylar zurück und der nächste Schlag traf ihn.

„So redet man nicht über arme Frauen wie Madame Juris, sie hat grade erst ihren Mann verloren…“, erklärte der Pater und fing sich einen spöttischen Blick von Rylar ein.

„Ich bitte Sie, der Krieg ist 10 Jahre her und sie wollen mir weiß machen, dass sie immer noch trauert? Sind sie so schwer von Begriff? Wenn Sie zu ihnen in die Kirche kommt und darüber klagt, wie einsam sie doch nach dem Tod ihres Mannes ist, dann ist das kein Trauerklagen sondern eher sowas wie ein einsamer Appell an den Rest der Männlichkeit der sich noch in den alten Knochen befindet, die ihr Fleisch in dieser… adretten Form halten.“, erklärte Rylar und schaute dem Pater entgegen. Dieser sah ihn finster an. Ein Blick dem Rylar mühelos wiederstand, er war wirklich schlimmeres gewohnt.

„Also was hast du diesmal ausgefressen mein Sohn?“, hakte der Pater nach ohne weiter auf das Thema einzugehen. Auch gut.

„Ich hab einen fünffachen Serienmörder gestellt und in den Knast gebracht.“, erklärte Rylar mit ruhiger Stimme.

„Und das belastet dich so schwer, dass du Nachts in die Kirche kommst um es mir zu beichten?“, hakte der Pater grinsend nach.

„Ich glaube ich habe ihm den Kiefer gebrochen…“, gab Rylar zur Antwort und der Pater zuckte mit den Schultern. Manchen Schäfchen kann man eben nur noch mit Gewalt helfen auf den rechten Pfad zurückhelfen.“, erklärte der Pater und blickte Rylar in die Augen.

„Du siehst wirklich fertig aus mein Sohn.“, seufzte der Pater und blickte ihn fest an.

„Wann hast du das letzte Mal richtig geschlafen?“, hakte Gregory pathetisch nach. Rylar starrte ihn an.

„Hören Sie Pater… Ich komme Nachts nicht zu ihnen, weil ich an irgendwas, was sie mir hier von Seelenheil und Trompeten blasenden Engeln erzählen glaube. Ich komme her, weil Sie mich darum gebeten haben Sie nach jedem Auftrag über meinen ‚Geisteszustand‘ auf dem Laufenden zu halten. Mein Vater - Gott ziehe ihm die Haut in Streifen vom Körper – war ein gläubiger Mann, wie sie sicherlich mitbekommen haben nachdem er sich tot gesoffen hat. Ich komme her um mich davon zu überzeugen, dass nicht alle Menschen, die ‚reinen Glaubens sind‘ absolute Arschlöcher sind, nicht weil ich Wert auf irgendwas von Ihrem Gerede lege. Also machen sie jetzt schon ihr ‚ich lege ihnen jetzt auf unperverse und gar nicht sexuell provokative Art und Weise die Hände auf und spreche Sie von ihren Sünden und Verfehlungen frei‘ -Ding und lassen sie mich gehen, ich sollte dringend mal wieder… Moment wie hieß das, ach genau… Schlafen.“, erklärte Rylar mit finsteren Blick.

„Und du erzählst mir irgendwas davon, dass ich mein Zölibat brechen soll um mit der alten Madame Juris zu schlafen… Du solltest wirklich mal drüber nachdenken ob es in deinem Leben nicht mal Zeit für eine Frau wäre.“, seufzte der Pater ruhig und rieb sich die Schläfen.

„Das ist also euer großer, göttlicher Rat? Such dir ne Frau? Wow, das klingt irgendwie wahnsinnig unreligiös…“, seufzte Rylar ruhig und zog den Mantel zurecht, der durch den Gurt der Schwertscheide auf seinem Rücken immer wieder zu verrutschen drohte. Rylar seufzte und schüttelte den Kopf.

„Es tut mir leid Pater, ich weiß nicht wann ich das letzte Mal richtig geschlafen habe. Es könnte eine Weile her sein.“, ergänzte Rylar und schien mit einem Mal ein ganzes Stück sanfter als zuvor.

„Ist schon in Ordnung mein Junge. Geh nachhause und schlaf dich aus.“, gab der Pater zurück und überlegte kurz.

„Wie wärs wenn du deinen Job morgen einfach mal vergisst und auf das große Fest in Izarek gehst?“, fragte der Pater nach und Rylar dachte kurz darüber nach.

„Was soll ich dort?“, hakte er nach und musterte den Pater mit einem misstrauischen Blick.

„Dich entspannen, mal nicht darüber nachdenken, was würde der Jäger in dir tun, sondern einfach mal den Rylar in dir kennen lernen, der noch wirklich Freude am Leben hat.“, entgegnete der Pater und versetzte Rylar einen durchdringenden Blick. Rylar schaute ihn finster an, verkniff sich aber einen bissigen Kommentar. Auf die eine oder andere Art hatte er sogar Recht. Es kam nicht besonders oft vor, dass  Rylar sich seines Lebens freute. Aber das hieß doch nicht, dass er generell keine Motivation mehr hatte weiter zu leben. Oder dachte der Pater etwa einfach weiter als er. Genau genommen war das nicht schwer. Vielleicht sollte er wirklich mal abschalten. Einen Tag keine Vollidioten zu verprügeln und sie vors Gericht zu zerren würde niemanden schaden. Wenn er es nicht tat, würde es ein Anderer tun. Er stieß einen tiefen Seufzer aus. Vielleicht würde es mal wieder Zeit für ihn darüber nachzudenken wie lang er diesen Job noch machen wollte. Es war wirklich nicht der schlechteste Job, den man haben konnte, allerdings war er auch nicht das was man bis an sein Lebensende machen wollte schon gar nicht, wenn man die Blicke bedachte, die einem von jedem zugeworfen wurden. Verachtung, Verzweiflung, Misstrauen und nicht zuletzt unbezähmbarer Hass.

„Danke Pater… Ich werde darüber nachdenken.“, gab Rylar zur Antwort und der Pater schaute ihn finster an.

„Nicht nur drüber nachdenken. Tu es einfach es gibt da draußen noch mehr als einen Verbrecher vors Gericht zu bringen.“, rügte ihn der Pater und Rylar stieß einen Abgrundtiefen Seufzer aus. „Wie sie meinen.“, entgegnete er und wandte sich ab um die Kirche zu verlassen.

„Tu es wirklich!“, warf ihm der Pater hinterher. Rylar hob die Hand um ihm zu symbolisieren, dass er ihn verstanden hatte. Hatte er das wirklich? Nein. Was er tat, tat er gerne. Er hatte schon immer davon geträumt für Gerechtigkeit auf seinen Straßen zu sorgen und das würde er nicht einfach aufgeben. Nein. Er würde weiter machen, weiter Verbrecher stellen und nebenbei weiter lernen um die Prüfung zu bestehen. Er würde Inquisitor werden und endlich die Anerkennung erhalten, die er verdiente und nichts, weder die Verbrecher da draußen, noch das glühende Brandeisen seines Vaters, noch dessen scharfe Gürtelschnalle, die sich zischend durch sein Fleisch grub, während er ihn schlug und schon gar nicht der Pater würden ihn davon abhalten. Er sog tief den Atem ein, als er wieder durch den Schnee stapfte. Aber vielleicht war es doch gar keine schlechte Idee, sich wenigstens einmal im Jahr zu amüsieren und auf eins dieser Feste zu gehen. Es würde ihn schon nicht umbringen. Mit ruhiger Hand öffnete er die Tür zu seiner Wohnung auf und prüfte den Briefkasten, der in der Tür eingelassen war. Heraus zog er lediglich einen Steckbrief.

„Valentin Ravznow“ Verdächtigter Attentäter, man ging davon aus, dass er auf dem großen Fest von Izarek zuschlagen würde. Rylar fragte sich wirklich woher diese Verdachtsfälle kamen und warum die großen Beamten ihre Spione nicht auch dafür einsetzten ihre „Verdächtigen“ auszuschalten anstatt andere die Drecksarbeit machen zu lassen. Er überflog den Steckbrief. Das Gesicht darauf hatte er noch nie gesehen, würde sich aber einfach wiederfinden lassen. Eine gekreuzte Narbe auf der rechten Seite der Stirn, wahrscheinlich von einer Messerklinge. Die Wunde war nicht genäht worden sondern von selbst zusammen gewachsen. Gelassen fuhr sich Rylar übers Gesicht. Weiche Bartstoppeln kratzten an seinen Fingern. Ein beruhigendes Gefühl. Der Bart würde wohl noch etwas bleiben, genau wie die allmählich länger werdenden Haare. Sie waren noch keine Behinderung, weder fielen sie ihm unnötig ins Gesicht noch waren sie lang genug um ihm im Zweifelsfall daran ziehen zu können. Ja, er würde auf das Fest gehen, aber zuvor würde er duschen und schlafen.

 

Cylara öffnete die Augen und gähnte. Ein wohliges Gefühl breitete sich in ihr aus, als sie den Schnee sah, der vom Sturm getrieben gegen ihr Fenster prasselte. Dort draußen möge es stürmen, sie allerdings war hier drinnen im Warmen. Enger schlang sie die Decke um sich und gähnte erneut, gefolgt von einem Strecken, was viele Männer wochenlang mit warmen Gedanken versorgt hätte, hätte es einer gesehen. Langsam schritt sie mit kleinen tapsigen Schritten zum Fenster und blickte hinaus. Gedankenverloren begann sie an der weißen Strähne ihres ansonsten schwarzen Haares herum zu spielen, wickelte sie sanft um ihren Finger, nur um sie wieder los zu lassen und den Vorgang zu wiederholen, dabei kaute sie an ihrer Unterlippe. Sie hasste es so früh am Morgen denken zu müssen. Würde sie heute nach draußen gehen und ihrem Job nachgehen? Ihr Blick wanderte zu der kleinen Kommode auf der ihr dicker, mitternachtsblauer Kapuzenmantel mit den Siegelstickereien lag. Sie stieß einen Seufzer aus. Der Mantel hatte sie bisher immer warm gehalten, jedoch hasste sie es, bei so einem Wetter nach draußen zu gehen. Sie hasste es wenn ihr Schnee ins Gesicht wehte, obwohl sie die weißen Flocken ansonsten wirklich liebte. Dieser Sturm würde sie dann doch eher dazu verleiten im trockenen und warmen Haus zu bleiben. Weiterhin in ihre Decke gehüllt schritt sie auf das Badezimmer zu und prüfte das Wasser aus der Leitung. Eiskalt. Verflucht. Wahrscheinlich war die Warmwasserleitung wieder eingefroren. Sie seufzte. Gleich würde sie wach sein. Sie ließ den dicken, warmen Stoff der Decke zu Boden gleiten, entledigte sich ihrer Unterwäsche, stieg in die Wanne und biss die Zähne zusammen. „Warme Gedanken Cylara, du bist nicht alleine hier. Nein du bist zusammen mit einem starken Mann, der dich warm hält.“, sagte sie zu sich selbst, als sie den Hahn aufdrehte und das eiskalte Wasser auf ihre Haut prasselte. Ihre Atmung wurde hastiger, doch sie riss sich zusammen und biss dabei die Zähne zusammen. „Es wird dich schon nicht umbringen.“, sagte sie zu sich selbst, obwohl sie zutiefst davon enttäuscht war, dass hier niemand war, der sie warm hielt. Sie seufzte und ließ den kalten Wasserschwall über sich ergehen. Nach dem ersten Moment des Schrecks und des Kälteschocks begann ihr Körper sich an die Kälte zu gewöhnen, obwohl sie nicht sagen konnte, dass ihr das gefiel. Eher im Gegenteil. Noch ein paar Minuten ließ sie den kalten Wasserstrahl über ihren Körper gleiten, dann drehte sie den Wasserhahn wieder zu und griff nach einem Handtuch, das auf einem kleinen Schrank zu ihrer rechten lag. Sie begann sich abzutrocknen und fluchte über ihren Körper, der nun, da die wirkliche Kältewelle vorbei war meinte in den Schüttelfrostmodus umschalten zu müssen. Ihre Muskeln verkrampften sich fast schmerzhaft, während ihre Zähne klappernd aufeinanderschlugen. Verflucht nochmal. Sie verzichtete darauf den Rest ihres Körpers trocken zu reiben und hob sogleich die Decke wieder auf um sich wieder darin einzuwickeln. Doch ihr Körper blieb davon unbeeindruckt und schlotterte weiter. Sie hasste ihren Waschzwang am Morgen, aber was sie noch mehr hasste war es unangenehm zu riechen und da sie Parfum noch mehr hasste als unangenehm zu riechen musste sie eben in den sauren Apfel beißen und im Winter kalt duschen. Sie schüttelte den Kopf. Ihre Probleme musste man haben. Im Endeffekt hatte sie alles was sie wollte. Ihre Wohnung lag im am wenigsten schlechten Viertel von Zalrum, hier wurden nur drei oder viermal in der Woche irgendwelche Leichen oder vergewaltigte Frauen auf der Straße gefunden. In anderen Gegenden des Gildenviertels sah das… anders aus.  Dieses Viertel war im Vergleich sehr ruhig und dafür war sie dankbar, immerhin musste sie hin und wieder schlafen um ihre magische Energie wieder aufzuladen, die sie zum Arbeiten benötigte. Cylara war das was man in Zalrum eine Gedankenjägerin und in anderen Teilen der Stadt eine Erinnerungsdiebin nannte. Ein Beruf der hier sehr geehrt und überall anders gehasst und gefürchtet wurde. Sie streckte sich und schritt noch einmal zum Fenster, während sie spürte wie sich die Wärme unter der Decke allmählich wieder herstellte. Heute war das große Fest in Izarek. Sie atmete heiser aus und dachte darüber nach. Es würden sehr viele Wissenschaftler da sein, ein guter Ort um Erinnerungen zu stehlen und ihre Gedanken zu durchforsten. Möglicherweise fand sie ja etwas Nützliches heraus, was ihr auf ihrem Weg weiterhelfen konnte. Aber dafür müsste sie raus in die Kälte. Erneut seufzte sie. Hier drinnen war es zwar schön warm aber immerhin wollte sie einmal die erfolgreichste Gedankenjägerin von Inistra werden, also durfte sie die Kälte nicht scheuen. Sie wärmte sich unter der Decke noch etwas auf und begann dann sich anzuziehen. Unterwäsche, ein Hemd, eine weiche Hose. Sie zog einen Schal aus dunklem Stoff vom Schrank und wickelte ihn erst um ihren Hals, dann über ihre Nase. Die Widerspenstigen Haare band sie damit am Kopf fest, erst danach zog sie den Kapuzenmantel aus dickem, Nachtblauen Stoff über und zog sich die Kapuze ins Gesicht. Genug um nicht erkannt zu werden und zugleich konnte sie alles um sich herum erkennen. Gut. Sie öffnete die Kommode und zog ein langes Messer hervor, was in einer Lederscheide steckte. Die Waffe steckte sie an den Gürtel, den sie sich nun über den Umhang legte. Mit tiefer Gelassenheit öffnete sie die Tür. Ihre Kleidung schränkte sie nicht großartig ein, davon abgesehen war sie vermummt genug, dass sie niemand in der Stadt erkennen würde, weder als Cylara, die ohnehin kaum jemand kannte, noch als Gedankenjägerin, was sie dem Schneegestöber draußen zu verdanken hatte. Wer würde schon jemanden verurteilen, der lediglich versuchte sich vor dem Schnee draußen zu schützen. Kalte Tage hatten eben doch etwas Gutes. Sie stieß die Tür auf und ging langsamen Schrittes heraus. Bloß niemanden auffallen, das war hier die Devise. Nicht einmal hier. Erstrecht nicht hier. Sie öffnete die Tür zur Straße und sperrte sie hinter sich ab. Der Wind peitschte zusammen mit dichten Schneewehen um sie herum und färbte ihren Nachtblauen Kapuzenmantel auf der linken Seite nahezu komplett in Weiß. Was für ein beschissenes Wetter. Das brauchte wirklich niemand. Schon gar keine Wärme liebende Gedankenjägerin. Das Fest würde früh anfangen. Izarek war, was das betraf sehr eigen. Sie fürchteten sich nicht vor Leuten wie ihr, das zeigten sie offen indem sie jedem, egal welcher Rasse oder Abstammung er war den Zugang zu ihrem Gildenterritorium erlaubten. Man durfte sich nur nicht dabei erwischen lassen wie man Mist baute. Aber Mist bauen sollte Sie ohnehin nicht, dadurch, dass jeder Zutritt hatte, würden auch genug Jäger und Inquisitoren aus Vayrem dort sein und das war immer eine ziemlich schlechte Sache. Diese verdammten Kopfgeldjäger aus dieser Weltverbesserergilde Vayrem. Was bildeten die sich überhaupt ein? Sie spielten die Polizei und das Gericht für jede Gilde und fühlten sich dann auch noch dafür verantwortlich fair zu handeln. Was für ein Scheiß. Das aller schlimmste an dieser Gilde waren die Jäger. Die Inquisitoren hatten wenigstens noch Manieren, aber die Jäger nahmen sich deutlich mehr heraus als ihnen zustand. Fast genauso schlimm wie die Diebe hier in Zalrum. Sie atmete so tief durch, wie es der Schal über ihrem Gesicht zuließ. Die kühle Luft war eine Wohltat für ihre Lunge. Sie konnte sich über die Kälte beschweren wie sie wollte, aber kühle Luft mochte sie. Ein Grinsen breitete sich unter dem Schal aus. Doppelmoral. Sie stapfte durch den hohen Schnee, der sich über Nacht auf den Straßen abgelegt hatte. Sie mochte das knarrende Geräusch, was entstand wenn sie auf Schnee ging. Es beruhigte sie und Ruhe war eines der größten Geschenke, was man einer Gedankenjägerin wie ihr machen konnte. Gut nur, dass ihre Stiefel aus einem dicken, gefütterten Material bestanden, was sowohl die Kälte, wie auch die Feuchtigkeit von ihren Füßen fern hielt. Ihre Füße waren ihr Schwachpunkt, sobald sie begann an den Füßen zu frieren würde es nicht lange dauern, bis sich die Kälte über ihren ganzen Körper ausbreiten würde. Diese Schuhe waren jedes Kupferstück wert, was sie dafür hingelegt hatte und sie erinnerte sich gut daran, dass diese Stiefel wahnsinnig teuer gewesen waren. Wahrscheinlich hatten sie fast so viel gekostet wie der Umhang, obwohl das sehr unwahrscheinlich war. Immer mehr Schnee legte sich auf ihrem Kopf und ihren Schultern ab und sie begann sich zu schütteln um das Matschige Weiß los zu werden. Verdammt nochmal in Izarek würde sie sich erstmal in ein Café setzen um dem Schnee für ein paar Minuten oder Stunden zu entrinnen, je nachdem wie lange es dauerte bis der erste Vollidiot sie anquatschte. Das kam bedauerlicherweise viel zu oft vor. Ein dunkler Mantel zog noch mehr Idioten an, als einfache Schönheit. Beides zusammen war wirklich eine Strafe. Naja, sie hatte sich entschieden und würde diese Entscheidung nicht mehr widerrufen. Sie war dazu bestimmt eine der erfolgreichsten Gedankenjägerinnen der Geschichte zu werden, egal was irgendjemand anderes sagte. Sie lächelte. Den letzten Schläger, der sie angequatscht hatte, hatte sie dazu gebracht sich vor Schmerzen am Boden zu winden. Mal sehen wie kreativ sie beim nächsten sein würde. Schwarzmagie war wirklich ein wahrer Quell der Inspiration. Mit unglaublicher Ruhe schritt sie in den engen Gassen entlang, hin und wieder erklangen Schreie um sie herum, erboste Rufe, Schmerzensschreie, Schreie der Verzweiflung, doch sie zuckte nicht einmal zusammen. Sie war all das mehr als gewohnt. Hier im Gebiet der Gilde Zalrum gab es sowas wie Gnade nicht. Wer bestohlen wurde musste sich damit abfinden, wer auf offener Straße einen anderen zusammenschlug, vergewaltigte oder tötete, den erwartete keine Strafe oder Verfolgung. Wer allerdings Geheimnisse der Gilde weiter gab, auf den wurde ein hohes Kopfgeld ausgesetzt. Kopfgeldjäger stellten nur selten Fragen und wenn sie es taten, dann fand sich ein anderer, der dies nicht tat. Bald würde sie das Territorium der Gilde verlassen und direkt ins Territorium von Izarek eintreten. Zalrum und Izarek trennten Welten. Während Izarek ein voll entwickeltes, eigenes Reich mit hohen Türmen und vielen Forschungsstädten war, bestand Zalrum aus Ruinen und uralten sanierungsbedürftigen Gebäuden, während sich tief im Inneren von Zalrum der große Tempel prunkvoll neben all den anderen Gebäuden erhob. Es war eine Schande, aber wer wollte, sollte sich ruhig beschweren. Raonek, der Gildenführer von Zalrum stand im Ruf alle Pfählen zu lassen, deren Anliegen seine Zeit verschwendeten oder ihn langweilten. Cylara stieß den Atem aus, der sich als dünne Rauchwolke in der Luft zu kräuseln begann. Gut, dass ihr Mantel sie noch immer warm hielt. Sie hasste nichts so sehr wie zu frieren. Sie sog tief die Luft ein und verließ das Gewirr aus Gassen und trat auf einen Platz, an dessen Ende sich ein riesiges Portal befand, welches den Eingang nach Izarek kennzeichnete. Es war bereits ein wenig länger her, dass sie Zalrums Territorium verlassen hatte, aber es würde ihr schon nicht schaden. Ohne jede Art von Unruhe schritt sie durch das Portal und betrat nun offiziell das Gebiet der Gilde Izarek. Obwohl hier nichts passierte fühlte sie sich willkommen. Izarek machte einfach einen ganz anderen Eindruck als Zalrum, alles war neu, sah aus wie frisch in Stand gesetzt und strahlte eine Art Ruhe und Frieden aus. Unwillkürlich musste Cylara einen tiefen Atemzug machen, der Geruch von Dampfmaschinen und schweren elektronischen Maschinerien lag in der Luft. Ein Geruch, welcher der Luft hier in Izarek einen ganz eigenen Charme verlieh. Ohne nachzudenken betrat sie eine Gasse, von der sie wusste, dass sie zum großen Marktplatz und zum Drachenhort führte, wie die Einwohner von Izarek den großen Palast ihres Gildenmeisters nannten. Die Gasse war überraschend breit, wenn man sie mit denen in Zalrum verglich und dennoch hatte sie keine Chance dem stämmigen Jungen Mann auszuweichen, der grade um die Ecke bog und mit ihr zusammen stieß. Sie taumelte zurück, fluchte und ließ Schwarzmagie in ihrer Hand zusammenlaufen. Der Mann schaute sie leicht verdutzt an. Er war einen guten Kopf größer als sie, trug einen verschlissenen dunklen Mantel. Er hatte etwas längere Haare als der Durchschnitt der Männer in Inistra und ließ sich einen verwegenen Dreitagebart stehen.  Auf seinem Rücken hatte er ein Schwert aus schwarzem Stahl befestigt, in seinem Gürtel hing ein Messer und doch war das, was ihr am meisten auffiel das Emblem, welches an der Schulter des Mantels aufgenäht war. Das Emblem der Jäger von Vayrem.

 

Rylar starrte die vermummte Gestalt an. Wahrscheinlich kam sie direkt aus Zalrum. Ihn sollte es nicht stören. „Bitte entschuldigt, ich habe euch nicht kommen sehen.“, grummelte Rylar und schritt einfach weiter seines Weges. Er hatte keine Zeit für sowas. Der Wind flüsterte ihm zu, dass die Gestalt sich hinter ihm befand, doch sie führte keine Angriffslustigen Bewegungen aus, davon abgesehen schien die sie einfach nur in die gleiche Richtung zu gehen wie er. Nicht weiter tragisch. Würde sich herausstellen, dass die Gestalt ihm folgte müsste er sich etwas einfallen lassen, doch im Moment ging es erstmal darum die Gegend rund um den großen Platz besser kennen zu lernen, damit man ihn im Falle einer Verfolgungsjagd nicht so einfach abhängen konnte. Sein Orientierungssinn hier in Izarek hatte schon immer etwas zu wünschen übrig gelassen. Das lag wahrscheinlich daran, dass dieser Stadtteil sich zu schnel,l zu sehr veränderte. Izarek war stets im Wandel, das machte den Gildenbezirk stets so beeindruckend. Wenn man nicht hier wohnte konnte man sich jeden Tag mit irgendwelchen neuen Kleinigkeiten überraschen lassen. Ob es nun elektronische Straßenlampen oder ähnliche Spielereien waren. Izarek war ein heiliger Kral der Wissenschaften, es gab so gut wie nichts, was es hier nicht gab. Jedes Mal wenn Rylar hier war stockte ihm der Atem über diese Erkenntnis. In aller Ruhe ging er weiter durch die breiten Gassen, die extra dafür angelegt worden waren um schweres Geschütz, möglichst ohne Behinderung durch die Gassen von Izarek manövrieren zu können. Offensichtlich war auch Izarek für einen kleinen Krieg bereit, aber selbst wenn es manchmal aussehen möge, sie würden nicht die Aggressoren sein. Izarek hatte schon seit Jahren die Ausrüstung um einen Krieg führen und wahrscheinlich sogar gewinnen zu können. Niv’Raz hatte einfach kein Interesse am Krieg, sein Geist hatte sich der Forschung verschrieben und zwar voll und ganz. Der Wind strich durch seine Haare. Die vermummte Gestalt ging immer noch hinter ihm her. Okay, so langsam wurde es lästig. So unauffällig wie möglich ließ er den Blick schweifen. In ca. 200 Metern gab es eine kleine Gablung. Okay, die würde er nutzten um seinem ungebetenen Verfolger das Fürchten zu lehren. 100 Meter. Die abzweigende Gasse schien deutlich schmaler zu sein, als die normalen Gassen in Izarek. Noch besser, dass würde es einfacher machen. 20 Meter, die Mauern in der abzweigenden Gasse hatten vielleicht einen Abstand von einem Meter und zwanzig Zentimetern. Zwei Meter. Showtime. Rylar rannte los in die abzweigende Gasse, sprang seitlich gegen die Wand, hielt sich an der gegenüberliegenden Seite an einem Absatz, fest der aus der Wand ragte, zog sich hoch und blieb darauf stehen, so gut wie es ging. Die Gestalt schien deutlich verwirrt, als sie die Gasse betrat. Sie war eindeutig zu schnell in der Gasse gewesen. Sie verfolgte ihn Hundert Prozentig. Sein Blick verhärtete sich, sie ging weiter durch die Gasse, passierte seinen Standort. Es war soweit. Er prüfte noch einmal den Sitz der Spezialhandschuhe und sprang. Stützte die Finger an die Wand, die Wand verursachte keinen Schaden an den Handschuhen, der Rest lag beim Wind. Dieser sorgte dafür, dass er weich und vor Allem lautlos fiel. Windmagie mochte nicht zur Offensiven Anwendung taugen, allerdings gab sie einem so manche Vorteile, welche die meisten Gegner nicht erwarteten. Kaum hörbar glitt er die Mauer herunter, und zog dabei den Dolch aus dem Gürtelhalfter. Lautlos kam er auf dem Boden auf und überwand die wenigen Meter zwischen ihm und seinem Verfolger in wenigen Augenblicken. Die Klinge legte sich an die Stelle, an der er die Kehle seines Verfolgers vermutete. „Warum verfolgst du mich?“, hakte er mit ruhiger Stimme nach, die jemanden ohne Erfahrungen in solchen Situationen ohne weiteres das Fürchten lehren konnte. Sein Verfolger hatte wohl nichts zu seiner Verteidigung zu sagen. Schade. Er drückte die Klinge näher an die Gestalt heran, überwand den weichen Wiederstand von Stoff. Wahrscheinlich ein Schal. „Ich verfolge dich nicht.“, erklang endlich die Stimme der Gestalt, sie klang zu weiblich um einem Mann zu gehören. Wow, Rylar… Das war ja wohl die Erkenntnis des Jahrhunderts. Er seufzte. „Ich bin es nicht gewohnt, dass mir Frauen hinterher laufen. Das macht mich nervös.“, gab Rylar finster zurück und die Gestalt erwiderte nichts. Offensichtlich glaubte sie ihm ohne weiteres. Jedenfalls glaubte sie den ersten Teil seiner Aussage. „Wenn du mir nicht folgst, warum bist du mir dann hinterher gegangen.“, fragte Rylar nach und klang dabei wie die Personifizierung des Wortes Erbarmungslos. „Ich hatte lediglich den gleichen Weg wie du.“,  antwortete die Gestalt und klang fast sowas wie ehrlich. „Und deshalb fängst du an zu rennen, wenn ich anfange zu rennen?“, hakte Rylar nach und seufzte dabei hörbar genervt. „Okay… ich habe einfach seit langem keinen Jäger mehr gesehen, der zu Vayrem gehörte. Ich hab mich gefragt was so einer in Izarek macht.“, erklärte sie und hob langsam die Hände. „Ganz ruhig, ich werde jetzt die Kapuze abnehmen.“, sprach sie weiter und zog sich die Kapuze vom Kopf. Wallendes langes, dunkles Haar mit ein paar weißen Strähnen kam zum Vorschein, aber Rylar ließ sich nicht beirren. Die Klinge ruhte noch immer an der Stelle wo er ihre Kehle vermutete. „Du hättest auch einfach fragen können.“, entgegnete Rylar finster und behielt die Klinge dort, wo sie lag. „Hättest du mir denn geantwortet?“, erklang die Frage der Frau und Rylars Blick wurde fester und finsterer. „Ich hätte etwas geantwortet.“, gab er zur Antwort und bewegte sich keinen Millimeter. „Aber die Wahrheit hättest du für dich behalten.“, beantwortete die Gestalt ihre eigene Frage. Rylar seufzte. Frauen. Das konnte doch echt nicht wahr sein. „Könntest du jetzt bitte die Klinge da wegnehmen, damit wir uns wie zivilisierte Menschen unterhalten können?“, erklang die nächste Frage, Frauen redeten einfach viel zu viel für seinen Geschmack. Das war für ihn eine bewiesene Tatsache, kein Vorurteil. „Ich bin nicht zivilisiert.“, entgegnete Rylar ruhig, nahm aber trotzdem die Klinge von ihrem Hals. Ihm war so als würde die Gestalt erst jetzt wieder richtig durchatmen. „Sowas in der Art hatte ich mir schon gedacht, zivilisierte Menschen beginnen Gespräche eher selten damit, dass sie ihrem Gegenüber eine Klinge an die Kehle drücken.“, entgegnete die Gestalt so ruhig wie sie konnte, offensichtlich hatte Rylars Auftritt sie mehr erschreckt als sie zugeben wollte. „Diese Taktik hat sich bei anderen unzivilisierten Menschen bewährt.“, grinste Rylar kämpferisch und machte sich trotz aller Anzeichen, die gegen einen Angriff sprachen bereit für einen Kampf. Die Gestalt wandte sich um und er sah in das Gesicht einer Frau. Einer Frau, die sich nicht hätte beschweren müssen, dass sie nicht wahrgenommen wurde. Das schwarze Haar fiel ihr in wilden Locken bis auf die Schultern, wurden aber durch den Schal, den sie allmählich vom Gesicht zog festgehalten. Unter dem Stoff des Schals kam eine hübsche, kleine Nase zusammen mit Lippen zum Vorschein, die irgendeine Gottheit geformt haben musste, als sie angeben wollte. Ihre Augen waren wunderschön, auch wenn sie ihn sehr misstrauisch anblickten, ihre Farbe war irgendwas zwischen Grau und Blau, er wollte sich nicht festlegen. Rylars Gesichtsausdruck blieb der gleiche wie zuvor. Eiskalt und ruhig. „Ich bin nicht unzivilisiert.“, ergriff sie das Wort und Rylar zog eine Augenbraue hoch. „Ich bin niemand, der das an Körperrundungen und einer netten Stimme festmacht. Es gibt auch hübsche Frauen, welche die mentale Freundlichkeit eines Arschlochs besitzen. Ich habe sie behandelt, wie ich jeden an ihrer Stelle behandelt hätte. Wenn ihnen das nicht passt beschweren Sie sich bei der Frauenbeauftragten Ihres Vertrauens, wenn nicht hören sie auf damit, mir mit so Kleinigkeiten auf die Nerven zu gehen.“, gab Rylar zurück und funkelte sie ernst und grimmig an. Was für eine Scheiße lief hier? Für sowas hatte er im Augenblick absolut keine Zeit. Nein, wenn er genauer darüber nachdachte hatte er generell keine Zeit dafür. Die Frau sog tief den Atem ein, offenbar war sie es nicht gewohnt, dass sie derartig behandelt wurde, dennoch schien sie sich im Griff zu haben. Wenigstens etwas. „Was macht nun ein Jäger Vayrems mitten in Izarek?“, hakte die Frau erneut nach und Rylar antwortete voller Desinteresse: „Blumen pflücken. Befragung vorbei? Gut, die Dinger pflücken sich schließlich nicht von allein.“ Weit und breit war keine einzige Blume zu sehen. Rylar war sich nicht mal sicher ob es in diesem Teil von Izarek sowas wie Blumen überhaupt gab. „Die Blumen in diesem Teil der Stadt haben Greifarme und können einen wahrscheinlich erschießen.“, gab die Frau zurück und Rylar schaute sie verblüfft an. Wow, Sarkasmus, dass er das noch erleben durfte. „Wir sind hier in Izarek, hier ist wahrscheinlich alles in der Lage jemanden zu erschießen.“, hielt Rylar dagegen und die Frau begann zu kichern. Mit einem Schlag war die toughe Fassade verschwunden und machte einem Mädchenhaften Antlitz Platz. „Da könntest du Recht haben.“, antwortete sie kichernd und suchte seinen Blick. Na Klasse, sie versuchte sich einzuschleimen. Keine Zeit dafür. Absolut nicht. „Ich werde mich dann mal erschießen lassen.“, gab Rylar zurück und wandte sich um, um die Gasse zu verlassen. Die Frau packte ihn an der Schulter, ließ ihn aber los, bevor er in seiner Paranoia, ihren Arm gepackt und gebrochen hätte. Natürlich aus Versehen. „Warten Sie.“, erklang ihre Stimme wie Musik. Er hasste Musik. „Möchten sie nicht einen Kaffee mit mir trinken?“, hakte sie nach. Er hasste Kaffee. Er schaute sie verständnislos an. „Wenn Sie möchten können wir uns auch erst etwas besser kennen lernen.“ Er hasste es Leute kennen zu lernen. Sein Blick verfinsterte sich. „Hören Sie Lady, wie wäre es wenn sie irgendeinen X-Beliebigen Typen in der Stadt anquatschen, der auch nur einen Funken Interesse daran hat sie kennen zu lernen und mit ihnen einen Kaffee zu trinken, statt ihre Bemühungen auf Unfruchtbarem Boden weiterzuführen?“, erläuterte Rylar mit genervten Unterton. „Mögen sie keinen Kaffee?“, fragte sie nach und ihre Stimme klang verzweifelt und Quäkend, offensichtlich war sie es noch weniger gewohnt abzublitzen. „Glauben Sie mir, es liegt nicht am Kaffee.“, gab er zurück und machte die ersten Schritte aus der Gasse. Die Frau machte nur wenige Anstalten darüber ihm zu folgen. Wenigstens etwas. Rylar hatte seinen Ruf als absolutes Arschloch verteidigt. Strike! So einfach war das. „Wissen sie zufällig wie ich von hier zum großen Platz komme?“, hörte er sich fragen, verdammt nochmal er hatte sich in der Hitze des Gefechts total verlaufen.

 

Cylara traute ihren Ohren kaum. Erst ließ dieser Kerl sie eiskalt abblitzen, griff nicht mal nach dem Ölzweig, den sie ihm gereicht hatte und jetzt fragte er sie nach dem Weg? War dieser Kerl noch zu retten? Dieser Typ tickte doch nicht mehr richtig! „Wieso sollte ich ihnen das sagen?“, fragte sie und erntete ein bitteres Grinsen von ihm, indem er sich etwas zu ihr umwandte. „Weil sie ein zivilisierter Mensch sind.“, erklärte er trocken und vollkommen nüchtern. Was stimmte nicht mit diesem Kerl? War das wirklich sein ernst? Erst das Arschloch markieren und jetzt einen auf ‚Opfer seiner Umstände‘ machen? NEIN nicht mit ihr. Nicht in Einer Millionen Jahren. „Okay ich zeig ihnen den Weg.“, Nein, nein, nein verdammt nochmal nein, warum zur Hölle? Ihre gute Erziehung war schuld! Was war nur falsch mit ihr, was war falsch mit der Welt? Warum gab es solche Situationen? Verdammt nochmal, warum vor allem war sie so blöd ihm auch noch ihre Hilfe anzubieten? Sie ging an ihm vorbei und entschied sich vor ihm her zu laufen, ohne mit ihm zu reden. Verdammt nochmal, selbst das schien er zu genießen, sie hasste es wenn sie so wütend war, dann fiel es ihr wahnsinnig schwer sich in andere hinein zu versetzen. Als sie sich umwandte ging er einfach nur stoisch hinter ihr her. Eine normale Frau würde jetzt reden, würde irgendwie versuchen sich interessant zu machen, wieso konnte sie das nicht? Sie hasste alles und jeden auf dieser Welt. Ohne Ausnahme. „Wieso der Umhang und die Kapuze?“, erklang seine Stimme von hinten. ‚Nein ich werde nicht mit ihm reden‘, erklang es in ihrem Kopf. „Damit mich niemand erkennt.“, erklärte Cylara mit ruhiger Stimme. VERDAMMT nochmal! Diese Antwort würde zwar keinen Menschen auf der Welt zufrieden stellen aber warum verdammt nochmal hatte sie etwas gesagt, wenn sie sich fest vorgenommen hatte nichts zu sagen. War sie derartig nervös in seiner Nähe? Er hatte das Messer schon längst von seiner Kehle genommen, also kehre zu deiner eigenen Normalität zurück Cylara! Sie sog tief den Atem ein. „Aha, gut dass wir darüber gesprochen haben.“, erklang seine Stimme erneut hinter ihr. Was? Kein Nachhaken? Kein Versuch mehr aus ihr raus zu kriegen? Dieser Mann stellte sie wirklich vor Rätsel. Also gut, er wollte die volle Packung? Okay, die konnte er haben! „Ich komme aus Zalrum, da ist es besser, wenn man auf der Straße nicht als Frau erkannt wird.“, gab sie zu und fühlte sich befreit. Sie war wirklich unglaublich. Sie sollte sich in Zukunft keine Geheimhaltung mehr vornehmen, daraus würde ohnehin nichts werden. „Das verstehe ich. Zalrum ist ein eher raues Pflaster.“, gab der Mann hinter ihr zurück, seine Stimme klang, als wäre er schon oft genug da gewesen um es zu wissen. Einen Scheiß wusste er! „Du hast keine Ahnung.“, entgegnete Cylara mit fester und unbeirrbarer Stimme. „Das erste Mal, als ich in Zalrum war hatte ich versucht eine Schlägerei zu schlichten, aber derjenige, der auf dem Boden lag und zusammen getreten wurde, schien vollkommen unbeeindruckt und hat mich angeschrien, ich solle mich aus seinen Angelegenheiten raushalten.“, erklärte der Jäger mit rauer Stimme. Das klang tatsächlich nach Zalrum. „Und was hast du dann gemacht?“, hakte sie nach und war sich sicher, dass er den Mann hatte verprügeln lassen. „Ich habe nochmal meine Steckbriefsammlung gecheckt, habe sie alle zusammengeschlagen und letztendlich die Belohnung für die Vyraz-Bande eingesackt.“, gab er völlig glaubhaft und vor allem von sich vollkommen unbeeindruckt wieder. Die Vyraz-Bande war vor Vier Jahren spurlos von den Straßen Zalrums verschwunden. Sie hatte aus Sechs wahnsinnig gefährlichen und irren Killern bestanden. Und dieser Kerl sagte, er hätte sie einfach mal so im Vorbeigehen niedergeschlagen und mitgenommen um sie dem Gesetz zu übereignen. „Na klar.“, erklärte Cylara völlig ungläubig. Er sagte nichts, entweder fühlte er sich durchschaut oder er hielt es nicht für nötig, etwas zu sagen. Verdammt nochmal, sie hasste es, wenn Männer so waren. Er war zwar der erste den sie kannte, der tatsächlich so drauf war, aber das war jetzt Nebensache. „Wir reden jetzt aber schon von der richtigen Vyraz-Bande oder, also der Bande aus eiskalten Profikillern, du weißt schon.“, sie grinste, weil sie sich sicher war, dass er ihr ins Netz gehen würde. „Das waren keine Profikiller… Sie hatten insgesamt 27 Menschen auf dem Gewissen. Diese wurden zusammengeschlagen in den Gassen von Zalrum gefunden. Wären es echte Profikiller gewesen hätten sie ihre Opfer nicht zu sechst zusammen schlagen müssen, davon abgesehen brüsten sich Profikiller nicht mit ihren Opfern. Der Anführer der Bande, ein gewisser Vrynn Dalton hatte allerdings gar nicht mehr aufhören können davon zu schwärmen wie sie ihre bemitleidenswerten Opfer getötet hatten. Es hatte nicht viel gefehlt und ich hätte Ihn auf offener Straße zu Tode geprügelt. Das haben wahrscheinlich mittlerweile die Gefängnisinsassen erledigt. Dort drinnen gibt es einige Leute, die deutlich übler drauf sind als Dalton und seine Freunde. Im Vergleich waren das alles kleine Fische… Austeilen aber nicht einstecken… Und wenn sie keine Opfer finden gehen sie aufeinander los. Das ist einfach erbärmlich. Von Profikillern waren die so weit entfernt wie vom menschlichen Gefühl der Empathie.“, gab der Mann zurück und Cylaras Blick verfinsterte sich. Gut er wusste Bescheid. Das änderte rein Garnichts. Sie gab ein brummen von sich und der Jäger reagierte nicht darauf. „Wie ist eigentlich dein Name?“, fragte sie aus weniger Interesse als sie vorgab zu haben. Genau genommen wollte sie einfach nur dieses peinliche Schweigen zwischen ihnen überbrücken. „Rylar.“, antwortete er knapp. Sie hatte noch nie von ihm gehört. Wie es von einem dreckigen Jäger zu erwarten war. Sie dachte kurz darüber nach mit Schwarzmagie in seine Gedanken einzudringen, aber verwarf den Gedanken erstmal für den Moment. Es gab Gedankenjäger, die es unbemerkt schafften sich in jeden Verstand zu schleichen, die es sogar schafften einzelne Gedanken und Erinnerungen umzuschreiben. Diese Gedankenjäger wurden Lügenweber genannt, aber von dieser Macht war sie noch weit entfernt. Noch. Ihr lief es kalt den Rücken herunter wenn sie daran dachte, dass es da draußen tatsächlich Magier gab, die einen vom einen auf den anderen Moment zu einem komplett anderen Menschen machen konnten, ohne das die betreffende Person überhaupt etwas davon mitbekam. Schwarzmagie war wirklich Furchteinflößend, wenn es darauf ankam. Nichts desto trotz würde sie versuchen in seinen Verstand einzudringen, wenn er grade mal nicht aufpasste. Wenn man versuchte in einen Verstand einzudringen lief es darauf hinaus, wer den stärkeren Willen hatte und Gedankenjäger wurden darauf geschult einen Stahlharten Willen zu generieren um  effektiver arbeiten zu können. Dieser Typ würde keine Chance haben. Sie würde seinen Verstand infiltrieren und ihn in seine Bestandteile zerlegen, bis nur noch ein sabberndes Häufchen Elend von ihm übrig bleiben würde. Um weiter zu kommen brauchte man Forschungsobjekte und freiwillige Testprobanden, die sie einfach in ihren Verstand einließen würden ihr hierbei nicht helfen. Sie musste ihre Kräfte erweitern und sie würde alles tun um ihr Ziel zu erreichen. Erst würde sie den Stand eines Lügenwebers erreichen und letztendlich die beste Gedankenjägerin seit Generationen werden. Niemand würde sich ihr in den Weg stellen, und wer es doch tat, den würde sie Gnadenlos zerschmettern. Kurz flammte in ihrem Geist die Erinnerung an ihre Mutter wieder auf. Sie war eine unheimlich fähige Schwarzmagierin gewesen. Sie hatte es geschafft in die Gedanken mehrerer Personen zeitgleich einzudringen. Ihre Kontrolle ging so weit, dass sie die Taten ihrer Opfer komplett steuern konnte. Mehr als einmal hatte sie sich Zugang zu ihrem Verstand verschafft und mehr als einmal hatte sie ihre Gabe benutzt um Cylara, ihre eigene Tochter zu foltern. Bis es ihr, Cylara, gelungen war sie aus ihrem Verstand zu verbannen, und ihrerseits in den Kopf ihrer Mutter einzudringen. Sie wusste nicht was sie damals getan hatte, aber als sie wieder zu sich gekommen war, hatte ihre Mutter aufgehört zu atmen. Keine äußerlichen Wunden, kein Blut, einfach nur ein toter Leib und ein gebrochener Blick. Das war der Tag an dem sie entschlossen hatte ihren Traum zu verfolgen. Sie wollte mächtiger werden als ihre Mutter und wollte ein Leben führen, was das eines jeden Gedankenjägers in den Schatten stellte. Sie würde ihr Leben führen und dabei jeden Gedanken an die Folter ihrer Kindheit vergessen. Ihr Verstand würde der einzige sein, den sie nicht manipulieren konnte. Und das war auch gut so, denn wenn es ihr selbst nicht gelang ihre Gedanken zu kontrollieren und sich dazu zu zwingen Teile ihres Lebens zu vergessen, wie sollte es dann einem anderen gelingen das zu tun. Sie war Herr über all das was in ihr vorging und das würde sie bis ans Ende bleiben. Und wenn es irgendwann soweit war, wenn sie niemand mehr verletzen konnte, dann würde sie Zalrum für immer verlassen. Bedauerlicherweise war dieser Ort der einzige, an dem Gedankenjagd und Erinnerungsdiebstahl betrieben wurde. Es war die einzige Gilde, die diese einzigartige Art der Magie zelebrierte. Natürlich gab es noch andere Gilden die sich der schwarzen Magie bedienten, allerdings taten sie es auf eine vollkommen andere Art und Weise. Viele begnügten sich mit einfachen Schmerzflüchen und Zerstörungszaubern, die öfter schief gingen, als dass sie wirklich taten was sie sollten, andere hingegen betrieben die verbotene Magie der Nekromantie. Eine Art der Magie, die so grauenvoll war, dass sich nicht einmal Zalrum damit auseinandersetzte. Cylara sog tief den Atem ein. Früher oder später würde ihre Zeit kommen und sie würde es allen zeigen. Ein bitteres Grinsen breitete sich auf ihren Lippen aus, doch das Grinsen erreichte ihre Augen nicht. „Wie ist dein Name?“, fragte nun ihr zukünftiges Opfer nach und sie drehte sich zu ihm um. Sollte sie ihm die Wahrheit sagen, jetzt wo sie ohnehin plante seinen Verstand zu sprengen? Warum nicht, was sollte einer wie er schon tun, wahrscheinlich war er so willensschwach wie alle anderen Jäger die da draußen herumliefen. „Mein Name ist Cylara.“, gab sie ihrer Neugier nach. Was sie wohl in einer vertrauteren Beziehung zu diesem Typen erreichen konnte? Welche Informationen sie ihm wohl entlocken konnte ohne in seinen Verstand eindringen zu müssen? „Schön dich kennen zu lernen Rylar. Verrätst du mir jetzt warum du hier bist?“, fragte sie mit einem Lächeln, was jeden Mann den sie kannte ohne Weiteres in die Knie hätte zwingen können. „Blumen pflücken.“, gab Rylar ohne weiteres Interesse an ihrer Person zurück. „Es gibt hier keine Blumen.“, entgegnete sie nun etwas ungehaltener als sie es beabsichtigt hatte, noch nie hatte sie ihren Charme so abprallen sehen wie bei diesem Kerl, wahrscheinlich war er einfach nur anders orientiert. Wahrscheinlich stand er auf Kerle. „Das hätte ich gar nicht erwartet.“, gab er zurück. Sie hasste diesen Kerl jetzt schon. „Sag mal… Wie ist es eigentlich ein Jäger zu sein?“, fragte sie, es interessierte sie nicht wirklich aber sie wusste nicht was sie im Moment sonst fragen sollte. „Manchmal wirklich stressig… Nicht weil es keine Arbeit gäbe… Da draußen laufen mehr verrückte Killer rum, als man glaubt. Aber es ist einer Bewährungsprobe für den eigenen Verstand…“, antwortete er ohne Umschweife und ihr Interesse war geweckt. „Was meinst du damit?“, stellte sie eine weitere Frage und Rylar fuhr sich mit der Hand übers Haar, was bereits mit Schnee bedeckt war. Aus Reflex tat sie ihm gleich und spürte wie ihr Schnee vom Kopf über die Schultern rutschte. „Hast du schon mal über jemanden gekniet um ihn eine Klinge an die Kehle gedrückt? Nicht irgendjemanden, sondern zum Beispiel einem fünffachen Mörder, der es nur auf Mütter abgesehen hat und deren Kinder gerne dabei hat zusehen lassen, wie er ihre Mütter gefoltert und getötet hat?“, stellte Rylar eine Gegenfrage. Eine schreckliche Vorstellung, dass es solche Menschen da draußen gab, aber wenn es da draußen Menschen gab, welche die Gedanken anderer kontrollieren konnten, dann musste es wohl auch etwas geben. „Nein. Noch nie.“, gab sie zur Antwort und Rylar nickte. Sein Blick schien in weite Ferne gerutscht. Verdammt nochmal er war ehrlich zu ihr. Das sah sie ihm an. „Es gibt nichts schwereres, als es einfach zu tun. Wenn man einmal getötet hat wird die Hemmschwelle kleiner, es ein weiteres Mal zu tun. Und irgendwann kommt unweigerlich der Moment in dem man es tun will. Der Moment in dem man die Klinge einfach nur über die Kehle dieses Bastards gleiten lassen will. Der Moment in dem man sehen will, wie er vor deinen Augen erstickt und verblutet, der Moment in dem du die Angst in seinen Augen sehen willst, die er selbst so sehr genossen hat, wenn er sie in den Augen seiner Opfer gesehen hat.“, beendete er den Satz und Cylara konnte ihren Blick nicht von ihm abwenden. Dieser Idiot, er übermittelte ihr Informationen, die sie ohne weiteres verwenden konnte um seinen Willen zu brechen und in seine Gedanken einzudringen. Aber gut für sie, er sollte ruhig weiter reden. Trotz all ihrer Absichten bemerkte sie einen Funken der Bewunderung für diesen Mann. Sie erinnerte sich daran wie schuldig sie sich gefühlt hatte als ihre Mutter tot vor ihr im Zimmer gelegen hatte. Sie erinnerte sich daran wie schlecht ihr gewesen war. Sie erinnerte sich, wie sie sich neben dem toten Leib ihrer Mutter übergeben hatte, wie sie unkontrolliert geweint hatte. Sie hatte auf diese Art und Weise geweint, zu der nur eine Vierzehnjährige fähig war. Unwillkürlich wollte sie in Gedanken daran ihre Arme um sich selbst schlingen, doch sie umarmte den Schrecken, der ihr Herz in diesem Moment zu ergreifen drohte und hieß ihn willkommen wie einen alten Freund. Nichts und niemand konnte sie brechen. Niemals. „Ich verstehe… Du fürchtest dich davor eines Tages zu werden wie sie.“, erläuterte sie die Quintessenz dessen was er gesagt hatte. „Nein… Das ist keine Angst, dass es passieren könnte. Ich weiß, dass der Drang in mir eines Tages so stark werden wird, dass es mir als absolut gerechtfertigt vorkommt jemanden zu töten nur um die Angst in seinen Augen zu sehen. Wer Angst vor sich selbst hat, hat schon verloren. Bis dahin muss ich einfach noch viel stärker sein. Man muss immer stark genug sein, sich allem was kommt in den Weg stellen zu können. Auch wenn das bedeutet, dass man über sich selbst hinaus wachsen muss.“, was klang wie eine simple Moralpredigt meinte dieser Kerl absolut ernst. Was war nur mit ihm los. Sie wusste nicht ob sie ihn bewundern oder bemitleiden sollte. Bewundern dafür, dass er dazu fähig war sich selbst so stark zu fühlen und bemitleiden dafür, dass er bald tot vor ihr im Dreck liegen würde. Wenn es soweit war würde dieser Kerl absolut keine Chance haben, nicht mit dem Wissen was er ihr überlassen hatte. Immer diese Idioten, die es immer nur einfach gehabt haben und glaubten sie könnten alles schaffen. Das war alles nur Kanonenfutter für die wahrhaft Starken. Tja mein Lieber, wenn du an einen Gott glaubst, solltest du eines über ihn wissen: Er hat kein Interesse an glücklichen Menschen, was er will sind starke Menschen. Cylara wandte sich wortlos um, auf ihren Lippen bildete sich ein erbarmungsloses Lächeln. Denn wenn sie eines wusste, dann dass sie stark war. Stärker als jeder andere, wenn es darauf ankam. Niemand konnte sie verletzten, niemand konnte sie brechen. Sie war eine unzerstörbare Klinge und wie eine Klinge würde sie führen, was er ihr in die Hand gegeben hatte um seinen Verstand in kleine Stücke zu schlagen.

Kapitel 3

Cereza zog den Schlitten von der Waffe und fuhr damit fort die Faustfeuerwaffe Stück für Stück auseinander zu nehmen. Mit verschiedenen Bürsten begann sie die von Pulver beschichteten Teile zu reinigen. Heute musste alles perfekt sein. Das große Fest der Wissenschaften war ein wichtiger Bestandteil der Kultur von Izarek und dementsprechend musste sie auch auftreten. Das alltägliche Ritual, die Waffe zu reinigen gehörte dazu. Sie ging zwar fest davon aus, dass ihr als Soldatin niemand wirklich Beachtung schenken würde,  aber sicher war sicher.  Sie schob die Bürste durch den Lauf und begann ihn zu säubern.  Als das Metall der Waffe blitzte und glänzte begann sie damit die Teile wieder zusammen zu setzen und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Hatte sie etwas vergessen? Nein. Die Waffen waren sauber. Selbst ihre Uniform, die sie nie trug machte einen sauberen Eindruck. Allmählich beschlich sie das unangenehme Gefühl, dass sie es etwas übertrieb, doch diesen Gedanken verwarf sie gleich wieder. Das Fest war wichtig. Egal wie man es drehte und wendete. Natürlich war es nicht besonders wichtig für die einzelne Person, aber das Ansehen von Izarek konnte von jeder Kleinigkeit abhängen. Sie wollte keinen schlechten Eindruck machen. Weder vor den Höheren Militäroffizieren noch vor Militär- oder sogar Gildenfremden Personen. Heute war sie ein Teil der Menge. Und sie war wichtig. Sie nickte und zog die Truhe zu sich heran in der ihre Uniform lag. Fein säuberlich zusammengelegt und frisch gewaschen. Auf dem Stoff abgelegt funkelten ihre Orden und Dienstabzeichen. Allen voran das Abzeichen des flammenden Emblems, das Gildensymbol von Izarek, welches kunstvoll in Flammen gehüllt war. Sie nahm den Stoffstreifen mit den Orden vom Stoff und legte ihn beiseite, dann zog sie ihre Uniform hervor. Wie sie dieses Ding hasste. Zwar war der Stoff fein und von guter Qualität, dazu kam, dass die Uniform meisterhaft verarbeitet war jedoch störte sie irgendwas an dieser Uniform. Immer wenn sie die Uniform trug fühlte sie sich in eine Rolle gepresst. In eine Rolle die sie nicht spielen wollte. Sie war kein Werkzeug des Krieges, wie die Soldaten so gerne genannt wurden. Sie war Cereza. Einfach nur Cereza. Kurz dachte sie an ihre Mutter. Eine wundervolle Frau, warmherzig und großzügig. Aber sie hatte nie gewollt, dass Cereza zum Militär ging. Sie hatte den Gedanken nicht ertragen können, dass Cereza eines Tages tot in einem Schützengraben liegen könnte und hatte sie vor die Wahl gestellt. Sie hatte die Wahl gehabt zuhause zu bleiben oder dem Militär zu dienen und ihren Traum zu erfüllen. Wäre es nach ihrer Mutter gegangen wäre sie Näherin geworden und hätte in jungen Jahren irgendeinen Wissenschaftler geheiratet und bereits jetzt zwischen zwei und drei Kindern gehabt. Ein Leben was zwar nett klang, für Cereza allerdings überhaupt nicht in Frage kam. Sie war einfach nicht die Art Mensch, die still auf einem Stuhl saß und Kleider nähte, dabei ein Auge auf die Kinder hatte und Abends ihren Ehegatten mit Liebe überschüttete, obwohl dieser sie, in seiner Arbeit versunken ignorierte. Nein. Sie war keine Frau, die einen Wissenschaftler heiratete und „glücklich“ bis an ihr Lebensende lebte. Sie kam eher nach ihrem Vater. Einem hohen Soldaten von Izarek, der ebenso wie sie jetzt im flammenden Emblem gedient hatte bis ihn jemand in Ausführung seiner Pflicht getötet hatte. Noch jetzt sah sie den hohen Militäroffizier vor ihrer Haustür stehen, während es draußen in Strömen regnete. Wie er auf ihre Mutter einredete und sie zu trösten versuchte. Damals war Cereza 13 gewesen und sie war sich sicher gewesen, dass in dieser Nacht jeder einzelne Regentropfen nur für ihre Mutter fiel, die so sehr um ihren Vater trauerte. Sie seltsamerweise hatte nicht geweint. Sie war stark geblieben, hatte sich stets gesagt, dass ihr Vater das von ihr erwarten würde. Ja ihr Vater hätte von ihr erwartet, dass sie stark war, dass sie ihrer Mutter tröstete und ihr half ein geordnetes Leben zu führen. Wenn sie genau darüber nachdachte hatte sie dies geschafft. Sie hatte ihrer Mutter solange Mut und Trost gespendet, bis sie sich wieder aufgerappelt hatte. Bis sie ihr Leben wieder in die eigene Hand nehmen konnte. Wenn sie daran dachte was aus ihrer Mutter geworden war musste sie lächeln. Sie hatte ihre zweite Hochzeit früher gehabt, als Cereza ihre erste und das ausgerechnet mit einem der Wissenschaftler, die Cereza aus Zalrum hier her eskortiert hatte. Ein ehrlicher und guter Mann, davon hatte sie sich überzeugt, als sie davon erfahren hatte. Ihre Mutter hatte ein neues Leben, eines in dem für sie kein Platz mehr war. Sie hatte ihren neuen Mann, ihre beiden Söhne und einen guten Job. Ein trauriges Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Ob ihre Mutter wohl jemals erfahren würde, dass ihr neuer Ehemann nur zu ihr gefunden hatte, weil Cereza ihm das Leben gerettet hatte, als sie ihn eskortiert hatte. Mehr als nur einen Attentäter hatte sie abwehren müssen um den Mann zu retten, der ihrer Mutter ein neues, glückliches Leben geschenkt hatte. Sie hoffte das sie nicht noch einmal durchmachen musste wie eine, ihr nahe stehende Person zu Tode kam. Sie war dafür nicht geschaffen und ihre Mutter hatte Besseres verdient. Mit ruhigen Händen begann sie sich ihrer Kleidung zu entledigen, die ihre Mutter so gerne als Trainingslumpen bezeichnet hatte. Ein graues Muskelshirt und eine schwarze Jogginghose. Nun begann sie damit ihre Uniform zu entfalten und streifte sich das Oberteil über, dann schlüpfte sie in die Hose, knöpfte sie zu und schnallte sich den Gürtel um. Es wurde Zeit. Ob ihre Mutter wohl auch auf diesem Fest sein würde? Egal, sie würde unter den ganzen Soldaten gar nicht auffallen. Und falls sie doch auffiel, gab es immer noch die Möglichkeit der Verleumdung. Nein ich sehe nur zufälligerweise aus wie ihre Frau und eure Mutter, ich bin dieser Frau noch nie im Leben begegnet. Ob sie ihrer Mutter bei dieser Lüge in die Augen sehen können würde? Das letzte Mal als sie sich gesehen hatten, hatte Cereza wirklich wie ein jüngeres Abbild ihrer Mutter ausgesehen. Was für eine Tragödie. Sie hasste es andere zu belügen und noch mehr hasste sie es ihre Wurzeln zu verleumden. Aber es blieb ihr keine Wahl. Sie hatte in dem Moment, als sie sich entschieden hatte zum Militär zu gehen alle Brücken hinter sich verbrannt und ihre Asche in alle Winde verstreut. Es gab keine Möglichkeit der Vergebung. Nicht einmal jetzt. Sie hoffte nur, dass ihr neuer Ehemann sich nicht an sie erinnern würde. Nein das würde er nicht. Ganz bestimmt nicht. Sie sog tief den Atem ein. Sie griff nach den Pistolen, die sie auf dem Tisch abgelegt hatte. Noch einmal kontrollierte sie das glänzende Metall, dann steckte sie die Waffen in die Halfter an ihrem Gürtel. Als nächstes betrachtete sie die Bajonette, die glänzend auf dem schwarzen Kissen lagen. Perfekt. Ruhig formte sie die Lippen zu einem lautlosen Gebet. Seltsam. Dabei war sie gar nicht gläubig. „Bitte lass sie mich einfach übersehen. Ich will ihnen nicht begegnen und ich will keine alten Wunden aufreißen.“, seufzte sie im Gebet und sog erneut tief die Luft ein. „Steht mir bei ihr Götter des Pantheons. Ich werde mich bestimmt irgendwann erkenntlich zeigen.“, seufzte sie ruhig. Bald würde es soweit sein. Ihr Blick fiel auf die technische Uhr, die über ihrer Tür hing.  Sie schluckte, nickte dann und zwängte ihre Füße in die engen Lederstiefel. Verdammt nochmal wie sehr sie diese Stiefel hasste. Ihre Füße fühlten sich an als lägen sie in Schraubzwängen. Nur ein Tag. Das Fest dauert nur einen Tag an, das wirst du überleben. Es wird sicherlich nichts Schlimmes passieren. Mit einem seufzen streckte sie sich noch einmal. Es war unglaublich wie unangenehm das Strecken sein konnte, wenn man es in einer Uniform tat. Widerwillig zog sie die Türklinke herunter und verließ ihre Wohnung.

 

Rylar sog die Luft ein und nippte an seinem Kaffee. Er hatte alle Fluchtwege inspiziert und kannte sich jetzt einigermaßen in den umliegenden Gassen aus. Es schneite oder regnete nicht. Es war windstill. Alles war perfekt bis auf eine Kleinigkeit… „Warten wir hier wirklich auf einen Attentäter?“, hakte Cylara gespannt nach. Sie war immer noch da… Es war Rylar in den vergangenen Stunden nicht gelungen sie abzuschütteln oder etwa sie tot zu langweilen. Weiß Gott er hatte es versucht. Er stieß hörbar genervt den Atem aus, während das Koffeinhaltige Heißgetränk allmählich die Kälte aus seinen Gliedern löste. „Nein. Ich warte auf einen Attentäter. Du stehst aus irgendeinem Grund der mir nicht bekannt ist nur einfach immer noch hier.“, erklärte er sachlich und versuchte sich auf seine gute Erziehung zu besinnen in der es auch ein Thema war keine Frauen zu schlagen. Dieses Mal gelang es ihm noch, aber die Brutalität des Menschenjägers zog bedrohliche Kreise über dem Kopf der jungen Frau. Er musste sie ganz dringend loswerden. Sie lenkte ihn ab und Ablenkung konnte er sich nicht leisten.  Absolut nicht, nein. „Wolltest du dir die Parade nicht aus nächster Nähe ansehen?“, hakte Rylar nach und versuchte sie zu animieren sich einen anderen Platz zu suchen. „Nein von hier oben sehe ich genug.“, gab sie mit dankbarem Ton in der Stimme zurück. Womit hatte er das nur verdient. Er schloss die Augen und massierte sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel um einen möglicherweise bald auftretenden Kopfschmerz so gut es ging im Keim zu ersticken. „Wieso bist du immer noch hier?“, hakte er mit deutlicher Ablehnung in der Stimme nach. Verdammt nochmal, jede Frau mit nur ein Bisschen Grips hätte mittlerweile gemerkt, dass er sie loswerden wollte. Aber offensichtlich war es ihr entweder vollkommen egal oder aber sie war einfach nur dämlich. Da Rylar mindestens etwas Ähnliches wie Glauben an die Menschheit besaß, hoffte er für die junge Frau, dass es ihr einfach egal war. „Das hier ist doch viel spannender als da unten.“, entgegnete sie und er stieß einen Abgrundtiefen Seufzer aus. Verdammt nochmal. „Hier oben passiert rein gar nichts, das muss ich dir doch jetzt hoffentlich nicht erklären oder?“, hakte Rylar genervt nach und Cylara schaute ihn an. Sie lächelte. „Da unten passiert aber auch nichts und ich habe mich einfach an die nette Gesellschaft gewöhnt.“, gab sie lächelnd zurück. Nein Rylar… Zu viele Zeugen. Man tötet keine Frauen auf offener Straße. „Aha…“, entgegnete Rylar deutlich genervt und zauberte damit ein weiteres Lächeln auf ihr Gesicht. Sie spielte gut, keine Frage, aber es war und blieb ein Spiel für sie. Sie versuchte sein Vertrauen zu erlangen, wahrscheinlich plante sie ihm, in einem Moment der Unachtsamkeit ein Messer in den Rücken zu stoßen. Sollte sie es versuchen. So abwesend und unachtsam konnte er gar nicht sein, dass er ein solches Messer nicht kommen sehen würde. „Bis zur Parade dauert es noch eine Weile, wie wär’s wenn wir uns ein warmes und kuschliges Plätzchen nur für uns beide suchen?“, hakte sie nach und zwinkerte ihm zu. Er starrte sie an. Viel auffälliger ging es wohl auch nicht mehr. „Ich mag diesen Platz, er ist zwar nicht das was man warm und kuschelig nennen würde, aber das ist noch nicht alles, nein die Aussicht ist auch Scheiße, was will man mehr.“, gab er schroff zurück und stieß den Atem aus, der sofort die Gestalt einer weißen Wolke annahm. Sie schien tatsächlich enttäuscht zu sein. Sie hatte sich wohl viel davon versprochen, er war untröstlich. „Wieso weist du eigentlich alles was mit Nähe zu tun hat sofort ab?“, stellte sie eine Frage und verzog dabei den Mund zu einem ansehnlichen Schmollmund. Immer mit der Ruhe, hörte er sich innerlich sagen. Sie kann dir nicht überall hin folgen. „Mit der Nähe hat das nichts zu tun, dabei geht es um dich.“, erklärte er so ruhig, als würde es in ihm keinerlei Emotionen auslösen, das zu sagen. Ihr Blick wurde betroffen. „Magst du mich etwa nicht?“, hakte sie nach und wow, diesen Blick musste sie wirklich lange vorm Spiegel geübt haben. Im Allgemeinen reagierten Frauen auf drei verschiedene Arten auf die nun folgende Antwort. „Nein, ich kann dich nicht leiden.“, erklärte er vollkommen sachlich und emotionslos. Art Nummer Eins würde jetzt sowas sagen wie: „Du Ekel, ich will dich nie wieder sehen!“ und würde sich mit einer theatralischen Geste aus dem Staub machen, Art Nummer Zwei würde mit den Schultern zucken, sich umdrehen und gehen und Nummer Drei, oh Himmel bitte lass sie nicht zu Nummer Drei gehören, würde alles daran setzen seine Meinung zu ändern und ihm solange hinterher rennen bis er sie mochte. Gut das Nummer Drei wahnsinnig selten war. Sie lächelte und zwinkerte ihm zu. „Das wird sich bestimmt noch ändern. Danke, dass du so ehrlich bist.“, entgegnete sie unheimlich gefasst und ihr Lächeln wurde breiter. Das konnte doch nicht wahr sein. Er stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus und verspürte das Bedürfnis einen Kopf, vorzugsweise ihren gegen eine harte Oberfläche zu schmettern, aber er wiederstand dem Drang so gut er konnte. „Du gibst wohl nicht so einfach auf, hm?“, erfragte er das offensichtliche und sie stupste sie an. „Wenn wir uns erstmal richtig kennen wirst du mich mögen.“, legte sie fest und grinste. Wenn sie sich da mal nicht täuschte. „Wann sind wir eigentlich zum Du übergegangen?“, seufzte er nachgebend und blickte ihr entgegen. Sie zuckte mit den Schultern. „Ich finde ein du eben viel besser als diese ständige Förmlichkeit, wenn ich mal halb tot bin und eine Krücke benutze darfst du mich siezen. Nicht vorher.“, gab sie zur Antwort und er schüttelte den Kopf. „Na Wunderbar, endlich was worauf ich mich freuen kann.“, gab er zurück und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie kicherte über die Antwort. Die würde er wohl so schnell nicht mehr loswerden. Schlecht. Sie bedeutete unnötige Ablenkung vom Auftrag. Kurz kamen ihm die Worte Pater Gregories wieder in den Sinn: ‚Du solltest dir überlegen ob es in deinem Leben nicht langsam mal Zeit für eine Frau ist.‘
Manchmal hasste er den alten Sack. Wenn es Zeit für eine Frau wurde, dann nicht für eine wie sie. Er seufzte leicht und strich sich mit der Hand durchs Haar. „Es wird gefährlich werden in meiner Nähe zu sein.“, unternahm er einen letzten Versuch sie los zu werden. Wenn es nicht klappte, musste Rylar eben mit Problemen rechnen, die sie verursachen würde. Unter Umständen. Er schluckte. Er würde sie beschützen müssen. Nur weil sie ihm trotz der Warnungen hinterher rannte, war das noch kein Grund dafür sie im Zweifelsfall sterben zu lassen. Verdammt nochmal. Er hasste sich für sein schlechtes Gewissen. Warum musste er solche Probleme damit haben andere zu opfern. Das war der Grund warum es Jäger gab, die deutlich erfolgreicher waren als er. Aber er weigerte sich für eine Belohnung über Leichen zu gehen. Er war kein Killer. Er schloss die Augen und versuchte sich zu beruhigen. Seine rechte Hand ballte er zur Faust und spürte erst als sie seine Hand nahm, wie sehr er sich verspannt hatte. „Alles in Ordnung?“, hakte sie mit Sorge im Blick nach. Warum musste sie eine so gute Schauspielerin sein? „Alles in Ordnung.“, entgegnete er tonlos und stieß sich von der Wand ab, an der er bis eben noch gelehnt hatte. Sein Blick huschte über die Mengen. Nichts Verräterisches. Wie es zu erwarten war bei einer solchen Menschenmenge aus aller Herren Gilden, selbst Anhänger von Rakdos hatten sich hier eingefunden. Es gab wie immer nur zwei Gilden, die nicht vertretenen waren. Razia und Godros. Beides nichts Schlechtes. Razia bestand hauptsächlich aus Militärfanatikern, die jeden Vorwand nutzen, nur um ihre Waffen präsentieren zu können und Godros war die Gilde, die nur in Legenden existierte, so überlegte Rylar. Er hatte noch nie ein Mitglied von Godros getroffen, laut der Geschichten gehörte dieser Gilde die Kanalisation unter der gesamten Stadt und Gerüchten zufolge  zelebrierte diese Gilde die Nekromantie. Die Wiederbelebung von Toten und hierbei redete er nicht davon sie mit erster Hilfe Maßnahmen wieder ins Leben zurück zu holen. Nein Nekromantie war eine dunkle Magie, die sich darauf spezialisierte Untote zu erschaffen. Unsterbliche Wesen, die keinen Schmerz und keine Erschöpfung kannten. Als er daran dachte lief es ihm eiskalt den Rücken herunter. Er schüttelte den Kopf. „Vielleicht sollten wir uns etwas unter das Volk mischen hier oben fallen wir unweigerlich auf, falls es da unten wirklich einen Attentäter gibt wird er sich nicht hervortrauen, weil er sich beobachtet fühlt.“, erklärte Rylar und Cylara lächelte und nickte. „Ist vielleicht eine ganz gute Idee.“, gab sie zur Antwort und schien kurz zu grübeln. „Was machst du eigentlich, wenn dieser Attentäter nicht auftaucht?“, hakte sie nach und betrachtete sein Gesicht. „Dann habe ich aus eigenem Antrieb ein Fest besucht.“, seufzte er ruhig. Die Möglichkeit, dass dieser Kerl gar nicht auftauchen konnte machte ihn nervös. Er wollte nicht umsonst hier sein. „Los jetzt lass uns unter die Leute mischen, bevor ich es mir anders überlege.“, entgegnete er fest und etwas unruhig. „Du bist süß, wenn du so Grantig  bist.“, kicherte sie und er stieß einen Abgrundtiefen Seufzer aus. Irgendwas stimmte mit dieser Frau nicht, aber irgendwas in ihm hinderte ihn daran zu glauben, dass sie einfach nur dumm war. Er sprang vom Treppenabsatz und ging der wuselnden Menge entgegen. Ob das wirklich so eine gute Idee war? Wahrscheinlich würde sich der Attentäter wirklich erst dann zeigen, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Das würde so schnell nicht passieren, wenn Rylar den ganzen Platz im Auge behielt. Er schloss kurz die Augen und flüsterte dem Wind zu, jeden um ihn herum auf Waffen zu untersuchen. Ein sachter wind ging durch die Menge und Rylar entspannte sich allmählich. Wie es zu erwarten war trugen alle möglichen Leute hier Waffen mit sich herum. Messer, Schwerter, Pistolen, Gewehre, Himmel sogar Granaten. Hier würde er wahrscheinlich fündig werden. Nun flüsterte er dem Wind einen weiteren Befehl zu. Such alles durch und melde dich, wenn du etwas Seltsames gefunden hast. Erneut peitschte der Wind durch die Menge, dieses Mal war er nicht so sanft wie beim letzten Mal. Er sah flatternde Mäntel und Haare, die dem Wind nicht wiederstehen konnten. Hier irgendwo musste dieser Kerl sein. Wahrscheinlich irgendwo mitten in der Menge. Inständig hoffte er, dass dieser Kerl nicht aus der Menge angreifen würde und damit Unbeteiligte in Gefahr bringen würde. Er schloss die Augen, doch bisher hatte er nichts entdeckt. Der eine oder Andere trug eine größere  und schwerere Tasche mit sich herum, doch dabei handelte es meistens um Fotografen, die in der Menge auf ein Ziel lauerten. Reporter waren manchmal wirklich Abschaum. Aber auch nur ein Beruf, ehrenvoller als der seine. Er schnaubte und er zuckte leicht zusammen als sich eine Hand von hinten auf seine Schulter legte. „Fast hättest du mich abgehängt, du kannst doch nicht einfach in die Menge laufen, ohne daran zu denken, wie ich dir folgen soll.“, versetzte sie ihm mit einem sanften Schulter Klapps. „Leider nur fast abgehängt.“, seufzte er ruhig und versuchte sich wieder auf den Wind zu konzentrieren. Noch immer nichts Verdächtiges. Er stieß einen Seufzer aus. Das war einfach nur frustrierend. „Hey… Wenn das hier vorbei ist. Wollen wir dann einen Kaffee trinken gehen?“, fragte Cylara und Rylar verlor die Lust daran etwas zu sagen. „Ich gehe mit dir einen Kaffee trinken, wenn das alles vorbei ist, du mir nicht im Weg stehst und mich nicht mehr ständig fragst.“, gab Rylar zurück. Er konnte wirklich ein Arsch sein wenn er wollte, aber was versprach sie sich davon? Manche Frauen verstand er einfach nicht. Er war von Anfang an unausstehlich gewesen, hatte damit gedroht ihr die Kehle durchzuschneiden und war seit sie sich kannten nur bösartig gewesen. Was versprach sie sich davon mit ihm einen Kaffee trinken zu gehen. Diese Logik musste man ihm erst noch erklären. Seine eigene Logik sagte ihm, wer sich als Arschloch ausgab, wollte entweder seine Ruhe haben oder er war wirklich eines. Bei ihm traf wahrscheinlich beides zu. Sein Blick streifte Cylara, die ihn anlächelte und nickte. Na Herrlich… Trommelwirbel erklangen. Ein lautes Brüllen erklang direkt über ihnen und als Rylar den Blick hob sah er den riesigen Körper des Drachen, der dicht über der Menschenmenge hinwegfegte, der Wind zitterte unter dem riesigen Leib. Nur durch einen Zufall entdeckte er die vermummte Gestalt aus den Augenwinkeln, die gerade so durch sein Sichtfeld huschte und in der Menschenmenge verstand. Natürlich. Jetzt war der perfekte Augenblick für einen Anschlag. Alle waren abgelenkt und würden sich auf Niv’raz konzentrieren, der auf dem riesigen, zentral auf dem Platz angelegten Podest landete und ein beeindruckendes Brüllen von sich ließ, gefolgt von einem riesigen Feuerstoß gen Himmel. Rylar verlor keine Zeit und drängte sich durch die Menge. Showtime.

 

Cereza blickte zu dem riesigen Drachen auf und lächelte, als sie das raunen und staunen in der Menge vernahm. Sie stand etwas abseits, wie es sich für eine Soldatin gehörte. Zwar war sie ein Teil des flammenden Emblems, doch sie war kein Teil von Niv’raz persönlicher Leibwache, die sich rund um das Podest verteilt hatte. Von ihrem Platz aus allerdings konnte sie alles sehen, was wichtig war. Den westlichen Rand des Podestes auf dem Niv’raz Platz gefunden hatte. „Schau mal Mama, da ist er!“, hörte sie ein Kind drängen, das seine Mutter hinter sich her zog und versucht sich durch die Menge zu drängen. Vergeblich. Zu dicht standen die Männer und Frauen um das Podest herum und der Junge konnte nichts sehen. Die Enttäuschung in seinen Augen brach Cereza das Herz. Sie ging auf den Jungen zu und beugte sich zu ihm herunter. Die Leibgarde würde auch ohne sie klarkommen. „Hallo mein Junge. Möchtest gerne mehr sehen?“, fragte sie und lächelte. Die Mutter des Jungen, die starr hinter ihm stand würdigte sie keines Blickes. Sie mochte es nicht, wenn die Leute das Abzeichen des Flammenden Emblems sahen und vor Ehrfurcht erstarrten. Sie war ein normaler Mensch wie alle anderen auf diesem Platz. Der Junge blickte ihr entgegen und nickte. Cereza schenkte ihm ein sanftes Lächeln. Dann griff sie den Jungen an den Seiten und hob ihn hoch. Man merkte es ihrer Statur nicht aus, aber durch das stetige Training war sie wahnsinnig kräftig. Sie setzte den Jungen auf ihren Schultern ab und hörte ihn staunen, als er Niv’raz, den großen Drachen, den Gildenmeister von Izarek nun in seiner ganzen Pracht hinweg über den Köpfen hunderter, wenn nicht sogar tausender Menschen in seiner vollen Pracht betrachten konnte. Er begann vor Aufregung mit den Füßen zu strampelt und seufzte vor Begeisterung. Sie liebte Kinder. Kinder schafften es sich einer Begeisterungsfähigkeit zu bedienen, die einfach unerschöpflich schien. „L… Lady Cereza.“, erklang die Stimme eines Mannes in ihrem Rücken, wage kam ihr die Stimme sogar bekannt vor. Sie drehte sich erschrocken um und vergaß den Jungen auf ihren Schultern für einen kurzen Moment. Sie blickte in seine Augen. In die Augen des Mannes, dem sie auf diesem Fest am mit Abstand wenigsten hatte begegnen wollen. „Hey Tantchen… ich sehe gar nichts mehr…“, hörte sie den kleinen Jungen auf ihren Schultern und erstarrte. „Schwesterchen…“, verbesserte sie ihn ohne davon Notiz zu nehmen, erst dann wandte sie den Blick zu der Frau, die vor ihr stand. Sie starrte sie Fassungslos an. In ihren Augen schimmerten Tränen. Es war so lange her. „Cereza…“, schluchzte sie ihre Mutter und Cereza spürte einen Klos im Hals. Warum zur Hölle musste das passieren, was sie befürchtet hatte. Hier auf diesem Platz waren Tausende und aber Tausende von Menschen versammelt und sie traf auf die vier Personen, denen sie auf keinen Fall hatte begegnen wollen. Wie hoch war die Chance? „Mama…“, seufzte Cereza und blickte sie sanft an. Ein rührseliger Moment, doch ihre Augen blieben trocken. Nicht einmal in dieser Situation konnte sie weinen. „Mama?“, fragte die Stimme des Mannes vor ihr und die des Jungen auf ihren Schultern Synchron. „Ich dachte du wärst…“, ein schluchzen unterbrach sie ehe ihre Mutter den Satz bebend fortsetzte. „Ich dachte du wärest tot…“, nun weinte sie und Cereza verspürte den Drang ihre Mutter nach all den Jahren in die Arme zu schließen, aber irgendetwas in ihr hielt sie zurück. Irgendwas wollte verhindern, dass sie ihrer Freude, ihre Mutter wieder zu sehen Luft machte. „Mama… warum weinst du denn?“, fragte sie stattdessen und schaute sie Verständnisvoll an. „Cereza… Ich…“. Ein Schrei riss Cereza aus ihrer Lethargie. „Hey Junge! Du kannst hier nicht durch!“, hörte sie das Gebrüll des Hauptmannes. Sofort wandte sie sich zu der Menschentraube, die sich direkt am Podest gebildet hatte. Verdammt. Wortlos hob sie den Jungen von ihren Schultern. „Geht. Hier könnte es jetzt ungemütlich werden.“, erklärte Cereza mit einer Kälte in ihrer Stimme, die sie selbst kaum begriff. „Hey du Penner! Lass mich durch oder ich trete dir in deinen von Rangabzeichen beschichteten Arsch!“, erklang eine wahnsinnig genervt klingende Stimme irgendwo aus der Masse. Sie sah wie die Menschentraube sich regte. „Verdammt nochmal ihr Militärsklaven, nehmt eure Hände weg oder ich muss euch weh tun!“, erklang die Stimme erneut. Sie maß kurz die Entfernung ab, dachte an ihre Handfeuerwaffen um den Streit zu beenden, aber in einem solchen Gerangel würde sie mit steigender Wahrscheinlichkeit nicht den richtigen Unheilstifter treffen, außerdem würde ein Schuss zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Masse würde in Panik geraten. In sich wusste sie, dass der Hauptmann schon damit fertig werden würde, aber sie konnte jetzt nicht einfach herumstehen. Es durfte auf keinen Fall eskalieren. „Wir reden später Mutter.“, hörte sie ihre eigene Stimme, die streng und hart klang. Ihre Hände fanden die Bajonette und zog sie aus dem Gürtel, dann ging sie auf die Menschentraube zu. „Aus dem Weg.“, die Kälte in ihrer Stimme hätte vermutlich Regen in Hagel verwandelt. Gut dass es nicht regnete. Erschrocken stob die Menschenmenge vor ihr auseinander. Vor sich sah sie einen jungen Mann in einem abgerissenen alten Mantel, der grade die beiden Soldaten, die ihn festhalten wollten von sich stieß. Auf seinem Rücken lag ein Schwert. Ihr Blick verfinsterte sich und unaufhaltsam schritt sie auf den Mann zu, der ihr den Rücken zugewandt hatte. „Beruhigen Sie sich!“, versuchte der Hauptmann ihn in seinem üblichen Befehlston zu besänftigen, doch der Befehlston, der jeden Soldaten in Izarek zum Still stehen zwang prallte einfach an diesem Typen ab. Sie würde sich von hinten an ihn heran schleichen und ihm die Klinge an die Kehle halten. Das überzeugte die Meisten davon aggressive Handlungen sofort einzustellen. Forsch und als wäre es das natürlichste der Welt schritt sie zwischen den Unbeteiligten hindurch. „Hören Sie, wenn sie mich durchlassen werden hier schreckliche Dinge passieren.“, versuchte der Junge es einmal in normaler Lautstärke. Der Hauptmann lachte. „Darauf möchte ich wetten, aber du kommst hier nicht durch.“, erklärte der Hauptmann, der ihn offensichtlich nicht ernst nahm. Ungezwungen zog der Hauptmann sein Schwert aus der Scheide an seinem Gürtel. „Stecken sie den Zahnstocher weg, ich möchte ihnen nicht wehtun.“, erklärte der Mann mit den längeren schwarzen Haaren, der nun mehr oder weniger direkt vor ihr stand. Lässig hob sie die Hände mit den Bajonetten und wollte sie ihm an die Kehle halten, doch offensichtlich hatte er sie bemerkt, denn sie spürte, wie er ihr Handgelenk packte, ihren Arm umdrehte und die Kraft, die sie in letzter Sekunde aufwenden wollte um seinem Griff zu entkommen wandte sich gegen sie. Mit einem lauten krachten landete sie auf dem Rücken. Sofort griff der Hauptmann an. Die Klinge sauste durch die Luft, doch der Mann war schneller, er setzte einen schnellen Schlag, seitlich gegen das Handgelenk des Hauptmanns, dann folgte ein kraftvoller von unten. Cereza konnte sehen, wie der Griff um das Schwert sich lockerte, was der Mann sofort ausnutzte um dem Hauptmann das Schwert abzunehmen. Unglaublich er hatte einem Hauptmann von Izarek ohne Probleme entwaffnet, wer war dieser Kerl? Der Mann in dem verschlissenen Mantel holte mit dem Schwert aus, doch anstatt es auf den überraschten Hauptmann hernieder fahren zu lassen, ließ er das Metall in letzter Sekunde los und das Schwert flog durch die Luft um blieb im Podest stecken. Direkt vor der Nase einer Gestalt, die dort eindeutig nicht hingehörte. Izareks Gildenmitglieder trugen keine dunkelgrauen Kapuzenmäntel. Cereza stutzte. „Oh nein… Ein Attentäter, so haltet ihn doch.“, rief eine dunkelhaarige Frau, die selbst in einem dicken dunkelblauen Gewand steckte. Der Mann wandte sich neben dem Hauptmann vorbei und rannte auf die Gestalt im dunkelgrauen Kapuzenmantel zu. Die Gestalt zog das Schwert vor sich aus dem Gestein und führte einen präzisen Schwung in die Richtung des Angreifers. Die Klinge raste an ihm vorbei, durch einen Ausfallschritt nach hinten hatte er sich aus der Reichweite retten können. „Geben sie auf!“, rief der Mann, der soeben noch ihren Hauptmann entwaffnet hatte. Allmählich fand sie die Kraft wieder auf zu stehen. Er hatte nicht einfach nur einen Hauptmann von Izarek entwaffnet, nein er hatte auch ein Mitglied des Flammenden Emblems zu Fall gebracht. Wie das für Außenstehende aussehen musste, wollte sie sich gar nicht ausdenken. Verdammt nochmal.

 

Rylar hob beschwichtigend die Hände. „Lassen sie die Waffe fallen, es ist vorbei.“, begann er und blickte der vermummten Gestalt entgegen. Diese hob eine Hand an den Rand ihrer Kapuze und ließ sie nach hinten gleiten. Es war tatsächlich Ravznow, Erleichterung durchflutete Rylars Gedanken. Endlich, er hatte ihn gefunden. „Valentine Ravznow! Im Namen des Gesetzes der Gilde Vayrem nehme ich sie in…“, begann Rylar und sprang einen Schritt zurück um der Klinge des Attentäters erneut zu entkommen. Ob er es wohl jemals schaffen würde diesen Spruch beim ersten Versuch vollständig vorzutragen ohne dabei von irgendwas unterbrochen zu werden. Wer hatte sich diesen Müll auch ausgedacht. Warum sagte man nicht einfach ‚Hab dich du Arschloch‘ und ergriff den Verdächtigen. Rylar schüttelte genervt den Kopf. Mit geschickter Hand riss Ravznow den Mantel auf und entblößte eine Reihe Dynamitstangen, die in einem Gurt um seine Brust geschnallt waren. „Ich bitte sie…“, begann Rylar genervt. „Versuchen sie es jetzt wirklich auf die Tour?“ Ravznow hob ein Feuerzeug, dass er in der linken Hand hielt. „Verschwinde Jäger! Das geht Vayrem nichts an!“, brüllte der Mann und drohte mit dem Feuerzeug die erste Dynamitstange in Brand zu setzen. „Ich würde wetten, das Vayrem da anderer Meinung ist.“, gab Rylar zurück und hörte wie die Soldaten hinter ihm ihre Schusswaffen anlegten. , während andere versuchten die Menge auseinander zu treiben um den Streitkräften so viel Platz wie möglich bieten zu können. Inständig hoffte Rylar, dass sie nicht auf ihn angelegt hatten. „Hören Sie, noch stehen sie nur unter Verdacht, wenn sie auch nur eine der Dynamitstangen entzünden sind sie schuldig.“, entgegnete Rylar so ruhig er konnte. Der Wind verriet ihm, dass der Platz um ihn herum voll mit unschuldigen Menschen war. Das wäre nicht nötig gewesen. Immerhin konnte er die Menschenmasse lautstark schreien hören. Er seufzte und löste den Gurt, der das Schwert auf seinem Rücken hielt, auch die Dolchscheide an seinem Gürtel löste er und warf beides der Soldatin zu, die er vorhin umgeworfen hatte. „Halt mal kurz… und Wiedersehen macht Freude.“, entgegnete er Finster und hob die Hände. „Ravznow, wir müssen das hier nicht mit Gewalt lösen.“, sprach er mit beruhigender Stimme. Er durfte auf keinen Fall zulassen, dass die Soldaten von Izarek schossen. Das würde die Prämie  beträchtlich senken. Langsam ging er auf den Attentäter zu. „Ich werde jetzt zu ihnen kommen.“, lächelte er ruhig und ging Schritt für Schritt weiter auf den Mann mit dem Sprengstoffgürtel zu. Nur noch drei Meter trennten sie. „Tod für Izarek!“, brüllte Ravznow und entzündete zwei Lunten. Rylar fluchte und rannte auf ihn zu. Seine Hand zog ein Wurfmesser aus einer Halterung, die an der Rückseite seines Gürtels lag. Den schnellen Messerhieb hätte niemand voraussehen können. „Du Idiot du kannst es nicht mehr aufhalten, Izarek wird…“, Ravznows Blick wandte sich nach unten, der Klingenhieb hatte nicht ihm gegolten, sondern den angezündeten Lunten. Der Wind hatte ihm geholfen die Lunten vom Rest des Dynamits zu trennen. Ravznow reagierte sofort, zog eine Kugel aus seinem Mantel und schmetterte sie auf den Boden. Ein Knall, dann stieg schwarzer Nebel auf. Verdammt nochmal. Geschrei um ihn herum wurde wieder laut, er spürte wie Ravznow an ihm vorbei lief, dann das Geschrei eines Kindes. Verdammt. Er wandte sich um und versuchte im Rauch etwas zu erkennen. „Mama!!!“, rief der Junge und Rylar biss die Zähne zusammen. Mist, Mist, Mist! Er verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen und versuchte irgendetwas zu erkennen. Als der Nebel sich lichtete seufzte er auf und er sah grade so, wie ein Kind an der Hand gezogen um die Ecke einer Gasse verschwand. „So nicht.“, knurrte er und rannte los. Im Laufen riss er der, wie paralysiert da stehenden Soldatin, die neben einer weinenden Frau stand – wahrscheinlich die Mutter des Jungen – sein Schwert und seinen Dolch aus der Hand und rannte weiter. Während er dem Flüchtigen hinterher rannte zog er seinen Dolch. Als er um die Ecke bog musste er grinsen, denn es handelte sich um eine Sackgasse. „WARTE!“, rief eine weibliche Stimme hinter ihm, er hatte jetzt keine Zeit sich um Cylara zu kümmern, denn nur wenige Meter vor ihm stand der Attentäter, der dem Jungen mit verzweifelter Miene das Schwert des Hauptmannes an die Kehle hielt. Keine gute Waffe für eine solche Situation. Die Gasse war zu schmal um mit einem Schwert ausholen zu können. Gut. „Gib auf, du hast keine Chance.“, sagte Rylar mit einer beunruhigend ruhigen Stimme. „Einen Schritt näher und ich töte den Jungen!“, brüllte der Attentäter. Hinter sich hörte Rylar Schritte. „Ist mir egal. Ich kenne den Jungen nicht mal.“, entgegnete Rylar vollkommen ruhig und unbeeindruckt. Hinter sich hörte er ein entsetztes auf Keuchen. „Verdammt nochmal, lass mich entkommen, du willst doch nicht wirklich, dass ich dem kleinen Scheißer die Kehle aufschneide!“, brüllte der Entführer erneut, das Kind begann zu weinen. Rylars Blick war vollkommen ruhig. „Wenn du ihn tötest werde ich in ein paar Sekunden bei dir sein und dich töten. Du hast die Wahl. Entweder du lässt den Kleinen frei und stellst dich wie ein Mann dem Gesetz oder du tötest den Jungen und stirbst einen langen und grausamen Tot. Für Möglichkeit Nummer Zwei garantiere ich. „Ich… Bring ihn um, ich schwöre!“, rief der Entführer erneut und Rylar verdrehte genervt die Augen. „Hey Junge, wenn die Kackbratze da hinter dir dich gleich los lässt rennst du so schnell du kannst zu mir klar? Und sei tapfer, du willst deiner Mutter doch keine Sorgen machen oder?“, erklärte Rylar ruhig und der Entführer blickte ihn entsetzt an. Der Junge schluchzte und schien sich zusammen zu reißen. Routiniert hob Rylar einen Stein auf, der auf dem Boden lag und begann ihn in die Luft zu werfen und wieder aufzufangen. „Also Meister? Wie sieht’s aus, Schmerzen oder keine Schmerzen, das ist hier die Frage.“, lächelte Rylar und gähnte gelangweilt. „Du Arschloch!“, brüllte der Entführer. Hinter sich vernahm Rylar zustimmendes Gemurmel. Er musste grinsen. „Gut… Du hattest du Wahl.“, erklärte Rylar und warf den Stein. Der Stein kollidierte schmerzhaft mit der Schwerthand des Entführers, er ließ das Schwert los und Rylar warf den Dolch, der mit einem knacken in der Schulter des Gegners stecken blieb. Ein ohrenbetäubendes Geschrei, dann sah Rylar wie sich der Junge losriss und auf Rylar zu rannte. Rylar grinste und rannte auf den Jungen zu, kurz bevor die beiden sich trafen duckte er sich, packte den Jungen und warf ihn über sich hinweg, zeitgleich manipulierte er die Luft, sodass er sanft landen würde, dann jagte er auf den Entführer zu, der mit schmerzerfüllter Miene den Dolch aus seiner Schulter zog. „Zu spät.“, lächelte Rylar, der bereits vor dem Attentäter stand und ihm mit einem Ruck den Dynamitgürtel vom Brustkorb riss. Rylars Faust kollidierte mit der Nase des Attentäters, die ein unangenehmes Knacken von sich ließ, dann packte Rylar die Hand mit dem Dolch, entwaffnete ihn in Windeseile und ließ die Klingenwaffe in seinem Gürtelhalfter verschwinden, eher er den Mann am Kragen packte und gegen die Wand drosch. „Du hast Glück, dass das Kopfgeld für dich nur lebend ausgezahlt wird.“, rief Rylar und blickte ihn aus Augen an, in denen eine unzähmbare Wut brannte. Da Rylar sich mit dem Kerl im Griff in der schmalen Gasse nicht umdrehen konnte katapultierte er den Körper des schreienden Mannes über sich und ließ ihn unsanft im Dreck landen. Dann ging er einfach über ihn hinweg, packte ihn bei den Haaren und zog ihn hinter sich her aus der Gasse, wo ihn bereits der Junge mit großen Augen anschaute. Er lächelte ihm zu und beugte sich zu ihm herunter. „Das hast du gut gemacht.“, lächelte Rylar und tätschelte ihm mit der freien Hand den Kopf. Die nächsten Gesichter die ihm auffielen waren die der Mutter des Jungen, die nun weinend auf ihn zu rannte um ihren Sohn in die Arme zu schließen und das der Soldatin, die ihm hinterher gerannt war. Doch nicht Cylara, sie stand lächelnd an die Wand angelehnt da und betrachtete ihn. Sein Blick wandte sich der Mutter zu und wurde weich. „Es tut mir leid, ich hoffe, dass sie nie wieder so etwas durchmachen müssen. Ich war einfach zu langsam.“, seufzte er und fing ihren verweinten Blick auf, aus dem eine Mischung aus Irritation und Dankbarkeit sprach. Sein Blick wanderte zu der Soldatin. Eine Sehr hübsche Frau, wie er jetzt feststellte. Unheimlich was heutzutage alles Soldat wurde. „Würden Sie mir den Gefallen tun und kurz auf den Idioten hier aufpassen? Ich hab da noch eine Kleinigkeit zu tun. Danke.“, er drehte sich um und sie blickte ihm wütend hinterher. „Hör auf, mir Anweisungen zu geben!“, rief sie, zog dann aber trotzdem ihre Handfeuerwaffe aus dem Gürtel und richtete sie auf den am Boden liegenden Attentäter. Rylar ging wieder etwas in die Gasse zurück und zog das Schwert des Hauptmannes aus dem Dreck. Notdürftig reinigte er das Metall von dem am Metall klebenden Schmutz. Als er wieder zurück kehrte wandte er sich wieder an die junge Soldatin. „Danke für ihren Einsatz.“, lächelte er und verbeugte sich knapp, dann packte er den Attentäter wieder an den Haaren und zog ihn an den Schaulustigen vorbei aus der Gasse. „Du darfst auch aufstehen.“, erklärte er Valentine, doch als er sich aufzurichten versuchte, verpasste Rylar ihm noch einen Schlag ins Gesicht und er kippte direkt wieder um. „Okay tut mir leid, das musste sein. Man nimmt keine Kinder als Geiseln.“, erklärte und seufzte dann. „Übrigens… Bist du dir über deine Rechte im Klaren oder muss ich sie dir jetzt vorbeten?“, hakte Rylar mit kritischem Blick nach. „Ich weiß Bescheid…“, spuckte Valentine zusammen mit Blut aus und Rylar nickte zufrieden. „Los, ich hab heute Abend noch was zu tun.“, entgegnete Rylar und blickte dem Hauptmann entgegen, der auf ihn zu gestapft kam. „Ein gutes Schwert. Tut mir leid, dass ich es Ihnen abnehmen musste.“, Lächelte Rylar leicht und der Hauptmann blickte ihn abschätzig an. „Es ist schade, dass jemand wie du Jäger geworden ist und kein Soldat. Izarek könnte Kämpfer wie dich gebrauchen.“, seufzte der Hauptmann widerwillig und nahm das Schwert entgegen, was Rylar ihm reichte. „Besser nicht, ich habe so meine Probleme mit Autoritäten.“, brachte er zusammen mit einem leichten Grinsen hervor. Der Hauptmann nickte Verständnisvoll und gab den Weg frei. Es war nicht weit bis zum nächsten Außenposten des Gerichts von Vayrem.

 

Cereza schlug auf den Tisch. „Dieser verdammte Kerl!“, brüllte sie mehr als sie sprach. „Beruhigt euch Meisterin Cereza, Jäger sind nun mal so.“, erklärte der Hauptmann, der sie nach dieser ganzen Geschichte auf ein Glas eingeladen hatte. „Mag ja sein… aber da sehe ich meine Mutter mal wieder seit einer Ewigkeit und er macht alles kaputt.“, seufzte sie leicht und er blickte sie strafend an. „Wäre er nicht gewesen, würden vielleicht viele der heutigen Besucher nicht mehr leben, es ist allein schon ein Wunder, dass er den Attentäter vor uns gesehen hat. Es war unser Versagen, dass dieser Kerl überhaupt so weit gekommen ist.“, erklärte der Hauptmann und Cereza stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich weiß, ich weiß, ich bin nur so wütend, weil meine Mutter meinte, sich ohne ein weiteres Wort mit mir zu wechseln aus dem Staub machen zu müssen. Sowas kotzt mich an.“, erklärte Cereza sich und der Hauptmann nickte. „Als Soldat hat man es nicht einfach.“, erklärte er und stellte ein weiteres Glas vor ihr ab. „Aber vielleicht solltest du dich bei dem Mann bedanken, immerhin war der Junge den er gerettet hat dein Halbbruder.“, ergänzte er und wartete auf Cerezas Reaktion. „Bedanken bei diesem… Menschen? Ich meine habt ihr mitbekommen was er gesagt hat oder wie er mich hin und her diktiert hat? Das kotzt mich total an. Ich bin nicht so weit gekommen um mich von einem dahergelaufenen Trottel herum kommandieren zu lassen.“, stieß sie aus und begann hastig damit ihr Glas zu leeren. „Ich meine ja nur… Falls du deine Meinung ändern solltest, da hinten kommt er, er scheint sogar in der Begleitung einer Dame zu sein, du brauchst dir also keine Sorgen zu machen, dass er dich an gräbt.“, lächelte der Hauptmann, erhob sich und klopfte ihr freundschaftlich auf die Schulter. Ihr Blick wanderte zu dem jungen Jäger der grade gegenüber einer jungen Frau Platz genommen hatte. Die Frau war zwar hübsch, aber war das grade die Art des Hauptmannes gewesen zu sagen, dass diese Frau attraktiver war als sie? Wie demütigend. Sie zog eine Münze aus der Tasche. Kopf, ich gehe hin, Zahl ich bleibe hier. Die Münze wirbelte durch dir Luft und das Schicksal entschied.

Kapitel 4

„Jetzt erzähl mal, wie wird man Jäger? Ich meine es ist ja jetzt nicht so, als würde es  keine anderen Berufungen geben, die zu dir gepasst hätten.“, hakte Cylara lächelnd nach, doch bedauerlicherweise hatte sich der kurze Moment des Vertrauens zwischen den beiden so schnell wieder aufgelöst wie er entstanden war. Es war, als hätte sie etwas gesagt was sein angehendes Vertrauen mit einem Hammerschlag in kleine Stücke zerbrochen hatte. Vor allem hatte sie keine Ahnung was sie gesagt hatte. Es war frustrierend. Männer waren so nachtragend. Er blickte sie lange an, in seinem Blick lag eine kalte Berechnung. So war er seit er den Attentäter bei der Dienststelle des Gerichtes abgeliefert hatte.  Mit einem Mal schien er nicht nur ihr nicht mehr zu vertrauen, sondern niemanden. Nicht mal sich selbst. Und nicht nur das. Sie hatte die Mordlust in seinen Augen gesehen, als er den Attentäter durch den Dreck gezogen hatte. Er hatte es sich nicht anmerken lassen, aber diese unbändige Lust auf Blut, war in seinen Augen deutlich sichtbar gewesen. Er konnte ihr nicht vorspielen, es sei nichts gewesen.  „Es sind immer die eigenen Erinnerungen, die einen zu dem treiben, was man letztendlich tut. Menschen, die mächtige Eltern hatten sehnen sich nach Macht, genau wie jene, die sich machtlos fühlten. Menschen, deren Eltern sie misshandelt und geschlagen haben, tun es ihren Eltern entweder gleich oder wollen andere daran hindern, das gleiche mit ihren Kindern zu tun. Es ist immer das gleiche. Das traurige daran ist, dass die eigenen Eltern oder das Umfeld in dem man aufwächst mehr Einfluss auf die Zukunft einer Person haben, als es gut für diese ist.“, erklärte er und hatte dabei die Augen geschlossen. Sie starrte ihn an, in ihren Augen lagen Tränen und sie wusste nicht wieso. Menschen die mächtige Eltern hatten oder sich machtlos gefühlt haben strebten nach Macht.  In diesen Worten hatte sie sich selbst, ihr kleines zehnjähriges Ich erkannt und sie war dankbar, dass er diese eine, ehrliche Geste nicht sah. „Was war es bei dir? Was hat dich dazu gebracht zu werden, wer du jetzt bist?“, hakte sie nach und blickte ihn fest an. Als er seine Augen wieder öffnete war von der Tränen in ihren Augen nichts mehr zu sehen. „Mein Vater war ein Arschloch, das hat mich dazu gebracht jemand zu werden, der andere Arschlöcher einbuchtet. Das Problem mit Wurzeln ist, dass man sie nur schwer verleugnen kann. Mein Vater war ein Arschloch, also bin ich als sein Sohn zwangsläufig auch eines.“, er lächelte leicht und Cylara blickte ihn noch immer fest an. „Es tut mir leid, dass du so eine Kindheit hattest.“, sagte sie tonlos, meinte es aber nicht so, wenn er wüsste was ihre Mutter ihr angetan hatte als sie klein war. Er schüttelte den Kopf. „Hätte ich dein Mitleid gewollt hätte ich das alles etwas mehr ausgeschmückt. Egal was mir in der Vergangenheit wiederfahren ist, es gibt da draußen immer Menschen die es noch schwerer haben und es bestärkt mich in dem was ich tue, wenn ich daran denke, dass ich vielleicht eines Tages einem Kind in Not aus seiner Lage befreien kann.“, erklärte er mit fester Stimme und blickte ihr in die Augen. Wow, er überraschte sie doch immer wieder. Er war ein Gutmensch, der sich selbst als Monster sah. Wie poetisch. Und wo war das schützende Monster, als ihre Mutter in ihre Gedanken eingedrungen und sie zerlegt hatte wie einen Hackbraten? Wo war das rettende Monster gewesen, als ihre Mutter sie eine Woche lang klar gemacht hatte, dass sie tot war und eine verdammte Woche lang in ihren eigenen Erbrochenen und ihren eigenen Fäkalien gelegen hatte? Mit diesen Männern war es immer das gleiche. Sie erkannten absolut gar nichts. „Nehmen wir zum Beispiel dich. Du hast in deiner Vergangenheit etwas durchgemacht, was dich bis heute prägt, was dich bis heute gelehrt hat, das du lebst und dass du diejenige bist, welche die Verantwortung dafür trägt. Ich weiß nicht was du hinter dir hast, aber ich sehe in deinen Augen, dass es nicht angenehm war und das ist der Grund aus dem ich dir nicht vertrauen kann.“, gab er zurück und sie starrte ihn finster an. Die ganze Zeit hatte sie das strahlende kleine Mädchen gespielt was versuchte einen Mann für sich zu gewinnen und er hatte sie von vornherein durchschaut, ihre Maskerade durchleuchtet wie einen Schild um herauszufinden, das alles was sie gespielt hatte. Ja nur gespielt war. Nein so nicht. „Was redest du da? Ich hatte eine wundervolle Kindheit, mein Vater hat mich immer behandelt wie eine kleine Prinzessin.“, begann sie und erneut schüttelte Rylar den Kopf. „Dein Vater ist tot und wahrscheinlich ist er das schon sehr lange. Ich nehme sogar an, dass du ihn nie kennen gelernt hast und da du von deinem Vater sprichst und nicht jede gute Tochter von deiner Mutter nehme ich an, dass sie dir angetan hat, was auch immer dir wiederfahren ist. Du bist eine schlechte Lügnerin.“, er blickte ihr so tief in die Augen, dass sie unwillkürlich den Blick abwandte. Was bildete dieser verdammte Mistkerl sich ein. Er war ein Nichts. Wie konnte er auch nur glauben etwas von ihr zu wissen, er war nichts als ein Wurm unter ihrem Fuß und es wurde Zeit, dass er das Begriff. Sie sammelte schwarze Magie um sich herum und legte alles in ihren Blick. Du bist meine gefügige Spielfigur, du weißt es nur noch nicht. Die Magie floss um sie herum, ein Wirbel aus schwarzer Magie bildete sich in ihrer Hand, die sie unter dem Tisch versteckte und sie spürte wie sie allmählich in die Materie seines Verstandes eindrang, ja wie ein Bohrer würde sich ihre Magie in seinen Verstand bohren und alle wertvollen Informationen daraus zum Vorschein bringen sie würde. Nein. Irgendwas stimmte da nicht. Sein Blick machte keine Anstalten, das ihm irgendetwas seltsam vorkam. Um sie konnte seinen Verstand nicht spüren. Es war eher so, als würde ihre Magie auf eine undurchdringbare Betonmauer treffen. Immer mehr Magie konzentrierte sie, doch sie kam nicht voran. Sie spürte sein Inneres nicht. Garnichts war da. Absolut nichts. Wer war dieser Kerl? Hatte er sie wirklich so aufgewühlt, dass sie ihre Kräfte nicht richtig fokussieren konnte? Sie konzentrierte ihre Magie auf den Mann hinter ihm, der sofort anfing wie ein Huhn zu gackern, wie sie es ihm befahl. Nein. Mit ihrer Gabe war alles in Ordnung, aber wieso zeigte sie auf ihn keine Wirkung? Warum konnte sie ihm keine Befehle erteilen? Sie holte tief Luft und entschied sich mit zu spielen. „Wie kommst du darauf, dass ich lüge?“, hakte sie nach und hatte ihre Gesichtsregungen überhaupt nicht im Griff. „Zuerst mal wäre da dein entrüsteter Gesichtsausdruck. Du blickst mich an, als hätte ich dein Innerstes gelesen. Und ich schätze, dass ich bei meiner Aufzählung mit Beispiel Nummer Eins ins Schwarze getroffen habe. Du hast dich als Kind Machtlos gefühlt und zwar auf eine Art, die Gott sei Dank nur wenige Kinder in ihrem Leben jemals kennen lernen.“, gab er völlig emotionslos zurück und Cylara schreckte zurück ohne, dass sie es auf irgendeine Art kontrollieren konnte. Irgendwas stimmte mit diesem Kerl nicht. Er war doch vollkommen krank. Sie holte erneut tief Luft. „Du hast keine Ahnung wovon du redest.“, erklärte sie und ihre Stimme klang kalt und Gefühllos. „Stimmt. Ich wollte dir damit auch nicht zu verstehen geben, dass ich dich verstehe, denn das würde ich mir nicht anmaßen. Ich will dir damit klar machen, dass du mich langweilst und ich deine Maskerade durchschaut habe. Entweder du zeigst mir dein wahres Gesicht oder du verschwindest und suchst dir ein anderes Objekt für deine Forschung.“, erklärte Rylar mit eiskaltem Blick und ein Lächeln stahl sich auf Cylaras Lippen. „Wie es aussieht habe ich dich unterschätzt. Das könnte doch noch interessant werden.“, gab sie lächelnd zurück und ließ die Maske der Empathie vollkommen fallen. Als sie wieder aufblickte sah sie Rylar zum ersten Mal ehrlich lächeln. Sein Lächeln war atemberaubend, es sah nicht so aus, als würde er einen Triumph auskosten, viel mehr schien er voller Vorfreude jetzt endlich die echte Cylara kennen zu lernen. Als hätte er nur auf diesen Augenblick gewartet. Und dieses Lächeln, dieses einzigartige Lächeln. Es galt nur ihr. Vielleicht war er ja doch gar kein so schlechter Kerl. Vielleicht verbarg auch er sich hinter einer Maske. Und egal was jetzt noch folgte. Sie würde es herausfinden. „Gut… Aber wenn ich etwas so schlimmes verberge, was ist dann mit dir? In dir steckt mehr, als es den Anschein hat. Zum Beispiel konnte ich nicht in deine Gedanken eindringen. Du hast dich durch einen Zauber geschützt nicht wahr?“, hakte sie nach und suchte nach einem Talisman oder etwas Ähnlichem, was er bei sich trug. Das Schwert lag an den Tisch gelehnt und hatte keinen Körperkontakt mit ihm. Also schied es als Talisman aus. Es musste irgendwas sein, was er immer am Körper trug. Rylar schenkte ihr ein geheimnisvolles Lächeln. „Wieso sollte ich dir das sagen? Immerhin hast du schon versucht in meinen Kopf einzudringen. Das hast du eben zugegeben.“, lächelte er ruhig und er hatte verdammt nochmal recht. Warum machte sie solche Anfängerfehler? „Aus… Sportsgeist?“, hakte sie mit wenig Hoffnung nach und lächelte beschämt und … ehrlich. Seit Jahren lächelte sie einmal ohne Hintergedanken. Das war anstrengend. Sie hatte sich so daran gewöhnt ein aufgesetztes, falsches Lächeln zu zelebrieren, dass ihr diese, so ähnliche Gesichtsregung so schwer und falsch vorkam, dass sie es wirklich anstrengend fand. Ein seltsames Gefühl, dabei sagten doch alle möglichen Leute es sei schwer zu lügen. Für sie war es schwerer ehrlich zu sein. Wie verkorkst war sie eigentlich. Unglaublich. Er lachte leicht und blickte sie mit ernster Belustigung an. „Es ist schön, dass du endlich mal ehrlich mit mir redest. Wenn du dieses glückliche Mädchen nicht spielst bist du viel amüsanter.“, grinste er und schaute ihr tief in die Augen. Verlegen schlug sie die Augen nieder. Verdammt nochmal. Sie musste es vermeiden in seine Augen zu sehen. Das war unheimlich. Was veranstaltete er hier mit ihr? Ganz ruhig Cylara, er ist immer noch der gleiche Idiot wie zuvor nur eben deutlich… Intelligenter, als du es ihm zugetraut hast. „Entschuldigt bitte ihr beiden. Könnte ich mich eine Weile zu euch setzen… Ich glaube, ich bin euch ein Getränk schuldig verehrter Jäger.“, erklärte eine fremde Stimme direkt neben ihr. Cylara hob den Blick und betrachtete das Gesicht einer hochgewachsenen jungen Frau mit außerordentlich attraktivem Körper. Wer war diese billige Nutte? Sie trug die Klamotten einer Soldatin. Auf ihrer Schulter glänzte das Zeichen des flammenden Emblems, des Elitetrupps von Izarek. Ob sie die Uniform wohl anbehielt, wenn sie ihre Freier ans ich herumspielen ließ? Sie hasste sie schon jetzt. Was bildete sich diese eingebildete Kuh verdammt nochmal ein? Sie führten hier ein Gespräch. Verdammte, eingebildete, dumme Kuh! Oh. Da war sie wieder. Die gute alte Cylara. Fast hätte sie sich vermisst.

 

Cereza blickte auf das ungleiche Paar hinab. Der junge Mann, der grade einen Schluck Kaffee nahm und die hübsche Frau, die sie anblickte, als hätte sie grade ihren Hund erschlagen. Der Jäger stellte seine Tasse ab und starrte sie, deutlich bemüht nicht laut los zu lachen, an. „'Verehrter Jäger?', ist das ihr Ernst? Hören Sie bitte auf so förmlich zu sein, ansonsten muss ich noch lachen.“, grinste der Jäger und schaute ihr in die Augen. Sein Blick war durchdringend, nicht auf die unangenehme Art sondern eher auf eine Art, die ihr symbolisierte: ‚Lüg mich nicht an, ich bekomme es später sowieso raus.‘, sie schluckte, die letzte Person, die sie gekannt hatte, die einen solchen Blick drauf hatte war ihre Mutter gewesen. Unheimlich. „Sie sind mir gar nichts schuldig, ich habe nur meinen Job gemacht.“, erklärte er und schaute sie noch immer mit diesen beunruhigenden, tiefen Augen an. Was war nur mit diesem Typen los? „Der Junge den du gerettet hast… Er war mein Halbbruder. Deshalb möchte ich mich bedanken.“, erklärte sie und wartete auf eine Reaktion, der Blick der Dame, die ihm gegenüber saß wurde schärfer und finsterer. „Das ändert nichts, ihr Halbbruder hätte genauso gut drauf gehen können. Das vorhin war keine Meisterleistung der Verhandlungskunst. Ihr Halbbruder hätte genauso gut sterben können. Es ist zwar erfreulich, dass er es überlebt hat, Aber die Hauptsache ist, der Kerl ist hinter Gittern und ich hab ein bisschen mehr Geld als vorher.“, erklärte er mir einer unheimlichen Ruhe in der Stimme. Dieser Kerl… Ihre Hand bildete eine Faust, oh wie sie es begrüßen würde, ihm einfach einen Schlag zu versetzen. Aber nein. Tief durchatmen Cereza. „Darf ich mich zu Ihnen setzen?“, fragte sie und schaute die beiden abwechselnd an. Der Jäger zuckte gleichgültig mit den Schultern, es war ihm also egal. Die Frau blickte sie an, als hätte Cereza grade einen Schritt auf einen Abgrund zugetan, einen Abgrund bei dem Sie einen Fall nicht überleben würde. Diese Frau machte ihr wirklich Angst, aber das würde schon werden. Sie schluckte und setzte sich neben den Jäger, sie wollte diese Tussi im Auge behalten, nicht, dass sie ihr plötzlich ein Messer in die Seite rammte. Aus irgendeinem Grund traute sie ihr das ohne weiteres zu. Ihre Blicke berührten sich und es fühlte sich als durchquere sie im Bikini eine Eiswüste. Diese Frau war nicht ein wenig unheimlich. Bei ihr schrillten all ihre Alarmglocken, aber sie ignorierte das alarmierende Gefühl in ihrem Bauch, behielt die junge Frau aber trotzdem so gut es ging im Auge. „Was würdet ihr gerne trinken?“, fragte sie ohne den Blick von der anderen Frau abzulenken. Was sie wohl von ihr dachte? Wahrscheinlich war sie überzeugt, dass sie versuchte ihr den Freund auszuspannen. Cereza wäre es in dieser Situation nicht anders ergangen. Der Jäger schaute auf seine Tasse herab, die verdächtig wenig Inhalt enthielt. „Ein Kaffee wäre gut, danke für die Einladung.“, sagte er höflich, obwohl es so klang, als musste er sich zum letzten Teil zwingen. Er schien sich wirklich Mühe zu geben nicht zu unfreundlich zu klingen. Hatte das etwas mit der anderen Frau am Tisch zu tun? Ihr Blick wanderte zu der jungen Dame gegenüber. „Und für Sie?“, fragte sie ruhig und schaute ihrem Gegenüber in die Augen. Sie schienen förmlich zu schreien: „Verrecke du dumme Kuh, stirb, stirb, stirb!“, nette Frau, sie unterdrückte einen Seufzer und hielt ihrem Blick stand. Als Soldatin durfte man niemals nachgeben. „Eine heiße Schokolade.“, entgegnete sie mit noch immer finsterem Blick, aber freundlicher, mädchenhafter Stimme. Cereza verzog das Gesicht zu einer unglücklichen Miene. Das war so ziemlich, das teuerste Heißgetränk, was sie hätte bestellen können, aber sie war ja keine Spielverderberin. Sie atmete tief durch. „Aber gerne.“, lächelte sie sanft und spielte mit dem Gedanken diese Frau, die sie überhaupt nicht kannte abzustechen. So weit war es also schon mit ihr. Sie räusperte sich und begann zu sprechen um auf andere Gedanken zu kommen. „Und wie lange machen Sie diesen Job schon?“, fragte sie mit sanfter Stimme, jedenfalls so gut es ihre Stimmung zuließ. „Ich hab die Jahre nicht gezählt.“, erklärte er kurz angebunden und sah sie nicht an. Allerdings sah er die andere Frau auch nicht an. Das Problem war, dass sie Cereza ansah und zwar mit einem Blick, mit dem man genauso gut hätte töten können. Irgendwie fühlte sie sich unbehaglich in dieser Gesellschaft. Sie konnte sich nicht helfen. Sie stieß einen Seufzer aus. „Okay. Offensichtlich bin ich in eine sehr unangenehme Situation geraten. Kann ich irgendwas tun um die Situation wieder etwas… Aufzulockern?“, hakte sie nach und versuchte beide anzusehen. Der Blick der Frau schien förmlich zu schreien „Ja, verpiss dich!“, sie versuchte es zu ignorieren. „Schon gut, es gibt nichts gut zu machen.“, erklärte der Jäger mit ruhiger Stimme. Oh, unerwidert. Sie konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. So war das also. „Da bin ich aber froh, ich dachte schon, ich hätte euch beide bei irgendwas gestört.“, lächelte sie so auffällig wie möglich und spürte beinahe physisch, wie die andere Frau versuchte sie mit ihren Blicken zu erdolchen. ‚Nur zu schade, das Blicke nicht töten konnten nicht wahr meine Liebe?‘, hörte sie sich innerlich sagen und setzte ein Lächeln auf, was nur eine Eigenschaft auszustrahlen schien: Selbstgefällig. Der Blick ihres Gegenübers wurde noch mörderischer. Sie wusste nicht warum sie das tat, aber irgendwie hasste sie Frauen, die sofort unfreundlich waren, auch wenn man gar nicht erst versuchte ihnen den Mann auszuspannen und das versuchte sie weiß Gott nicht. Absolut nicht. Ihr Blick wanderte zu dem Jäger, der noch immer unbeteiligt neben ihr saß. Offenbar war ihm diese kleine Privatfehde zwischen den beiden Frauen ziemlich egal. Zwar verstand Cereza den Hass nicht, mit dem die andere Frau sie bedachte, aber ihr war es zuwider sich einem kleinen, eingeschnappten Mädchen unter zu ordnen, nur weil diese der Meinung war, dass Cereza ihr irgendwie im Weg stand. Die Bedienung kam und brachte die neuen Getränke. Eine hübsche Frau von vielleicht 20 Jahren und langen, im Sonnenlicht bläulich schimmernden Haaren. „Ist es nicht ein schöner Tag heute?“, begann der Jäger mit ihr zu reden. Die Bedienung lachte und schaute zum Himmel. „Naja… wenn man sich die Sturmwahrscheinlichkeit weg denkt könnten Sie recht haben.“, lachte die Bedienung, offensichtlich sehr von ihm angetan. Cereza musste schmunzeln. Das machte er also extra um der Frau, ihm gegenüber klar zu machen, dass er nicht ihr Eigentum war. Ein witziger Schachzug. Offenbar war er doch interessanter als die meisten Männer, die sie kannte. Der finstere Blick der dunkelhaarigen Frau bohrte sich in die Augen der Bedienung, die sichtlich erschrocken zurück wich. „Nun ich … geh dann… zurück.“, stammelte die junge Bedienung und tat einen Schritt zurück. Wortlos nahm der Jäger ihre Hand und legte ihr eine Münze als Trinkgeld hinein. Eine Münze und… einen Zettel. Wieder musste Cereza lächeln. Auch der Jäger schenkte der Bedienung ein freundliches Lächeln und gab ein kurzes: „Vielen Dank und gute Arbeit.“, von sich. Die junge Bedienung strahlte und verbeugte sich, dann tat sie noch zwei Rückwärtsschritte und tat ein paar Schritte in Richtung Bar. Dort angekommen entfaltete sie die kleine gefaltete Notiz, blickte sie an und musste kichern. Was wohl drinnen stand? Offensichtlich war dieser Kerl wirklich interessanter, als er sich gab. Möglicherweise irrte sie sich aber auch. „Mein Name ist übrigens Cereza.“, brach sie die Stille am Tisch und der Jäger lächelte sie an. „Rylar, schön dich kennen zu lernen Cereza.“, entgegnete er und streckte ihr die rechte Hand entgegen. Sie ergriff sie und schüttelte sie. Offensichtlich ließ er sich von ihrem Rank nicht beeindrucken. Umso besser, sie hasste es wenn Männer vor ihr krochen und versuchten sich einzuschleimen, sobald sie das Abzeichen des flammenden Emblems an ihrer Schulter sahen. Rylar also, ein interessanter Name. „Cylara.“, erklang es leise von der gegenüberliegenden Seite des Tisches. So das Mädchen mit dem Todesblick hieß also Cylara. Auch nicht uninteressant. Sie nippte an ihrem Kaffee und nahm einen kleinen Schluck. Wärme durchströmte ihren Körper, zusammen mit der wohltuenden Wirkung des Koffeins, was ihren Verstand weiterhin wach hielt. „Und Cereza? Was ist deine Aufgabe auf diesem Fest?“, fragte Rylar freundlich und kurz angebunden. „Ich bin für die Sicherheit verantwortlich, jedenfalls vorhin, meine Schicht ist vorbei.“, gab sie Lächelnd zurück. „Hat ja super geklappt.“, erklang Cylaras offensichtlich genervte Stimme. Kurz dachte sie darüber nach, ob sie etwas zu der nervigen Tussi, ihr gegenüber sagen sollte, doch Rylar kam ihr zuvor. „Hör auf damit, sie hat ihr Bestes gegeben, man rechnet einfach nicht damit, dass ein schreiender Vollidiot in der Menge wirklich im Nahkampf geschult ist.“, erklang seine Stimme streng und fest. „Aber du hast sie umgehauen, wie einen blutigen Anfänger und das kann sie nicht bestreiten!“, blaffte Cylara mit ernster Stimme und bedachte Cereza mit bösem Blick. Cereza atmete tief durch, wenn dieses Mädchen nicht langsam die Klappe hielt, würde sie es sein, die wie ein blutiger Anfänger umgehauen wird. „Meinst du etwa, dir wäre es anders ergangen?“, hakte Rylar völlig ruhig und mit kühler Stimme nach. „Ich wäre darauf vorbereitet gewesen.“, behauptete sie tollkühn, wieder wollte Cereza etwas sagen und wieder war Rylar schneller. „Glaube mir, das hätte keinen großen Unterschied gemacht. Sie hat innerhalb einer Sekunde reagiert und hat sich in die richtige Stellung gebracht um auf den Füßen landen zu können. Das habe ich mit einer Drehung meines Körpers unterbunden. Sie hat den Überraschungsmoment so gut wie irgend möglich überwunden.“, entgegnete er mit ruhiger Stimme. „Sie ist trotzdem nicht auf den Füßen gelandet.“, schloss Cylara mit schmollenden Ton. „Das ist kein Wettbewerb. Wir hatten eine kurze Auseinandersetzung und sie hat verloren. In einem offenen Kampf hätte es möglicherweise anders ausgesehen. Das werden wir so nie erfahren, also hör auf mit diesen Aussagen, die weder begründet noch rational beweisbar sind.“, schloss Rylar die Unterhaltung und gab Cylara mit einem Blick unmissverständlich zu verstehen, dass er gehen würde, wenn sie ihre feindselige Haltung nicht noch einmal überdachte. Sie erwiderte den Blick kurz, wandte den Blick dann aber ab. Es war offensichtlich, dass sie gerne noch weiter geschmollt hätte, aber irgendwas in seinem Blick hatte sie wohl davon überzeugt es zu unterlassen. „Du bist also für die Sicherheit auf dem Fest zuständig… Tut mir leid, dass ich dir das Leben so schwer gemacht habe.“, erklärte er mit einem schamvollen Lächeln. Offensichtlich gehörte er nicht zu den Menschen, die gerne für Umstände sorgten. Das war gut zu wissen. Kurz inspizierte sie seinen Blick, konnte aber nichts Unehrliches darin erkennen. Sie beschloss es erstmal so hinzunehmen. „Ist schon okay, du hast diesen Typen erkannt, bevor er etwas schlimmeres tun konnte, als das was letztendlich passiert war. Kaum auszudenken was passiert wäre, wenn das Dynamit explodiert wäre. Er hätte damit eine Menge Leute töten können. Deshalb muss ich dir wohl eher für deinen Eingriff danken, als dich dafür zu verurteilen.“, entgegnete sie ruhig und schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. Rylar erwiderte das Lächeln freundlich und stieß einen Seufzer aus, dann blickte er wieder auf seinen Kaffee, der in der Tasse dunkel schimmerte und leichte Rauchlocken in Richtung Himmel sandte. Erneut nahm er einen Schluck und verzog dabei leicht das Gesicht. Entweder mochte er den Geschmack nicht oder er war ihn einfach nicht mehr gewohnt. Cylara nippte an ihrer heißen Schokolade und warf ihr nebenher immer noch böse Blicke zu. Mittlerweile bezweifelte sie Cylaras ehrliches Interesse an seiner Person. Das hatte nichts mit sexuellem oder emotionalem Interesse zu tun, zwischen den beiden gab es etwas anderes. Er schien sie bewusst auf Abstand zu halten. Er kam mit ihr aus, bis zu einem gewissen Punkt, an dem er beginnen würde jede Entgegnung aus ihrer Richtung bewusst zu ignorieren. Ein seltsames, ungleiches Pärchen. Beide passten nicht wirklich zusammen, würde man sie als Paar oder als Freunde bezeichnen. Irgendwas zwischen den beiden war einfach… Anders. Sie konnte es nicht anders, nicht treffender beschreiben. Aber sie würde es noch eine Zeit lang beobachten. Ihr Blick wanderte gen Himmel und sie lächelte. „Ich glaube ja, es wird Zeit für eine andere Art von Getränk. Geht natürlich alles auf mich.“, grinste sie leicht und war auf die Reaktion gespannt. Sie als Teil des Sicherheitsteams sollte eigentlich keinen Alkohol trinken, aber erstens war ihre Schicht vorbei und zweitens hatte sie heute ihre neue Familie kennen gelernt, ihr Halbbruder war fast getötet worden und ihre Mutter hatte dies so abgetan, als sei das alles ihre Schuld gewesen. Sie und ihr Mann hatten sich ihren Sohn gegriffen und waren im günstigsten Moment einfach verschwunden, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Rylar schien kurz darüber nachzudenken, zuckte dann allerdings mit den Schultern, offensichtlich hatte er sich nicht dagegen entschieden. Er nickte zustimmend und trank seinen Kaffee aus. Cylara warf ihr wieder einen finsteren Blick zu. Cylara schenkte ihr einen finsteren Blick, dann jedoch nickte auch sie.

 

Rylar seufzte, während seine Welt immer weiter in einem Wirbel verschiedener Farben verschwamm. Offenbar war es richtig, dass Izarek selbst was alkoholische Getränke anging vor anderen Gilden lag. Nicht, dass sie hier besser schmeckten, es ging eher darum, dass in Izarek absolut jedes Getränk was auch nur annähernd Alkohol enthielt eine höhere Wirkung hatte als das, was man in allen anderen Gildenbezirken bekam. Außerdem punktete Izarek was die Vielfalt anging. Jede Gilde hatte ihre eigenen alkoholischen Getränke, jedoch behielt eine Gilde diese Geheimnisse oft für sich. In einer Gilde wie Izarek, die dafür bekannt war Wissenschaftler jeder Gilde zu vereinigen war es klar, dass sie nicht nur militärische oder wissenschaftliche Geheimnisse vereinigte, sondern auch die Geheimnisse der Kelterei in sich vereinigte. Rylar leerte sein Glas, was auch immer es enthielt. Es schmeckte furchtbar, aber es machte das Leben wenigstens für ein paar Stunden erträglicher. Cylara hatte es sich offenbar zum Ziel gemacht, Cereza unter den Tisch zu trinken, jedenfalls hatte sie wahrscheinlich doppelt soviel Intus wie Cereza, sah aber auch noch deutlich gesünder aus als sie. Keine Ahnung wo sie das alles ließ. Zwar wirkte sie auf den ersten Blick wie ein gebrechliches Mädchen, aber offensichtlich vertrug sie mehr Alkohol als er und Cereza zusammen. Irgendwie war das unheimlich. Er hatte keine Ahnung was Cylara gegen die junge Soldatin hatte, es hatte eine beträchtliche Wirkung auf ihr Ego. Normalerweise war das doch eher ein männliches Phänomen sich grundlos zu zerfleischen. Offensichtlich allerdings hatten das auch Frauen drauf. Je mehr sie trank desto ruhiger schien sie jedoch zu werden. Ganz im Gegenteil zu Cereza, die sich bereits deutlich angeheitert über den Tisch gebeugt hatte und sinnbefreit kicherte. Irgendwie machte sie das in seinen Augen sympathisch. Möglicherweise hatte er aber auch einfach zu viel getrunken, sodass die eigentliche Emotion durch eine völlig andere ersetzt wurde. Kein guter Zeitpunkt darüber nachzudenken. „Sag mal Rylar, hast du schon mal einen Verbrecher laufen lassen?“, fragte Cereza kichernd und lallend zugleich, während Rylar versuchte sich Gedankenverloren mit dem Finger auf die Nase zu tippen um seine Koordinierungsfähigkeit im Zusammenspiel mit immer weiter ansteigenden Alkoholpegel zu testen. Sein Auge schmerzte furchtbar. „Was?“, lallte er und versuchte sie anzusehen. Es war wahnsinnig anstrengend. Cylara grinste auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches. Offensichtlich hatte sie noch ihren Spaß an der Sache. „Ob du schon mal…“, begann Cereza und Rylar starrte sie an. „Warte… ich weiß wieder, du wolltest fragen ob ich schon mal einen Verbrecher laufen lassen habe… oder so…“, gab er lallend zurück und Cereza nickte. „Genau…“, betonte sie übertrieben. „Ich habe… Ne keine Ahnung… Frag mich morgen. Oder so.“, kicherte er unkontrolliert. Cylara verkniff sich ein Lachen. Verdammt war das anstrengend. Rylar schob seinen Drink weg. „Ich hab genug.“, seufzte er und jetzt lachte Cylara. „Ey du, was tönst du hier rum mit deinen beiden Tussen?“, grölte ein Typ der das Wort Diät wohl erst noch nachschlagen musste. „Was willst du von mir?“, fragte Rylar lallend und schaute die Gruppe aus drei Personen an, der eine war lang, der andere dick und der dritte war nüchtern. „Ey mann wenn du so blöde Fragen stellst wächst mein Hass bis zur Unendlichkeit.“, brüllte der Fette und bemühte sich offensichtlich nicht um eine schöne Satzstellung. „Genau wie dein Bauch.“, lachte Rylar lallend. Ein Schlag traf ihn im Gesicht und er kippte von der Bank. Rylar lachte noch lauter und kriegte sich kaum noch ein. „Willst du mich verarschen?“, brüllte der Fette und Rylar lachte noch lauter. „Ist das nicht offensichtlich?“, hakte er lachend nach und kassierte einen Tritt in die Rippen, statt sich zusammen zu krümmen, wie es ein normaler Mensch in dieser Situation getan hätte lachte er einfach weiter. „Ich bring dich um!“, erklang die Stimme des Mannes erneut lauter als notwendig. „Habt ihr das gehört? Er bringt mich um.“, lachte Rylar und warf einen Blick zu den beiden Frauen. Cereza begann ebenfalls schallend zu lachen. Cylara sah besorgt aus. Ein Fuß traf Rylar im Gesicht und allmählich gelangte das Adrenalin bis zu seinem Verstand durch. Jetzt würde er kämpfen können. „Willst du noch mehr Schläge?!“, rief der Fette noch immer aufgebracht. Rylar lachte noch immer. „Das wäre ja echt ein dickes Ding!“, lallte er lachend und wartete ab. Wie es zu erwarten war raste der Fuß des Fetten erneut auf ihn zu und diesmal stoppte Rylar den Fuß, indem er ihn mit beiden Händen auffing. „Weißt du was das schwere bei euch fetten Leuten ist? Euer Körper.“, lachte Rylar und zog so stark und ruckartig er konnte. Der Fette landete auf seinem Hintern und Rylar sprang auf und verpasste ihm einen harten Tritt gegen die Schläfe. Der Fette verdrehte die Augen und sackte nach hinten um. „Möchte noch jemand seinem Unmut freien Lauf lassen? Ich hab ne Menge beschissene Kindheitserinnerungen, die nur danach schreien frontal ein Gesicht zu küssen.“, hakte Rylar nach und wirkte mit einem Mal ernst. Der Lange starrte ihn hasserfüllt an, während der Nüchterne eher weniger Streitsüchtig aussah. „Mann er hat Big Bob einfach so umgehauen. Lass uns verschwinden.“, erklärte der Nüchterne, aber es war bereits zu spät, Rylar begann wieder zu lachen. „Big Bob? Ernsthaft? Wie heißt du?“, er deutete auf den langen, schlanken, Gegner. „Slim Jim?“, fragte Rylar hoffnungsvoll und lachte weiter. Slim Jim schlug zu. Die Faust traf Rylar im Gesicht, doch dieser lachte noch immer. „Das war es wert.“, erklärte Rylar während ihm Blut aus der Nase lief und klang dabei, als sei er erkältet. Slim Jim schlug zu und Rylar blockte den Schlag, dann tat er einen Schritt um den Gegner herum, umklammerte den Arm und drehte ihn in eine äußerst unangenehme Haltung. Slim Jim schrie vor Schmerzen, während sich der Knochen sich langsam aber aich aus dem Gelenk zu lösen begann. Kurz bevor es unangenehm knacken und knirschen würde, ließ er den Arm los, zog seinem Gegner mit einem gezielten Fegekick die Beine weg und verpasste auch Slim Jim einen harten Tritt gegen den Kopf. Auch er fiel anstaltslos um. Der Nüchterne blickte Rylar fassungslos an. „Was denn?“, hakte er nach und grinste breit. Mit der linken Hand wischte er sich das Blut vom Gesicht. Sein Lächeln sah unter dem verwischten Blut aus, wie das eines Psychopathen. Der Nüchterne schien mit sich zu ringen, fragte sich, ob er auch angreifen sollte, doch er entschied sich dagegen. Er verbeugte sich hastig. „Entschuldigen Sie bitte, die beiden…“, begann der Nüchterne und Rylar winkte ab, dann setzte er sich wieder hin. Noch immer lief ihm Blut über das Gesicht. Cereza grinste ihn an und begann an einer der ansetzenden Schwellungen in seinem Gesicht rumzudrücken. „Tut das weh?“, hakte sie nach und sie begann wieder zu kichern. Die kurze Klarheit, die ihn während des Kampfes ereilt hatte verflog allmählich und sein Verstand wurde wieder in den Nebel des Alkohols gehüllt, auch wenn das kleine Handgemenge etwas Alkohol verbrannt hatte, war es genug gewesen um ihn wieder annähernd auszunüchtern. „Nein… Aber Morgen wird es wehtun.“, betonte er lachend und grinste Cereza über beide Ohren an. Er bot einen sehr gewöhnungsbedürftigen Eindruck. Wortlos stand Cylara auf und ging um den Tisch herum und setzte sich neben Rylar, der sie etwas verwirrt ansah. Sie nahm eine der Servierten vom Tisch und begann Rylar das Blut vom Gesicht zu wischen. Ihr Blick spiegelte etwas wieder, was Sorge sein konnte. Er konnte sich aber auch irren. Nein er irrte sich ganz sicher, in seinem Zustand würde er wahrscheinlich eine hasserfüllte Fratze nicht von einem verliebten Gesicht unterscheiden können. Schade eigentlich. „Mach so einen Scheiß nie wieder.“, seufzte sie und tupfte ohne weitere Worten an seinem Gesicht herum. „Schon gut, ist ja gut gegangen.“, grinste er und ihr Blick wurde wütend. „Ich habe nicht gemeint, dass du dich nicht prügeln sollst, das hätte sich hier wahrscheinlich nur schwer vermeiden lassen, ich will nicht, dass du mit deinen Gegnern spielst, wenn du sie problemlos umhauen kannst.“, entgegnete sie und tupfte weiter. „Ich will das hier nicht nochmal machen, wenn es nicht nötig ist.“, ihre Stimme klang matt und … nein, auf keinen Fall besorgt. Das wäre viel zu offensichtlich gewesen. Cereza blickte auf eine der beleuchteten Turmuhren und blinzelte viel zu oft. „Ich glaube es reicht für heute.“, lallte sie und Cylara nickte zustimmend. „Dem nächsten, der dich angreift reiße ich die Eingeweide raus.“, erklärte sie finster und klang dabei vollkommen ernst. Unheimlich. Eindeutig unheimlich. „Aber was machen wir jetzt?“, hakte Cereza planlos nach und Cylara starrte sie an. „Ich bringe euch beide Nachhause. Der Spaß ist für heute vorbei.“, erklärte sie und zum ersten Mal schwang kein Hass auf sie in ihrer Stimme mit. Eher Mitleid. Seltsam es war Rylar so vorgekommen, dass sie mehr getrunken hatte als die beiden, sie wirkte allerdings maximal angeheitert. Ein seltsames Gefühl, ohne Frage. Im Moment kam sie Rylar vor wie eine Mutter, die versuchte ihren Nachwuchs davor zu bewahren Unsinn zu machen. „Okay, lass uns gehen.“, gab Rylar nach, weil er wusste, dass es die einzige annähernd intelligente Entscheidung war. Cylara nickte betont und nahm seine Hand um ihm beim Aufstehen zu helfen. Cereza versuchte ebenfalls, doch sie kippte dabei fast um und wurde von Rylar festgehalten. „Ich glaube wir sollten dich zuerst nachhause bringen.“, seufzte Rylar und betrachtete die, an ihn gekuschelte Cereza, die das bloße auffangen wohl missverstand. „Hey nicht so stürmisch… ich bin eine Dame.“, kicherte sie lallend und Cylara verzog genervt das Gesicht. Rylar drückte sie leicht von sich weg, sodass sie einigermaßen auf ihren eigenen Beinen stand. „Hey… das ist gemein, du bist so kuschlig.“, seufzte Cereza das Kompliment, was jeder Mann in der Laufzeit seines Lebens unbedingt hören wollte. Rylar stieß einen Seufzer aus und versuchte die nüchternen Splitter seines Verstands zusammen zu suchen, damit er einigermaßen geradeaus laufen konnte. Cereza schien es hingegen nicht mal zu versuchen. „Zu mir geht’s da hinten lang.“, lallte Cereza und deutete auf einen der Türme. Rylar runzelte die Stirn. „Du wohnst in dem Turm?“, fragte er unsicher und Cereza schüttelte energisch den Kopf. „Ich meine damit, wir müssen durch die Gasse.“, noch immer deutete sie auf den Turm. Cylara zog beide weiter durch die Gassen, während Cereza das Kommando gab. Rylar beschlich das unangenehme Gefühl im Kreis zu laufen, allmählich nässten seine Stiefel im Schnee durch. Wie er das hasste. Nach ungefähr einer halben Stunde, die sich eher anfühlte wie 2 Stunden deutete sie auf ein kleines Haus. Cylara blickte misstrauisch auf das Schild an der Tür und nickte dann. „Was denn? Vertraust du mir nicht?“, hakte Cereza mit vorwurfsvollem Ton nach und Cylara warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Das ist schon das vierte Haus, was du als deines identifizierst.“, stellte Cylara klar und Rylar musste grinsen. Das stimmte. Wortlos wankte Cereza zur Tür und versuchte mit aller Gewalt ihren Schlüssel in das Schlüsselloch zu stecken, sie versagte kläglich. „Dein Zukünftiger Ehemann muss sich glücklich schätzen, wenn du in diesem Zustand nicht mal in der Lage bist einen Schlüssel in die Tür zu stecken.“, seufzte Cylara und nahm ihr den Schlüssel ab um die Tür aufzuschließen. Als sie die warme Wohnung betraten begann sich vor Rylars Augen alles zu drehen. Er riss sich zusammen um nicht auf den Teppich zu kotzen. Es war nie eine gute Idee ein Haus zu betreten, wenn man die ganze Nacht draußen getrunken hatte. Zusammen stapften sie in ein Zimmer, was sie als Schlafzimmer identifizierten. Es hatte ein Bett. Es war also unbestritten das Schlafzimmer. Cereza fiel wie ein Brett auf das Bett und was sofort eingeschlafen. Rylar setzte sich auf die andere Seite des Betts und stützte seinen Kopf auf einen Arm. Cylara sagte irgendwas. „Hmm?“, hakte Rylar nach, ehe ihn die Müdigkeit übermannte und auch er einschlief.

 

Der unverkennbare Klang der vorbeifahrenden Dampfmaschinen weckte Cereza aus ihrem Schlaf. Ihr Kopf pochte dumpf und sie hatte unglaubliche Kopfschmerzen. Dafür allerdings setzte die Übelkeit aus. Sie streckte sich und bemerkte erst jetzt, dass sie nicht allein war. Sie hatte sich im Schlaf an irgendwas gekuschelt. Nein. An irgendjemanden. Kurz zwinkerte sie und zog die Decke etwas weg. Oh es war Rylar. Er hatte wohl auch hier geschlafen. Oh… Sie schmiegte sich an ihn. Er war warm, seine Haut weich und kratzig zugleich. Seine… Haut. Er war… Nackt… Und sie war… Auch nackt. Splitternackt Rylar hatte wenigstens noch Shorts an, aber sie war splitternackt. Sie konnte sich an gar nichts erinnern, was war gestern passiert? Leicht tippte sie ihn an. Er gab einen murrigen müden Laut von sich, dann aber drehte er sich zu ihr um und öffnete langsam die Augen. Kurz lächelte er, dann wechselte sein Gesichtsausdruck innerhalb weniger Sekunden zu einem halben Dutzend Zuständen. Überraschung, Freude, Irritation, Ruhe, Angst und letztendlich komplette Verlegenheit. Röte war ihm ins Gesicht gestiegen und sein Blick war nicht mehr auf ihr Gesicht gerichtet. Sondern… Mit einem Schlag war Cereza hellwach. Sie zog die Decke an sich heran und verbarg ihren nackten Körper vor seinen Blicken, dann trat sie zu und Rylar stieß einen erstickten Laut von sich, als ihn der Tritt am Bauch erwischte und er benommen vom Bett purzelte. Benommen rieb er sich den Kopf, anscheinend hatte er sich gestoßen. „Was zur Hölle ist gestern passiert?“, fragte sie etwas lauter und aufgeregter klingend, als er es geplant hatte. „Wir haben was getrunken, du hast uns eingeladen und dann sind wir irgendwann zu dir…“, er schien zu überlegen, lief dann kurz nochmal rot an und sie blickte ihn erzürnt an. „Das weiß ich, aber was ist danach passiert?!“, brüllte sie nun und Rylars Gesichtsausdruck wechselte von irritiert und überrascht zu kalt und abweisend. „Ein Gentleman genießt und schweigt.“, seufzte er und klang dabei als würde er eine besonders glückliche Erinnerung in seinem Kopf abspielen. Cereza lief feuerrot an und warf ihm einen hasserfüllten Blick zu. Er hielt dem Blick mühelos und stand allmählich auf.  Erst jetzt sah sie seinen Oberkörper. Was für ein Freak. Überall auf seinem Körper waren religiöse Symbole eingebrannt. Und mit diesem Freak hatte sie geschlafen. Sie erkannte die Waage der Göttin Juraz, den Hammer des Gottes Demor, das Kreuz der brennenden Gottheit und ein Dutzend anderer Symbole die sie nicht zuordnen konnte allein auf seiner Brust und dem Bauch eingebrannt, sie schätzte, das sein Rücken auch nicht anders aussah. Rylar warf sich das Hemd über, stand auf und zog sich die Hose an. Dann setzte er sich auf das Bett und zog sich die Schuhe an. Kurz überlegte sie, ob sie ihn noch einmal auf die ganze Sache ansprechen sollte, entschied sich aber dagegen. Schlimm genug, dass es überhaupt passiert war. Er stand auf, griff nach seinem Mantel und dann fiel es ihr auf. All seine Kleider waren fein säuberlich zusammen gelegt gewesen. Er war gestern garnicht im Stande gewesen seine Klamotten zusammen zu legen, sie wäre es auch nicht gewesen, abgesehen davon, wer nahm sich für sowas die Zeit, wenn er im Begriff war Sex zu haben. Sie dachte nach, doch bevor sie etwas sagen konnte, hatte Rylar bereits seinen Gürtel umgeschnallt, sein Schwert genommen, was an der Wand lehnte und hatte die Tür geöffnet. „Danke, dass ich hier übernachten durfte.“, seufzte er und schloss die Tür hinter sich, ehe sie etwas entgegnen konnte. Seltsam. Irgendwas stimmte hier nicht und so religiös kam er ihr gar nicht vor. Und eine gute Hälfte der Religionen, die auf seinem Körper verewigt waren, verboten vorehelichen Sex und den Genuss von Alkohol. Offensichtlich hatte er beides praktiziert. Und zwar zusammen mit ihr. Erneut lief sie rot an. Wieso? Wieso musste sowas ihr passieren? Sie stieß wütend den Atem aus und dann noch diese Antwort von ihm. ‚Ein Gentleman genießt und schweigt.‘, erklang der lakonisch klingende Satz erneut in ihrem Kopf. Dieser Bastard. Wütend schlug sie auf ihr Kissen ein, weinte aber nicht. Hoffentlich war sie wenigstens gut gewesen, sodass er es bereuen würde, einfach gegangen zu sein. So ein verdammter Mistkerl. Genervt stand sie auf und bereute es sofort. Die Kopfschmerzen kehrten mit voller Intensität zurück und schienen ihren Kopf mit einem schweren, stumpfen Gegenstand zu bearbeiten. Sie ließ sich wieder aufs Bett fallen. Offensichtlich würde sie noch eine Weile hier liegen bleiben.
Irgendwann. Wahrscheinlich erst ein paar Stunden später entschied sie sich dann doch dazu aufzustehen. Aufstöhnend kämpfte sie gegen die aufwogende Welle Kopfschmerz an und kämpfte sich unter leichtem Schwindel und mörderischen Kopfschmerzen ins Bad. Sie drehte den Hahn der Dusche auf, das Wasser war angenehm warm. Ein Hoch auf Izarek. Hier froren die Wasserleitungen niemals ein. Da sie ohnehin schon nackt war stellte sie sich ohne weitere Vorbereitungen zu treffen unter den warmen Wasserstrahl und ließ sich ohne darüber nachzudenken in eine sitzende Position nieder. Das warme Wasser lockerte die Muskeln und verbesserte ihre Laune schlagartig. Kurz dachte sie darüber nach, wie es wohl wäre, hätte Rylar nicht sofort die Fluch ergriffen. Kurz gab sie sich ihren Gedanken hin, spürte Nahezu, wie er seine Arme von hinten um sie schlang und ihre nackte Haut… Nein Stopp. Was dachte sie da zur Hölle? Sie kannte diesen Typen kaum und nur weil er die Nacht hier verbracht hatte, war das noch lange kein Grund sich unkeuschen Gedanken mit ihm hinzugeben. Sie lief knallrot an. Und dann begriff sie. Das letzte Mal Sex war abgesehen von der letzten Nacht drei Jahre her gewesen. Und von der letzten Nacht hatte sie nicht mal was mitbekommen, wieso sollte sie sich also nicht wenigstens Mal ihren Fantasien hingeben. Er mochte ein Idiot sein, doch er sah in ihren Augen gut aus und wenn man den ganzen Symbolen auf seinen Körper ihrer religiösen Bedeutung beraubte war auch der Rest seines Körpers nicht zu verachten. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Seine Hände streichelten und liebkosten ihren Körper, seine Lippen küssten ihren Nacken. Ein heiseres stöhnen entwand sich ihrer Kehle, dann riss sie die Kälte der gekachelten Wand aus ihrer Fantasie, die auf ihr nacktes Fleisch traf. Sie schreckte hoch und beugte sich vor. Wäre es denn wirklich so schlimm gewesen ihn ein paar Stunden hier zu behalten. Klar, sie kannte ihn nicht und hatte mit ihm geschlafen, was die Sache nicht besser machte, aber diese zermürbende Einsamkeit war nicht besser. Sie hätten nicht unbedingt miteinander schlafen oder duschen müssen. Frühstücken und dabei reden, das hätte schon gereicht, stattdessen, war er aufgrund ihrer übertriebenen Reaktion einfach gegangen. Hatte sich verzogen sie ein geprügelter Hund und in diesem Moment fühlte sie sich wie die Böse. Sie hatte absolut nichts von der Nacht mitbekommen. Natürlich seine Reaktion war ihr gegen den Strich gegangen, aber was machte sie so sicher, dass er nicht genau so einsam war wie sie? Sie hatte niemanden, weder ihre Eltern noch Geschwister, noch wirkliche Freunde. Ihre Kariere beim Militär hatte all das aufgezehrt und ihre einzige wirkliche Bezugsperson war der Hauptmann, doch ihn mit privaten Gedanken und Sorgen zu konfrontieren kam nicht in Frage. Sie stieß einen leidenden Seufzer aus. Sie sehnte sich so sehr nach der Wärme eines anderen Menschen in ihrer Nähe und sie hatte diese Möglichkeit einfach ohne darüber nachzudenken weg geschlagen und hatte den Rückweg verbarrikadiert. Welcher Mann würde nach so einer Geschichte nochmal versuchen einer Frau näher zu kommen, die er nicht mal kannte. Natürlich… würden sie sich kennen hätte sie vielleicht eine zweite Chance bekommen, aber so? Ihr Körper spannte sich an und ein leichter Schluchzer schüttelte sie. Das war alles, was ihre Emotionen zuließen. Ein Schluchzen, doch niemals ein befreiendes Weinen. Niemals. Sie stemmte sich auf die Füße und legte den Kopf in den Nacken. Warmes Wasser prasselte sanft auf ihr Gesicht und den Rest ihres Körpers. Die Kopfschmerzen verzogen sich allmählich. Wahrscheinlich um zu einem späteren Zeitpunkt wieder mit voller Gewalt zuschlagen zu können. Das allerdings blieb abzuwarten. Ihre Haare begannen durch ihr nasses Haar zu streichen und erst jetzt fiel ihr auf, dass der Boden eine dunkle Färbung angenommen hatte. Sie wollte nicht wissen wie oft sie in der vergangenen Nacht im Dreck gelegen hatte, was sie allerdings unbedingt wissen wollte war, was zwischen ihr und Rylar wirklich passiert war. Sie wusste, dass sie angezogen gewesen war, als sie ins Bett und sogleich in Tiefschlaf gefallen war. So war das doch oder? Sie konnte sich nicht erinnern. Klassischer Filmriss. Verdammt nochmal. Dankbar dafür, dass das heiße Wasser die Kälte von ihr abgespült hatte drehte sie den Wasserhahn zu und stieg aus der Dusche. Ihre Hand fand den Handtuchhalter und das darauf hängende Badetuch. Sie nahm es und begann die Feuchtigkeit von ihrem Körper zu tupfen. Der Abfluss am Boden erledigte den Rest. Nachdem ihr Körper wieder einigermaßen trocken war wickelte sie sich das Badetuch um die Haare, damit diese nicht anfingen alles voll zu tropfen. Wieder ließ sie sich im Schlafzimmer aufs Bett fallen und wickelte die dicke, warme Decke um sich. Eine Weile blieb sie so sitzen, dann klopfte es an der Tür. Wer würde das um diese Zeit wohl sein? Rylar? Nein. Sie verwarf den Gedanken. Nicht nach dem was sie abgezogen hatte. Sie stand auf, wobei ihr die Decke von den Schultern glitt, drängte sich notdürftig in Unterwäsche und ein Top und schritt zur Tür. „Wer ist da?“, hakte sie nach, auf dem Weg zur Tür nahm sie eine ihrer Handfeuerwaffen vom Tisch, überprüfte das Magazin und lud sie durch. „Lady Cereza, es gibt eine Eilmeldung vom Rat.“, erklärte eine hastige Stimme. Der Rat? So wurde die Oberetage des flammenden Emblems genannt. Was wollten die von ihr? Sie öffnete die Tür und vor ihr stand ein Laufbursche des Rates. Der Mann war schlank und stand in vollständiger Disziplin vor ihr still. Selbst die Laufburschen des Rates durfte man nicht unterschätzen. Sie waren militärisch geschult und darauf gedrillt jeglicher Folter bis zu ihrem Tot zu wiederstehen. Wahrscheinlich hatte dieser Mann in seinem Leben mehr scheiße im kochenden Zustand gesehen, als die meisten anderen. „Wann erwartet mich der Rat?“, hakte sie mit misstrauischem Unterton in der Stimme nach. Der Laufbursche bedachte sie mit einem strengen Blick. „Unverzüglich Mylady.“, erklärte der Mann und blickte ihr ins Gesicht. Sie blickte an sich herunter. Das Top war viel zu eng und umschmeichelte ihre Brüste so stark, dass sie beinahe daraus hervorquollen. Ihre ‚Unterwäsche‘ erwies sich als einfacher Slip, der jedoch auch etwas hermachte. Offensichtlich waren die Laufburschen des Rates nicht so gut darauf trainiert solcher Folter zu wiederstehen. Etwas zu sehen, was man nicht anfassen konnte musste für Männer furchtbar sein. Ja verdammt, Cereza hatte eine Marktlücke in der Folterbranche entdeckt. „Wartet einen Moment, ich werde mich umziehen und mich sofort auf den Weg machen.“, seufzte sie und schüttelte den Kopf. Der Rat musste immer alles unverzüglich klären. Allein, dass Cereza gefragt hatte, war bereits unnötig gewesen. Wenn der Rat nach jemanden fragte, war dieser Anfrage unverzüglich und ohne das Stellen von unnötigen Fragen Folge zu leisten. Tja, sie stand eben nicht so auf Befehle. Sie drehte sich auf dem Absatz um und löste dabei das Handtuch vom Kopf. Mangels Halterung fielen ihre Haare nun in schwarzen Wogen über ihren Rücken und Schultern, dabei umrahmten sie ihr Gesicht. Sie wusste, dass der Laufbursche ihr nachsah und sich an dem Anblick ergötzte, den ein Slip eben bot. Sie schritt durch den Flur und gelangte wieder ins Schlafzimmer. Kurz überlegte sie ob sie sich wieder in ihre Uniform zwängen sollte, doch die Uniform war für festliche Anlässe. Wenn es um eine Mission ging, wäre sie nur unpraktisch gewesen. Statt ihrer Uniform, entschied sie sich für eine einfache dunkle Stoffhose, einen Pullover und eine dunkle Jacke. Dann schnallte sie noch den Gürtel um und steckte ihre Waffen in die Halfter. Das sperrige Scharfschützengewehr packte sie in eine lange schwarze Tasche, zog den Reißverschluss zu und hängte sie sich um. Noch einmal überprüfte sie ihr Antlitz im Spiegel, dann schritt sie zur Tür und verließ zusammen mit dem Laufburschen das Haus.

 

Rylar trotzte der Kälte mehr, als er sie ertrug. Er hasste den Winter, hasste es, wenn es kalt und Nass war, dazu kam noch die Tatsache, dass Cereza ihn einfach rausgeschmissen hatte. Natürlich hätte er ihr einfach die Wahrheit erzählen können. Nämlich, dass er sich ebenfalls an nichts von der letzten Nacht erinnerte, aber das hätte sie ihm höchstwahrscheinlich nicht geglaubt. Ob seine Reaktion wirklich besser gewesen war? Er bezweifelte es stark, aber was sollte er machen, es war nun mal geschehen. Auch wenn er gerne noch etwas Zeit mit Cereza verbracht hätte, er machte keinen Hehl daraus, dass ihm das, was er gesehen hatte gefallen hatte. Cereza war eine Schönheit, eine Schönheit, die er nie wieder anfassen würde, jedenfalls wenn man davon ausging, dass er sie jemals angefasst hatte. Er hatte wirklich absolut keine Ahnung. Er stieß einen Seufzer aus. Er war erschöpft, außerdem ärgerte ihn, dass sie seine Schande gesehen hatte. All diese Runen und Symbole, die auf seinem Körper eingebrannt worden waren. Sein Vater war sehr gläubig gewesen, das Problem war, dass er nicht nur an alle möglichen Götter glaubte, nein er glaubte auch, dass sie zu ihm sprachen, wenn er sich entsprechend betrank. Im betrunkenen Zustand hatte er nur zu gerne Zeit mit einem glühenden Brandeisen und seinem Sohn verbracht. Sein Vater war schon im nüchternen Zustand ein Arschloch gewesen, aber im betrunkenen Zustand ist er einfach nur ein fanatisches und wahnsinniges Arschloch gewesen. Zwar dachte Rylar ab und zu an die Zeit zurück, als sein Vater noch gelebt hat, allerdings bereute er nicht ihn letztendlich getötet zu haben. „Meister Rylar!“, erklang eine unbekannte Stimme hinter ihm und er drehte sich irritiert um, dabei lag eine Hand an dem Dolch, der in seinem Gürtel hing. Der Mann der auf ihn zulief war ein gestandener Soldat, aber warum redete er ihn mit ‚Meister‘ an? „Meister?“, fragte Rylar ungläubig und der Soldat blieb vor ihm stehen. Er stand stramm. Wo waren sie hier? In der Kaserne? „Der Rat von Izarek wünscht euch zu sehen.“, erklärte der Soldat und Rylar zog eine Augenbraue in die Höhe. „Wer?“, hakte er nach und der Soldat wiederholte Pflichtgetreu: „Der Rat von Izarek, Meister!“
Der Rat von Izarek? Hatte Izarek überhaupt sowas wie einen Rat? „Und was will ‚Der Rat von Izarek‘ von mir Meister?“, gab er sarkastisch zurück und kurz sah der Soldat äußerst irritiert aus. „Ich bin nur ein Bote Meister!“, gab der Soldat zurück und Rylar begann sich zu fragen ob es zu der Ausbildung eines Soldaten von Izarek gehörte jeden Satz mit ‚Meister‘ zu beenden. „Und wieso sollte ich diesem ‚Wunsch‘ folge leisten?“, hakte Rylar misstrauisch nach. „Weil der Rat keine Wiederworte duldet Meister!“, endete der Soldat und grinste finster. „Das wäre dann kein Wunsch, sondern eine Forderung. Unter Zwang arbeite ich nicht gerne, aber der Rat kann mir gerne eine schriftliche Anleitung zukommen lassen, ‚Meister‘“, erklärte Rylar mit einem Lächeln auf den Lippen. Der Soldat zog eine Pistole und zielte auf Rylar. „Ich bin dazu berechtigt Gewalt anzuwenden, wenn sie dem Wunsch nicht entsprechen möchten, Meister.“, erklärte der Soldat und entsicherte die Waffe mit einem Klicken. „Ach seid ihr das? Na wenn das so ist bin ich dazu berechtigt ihnen in Notwehr die Arme zu amputieren, also steck dieses Ding weg, ‚Meister‘.“, gab Rylar ohne Sorge in der Stimme zurück. „Ich würde ihnen nicht empfehlen es zu versuchen Meister.“, erklärte der Soldat und Rylar schenkte ihm sein schönstes Psychotisches Lächeln. „Ach würdest du das? Ich würde es dir empfehlen, dieses Ding weg zu stecken, ansonsten werde ich erst dich töten, dann deine Frau, dann deine Kinder und am Ende werde ich mich deinem Hund widmen.“, grinste Rylar psychotisch und gab keinen Anlass ihm nicht zu glauben. Der Soldat schluckte und wimmerte: „Nicht Buster!“. Rylar blickte ihn irritiert an. „Buster? Ein beschissener Name für einen Sohn.“, erklärte er ruhig und der Soldat schüttelte hastig den Kopf. „Mein Hund.“, erklärte er mit ängstlichem Blick. „Natürlich.“, erwiderte Rylar mit ruhiger Stimme und zog langsam sein Schwert aus der Scheide auf seinem Rücken. „Also? Was ist dir lieber? Ein unkompliziertes Gespräch ohne Waffengewalt oder ein toter Buster?“, hakte Rylar mit ruhiger Stimme nach. Erneut schluckte der Soldat, dann steckte er die Waffe weg. Rylar grinste. Die Masche mit dem Hund zog immer. „Also? Was will der Rat von mir?“, hakte Rylar nach. „Sie wollen euch beauftragen Mei…“, begann der Soldat und Rylar schaute ihn finster an. „Ich schwöre dir, wenn du noch einmal das Wort Meister in meiner Gegenwart aussprichst schiebe ich dir deine Pistole quer in den Arsch.“, erklärte Rylar und ließ wieder ein psychotisches Lächeln sehen. Es wurde immer besser, das spürte Rylar. Der Soldat nickte eifrig und Rylar steckte das Schwert weg. „Was für ein Auftrag ist das?“, hakte Rylar geduldig nach. „Das kann ich euch nicht sagen.“, erklärte der Soldat und Rylar blickte ihn fragend an. „Damit möchtest du mir jetzt sagen, dass du keine Ahnung hast?“, hakte Rylar nach und der Soldat nickte entschuldigend. Zwecklos ihn weiter auszuquetschen, er wusste ja doch nichts. Würde ihm die Regierung von Izarek in eine Falle locken wollen, hätten sie das anders aufgezogen, davon abgesehen hatten sie keinen Grund ihn zu töten. Aber hatten sie einen Grund ihn mit irgendwas zu beauftragen? Immerhin hatte er ein Attentat verhindert. Ihm blieb wohl nichts anderes übrig, einen Auftrag der Regierung sollte man sich generell nicht durch die Lappen gehen lassen. Und sollte ich es doch um eine Falle handeln musste er einfach nur alle töten, die damit zu tun hatten. Pah ein Kinderspiel. „Dann gehen wir doch mal Hallo sagen.“, lächelte Rylar mit quietschfreundlicher Miene und der Soldat blickte Irritiert drein. „Was?“, hakte er nach. „Damit meinte ich bring mich hin.“, erklärte Rylar genervt. Der Soldat nickte. „Jawohl Mei…“, den Rest verkniff er sich. Er musste seinen Hund wirklich gern haben. Zufrieden nickte Rylar und sah dem Soldaten dabei zu, wie er die ersten Schritte des Weges allein zurücklegte.

 

Das Kapitol von Izarek war ein riesiges Gebäude, was seines Gleichen suchte. Zwei riesige Türme stachen durch die Wolken und wurden in der Mitte der Höhe von einem riesigen Gebäudekomplex verbunden. Wie lange es wohl dauerte bis man hier eine Genehmigung für was auch immer bekam. Der Soldat hatte den ganzen Weg nicht gesprochen, ein wirklich langweiliger Zeitgenosse. Vielleicht sollte Rylar ihm für seine Bemühungen loben… Vielleicht sollte er ihm aber auch einfach eine Packung Hundeleckerlies kaufen. „Da drinnen also…“, seufzte Rylar in Gedanken. „Jawohl. Nennt die Losung ‚Der Drache spaltet den einsamen Himmel‘, dann werdet ihr direkt zum Tagungssaal gebracht und zum Rat vorgelassen.“, erklärte der Soldat pflichtbewusst. Rylar schaute ihn verdutzt an. „Ist das dein Ernst?“, hakte er ruhig nach und mischte seinem Lächeln eine Priese Unglaube unter. „Ja Mei… Ich meine Ja!“, gab der Soldat zurück. Wenn er doch nur wüsste, dass Rylar niemals ein Kind oder einen braven Hund töten würde… Er jedenfalls würde es ihm nicht erzählen. Na dann mal los. Er nickte dem Soldaten zu und schritt dem Tor entgegen. Wie beinahe alles in Izarek funktionierte es vollkommen automatisch. Wirklich verwirrend, wenn ein Tor vor einem zurückschreckt. Rylar schüttelte den Kopf. Izarek war wirklich immer für eine Überraschung gut. Vor ihm erstreckte sich ein gefühlt meilenweiter Tresen an dem mehrere Mitarbeiter standen und hastig auf einer … War das eine elektronische Schreibmaschine? Jedenfalls irgendwas in dem Kaliber. Sie tippten eben auf irgend so einem Ding rum! Rylar ging so entspannt wie möglich auf den Teil des Tresens zu auf über dem das Schild mit der Aufschrift ‚Anmeldung‘ hing. „Guten Tag, sie wünschen?“, fragte die junge Frau am Schalter und lächelte leicht. „Ich habe einen Termin beim Rat.“, erklärte er lächelnd. Die junge Frau lächelte ebenfalls. „Haben wir den nicht alle?“, hakte sie freundlich nach und Rylar grinste. Seine Hand griff ohne, dass die Frau etwas merkte nach einem Stift und er begann auf ihrem Block herum zu kritzeln, ohne den Blick auf sie zu unterbrechen. „Ja aber ich bin wichtiger als die meisten, jedenfalls wollte man mir das einreden.“, grinste Rylar und tippte mit dem Stift auf den geschriebenen Satz. Der Blick der jungen Frau wandte sich zu dem Blatt Papier und sie erstarrte, als sie las, was dort stand. ‚Der Drache spaltet den einsamen Himmel‘. „Sehr wohl Mei…“, begann die junge Frau, wurde aber sofort von Rylar unterbrochen. „Nicht.“, erklärte er genervt. Die Empfangsdame nickte eifrig, verließ den Schalter und hob eine Kette an, die den Eingang zu einem privaten Teil des Kapitols absperrte. „Wenn ich bitten darf?“, lächelte die Empfangsdame. Wie lange sie wohl gebraucht hatte um dieses Lächeln zu perfektionieren? Rylar nickte und ging unter der gehobenen Kette hindurch. „Und? Darf ich jetzt durch einen geheimen, magisch versiegelten Tunnel krabbeln um in das geheime innere Hauptquartier der Superheldenliga zu gelangen?“, hakte Rylar nach und blickte der Empfangsdame entgegen. „Nein um an das Recht zu kommen müssen Sie erst drei Blutstropfen und ihr erstgeborenes Kind opfern.“, erklärte die Empfangsdame und Rylar lächelte. „Schade, zum Zeugen eines erstgeborenen Kindes brauche ich erst noch eine Frau… Interesse?“, Rylar grinste ihr entgegen und rechnete mit einer schallenden Ohrfeige zum Abschied, aber sie errötete und schaute verlegen weg, während sie begann zu lächeln. „Tut mir leid, aber…“, begann sie doch Rylar winkte lächelnd ab. „Schon gut, nur ein Scherz, sowas nur gegen Bezahlung.“, grinste er und sie schaute mit einem Mal schockiert. „Noch ein Scherz…“, erklärte Rylar und schenkte ihr ein freundliches Lächeln. „Sie müssen da rein und dann auf den obersten Schalter drücken.“, erklärte sie und deutete auf ein kleines Zimmer kurz vor ihm. Er betrat es. Es war nicht nur klein, sondern winzig. Rylar stellte sich in die das Zimmer, was man eher als Kabine bezeichnen konnte und sah dann die Schalter. Neugierig drückte er auf den obersten und die Türe schloss sich automatisch hinter ihm. Kurz fragte er sich ob er grade in die ungemütlichste Gefängniszelle der Welt gesperrt worden war, doch dann schien sich der Raum mit ihm im Inneren zu bewegen. Nicht nach links oder rechts, sondern nach oben. Technik. Er würde daraus nie schlau werden, zunehmend begann Izarek ihm Angst zu machen. Kurz bevor anfing zu denken, dass der Himmel wahrscheinlich bald erreicht war und er bald mit seinen Vorvätern vereint war durchlief ein Ruck die Kabine, gefolgt von einem glockenhellen Klingen, dann öffnete sich die Tür. Vor ihm erstreckte sich ein längerer Gang, den er entlangwanderte. Der Gang endete mit einer Biegung und Rylar blickte auf einen weiteren Empfangsschalter vor sich. Ist das jetzt deren Ernst? Er ging zum Schalter, doch er war nicht besetzt, allerdings lag vor ihm auf dem Tresen eine Glocke. Er nahm sie und begann zu klingeln. Nahezu sofort kam eine junge Frau aus dem Raum rechts von ihm gerannt. „Bitte entschuldigen Sie. Hier klingelt sonst nie jemand.“, erklärte die Dame, die eine blaue Uniform trug und musterte ihn. Haben Sie eine Einladung. „Der Himmel zerteilt den einsamen Himmel.“, rezitierte er aus dem Gedächtnis und die junge Frau nickte. „Bitte folgen Sie mir. Sie werden bereits erwartet.“, begann sie und Rylar seufzte glücklich, als sie ihn nicht… „Meister Rylar?“, innerlich fluchte er, als sie den Satz mit einer kurzen Pause beendete. „Was habt ihr nur immer mit diesem Meister?“, hakte er genervt nach und die junge Frau lächelte ihn an. „Der Rat empfängt nur sehr selten Gäste aus anderen Gilden, da es das Gesetz nicht vorsieht, dass man niederranginge Personen zum Rat vorlässt wird, wird jedem Gast des Rates der Rang ‚Meister‘ anerkannt, dieser weist den Gast des Rates als Mitglied einer hochrangigen Kaste aus und berechtigt niederstehende wie mich sie unter Vorlage einer Einladung oder einer Parole zum Rat zu geleiten.“, erklärte die junge Dame und Rylar legte eine Hand auf sein Gesicht. „Lassen sie mich raten… Mit Einladung Zutritt und ohne kein Zutritt wäre zu anspruchslos gewesen oder?“, hakte er nach und verspürte den unwiderstehlichen Drang sich die Flache Hand ins Gesicht zu schlagen. Sie zuckte mit den Schultern. „Ich hab die Regeln nicht gemacht.“, erklärte die Empfangsdame mit einem adretten Lächeln. „Natürlich. Entschuldigen Sie bitte.“, gab Rylar kopfschüttelnd zurück und die Empfangsdame lächelte und klopfte an der Tür vor sich.  Wenn Rylar jetzt wieder in so eine Kabine steigen und noch weiter nach oben fahren musste würde er die nächste Empfangsdame aus dem Fenster werfen nur um herauszufinden ob er es hörte, wenn sie unten aufklatschte. Ein lautes „Herein!“, erklang und Rylar seufzte. Der Himmel sei Dank. Er mochte Empfangsdamen, die machten schließlich nur ihren Job. „Danke für die Hilfe.“, erklärte Rylar leicht hin und zog die Tür auf. Als er eintrat konnte er sich ein „Ach du Scheiße!“, nur schwerlich verkneifen, denn er stand nicht vor ein paar popligen Ratsmitgliedern in einem kleinen Besprechungszimmer, wie er es erwartet hatte. Nein, vor ihm erstreckte sich ein riesiger Saal, rechts und links von ihm ragten jeweils drei Podeste aus dem Boden und wenn er geradeaus blickte sah er einem riesigen, amüsiert schmunzelnden Drachen ins Gesicht, der ihn direkt ansah. Er ließ seine gute Erziehung ziehen. „Ach du Scheiße!“, brachte er vor, als er in die großen gelb leuchtenden Augen des riesigen Ungetüms vor sich blickte. Als er den Blick hob sah er, dass das Dach des Turmes über ihm aus Glas zu bestehen schien, was im Moment weit geöffnet war, wahrscheinlich dafür, dass Niv’Raz ohne Probleme hinein und hinaus fliegen konnte. Rylars Mund war immer noch offen, was er hier sah, konnte er nicht wirklich glauben. Stand er wirklich vor dem großen Drachen? DEM Gildenmeister von Izarek? DEM Niv’Raz? „Und grade heute hab ich meinen Autogrammblock zuhause liegen lassen.“, begann Rylar und blickte dem Riesigen Ungetüm vor sich tief in das erste Auge was sich anbot. In beide zu starren war unmöglich.

Kapitel 5

 

Drei riesige Podeste befanden sich direkt vor ihr. Sie sog tief den Atem ein. Mit Niv’Raz gab es  Zehn Mitglieder des Rates. Offensichtlich reichten für sie drei. Schade, sie hätte gerne noch einmal die Stimme des Drachen gehört, wie er ihre Leistungen pries. Aber das war keine Notwendigkeit. „Und was jetzt?“, fragte Cereza nach, während sie ihre Blicke über die anwesenden Ratsmitglieder gleiten ließ. „Cereza vom flammenden Emblem, wir ersuchen dich um eine wichtige Aufgabe.“, begann das erste Ratsmitglied, was rechts vor ihr saß zu sprechen. Cereza schluckte. Würde das etwa ihre Bewährungsprobe sein? Warum ausgerechnet heute? Aber sie musste es hinnehmen und ertragen, egal wie schlecht es ihr in diesem Moment ging. „Seid ihr bereit diesen Auftrag anzunehmen und auszuführen, egal was es kostet? Zum Wohle von Izarek und Niv’Raz Kindern?“, hakte die Stimme des mittleren Ratsmitglieds nach. Cereza schluckte erneut, nickte dann. „Ja Meister des Rates.“, erklärte sie sich lautstark bereit. Die drei Ratsmitglieder nickten synchron und ein Lichtschein brandete zu ihrer Linken an die Wand. Ein Bild erschien. Ein kleiner Faustgroßer Zylinder lag als Projektor Folie an der Wand und Cereza verzog das Gesicht. „Dies ist eine der Erfindungen, die einer unserer Wissenschaftler vor Kurzem erschaffen hat. Sie hat eine ungeheure Zerstörungskraft wenn sie falsch eingesetzt wird.“, erklärte Das Ratsmitglied links von ihr. Cereza ließ diese Information erstmal sacken. Eine Massenvernichtungswaffe? Wieso sollte Izarek sowas entwickeln? Das Ratsmitglied vor ihr ergriff das Wort. „Diese Erfindung darf unter keinen Umständen in die falschen Hände gelangen doch bedauerlicherweise ist sie vor einer Stunde verschwunden.“, erklärte die Stimme des Ratsmitglieds und Cereza schluckte erneut. Gestohlen worden? So etwas ließ man nicht einfach aus den Augen und bemerkte nicht, wie es vom Tisch kullerte. Das Bild an der Wand wechselte und zeigte das Gesicht eines Mannes. Er hatte kurzes blondes Haar und glatte Wangen. Sein Gesicht mutete an wie das eines gestandenen Soldaten, doch er stammte nicht aus Izarek. „Wir haben diesen Mann im Verdacht, doch bedauerlicherweise ist auch er spurlos verschwunden. Rein zufällig  zur gleichen Zeit wie die Waffe.“, erklärte die Stimme eines der Ratsmitglieder. Sie konnte nicht sagen welcher zu ihr gesprochen hatte. Es war auch egal. Sie würde diesen Mann aufspüren und erledigen müssen. „Wir haben bereits jemanden, der ihm folgen wird. Er gehört nicht zu unserer Gilde, wird also kein großes Aufsehen erregen, wenn er jemanden folgt, egal wem er folgt.“, erklärte die Stimme des Ratsmitglied direkt voraus. Jemand der kein Aufsehen erregt wenn er jemanden folgt. Da gab es eigentlich nur eine Möglichkeit. Ein Jäger. Cerezas Miene verfinsterte sich. „Deine Aufgabe wird es sein, dieser Person zu folgen, sie notfalls aus der Ferne zu beschützen oder sie zu töten, wenn sie der Wahrheit zu nahe kommt. Sie sind die fähigste Scharfschützin, die wir seit langem ausgebildet haben, und sie sind absolut Loyal, dessen haben wir uns überzeugt.“, erklärte die Stimme des rechten Ratsmitglieds. Ob sie es wohl genossen, dass Cereza den Blick ständig hin und her wenden musste. Aus den Augenwinkeln erkannte sie ein Flackern und sie wusste, dass das Bild an der Wand sich wieder geändert hatte. Sie ging davon aus, dass es nun das Bild des Jägers zeigen wird, der letztendlich ihr Ziel sein würde. Wie in Zeitlupe wandte sich ihr Blick zu dem Bild und sie erstarrte. Das Bild zeigte einen jungen Mann mit etwas längerem dunklem Haar, harten Gesichtszügen und weichen Stoppeln im Gesicht. Woher sie wusste, dass diese Stoppeln weich waren? Sie hatte sie heute Morgen auf ihrer Haut gespürt. Es war Rylar. Das konnte doch nur ein Albtraum sein. „Wie habt ihr ihn dazu bekommen, diesen Auftrag anzunehmen.“, hakte sie geistesabwesend nach. Und eines der Ratsmitglieder kicherte leicht. Eine völlig untypische Reaktion. „Sagen wir, wir waren sehr überzeugend.“, erklärte eine andere Stimme und das Bild wechselte wieder. Die Folie zeigte nun ein weiteres bekanntes Gesicht. „Diese Frau wurde gestern Nacht dabei erwischt wie sie versuchte einem hochrangigen Wissenschaftler Informationen zu stehlen.“, erklärte das Ratsmitglied vor ihr mit ruhiger Stimme. Sie war also eine Gedankenjägerin. Sie war ihnen ins Netz gegangen und jetzt wurde sie benutzt um Rylar zu erpressen. Reizend. Ihr Blick wurde kalt. „Was ist mit ihr? Wo wird sie gefangen gehalten?“, fragte Cereza ruhig und versuchte so gefasst zu klingen wie möglich. „Sie wird den Jäger als Kanonenfutter begleiten.“, erklärte die Stimme eines Ratsmitglieds und Cereza seufzte. Sie hielten sie also an der langen Leine. Und das bedeutete, dass Rylar auf sie aufpassen würde, während sie dazu abkommandiert war auf Rylar aufzupassen. Wenn sie allerdings aufflog würde es niemanden geben, der sie beschützte. Sie wäre einfach nur ein stiller Beschützer im Hintergrund, der zum Mörder werden würde, wenn einer ihrer Schützlinge zu viel herausfanden. Sie wollte keinen von beiden töten. Natürlich hatten sie und Cylara ihre Meinungsverschiedenheiten gehabt, aber sie deshalb gleich töten zu wollen war einfach zu viel und Rylar? Rylar war ein perverser Bastard und hatte ihre Situation eiskalt ausgenutzt, als sie betrunken war und nichts mehr mitbekommen hatte. Aber deswegen wünschte sie ihm nicht den Tot. Schon gar nicht wollte sie diejenige sein, die ihn vollstreckte. Sie schluckte. „Als Kanonenfutter? Ist das nicht zu riskant? Sie könnte einfach abhauen.“, erklärte Cereza und hoffte wenigstens Cylara irgendwie aus der Sache raushalten zu können. „Das wird sie nicht, sagen wir einfach wir haben ein Druckmittel.“, erklärte das Ratsmitglied direkt vor ihr. „Wieso habt ihr nicht einfach eine Belohnung ausgesetzt?“, hakte Cereza nach und konnte nicht glauben, dass die Regierung von Izarek auf Erpressung angewiesen war um einen Jäger zu engagieren, der einen flüchtigen Verdächtigen verfolgte. „Das haben wir selbstverständlich, wir sind doch keine Barbaren…“, erklärte das oberste Ratsmitglied und starrte dann auf die Oberfläche seines Podiums. „Verdammter Bastard…“, knurrte das oberste Ratsmitglied und Cereza blickte ihn an. „Wie meinen?“, fragte sie irritiert. „Sieht so aus, als sei dieser Jäger besser als wir dachten. Er ist eindeutig der Beste für den Job.“, erklärte das Ratsmitglied und ein widerwilliger Respekt legte sich auf sein Gesicht.

 

Der Drache stieß Rauch aus seinen Nüstern und blickte Rylar fest an. „Du bist also der Jäger, der das Attentat verhindert hat.“, begann Niv’Raz und ein lautes Grollen erklang aus der Kehle des Drachen. „Und ihr seid der Wissenschaftler, der für jeden Kittel eine starke Übergröße braucht.“, entgegnete Rylar so furchtlos wie er konnte. In was für eine Freakshow war er hier nur hineingeraten? Mit einem Mal wurde es totenstill im Saal. Alle starrten ihn an. Ups. „Das bin ich wohl, gestattet mir, mich euch vorzustellen. Ich bin Niv’Raz, der große Wissenssammler, Gildenmeister von Izarek und…“, begann der Drache und Rylar seufzte genervt. „Und bald bestimmt auch Produzent eurer eigenen Action Figur, ich weiß wer ihr seid, ich sehe was ihr seid, was mich interessiert ist warum ich hier bin.“, unterbrach Rylar den Drachen und spürte die innerhalb einer Sekunde die Hasserfüllten Blicke aller Anwesenden auf sich ruhen. Der einzige der einigermaßen amüsiert blickte war Niv’Raz selbst. Aber er war ein Drache und wer konnte schon die Mimik eines riesigen Feuerspeienden Drachen mit rotblauen Schuppenpanzer lesen. „Wie ich sehe sind dir Begrüßungsfloskeln zuwider junger Jäger, wer will es dir verübeln. Ich lebe bereits über 2000 Jahre auf dieser Welt und kann mich noch immer nicht daran gewöhnen.“, erklärte Niv’Raz mit einem amüsierten Lachen. „Ach was ihr seht maximal aus wie 1999 Jahre.“, erklärte Rylar nur um irgendwas zu sagen. „Niv’Raz stieß ein grollendes Gelächter aus. „Es ist erfrischend jemanden kennen zu lernen, der nicht vor einem Katzbuckelt, nur weil seine politische Stellung höher, sein Körper größer und sein Verstand älter ist, vor allem wenn derjenige dem nicht der gebührende Respekt entgegengebracht wird in der Lage ist sein Gegenüber mit einem gezielten Biss verschlingen kann.“, erklärte Niv’Raz und Rylar grinste ihn an. Oh Scheiße, er sollte dringend die Klappe halten. „Eine höhere politische Stellung heißt nur, dass man mehr zu verlieren hat, bei einem größeren Körper kommt man im Kampf besser an die empfindlichen Stellen und ein älterer Verstand verspricht Senilität. Bei dem vierten Argument habe ich allerdings nicht vor zu bringen, aber ich glaube nicht, dass ihr mich hättet herbringen lassen um mich zu verspeisen, wenn ihr das jederzeit in der Stadt hättet tun können.“, erklärte Rylar so ruhig wie er konnte. Und sein Grab wurde vor seinem inneren Auge immer tiefer und tiefer. Ein Grollen ging von Niv’Raz aus und erneut blitzte dieses Amüsement in seinen Augen auf. „Ich habe dich herbringen lassen um dir ein Angebot zu unterbreiten.“, erklang die Stimme des Drachen erneut laut, schwer und tief. „Was für ein Angebot?“, hakte Rylar nach und blickte ernst drein. Innerlich hoffte er, dass Niv’Raz ihm jetzt keinen Staubsauger andrehen wollte, sonst hätte er sich vor Lachen nicht mehr halten können. „Ich habe vor dir das Schicksal dieser Stadt in die Hände zu legen.“, erklärte der Drache und sein Maul wurde zu einem einzigen breiten Grinsen. „Das Schicksal der Stadt, natürlich, was soll ich tun, die Kanalisation überwachen, damit sie nicht überläuft?“, hakte Rylar mit finsterer Miene nach. Niv’Raz zog eine Grimasse und grinste dann wieder. „Du sollst jemanden verfolgen.“, erklärte Niv’Raz und deutete mit dem Kopf auf eine freie Stelle an der Wand. Das Bild eines großen Mannes mit kantigen Gesichtszügen und militärisch kurz geschorenen Haaren wurde auf der Wand sichtbar. „Was hat er getan?“, hakte Rylar mit einem Mal ernst und geschäftig nach. Niv’Raz stieß ein langes, gefährlich klingendes Grollen aus. „Er hat Geheimnisse der Gilde gestohlen.“, erwiderte Niv’Raz mit brodelnder Stimme. „Und wieso schickt ihr einen Jäger, statt eures Geheimdienstes?“, hörte sich Rylar fragen, während er das Gesicht des Mannes ansah, der soeben zu seiner Jagdbeute erklärt worden war. „Weil wir davon ausgehen, dass er von einer anderen Gilde angestiftet worden ist… Sollte unser Geheimdienst als das erkannt werden, was er ist, dann könnte man das als kriegerischen Akt auslegen und das könnte Inistra ins Chaos stürzen. Rylar nickte kurz, als Zeichen dafür, dass er verstanden hatte. „Und warum ich?“, fragte Rylar ruhig und schaute dabei wieder Niv’Raz an. „Weil du unserer Gilde bereits einen großen Dienst erwiesen hast, indem du das Attentat verhindert hast. „Erklärte Niv’Raz grollende Stimme und Rylar nickte erneut. „Gut dann lasst uns über Geld reden.“, gab Rylar wieder und blickte den Drachen dabei fest an. „Geld? Was ist mir Loyalität gegenüber Inistra?“, grinste Niv’Raz grollend und blies Rauch aus seinen Nüstern. „Wie wäre es mit Geld? Oder ist Izarek so knapp bei Kasse, dass es nicht mal einen Jäger bezahlen kann, der im Begriff ist sein Leben zu riskieren, ohne genau zu wissen wofür?“, fragte Rylar lächelnd nach und fixierte Niv’Raz mit seinem Blick. Erneut spürte er die Hasserfüllten Blicke der Ratsmitglieder auf sich, die sich wohl aus Ehrerbietung gegenüber NIv’Raz ihrer Meinung enthielten. Niv´Raz Maus verzog sich erneut zu einem unnatürlich breiten Grinsen. „100 Platinmonde.“, brachte Niv’Raz mit einem belustigtem Glanz in den Augen hervor. Mit 100 Platinmonden konnte man sich ein Haus im edelsten Stadtteil kaufen und sich wahrscheinlich bis an sein Lebensende dem Suff hingeben. Aber das erste Angebot bestand um überboten zu werden. „300 Platinmonde.“, erklärte Rylar und stellte eine unrealistische Forderung. Niv’Raz lachte und fixierte ihn wieder mit seinem Blick. „Bringt sie rein.“, erklang seine Stimme und Rylar zog die Augenbrauen hoch. Ein Soldat trat aus einem Nebenraum und hatte dabei eine junge in Ketten gelegte Frau im Schlepptau. Hallo Cylara. Schön dich so ungezwungen wiederzusehen. Rylars Blick blieb völlig Ausdruckslos. „Diese Frau wurde gestern Nacht dabei erwischt, wie sie versuchte einem hochrangigen Wissenschaftler von Izarek wichtige Informationen zu stehlen.“, erklärte Niv’Raz und Rylar warf der jungen Frau einen Blick zu, der erklärte, dass er diese Frau noch nie im Leben gesehen hatte. „Ich kenne diese Frau nicht.“, er zuckte lächelnd mit den Schultern und Cylara lächelte. Offensichtlich hatte sie verstanden was er vorhatte. „Sie wurden beobachtet, wie sie gestern mit dieser Person verkehrt haben.“, erklärte eines der Ratsmitglieder, was ganz links saß und eine hohe Stirn mit erstaunlich wenigen Haaren hatte. „Das bedeutet nicht, dass ich sie kenne oder sie mir auf irgendeine Art und Weise wichtig ist, oder lassen Sie sich mit jemanden erpressen, mit dem Sie am vorherigen Tag ein oder zwei Drinks getrunken haben?“, hakte Rylar mit finsterer Miene nach, wobei sein Blick einigermaßen Gleichgültig blieb. Der Mann verzog angewidert von Rylar das Gesicht. „Aber wo sie schon mal hier ist, kann sie mir auch einfach bei der Arbeit helfen.“, erklärte Rylar gleichgültig, während er Niv’Raz Blick wieder erwiderte. „Dir bei der Arbeit helfen? Was wollt ihr damit sagen.“, hakte Niv’Raz finster nach. „Es kann nie schaden eine hübsche Frau an seiner Seite zu wissen. Möglicherweise könnte sie bei den Ermittlungen von Vorteil sein.“, erklärte Rylar mit unterkühlter Stimme. „Da ihr sie ohnehin in eurer Gewalt habt würde ich ihr eine Bewährungsprobe lassen um ihre Reue zu beweisen. Sein Leben für Izarek aufs Spiel zu setzen sollte ein angemessener Grund sein, um ihr eine Gefängnisstrafe zu erlassen und ich bin mir sicher, dass Izarek nicht Sparsam ist, was diejenigen angeht, die ihr Leben zum Wohle der Stadt und der Gilde aufs Spiel zu setzen.“, erklärte Rylar seelenruhig und erwiderte Niv’Raz mörderisch wütenden Blick so mühelos er konnte. „Was willst du uns damit sagen Jäger!?“, fragte der große Drache nach und ließ seine Stimme bedrohlich grollen. „Ich will damit sagen, dass ich mit ihr zusammen arbeiten werde, zum Wohle Izareks und der Stadt Inistra. Wenn der Preis stimmt.“, Rylar bezweifelte, dass es besonders klug war den Herrn von Izarek auf eine solche Geduldsprobe zu stellen doch er blieb standhaft. „Zweihundert Platinmonde!“, erklärte Niv’Raz, offensichtlich war er das verhandeln mit Söldnern nicht gewohnt. „Für jeden.“, erklärte Rylar schmunzelnd. Der Drache blickte ihn an, als hätte er sein nächstes Mittagessen gefunden und es juckte Rylar in den Fingern sein Schwert zu ziehen. Keine gute Idee. „Wieso sollte ich jemanden Geld für seine Dienste bezahlen, wenn er im Gegenzug keine Gefängnisstrafe absitzen muss?“, hakte Niv’Raz bedrohlich grollend nach. Rylar gab sich keine Blöße und erwiederte den Blick des Drachen Standhaft. „Natürlich um die unendliche Dankbarkeit Izareks zu beweisen, dass selbst Straftätern vergibt und ihnen ein Honorar zahlt, dafür, dass sie im Dienste der Gilde Izarek ihr Leben riskieren.“, erklärte Rylar mit berechnendem Blick. „Das ist lächerlich!“, rief das Ratsmitglied mit der hohen Stirn und schlug auf den Tisch, der Rest der Versammlung schwieg und Niv’Raz warf dem Ratsmitglied was geschrien hatte einen Blick zu, der dieses mit sofortiger Wirkung in sich zusammen sinken ließ. „200 für dich, 50 für sie!“, brüllte Niv’Raz ungehalten und warf Rylar einschüchternde Blicke zu. Rylar hielt stand. Jedenfalls soweit es möglich war, wenn man von einem riesigen Drachen betrachtet wurde, der einen ohne Weiteres mit einem Happs als Snack verspeisen konnte. Rylar schluckte kaum merklich und ging einen Schritt auf Niv’Raz zu, hob den Kopf um dem Ungetüm von unten in die gelb leuchtenden Echsenaugen zu blicken. „200 Platinmonde für mich, 100 Platinmonde für sie. Meine letzte Forderung.“, erklang seine Stimme und er hatte sofort das Gefühl, dass ihn sogleich heißes Drachenfeuer zu Asche verglühen lassen würde. Der Drache blickte ihn lange finster entgegen, dann jedoch gab er nach. „Krämerseelen… Gut 200 Platinmonde für den Jäger und 100 Platinmonde für seine ‚Freundin‘.“, erklärte Niv’Raz mit deutlichem Hass in der Stimme. Er war es eindeutig nicht gewohnt mit Söldnern zu verhandeln. Gut. „Du hast Glück, dass ich eine Schwäche für kluge Freigeister habe, ansonsten wärest du jetzt tot.“, erklärte Niv’Raz mit brodelnder Stimmte, doch diesmal schwang in seiner Stimme ein wiederwilliger Respekt mit. Eines der Ratsmitglieder, dessen Podest beinahe von Niv’Raz Körper verdeckt wurde kritzelte etwas auf ein Blatt Papier und hob es in die Luft. Sogleich schwebte das Blatt Papier in die Luft und kam lesbar vor Rylars Gesicht zum Stoppen, eine Feder folgte. Darauf stand. Als Honorar für die besprochenen Dienste zahlt die Gilde Izarek dem Jäger Rylar Altair und der Gedankenjägerin Cylara Pandora ein Honorar von 200 Platinmonden und 100 Platinmonden, sobald diese Beweise für den Erfolg der Mission vorlegen können. Darunter klaffte ein Wachssiegel mit den Unterschriften Vierer Ratsmitglieder. Ein rechtlich bindendes Dokument. Okay, Rylar schluckte, griff nach der Feder und unterschrieb das Dokument. Gleich nachdem er die Feder hatte sinken lassen schwebten beide Gegenstände zu Cylara, die ebenfalls unterschrieb. „Und nun geht, bevor ich es mir anders überlege.“, grollte Niv’Raz Stimme erneut. Rylar ging zu Cylara, verlangte von dem Soldaten, der sie festhielt die Fesseln zu lösen, welcher der Forderung ohne Weiteres nachkam, packte Cylara an der Hand und verließ mit ihr beinahe Fluchtartig den riesigen Raum, der eher mit einem Hangar zu vergleichen war, wenn sogar ein Drache darin Platz fand. Cylara ließ sich ohne sich zur Wehr zu setzen mit ziehen.

 

„Das war Genial, wie hast du es geschafft so ruhig zu bleiben?“, flüsterte Cylara enthusiastisch und starrte Rylar an, der allmählich an einer Wand zusammen sackte und sich an den Kopf griff. „Verdammt… Nie wieder.“, seufzte er und stieß den Atem aus. „Nie wieder was?“, hakte sie freundlich nach. Nach dieser Aktion war Rylar in ihrer Rangliste vom Planlosen Halbtagsidioten zu einem Knallharten Typen gestiegen, der sich einem Drachen entgegenstellte um eine Jungfrau in Nöten zu retten. Naja… Nur eben ohne Jungfrau. Sie lachte in sich hinein. Sie hätte nicht gedacht, dass er so ein harter Kerl war. Das hätten sich wirklich nicht viele getraut, aber so wie es aussah zahlte er in diesem Moment den Preis für seine Stahlharten Nerven. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie mit sanfter Stimme, doch Rylar schien noch mit seinen Nerven, die zweifellos zum Zerreißen gespannt waren zu ringen. „Alles bestens…“, flüsterte er Kraftlos und ließ den Kopf hängen. Offensichtlich hatte ihn diese ganze Verhandlung ziemlich mitgenommen. Es war kaum zu glauben wie kompetent man im ersten Augenblick wirken konnte und wie zerstört im nächsten Moment. Die Idee, etwas mit ihm anzufangen nahm in ihrem Kopf allmählich eine deutlichere Gestalt an. Sie hatte noch nie jemanden kennen gelernt, der in einer solchen Situation ruhig geblieben wäre. Die meisten ‚Knallharten Kerle‘, die sie kennen gelernt hatten, hätten sich in dem Moment in die Hosen geschissen, als Niv’Raz Rauch aus den Nüstern gestoßen hätte. Aber in diesem Moment wirkte Rylar so zerbrechlich, als könne man ihn mit einem einfachen Pusten aus den Latschen kippen lassen. Sie ließ sich neben ihm an der Wand nieder. Er hatte sie da irgendwie rausgeboxt. Offensichtlich wusste er in diesem Moment selbst nicht wirklich, wie ihm das gelungen war, aber in diesem Moment war das egal. Sie wusste nicht genau, wie normale Frauen auf eine solche Situation reagierten, aber sie versuchte ihr bestes. Sie legte eine Hand auf seine Schulter und drückte sie. „Hey… Es ist vorbei. Du musst niemanden mehr den Starken vorspielen. Danke, dass du mir geholfen hast.“,  flüsterte sie ihm zärtlich ins Ohr, sie wusste, dass allein das die meisten Männer schon verrückt machte, doch in ihrer Stimme klang noch das für sie typische Versprechen auf eine heiße, wilde Nacht mit. „Freu dich nicht zu früh…“, er ächzte und stand wieder auf, wild herunter hängende Haarsträhnen verdeckten seine Augen und verliehen ihm etwas Verwegenes. Mit einer geübten Handbewegung wischte er die Haarsträhnen zur Seite und blickte sie wieder mit seinem undurchdringlichen Blick an, den sie bereits kannte. Dieser Kerl war einfach unglaublich. Egal wie es mit ihnen beiden weiter ging, aber bevor sie sich nicht sicher war, ob sie etwas von ihm wollte, würde sie keine andere Frau in seine Nähe lassen. Fürs Erste gehörte er ihr, ihr ganz alleine. Sie lächelte und ergriff die Hand, die er ihr entgegen streckte und kam wieder auf die Füße. „…Wir haben eine Menge zu tun und müssen verdammt vorsichtig sein, wenn wir das überleben wollen.“, erklärte er und sie nickte bereitwillig ihm zu helfen. Er hatte sie zwar aus einer sehr unangenehmen Situation gerettet, allerdings hatte er sie auch in eine andere brenzlige Situation hineinmanövriert. Egal, sie würde ihm fürs Erste dankbar sein. So entspannt wie er grade dazu im Stande war zog er einen mehrseitigen Bericht aus seinem verschlissenen Mantel und warf einen Blick darauf. In diesem Bericht war alles festgehalten, was im aufgetragenen Fall bereits geschehen war. Das Verbrechen war noch nicht lange her und wahrscheinlich befand sich der Täter noch auf der Flucht.  Nicht unwahrscheinlich, dass er sich sogar noch in Izarek aufhielt. Gleich nachdem festgestellt worden war, dass grob beschriebener Gegenstand gestohlen wurde hatte Izarek innerhalb weniger Minuten bereit stehende Soldaten mobilisiert. Innerhalb von einer halben Stunde war das ganze Gildengebiet abgesperrt und mehr oder weniger abgeriegelt. Bisher kam hier niemand ohne exakte Kontrolle rein und schon gar nicht raus. Durch die ganze Stadt patrouillierten Soldaten auf der Suche nach dem Dieb. Die Wahrscheinlichkeit war sehr hoch, dass der Dieb sich noch in Izarek versteckte. Rylar betrachtete den Bericht kritisch und schaute dann Cylara an. „Wir sollten uns den Bericht zusammen ansehen und dann schlussfolgern, wie wir vorgehen. Detektivarbeit war noch nie mein Ding. Aber Vielleicht bin ich ja auch einfach ein Naturtalent…“, erklärte er und schien absolut keine Ahnung zu haben, was er jetzt tun sollte. Dann streifte sein Blick sie erneut. „Sag mal… Hast du eine Ahnung was gestern Nacht los war? Ich kann mich an nichts erinnern und heute Morgen bin ich irgendwie ziemlich nackt neben Cereza aufgewacht…“, erklärte er etwas sehr stockend. Dünnes Eis. Ihr Blick änderte sich schlagartig von Freundlich auf Vorsichtig, sie tat als versuche sie sich zu erinnern. „Moment… Cereza… Ce… Hmm… Cereza, ach Cereza, die Soldatin von gestern.“, sie schlug mit einer Faust auf eine flache Hand, als sei der Groschen gefallen. „Hmm mal überlegen… Ich habe euch bei ihr vorbei gebracht, eigentlich wollte ich dich noch nachhause bringen, aber du bist eingenickt, als du dich kurz hingesetzt hattest und ich hab dich einfach nicht mehr wach gekriegt… Deswegen hab ich dich da liegen lassen. Ich dachte mir, dass Cereza, die ebenfalls sofort weggepennt ist nichts dagegen gehabt hätte. Aber… Da wart ihr beide noch angezogen.“, erklärte sie, ja das klang logisch. Sehr gut Cylara. Sie blickte ihn mit ihrer Antwort vollkommen zufrieden an. Er kratzte sich am Hinterkopf. „Schade… ich hatte gehofft, du hättest mehr mitbekommen… Naja was solls.“, er lächelte sie freundlich an und schaute sich um. Ob er nach einem Café oder sowas suchte? Schwer zu sagen. „Zeig mal her das Ding.“, erklärte sie und streckte die Hand aus. Rylar zuckte mit den Schultern und reichte ihr den Bericht. Sie überflog die ersten Seiten und stutzte. Dieser Bericht war wahnsinnig ausführlich. Gar nicht schlecht. Die Ermittler von Izarek wussten wie es geht. „Macht das überhaupt Sinn? Einen Jäger anzuheuern, der einem flüchtigen Dieb hinterherzurennen?“, hakte Cylara nach und schaute Rylar fragend an. Er zuckte mit den Schulter. „Niv’Raz geht davon aus, dass der Dieb das Diebesgut außerhalb von Izarek los werden will. Ob er es nun einfach verkaufen will oder einen speziellen Auftrag erhalten hat dieses Ding zu stehlen mag mal dahin gestellt sein, aber sie können ihren Geheimdienst nicht einfach unter irgendeinem Vorwand außerhalb von Izarek nach irgendjemand suchen lassen. Das würde das Misstrauen der anderen Gilden wecken. Ein Jäger hingegen hat die Erlaubnis sich ungehindert in allen Gildenbezirken zu bewegen, wenn man jetzt mal von Razia absieht. Es ist also deutlich unauffälliger einen Jäger anzuheuern, der sich nicht rechtfertigen muss was er denn außerhalb seines Gildenbezirkes macht.“, erklärte Rylar und Cylara nickte. Das war Verständlich. „Aber ist es nicht eigentlich der Sinn von Geheimdiensten, andere Gilden auszuspionieren um einen Informationsvorteil zu haben, sollte es zu Komplikationen kommen? Ich meine es wäre doch dumm zu glauben, dass die Spione von Izarek sich tatsächlich nur in den Grenzen der eigenen Gilde aufhielten?“, stellte Cylara die nächste Frage, die sie für äußerst logisch hielt. Rylar nickte. „Aber das kann man nicht vergleichen. Um einem Dieb auf der Spur zu bleiben müssen Fragen gestellt werden und ein Spion läuft sofort Gefahr entdeckt zu werden, wenn er zu oft dieselbe Frage stellt. Wenn aber ein ‚Unabhängiger‘ fragt kräht kein Hahn danach. Ich gehe davon aus, das Izarek einen äußerst fähigen Geheimdienst verpflichtet hat. Und ich gehe auch davon aus, dass uns die Spione von izarek ab und zu unter die Arme greifen müssen, aber die Hauptarbeit müssen wir machen. Unser Vorteil ist, dass niemand glaubt das eine Gedankenjägerin aus Zalrum und ein Jäger aus Vayrem für die Regierung von Izarek arbeiten.“, gab Rylar zurück und blickte Cylara tief in die Augen. Was war nur mit ihr los, dass sie diesen Blick so sehr genoss. „Wir sollten zuerst die Zugänge zur Kanalisation unter die Lupe nehmen.“, gab Rylar an und wandte sich ab. „Wieso das denn?“, fragte sie nach und rümpfte in Anbetracht des, sie möglicherweise bald umgebenen Geruchs die Nase. „Wenn das Militär von Izarek alle Zugänge ins Gildenviertel dicht gemacht hat… Wie würdest du wohl entkommen können, so als Dieb auf der Flucht?“, er lächelte beschämt, doch es klang einleuchtend. Das Militär von Izarek stand an jedem Zugang des Gildendistrikts und überwachte jeden der rein oder raus wollte genauestens. Auf den Dächern würden sie teilweise auch stehen, aber die Kanalisation gehörte zur Gilde Godros, somit war Izarek nicht berechtigt diesen Weg ebenfalls zu kontrollieren. Niemand wollte sich mit Godros anlegen und schon am liebsten erst garkeinen Umgang mit dieser Gilde haben. Des Weiteren war die Kanalisation unter der Stadt ein weit verzweigtes Labyrinth aus Schächten und Gängen in denen sich niemand richtig auskannte. Davon mal abgesehen war es dort unten wahnsinnig gefährlich. Es gab so ziemlich nichts, dem man dort unten nicht begegnen konnte. Godros hatte sich auf Nekromantie spezialisiert und vieles von dem, was dort unten zuhause war nur halb so lebendig wie es aussah, dafür aber doppelt so hungrig. Cylara schluckte. „Willst du wirklich nach da unten?“, hakte Cylara nach und schaute ihn flehend an. Rylar schaute sie ernst an. „Erstmal will ich mir nur die Zugänge ansehen. Für alles Weitere hab ich das.“, er deutete auf sein Schwert. Es musste einfach sein, wenn man alles mit Gewalt erklären und abkürzen konnte. Es musste wahnsinnig spannend sein ein Mann zu sein. Wenn irgendwas nicht geht, hau einfach drauf. Wenn dir etwas Angst einjagt, hau einfach drauf. Wenn dich etwas großes Bösartiges auffressen will, renn weg, wenn du nicht weglaufen kannst, hau einfach drauf. Sie schüttelte den Kopf. Konnte es wirklich so einfach sein? Auch wenn sie vieles glaubte, das glaubte sie nicht. „Also gut… dann lass uns die Zugänge unter die Lupe nehmen.“, seufzte Cylara mit deutlichem Desinteresse in der Stimme.

 

Cereza blickte gut getarnt von einem Häuserdach auf ihre Schützlinge herab. Unglaublich. Sie kontrollierten tatsächlich die verdammten Kanaldeckel? Hatten sie wirklich nichts Besseres zu tun? Was versprachen sie sich davon?  Sie warf einen direkten Blick durch ihr Zielfernrohr. Als sie Rylars Gesicht in die Nahaufnahme bekam schwenkte sie sofort weg. Verdammt. Sie konnte ihm nicht mal aus dieser Ferne ins Gesicht blicken, was war nur mit ihr los. Wenn sie Cylara betrachtete, wie sie so nah um ihn herum stolzierte musste sie ein Knurren unterdrücken. Egal was es war. Sie sollte es dringend aus der Welt schaffen. Ja sie hatten miteinander geschlafen. Nein, sie hatte sich nicht in ihn verliebt. Warum also tat sie dann so? Sie stieß einen Seufzer aus. Bisher stellte sie sich in den Ermittlungen das hinderlichste Bein. Es wäre unprofessionell, wenn sie jedes Mal abdrücken wollte, wenn sie Cylara vor die Linse bekam. Also einfach verdrängen. Sie atmete tief durch. Offensichtlich hatten sie immer noch nicht gefunden was sie suchten. Sie gingen weiter und Cylara tätschelte ihm aufmunternd die Schulter. Verdammte Schlampe. Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Professionell bleiben. Immer schön Professionell bleiben. Sie stand auf und sprang unter etwas Mühe auf das nächste Dach um den Beiden so gut wie es ging auf den Fersen zu bleiben. Sie gingen eine Gasse entlang. Rylar blieb abrupt stehen. Hatte er etwas gefunden? Vor ihm lagen die Müllsäcke durcheinander auf dem Boden. Gar kein schlechter Gedanke. In der Nacht war der größte Teil des Militärs auf den Straßen Patrouliert, wo würde sich also jemand verstecken, der auf keinen Fall gefunden werden wollte? Zum Beispiel unter einem Stapel Müllsäcke. Er schien nicht so blöd zu sein, wie sie gedacht hatte. Rylar schaute sich um. Großer Platz oder kleiner Platz? Wo wäre der Flüchtige wohl hingegangen, nachdem eine Patroulie an ihm vorbei gelaufen ist? Rylar schaute in die Richtung des großen Platzes. Der große Platz? Wieso? Vielleicht weil der Flüchtige dort einen höheren Spielraum gehabt hätte, hätte ihn jemand erwischt? Sie blickte durch das Zielfernrohr auf den Kanaldeckel. Bingo, der Deckel war etwas verschoben. Rylar überprüfte den Deckel, hob ihn an und schob ihn zur Seite. Verdammt. Wenn sie in die Kanalisation gingen, wäre es deutlich schwerer ihnen zu folgen. Erneut schüttelte sie den Kopf und kontrollierte sie die Magazine ihrer Waffen. Ihr Scharfschützengewehr würde ihr dort unten nichts bringen. Sie schnallte es auf den Rücken und beobachtete die Szenerie etwas weiter. Rylar sprang in den Kanal und hielt sich an improvisierten Sprossen fest. Cylara schien echte Probleme zu haben ihm zu folgen. Na was ist los Schlampe ist dir das Ganze zu schmutzig? Ihr Mitleid hatte sie jedenfalls nicht. Cereza brauchte einen Plan, wenn Rylar und Cylara sich entschieden in der Kanalisation weiter zu suchen. Der Gedanke kam ihr gar nicht so abwegig vor. Natürlich, da unten war es nicht ungefährlich, aber lieber in der Kanalisation einer mutierten Ratte begegnen oder einer Patrouille in die Arme laufen, die gezielt nach dir sucht? Die Entscheidung würde auch ihr nicht besonders schwer fallen. Cylara schien sich noch immer zu sträuben. Mist, wenn sie dort oben stehen blieb, würde es nur umso schwieriger Rylar zu folgen. Sie kannte sich mit dem Unterstadtlabyrinth nicht aus, das bedeutete, dass sie auch nicht wusste welchen Kanaldeckel sie hochheben musste um möglichst schnell zu ihm zu gelangen. Warum musste sie nur diesen Job bekommen? Wollte die obere Instanz sie leiden sehen? Sie schüttelte den Kopf um den Gedanken zu verdrängen, wie auch immer es am Ende aussehen mochte. Sie würde ihr Bestes tun um den beiden zu folgen. Sie sprang vom Dache auf eine Feuerleiter an der Seite des Gebäudes und rutschte sie hinunter. Den letzten Meter ließ sie sich fallen und kam wieder auf festem Boden an. Verborgen im Schatten des Gebäudes drückte sie sich gegen die Wand und beobachtete was beide taten. Offensichtlich hatte sich Cylara gegen die Idee entschieden, sich weiterhin oben aufzuhalten und stieg nun auch die Leiter in die Kanalisation hinab. Der Kanaldeckel würde sich nicht komplett von unten schließen. Jedenfalls war das so beabsichtigt. Sie wartete ein paar Minuten ab und hastete dann los zum Kanaldeckel. Sie schob ihn beiseite und hängte sich an die Leiter. Die Leitersprossen waren glitschig, aber sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, was genau sich grade daran befand. Ein Segen, dass sie Handschuhe anhatte. So schnell wie möglich ließ sie sich hinunter und landete dann in der braunen Plörre unter ihr. Sie musste kurz gegen einen Brechreiz ankämpfen, beruhigte sich dann aber wieder hier. Der Geruch hier unten konnte ohne Weiteres als Atemberaubend bezeichnet werden, jedenfalls im Klassischen Sinne. Sie machte ein paar schnelle Atemzüge und gewöhnte sich allmählich daran. Ihre Augen blickten zum Ende des Kanals, wo es um eine Biegung ging. Kein Licht. Sie zog eine Leuchtfackel aus der Tasche, entschied sich dann aber gegen die Idee Licht zu machen. Sie durften sie auf keinen Fall bemerken. Sie stapfte durch das Wasser unter sich auf die Biegung zu. Kurz pries sie die Götter dafür, dass es Wasserundurchlässige Stiefel gab. Sie zog ihre Handfeuerwaffen und schraubte die Schalldämpfer drauf. Sie durfte nicht entdeckt werden, davon abgesehen, war es mehr als unpraktisch hier unten ohne Schalldämpfer vor sich hin zu schießen. Der Schall konnte sich hier nicht frei entfalten und würde sofort von allen Seiten reflektiert  werden. Der Schall, der durch den Schuss ausgelöst werden würde, würde sie für, im Kampf kostbare, Sekunden außer Gefecht setzen. Das war es nicht wert. Hier galt Vorsicht vor Nachsicht. Vor allem, wenn sich solche Patzer, so einfach verhindern ließen. Sie ging weiter. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Sehr gut. Trotz allem versuchte sie sich so gut es ging, durch ihr Gehör leiten zu lassen. Kampfgeräusche würden sie warnen, bevor sie mitten in einen herein lief. Als sie um die Ecke bog zuckte sie zusammen. Vor ihr lag die Leiche einer riesigen, missgebildeten Eidechse. Sie schien schon länger tot zu sein, also bezweifelte sie, dass sie auf das Konto von Rylar und Cylara ging. Sie schritt über den Kadaver hinweg und atmete auf. Hier wurde der Kanal breiter und sie konnte auf den Rändern laufen. Der Gestank trieb ihr noch immer Tränen in die Augen, aber sie tat ihr bestes ihn zu ignorieren. Es würde so bald nicht besser werden. Sie lief so schnell sie konnte weiter, doch sie stoppte an einer Ecke. War das Blut? Ihre Hand glitt über den roten Fleck an einer der Mauern. Ja Blut. Nicht besonders frisch, aber wer auch immer hier Blut verloren hatte, hatte eine ganze Menge verloren. Alle Achtung. Ihr Blick glitt über die Wand nach der Biegung. Der verletzte schien die Wand als Stütze verwandet zu haben. Wäre Cylara verwundet worden, hätte Rylar sie getragen oder gestützt. Cylara hätte ihn im Umkehrschluss mindestens ebenfalls gestützt. Davon abgesehen war das Blut nicht frisch genug um von einem der beiden zu stammen. Nochmal Glück gehabt. Aber wem gehörte es dann? Siedend heiß fiel es ihr ein. Das Blut musste dem Dieb gehören, das heißt er hatte sichtbare Spuren hinterlassen. Sehr gut. Davon abgesehen würde er durch die Wunde stark verlangsamt werden, somit stieg die Chance ihn besser verfolgen zu können. Möglicherweise würde diese Mission schneller vorbei sein, als sie gedacht hatte, aber das blieb abzuwarten.

 

Rylar trottete neben Cylara her. Gemeinsam gingen sie der Blutspur nach, die sie im Lichtschein der Leuchtfackel betrachteten. Hier und dort einzelne Tropfen, dann mal eine größere Pfütze. Dieser Kerl hatte eine ganze Menge Blut verloren. Wenn er weiter so blutete, würde er nicht weit kommen. Irgendwann würde er umkippen, davon abgesehen würde sich die Wunde hier unten schneller infizieren, als er etwas dagegen tun konnte. Desinfektionsmittel brachte in einer Kanalisation voller Krankheitserreger nicht besonders viel. Weiter folgten sie der Blutspur bis zu einer Biegung. An der einer Wand fand sich noch ein großer Blutfleck, offensichtlich war der Typ hier zusammen gebrochen, aber er lag nirgendwo, weder bewusstlos, noch tot. Die Blutspur verriet nicht, dass er weiter gegangen war. Sie endete einfach. „Mist verdammt. Der Typ ist entweder durch den Matsch gewartet oder einfach spurlos verschwunden.“, brummte Rylar und schaute sich um. Nichts. Kein Blut, keine Gegenstände, nichts, was verriet wohin er gegangen war. Gedankenverloren ließ er sich an der Stelle nieder, wo wohl der Dieb gesessen hatte. „Ich bin allein, verletzt und werde verfolgt… Wenn ich mich umdrehe laufe ich Gefahr meinen Verfolgern in die Arme zu laufen, genauso sieht es aus, wenn ich jetzt einfach wieder nach oben gehe. Ich sitze hier… Aber hier ist nichts. Ich werde immer schwächer, habe kein Verbandszeug dabei um meine Wunde zu versorgen. Oder doch?.“, er schaute zu Cylara, die noch immer die Leuchtfackel hielt. „Ich habe kein Verbandszeug, aber ich blute stark… gut, dass diese Leuchtfackel heiß genug brennen um im Notfall Wunden zu schließen.“, erklärte Rylar und stand wieder auf. „Aber wohin dann?“, hakte er nach und blickte sich um. „Umkehren kann ich nicht. Meine Verfolger sind mir bestimmt auf den Fersen… Ich muss sie verwirren, von meiner Spur abbringen. Ich brenne die Wunde aus um den Blutfluss zu unterbrechen und um keine weiteren Spuren zu hinterlassen. Zwei Wege direkt vor mir. Ich bin zu schwach um zu kämpfen. Den Matsch entlang zu ist zu anstrengend, also bleibe ich dort, wo es möglichst widerstandslos voran geht. Gut.“, rekonstruierte Rylar ruhig und streckte Cylara die Hand entgegen. „Darf ich kurz die Fackel haben.“, hakte er nach und sie nickte. Er nahm die Fackel und ging den Kanal weiter entlang, an einem Vorsprung blieb er stehen und hielt die Fackel davor. „Hier ist der Dreck verschmiert… Hier geht’s weiter.“, erklärte er und ging weiter den Kanal entlang. Cylara schwieg weiter und folgte ihm Kommentarlos. Ein Klappern hinter ihnen ließ sie zusammen zucken, Rylar zog in einer fließenden Bewegung sein Kampfmesser. Für das Schwert war hier in einem engen Kanal, in dem sie zudem noch zu zweit kämpfen würden. Wenigstens war er kein Idiot. Hinter ihnen polterten Schritte, aber sie klangen klappernd und schleppend. „Was ist das?“, hakte Cylara nach, Rylar stellte sich schützend vor sie, sie stutzte. „Ich hab keine Ahnung, aber ich glaube nicht, dass wir besonders erfolgreich davon weglaufen können.“, erklärte er und hielt das Messer, wie es wohl ein Militarist gehalten hätte, der dies schon sein ganzes Leben lang tat. Allein seine Körperhaltung verriet, dass er im Kampf mit Messern geschult war. Ein unmenschliches Gebrüll erklang und aus der Dunkelheit des Kanals trat eine unheimliche Abscheulichkeit. Ein riesiger Skorpion, der nur aus Knochen zu bestehen schien. „So langsam fällt es mir leichter die Legenden über die Kanalisation zu glauben.“, erklärte Rylar und hob entschlossen das Messer. „Das Ganze hat nur einen Haken… Ich habe nur ein Messer und ich bezweifle, dass ich mit einem Messer gegen einen Gegner bestehen kann, der nur aus Knochen besteht. Dieses Ding blutet nicht und die Knochen werden nicht von Gewebe zusammen gehalten, das man durchtrennen könnte.“, erklärte Rylar und ging einen Schritt zurück. „Und das soll jetzt was heißen?“, hakte Cylara irritiert nach. „Das heißt, lauf!“, Rylar drehte sich um und stieß sie weg. Sie rannte in die Dunkelheit ohne genau zu wissen, was sie erwartete, Hauptsache weg von diesem Ding. Sie kamen an eine Biegung und Rylar begann etwas zu flüstern. Wind umwehte sie. Wind? In der Kanalisation? Rylar flüsterte weiter und kurz bevor sie die Biegung erreicht hatten sprang Rylar und drehte sich um, dann warf er dem Vieh einen so massiven Windstoß entgegen, dass es sichtlich Mühe dabei hatte sich dem entfesselten Sturm entgegenzustellen. Seine Hand streichelte über ihren Rücken, kurz wollte sie aufschreien, aber mit einem Mal fühlte sie sich leicht wie eine Feder, spürte das Wasser unter ihren Füßen nicht mehr, während Rylar neben ihr her lief. Es schien mit einem Mal so, als gäbe es so etwas wie Erschöpfung nicht. Jedenfalls nicht, bis sie Rylar ins Gesicht sah. Seine Augen waren eingefallen und schienen immer wieder zu zufallen. Verdammt, das ganze schien ihn verausgabt zu haben. Sie hatte schon mal gehört, dass sich Windmagie zwar für offensive Zwecke verwenden ließ, allerdings kostete es wahnsinnig viel Kraft den Wind in die gewünschte Form zu pressen. Verdammt, wenn Rylar sich wirklich so sehr verausgabt hatte wurde es Zeit, dass sie einen ruhigen Platz fanden, an dem sie sich ausruhen konnten. Das Vieh hinter ihnen stieß erneut einen Schrei aus. Etwas anderes schien seine Aufmerksamkeit erregt zu haben. Nur gut für sie. Sie liefen weiter, versuchten sich nicht umzusehen, doch das war schwerer als gedacht, denn es schien ständig ein neues Geräusch die Stille hinter ihnen zu unterbrechen, dann erklang ein lauter Knall, als hätte jemand etwas in weiter Ferne in die Luft gesprengt. Vielleicht hatte ihr Ziel dieses Knochengerüst in die Luft gejagt? Völlig egal, sie mussten einen sicheren Ort finden, wenigstens bis Rylar wieder soweit auf den Beinen war. Ein Tor erstreckte sich vor ihnen und sie rannten einfach hindurch. Vor ihnen erstreckte sich ein riesiger Raum, der schon mehr an eine Halle erinnert, mehrere Metalltüren zweigten von der Halle ab. Nicht perfekt, aber sie würden es vorerst nutzen können um zu verschnaufen. Cylara schloss die schwere Metalltür hinter ihnen und wollte den Riegel vorschieben, doch dieser befand sich seltsamerweise auf der falschen Seite der Tür, um ihn erreichen zu können, hätte er durch die Gitterstäbe greifen müssen. Fast so als seien die Türen nicht zu dem Zweck angebracht worden um etwas drinnen zu halten, statt es draußen zu halten. Sie warf einen Blick durch den riesigen Raum, fand aber keine Anhaltspunkte fest zu stellen, was hier drinnen gelauert haben könnte. Sie drehte sich zu Rylar um, der erschöpft an einer Wand lehnte. So fertig hatte er nicht mal ausgesehen, als er stock betrunken war. Ein Klatschen ertönte von der anderen Seite der Halle. Ihr Blick schwenkte herum und erblickte eine Frau. Sie war groß, schlank, wohl proportioniert und war von ihrer Figur her der Traum aller Männer. Ihr Haar fiel ihr in einer langen, schwarzen Woge bis über die Schultern und ihr enges Kleid änderte nichts daran, dass Cylara als Frau die Pflicht verspürte sie mit sofortiger Wirkung hassen zu müssen. „Wunderschön, ich muss sagen ich habe lange keine Äffchen mehr so schnell laufen sehen.“, hallte die Stimme der jungen Frau durch die Halle. Ihre Stimme klang leidenschaftlich und barg eine unheimliche Grausamkeit in sich, als die Frau ein paar Schritte auf sie zu tat verspürte sie den unwiderstehlichen Drang sich in irgendeine Ecke zu verkriechen und zu hoffen, dass man sie nicht wahrnehmen würde. Sie hörte wie Rylar hinter ihr wieder auf die Füße kam. „Verdammt nochmal… Gönnt mir ne Pause.“, seufzte er und zog Schwert und Messer aus den Scheiden an Gürtel und Rücken. „Ihr wollt mir doch nicht wirklich weiß machen, dass ihr euch wehren möchtet oder?“, erklang die Stimme der Frau direkt vor ihnen.  „Ihr seid so amüsant.“, ein lautes, kratzendes Geräusch erklang und Cylara hätte schwören können, dass sich dort, wo sich jetzt ein riesige schwarze Klaue befand gerade eben noch eine normale weibliche Hand befunden hatte. „Was zur Hölle bist du?“, hakte sie nach und Rylar stellte sich vor sie. Was bildete dieser Kerl sich nur ein. Glaubte er wirklich sie in dieser Verfassung beschützen zu können? Sie änderte ihre Meinung. Er war doch ein Idiot. „Ist nicht wichtig.“, seufzte er mit ruhiger Stimme. „Egal was sie ist. In erster Linie ist sie im Weg.“, erklärte er und lächelte der Frau entgegen. „Ich habe noch nie eine Frau geschlagen… Eigentlich wollte ich auch nie damit anfangen, aber du erweckst in mir Emotionen, die mich dazu bringen, jede Emotion über Bord zu werfen. Ich hasse es Angst zu haben und du verströmst mehr davon, als es gut für dich ist.“, erklärte er mit finsterer Stimme und Cylara starrte ihn an. Spürte er etwa auch diese unerklärliche Angst? Das konnte doch nicht sein. Ihre Hände griffen nach ihrem Gesicht und sie versuchte sich die Augen zu zuhalten. Sie fühlte eine Angst, wie sie, sie noch nie zuvor gespürt hatte, nicht mal damals als ihre Mutter sie gequält hatte. Ihre Beine zitterten und als sie in das Gesicht der Frau schaute wollte sie schreien. Sie wusste nicht warum. Die Frau war bildschön, aber irgendwas an ihrem perfekten Körper versetzte sie in Angst zu Schrecken. Irgendwas stimmte mit dieser Frau nicht. Rylar hingegen stand ganz ruhig vor ihr, seine Beine zitterten nicht und trotz der Erschöpfung in ihrem Blick schien er bereit für den Schrecken zu sein, der die Frau umströmte wie ein schwarzer Nebel. „Oh, interessant. Es kommt nicht oft vor, dass ein Mensch in meiner Nähe noch in der Lage ist eine Waffe zu heben, geschweige denn sie zu benutzen. Du bist ein interessantes Äffchen.“, lachte die Frau und hob die gewaltige Klaue, die aussah als sei sie aus schwarzem Metall geschmiedet worden neben den Kopf. „Kannst du sie denn nicht spüren? Die nagende  und alles umschlingende Todesangst, die alles in dir dazu anreizt zu flüchten und dich zu verstecken?“, lachte die Frau noch immer mit dieser Mischung aus Erotik und Grausamkeit in der Stimme. „Weißt du… ich sehe Furcht eher als Anreiz. Weniger als Behinderung. Es macht einen letztendlich viel glücklicher, wenn man der Angst wiedersteht und das was einem diese Angst einjagt neiderstreckt.“, erklärte Rylar und bewahrte trotz der Furcht in seinem Inneren eine unheimliche Ruhe in der Stimme. Sie verwarf alles was sie über ihn wusste. Er war ein furchteinflößender Idiot. Die Frau zuckte mit den Schultern. „Du kannst es versuchen zu wiederstehen, Soldat, aber du letztendlich wirst du blutend vor mir im Dreck liegen.“, erklärte sie grinsend. „Ich hasse Leute die einem das Ende verraten, das macht das ganze einfach nur langweilig. Aber wenigstens ist es ein Anreiz…“, erklärte er gefährlich Lächelnd. „Ein Anreiz wofür?“, fragte die Frau im engen schwarzen Kleid und blickte ihm in die Augen. „Ein Anreiz dafür, die zu beweisen, dass das Ende im Leben immer offen ist. Egal wie die Chancen stehen, es besteht immer eine Chance die einem zum Sieg verhilft. Ich persönliche finde Geschichten mit offenen Ende viel spannender. Ist doch schade, wenn man sich nicht freuen kann, ein Rätsel auf eigene Faust zu lösen.“, er grinste obwohl in seinem Herzen die Angst hämmerte und ihm zum weg laufen animierte. „Wem willst du hier etwas beweisen Äffchen?“, hakte die Frau nach, während sie immer noch näher kam. Cylara kam es so vor, als würde die Angst mit jedem Schritt, den sie näher an sie heran trat wachsen. Sie ging auf die Knie. Ihre Beine hielten ihr Gewicht nicht mehr. Sie konnte nicht aufhören zu zittern. Es war fast so als würde die Angst aus jeder ihrer Poren triefen, während die Frau näher kam. Rylar hingegen stand vor ihr, als sei nichts gewesen, aber es war nicht schwer zu erkennen, dass auch er die Angst verspürte. Er stand viel steifer da als sonst. Schien nicht so entspannt zu sein, wie sonst, wenn er mit jemanden kämpfte. Schweiß stand ihm auf der Stirn obwohl es kühl war, er atmete nicht mal schwer, was den Schweiß erklärt hätte. „Bist du dir sicher, dass du dich nicht einfach deinem Schicksal ergeben willst Äffchen? Deine Freundin scheint anderer Meinung zu sein als du.“, lachte die Frau und verzog das Gesicht zu einem unnatürlich breiten Grinsen. „Weißt du… Ich bin einfach schwerer zu beeindrucken.“, erklärte Rylar und da begriff Cylara etwas. Damals als sie versucht hatte in seinen Kopf einzudringen war es kein Amulett und keine Magie gewesen, die sie davon abgehalten hatte. Es war seine Willenskraft gewesen. Eine Willenskraft, die er auch jetzt unter Beweis stellte. Eine Willenskraft wie eine unzerstörbare Klinge, die alles in der Dunkelheit zerschneidet. Wäre er ein Schwarzmagier hätte er den Rang eines Puppenspielers haben können. Was für eine Verschwendung. Noch einen Blick warf sie ihm zu und als sie seinen entschlossenen Blick sah, wusste sie, dass ihr nichts passieren konnte, solange sie in seiner Nähe war. Die Konturen verschwammen, dann hüllte sie die Gnade einer Ohnmacht ein, während die Angst unweigerlich weiter versuchte ihren Verstand zu peinigen.

Kapitel 6

Die Klingen der Klauen rasten auf Rylar zu, er duckte sich nach unten und die Klauen hinterließen tiefe Scharten im Gestein hinter ihm. Er setzte zu einem Gegenangriff mit dem Schwert an und seine Gegnerin sprang einen Schritt nach hinten. Rylar ließ nicht nach, schlug erneut zu, die Klinge zog einen engen Kreis vor ihrer Schulter und er sprang einen Schritt nach vorne, setzte mit dem Messer nach, was einen langen Schnitt über ihrem Kleid verursachte. Blut spritzte ihm entgegen, er trat zu und brachte die Gegnerin somit auf Abstand. Die Frau starrte ihn finster an. „Gar nicht schlecht Äffchen.“, ihre Stimme hatte noch immer diesen irritierenden, erotischen Unterton, während sie ihn anlächelte. Ihr Kleid zeigte durch den entstandenen Schnitt noch mehr von ihrer Oberweite. Wenigstens konnte er sich auf die Schnittwunde konzentrieren, die… Was zur Hölle? Er warf einen kurzen Blick auf seinen Dolch. Blut klebte an der Klinge, aber die wunde an ihrer Brust war verschwunden. „Was bist du?“, fragte Rylar mit finsterer Stimme. Er hatte noch nie gesehen, dass sich Wunden innerhalb weniger Sekunden von selbst heilten. Sein Blick fand ihren und sie grinste. „Ich bin überlegen.“, grinste die Gegnerin und schlug erneut mit der Klaue zu, die Klingen ihrer Finger glitten an seinem Schwert ab, die er zur Parade gehoben hatte. Er zog die Klinge nach und trat erneut zu, traf seine Gegnerin im Magen und ließ dann einen Schwerthieb folgen, der mit einem Knacken ihr Schlüsselbein traf, er ließ das Schwert los, vollführte eine Drehung und rammte seiner Gegnerin das Messer ins Sternum. Blut spritzte ihm entgegen. Er hatte die Aorta durchtrennt. Ächzend zog er zuerst Schwert und dann Messer aus der Wunde. Das konnte keiner überleben. Blasse Blitze zuckten über ihre Wunden und der lebendige Glanz trat zurück in die Augen seiner Gegnerin. „Es ist nicht nett eine Dame zu töten.“, erklärte ihre Stimme und Rylar starrte sie an. Das war unmöglich. „Aber ich muss zugeben, du bist unterhaltsam. Es ist lange her, dass es jemanden gelungen ist mich zu töten.“, sie grinste ihn an, als hätte sie grade einen unfassbar guten Witz gemacht. Rylar spannte sich an und fixierte sie mit seinem Blick, dann ließ er ihn kurz zu Cylara schweifen, die noch immer bewusstlos auf dem kalten Boden lag. „Was ist? Machst du dir Sorgen um deine Freundin? Keine Sorge, die Angst war einfach etwas zu viel für sie, sobald du blutend im Dreck liegst werde ich dich dazu zwingen mir zu zusehen, wie ich sie langsam umbringe und ich schwöre dir, dass jeder ihrer Schreie wie Musik klingen wird!“, schrie die Gegnerin und rannte in einer unglaublichen Geschwindigkeit auf ihn zu. Er duckte sich unter der Klingenbewährten Hand hindurch, rollte sich nach vorne, sprang auf und wich einen Schritt zurück um dem nächsten Angriff zu entgehen. Seine Gegnerin ließ nicht locker, führte einen weiteren Klauenhieb, den Rylar mit dem Schwert abwehrte. Geschickte tänzelte er einen Schritt zurück um dem nächsten Angriff auszuweichen. Die Klinge zogen dicht an seinen Gesicht vorbei und Rylar setzte nach. Wie ein Derwisch schlug er zu, ließ die klingen in einem Kreis aus Tod und Verberben kreisen und spürte wie die Klingen Stoff und Fleisch durchtrennten. Seine Gegnerin schrie nicht, doch er verpasste ihr einen harte Tritt und brachte sie damit auf Abstand. „Normalerweise toben sich die Männer auf andere Art an meinem Körper aus.“, lächelte seine Gegnerin. Sein Blick wurde finster, er war erschöpft. Es war keine gute Idee so viel Magie aufzuwenden um diesem Knochengestell zu entkommen. Ihre Klaue schrammte über den Boden und hinterließ tiefe Kratzer. Vollkommen egal… Er musste Cylara hier irgendwie rausbringen. Tief atmete er durch, während er betrachtete wie erneut Blitze um ihren Körper zuckten und ihre Wunden heilten. Ein seltsamer Anblick, ihr Fleisch wuchs einfach nahtlos wieder zusammen und das Grinsen auf ihren roten Lippen, die der Traum eines jeden Mannes wären, bildete sich ein hässliches Grinsen. Er schloss die Augen, genoss die Angriffspause und versuchte so gut er konnte nachzudenken. Cylara konnte nicht besonders schwer sein. Er würde sich also gut mit ihr fortbewegen können, würde er sie tragen. Diese Frau würde ihn allerdings sofort einholen und sie würde ihm erstrecht keine Zeit geben Cylara hoch zu heben. Gut… Wenn er sie nicht töten konnte, konnte er sie vielleicht verstümmeln. Er atmete tief durch blickte seiner Gegnerin entgegen. „Ich stehe nicht drauf, wenn Frauen, nachdem ich sie töte immer noch mit mir reden, das irritiert mich zutiefst. Könnten wir das auf ein Minimum reduzieren?“, fragte er lächelnd nach, während sein Blick ihr einen langsamen und äußerst unangenehmen Tod versprach. Zeig ihr bloß keine Schwäche. Zeig ihr nicht wie fertig du bist. Er sog tief den Atem ein. „Was denn? Bist du schon fertig? Ich steh nicht auf Quickies.“, sie grinste ihm entgegen und breitete die Arme aus, wobei unter dem eingerissenen Kleid, Teile ihrer Brüste zum Vorschein kamen. In Momenten wie diesen hasste es Rylar ein Mann zu sein. Noch mehr, als er sich für gewöhnlich hasste, wenn er gegen Frauen kämpfen musste. Nicht weil er glaubte, dass Frauen generell keine Gegner waren, wie dieser Kampf bewies, sondern weil er sich viel lieber dafür einsetzte Frauen vor Schaden zu bewahren. Sein Blick blieb finster und Rylar stieß einen Seufzer aus. Egal. Wenn er überlebte wollte er sich dabei wenigstens in die Augen schauen können, also musste er Cylara hier irgendwie mit rausholen. Seine versteiften Schultern lockerten sich und er lächelte ihr entgegen. „Dann werde ich mein Bestes geben, noch etwas durchzuhalten.“, entgegnete er grinsend und hob Schwert und Messer.  Die Gegnerin grinste und rannte auf Rylar zu, hob dabei die Klaue und schlug zu. Rylar wich aus, erst links, dann rechts, dann setzte er einen schnellen Schritt zurück, gefolgt von einem schnellen Konter. Die Klinge fuhr durch den Bauch der Frau und Rylar verschwendete keine Zeit, die Klinge zerschnitt das Gewebe bis zum Schlüsselbein, geistesgegenwärtig stieß Rylar mit dem Messer zu, der Treffsicher in ihrer Kehle stecken blieb, dann griff er mit der anderen Hand das Schwert und wendete alle Kraft auf, die ihm noch blieb. Er spürte wie das Schlüsselbein unter seiner Anstrengung von unten brach, die Klinge trat an ihrer Schulter auf, mit gewonnenen Schwung drehte er sich um die eigene Achse und schlug erneut zu, die Klinge schnitt durch Gewebe und Knochen wie durch Butter. Er zog das Messer aus ihrer Kehle und versetzte dem Rumpf einen Tritt der gehorsam vom Unterkörper glitt und zu Boden fiel. „Regenerier das.“, blaffte Rylar, steckte die Waffen weg und eilte zu Cylara, warf sich ihren Körper über die Schulter und rannte aus dem Raum, verschloss und verriegelte die Tür hinter sich, obwohl er wusste, dass die Tür sie nicht aufhalten konnte, denn er hörte bereits wieder das laute Lachen der Frau, deren Körper sich bald wieder vollständig wiederhergestellt haben würde. Ein Krachen hinter ihnen und er konnte nur vermuten, dass grade die Tür aus den Angeln geflogen war. Er blickte hinter sich und ca. Meter hinter ihnen kam die Frau aus dem Raum geschlendert. Sie öffnete den Mund und dann geschah das unglaubliche. Unvermittelt platzte der Kopf der Frau und ließ nur blutige Fetzen um sie herum zurück. Blitze begannen um sie herum zu züngeln und er konnte zusehen, wie sich Knochen, Bänder und Haut erneut reorganisierten, doch statt ihnen zu folgen wandte sich die Frau um. Ein weiteres Mal platzte ihr Kopf und wieder wurde er nahezu sofort wieder neu aufgebaut. Rylar beschloss keine Zeit mehr zu verlieren und rannte weiter. So schnell er konnte. Was zur Hölle war hier nur los? Erst ein Skorpion aus Knochen und jetzt eine Frau, die ihre Hände zu Klauen umformen konnte und obendrein unsterblich war. Was für ein Scheiß. So schnell er konnte überwandt er die Strecke bis zur nächsten Biegung und bis zum nächsten Aufgang aus der Kanalisation. Egal wo sie landeten überall war es besser als hier. Sie mussten sich ausruhen. Er ließ Cylara wieder herunter und rüttelte an ihr. „Wach auf! Hey wach auf!“, rief er ihr zu, während er an ihr rüttelte. Allmählich flatterten ihre Augenlieder und sie blickte ihn müde an. Die Angst war aus ihren Augen verschwunden, auch Rylar verspürte diese drückende Todesangst nicht mehr, aber er konnte nicht sagen, seit wann er sie los war. „Wir müssen hier raus. Los die Leiter hoch, ich klettere hinter dir, falls du fällst halte ich dich fest.“, erklärte Rylar ihr und sie schaute ihn vollkommen irritiert an. Dann jedoch nickte sie und griff nach der Leitersprosse. Blut klebte an den Leitersprossen, doch die Handabdrückte passten nicht zu Cylaras Händen, war der, dem sie folgten etwa auch hier wieder nach oben gestiegen, nachdem er stundenlang durch die Kanalisation gestapft war? Wenn ja hatten sie wenigstens einen Anhaltspunkt. Cylara blickte mit müden Augen zu ihm herab. „Alles in Ordnung bei dir?“, gähnte sie und zwinkerte müde in seine Richtung. „Bei mir ist soweit alles in Ordnung…“, entgegnete er und nahm die ersten Leitersprossen zur Hand. Langsam kletterte er hinauf. Cylara versuchte ächzend den Kanaldeckel anzuheben und zur Seite zu schieben. Der Deckel bewegte sich keinen Millimeter. „Nicht erschrecken…“, warnte Rylar sie vor und hielt sich seitlich an dem Kanalschacht fest, der nach oben führte. Er konzentrierte den letzten Rest Magie um sich halten zu können und befand sich direkt hinter Cylara an der Leiter. Er schloss die Augen, vertraute dem Wind und ließ sich einfach nach hinten fallen. Der Wind hielt ihn, wie geplant. Mit aller Kraft drückte er von unten gegen den Kanaldeckel und stemmte sich so stark er konnte dagegen. Der Kanaldeckel hob sich langsam und Cylara half ihn zur Seite zu schieben. Er stemmte sich nach vorne und hielt sie Leitersprossen nun so gut es ging seitlich. Cylara kletterte weiter hinauf, Rylar folgte ihr  und atmeten seit Stunden wieder frische Luft ein. Es war ein herrliches Gefühl. Inständig hoffte er nie wieder in das Labyrinth dort unten hinab steigen zu müssen. Im Moment allerdings war er einfach nur dankbar für frische Luft und festen Boden unter den Füßen, der nicht zur Hälfte aus schmutziger Brühe bestand. Er blickte sich um, konnte aber nicht wirklich sagen wo sie sich befanden. Um sie herum erstreckte sich eine Art Wald und in der Nähe gab es kleine Häuserreihe. Inistra war riesig. Wenn sie sich noch innerhalb der Mauern von Inistra befanden, dann konnte das hier nur ein Gildengebiet sein. Ja, das hier konnte nur zu der Gilde Varyz gehören. Laut den Büchern bestand Varyz zum größten Teil aus Wald. „Warst du schon mal in Varyz?“, hakte Rylar nach und schaute Cylara an, die so müde aussah, dass sie wohl gleich im Stehen einschlafen würde. „Nein… Aber im Moment würde ich selbst auf einem Stein schlafen, wenn er gemütlich aussieht…“, erklärte sie gähnend und Rylar musste lächeln. „Gut… Die Unterkünfte gehen heute auf mich. Du bist nicht in der Verfassung zu verhandeln.“, entgegnete Rylar und schaute sie lächelnd auf. „Hör auf mich zu bemuttern…“, brummte Cylara und ihr Bein knickte vor Müdigkeit weg. Rylar hielt sie an der Schulter fest und legte ihren Arm um sich, um sie besser stützen zu können. „Wenn du nichts sagst, sag ich auch nichts.“, seufzte er ruhig und zusammen gingen sie auf das zu, was wie eine Siedlung inmitten vieler Bäume aussah. Es war kalt und es schneite, aber im Moment war beiden alles lieber als der ätzende Gestank der Kanalisation unter ihnen. „Ich brauch ne Dusche…“, erklärte Rylar und Cylara musste lachen. „Die brauchst du schon, seit ich dich kenne, aber tu dir keinen Zwang an, ich werde dich nicht aufhalten.“, entgegnete Cylara lachend und Rylar schnaubte. „Das dachte ich mir schon…“, gab er zurück und schleppte sie weiter der Siedlung entgegen.

 

Cereza atmete auf, als die Kugel den Schädel der Frau zerfetzte, als dieser sich danach ohne größere Probleme wieder von selbst zusammen setzte war sie nicht so begeistert. Sie blickte in ihre Richtung, sie schoss erneut. Die Kugel fand das Ziel, und zerfetzte es in einer Wolke aus Blut und Hirnmasse. Sie ging nicht davon aus, dass der Schaden von Dauer sein würde. Geistesgegenwärtig stand sie auf und rollte sich von ihrem Versteck. Hart kam sie auf dem Boden auf un ächzte. Sie blickte sich um und rannte den Kanal entlang ehe sie eine Nische fand, in der sie sich verstecken konnte. Sie konnte Schritte hören. Sie schluckte und zog eine der Handfeuerwaffen. Ihre linke Hand öffnete eine der Halterungen aus ihrer Weste und zog einen roten, stiftartigen Gegenstand heraus. Sie drehte den Schalter am Ende, bis sich die Zahl 5 auf dem Stift zeigte und sofort wieder verschwand. Schritte, diesmal ganz nah. Sie atmete ruhig und versuchte keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Schritte, gefolgte von einem schleifendem Geräusch, als würde Metall auf Gestein kratzen. Die Schritte kamen immer näher und zwei Sekunden später lief sie an ihr vorbei. Cereza spannte sich an und wartete auf den richtigen Moment. Sie holte noch einmal tief Luft und trat dann aus ihrer Deckung, legte auf den Kopf der Frau an und drückte zweimal ab. Die Kugeln zerrissen den Schädel der Frau mit einem unangenehm klingenden Geräusch und sie stach mit dem roten Stift auf die Frau ein. Der rote Stift blieb stecken und Cereza trat zu um den Körper auf Abstand zu bringen, dann rannte sie los. 5 Sekunden, der Kanal erstreckte sich vor ihr weiter. Soweit hatte sie den Weg bis zur Halle gar nicht in Erinnerung.  Sekunden, sie konnte die Umrisse der Metalltür erkennen, welche den Kanal von der Halle trennte.  3 Sekunden, hinter sich hörte sie aufgebrachtes Geschrei, aber sie wusste dass der Kopf der Frau noch nicht komplett wieder hergestellt war. Sie hatte gezählt. Die komplette Regenerationzeit betrug fünf Sekunden. 2 Sekunden, sie rannte weiter, passierte die Stahltür, schmiss sie hinter sich zu und rannte quer durch den Raum um den Kanal zu erreichen, den Rylar entlang gelaufen war. Eine Sekunde, sie schluckte und rannte weiter. Ein lauter Knall hinter ihr, begleitet von wütenden Schreien. Vielleicht hätte sie diesmal sogar mehr Zeit als fünf Sekunden bis sich der Körper wieder regeneriert hatte. Was für eine verdammte Freakshow war das hier? Sie stieß den Atem aus, vor ihr befand sich ein weiterer Kanal und ein Aufgang der aus der Kanalisation führte. Endlich mal was Gutes. Ohne darüber nachzudenken sprang sie an die Leiter und kletterte hinaus. Ein schmaler Schlitz Licht bahnte sich den Weg am Kanaldeckel entlang. Sie wusste es und grinste. Natürlich waren sie wieder nach oben gestiegen, immerhin sah man nicht jeden Tag eine unsterbliche Killerin. Aufseufzend schob sie den Kanaldeckel zur Seite und stieg aus der Kanalisation. Es dauerte keine drei Sekunden, bis sie den Deckel wieder zu schob, doch sie achtete darauf, dass sie Den Deckel richtig dicht machte. In der Ferne sah sie zwei Gestalten, die sich auf ein helles Leuchten zubewegten. Wahrscheinlich die nächste Stadt. Rylar und Cylara. Perfekt. Sie atmete auf und genoss die frische Luft, die sie einsog. Dieser Kloakengestank hatte ihr schon fast den Rest gegeben. Jetzt durfte sie nur nicht an sich selbst riechen. Wahrscheinlich hatte sie den Geruch gehorsam aufgenommen und würde ihn jetzt überall verteilen. Sie schaute sich um. Endlich hatte sie es auch mal nach Varyz geschafft. Ein Grinsen legte sich auf ihre Lippen und sie ließ sich gegen einen Baum sinken. Ein wirklich interessantes Gefühl. Die Luft hier schmeckte ganz anders als in Izarek, frischer und leichter. Sie sog die Luft noch einmal ein und seufzte wohlig. Jetzt noch ein Mann der sie in den Arm nahm und dann… Was dachte sie da nur? Hatte sie es wirklich so nötig? Was hatte Rylar nur mit ihr gemacht, als sie diese eine Nacht zusammen waren? Sie würde jetzt noch ein paar Minuten warten, bis die beiden ein Zimmer hatten, in der Hoffnung, dass es dort Zimmer gab. Sie blickte an sich herab. Sie hatte nur wenige Blutspritzer abbekommen, aber der Geruch war unverwechselbar. Wenn sie in die Stadt kam würde sie sofort jeder mit den beiden in Verbindung bringen. Das war nicht gut. Die beiden sollten auf garkeinen Fall mitbekommen, dass sie verfolgt wurden, in der Hoffnung, dass sie nicht gesehen hatten, wie der Kopf ihrer Angreiferin sich mehrfach in Kompott verwandelt hatte. Geistesgegenwärtig zog sie das Magazin aus dem Scharfschützengewehr und legte drei neue Kugeln hinein, dann schob sie es in die Waffe zurück. Es wäre gut, wenn sie hier in der Nähe eine Wasserstelle finden würde, an der sie sich den gröbsten Dreck und den schlimmsten Geruch abwaschen konnte. Sie lauschte, aber egal wie sehr sie sich anstrengte, sie war noch nicht in der Lage Wasser aus der Ferne zu hören. Schade eigentlich. Sie erhob sich und schleppte ihren müden Körper in den Wald. Es war zwar nur kurz gewesen, aber kurz bevor sie aus nächster Nähe auf die Frau in der Kanalisation geschossen hatte, hatte sie eine Angst im Griff gehalten. Eine Angst, die so tief war, dass sich normalerweise jeder auf dem Boden zusammen gerollt hätte und undefinierbare Dinge vor sich hin gefaselt hätten. Gut dass sie darauf trainiert war auf das was ihr in irgendeiner Art und Weise Angst machte zu schießen, ansonsten hätte sie wohlmöglich die Waffe sinken lassen anstatt mit der eisernen Disziplin, die nur Anhängern des Flammenden Emblems vorbehalten war auf sie zu schießen. Cereza hatte sich wirklich gefragt, warum Cylara zitternd vor der Frau zu Boden gegangen war, während Rylar mit ihr kämpfte. Wenn Cylara die gleiche Angst gespürt hatte, die auch sie gespürt hatte dann musste sie das wahnsinnig erschöpft haben. Sowas hielt man nicht lange her. Sie riss bewundernd die Augen auf. So wie es aussah war die eiserne Disziplin nicht nur ein Teil eines Mitglieds des flammenden Emblems, sondern auch eine Eigenschaft, der sich einige Jäger rühmen konnten. Rylar hatte mit keiner Wimper gezuckt und um sein Leben gekämpft. Cereza hätte nicht gewusst, ob sie dazu in der Lage gewesen wäre mit dieser Angst in ihrem Herzen länger um ihr Leben zu kämpfen. Wenn er wirklich die gleiche, intensive Angst verspürt hatte, während er kämpfte, die sie allein dabei gespürt hatte, als sie vor dieser Frau gestanden hatte, dann hatte dieser Kerl Nerven aus Stahl. Genug von der Bewunderung. Das wurde allmählich zu viel. Sie stieß den Atem aus und ging weiter durch den Wald, bis sie das verräterische Glitzern sah, was auf Wasser hindeutete. Frisches Quellwasser. Nach ein paar Stunden in der Kanalisation hatte sie es schon fast für abwegig gehalten, dass es sowas überhaupt noch gab. Langsam ließ sie die Klamotten von ihrem Körper gleiten, bis sie nur noch in Unterwäsche da stand. Als ihre Zehen das Wasser berührten wollte sie vor Freude jauchzen, entschied sich aber doch dagegen. Sie sog tief die Luft ein und glitt dann tiefer ins Wasser. Ein herrliches Gefühl breitete sich in ihr aus und das erste Mal seit Stunden fühlte sie sich wieder wohl. Das Wasser war nicht kalt, eher schien es genau die richtige Temperatur zu haben um sie nicht frieren zu lassen. Ihre Muskeln entspannten sich im Wasser und sie seufzte, als ihr Körper bis zu den Schultern in das klare Wasser glitt. Es war eine Ewigkeit her, seit dem sie sich das letzte Mal so entspannt gefühlt hatte. Ob es wohl etwas mit dieser Gegend zu tun hatte? Mit der Gildenregion von Varyz, dem Sagenumwobenen Zauberwald? Mit einem entspannten Seufzer legte sie ihren Kopf auf einem Stein ab. Es tat gut, sich in einer Region aufzuhalten, die keine negative Magie zelebrierte. Hier in Varyz galten zwei Arten von Magie, die Magie der Natur und die des Windes. Der magische Wald von Varyz hieß jedes Lebewesen willkommen, solange es keine Verderbtheit oder Zerstörung mit sich brachte. Solange sie hier nicht damit anfing den Wald in Brand zu setzen oder massenhaft Chemikalien in die Erde zu pumpen, würde sie der Wald als Teil von sich akzeptieren, ihre Wunden heilen und sie in den Kreislauf eingliedern. Natürlich musste sie auch hier aufpassen, nicht von wilden Tieren gefressen zu werden, allerdings würde sie hier keinem Untoten oder einer unsterblichen Killerin begegnen, sondern einem Tier, möglicherweise einem Bären, vielleicht einer Katze und wenn sie Pech hatte würde sie einem Tatzelwurm begegnen. Aber das alles machte ihr im Moment keine Sorgen. Sie hatte ihre Waffen bei sich und die Natur würde sich nicht rächen, sollte sie um ihr Leben kämpfen und gewinnen. Es war unheimlich schön in diesem Wasser zu liegen, aber trotz allem fühlte sie sich einsam und allein. Sie schlang die Arme um die Knie und legte ihre Stirn darauf ab. Wäre sie doch nur ein wenig freundlicher zu Rylar gewesen, dann würde er jetzt mit ihr reisen statt mit dieser dämlichen Kuh Cylara. Dieses Arrogante Flittchen, sie würde ihr schon noch zeigen wo der Hammer hing, Oder wo sich der Abzug ihrer Waffe befand, je nachdem welches Klischee sie grade bedienen wollte. Kurz gab sie sich dem Gedanken hin, wie es wohl wäre, wenn sie nicht allein in dieser  Quelle liegen würde. Was wäre wenn Rylar hier war, oder Cylara oder beide, es war ihr völlig egal… aber sie hatte diese Omnipräsente Einsamkeit einfach nur satt. Sie sog tief den Atem ein. Wenn das alles vorbei war, würde sie Rylar aufsuchen und ihn fragen ob sie nicht wenigstens Freunde sein wollten. Sie hatte die Zeit mit ihm genossen, auch wenn es nur eine sehr kurze Zeit war. Ihr war egal, wie vielen Religionen er angehörte. Sie wollte einfach nur eine weitere Nacht und einen weiteren Tag an seiner Seite verbringen. Und noch mehr Zeit, sie wusste, dass er ihr Verlangen nach Freundschaft und Wärme stillen konnte und sie wusste, dass er nicht abgeneigt wäre, denn auch er war einsam, das hatte sie an dem Morgen, als sie ihn weggeschickt hatte in seinen Augen gesehen. Wieso konnte sie nicht damit aufhören sich mit diesen Gedanken zu foltern. Was hatte es für einen Zweck? Im Augenblick war er nicht da, egal wie sehr sie sich wünschte, dass das Gegenteil eintrat. Er war weg, war unterwegs mit Cylara, was jede Hoffnung für eine Beziehung zu ihm schon nahezu im Keim erstickte. Cylara war zwar eine dumme Kuh, aber sie war Hübsch. Sie war wunderschön und kein Mann war in der Lage dieser Schönheit etwas entgegen zu setzen. Sie biss die Zähne aufeinander und kniff die Augen zusammen. Es wurde Zeit, dass sie aufhörte so negativ zu denken, das würde sie noch eines Tages umbringen. Ihre Gesichtsmuskeln entspannten sich allmählich. Das Quellwasser um sie herum half ihr beim Entspannen. Sie seufzte, der gröbste Geruch nach Tot und Exkrementen war von ihr gewaschen, das spürte sie, allerdings waren da immer noch ihre Klamotten. Sie stieß einen Seufzer aus und stieg aus der Quelle. Tief sog sie die Luft ein. Sie befand sich mitten im Wald, es war zwar nicht kalt, aber warm war es auch nicht, die Natur schien sich hier zurück zu halten, wenn man bedachte, dass um diese Zeit in Izarek wahrscheinlich ein Schneesturm tobte. Sie stieß den Atem aus und zwang sich ein Lächeln auf. Egal wie schmutzig ihre Klamotten waren, egal wie sehr sie stanken, sie konnte nicht einfach bis Morgen in Unterwäsche kampieren und hoffen, dass ihre Klamotten bis zum nächsten Tag wieder trocken waren. Sie zog sich die Klamotten über, sie waren stellenweise feucht und stanken bestialisch. Das war nicht verwunderlich in Betracht der Tatsache, dass sie wenige Stunden zuvor durch die Kanalisation gelaufen war. Besonders ihre Stiefel hatten gelitten. Vielleicht sollte sie doch zur Herberge gehen. Wenn sie ein ordentliches Trinkgeld gab, würde morgen früh niemand auf Cylara und Rylar zukommen und sowas sagen wie: ‚Hey, gestern, kurz nachdem ihr im Zimmer verschwunden seid, kam noch eine Person mit Duftnote Rohrfrei-Mitten-Ins-Gesicht ins Lager und hat das Zimmer genau neben euch gemietet, aber pssst… Das darf ich nicht verraten, also habt ihr nichts gehört.‘ Cereza verzog das Gesicht und richtete sich allmählich auf. Sie schulterte das Scharfschützengewehr und schnallte den Gürtel in denen Handfeuerwaffen und Bajonette hingen um. Gut soweit. Sie stieß einen Seufzer aus und warf einen Blick in ihre Brieftasche. Inständig hoffte sie, dass das Trinkgeld hoch genug ausfallen würde. Mit entschiedener Miene stapfte sie auf das Licht der Lichtung zu, die sie in der Ferne noch immer erkennen konnte.

 

Rylar saß auf dem Boden und meditierte. Das war die einzige Möglichkeit den Gestank, den er absonderte allmählich zu verkraften und zu ignorieren. Seine Klamotten war er größten Teils zur Wäsche gegeben, nachdem die Herbergsmutter ihn nahezu dazu gedrängt hatte und nicht nur, dass in Shorts, stinkend auf dem Boden saß und meditierte musste er sich ein Doppelzimmer mit Cylara teilen, alles andere wäre nicht im Budget gewesen. Kurz verfluchte er sich dafür, dass er Niv’Raz nicht zu einer Vorauszahlung von 10 % genötigt hatte. Was sollte es nicht jeder bekam eine Frau wie Cylara halbnackt zu sehen. Und noch weniger konnten von sich behaupten mit ihr ein Zimmer teilen zu dürfen. Das Zimmer um ihn herum war Luxusverdächtig. Wer hätte schon gedacht, dass ein kleines Städtchen wie dieses ein Hotel hatte und nein, selbstverständlich war es keine Absteige wie er es gewohnt war. Nein es handelte sich um ein beinahe Rekordverdächtiges, schon beinahe Luxuriöses Hotel. Die Betreiberin allerdings verhielt sich eher wie eine gluckige Herbergsmutter. Sofort nachdem die beiden ihr Zimmer bezahlt hatten hatte sie ihnen angeboten ihre Klamotten kostenfrei zu waschen, dazu hatte sie ihnen eine heiße Dusche verordnet. Rylar überschlug in Gedanken die Zeit, die vergangen war, seit er das letzte Mal heiß geduscht hatte. Das Wasser in seiner Unterkunft in Vayrem war sehr Metallhaltig und eigentlich immer kalt. Er musste versuchen seine Gedanken zu fokussieren. Was zur Hölle war in der Kanalisation los gewesen? Was für ein Wesen war diese Frau gewesen. Er schluckte. Er hatte noch nie ein Menschenähnliches Wesen gesehen, dessen Wunden sich so schnell schlossen.  Ein eigenartiges Gefühl befiel ihn. Er musste ganz dringend duschen. Diese Angst, die  diese Kreatur in ihr entfesselt hatte. Er hatte all seinen Willen aufbieten müssen um dagegen anzukämpfen. Es war verdammt anstrengend gewesen. Er wollte einfach nur noch duschen und ins Bett. Die Badezimmertür öffnete sich einen Spalt breit und Cylara schaute heraus. Ihr Haar war nass und fiel ihr in einem klebenden Bündel über die Schultern. „Das Wasser ist herrlich, bist du sicher, dass du nicht mit unter die Dusche willst?“, fragte Cylara und in ihrer Stimme schwang etwas mit, was man nur allzu leicht als Sehnsucht identifizieren konnte. Sie wollte ihn schon wieder verarschen, ob das wohl jemals aufhören würde? „Ja, ich gehe dann duschen, wenn du fertig bist.“, erklärte er mit ruhiger Stimme und Cylara zuckte mit den nackten Schultern. Sie wusste genau wie sie auf Männer wirkte und sie setzte es schamlos ein. Rylar hoffte inständig, dass er niemals so dumm sein würde darauf rein zu fallen. Möglicherweise machte er aber auch einen Fehler. Wer wusste ob noch warmes Wasser übrig war, wenn Cylara endlich fertig war. Sie hielt sich jetzt schon seit einer guten Stunde im Bad auf und ununterbrochen war der Wasserstrahl der Dusche zu hören. Er schloss wieder die Augen und meditierte. Eine unsterbliche Frau, die ihre Hände zu Messerscharfen Klauen formen konnte die obendrein noch hart wie Stahl waren… Dazu kam die Fähigkeit in ihren Gegnern diese unbändige Furcht auszulösen. Er wiederstand dem Drang die Beine einzuziehen und sich möglichst klein zu machen, wenn er daran dachte. Mit einer eisernen Disziplin blieb er sitzen, versuchte zu ignorieren, dass es in dem Zimmer kalt war und er lediglich in Shorts da saß, aber er wollte sich keine Decke nehmen, wenn er sich eine Decke nahm würde sie innerhalb kürzester Zeit den Gestank der Kanalisation aufnehmen, der überall an ihm haftete. Er hörte wie nebenan das Wasser abgedreht wurde und es dauerte nicht lange, bis Cylara nur in einem Handtuch bekleidet aus dem Bad kam. Sie sah entspannt aus und warf Rylar einen sehnsüchtigen, schon fast lüsternen Blick zu. Gut, das Rylar diese Blicke als das erkannte, was sie waren. Bluffs. Sie bluffte gut, keine Frage, aber das alles wäre auf einer erotischen Ebene viel zu schön gewesen um wahr zu sein. Cylara genoss es einfach nur ihn zu ärgern, weil sie genau wusste, dass er ihr nicht wehtun wollte. Er war nicht der Typ, der Frauen zur Zuneigung zwang. Viel eher mussten die Frauen ihn zur Zuneigung zwingen. Er war zwar im normalen Leben durchaus dazu fähig normal mit Frauen zu reden, allerdings wies sein Umgang mit ihnen extreme Mängel auf, wenn er romantische Absichten hatte. Er war ein unverbesserlicher Idiot. „Wenn du noch ein wenig Zeit mit mir verbringst lass ich dich gerne bei der Show zusehen.“, erklärte sie mit einem sinnlichen Zwinkern. Was zur Hölle war nur los mit ihr? „Das ist wohl mein Stichwort…“, erklärte Rylar und stand auf. Er streckte sich und sie betrachtete seinen Körper ganz genau. „Was genau hat es eigentlich mit diesen ganzen Symbolen auf deinem Körper auf sich?“, fragte Cylara nach und trat näher an ihn heran. Mit einem Finger zog sie die Linien einiger der, auf seinem Körper eingebrannten Symbole nach. Ihre Berührung prickelte auf seiner Haut, aber er wiederstand dem Verlangen unter ihrer Berührung zu erzittern. Er stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich war Fünf, als meine Mutter starb. Sie war sehr gläubig, glaubte hin und wieder mal an Gott A, im nächsten Moment an Gott B, nicht weil sie sich irgendetwas davon erhoffte, sondern, weil sie Ideale und die Grundideen der Religionen schätzte und teilte. Als sie starb wurde mein Vater immer abwesender… er begann zu trinken und, tja, er wurde gläubig. Nicht weil er irgendwelche Ideale teilte, nein, er ertränkte sich in alten Glaubensauslegungen und versuchte sich an Ritualen um meine Mutter aus dem Reich der Toten zurück zu holen. Er schlug mich, brach mir mal einen Arm oder ein Bein und wenn er wirklich gut drauf war zeigte er mir wie schön er mit dem Brandeisen umgehen konnte. Die Symbole die meinen Körper zieren sind ein Merkmal des Wahnsinns meines Vaters. Nicht mehr und nicht weniger. Ich glaube nicht an Götter. Vielleicht weil ich nicht glauben möchte, eine Spielfigur zu sein, die von irgendwelchen Kosmischen Kindern hin und her geschoben wird. Im Endeffekt ist es mir egal. Ich will einfach nur mein Leben leben. Ob ich dabei an einen Gott oder eine andere Entität glaube ist völlig Nebensächlich. Was für mich zählt bin ich und mein direktes Umfeld. Der Rest ist mir ziemlich egal.“, erklärte er und Cylara schwieg. Sie waren sich ähnlich und dann doch nicht. Man hatte ihn körperlich misshandelt und seelisch misshandelt, ihre Mutter hatte wenigstens den Anstand gehabt ihr keine großen bleibenden Körperlichen Schäden zu zufügen, wenn man mal von ihrem linken Unterarm absah. Sie schluckte, rekapitulierte den Moment in dem ihre Mutter ihren Geist in ihrer Gewalt hielt und sie zwang ihren Arm in die knisternde Flamme zu halten. Der breite Streifen, der noch heute Brandnarben aufwies brannte unangenehm, als sie daran zurück dachte. Seine Wunden hatten sich größten Teils geschlossen, doch manche seiner Wunden, Wunden die niemand sah und die er niemanden zeigte würden sich niemals vollständig schließen, würden niemals aufhören zu bluten und zu schmerzen. Sie schluckte und fuhr erneut eines der Symbole auf seinem Körper nach. „Das stört mich nicht… all das hier…“, sie strich mit den Fingerspitzen über die eingebrannten Narben und stieß einen sanften Seufzer aus. „All das… es stört mich nicht.“, seufzte sie und ihre Fingerspitzen kribbelten sanft, als sie über seine Haut strichen. „Das ist nett, aber ich habe schon längst aufgehört mir darüber Gedanken zu machen, egal wie sehr man darüber nachdenkt und sich den Kopf zermartert… Man kann doch nichts dagegen tun. Diese Narben sind da und sie werden bleiben. Und wenn es ein Resultat ist, dass ich einsam sterbe… Dann ist das eben so.“, seufzte er und schenkte ihr ein freundliches Lächeln. Sie betrachtete seinen Körper und ihr war klar, dass es viele Frauen abschrecken würden, wenn sie diese Symbole sahen. Ob es wohl bei Cereza auch so gewesen ist? Hatte sie sich einfach abgewandt um ihn  nicht ansehen zu müssen. Sie glaubte nicht, dass Cereza so oberflächlich war, aber innerlich hoffte sie es. Sie hatte zu viel Interesse an ihrer potentiellen Beute gezeigt Sie zog die Augenbrauen hoch, was war sie? Ein Raubtier? Rylar stemmte sich auf die Füße. „Was hast du vor?“, fragte Cylara und schaute ihn schon beschämt an. „Ich gehe duschen.“, erklärte er und blickte sie kurz an. „Sicher, dass du jetzt schon duschen willst? Du könntest was verpassen.“, lächelte sie und blinzelte ihm verführerisch zu. „Manchmal ist es besser, wenn man bestimmte Dinge verpasst.“, gab er mit versteinerter Miene zurück. Hatte er das grade wirklich gesagt? Schon wieder war sie mit ihrer Weiblichkeit und ihrer Verführung komplett gegen die Wand gefahren. Er warf ihr noch ein entschuldigendes Lächeln zu und verschwand dann im Bad. Sie stieß einen Seufzer aus und schlang die Arme um die, im Sitzen angewinkelten Beine.

 

Heißes Wasser prasselte auf ihn herab und der Gestand der Kloake schien sich allmählich zu verziehen. Rylar stieß einen Seufzer aus. Was stimmte nur nicht mit ihr? Warum war sie so erpicht darauf ihn ins Bett zu kriegen. Sie konnte deutlich hübschere Typen haben, wenn sie es darauf anlegte. Warum gab sie sich also so viel Mühe ihn zu verführen. Das war nicht das erste Mal gewesen, dass sie unterschwellige Andeutungen gemacht hatte oder ihm Blicke zugeworfen hatte, die ihn beinahe auszogen. Es war ihm nicht unangenehm, eher fand er es amüsant, dass sich eine Frau auf diese Weise für ihn interessierte, auch wenn er sein bestes tat das allein mit seinem Auftreten zu verhindern. Er war nicht besonders hübsch, die Mahle auf seinem Körper taten ihr übliches dazu und davon mal abgesehen war er, wenn er wollte ein absolutes Arschloch. Das war teilweise wirklich wichtig für seinen Job. In manchen Momenten musste er sich so verhalten, damit diejenigen, die er verfolgte nicht glaubten er sie könnten ihn erpressen. Er fuhr sich mit den Händen durch das nasse Haar und versuchte sich zu entspannen, aber irgendwie klappte es nicht. Wenn Cylara den ganzen Abend so weiter machte wusste er nicht ob er wiederstehen konnte. Es war kein neues Gefühl, dass eine Frau versuchte ihn anzubaggern, aber dass es jemanden gab, der so penetrant dabei war, machte ihn einfach stutzig. Er seufzte und genoss wie das heiße Wasser über seinen Körper glitt. Wie lange es wohl her war, dass er heiß hatte duschen können? Es musste eine ganze Zeit lang her sein. Er konnte sich jedenfalls nicht auf Anhieb daran erinnern. Er sog den Atem ein und genoss jeden Tropfen des warmen Wassers, was über seinen Körper glitt. Allmählich gelang es ihm sich zu entspannen. Ob es wirklich so schlimm war, wenn er ihre Nähe zuließ? Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie irgendwas im Schilde führte. Na Klasse, wenn er danach ging, würde er die ganze Nacht kein Auge zu tun. Immerhin hatte sie die ganze Nacht Gelegenheit ihm ein Messer zwischen die Rippen zu rammen, wenn sie es wollte. Er seufzte. Mit ruhiger Hand glitt er sich durchs Haar und wunderte sich, wie schmutzig das Wasser war, was von ihm herab tropfte. Klar er war durch die Kanalisation gelaufen, aber er hatte doch kein Bad in den städtischen Abfällen genommen. Der Gedanke half nicht, als er wieder auf die dunkle Brühe blickte, die sich vor dem Abfließen zu seinen Füßen sammelte glaubte er fast, er hätte es getan. Ein leises Klopfen erklang. Rylar versuchte es so gut es ging zu ignorieren Cylara war viel zu hartnäckig. Sie würde schon nicht unaufgefordert herein kommen. Die Dusche war laut. Es war gut möglich, dass er es überhört hatte. Es klopfte erneut. Einfach ignorieren.  Ein weiteres Klopfen. Verdammt nochmal. Stille. Gut. Die Tür öffnete sich leise. War das ihr ernst? Der Duschvorhang wurde langsam zur Seite gezogen und vor ihm stand eine splitternackte Cylara, die ihn schalkhaft anlächelte. War das jetzt wirklich ihr ernst? Hatte er denn nirgendwo seine Ruhe? Er schloss die Augen und versuchte das Bild ihres nackten Körpers aus seinen Gedanken zu verbannen. Es hatte sich eingebrannt. Verdammt nochmal, das konnte doch nicht wahr sein. „Was soll das jetzt?“, hakte er nach und drehte sich um. „Ich lasse mich eben nicht gerne abweisen.“, seufzte sie in sein Ohr und ihn überlief eine Gänsehaut, als ihr Atem an seinem Ohr kitzelte und er die feuchten spitzen Haare über seine Schulter streifen fühlte. „Wir kennen uns vielleicht zwei Tage lang, warum ist es dir bitte so wichtig, mich komplett in den Wahnsinn zu treiben?“, hakte er nach und klang dabei total verbittert. „Oh, treibe ich dich in den Wahnsinn? Wie süß…“, ihre Stimme erklang zuckersüß an seinem Ohr und er spürte ihre Hände auf seiner Brust, dann folgte ein ungewohntes Gefühl, was ihm wieder Schauer über den Körper jagte. Presste sie grade ihre Brüste in seinen Rücken? Was wollte sie von ihm. „Was versprichst du dir davon?“, ächzte er tonlos, weil er grade keinen besseren Laut heraus brachte. Ihre Fingerspitzen glitten über seine Brust. „Ich will mich einfach nur bei dir bedanken… Du hast mir allein heute zweimal das Leben gerettet…“, erklärte sie mit sanfter Stimme, die erneut in seinem Ohr kitzelte. Sie musste ganz dringend damit aufhören. „Ist schon okay, hab ich wirklich gerne gemacht du bist mir absolut nichts schuldig.“, versuchte er sie abzuwimmeln, aber das schien seine Wirkung zu verfehlen, denn sie schmiegte sich noch näher an ihn. Er wollte sich nicht mal vorstellen, was Männer dafür getan hätten, nur damit Cylara das mit ihnen tat, was sie soeben mit Ihm tat. „Wenn du sowas sagst, will ich mich nur noch mehr bedanken.“, säuselte sie ihm ins Ohr und er erzitterte. „Okay na dann… Ja bedanke dich, ich bin ein Held und so weiter.“, ächzte er und hörte sie kichern. „Aber nur zu gerne…“, seuzfte sie und ihre Hände glitten herab. Notbremse, sag irgendwas Unerotisches. Sowas wie… „Wie wärs wenn wir uns erst etwas besser kennen lernen.“, krächzte er und sie kicherte erneut. „Dafür haben wir jetzt genug Gelegenheit, wie wärs wenn wir uns körperlich besser kennen lernen, du wirst es nicht bereuen.“, seufzte sie in sein Ohr, in ihrer Stimme lag eine solche Anzüglichkeit, dass er schon fast das Verlangen hatte zu erröten. Was war nur los mit dieser Frau. Sein ganzes Leben lang hatten die meisten Frauen ihn gemieden und jetzt versuchte sie mit einer solchen Ausdauer ins Bett zu kriegen, dass es schon fast unheimlich war. „Was bezweckst du damit?“, hakte er mit etwas gequält klingender Stimme nach. „Naja… ich will mich eben bei meinem Lebensretter bedanken und außerdem möchte ich, dass du später gut schläfst...“, seufzte sie in sein Ohr. Na klar, sie wollte, dass er gut schlief. Irgendwie bezweifelte er sehr stark, dass in der Nacht auch nur ein Auge zu machen würde, wenn er sich darauf einließ. „Nicht nötig, wie gesagt. Ich bin nicht in der Stimmung…“, gab er zurück und fühlte sich, als hätte er sich grade eine Kanüle Östrogen gespritzt. „Das können wir ganz schnell ändern…“, ihr Atem kitzelte erneut an seinem Ohr, sie riss ihn zu sich, drehte ihn um und küsste ihn leidenschaftlich. Sie schmiegte sich an ihn, ihre Brüste rieben an seiner Haut. Er genoss den Kuss, spürte ihre Zunge an seiner, wollte sie streicheln, sie liebkosen. Seine Welt schien auf sie und ihn zusammengeschrumpft zu sein, sein Kopf leerte sich allmählich, doch kurz bevor ihn der letzte klare Gedanke verließ, packte er sie an den Schultern und schob sie von sich weg. Sie schien es genauso genossen zu haben wie er, mit dem Unterschied, dass sie nicht verstand, warum sie nicht einfach alles vergaßen und weiter machten. „Es tut mir leid… Ich kann das jetzt nicht tun…“, seufzte er und hechelte leicht, weil das Verlangen sie an sich zu ziehen, zu küssen und zu nehmen noch immer stark und präsent war. „Dein Freund sagt aber was anderes.“, gab sie mit lüsterner Stimme zurück und Rylar schluckte. „Vielleicht wann anders. Ich kann jetzt nicht auch noch darüber nachdenken.“, erklärte er erschöpft und zwang sich sie nicht anzusehen. Verdammt wieso konnte er nicht einfach wie jeder andere Mann seinen Spaß haben, wenn er die Chance dazu hatte? Warum musste er immer den unnahbaren markieren. Er hätte mit ihr schlafen können, das war der Traum der schlaflosen Männer da draußen und er hatte ihnen grade mit Gewalt in die Eier getreten. „Ist es wegen Cereza?“, fragte sie und schaute ihn aus großen, traurigen Augen an, während ihre Hand sanft über seine nasse Brust glitt. Nein er kannte sie einfach nicht und irgendwas hinderte ihn daran mit ihr Intim zu werden. Wahrscheinlich sein Überlebensinstinkt. Wenn er sie jetzt nahm würde er sich in ihr verlieren und würde nicht mehr klar denken können. Das durfte jetzt nicht passieren. Er wollte sie. Verdammt und wie er sie wollte, aber er konnte sich jetzt nicht ablenken lassen. „Nein… Das ist es nicht.“, seufzte er und stieg an ihr vorbei aus der Dusche. „Findest du mich nicht attraktiv? Oder bist du schwul?“, fragte sie und er musste grinsen. „Nein weder das eine, noch das andere. Du bist wahnsinnig Attraktiv, so sehr, dass du mich fast verrückt machst, wenn ich dich ansehe… Und ich bin nicht schwul. Ich sag dir eines… Wenn das hier vorbei ist. Wenn wir uns nicht mehr um den Auftrag kümmern müssen und du mich dann immer noch willst, dann ist es mir egal wieviel Zeit wir damit möglicherweise verschwenden. Wenn du mich dann immer noch willst, dann werde ich mich nicht mehr wehren, aber im Moment brauche ich einen klaren Kopf.“, erklärte er und fühlte sich so dumm und hilflos, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Sie stieß einen Seufzer aus. „Wenn das hier vorbei ist wirst du gar keine andere Wahl mehr haben… Dann werde ich dich verführen und dich dazu bringen mich zu lieben, wie du noch nie eine andere Frau geliebt hast… Und ich werde dafür nicht mal Magie brauchen. Du hast Glück, dass ich genau weißt wie sehr du dich grade zusammen reißen musst um dich nicht auf mich zu werfen und mich gleich hier in der Dusche zu vernaschen.“, erklärte sie mit sanfter und ruhiger Stimme. „Na wenn du meinst?“, es kostete ihn eine gewaltige Willensanstrengung es beiläufig klingen zu lassen. „Du weißt, dass ich Recht habe.“, kicherte sie und strich mit einer Fingerspitze über seinen Hintern.  Ja verdammt er wusste, dass er sie wollte und er wusste am besten wie sehr er sich grade zusammen reißen musste. „Lass uns rüber gehen und überlegen, wie wir unseren Freund am besten finden.“, erklärte er und schüttelte unbequem den Kopf um auf andere Gedanken zu kommen. „Gut okay, dieses Mal gebe ich nach..“, sie ging an ihm vorbei und, stellte sich vor ihm auf die Zehenspitzen und küsste ihn kurz. „Aber wenn wir hier fertig sind… wirst du gar nichts anderes mehr denken können, als mit mir zu schlafen.“, sie zwinkerte ihm verführerisch zu. Rylar schluckte und sah ihr nach, wie sie nackt vor ihm stand und damit begann sich abzutrocknen. Okay Rylar denk an irgendwas anderes. „Hab ich dir schon mal gesagt wie toll ich … Windmühlen finde?“, seufzte er so ruhig er konnte und Cylara kicherte. „Du hast eine seltsame Art dich abzulenken.“, erklärte sie und warf ihm einen Blick zu, der ihre Gedanken nochmal unterstrich. Irgendwas stimmte nicht mit ihr. Sie konnte so ziemlich jeden Mann auf der Straße haben, warum also war sie ihm nachgerannt? Er versuchte nicht weiter darüber nachzudenken, des Weiteren nahm er sich vor ihren Körper nicht weiter anzustarren. Na klar und gleich danach würde er sich den Hunger in der Welt vornehmen. Bestimmte Tage im Jahr hatten einfach einen sehr bitteren Nachgeschmack, dieser zählte ohne weiteres dazu.

 

Als Cereza die Lichtung mit der Stadt erreichte stand bereits der Mond zur Gänze am Himmel und es war tiefste Nacht. Seltsam, die Stadt war deutlich weiter weg gewesen, als es den Anschein gehabt hatte. Die Einwohner der Stadt allerdings schienen sich von der späten Stunde nicht aufhalten zu lassen. Es wurde gelacht, angestoßen und am Lagerfeuer gesessen. Ein seltsames Bild, vor allem wenn man aus Izarek kam, dem Gildenbezirk der in der Nacht vom grellen Licht elektronischer Lampen erhellt wurde. Als sie aus dem Wald stapfte wurde sie statt mit Misstrauen mit freundlichen und wohlwollenden Blicken empfangen. Es wurde immer seltsamer, wenn sie genau darüber nachdachte. „Guten Abend junge Dame, was macht ihr um diese Zeit im Wald?“, fragte ein Mann mittleren Alters, dessen Gesicht von einem dichten Bart und zotteligen Haaren eingerahmt wurde. Die Axt an seiner Seite wies ihn als Holzfäller aus. Was sie jetzt wohl sagen sollte? ‚Hallo mein Name ist Cereza und cih habe mich grade in der Kanalisation mit einem Untoten Skorpion und einer unsterblichen angelegt.‘, nein das klang weniger diplomatisch. Es wäre ein absolutes Wunder gewesen, wenn man sie dort unten nicht bemerkt hatte. Sie hatte dieses knöcherne Ungetüm in die Luft sprengen müssen, allerdings erst nachdem er dem Vieh Testweise zwei Kugeln zwischen die Augen gefeuert hatte. „Ich suche jemanden.“, erklärte sie. Kurz, Aussagekräftig, schlichtweg genial. Der Mann am Lagerfeuer lachte, genau wie seine Kumpane um ihn herum. „Tun wir das nicht alle?“, grinste er, wobei sein Mund unter dem Bart nur schwer zu erkennen war. Sie sollte friedlich bleiben. „Ich suche einen jungen Mann und eine Frau, sie dürften vor Kurzem hier vorbei gekommen sein.“, erklärte sie so kurz sie konnte wen sie suchte. „Ach du meinst die beiden, die gerochen haben, als seien sie grade aus der Toilette gekrochen?“, hakte der Mann nach und lachte erneut. „Du findest sie in der Taverne.“, erklärte er und deutete hinter sich. Hinter ihm befand sich lediglich ein großes, neu aussehendes Haus, was keinerlei Ähnlichkeit mit den Tavernen hatte, die sie aus Izarek und Umgebung kannte. Das Haus war groß, hatte viel zu viele Fenster und hinter ein paar von ihnen ließ sich Kerzenschein erahnen. „Das ist eine Taverne?“, fragte sie nach und schaute den Holzfäller an. „Ja, genau genommen ist es eine Art Hotel für reisende. Die beiden sahen ziemlich fertig aus und die Frau war echt heiß, wenn er klug ist, hat er sie mit unter die Dusche und dann mit ins Bett genommen.“, grinste der Holzfäller amüsiert. Nein Cereza… Keine Toten. Zu viele Zeugen. Sie schaute sich um und nickte dann. Viel zu viele Zeugen. Rylar würde nicht… Wie kam sie darauf? Sie kannte ihn kaum. Sie hatten betrunken miteinander gevögelt, das war aber schon so ziemlich alles, was sie über ihn wusste, aber er war ihr einfach nicht so vor gekommen, wie ein geiler Bock, der seine Hände nicht von Frauen lassen konnte. Genau genommen konnte sie sich in dieser Nacht nicht daran erinnern, dass er sie angerührt hatte. Naja, dass sie am nächsten Morgen nackt aufgewacht war sprach wohl für sich selbst. Sie konnte sich zwar nicht daran erinnern aber er musste sie angefasst haben. Sex funktionierte eben nur mit anfassen. Sie schüttelte erneut den Kopf. „Warum schüttelst du so oft den Kopf? Wer ist der Kerl? Dein Freund?“, der Holzfäller lächelte sie väterlich an und rückte ein Stück zur Seite. „Das Hotel hat noch eine Weile auf, ich sag dir was… Setz dich eine Weile zu uns und erzähl uns deine Geschichte und ich rede mit meiner Frau, dass sie dir das Zimmer billiger macht. Und dir deine Klamotten wäscht.“, grinste er und deutete dabei auf den Platz neben sich. Sie wegte kurz ab. Um das Lagerfeuer saßen ca. 20 Leute. Zwei Handfeuerwaffen mit insgesamt 14 Schuss und zwei Bajonette mit denen sie eine Horde wildgewordener Männer in Schach halten konnte, wenn sie wiedererwartend nicht zum Nachladen kam. Was konnte es schon schaden. „Unter einer Bedingung. Ihr erzählt ihnen nicht, dass ich sie suche.“, erklärte sie mit erhobenen Finger. Die Männer nickten Synchron und Cereza ließ sich neben dem Holzfäller nieder. Plötzlich schämte sie sich dafür, dass sie ihre Klamotten nicht notdürftig im See gewaschen hatten. Sie mussten erbärmlich stinken. Das ließ sich jetzt auch nicht mehr ändern. Außerdem verzogen die Leute um sie herum keine Miene. „Wieso wollt ihr meine Geschichte hören?“, fragte sie erstaunt darüber das jemand Interesse am Schicksal einer einzelnen Frau zeigte. „Wir sitzen hier fast jeden Abend zusammen und erzählen uns immer öfter die gleichen Geschichten. Eine Geschichte ist mehr wert, als man glaubt.“, erklärte er und lächelte sie an. Sie wollten also eine Geschichte hören? „Ich glaube nicht, dass das eine Geschichte für ein Lagerfeuer ist…“, begann sie und der Holzfäller lächelte ihr aufmunternd zu. „Eine Geschichte zu hören ist mit dem erzählen derselben nicht zu vergleichen. Jede Geschichte ändert sich mit dem, der sie erzählt und wir werden diejenigen sein, die deine Geschichte hören, wie sie von dir erzählt wird. Es gibt nichts Besseres als eine neue Geschichte aus dem Mund derer zu hören, die sie wirklich erlebt haben.“, erklärte der Mann und Cereza blinzelte ihn an. Er grinste breit. „Eine Geschichte ist Unterhaltung und Unterhaltung ist viel wert in einer Zeit, in der man am Lagerfeuer sitzen kann und mit seinem Freuden trinken und feiern kann.“, erklärte er kurz angebunden und nickte ihr erneut zu. Sie holte sie tief los und begann damit ihre Geschichte zu erzählen. Sie erzählte wie sie auf der Parade ihrer Mutter begegnet war, erzählte wie ihr Halbbruder entführt wurde und wie Rylar ihn aus der Gewalt des Entführers befreit hatte. Es wunderte sie selbst wie Detailgetreu sie dies alles noch im Kopf hatte und vor allem wie Detailgetreu sie es den Männern erzählte. Sie erzählte wie sie mit Rylar und Cylara zusammen getrunken hatte, wie sich Rylar mit den Betrunkenen Spinnern angelegt hatte. Wie sie zu ihr nachhause gegangen waren und wie sie am nächsten Morgen aufgewacht hatte. Sie ließ nicht mal die Stelle aus, wie sie unter der Dusche geweint hatte und ihn, den Mann den sie kaum kannte vermisst hatte. Sie ließ den Auftrag aus, erzählte aber wie sie den beiden durch die Kanalisation gefolgt war und schließlich hier gelandet war. Als sie endete war es still am Lagerfeuer. Niemand hatte sie unterbrechen wollen und niemand hatte sich geräuspert oder sonst irgendwelche Geräusche gemacht. Es kam wohl nicht oft vor, dass ihnen eine Geschichte mit so viel Gefühl erzählt wurden. Jedenfalls glaubte sie, es mit Gefühl erzählt zu haben, denn erst jetzt fiel ihr auf, das ihr Tränen übers Gesicht flossen. Was war nur mit ihr los? Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter und sie wandte sich um. Hinter ihr stand eine Frau mittleren Alters und lächelte sie an. „Ich glaube wenn du ihn wirklich so sehr magst, wie es in deiner Erzählung rübergekommen ist… Dann hat er noch eine Chance verdient… Oder was meint ihr?“, fragte die Frau und die Holzfäller nickten aufmunternd und grummelten vor sich hin. „Und du wirst die jetzt erstmal ein Zimmer nehmen und baden, während ich deine Klamotten wasche, die sind fast genauso schmutzig wie die deiner Freunde. „Ich habe nicht so viel Geld.“, erklärte sie und schüttelte den Kopf. Die Frau lächelte und wartete einen Moment bevor sie sagte. „Es passiert nicht oft, dass hier jemand eine Geschichte erzählt, die auch einer Frau gefällt. Ich habe sie gehört und sie hat mir gefallen, ich glaube das ist ein Zimmer für eine Nacht wert.“, grinste sie und die Männer um sie herum nickten und grummelten zustimmend. War es wirklich so offensichtlich, dass sie Rylar mochte? Sie kannte ihn doch gar nicht. Sie wusste, dass sie ihn nicht liebte, dafür kannte sie ihn nicht gut genug. Aber irgendwas war da. „Ich weiß nicht ob ich ihn mag.“, seufzte sie und schaute die Frau an. Sie lächelte sanft und legte eine Hand auf ihren Schopf. „Du magst ihn. Das merkt man einfach daran wie du klingst, wenn du über ihn redest, du weißt einfach nicht wie du ihn einordnen kannst, darf ich dir einen Tipp geben? Wenn du glaubst, dass du jemanden magst mach dir ein eigenes Bild und lasse nicht zu, dass dich jemand daran hindert dieses Bild zu gestalten. Diese andere wird ihn dir nicht wegnehmen, jedenfalls nicht wenn du nicht zu lange brauchst.“, erklärte ihr die Frau und Cereza starrte sie an. „Wie kommst du darauf?“, fragte Cereza und die Frau grinste. „Er mag sie nach oben getragen haben, als sie erschöpft auf der Treppe zusammen gebrochen ist, aber er hat ewig lang gehandelt um ein Einzelzimmer für sie zu bekommen. Letztendlich haben ich ihm zwar nicht nachgegeben und sie schlafen in einem Zimmer, aber man sieht es daran, wie er sie angehsehen hat. Er mag sie zwar, aber er weiß genau, dass sie nicht die richtige ist. Wenn er sie ansieht ist es wie der Blick eines Mannes der eine Frau ansieht, und dabei im Hinterkopf genau weiß, dass sie nicht die richtige ist. Und das merken Männer erst, wenn ihnen die Richtige bereits über den Weg gelaufen ist.“, grinste die Frau und der Holzfäller neben Cereza brummte zustimmend. „Lass uns nach drinnen gehen. Du gibst mir deine Klamotten und nimmst in deinem Zimmer, was sich genau neben dem der beiden befindet ein Bad. Du wirst heute Nacht kein Lustvolles Schreien und stöhnen hören. Da bin ich mir ziemlich sicher und wenn doch, dann kannst du dir sicher sein, dass er deine Mühe eben nicht wert ist.“, lächelte die Frau und streckte Cereza eine Hand entgegen. „Also was meinst du?“, fragte sie sanft und Cereza nahm ihre Hand.

 

Mit einem Grinsen beobachtete der Erste wie der Kanaldeckel sich in die Höhe schob, ehe eine schlanke und nicht nur attraktive sondern regelrecht furchteinflößende Frau mit einem Ächzen aus der Öffnung kroch. Blasse Blitze züngelten um ihre Hände, die grausam entstellt waren und allmählich wieder regenerierten, wenn auch nur sehr langsam. Irgendwas stimmte mit ihr nicht. Ihre Energie musste geschwächt worden sein. Langsam erhob er sich und schlang den Mantel aus weißen Federn dichter um sich, als er auf die Frau zuging. „Refa, was ist mit dir passiert?“, hakte er nach und schaute die Frau an. Diese blickte feinselig zu ihm hinauf, doch der Blick wich sofort einem ängstlichen, fast schon ehrfürchtigen Ausdruck. „Diese verdammten Äffchen haben mich überrumpelt.“, erklärte sie und ihr hübsches Gesicht wurde zu einer zornigen Fratze. „Haben sie sich denn unter deiner Macht nicht gewunden und sind vor Angst im Dreck liegen geblieben?“, hakte er nach und verzog die Mundwinkel zu einem finsteren Grinsen. „Eine von ihnen ja, der andere musste ein Gott oder sowas gewesen sein, denn er hat einfach gegen mich gekämpft, als fühle er keine Furcht und die dritte… Sie war zu weit weg.“, erklärte Refa mit finsterer Stimme. Er lachte spöttisch und spuckte aus. „Es gibt keine Götter. Wahrscheinlich hattest du nicht genug Macht um seinen Willen zu unterdrücken. Schwache Vorstellung Refa.“, grinste er mit einem grausamen Ausdruck auf den Lippen. „Was wollt ihr von mir hören Seraph?“, hakte sie nach und hielt ihren Blick weiterhin von seinem Fern. „Ich will wissen, was du von unseren neuen Freunden hältst.“, hakte Seraph nach und grinste sie noch immer an. „Ich bin überrascht… Sie sind gefährlicher, als ich anfänglich dachte. Ich habe sie… Unterschätzt…“, seufzte Refa und schlug den Blick noch weiter nieder. Seraph zog eine Feder aus seinem Umhang, die sofort durch eine andere ersetzt wurde und blies einen Lufthauch darauf. Ein helles Leuchten und die Feder verwandelte sich in ein Schwert, welches er Refa in die Schulter stieß. Refa schrie schmerzerfüllt auf, als die Klinge ihre Schulter durchbohrte. „Habe ich dir nicht gesagt, du sollst sie nicht unterschätzen?“, hakte Seraph mit freundlicher und doch tadelnder Stimme nach und begann die Klinge in ihrer Schulter zu drehen. Sie stieß einen klagenden, schmerzerfüllten Schrei aus, während blasse Blitze an ihrer Schulter zuckten. Die Wunde versuchte sich zu schließen, doch es klappte nicht. Die Klinge drehte sich noch einmal um und eine Träne kroch ihre Wange hinab. „Aber es sind doch nur Menschen… Sie sind schwach und nicht besser als Affen…“, wimmerte Refa unter unerträglichen Schmerzen. „Das ist das Problem an euch aus der zweiten Generation… Ihr habt keine Ahnung wie es ist ein Mensch zu sein.“, brüllte er und riss die Klinge aus ihrer Wunde, Blut spritzte auf seinen Federmantel, jedoch schienen die Federn ihr Blut aufzusaugen, blasse Blitze zuckten über den gefiederten Mantel und einige der Federn nahmen eine zarte Rotfärbung an. „Also? Was hast du gelernt?“, fragte er mit der Stimme eines Oberlehrers, der den Job nur gewählt hat um seine Schüler quälen zu können. „ES SIND NUR MENSCHEN!“, brüllte sie und Seraph stieß einen erneuten Seufzer aus, dann stieß er die Klinge in die andere Schulter der Frau, die erneut aufheulte. „Was du da spürst, nennt sich Schmerz, das spürst du normalerweise nicht, nicht wahr?“, hakte er nach und grinste sie an. Sie schüttelte unter Schmerzen energisch den Kopf und schaute ihn Angsterfüllt an. „Was du da fühlst sind menschliche Gefühle. Angst, das ist das was dich dazu bringt am liebsten wegrennen zu wollen. Hass, das ist das Gefühl was dich dazu bringt mir deine Klauen in den Hals schlagen zu wollen. Und Schmerz, dass ist das was all deine Sinne lähmt und dich an den Boden heftet, was dich zum Schreien bringt, ja genau. Das hier.“, grinste er und drehte die Klinge erneut und Refa schrie. „Das alles sind Gefühle mit denen Menschen immer leben. Du spürst sie nur aus einem Grund im Moment.“, er grinste sie finster an. „Weil du viel Kraft eingebüßt hast, die unter allen Umständen versucht den Schmerz zu unterdrücken, aber nicht so weit kommt, da deine Kraft sich zu sehr darauf konzentriert deine Wunde zu schließen. Und weil ich will, dass du diese menschlichen Gefühle kennen lernst, dann unterschätzt du sie das nächste Mal vielleicht nicht so sehr, immerhin leben sie Tag ein Tag aus mit Angst und Schmerz. Und jetzt sag mir, wie oft haben sie dich getötet?“, erklärte Seraph und Refa krümmte sich unter den unerträglichen Schmerzen. „Fünf Mal…“, erklärte sie keuchend und ächzend. Seraph zog die Klinge aus ihrer Schulter und stieß einen Abgrundtiefen Seufzer aus. „Sie haben es geschafft dich Fünf Mal zu töten und du nennst sie schwach. Menschen sterben nur einmal, sie stehen nicht mehr auf, ihre Wunden schließen sich nur sehr langsam, für sie gibt es keine Wiederauferstehung. Erklär mir doch bitte wie eine Waffe, die zum Töten erschaffen wurde, keine Schmerzen, keine Angst und keinen Tod kennt von drei ‚dummen Äffchen‘ aufgehalten werden kann.“, forderte er sie mit eiskalter Stimme auf und drehte die Klinge in seiner Hand theatralisch um sie auf mögliche Folgen der falschen Antwort hinzuweisen. „Ich habe sie unterschätzt… Das wird mir nicht wieder passieren. Ich schwöre es!“, wimmerte sie lautstark und streckte schützend die Arme vor sich aus. Das Schwert in Seraphs Hand verschwand und er wandte sich von ihr ab. „Solltest du noch einmal versagen werde ich dich nicht so einfach entkommen lassen.“, erklärte er und sah sie dabei nicht an. Refa biss die Zähne aufeinander und sprang auf. Ihre Hände verwandelten sich in riesige Klauen. Sie schlug nach Seraph, der plötzlich außer Reichweite stand, erst dann spürte sie den Schmerz, als ihre Arme zu Boden fielen und Blut aus ihren Stümpfen spritzte. „Vergiss nicht, wer du bist und vergiss niemals wer ich bin.“, erklärte er und ein weiteres Schwert in seinen Händen löste sich auf. Refa sackte auf die Knie und starrte ihn Angsterfüllt an. „Ja… Ich werde es nie wieder vergessen… Vergebt mir… Erster.“, erklang ihre Stimme wie ein Zittern, während die abgetrennten Arme zu dunklem Staub zerfielen und sich von Blitzen umzuckt neu an ihren blutigen Stümpfen neu bildeten zuerst Knochen, dann Blutgefäße, Muskeln, Bänder und Haut. „Schachfiguren sollten ihren Platz kennen um richtig handeln zu können. Ein Bauer ist nur sehr selten dazu fähig die einen Läufer zu schlagen.“, erklärte er und setzte sich ihr gegenüber an einen Baum. „Und jetzt erzähl mir, was dort unten passiert ist. In allen Einzelheiten.“, lächelte Seraph mit finsterem Blick. Refa starrte ihn an und versuchte das Zittern was ihren Körper durchströmte zu ignorieren. Das war also Angst. Das war es, was sie in ihren Feinden auslöste. So fühlte sich das an. Sie versuchte zu sprechen, doch ihre Stimme versagte. „Was ist jetzt also? Ich will meinen Feind kennen, gegen den ich ins Feld ziehe. Erzähl schon, ich schwöre dir, dass ich dir nur dann weh tun werde, wenn ich es als notwendig erachte.“, grinste er sadistisch und in seinen Blick schlich sich ein abgrundtief kranker Ausdruck. „Wenn du dich allerdings weigerst zu sprechen, sehe ich mich gezwungen dich zu motivieren. Und Schmerzen sind ein unheimlicher Motivator, grade, wenn es darum geht sie wieder los zu werden.“, erklärte Seraph mit diesem betäubend kranken Grinsen auf den Lippen. Refa schluchzte und machte sich auf mehr Schmerzen gefasst. Die Nacht war noch lang und Seraph war nicht für seine Gnade bekannt.

Kapitel 7

 

Seine Augenlider flatterten und allmählich kehrte sein Bewusstsein in die Realität zurück. Ein langes Seufzen entglitt seiner Kehle, als er bemerkte, dass sein Kopf schmerzhaft auf einer Tischplatte lag. Er hob den Kopf und zwinkerte. Auf dem Tisch lag eine Karte der Stadt ausgebreitet. Zwei Orte waren mit einem roten Stift eingekreist und mit einer Linie verbunden.  Nie hätte er gedacht, dass sie einen so langen Weg durch die Kanalisation zurückgelegt hatten. Irgendwie kam ihm das seltsam vor. Als sein Blick über die drei angrenzenden Gebiete schweifte, stieß er einen Seufzer aus. Richtig. Sie waren von Izarek hier her gelangt… Die angrenzenden Gildengebiete waren Izarek, Rakdos und Vayrem. Izarek und Vayrem ließen sich als Zufluchtsort ausgrenzen, wer würde schon in das Gebiet fliehen, aus dem er grade geflohen war und Vayrem schied als Hochburg der Gerechtigkeit auch aus. Das Reizüberflutete Rakdos kam dann doch näher, obwohl um es zu erreichen ein sehr langer Marsch durch den Wald notwendig wäre. Grade weil man sagte, dass der Wald jeden fest hielt, der sich nicht darin auskannte. Der Wald trug eine Menge magische Energie in sich, sodass diese Aussage wahrscheinlich nicht mal falsch wäre. Am vernünftigsten wäre es, wenn sie sich einen Führer durch den Wald suchten. Er stand auf und streckte sich. Kopfschmerzen pochten in seinem Schädel, aber er ignorierte sie so gut es ging. Sein Blick fiel auf das Bett in dem eine eingekuschelte Cylara lag, die ihn gestern Nacht zum wiederholten Mal dazu angehalten hatte mit ihr das Bett zu teilen. Erst nachdem er ihr versprochen hatte später nachzukommen hatte sie von ihm abgelassen. Er tat ein paar Schritte in Richtung der Balkontür und stieß sie ab. Er lehnte sich an das Geländer und starrte in den Himmel. Der Wind flüsterte ihm etwas zu, wehte ihm einen bekannten Geruch in die Nase und erst jetzt schaute er zur Seite und schaute Cereza in die Augen, die ihn überrascht entgegenblickte. Unbeeindruckt hob er die Hand, zwar überraschte ihn, sie unbedingt hier wieder zu sehen, aber er ließ es sich nicht anmerken. Nun allerdings wurde ihm einiges klar. Sie musste ebenfalls durch die Kanalisation gekommen sein. Vor seinem geistigen Auge tauchte erneut die Vision auf, wie der Kopf der unsterblichen Frau vor seiner Nase in tausend Teile zersprang. „Danke für deine Rückendeckung.“, erklärte er und bemerkte erst jetzt, dass er lediglich in Unterwäsche da stand, die Herbergsmutter hatte seine Klamotten noch nicht zurückgebracht. Wie auch, immerhin war er erst jetzt wach um die Klamotten entgegen zu nehmen. Cereza hatte ihren Körper wenigstens in ein Badetuch gehüllt, das würde anders auch keinen Unterschied mehr machen. Er konnte sich noch lebhaft an jedes Detail ihres nackten Körpers erinnern, dass er gesehen hatte. Cereza blickte ihn nun etwas genervt an. „Was meinst du?“, fragte sie und schaute ihn an, als wäre er derjenige, der ihr folgte. „Da unten in der Kanalisation… Ich wäre nicht schnell genug gewesen um  vor dieser Tussi weg zu laufen, während ich Cylara getragen habe… Du hast mir den Arsch gerettet und das weiß ich zu schätzen.“, erklärte er mit ruhiger Stimme. Hätte sie den Kopf dieser Tussi nicht mehrmals in einen blutigen Brei verwandelt hätte, wäre er jetzt wahrscheinlich schwer verletzt oder tot. In ihren Augen schien so etwas wie Freude und zugleich Bedauern um die Vorherrschaft zu kämpfen. „Ich weiß nicht wovon du redest…“, gab sie zurück und schaute empört weg. „Ich glaube es gibt da draußen niemanden, der dein Lungenvolumen und deine Rundungen besser kennt als ich.“, seufzte er und schaute weiter gen Himmel. Windmagie war zur Spionage ein wahres Wunder der Magie. Cereza wurde rot und ihr Blick finster. „Und jetzt wo du meinen Körper so gut kennst und getestet hast machst du dir hier ein paar schöne Tage mit Cylara?“, brachte sie entrüstet hervor und schaute ihn wütend an. Er schüttelte langsam den Kopf. „Nein… Ich habe nicht mit Cylara geschlafen. Nicht, dass es nicht vieles einfacher gemacht hätte ihr einfach nachzugeben… Aber so bin ich einfach nicht… Verdammt ich weiß ja nicht mal wirklich ob ich damals mit dir geschlafen habe… Wir sind zwar nackt nebeneinander aufgewacht, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir irgendwas getan haben…“, seufzte er und stützte das Gesicht auf die Hand. Sie schluckte, ein deutliches Zeichen dafür, dass sie es auch nicht wusste. „Darf ich dir eine Frage stellen?“, hakte sie nach und schien es ernst zu meinen. Rylar nickte ruhig und schaute zu ihr hinauf. „Wenn ich damals nicht so angebrüllt hätte… wärst du zum Frühstück geblieben?“, hakte sie nach und schien es gleich darauf zu bereuen, er hätte ehrlich gesagt eine andere Frage erwartet, aber, wenn sie das wirklich wissen wollte… „Ja… Wenn du nichts dagegen gehabt hättest, wäre ich auch zum Frühstück geblieben.“, erklärte er mit ruhiger und müder Stimme. Sie nickte und seufzte dann. „Das hab ich mir gedacht.“, erklärte sie und seufzte leicht. „Das war ehrlich gesagt, die erste Begegnung, die ich in dieser Art und Weise hatte… Ich kann dir nicht verübeln, dass du reagiert hast, wie du es getan hast, ich selbst war auch ziemlich erschrocken und irritiert…“, erklärte er müde und blinzelte ihr zu, der Sonnenaufgang, der sich hinter ihr bemerkbar machte blendete ihn etwas. Sie schenkte ihm ein herzliches Lächeln. „Wieso damals der Spruch ‚Ein Mann genießt und schweigt‘? Du hättest mir doch einfach sagen können, dass du keine Ahnung hast, was passiert ist…“, hakte sie nach und blinzelte ihn sanft an. „Sei mal ehrlich… in diesem Moment… Hättest du mir das geglaubt? Ich war in dem Moment so überrumpelt, dass ich selbst keine Ahnung hatte was ich getan oder nicht getan habe.“, erklärte er mit ruhiger Stimme. Sie schloss kurz die Augen. „Wahrscheinlich hast du Recht.“, erklärte sie mit einem Seufzer und lächelte. „Eigentlich… fand ich es schön…, dass…“, begann sie und wurde rot, Rylars Blick wandte sich in den Himmel. „Ich fand es auch schön… nicht alleine zu sein, wenn ich aufwache…“, erklärte er mit kühlem, in weite Ferne gerichtetem Blick. Die Röte, die ihr ins Gesicht schoss war nun unaufhaltsam.  „Ich weiß, dass du einsam bist. Du bist eine Soldatin. Die Beziehung zu deiner Familie scheint nicht besonders stark zu sein, und jede Nacht fragst du dich, ob es, wenn du ein paar andere Entscheidungen getroffen hättest, anders wäre. Ob du möglicherweise glücklich geworden wärst. Ob du jemanden hättest, der dir die Zeit erträglicher macht. Es gibt auf der Welt nichts, was grausamer ist als Einsamkeit.“, seufzte Rylar und hatte die Augen geschlossen. „Was meinst du… Haben wir miteinander geschlafen?“, fragte Cereza und schaute schüchtern in seine Richtung. Was für eine dämliche Frage. Rylar zuckte mit den Schultern. „Die Frage wäre eher, ob es zählt, wenn sich keiner von uns daran erinnern kann.“, gab er zurück und lächelte sie etwas bitter an. „Da könntest du recht haben…“, reagierte sie mit einem Nicken. „Beantworte mir eine Frage… Wenn das ganze hier vorbei ist… Gibt es dann eine Chance, dass ich dich auf ein nicht alkoholisches Getränk einladen darf? Ich würde gerne wissen, wie ein normales Date mit dir ausgehen würde…“, hakte Rylar nach, im Licht der Sonne, dass über sein Gesicht fiel, konnte sie nicht erkennen ob er dabei rot wurde oder nicht. „Wieso willst du mich einladen? Cylara ist deutlich hübscher als ich und sie scheint absolut nichts dagegen zu haben.“, gab sie zurück und verzog das Gesicht etwas. Sie wusste, dass sie hoch pokerte, aber was wollte er mit so einer Frage bezwecken? „Cylara ist eine tolle Frau… Bestimmt… Es gibt bestimmt viele Männer, die ihr Wesen bevorzugen würden… Aber ich will nicht einfach nur Sex und dann meine Ruhe. Ich will nicht mehr alleine sein. Wir müssen kein Paar werden, es geht mir einfach darum, dass ich glaube, dass wir beide gut miteinander auskommen würden.“, erklärte er und sie starrte ihn an. Hatte er das grade wirklich gesagt? Er hatte soeben allem widersprochen, was sie von Männern zu wissen geglaubt hatte. Er hatte eben gesagt, dass er mehr Interesse an ihr als Person hatte, als nur an ihrem Körper. „Wenn wir das hier überleben, dann würde ich gerne einen Kaffee mit dir trinken gehen, aber nicht vorher… Wie machen wir das jetzt? Tuen wir so, als hätten wir uns hier niemals gesehen?“, fragte Cereza nach und Rylar streckte sich, wobei die Symbole auf seinem Körper in der Morgensonne zu funkeln schienen. „Ich weiß nichts von irgendeinem Treffen… Ich träume nur vor mich hin und versuche darüber nachzudenken, wie ich mit dir reden werde, wenn ich dich in Izarek wieder sehe.“, erklärte er, lächelte und öffnete die Augen. Allmählich stand er auf. „Na wenn das alles nur ein Traum ist, darfst du aus der Traumwelt gerne etwas mitnehmen.“, kicherte sie sanft und packte ihn über den schmalen Abstand zwischen den Balkonen an sich heran, schaute ihm kurz in die Augen, was ihr einen lustvollen Seufzer entgleiten ließ und küsste ihn. Zuerst riss er die Augen erschrocken auf, dann jedoch schien ihn ein innerer Friede ergriffen zu haben, während ihn die Hitze ihrer Lippen ganz in ihren Bann zog. Küsste er sie grade wirklich? Oder war das wirklich nur ein Traum. Was war mit ihm los? Er fühlte sich mit einem Mal voller Kraft und einfach unheimlich gut. In diesem Moment zählte nichts weiter als ihre Nähe, die Wärme ihrer Lippen und ihrer Haut, als er es ihr gleich tat und die Augen schloss um den Kuss einfach nur zu genießen, öffnete sie ihren Mund und ließ ihn ein. Ihre Zungen liebkosten sich, schmeckten einander, während sie miteinander spielten, nur getrennt durch einen kleinen Abstand zwischen den Balkonen, den sie beide mit einem kurzen Sprung ohne Weiteres hätten überwinden können. Er wollte sie, wollte sie schmecken, ihren Körper berühren und mit ihr zusammen sein, aber er konnte nicht. Er durfte sich jetzt nicht so ablenken lassen, als ihre Lippen sich trennten schauten sie sich beide gleichsam hungrig an. „Sicher, dass wir noch warten sollten bis das alles vorbei ist?“, fragte Cereza mit lustvollem Blick und schien es ernst zu meinen. Er durfte sich nicht ablenken lassen. Mit schmerzerfülltem Gesicht nickte er. „Es gibt nichts, was ich jetzt lieber tun würde, als dir auf dein Zimmer zu folgen… Und dort wo wir aufgehört haben weiter zu machen. Aber ich darf mich nicht ablenken lassen… Dieser Auftrag ist überlebenswichtig…“, seufzte er mehr, als er sprach und sie lächelte ihn an. „Wenn du fertig bist… Warte ich auf dich.“, seufzte sie und ging einen Schritt zurück. Sie ließ das Handtuch fallen und präsentierte sich ihm vollkommen Nackt. Was war hier nur los? Dieser Wald musste Frauen verrückt machen. Oder er träumte einen sehr langen und sehr realistischen Traum. Sie zwinkerte ihm zu, lächelte und verschwand dann hinter der Tür in ihr Zimmer. Kraftlos ließ er sich wieder auf den schmalen Balkon sinken.

 

Cereza sank an der Tür zusammen. Hatte sie das grade wirklich getan? Wieso? Was hatte dieser Kerl nur an sich, dass sie sich so befreit fühlte, nachdem sie ihn geküsst hatte. Was hatte dieser Kerl an sich, dass sie ihn überhaupt küsste. Sie kannte ihn nicht Mal wirklich. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht. Sie konnte nicht fassen, dass sie sich ihm erneut nackt gezeigt hatte. Sie hatte doch das erste Mal kaum verkraftet und diesmal hatte sie es vollkommen freiwillig getan. Irgendwas stimmte doch nicht mit ihr. Irgendwas stimmte hier absolut nicht. Sie legte sich die Hände vor die Augen. Stellte die Aussicht, an ihm jemanden gefunden zu haben, der möglicherweise mit ihr zusammen sein wollte, so etwas mit ihr an? Sie konnte es kaum glauben. Nicht nur, dass sie ihn geküsst und sich vor ihm nackt ausgezogen hatte, nein, sie wäre auch noch ohne Umschweife dazu bereit gewesen mit ihm zu schlafen und verdammt nochmal, sie würde es noch immer tun. Würde er jetzt an ihre Tür klopfen, würde sie ihm einfach aufmachen, ihn erneut küssen und sich an einer beliebigen Stelle des Zimmers von ihm nageln lassen. Das sommerliche Klima dieses Waldes schien ihrem Gemüt nicht gut zu tun. Und dementsprechend wie irritiert Rylar sie angesehen hatte, war das nicht das erste sexuelle Angebot gewesen, was er heute erhalten hatte. Sie hatte zwar Legenden darüber gehört, dass der magische Wald von Varyz eine sehr eigentümliche Wirkung auf junge Menschen haben konnte. Und wenn sie daran dachte, dass sie sich seitdem sie den Wald betreten hatte nach ihm verzehrte, obwohl sie ihn gar nicht kannte, verstand sie was hier los war. Der Wald verstärkte Gefühle. Schön und Gut… Aber hätte er nicht einfach nachgeben können? Dann hätte sie ihn danach einfach dafür hassen können, dass er ihre Situation ausgenutzt hatte, aber nein, er hatte nein gesagt und jetzt… Jetzt wollte sie ihn verdammt nochmal noch mehr. Es wurde Zeit, dass sie den Wald verließen. Wenn sie noch weiter daran dachte, wie sie Rylar auf dem Bett, in der Dusche oder auf dem Gottverdammten Fußboden verführte und vernaschte, beziehungsweise sich von ihm vernaschen ließ würde sie noch durchdrehen. Wieso verdammt nochmal machte es sie so an, dass er es abgelehnt hatte mit ihr zu schlafen. Das war doch vollkommen unwirklich. Dieser Wald machte sie krank. Liebeskrank. Sie musste hier weg. Aber wohin? Sie sprang auf und wollte zur Tür rennen. Rechtzeitig fiel ihr auf, dass sie ihr Handtuch draußen auf dem Balkon zurück gelassen hatte und sie vollkommen nackt im Zimmer stand. Das konnte auf keinen Fall normal sein. In einer normalen Atmosphäre würde sie sich niemals so verhalten… oder doch? Das konnte doch einfach nicht wahr sein. Die Dusche. Ja sie würde sich unter die kalte Dusche stellen und ihn in Gedanken vernasch… Töten, sie würde ihn Gedanken töten. Hey. Sie fühlte sich gleich viel besser. Allmählich klang der Wirbel der Lust, der sie gefangen hatte ab. Allmählich konnte sie wieder normal denken. Was zur Hölle war nur mit ihr los gewesen. Sie Schritt in Richtung Dusche und stellte sich unter die Duschbrause. Dann stellte sie das Wasser auf möglichst kalt und stellte das Wasser ein. Sie biss die Zähne zusammen, als das kalte Wasser sie von oben übergoss. Genau das was sie jetzt brauchte. Sie sank auf den Boden der Dusche und genoss das kalte Wasser. Es schien so, als würde es ihr das ganze etwas angenehmer machen. Irgendwie wollte sie jetzt trotz allem Rylar bei sich haben. Wieder spielte ihr Verstand ihr einen Streich. Sie stellte sich vor, wie er sie unter der Dusche umarmte und sie küsste. Sie stellte sich erneut seinen Geschmack vor, den sie geschmeckt hatte, als sie sich leidenschaftlich geküsst hatten, dieser berauschende Geschmack, der sie von oben bis unten mit wohligen Schauern belohnt hatte und sie dazu gebracht hatte darüber nachzudenken mit ihm zu schlafen… Ihre letzte sexuelle Erfahrung war eindeutig viel zu lange her. Sie interpretierte da  viel zu viel hinein. Am Ende war das alles was er gesagt hatte nur dafür gewesen, weil er nicht wusste ob er sie befriedigen konnte. Genau. Er hatte bestimmt nein gesagt, weil er nicht gut im Bett war. Warum war sie sich jetzt sicher, dass sie sich selbst belog? Am liebsten hätte sie geschrien, wäre ins Nebenzimmer gerannt und hätte sich selbst davon überzeugt. Egal ob sich Cylara mit ihm ein Zimmer teilte. Vollkommen egal. Sie würde ihn nicht bekommen. Nicht wenn sie ein Wort mit zu reden hatte. Sie würde alles daran setzen, dass ihre Gedanken nicht nur Gedanken blieben, dass ihre Fantasien Realität wurden. Sie kannte ihn kaum, aber irgendwie schaffte er es, dass sie ihn nicht vergessen konnte. Irgendwie schaffte er es, dass sie allen Ernstes darüber nachdachte, wie es wohl wäre an seiner Seite zu leben. Seine Frau zu sein. Wenn sie ihn besser kennen würde, würde sich vielleicht herausstellen, dass er gar nicht so toll war. Aber sie würde es auf garkeinen Fall zulassen, dass Cylara ihr die Entscheidung abnahm. Sie würde um ihn kämpfen. Sie würde nicht aufgeben bis sie starb oder ihn endlich so für sich hatte, wie sie es sich in diesem Moment vorstellte. Wahrscheinlich waren das die mit Abstand sinnlosesten Gedanken, die sie jemals gehabt hatte, aber es war ihr egal. Sie wollte ihn kennen lernen, sie wollte im Augenblick sogar einfach mit ihm zusammen sein. Komme was da wolle. So seltsam und unrealistisch es auch war. Sie wollte ihn. Und niemand würde ihr dazwischenfunken. Weder Cylara, noch irgendeine andere Frau. Sie stieß einen wohligen Seufzer aus und bemerkte mit einem Mal wieder wie kalt das Wasser war. Sie wiederstand dem Drang aufzuspringen. Der Boden war glatt von der Nässe des kalten Wassers, wenn sie ausrutschte wäre niemanden geholfen und schon gar nicht ihr. Sie seufzte und vergrub das Gesicht erneut in ihren Händen. Ein leises Lachen drang aus ihrer Kehle. Sie fühlte sich wie ein kleines Mädchen, was zum ersten Mal glaubte verliebt zu sein. Sie fühlte sich warm, trotz des kalten Wassers und auch das Kribbeln in ihrem Bauch, fühlte sich gut und richtig an. Es wurde Zeit, dass sie sich der Wahrheit stellte. So wie es aussah hatte sie sich in Rylar verliebt. Sie wollte es nicht glauben, aber im Moment wäre das besser, als sich einfach nur dagegen zu sträuben. Gut. Sie war also verliebt. Sie versuchte sich krampfhaft daran zu erinnern wie es war, als sie sich das erste Mal verliebt hatte. Sie erinnerte sich an die Worte ihrer Mutter. ‚Wenn du einen Jungen magst, dann darfst du nicht aufgeben, seine Sympathie zu gewinnen. Lerne ihn immer besser kennen und wenn du sicher bist, dann wird sich der Rest von ganz allein verwirklichen.‘, mit einem Lächeln legte sie den Kopf gegen die Wand und ließ sich von den seidigen Wasserstrahlen massieren. „Also Gut Mama… Mal sehen ob das ganze wirklich etwas bewirkt.“, seufzte sie mit wohligen Kribbeln im Bauch, als sie an ihn dachte. Sie war ein hoffnungsloser Fall. Jedenfalls war sie ihm und seinem Charme hoffnungslos ausgeliefert. Was hatte sie letztendlich nur in die Arme eines Mannes getrieben, der stets dazu bemüht war, wie ein Arschloch zu wirken…

 

Cylara streckte sich, so wie sie war, nackt und wunderschön. Teile des Lakens klebten noch an ihrem verschwitzten Körper. Sie war es nicht gewohnt, dass es außen so warm war. Daher hatte sie sich wie gewohnt eingekuschelt. Sie gähnte und schaute auf die andere Seite des Bettes. Enttäuscht stellte sie fest, dass die andere Seite des Bettes verwaist war. Offensichtlich hatte Rylar sich einen anderen Ort zum Schlafen ausgesucht. Schade, immerhin konnte sie sich ziemlich genau daran erinnern, wie sie ihn vergangene Nacht mehr oder weniger dazu gedrängt hatte mit ihr das Bett zu teilen. Zwar hatte er auf sehr glaubhafte Art und Weise klar gemacht, dass er im Augenblick kein Interesse daran hatte mit ihr zu schlafen und zwar, indem er es in dem Moment sagte, als sie ihre nackten Brüste an seinen Rücken drückte, aber sie hatte aus welchem Grund auch immer die Hoffnung gehabt ihn umstimmen zu können, wenn sie sich im Bett an ihn schmiegte. Schade. Wenn sie genau hin sah, sah es fast so aus, als hätte er die ganze Nacht am Tisch gesessen und über der Karte von Inistra gebrütet. Ob er wohl etwas herausgefunden hatte? Ein seltsames Gefühl beschlich sie und sie seufzte leicht, während sie sich erneut streckte. Allmählich schwand die Müdigkeit und blieb nur noch zum letzten, bekannten Rest vorhanden. Sie stieg aus dem Bett und schaute sich um. Rylar saß völlig benebelt aussehend auf dem Balkon. Noch immer nur in Unterwäsche gekleidet. Ein seltsamer Anblick, wenn man daran dachte, dass sein ganzer Körper mit irgendwelchen Brandnarben gekennzeichnet war. Sie stieß einen Seufzer aus und zog sich das an, was ihr geblieben war. Ihre Unterwäsche. Es war kaum abzusehen, wann die Herbergsmutter ihre Klamotten zurückbringen würde. Es war auf jeden Fall nötig gewesen, die Klamotten zu waschen, hätte sie noch einmal den Geruch der Kanalisation in der Nase gespürt, hätte sie sich wahrscheinlich auf das gemütliche Bett übergeben. Oder auf Rylar. Je nachdem, was näher gewesen wäre. Stattdessen roch sie die frische Luft, die von der halb geöffneten Balkontür hereinströmte. Der Wald von Varyz hatte seinen ganz eigenen Charme auf Touristen und im Augenblick waren sie nichts anderes. Touristen. Im Endeffekt waren sie die Exekutive von Izarek, aber es musste nicht unbedingt jeder wissen, dass sie einen Verbrecher verfolgten, der irgendeinen wahnsinnig gefährlichen Gegenstand aus den Laboratorien von Izarek hatte mitgehen lassen. Mit leisen und kleinen Schritten ging sie in die Richtung der Balkontür und klopfte sanft dagegen. Rylar öffnete die Augen und blickte ihr müde entgegen. „Hast du die ganze Nacht da draußen verbracht?“, hakte sie mit ruhiger, zuckersüßer Stimme nach und er schüttelte abwesend den Kopf. Er schien noch nicht ganz da zu sein. Was sollte sie auch erwarten. Immerhin hatte sie das Bett in Beschlag genommen. „Nein… Die Nacht hab ich am Tisch verbracht. Ich brauchte nur etwas frische Luft glaube ich.“, erklärte er mit einem schlaftrunkenen Ausdruck im Gesicht. Es sah eindeutig nicht so aus, als wäre er schon lange auf den Beinen. „Verstehe… Hast du etwas herausgefunden?“, fragte sie mit sachlichem Ausdruck, ohne darauf zu sprechen zu kommen, dass er sie Nachts nicht besucht hatte. „Ja und Nein… Ich bin mir bis auf einen kleinen Restzweifel sicher, dass unser spezieller Freund auf dem Weg nach Rakdos ist. Es würde für ihn einfach keinen besonderen Sinn machen nach Izarek zurück, geschweige denn nach Vayrem zu reisen.“, erklärte er mit einer gewissen Sicherheit in der Stimme. Das leuchtete ein. Aus Izarek war er geflohen und es war nicht abzusehen, dass bereits jeder Jäger und Inquisitor in Vayrem nach ihm suchte. Immerhin war Vayrem die Hochburg des Gerichts. Keine Gilde besaß eine so starke, Judikative Ausprägung wie diese. Nein.  Es war sehr unwahrscheinlich für den Dieb nach Vayrem zu fliehen. Rakdos hingegen war perfekt um zwischen den Menschenmassen zu verschwinden. Das ganze Gildenterritorium von Rakdos bestand aus Kasinos und anderen Attraktionen, die dafür da waren sich den Rest gesunden Menschenverstand möglichst wirksam aus dem Kopf zu blasen. Rakdos war die einzige Stadt, die sich öffentlich damit brüstete, keine besonderen Gesetze zu haben. Viel mehr blieb was in Rakdos geschah in Rakdos. Es gab keine behördliche Verfolgung. Rakdos regelte alles auf seine eigene Art, auch wenn diese Art manchmal vorsah, dass man als Leiche in der Gosse endete. Das passierte wirklich nicht selten in einem Gebiet wie Rakdos. Sie seufzte und nickte. „Das ist wohl das wahrscheinlichste. Aber um nach Rakdos zu gelangen müsste er den gesamten Wald durchqueren und das ist nun wirklich nicht einfach. Immerhin sagt man nicht umsonst, dass der Wald von Varyz Menschen verschwinden lässt. Was machen wir jetzt?“, hakte sie nach und schaute zu Rylar hinüber. „Wir sollten uns einen Führer durch den Wald suchen, ansonsten verlaufen wir uns noch und das wäre alles andere als gut. Meinst du wir finden hier jemanden, der dazu in der Lage ist uns nach Rakdos zu führen?“, hakte er nach und blickte sie mit noch immer müden Augen an. „Ich glaube es ist das beste, wenn du erstmal duschen gehst. Du siehst müder aus, als es gut für dich ist.“, erklärte sie mit einem Seufzen. Mit allem Anderen konnten sie sich später beschäftigen. Aber es wäre fahrlässig mit einem müden Rylar durch den Wald zu rennen. Er hatte ihr in der Kanalisation oft genug den Hintern gerettet um zu wissen, dass sie sich besser nicht mit ihm umgab wenn er zu müde war um zu kämpfen oder sonst irgendetwas zu tun. „Das ist glaube ich, gar kein schlechter Plan. Sein Blick wanderte kurz nach rechts auf den anderen Balkon. Sie konnte nicht sehen was er sah, aber es wurde wohl Zeit freundlich nebenan anzuklopfen und wem auch immer klar zu machen, dass Rylar nicht zur Verfügung stand, solange sie noch nicht mit ihm fertig war. Ein Grinsen lief über ihre Mundwinkel, wenn sie daran dachte, wie sie Cereza manipuliert hatte. Sie hatte die beiden einfach nur ausziehen müssen, als sie vom Alkohol völlig besinnungslos da lagen und schon war der Zweifel geweckt. Es konnte für beide kein Wunder sein, dass sie sich an nichts erinnern konnten und wie es zu erwarten war hatte Cereza ihn unter lautem Geschrei aus ihrer Wohnung vertrieben. Zugegeben, kurzzeitig hatte sie wirklich Mitleid mit den beiden, aber es war einfach viel zu witzig sich auszumalen, wie die beiden, die sich den ganzen Abend zuvor schöne Augengemacht hatten, nackt nebeneinander aufwachten und Cereza komplett am Rad drehte, weil sie keine Ahnung hatte was in der vorherigen Nacht geschehen war. Es war nicht schwer zu rekonstruieren, was zwischen den beiden geschehen war. Nichts. Beide waren viel zu betrunken gewesen um sich auch nur gegenseitig an zu grapschen. Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, Rylar bei Cereza zu lassen. Aber er war einfach eingeschlafen und sie hatte ihn nicht mehr wach bekommen. Es wäre viel besser gewesen, wenn das eingetroffen wäre, was sie für den Abend geplant hatte. Sie hatte eigentlich vor gehabt ihn mit zu sich zu nehmen. Immerhin war nächtliche Einsamkeit etwas, was einfach nur frustrierend war. Ja. Frustrierend traf es recht gut. So hätte sie wenigstens etwas gehabt, woran sie sich kuscheln konnte und am nächsten Morgen hätte er gedacht es sei irgendwas zwischen ihnen passiert. Und er wäre wieder gekommen, nur um zu sehen ob es ihr gut ging. Jedenfalls war so der Plan gewesen. Sie stieß einen Seufzer aus, als Rylar im Bad verschwand. Diesmal würde sie nicht hinterhergehen. Er hatte sie bereits gestern abgewiesen, warum also sollte es heute Morgen anders sein? Nein. Es klopfte an der Tür, mit schnellen Schritten überquerte sie den Abstand und öffnete die Tür einen dünnen Spalt durch den sie hindurch spähte. Vor ihr stand die Herbergsmutter und grinste ihr mütterlich zu. Sie öffnete die Tür ganz und versuchte ebenfalls zu lächeln. „Guten Morgen. Habt ihr den Abend genossen?“, fragte die betagte Frau mit einem breiten Grinsen. Warum auch immer, aber sie hatte den Wunsch ihr dieses Grinsen aus dem Gesicht zu prügeln. „Ja. Alles in Ordnung. Wir haben großartig geschlafen.“, erklärte sie und nahm einen Stapel Klamotten entgegen, welche die Herbergsmutter ihr reichte. Die Klamotten rochen frisch und sauber. Sehr gut. „Die Klamotten dürften wieder in Ordnung sein.“, erklärte sie und versuchte an Cylara vorbei zu sehen. „Euer junger Freund ist im Bad?“, fragte sie mit sanfter Stimme und Cylara nickte leicht. Die betagte Frau nickte ebenfalls. „Gut, dann werde ich mal wieder weiter gehen.“, grinste sie und zwinkerte Cylara zu, dann schloss sie die Tür. Erst zu spät fiel ihr der zweite Stapel Klamotten auf, den sie unter dem linken Arm getragen hatte. Irgendwie bezweifelte sie, dass die Herbergsmutter die Klamotten aller Neuankömmlinge wusch. Bei Rylar und ihr hatte sie bestimmt eine Ausnahme gemacht, weil sie dank der Kanalisation gestunken hatten, als hätte man eine ganze Kloake über ihnen ausgeleert. Kurz dachte sie darüber nach, dass auch Rylar zu einem Zimmer rechts von ihnen gespäht hatte. Könnte derjenige dem sie folgten auch hier sein? War das möglich? Sie seufzte und zog ihre Klamotten vom Stapel und begann sich wieder an zu ziehen. Es fühlte sich seltsam an, wieder in ihre Klamotten zu schlüpfen, vor allem, weil sie so weich waren und so gut rochen. Das war lange her gewesen. Schweigend zog sie sich ihr Top und die Hose an, dann überlegte sie den Schal anzulegen. Nein. Es würde reichen, wenn sie das später tat. Gedankenverloren zog sie den Gürtel um ihre Taille fest und verstaute den Dolch in der zugehörigen Scheide. Sie dachte kurz darüber nach. Rylar war zwar müde gewesen, aber hätte er denjenigen dem sie folgten irgendwo gesehen, wäre er doch sofort hellwach gewesen und hätte ihm noch in Unterwäsche die Tür eingeschlagen um ihn fest zu nehmen. Oder etwa nicht? Wahrscheinlich hätte er das. Aber er hatte nicht mal zu seinen Waffen hingeschielt, das hieß was immer er gesehen hatte war zwar interessant, aber nicht gefährlich gewesen oder eben das, was sie suchten. Aber was könnte jemanden wie Rylar dazu bringen so interessiert in eine Richtung zu blicken? Gute Frage. Mit misstrauischem Blick öffnete sie die Tür zum Balkon, lehnte sich an das Geländer und spähte in die Reihe der anderen Balkons rechts von ihrem Zimmer. Auf dem Balkon direkt rechts, neben ihrem lag ein loses, weißes Stück Stoff auf dem Boden. Ein Handtuch? Sie versuchte durch das Fenster zu blicken,  aber die Fenster und Balkone waren so angelegt, dass man von dort aus, nicht besonders viel sehen konnte. Zwar hätte sie ohne Probleme auf den anderen Balkon herüberklettern können. Zwischen den beiden Balkonen befand sich weniger als ein halber Meter Abstand. Auf Privatsphäre schien man in diesem Hotel nicht allzu viel zu geben, dafür allerdings waren die Betten weich, die Zimmer sauber und das Personal sehr nett und zuvorkommend. Irgendwo gab es wohl immer etwas zu kritisieren. Sie seufzte. Ein Handtuch, was hatte das wohl zu bedeuten? Und warum sollte es jemand hier draußen zurück lassen? Sie atmete tief durch und dachte mit einem Schlag darüber nach, wie es wäre Rylar unter der Dusche zu verführen. Fehlanzeige. Das hatte sie gestern schon versucht. Ohne Erfolg. Dieser Wald löste wirklich seltsame Gedanken in ihr aus. Der Wind glitt durch ihr Haar und wirbelte es sanft herum. Dieser Wald. Es wurde Zeit, dass sie ihn verließen. So wie es aussah war Rakdos der nächste Anhaltspunkt, den sie hatten. Sie dachte kurz nach. Von Rakdos gab es eine Anbindung an zwei Gildenbezirke. Vayrem und Razzia. Das machte überhaupt keinen Sinn. Razzia war eine militärische Hochburg, die niemanden ihre Tore passieren ließ, es sei denn, er hat eine ausdrückliche Erlaubnis. Das musste heißen, dass der Dieb, den sie verfolgten im Auftrag von Razzia gehandelt hatte. Das machte erschreckend viel Sinn, vor allem wenn man bedachte, dass eigentlich niemand, der nicht zu Razzia gehörte genau weiß was im Gildengebiet vor sich geht. Was wäre wenn sich hinter den Mauern von Razzia bereits ein Heer verbirgt, was dazu bereit ist die anderen Gilden anzugreifen und in Schutt und Asche zu verwandeln? Eine erschreckende Vorstellung. Sie wussten immer noch nicht, was genau dieser Kerl jetzt wirklich aus Izarek hatte verschwinden lassen. Aber eines stand fest. Wenn dieser Dieb tatsächlich für Razzia arbeitete, dann hatten sie kaum noch Zeit. Er durfte die Gilde auf keinen Fall erreichen.

 

Thesallia seufzte vor Langeweile, während sie dabei zusah, wie ihr Messer immer wieder über das grobe Stück Holz gleiten glitt, dass allmählich die Form eines kleinen Vogels annahm. Dieses Dorf war wirklich langweilig. Es war einfach unfassbar, wie langweilig es am Rande eines magischen Waldes werden konnte. Zwar kannte sie mehr Sorten Tiere, als die meisten Menschen außerhalb des Waldes, aber dafür hatte sie keine Ahnung von den Menschen, die abseits des magischen Waldes lebten. Ihr Blick wanderte über die Baumwipfel, die sich vor ihr erstreckten. Niemand kannte den Wald so gut wie sie, allerdings hatte sie sich nie getraut den Wald zu verlassen. Natürlich war sie neugierig, aber so Neugierig, dass sie sich freiwillig aus dem Schutz des Waldes schälte und sich in einen Bezirk flüchtete, der nicht von der Magie des Waldes beseelt wurde konnte doch wirklich niemand sein oder? Langsam wischte sie sich die vom Morgentau nassen grünen Haare aus dem Gesicht und schaute sich um.  Der Baum auf dem sie saß war zwar groß, aber lange nicht so groß, wie manch andere Bäume im Zentrum des Waldes. Wenn sie nach links blickte sah sie die Häuser der kleinen Wohnsiedlung, wenn sie allerdings nach rechts blickte sah man außer Bäumen so gut wie gar nichts mehr, wenn man mal davon absah, dass man in diesem Wald allen möglichen und unmöglichen Tieren begegnen konnte. Sie seufzte gequält und zog sich die Kapuze aus groben, grünen Stoff ins Gesicht, während sie daran arbeitete ihrer Schnitzerei den letzten Schliff zu verpassen. Das war doch alles langweilig. Was wohl in der Siedlung los war? Gute Frage. Geistesabwesend ließ sie Messer und Schnitzerei in einer Tasche verschwinden und erhob sich vom Ast ihres Lieblingsbaumes. Sie stieß einen sanft klingenden Seufzer aus, als sie einfach so, ohne darüber nachzudenken vom Ast sprang und auf einem anderen landete, dann sprang sie erneut, schwang sich an einem anderen, nicht so robust aussehenden Ast weiter auf den nächsten. Sie kannte diesen Wald wie ihre Westentasche, wusste genau welche Äste ihr Gewicht trugen und welche nicht. Es war für sie eine absolut normale Sache von einem riesigen Baum auf die Häuser der Siedlung herunter zu blicken und noch normaler war es für sie von Baum zu Baum zu springen. Es gab nichts Einfacheres. Sie sog tief die Luft ein und wagte einen weiteren Sprung, hielt sich an einem robusten Ast fest und nutzte den Schwung direkt um auf einen anderen Ast zu schwingen. Nichts leichter als das. Gelangweilt ging sie auf dem dicken Ast, von dem sie ohne weitere Anstrengung auf das Dach des Hotels hätte springen können, wenn sie gewollt hätte, in die Hocke. Der Wind fegte über ihren Kopf hinweg. Wenn man eines über den Wald wissen musste, dann, dass der Wind hier ziemlich unberechenbar war. Allerdings nicht für sie. Sie grinste und setzte einen Fuß vom Baum in die Luft. Mit einem kaum hörbaren Geräusch landete sie auf dem Dach des Hotels. Nichts leichter als das. Tief sog sie den Atem ein und genoss den frischen Geruch der Natur, der hier alles umgab. Es gab einfach keinen besseren Geruch. Neugierig blickte sie auf den Balkon herunter auf dem grade eine wahnsinnig hübsche Frau mit schwarzem Haar stand und auf die benachbarten Balkone hinüber blickte. Würde sie den Blick etwas heben, hätte sie Thessalia gesehen. Wäre nicht das erste Mal, dass ein Gast des Hotels sie gesehen hätte, wie sie auf den Dächern herumspazierte, aber sie ging dummen Fragen lieber aus dem Weg. Diese dummen Fragen würde man nicht ihr stellen, sondern der Herbergsmutter und die Herbergsmutter würde sofort wissen um wen es geht und damit zu Thessalias Mutter gehen, die ihr zum hundertsten Mal erklären würde, dass es den Leuten Angst einflößte, wenn sie auf den Dächern herum spazierte. Wie sie diese Standpauken hasste. Sie war bereits 17 Jahre alt und damit alt genug um für sich selbst zu entscheiden, was sie tat. Ihre Mutter hatte ihr da einfach nicht mit herein zu reden. Das war jedenfalls ihre Meinung. Als das Haar der Schönheit unter ihr vom Wind erfasst wurde bemerkte sie, dass das Haar nicht nur Schwarz war, nein. Hin und wieder blitzten in ihrem Haar weiße Strähnen auf. Es sah wahnsinnig gut aus. Gerne hätte Thessalia ihre Figur und ihr Haar gehabt. Aber ihre Figur war eher mager und ihr Haar ein störriger Wisch Mob aus  grünen Locken. Genervt blickte an sich herab und betrachtete ihren Körper. Die Brüste waren nicht groß genug um irgendeinem Mann auf Anhieb den Kopf zu verdrehen und ihr Hintern war zu schmal, als dass sich auf der Straße irgendjemand nach ihr umgedreht hätte. Es war frustrierend. Ihre Mutter hatte immer gesagt, dass eine schlanke Gestalt gut war, aber warum so schlank? Nur zu gerne hätte sie richtige Körperrundungen gehabt, aber irgendwie schien ihr Körper ihr da nicht wohlgesonnen zu sein. Sie seufzte genervt und ertrug es nicht weiter zu der schwarzhaarigen Schönheit dort unten herab zu blicken. Es war nicht fair, dass es Frauen gab, die aussahen wie sie. Genervt ließ sie sich auf den Hintern fallen und seufzte auf. Es wurde ganz dringend Zeit, dass sie sich irgendwie von der Langeweile hier draußen ablenkte. In die anderen Gebiete außerhalb des Waldes allerdings traute sie sich nicht alleine. Der Wald war ihr vertraut, sie war hier immerhin aufgewachsen, aber sobald sie an die Grenzen eines anderen Gildenterritoriums gelangte verließ sie der Mut und sie wusste, dass sie sich dort nicht auskannte. Wenn sie jemanden hätte mit dem sie das Gebiet der Gilde betreten könnte, der mehr Vertrauen in den eigenen Orientierungssinn hatte als sie… Das würde einiges verändern. Doch so jemanden gab es für sie nicht und würde es in absehbarer Zeit auch nicht geben. Gestern Nacht hatte sie das Lagerfeuer eines reisenden gesehen, der den Wald zu durchqueren versuchte, aber er sah ziemlich gehetzt aus, außerdem stank er zum Himmel. Nein, ihm hätte sie sich nicht als Führerin angeboten. Auf garkeinen Fall. Auch wenn er möglicherweise ein netter Kerl war. Aber dieser Geruch war einfach unerträglich gewesen. Vielleicht gab es ja Reisende, die den Wald ebenfalls durchqueren wollten… Wie hieß die Gilde hinter dem Wald… Rakdos… Wenn man denen glaubte, die von dort kamen, egal ob es jetzt außenstehende oder jene waren die sich als Führer durch den Wald anboten, sie sagten alle das gleiche. Rakdos war ein Ort der Vergnügung jeglicher Art, aber auch ein absoluter Schandfleck auf der Karte von Inistra. So wie es aussieht war der Gildenbezirk voll mit Leuchtreklamen, Kasinos oder anderen Orten des zweifelhaften Vergnügens. Einen Blick wäre es auf jeden Fall wert. Obwohl sie sagen musste, dass sie Izarek interessanter gefunden hätte. Allerdings war Izarek von hier aus so gut wie überhaupt nicht zu erreichen. Der direkte Zugang war seit Jahren von einem riesigen Baum versperrt, der quasi über Nacht gewachsen war und alle überrascht hatte. Egal wie oft versucht worden war diesen Baum zu fällen um den Durchgang wieder frei zu machen, der Baum wuchs jeden Morgen neu, egal ob man ihn nun einfach fällte, in Stücke hackte oder verbrannte. Er stand einfach am nächsten Tag wieder da, so als sei nichts gewesen. Es war fast so, als wollte der Wald verhindern, dass etwas von Izarek nach Varyz gelangte. So ein Jammer. Zu gerne hätte sie die spitzen Türme einmal aus der Nähe gesehen und eine der großen Paraden besucht, die von allen Reisenden immer so angepriesen wurden. Es ging sogar das Gerücht um, dass der Gildenmeister von Izarek ein echter feuerspeiender Drache war. Allein um das zu sehen würde sich ein Ausflug in diesen Gildenbezirk lohnen. Ein wirklich echter Drache. Sie glaubte eigentlich nicht an sowas. Tiere, die es in diesem Wald nicht gab, würde es auch in Izarek nicht geben. Völlig ausgeschlossen, aber so viele Reisende konnten sich doch gar nicht irren. Oder? Sie hasste ihre Neugier dafür, dass sie nicht aufhören konnte daran zu denken, den Wald zu verlassen. Sie liebte den Wald, aber ihr sehnlichster Traum war es schon immer gewesen ein Abenteuer zu erleben und sie konnte sich nicht vorstellen, dass es hier in diesem Wald eine Gelegenheit dafür bieten würde. Genug Trübsal geblasen. Sie richtete sich auf und blickte wieder auf den Balkon herunter. Dort stand niemand mehr. Schade. Sie hätte die gerne noch einmal gesehen. Und wenn es auch nur darum ging sich selbst zu bemitleiden, dass sie eben einen solchen Körper nicht hatte. Die Natur war eben grausam. Sie streckte sich und stieß ein lauten und langgezogenes Gähnen aus. Heute war ein besonderer Tag sein. Es konnte einfach nicht anders sein, sonst würde sie hier noch vor Langeweile drauf gehen. Heute würde sie den Wald verlassen. Ganz bestimmt.

 

Rylar sog tief den Atem ein, der Wald gab ihm ein seltsames Gefühl und allmählich verstand er auch warum. Das was Cereza und Cylara innerhalb der Zeit hier getan hatten um sich an ihn heranzuschmeißen gab ihm auf unheimliche Art und Weise Gewissheit, dass dieser Wald auf seltsame Art und Weise Einfluss auf die Menschen nahm. Der Wind hielt seit dem ersten Tag alle Arten von Pollen und natürlichen, durch die Luft weitergetragenen Gifte von ihm fern. Und er war dankbar dafür. Natürlich hätte er wahrscheinlich schon längst wilden Sex mit beiden Frauen gehabt, aber er mochte es Herr über seine Gefühle und Regungen zu sein. Es kam nicht in die Tüte sich von einem magischen Wald derartig beeinflussen zu lassen. Es gab tatsächlich Momente in denen er wirklich dankbar dafür war über die Magie des Windes zu verfügen. Sie nützte zwar kaum zur offensiven Anwendung, aber dafür hielt sie magische Schädlinge von ihm fern. Mit einem ruhigen Seufzer schritt er weiter an die große Baumreihe vor sich heran. Cylara ließ es sich noch gut gehen. Sie duschte und Rylar wollte ehrlich gesagt nicht auf ihre Rückkehr warten. Von einer so baldigen Wiederholung des gestrigen Abends war er nicht besonders angetan. Selbstverständlich hatte sie einen schönen Körper und es fehlte ihr auch nicht an Leidenschaft oder ähnlichem aber im Augenblick wollte er es einfach nicht ausnutzen. Weder bei ihr noch bei Cereza. „Sie sollten den Wald nicht betreten Mister.“, erklang eine selbstbewusste, weibliche Stimme hinter ihm. „Ach nein? Das ist schade… Ich muss ihn durchqueren…“, erklärte Rylar und wandte sich zur Quelle der Stimme um. Vor ihm stand ein sehr schlankes junges Mädchen von vielleicht 17 Jahren. Die langen grünen Locken hingen ihr in wilden Locken über das hübsche Gesicht und sie blickte ihn abschätzend an. „Ihr müsst den Wald durchqueren? Wohin wollt ihr? Nach Rakdos?“, fragte die junge Frau mit einem hoffnungsvollem Lächeln. „Von Wollen kann nicht die Rede sein… Ich suche jemanden und die Vermutung liegt nahe, dass er sich nach Rakdos abgesetzt hat.“, erklärte Rylar mit ernster Stimme. Zu lügen hatte hier wenig Sinn. „Ihr sucht jemanden, der allein diesen Wald betreten hat?“, fragte sie mit hochgezogener Augenbraue. „Ihr werdet ihn nicht finden, dieser Wald verschlingt alle, die sich nicht in ihm auskennen.“, erklärte sie mit ruhiger Stimme und lächelte ihn an, als hätte sich sein Problem soeben in Luft aufgelöst. „Selbst wenn… ich darf auf keinen Fall zulassen, dass er sein Ziel erreicht. Natürlich ist es möglich, dass er einfach in diesem Wald stirbt, aber ich glaube nicht, dass er das Risiko eingehen würde durch den Wald zu gehen, wenn er keine Hoffnung hat wieder heraus zu kommen.“, erklärte Rylar mit ruhiger Stimme und schaute der jungen Frau in die Augen. „Ich verstehe. Nun… Wenn das so ist. Ich kann euch führen. Ich kenne den Wald und all seine Eigenheiten.“, erklärte die junge Frau und Rylars Blick wechselte zu Misstrauen. „Was hättest du davon mir zu helfen?“, fragte Rylar mit ruhiger Stimme und sie lächelte. „Ich möchte mal was anderes sehen als diesen Wald. Ich lebe schon mein ganzes Leben hier und kann all das Grün und die Bäume langsam nicht mehr sehen.“, erklärte sie sachlich und Rylars Blick wurde noch misstrauischer. „Ich helfe euch, wenn ihr mir versprecht mich nach Izarek zu bringen.“, erklärte das junge Mädchen mit vollem Ernst in der Stimme. Rylar ließ es sich durch den Kopf gehen. „Du würdest mich also durch den Wald leiten, wenn ich später zurück komme und dich nach Izarek mitnehme?“, hakte Rylar nach, sie auf die Mission mit zu nehmen wäre zu gefährlich. „Nein, ich würde an eurer Seite bleiben, bis ihr ihn gefunden habt und auf dem Rückweg bringt ihr mich in Izarek vorbei.“, erklärte die junge Frau grinsend. „Nichts für ungut, aber ich vertraue euch nicht.“, setzte sie fort und schaute Rylar an, als sei er dazu prädestiniert sie übers Ohr zu hauen. Sein Blick war finster und sie grinste ihn einfach nur an. „Das ganze kann wahnsinnig gefährlich werden.“, erklärte Rylar mit vorsichtigem Unterton in der Stimme. „Umso besser. Dann gibt’s wenigstens auf der Reise etwas Action.“, erklärte die junge Frau und schien nun wirklich Feuer und Flamme zu sein. „Ich rede davon, dass wir sterben könnten.“, erklang seine Stimme vollkommen ernst und sie blinzelte ihn an. „Glaub mir, an deinem ‚Abenteuer‘ wird das gefährlichste sein durch den Wald zu gelangen. Bist du schon mal einem Tatzelwurm, einem Dracus oder einem Schrat begegnet?“, fragte sie nach und schaute ihm ernst entgegen. Rylar schüttelte den Kopf. „Tatzelwürmer sind riesige Drachenähnliche Tiere, Dracus sind zwar Pflanzenfresser, aber sie sind nicht dafür bekannt, dass sie besonders viel Rücksicht auf Menschen zeigen und Schrate… Hoffen wir einfach, das wir keinem begegnen.“, erklärte sie und schüttelte sich kurz bei dem Gedanken einem Schrat zu begegnen. Rylar dachte darüber nach und schüttelte dann den Kopf. „Da wo ich hingehe, falls ich ihn nicht rechtzeitig fasse, wird mich jeder töten wollen, genau wie diejenigen die mit mir zusammen sind.“,  erklärte er mit ruhiger Stimme. „Glaub mir… Ich kann auf mich aufpassen.“, erklärte sie mit ruhiger Stimme. Ihr Blick war vollkommen ernst und er wusste, dass sie es so meinte, wie sie es sagte. „Wie viele Menschen hast du in deinem Leben getötet?“, fragte er und schaute ihr ernst in die Augen. Sie tat kurz einen defensiven Schritt zurück, entspannte sich dann aber wieder. „Zwei.“, erklärte sie und schaute Rylar finster entgegen. Offensichtlich war er der Erste, dem sie das erzählt hatte. „Der Wald hatte sie gefangen und sie wurden unter Schreien unter den Wurzeln eines Trugwurzlers vergraben… Ich habe ihnen beiden einen Pfeil zwischen die Augen verpasst… Wer einmal von einem Trugwurzler gefangen wird hat keine Chance mehr und endet als lebendiges Futter.“, erklärte sie und ihr Blick wurde kurz trüb. „Okay… Ein Angebot. Ich lade dich auf einen Kaffee ein und du erklärst mir was ein Trugwurzler ist und warum du mich führen willst. Allerdings ermahne ich dich nochmal, dass es gefährlich werden kann und wenn es wirklich gefährlich wird, will ich, dass du dich im Hintergrund hältst.“, erklärte Rylar mit ruhiger Stimme. Die junge Frau nickte und schaute ihm mit gleichem Ernst in die Augen. „Mein Name… Ist übrigens Rylar. Wie heißt du?“, erklärte er und sein Blick verriet, dass er sie vollkommen ernst nahm. Nach dem was er in der Kanalisation gesehen hatte, würde er alles glauben. „Thessalia… du kannst mich Tessa nennen.“, antwortete sie und er nickte und wies mit einer Hand auf ein Schild, was auf ein Restaurant oder sowas ähnliches hinwies. Sie nickte und zusammen setzten sie sich an einen Tisch. „Also? Was ist ein Trugwurzler?“, fragte er und lächelte so gut er es unter Anbetracht der Umstände konnte. Sie stieß einen Seufzer aus. „Ein Trugwurzler ist ein Monster. Es tarnt sich als normaler Baum und übernimmt eigentliche alle Eigenheiten eines Baumes. Mit dem Unterschied, dass ein normaler Baum keine Menschen mit Wurzeln einwickelt und ihnen die Lebensenergie entzieht.“, seufzte Tessa und er legte die Stirn in Falten. „Klingt nach einer Schauergeschichte für Kinder.“, erklärte er und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Das dachte ich damals auch, aber als ich damit angefangen habe im Wald zu jagen, habe ich schnell gemerkt, dass viele der Schauergeschichten, die man sich erzählt wahr sind. All die Monster von denen man sich erzählt Schrate, Basilisken, Wyvern, Gorgonen… Trugwurzler… Es gibt sie alle. Vielleicht gibt es sie nur in diesem Wald… Aber es gibt sie.“, seufzte sie und schaute Rylar dabei tief in die Augen. „Die Legende sagt, dass der Trugwurzler sofort, wenn er ein Opfer packt damit beginnt ihnen die Lebensenergie zu entziehen…“, sie verzog angewidert das Gesicht, als sie darüber nachdachte. Diese beiden Wanderer… Der Trugwurzler hatte sie nur an den Beinen gepackt und hatte damit begonnen sie einzuwickeln, aber der Mann… Sein Gesicht wurde mit jedem Augenblick älter und älter… Ich hab sowas noch nie zuvor gesehen. Ich dachte mir damals… Es wäre grausam sie ihrem Schicksal zu überlassen. Zwei Pfeile später waren sie von ihrem Leid erlöst und egal was man Trugwurzlern nachsagt… Sie sind nicht besonders gut darin die Verfolgung von Jägern aufzunehmen.“, erklärte sie ihr Erlebnis und barg die Stirn an ihrer Hand. „Ich glaube… ich bin in meinem Leben noch nie so schnell gerannt.“, seufzte sie noch und eine Kellnerin kam zu ihnen gerannt. Mit einem Lächeln bestellte Rylar zwei Kaffee. „Du bist eine Jägerin?“, fragte er ungläubig und schaute sie genau an. Es sah nicht so aus, als würde sie viel Zeit in der Siedlung verbringen. „Waldläuferin… Trifft es eher. Ich nehme das was ich zum Leben brauche, auch wenn das impliziert, dass ich das eine oder andere Tier töten muss. Meine Mutter lebt in der Siedlung aber sie ist hier nicht geboren… Kinder die hier geboren werden haben eine bestimmte Verbindung zum Wald…“, erklärte sie und lächelte etwas beschämt. „Es lässt sich schwer erklären… Die Menschen die hier herkommen… Mit ihnen passiert etwas… Der Wald hat seltsame Auswirkungen auf sie, aber jene, die hier geboren sind, sind gegen diese Auswirkungen vollkommen immun.“, erklärte sie und lächelte ihn dann an. „Frauen und Männer… Die nicht hier her gehören werden sehr schnell sehr… Zutraulich. Wenn du verstehst was ich meine.“, grinste sie und zwinkerte ihm verführerisch zu. Rylar legte die Stirn in Falten und seufzte. „Ja, ich fürchte, ich weiß ziemlich genau was du meinst.“, antwortete er mit einem Seufzen. „Seltsamerweise habe ich nicht das Gefühl, dass du davon beeinflusst wirst, normalerweise laden mich Männer nur selten zum Kaffee und eher häufig in ihre Zimmer oder Quartiere ein.“, grinste sie und zwinkerte ihm wieder zu. Offensichtlich wollte sie ihn ärgern. „Windmagie. Dieser Einfluss, den der Wald ausübt scheint durch die Luft übertragen zu werden. Möglicherweise Pollen oder sowas. Ich setze Windmagie ein um einen leichten Windwirbel um mich zu erzeugen, der jede Art von Pollen oder ähnlichen von mir ablenkt.“, erklärte er und lächelte sie an. „Klingt interessant… Darf ich…?“, sie streckte ihre Hand in seine Richtung aus und Rylar unternahm nichts um sie aufzuhalten. Kurz bevor sie sein Gesicht berührte spürte sie tatsächlich einen leichten Windhauch, der ihn umgab. Er wäre ihr entgangen, hätte sie nicht darauf geachtet. Der Windhauch war bei Weitem nicht stark genug um einen Menschen oder ein Tier von ihm fern zu halten, aber Pollen oder fliegende Keime waren so leicht, dass sie von der Luft getragen wurden, somit wirkte dieser leichte Windwirbel um ihn herum aus um ihn zu schützen. „Wie bist du darauf gekommen? Also ich meine, dass der Wald Einfluss auf die Leute hier nimmt?“, fragte mit ruhiger Stimme und Rylar zuckte die Schultern. „Gar nicht… Ich bin nur etwas paranoid und der Wind macht das automatisch und passt sich den Begebenheiten um mich herum an, wenn ich mich etwas unbehaglich fühle. Ich schätze das ist normal bei Windmagiebegabten Personen.“, gab er zurück und Tessa kicherte etwas, als sie darüber nachdachte. „Darf ich fragen, warum du diesen Typen schnappen musst?“, hakte sie nach und schaute ihn ernst an. „Auftrag von ganz oben.“, grinste er und sie übernahm sein Grinsen. „So so… Du bist also ein Agent im Auftrag der Regierung?“, grinste sie ungläubig, warum hatte sie grade das Gefühl, dass jeder der so etwas behauptete sie lediglich ins Bett kriegen wollte. Rylar lachte leicht und lächelte sie dann an. „Ich bin Jäger und zufälligerweise zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.“, erklärte er nun etwas ernster und ihr Grinsen schwand ebenfalls allmählich. „Ein Menschenjäger aus Vayrem?“, fragte sie etwas ungläubig und Rylar nickte leicht. „Stimmt es, dass ihr Menschen tötet um euren Lebensunterhalt zu verdienen?“, hakte sie nach und zog ihren Stuhl etwas von ihm weg. Er zuckte mit den Schultern. „Manche tun das bestimmt, aber es ist nur selten so einfach. Vayrem ist eine Gilde, die sich der Gerechtigkeit verschrieben hat und an schlichtem und einfachem Mord ist nichts gerecht… In den meisten Fällen werden uns Aufträge erteilt, die darauf abzielen einen Straftäter lebendig zu fangen. Jeder hat das Recht auf einen ehrlichen Prozess. Das heißt ich fange die Leute auf den Steckbriefen und bringe sie in eine Einrichtung in der sie bis zu ihrem Prozess festsitzen. Im Prozess können sie beweisen, dass sie mit dem was ihnen vorgeworfen wird nichts zu tun haben… oder sie können es eben nicht. Straftätige deren Schuld unvermeidbar fest steht werden allerdings auf den Steckbriefen sehr oft besonders gekennzeichnet.“, erklärte er und schaute sie ernst an. „Und was für Kennzeichnungen wären das?“, hakte sie ruhig nach und wartete gespannt auf eine Antwort. „Das hängt davon ab, was sich die Person auf dem Steckbrief hat zuschulden kommen lassen. Ein gelber Punkt kennzeichnet ihn als bewiesenen Wiederholungstäter in kleinen Verbrechen. Zum Beispiel Diebstahl oder Sachbeschädigung. Ein Orangener Punkt kennzeichnet die Person auf dem Steckbrief als bewiesenen Wiederholungstäter in schweren Verbrechen wie zum Beispiel Körperverletzung oder… Vergewaltigung.“, erklärte er mit ruhiger Stimme obwohl ihn das Wort ‚Vergewaltiger‘ besonders anzuwidern schien. „Ein roter Punkt kennzeichnet die Person auf dem Steckbrief als bewiesenen Wiederholungstäter in schweren Verbrechen und wenn ein Steckbrief einen roten Punkt trägt ist derjenige dessen Gesicht sich auf dem Steckbrief befindet Vogelfrei. Weißt du was das bedeutet?“, hakte Rylar nach und gespannt nickte Tessa. „Wenn man Vogelfrei ist werden einem alle Rechte aberkannt. Das heißt es ist erlaubt ihn auf offener Straße zu überfallen, ihn zusammen zu schlagen oder ihn zu töten.“, erklärte sich Tessa und Rylar nickte. „Ein roter Punkt auf dem Steckbrief toleriert die komplette Eliminierung des Ziels, soweit man einen Beweis für das Ableben des Subjekts beweisen kann. Sehr gerne werden für diesen Fall die Köpfe der gesuchten Personen als Beweis genommen, daher kommt der Ausdruck Kopfgeldjäger. Wenn ein Steckbrief einen roten Punkt aufweist bedeutet das, dass es vollkommen egal ist, wenn der gesuchte tot oder lebendig den Strafvollzugsbehörden überreicht wird. Wenn ein Steckbrief keinen roten Punkt aufweist und man einen Straffälligen tot beim Strafvollzug abliefert wird die Belohnung die auf ihn ausgesetzt ist nur sehr stark gekürzt ausgezahlt. Deswegen achten die meisten Jäger darauf ihre Ziele nicht umzubringen.“, erklärte er fertig und schaute ihr in die Augen. „Du wolltest mir jetzt damit sagen, dass du kein Rücksichtsloser Mörder bist?“, hakte sie nach und schaute ihn etwas ungläubig an. Er nickte. „Und was für einen Punkt hat der Steckbrief desjenigen, den du verfolgst?“, fragte sie mit ruhiger und zeitgleich etwas angespannt klingender Stimme. „Er hat keinen Steckbrief. Izareks Regierung möchte vollkommenes Stillschweigen über ihn und das was er getan hat bewahren.“, erklärte er und schaute ihr noch immer tief in die Augen. Sie atmete tief ein. „Soll das heißen…?“, fragte sie abgehackt und Rylar nickte. „Es ist nicht gelogen. Ich bin im Auftrag von der Regierung von Izarek unterwegs um diesen Mann zu fangen.“, erklärte er und wartete ihre Reaktion ab. Spannte sich deutlich an und suchte in seinem Gesicht vergeblich nach einem verräterischen Zucken. „Bist du dir sicher, dass du mir helfen möchtest, auch wenn ich diesen Mann möglicherweise vor deinen Augen töten muss?“, hakte er nach und sie schluckte. „Ja. Ich werde dir helfen. Unter einer Bedingung…“, erklärte sie und Rylar schaute ihr in die Augen. „Wenn das alles vorbei ist, möchte ich, dass du mich nach Izarek mitnimmst.“, grinste sie etwas gequält, war sie wirklich dazu bereit diese Gefahr einzugehen um diesen Wald zu verlassen und Izarek zu sehen? Rylar konnte es nicht sicher einschätzen. „Gut. Aber ich habe auch eine Bedingung. Wenn es gefährlich wird hältst du dich im Hintergrund und du begibst dich auf keinen Fall in Gefahr.“, erklärte er und sie lächelte ihn an. „Als wäre ich so blöd, mich selbst in Gefahr zu bringen. Ich weiß wann ich geschlagen bin und ich weiß noch genauer wo meine Grenzen sind.“, erklärte sie mit ruhiger und sanfter Stimme. Er nickte und seufzte. Sie grinste und ihr Grinsen erlosch, als sie erkannte, wer sich soeben hinter Rylar aufgebaut hatte. „Ähm… Papa… Mama…“, lächelte sie etwas verlegen und Rylar wandte sich zu ihnen um. Er schaute in das Gesicht eines bärtigen Holzfällers und einer besorgten jungen Frau. „Hi.“, entgegnete er knapp und zwang sich ein Lächeln ab. Möglicherweise hätte er sie fragen sollen wie alt sie war.

 

Cylara gähnte gedehnt und streckte sich, als sie draußen das hysterische Gekreische eines jungen Mädchens hörte. Sie blinzelte und stand auf. Sie schritt zum Balkon und musste grinsen. Dort unten rief tatsächlich ein Mädchen, aber nur weil ein älterer Mann Rylar grade im Schwitzkasten hielt und ihm mit der Faust die Frisur richtete. Ein seltsamer Anblick und irgendwie passte das nicht zusammen, normalerweise würde wenn es nach ihr ging Rylar den Mann im Schwitzkasten halten. „Papa, hör auf damit, du bringst ihn um!“, krisch das Mädchen und Cylara musste grinsen. „Ach was, der verträgt das schon.“, erklärte der Mann und schien Rylar noch fester in den Schwitzkasten zu nehmen. Innerlich fragte sie sich wie lange Rylar sich das wohl noch gefallen lassen würde, dann sah sie wie Rylar den massigen Körper des Mannes über sich katapultierte und er lachend im Dreck landete ehe Rylar, nach Atem ringend da stand und sich vorn über beugte. „Verdammt nochmal… Ich hoffe sie haben sich nichts getan…“, erklärte Rylar prustend und noch immer nach Atem ringend, während der Mann wieder aufstand und sich den Staub von der Hose klopfte. „Alles gut, man du bist kräftiger als du aussiehst.“, lachte der Mann und ging auf Rylar zu um ihm auf den Rücken zu klopfen. „Das hört man doch immer wieder gerne von Leuten, die einem die Luft abdrücken.“, hustete Rylar und richtete sich auf. Er überragte den Mann um einen Kopf und auf seinen Lippen zeigte sich die Andeutung eines Lächelns. „Gibt es einen Grund für ihren abrupten Angriff?“, hakte er mit noch immer kratziger Stimme nach. Er war von hier oben wahnsinnig schlecht zu hören. Das war wirklich schade.Sie hätte gerne gewusst worüber sich die beiden im Detail unterhielten, aber sobald ihre Stimmen wieder normale Lautstärke erlangt hätten, würden sie von hier oben kaum noch zu hören sein. Das Mädchen wandte den Blick in ihre Richtung, sie lächelte und winkte. Der Blick des Mädchens verfinsterte sich und schenkte ihr einen tödlichen Ausdruck. Wow das hätte sie fast nicht besser hinbekommen. Was dieses Mädchen wohl gegen sie hatte? Naja, wie auch immer Rylar würde schon einen Grund haben mit ihr zu reden, jedenfalls hoffte sie das für ihn. Hatte er sie etwa angebaggert? Der konnte was erleben. Er gehörte ihr, hoffentlich begriff er das endlich mal. Sie biss die Zähne zusammen und bemühte sich weiterhin um einen freundlichen Blick. Nein junge Dame nicht mit ihr. Sie würde ihr wahres Gesicht erst zeigen, wenn sie ihr einen Strick daraus drehen konnte. Sie brauchte nicht einmal Make Up um ein junges Mädchen wie sie auszustechen. Vielleicht jeder andere… Aber nicht sie. Sie hatte in ihrem Leben zu viel durchgemacht, hatte zu viel Erfahrung, kein Mädchen im Alter von, mit viel Glück 18 Jahren konnte mit ihr mithalten. Nicht mal, an ihrem schlechtesten Tag. Ihr Blick fiel durch zum Nachbarbalkon und kurz schien sie etwas in einer der Ecken wahrzunehmen. Dort lag eine Handfeuerwaffe. Eine Handfeuerwaffe aus Izarek. Das war recht einfach herauszufinden. Was Handfeuerwaffen oder generell Schusswaffen anging war Izarek den anderen Gilden um Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte voraus. Während die meisten Gilden noch mit Schießpulver hantierten oder teilweise unnötig Zeit verschwendeten um die Kugeln einzeln in eine Revolvertrommel zu laden setzte Izarek auf größten Teils automatische Pistolen, deren Kugeln in Magazinen bis zu 10 Kugeln luden. Das Erscheinungsbild der Waffe war schon ein Indikator dafür, dass sie aus Izarek kam. Mit einem ruhigen Atemzug verließ sie den Balkon, prüfte noch einmal ihre Klamotten und verließ das Zimmer. Auf dem Weg nach unten richtete sie sich mit ein paar schnellen Handgriffen die Haare und steckte sie mit einer Haarnadel hoch, die sie aus einem kleinen Beutel zog, der neben ihrem Dolch an ihrem Gürtel hing. Rylar würde schon noch begreifen, dass sie jede Frau ausstechen würde, die sich an ihn heran machte. Sie würde sich die Entscheidung, ob er nun interessant war oder nicht von niemanden abnehmen lassen. Auf gar keinen Fall. Auch wenn das bedeutete, dass sie versuchen musste die Erinnerungen an ihn, aus dem Gedächtnis jeder Frau, die sich zu nah an ihn heranwagte löschen musste. Ihre Mutter hätte es gekonnt. Also würde sie es auch schaffen. In Gedanken an ihre Mutter lief es ihr eiskalt den Rücken herunter. Sie schüttelte energisch den Kopf um die Erinnerung zu verdrängen. Keine Zeit für schlechte Erinnerungen, es wurde Zeit eine Frau auszuschalten, die in Ihrem Gebiet wilderte. Sie würde auf garkeinen Fall verlieren. Ein sicheres Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie die Treppe hinunter in die Haupthalle hinunter schritt. Das Lächeln auf ihren sinnlichen Lippen wurde breiter und sie zog sich die dunkle Kapuze ins Gesicht, als sie die Tür öffnete und das Hotel verließ, ihr Blick war auf Rylar gerichtet, der sich lächelnd mit dem älteren Mann unterhielt, der das Mädchen, möglicherweise seine Tochter in einem Arm an sich drückte. Es war ihr sichtlich unangenehm. Das würde es nur einfacher für sie machen. Sie würde Rylar mit niemanden teilen, weder mit Cereza, noch mit ihr. Ob sie ihn liebte war irrelevant. Rylar war ein Testsubjekt. Noch nie zuvor hatte sie jemanden erlebt, der einen so starken Willen hatte.

Kapitel 8

 

 Thessalia seufzte erneut, als ihr Vater sich nun endlich überschwänglich verabschiedete. Es hatte lange gedauert, bis Rylar ihn dazu überzeugt hatte, dass sie ihn begleiten durfte. Mit dem Argument ‚Was könnte wohl gefährlicher sein als ein Wald voller Monster und den überlebt ihre Tochter schließlich auch ständig.‘, hatte er ihn letztendlich überzeugen. Naja diesem Argument und der Tatsache, dass er mehrfach versprochen hatte sie vor allen möglichen Gefahren mit seinem Leben zu beschützen. Eine schon fast romantische Vorstellung, hätte er es ihr versprochen und nicht ihrem Vater. Des Weiteren hatte er ihm versprochen, dass er sie gesund und munter zurück nachhause bringen würde, wenn sie sich an Izarek satt gesehen hatte. Langsam tastete sie nach ihrem Geldbeutel, der von ihrem Vater großzügig gefüllt worden war. Jetzt hatte sie nur noch ein Problem. Ihr Blick wanderte zu der jungen Frau mit dem nachtblauen Kapuzenmantel. Es handelte sich dabei um die gleiche, wunderschöne Frau, die sie zuvor auf dem Balkon des Hotels beobachtet hatte. Sie war sich ihrer Schönheit durchaus bewusst und Tessa hasste sie dafür. Es war ihr egal, dass sie versuchte nicht mit ihrer Schönheit anzugeben, jedenfalls nicht so, dass Tessa etwas davon mitbekam. Diese verdammte Tussi hielt sich ständig in Rylars Nähe auf, schmiegte sich immer wieder an ihn obwohl ihm das sichtlich unbehaglich war. Rylar war ihr egal. Sie konnte ihn haben, es gab da draußen deutlich hübschere und interessantere Männer als ihn. Was ihr gegen den Strich ging war, dass Cylara in ihr das Gefühl auslöste ein Kind zu sein. Ein Gefühl, was Cylara auch immer wieder bei Rylar befestigte. Wie konnte man einem Führer vertrauen, der in den eigenen Augen noch ein Kind war? Rylar seufzte und blieb stehen, ein paar Meter vor ihm begann der Wald wirklich dicht zu werden. „Bist du dir sicher, dass wir uns nicht einen erfahreneren Führer organisieren sollten?“, hakte Cylara erneut nach und es fühlte sich erneut an, wie ein Schlag in die Magengrube. Vielen Dank auch. Rylar schüttelte den Kopf. „Wir haben bereits zu viel Zeit verloren, außerdem habe ich vollstes Vertrauen in Tessa. Lebe damit oder geh zurück.“, erklärte Rylar und Tessa ging das Herz auf. Da friss das, du dumme Kuh! Tessa grinste. „Also gut, ihr folgt einem Verbrecher… Und ihr wisst nur, dass er in Richtung Rakdos unterwegs ist.“, erzählte Tessa und holte soweit auf, dass sie vor den beiden marschierte. Ihr Bogen lag Gespannt und gefährlich über ihrer Schulter, genau wie der Köcher, der prall mit Pfeilen gefüllt war. „Da wir nicht wissen welchen Weg der Typ nimmt würde ich einen kleinen Umweg ins Innere des Waldes vorschlagen.“, ergänzte sie, drehte sich zu den beiden um und blieb stehen. Rylar schaute sie ruhig an, Cylara schien sichtlich von ihr genervt. Sehr gut. „Und was soll uns das bringen?“, fauchte Cylara genervt und Tessa blickte sie so freundlich sie konnte an. „Wir wissen nicht wo sich euer Ziel befindet, deshalb würde ich euch dazu anhalten beim Orakel der Dryaden vorzusprechen.“, grinste Tessa und Rylar erwiderte ihr Lächeln. „Das klingt nach einer Idee, aber wie kann uns das Dryadenorakel helfen unser Ziel zu lokalisieren?“, hakte Rylar nach und schaute sie gespannt an. „Das Dryadenorakel kann uns auf mehrere Arten helfen. Am besten wäre es natürlich wenn ihr irgendwas in eurem Besitz habt, was ihm gehört. Ein Haar, noch besser wäre Blut. Aber ich gehe nicht davon aus. Ansonsten reicht es ihnen, wenn sie eure Schicksale nach ihm befragen. Das ist zwar nicht so genau, aber es lässt sich in den meisten Fällen ein ziemlich genaues Bild erstellen, an dem man auf denjenigen trifft, nach dem man sucht.“, fuhr sie fort und Rylar schien von der Idee angetan. „Und was verlangt das Dryadenorakel als Gegenleistung?“, hakte Cylara mit bissigem Fauchen nach. Tessa seufzte. „Wenn ihr nichts habt, was für sie von Interesse ist finden sie ein Kompromiss.“, erklärte Tessa mit ihrer sanftesten Stimme. Es war keine gute Idee im Wald seine Stimme zu sehr zu erheben. „Ich habe damals gefragt wo ich jemanden finde, der mich nach Izarek mitnimmt. Das Dryadenorakel hat mir damals erklärt, dass ich für diese Information eine wichtige Erinnerung mit ihnen teilen müsste. Ich habe ihnen eine Erinnerung überlassen und dafür sagten sie mir, dass ich noch etwas auf denjenigen, der mich begleitet warten müsste. Das wichtige ist. Ich hatte eine tatsächliche Vision. Ich sah Rylar, wie er vor dem Wald stand und darüber nachdachte wie er am besten durch den Wald kommt. Als ich ihn gesehen habe ist mir genau diese Vision wieder eingefallen.“, erklärte Tessa und lächelte in die Runde. Rylar nickte, Cylara allerdings schien nicht besonders heiß darauf zu sein dem Dryadenorakel eine Erinnerung zu überlassen. Wenn sie genau darüber nachdachte hatte sie damals nicht entscheiden können, welche Erinnerung sie ihnen zeigte, es konnte sehr gut sein, dass sie alle Erinnerungen gesehen hatten. Allerdings wäre auch das nicht so schlimm. Sie hatte nichts zu verbergen. Ob das bei den beiden auch der Fall war. „Gut. Ich wäre dafür, dass wir das Orakel besuchen. Je schneller wir diesen Kerl finden, desto besser.“, erklärte Rylar zustimmend. Cylara schien wirklich mit sich zu ringen. „Ich möchte meine Erinnerungen nicht unbedingt mit jemand anderen teilen.“, erklärte sie etwas kleinlaut und Rylar lächelte sie an. „Ich glaube meine sollten so weit reichen.“, grinste er und klopfte ihr aufmunternd auf den Rücken. Tessa nickte bestätigend. Das Orakel war ihre beste Chance den Kerl zu finden. Egal wie sie es drehten und wendeten. Der Wald war das reinste Labyrinth. Es war sinnlos jemanden, der lebte, sich bewegt und größten Teils unbekannten Motiven folgte in einem Labyrinth zu finden, vorallem wenn er nicht gefunden werden wollte. Sie konnte sie nach Rakdos führen, das war kein Problem, allerdings hätten sie dann keinen blassen Schimmer gehabt, wo sie nach ihrem Ziel suchen sollten. Der Weg zum Orakel hielt sie einen halben Tag auf, jedoch hatten sie dann einen groben Weg, dem sie folgen konnten. „Also dann… Lass uns das Orakel besuchen.“, grinste er und legte Tessa freundlich eine Hand auf die Schulter. Eine Geste, die Cylara nur noch mehr Anlass zu geben schien um sie zu hassen. Tessa musste sich ein selbstgefälliges Grinsen verpassen. Nicht weil seine Berührung irgendwas in ihr auslöste, sondern weil sie nahezu spüren konnte, wie Cylara vor Eifersucht platzte. Sowas hatte sie noch nie gesehen. Sie war schon Frauen begegnet die verliebt waren, aber das… Es schien schon fast so als glaube sie ein Besitzrecht auf ihn zu haben. Eine Unheimliche Vorstellung wenn sie daran dachte, dass es hier um einen Menschen ging. Sie sog tief den Atem ein und ging vor. Rylar folgte ihr so schnell und leise wie möglich. Cylara schloss sich mehr gelangweilt als Vorsichtig an und versuchte immer wieder ein lautes Knacken, wenn sie beispielsweise vorsätzlich auf einen trockenen Ast trat oder ein matschiges Platschen, wenn sie in eine Pfütze trat. Sie würde sehen, was sie davon hatte. Sie kannte den Wald und sie wusste wie er reagieren konnte, wenn man seine Ruhe vorsätzlich störte. Hinter ihnen erklang ein kontrolliertes Fauchen, gefolgt von einem schleifenden Geräusch und Schrittartigen Tapsen. Rylar schien es sofort zu bemerken, denn er packte Cylara am Arm und zwang sie stehen zu bleiben. Er schüttelte den Kopf und seine Lippen formten lautlos die Worte. „Leise, wir sind nicht allein.“ Cylara schien das ziemlich egal zu sein, denn sie warf ihm lediglich einen zickigen Blick zu. Rylar schien das Ganze zu nerven. „Entweder du verhältst dich so, wie man es von einer erwachsenen Frau erwarten kann und bist vorsichtig oder ich werde dich hier im Wald zurück lassen.“, zischte er und Tessa erschrak bei der Ernsthaftigkeit, die in seiner Stimme lag. Er meinte es wirklich ernst. Er redete mit ihr, als sei sie ein kleines Kind. Etwas was ihr nicht zu gefallen schien, jedenfalls nahm ihr Gesicht einen Sekundenbruchteil eine rötliche Färbung an, dann jedoch schluckte sie ihre Emotionen herunter und nickte mit finsterem Blick. Wow, das schien tatsächlich gewirkt zu haben. Die meisten Frauen, die sie kannte, jedenfalls jene, die sich vorsätzlich so verhielten hätten spätestens jetzt aus Trotz angefangen zu singen. Sie dankte den Göttern, dass Cylara nicht zu ihnen gehörte, auch wenn es im ersten Moment wirklich nicht klar war. Tessa atmete tief durch und sie schlich weiter durch den Wald, sie fand es erstaunlich, dass Cylara sich trotz ihrer vorsätzlichen Tollpatschigkeit als wahres Genie in der Kunst des Schleichens entpuppte. Sie hätte darauf wetten können, dass sie ihres Körpers wegen, ihr Leben auf einer Art Laufsteg verbracht hatte, aber offensichtlich hatte sich Tessa diesbezüglich geirrt, die junge Frau überraschte sie immer wieder, irgendwie behagte ihr die Tatsache, dass Cylara trotz ihres Aussehens nicht dumm zu sein schien. Es würde eine Zeit dauern, bis ihr Weltbild sich von diesem Schock erholt hatte. Vielleicht sollte sie ja doch versuchen sich irgendwie mit Cylara anzufreunden, aber das würde noch eine Zeit dauern. Sie stieß den Atem aus. Ein seltsames Gefühl erfasste sie und sie hatte mit einem Mal das Gefühl verfolgt zu werden und das war ein Gefühl, was sie noch nie getäuscht hatte. Ihre Hand wanderte langsam, beinahe unauffällig an ein Wurfmesser, was sie in ihrer Schärpe trug. Rylar legte ihr eine Hand auf die Schulter, sie wandte ihm ihr Gesicht zu. „Kein Feind.“, erklärte er und setzte ein leichtes Kopfschütteln dazu. Sein Lächeln war entwaffnend. „Sie folgt uns schon seit wir den Wald betreten haben.“, lächelte er ihr zu und Tessa biss die Zähne aufeinander. „Sie? Hast du mit Cylara nicht schon genug zu tun?“, hakte sie nach und runzelte die Stirn. Rylars Gesicht nahm einen gekränkten Ausdruck an. „Ich hab mir das nicht ausgesucht…“, seufzte er leise und sie schüttelte den Kopf, nahm aber die Hand vom Wurfmesser. „Was gibt’s da vorne zu tuscheln?“, fragte Cylara hinter ihnen nach. Rylar zeigte Tessa die Andeutung eines Kopfschüttelns. Cylara sollte also besser nichts von der Verfolgerin mit bekommen. Was auch immer er damit bezwecken wollte. Tessa seufzte kaum hörbar. „Er sagte mir grade, dass du dich noch als nützlich erweisen könntest und wir dich auf keinen Fall hier zurück lassen sollten.“, erklärte Tessa mit wohl hörbarer Stimme und Cylara biss die Zähne aufeinander. Rylar musste Lächeln. „Es ist nicht ratsam sich eine Gedankendiebin zum Feind zu machen.“, erklärte Rylar flüsternd, neben ihr und tatsächlich musste sie schlucken. Sie war also eine Virachi… Virachi war der Ausdruck, den die Waldläufer benutzten, wenn sie von Gedankenjägern- und Dieben sprachen. Das konnte gefährlich werden. Tessa hatte von Virachi gehört, die dazu in der Lage waren andere Menschen wie Puppen zu steuern, aber sie bezweifelte, dass Cylara derartig mächtig war. Wenn es so wäre, hätte sie sich wahrscheinlich schon längst einen Spaß daraus gemacht sie exotistisch und nackt im Wald herum tanzen zu lassen. Oder sie hätte Rylars Willen gebrochen, sodass er ihr jeden Wunsch von den Augen ablas. „Mag sein… aber ich mag sie einfach nicht.“, erklärte Tessa mit missmutigem Gesichtsausdruck. Rylar grinste wissend. „Ja… Sie hat da sowas an sich.“, flüsterte er grinsend und zog die Stirn in Falten. In nächster Nähe erklang ein Geräusch, was Tessa gar nicht gefiel. Sie schluckte, als das langgezogene schleifende Knurren aus der Dunkelheit erklang. Sie blieb stehen und zog den Bogen. Das klang nach einem Schattenwolf. Das war nicht gut. Schattenwölfe waren Produkte einer dämonischen Verderbnis, die den Wald vor Jahrhunderten heimgesucht hatte. Der Wald erzählte lange und spannende Geschichten, wenn man bereit war ihm zu zuhören, doch die Geschichte von Schattenwölfen, Trugwurzlern, Schraten und Hetzern hatte sie immer gehasst. Sie waren zu unheimlich, zu blutig und zu grausam, als dass sie sie gemocht hätte. Erneut erklang das Knurren und es dauerte nicht lange bis sich eine Gestalt, groß wie ein Pferd und dreimal so breit aus der Dunkelheit schälte. Die Augen leuchteten in einem bedrohlichem Blassgelb und das war nicht alles, gleich hinter ihr dieser einen Bestie knackte trockenes Geäst und zwei weitere blassgelb leuchtende Augenpaare starrten sie aus der Finsternis heraus an. Rylar stieß den Atem aus und schaute ungläubig in die Richtung in der die Bestien standen. „Diese Biester sind…“, begann er mit ruhiger Stimme und Tessa beendete den Satz, mit einer leichten Furcht in der Stimme: „Schattenwölfe, Geisterwesen aus der Zwischenwelt.“
„Zwischenwelt?“, fragte Rylar und zog sein Schwert. Die Zwischenwelt überrascht ihn, aber das Geisterwesen nicht? Ein komischer Kerl. „Später… wir müssen hier sofort weg. Sie dürfen auf keinen Fall unsere Fährte aufnehmen.“, erklärte sie, ging in die Knie und tauchte langsam eine Hand in den Schlamm zu ihren Füßen. Mit langsamen routinierten Bewegungen begann sie sich den ekelhaft riechenden Brei auf Gesicht, Armen und allen anderen Körperpartien aufzutragen, die an der frischen Luft lagen. Rylar stellte sich schützend vor sie und schluckte. Ihm schien klar zu sein, dass seine Klingenwaffen nichts gegen einen Schattenwolf ausrichten konnten und schon gar nicht gegen drei auf einmal. Nicht mal ihre Pfeile würden ihr hier helfen. Waldläufer hielten sich normalerweise von Schattenwölfen fern indem sie sich über die Bäume bewegten. Schattenwölfe konnten nicht klettern. Und dadurch, dass sie keine richtige stoffliche Gestalt hatten waren hatten sie nicht genug Gewicht um einen Baum unter sich einstürzen zu lassen. Mit einem Grinsen steckte Rylar eine Hand in seine Tasche. „Diese Viecher bestehen aus Schatten richtig?“, fragte Rylar mit ruhiger Stimme und schaute dem ersten der drei Wölfe in die Augen. Der Wolf knurrte bedrohlich und fletschte aggressiv die Zähne. Tessa nickte langsam. „Ja, was hast du vor?“, hakte sie langsam und leise nach, während sie sich so langsam wie möglich bewegte. „Augen zu und Ohren zu halten. Wartet mindestens 2 Sekunden nach dem Knall ab, ihr werdet verwirrt sein, aber wir müssen diese Zeit nutzen um hier weg zu kommen.“, erklärte Rylar und zog einen kugelartigen Gegenstand aus der Tasche, dessen Mitte eine weiße Banderole zierte. Cylara schluckte. „Eine Blendgranate…“, hörte sie Cylara hinter sich sagen und Tessa schluckte. Der größte der Schattenwölfe kam langsam und berechnend auf sie zu, jederzeit bereit zu springen und seine Klauen in ihr Fleisch zu schlagen. Schattenwölfe mochten keine stoffliche Gestalt im herkömmlichen Sinn haben, aber ihre Klauen konnten tiefe Wunden reißen, genau wie ihre Zähne tödlich waren. „drei… zwei…“, Rylar drückte den Auslöser der Blendgranate. Tessa und Cylara kniffen die Augen zusammen und pressten sich die Hände auf die Ohren. „Eins!“, rief Rylar und schleuderte die Blendgranate in die Luft. Ein lauter Knall durchfraß die Stille gefolgt von einem grellen Lichtblitz, der sich durch die Augenlieder zu fressen schien. „Los lauft!“, brüllte Rylar und rannte los, sie schloss sich an. Drei Sekunden nach dem Knall riss sie die Augen auf. Die riesigen Schattenwölfe waren verschwunden, was bei dem grellen, unbarmherzigen Licht nicht verwunderlich war. Genau genommen wartete sie nur darauf gleich gegen einen riesigen, massigen Körper zu prallen und von scharfen Klauen zerrissen zu werden, aber es geschah nichts. Hinter ihnen erklang ein Aufschrei, es war nicht schwer zu erraten, dass Cylara gestürzt war.  Sie hörte Rylar fluchen und dann sah sie wie er an ihr vorbei rannte. In die falsche Richtung. Ihr Blick wandte sich ihm nach, er rannte zu Cylara und zog sie hoch, dann wuchtete er sie sich über die Schulter und es dauerte nicht lange bis er sie wieder eingeholt hatte. Cylara schien sich zusammen reißen zu müssen um nicht zu schreien. „Ich kann alleine laufen.“, gab sie merkwürdig gefasst wieder, als sie einen ausreichend großen Abstand zwischen sich und den Schattenwölfen hergestellt hatten. Rylar nickte und ließ Cylara herunter. Er atmete schwer. Cylara war nicht schwer, aber man sah ihm an, dass seine Erschöpfung mehr mit dem Umstand zu tun hatte, dass er sich erschreckt hatte. „Pass das nächste Mal auf, wo du hintrittst…“, seufzte er und fuhr sich durchs Haar, während er versuchte seine normale Atmung wieder herzustellen. „Dämlicher Idiot…“, seufzte Cylara, trat mit ihrem rechten Fuß auf und fluchte. Es war unschwer zu erkennen, dass sie mit ihrem rechten Fuß hängen geblieben und deshalb gestürzt war. Tessa konnte genau sehen was es mit ihrer Verletzung auf sich hatte. Der Fuß war verstaucht, das sah man alleine schon daran, dass der Knöchel allmählich anschwoll und sie deutliche Schwierigkeiten beim Auftreten hatte. Das würde sie aufhalten. „Ich werde mich niemals daran gewöhnen so oft weg zu laufen. Gibt es in diesem verdammten Wald wenigstens ein Wesen, dass man töten kann, indem man es mit einer Klinge bearbeitet?“, hakte Rylar nach und stieß ein Hecheln aus. „Die Meisten der Kreaturen in diesem Wald sind sterblich, aber manche lassen sich von Klingen nicht sonderlich beeindrucken. Schattenwölfe zum Beispiel haben nur dann eine stoffliche Gestalt wenn sie es wollen, also gleiten die meisten Waffen einfach durch sie hindurch, wie durch Rauch. Trolle regenerieren ihre Wunden in wenigen Minuten und Schrate… Nun normalerweise kommt man nicht nah genug an sie heran um sie auf irgendeine Art und Weise zu verletzen, daher gehe ich davon aus, dass man sie töten kann, aber durch Klingen? Vielleicht mit einer schweren Axt, Feuer sollte am wirksamsten sein.“, erklärte Tessa und blickte sich um. Rylar seufzte, offensichtlich hatte er schon längst gemerkt, dass Cylara nicht gut laufen konnte, denn er kniete sich vor ihr hin. „Los, Steig auf. Wir können uns jetzt nicht um deinen Fuß kümmern, wir sollten vorher etwas Abstand zwischen uns und diese Viecher bringen. Hoffentlich haben die Biester unsere Witterung nicht aufgenommen.“, erklang seine Stimme so ruhig und vorwurfslos, dass Cylara wortlos die Arme von hinten um ihn schlang und sich von ihm Huckepack nehmen ließ. Allerdings hatte Tessa das Gefühl, dass sie sich unnötig fest an ihn drückte, als er sie empor hob. Naja, was sollte es sie stören. „Sie haben unsere Witterung nicht aufgenommen. Wenn ein Schattenwolf die Witterung seiner Beute aufgenommen hat leuchten ihre Augen rot und davon einmal abgesehen würde unser Blut dann schon längst den Waldboden tränken.“, erklärte Tessa mit ruhiger Stimme. „Aber wir sollten uns langsam einen Lagerplatz suchen, heute noch weiter zu laufen bringt nichts, es wird bereits dunkel und ihre Verletzung würde uns unnötig aufhalten.“, erklärte sie sachlich, während sie die beiden betrachtete. „Das klingt nach einem Plan. Muss der Lagerplatz irgendwie gesichert werden?“,  hakte Rylar nach und Tessa reichte ihm einen Beutel mit Kräutern. Wenn wir das hier großzügig um unser Lager verteilen und ein wenig Totengabe verbrennen werden uns die meisten Kreaturen in Ruhe lassen.“, erklärte sie mit sachlichem Ton und Rylar nickte. Sie gingen weiter, bis sie einen geeigneten Lagerplatz gefunden hatten. Cylara wurde abgesetzt und Rylar und Tessa machten sich auf den Weg um Steine und Feuerholz zu suchen, dazu verteilten sie die Kräuter um das Lager herum. „Du warst vorhin nicht überrascht, als ich gesagt habe, dass Schattenwölfe Geisterwesen sind, hast du dich schon mal in das Thema eingelesen?“, fragte Tessa neugierig, als sie das Feuer entfacht hatten und allmählich begannen Totengabe, ein dunkles, stinkendes Kraut zu verbrennen begannen. In vielen Religionen reinigte das Verbrennen von Totengabe einen Ort vor bösen Geistern. Aber wahrscheinlich war der Geruch einfach nur so abstoßend, dass ihm kein böser Geist freiwillig zu nahe kam, von Tieren ganz zu schweigen. Rylar schüttelte den Kopf und seufzte. „Windmagie. Ich kann alles Stoffliche um uns herum genau spüren, allerdings haben sich diese Wölfe ohne weiteres meiner Wahrnehmung entzogen. Bei drei Wölfen von dieser Größe wäre das normalerweise nicht möglich gewesen. Ich hab schon geahnt, dass es sich bei den Viechern um Geisterwesen handelte, das ist auch der Grund warum ich sie nicht angegriffen habe.“, erklärte Rylar mit ruhiger Stimme, als er Cylaras Fuß zärtlich aus ihrem Schuh wandte und damit begann ihn zu betrachten. Pah. Selbst ihre Füße waren perfekt. Jedenfalls wenn man von der Schwellung absah, die sich allmählich verfärbte. Tessa seufzte und stand auf. Sie ging um das Lager herum auf Cylara zu und kniete sich neben ihr hin. „Darf ich mal sehen? Ich kenn mich mit sowas aus.“, erklärte sie und Cylara zögerte. Rylar nickte ihr aufmunternd zu und sie stieß einen Seufzer aus. Unwillig streckte sie Tessa ihren verletzten Fuß entgegen. Sie sog den Duft der Natur in sich ein, der noch stark von brennender Totengabe versetzt war, doch es reichte um sie auf das was sie nun tun würde vor zu bereiten. Ihre Hände fuhren langsam über die Schwellung und ein grün fluoreszierendes Licht legte sich um Cylaras Knöchel. Es knackte leicht, als die Muskeln und Bänder sich entspannten und wieder richtig zusammen wuchsen. Die verfärbte Schwellung klang allmählich ab und gab den Blick auf einen perfekten, unverletzten weiblichen Fuß frei. Cylara starrte sie an und sie lächelte sie an. „Gern geschehen.“, erklärte sie sanft und leise und Rylar lächelte den beiden zu. Er erhob sich. „Ich werde nochmal etwas Feuerholz sammeln gehen.“, erklärte er und verließ das Lager, aber nicht ohne ein Bündel, was er unauffällig aus seiner Tasche zog. Tessa tat so als hätte sie nichts gesehen und nickte. „Gute Idee, ich passe solange darauf auf, dass das Feuer nicht ausgeht.“, erklärte sie mit einem Lächeln. „Vielleicht findest du ja auch irgendwas Essbares.“, setzte Cylara mit einem peinlich berührten Lächeln nach und Rylar nickte, während er das Bündel so hielt, dass Cylara und sie es nicht sahen.

 

Cereza fluchte. Warum musste es so verdammt kalt sein. Sie hätte sich wirklich besser darauf vorbereiten können. Und wie kam Rylar auf die Idee, dass er diese dumme Kuh tragen durfte. Was bildete er sich ein. Sie atmete tief durch. Nein. Was bildete sie sich ein. Die beiden hatten nichts miteinander, er konnte mit Cylara machen was er wollte und dennoch störte es Cereza nicht unwesentlich, wenn er sie quer durch den Wald trug und auch noch sein Leben in Gefahr brachte um sie in Sicherheit zu bringen. Es hätte nicht viel gefehlt und Cereza hätte auf die Wurzel geschossen, in der Cylara sich verfangen hatte. Das Mist Ding hatte sich bewegt wie ein Wurm, aber Rylar war noch schnell genug gewesen. Es wäre nicht gut für ihre Tarnung gewesen, hätte sie die Wurzel mit einer Kugel in Stücke gerissen. Cylara war nicht dumm. Wenn es doch nicht so verdammt kalt wäre. Sie hatte Rylar aus den Augen verloren, als er das Lager verlassen hatte, wahrscheinlich um Feuerholz zu holen oder so ähnlich. Sie sog tief den Atem ein und versuchte nicht zu zittern, allerdings gelang es ihr nicht. Dazu kam, dass sie auf einem Baum saß um den ganzen Viechern da unten möglichst effektiv aus dem Weg zu gehen. Am Boden hätte sie sich wenigstens Mit Laub oder was zudecken können, was auf Dauer etwas Wärme speicherte und zurückgab. Aber hier oben? Keine Chance. Etwas Warmes, Weiches legte sich von oben um ihre Schultern. Zuerst wollte sie zusammenzucken und mit einem Bajonett danach stechen, aber dann bemerkte sie die Füße neben sich. Sie blickte auf und erblickte Rylar, der ihr eine Decke um die Schultern gelegt hatte. Mit einem Seufzen ließ er sich neben ihr auf dem dicken Ast nieder und schaute in die Richtung des Lagerfeuers. „Hier, die hab im Hotel gekauft, ich dachte mir, dass du nicht für solche Kälte gerüstet bist, obwohl wir Winter haben.“, erklärte er mit einem Seufzen und saß ruhig neben ihr. „D… Danke…“, seufzte sie und schaute zu ihm, selbst im Sitzen war er ein Stückchen größer als sie. Sie schluckte und dachte an den Kuss, den sie im Hotel geteilt hatten. Jetzt wurden sie von keinem halben Meter Luft getrennt. Ob sie es wohl wagen konnte näher an ihn heran zu rutschen. Ob sie es wohl wagen konnte sich in diesen Mann zu verlieben. Sie stieß einen Seufzer aus und dachte darüber nach. „Alles in Ordnung?“, hakte Rylar nach und schaute sie an. Sie errötete etwas und rückte dann näher an ihn heran. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und er zuckte kurz zusammen. Anscheinend kam das unerwartet. „Mir ist immer noch kalt.“, log sie und er legte die Arme um sie um ihr etwas Wärme zu schenken. Hoffentlich merkte er nicht wie schnell ihr Herz klopfte, wenn er ihr so nah war. „Etwas besser?“, fragte er und stellte sich etwas unbeholfen an, was sie wahnsinnig süß fand. Was dachte sie da? War es wirklich schon soweit mit ihr? Seit sich dieses Missverständnis zwischen ihnen geklärt hatte ertappte sie sich andauernd dabei, wie sie so etwas dachte. „Rylar…“, seufzte sie und er schaute sie an. „Hm?“, erklang seine Stimme, um zu bestätigen, dass er sie hörte, sein Blick ruhte auf ihrem Scheitel, denn den Blick hatte sie nieder geschlagen um ihm nicht in die Augen blicken zu müssen. „Ich habe den Auftrag euch zu beschützen, aber nur um zu kontrollieren, dass ihr auch wirklich das tut, was Izarek von euch erwartet… Danach... hängt es von euch ab. Wenn ihr einen falschen Schritt macht, habe ich den Befehl euch zu töten.“, erklärte sie mit trauriger Stimme. Wieso tat sie das? Sie machte sich damit einen großen Vorteil zunichte. „Sowas in der Art dachte ich mir schon.“, erklärte Rylar und klang gefasst und ruhig wie immer. „Du bist nicht wütend?“, hakte sie nach und schaute zu ihm hoch. Er schaute ihr in die Augen und ihr Herz schien einen Schlag zu überspringen. „Izarek hätte uns niemanden hinterhergesandt wenn sie uns vertrauen würden. Was auch immer dieser Kerl gestohlen hat. Es muss verdammt wertvoll oder verdammt gefährlich sein. Es darf auf keinen Fall in die falschen Hände fallen… Dieser Dieb… ich nehme an er kommt aus Razzia.“, erklärte er mit ruhiger Stimme und Cereza dachte kurz darüber nach. Razzia, die Gilde, die alle Ressourcen auf Verteidigung und Kriegsführung setzten. Es sollte sie nicht überraschen, dass sie sich an Izareks Einfallsreichtum bereichern wollten. „Was hast du vor?“, hakte sie nach und erwiderte den Blick in seine warm dreinblickenden Augen. „Ich werde alles daran setzen diesen Kerl aufzuhalten und dann… je nachdem worum es sich bei dieser Erfindung handelt, werde ich sie zurück bringen oder sie zerstören.“, erklärte er und sie schaute ihn ängstlich an. „Bitte… Egal was passiert… Stirb nicht.“, stammelte sie. Warum ging ihr das alles so nahe? Sie war echt eine eigenartige Frau. Er blickte sie mit deutlicher Überraschung im Blick an. „Ich gebe mein bestes, aber wieso  ist dir das so wichtig. Wenn es soweit ist, wirst du das tun, was von dir erwartet wird.“, erklärte er mit ruhiger Stimme. „Ich will dich nicht töten müssen.“, erklang ihre Stimme und sie schmiegte sich zärtlich an ihn. „Ich will nicht den einzigen Mann töten müssen, der mir etwas… der mir helfen kann diese Einsamkeit zu vertreiben.“, seufzte sie traurig und Rylar zog sie fest an sich. Sie wollte sich wehren, aber es fühlte sich so gut an, als sie sich an ihn schmiegte. Ein glücklicher Seufzer entwand sich ihrer Kehle, innerlich wünschte sie sich, dass das niemals aufhören würde, dass er sie nie wieder loslassen würde. Auch wenn er das zwangsläufig irgendwann tun musste. Er schien über irgendetwas Wichtiges nachzudenken, denn sein Körper versteifte sich etwas. Wie aus einer Vorahnung heraus hob sie den Kopf und küsste seinen Hals. Er zuckte unter ihrer Berührung der Zärtlichkeit etwas zusammen. „Worüber denkst du nach?“, hakte sie nach, obwohl es ihr egal war ob er antwortete oder nicht. „Ob ich etwas tun soll, dass ich vielleicht später bereue.“, seufzte er mit rauer Stimme. Sie schlang die Arme um ihn. „Weißt du was? Ich bin froh, dass wir nicht mehr so weit von einander entfernt sind, wie im Hotel.“, erklärte sie mit sanfter, fast flüsternder Stimme und begann zärtlich mit ihren Fingernägeln Zeichen in seine Haut zu zeichnen, diesmal seufzte er glücklich auf und sie genoss jede Sekunde des Geräusches. Glückshormone fluteten ihren Kopf. Das war so vollkommen verkorkst. Sie kannten sich noch nicht lange, aber trotzdem. Sie hätte alles getan um in seiner Nähe bleiben zu können. Es erschreckte sie etwas, dass sie daran dachte ihrer Gilde den Rücken zu kehren, wenn sie, sie dazu zwingen würde ihm zu schaden. Es war egal was passieren würde. In seiner Nähe fühlte sie sich gut, in seinen Armen fühlte sie sich immer richtig. „Rylar…“, begann sie und er schaute zu ihr hinunter, in seinem Blick lag etwas, was sie nahezu verrückt machte. Diese kontrollierte Leidenschaft mit der er sie bedachte. Er wollte sie genauso wie sie ihn wollte, nicht nur auf der körperlichen Ebene, es war nicht schwer in seinem Blick zu deuten, dass er ihr verfallen war. „Ja?“, hakte er nach, seine Stimme klang geschunden und rau, während er versuchte seine Gefühle zurück zu halten. Sein Kopf stand ihm im weg. Sein Kopf sagte, es sei eine schlechte Idee, während sein Herz ihm versprach, dass alles gut werden würde, wenn er nur nachgeben würde. Sie kannte das Gefühl nur zu gut. „Wollen wir… nur für einen Moment… aufhören daran zu denken, was passieren könnte…“, sie schluckte, schüttelte den Kopf und tat das, was ihr Herz, das so begierig in ihrer Brust klopfte verlangte. Sie hob den Kopf, packte ihn, zog ihn an sich heran und stahl sich einen Kuss von seinen Lippen. Nur für einen kurzen Moment stand ihre Welt in Flammen ehe sich ihre Lippen wieder trennten. Seine Augen waren weit aufgerissen und er starrte sie an, doch anstatt sie weg zu stoßen stahl er sich ebenfalls einen Kuss. Ihr wurde heiß, in ihren Ohren hörte sie ihr Blut rauschen, während ein wohliges Kribbeln ihre Brust und ihren Bauch erfüllte. Ihre Lippen brannten vor Leidenschaft und versprachen ewige Wonnen, solange sie es nicht wagte sie von seinen Lippen zu trennen. Seine Hand legte sich an ihren Rücken, doch er zog sie nicht von sich weg, sondern an sich heran. Dieses Gefühl was sie erfüllte war mit Abstand das schönste, was sie jemals erlebt hatte. Immer wieder trennten sich ihre Lippen nur um danach wieder ihre zu liebkosen, begierig knabberte und leckte er an ihren Lippen, sie ließ es sich gefallen  und öffnete glücklich seufzend den Mund um ihn zu schmecken, seine Zunge einzulassen. Als seine Zunge die ihre traf und sie liebkoste war es wie eine unterdrückte Explosion. Sie seufzte lustvoll, als sich sein Geschmack in ihr ausbreitete. Sie wollte mehr, mehr von ihm, sie wollte mehr Zeit, die sie damit verbringen konnte ihn zu küssen und ihn an sich zu pressen. Sie wollte ihn. Sie wollte ihn so sehr, dass es wehtat. Und das war der Moment in dem sie begriff. Dieser Wald hielt sie nicht länger in seinem Bann, schon nicht mehr, seit sie ein paar Stunden darin herum gewandert waren. Sie schien sich allmählich gegen die Pollen, welche die Begierde ausgelöst hatten immunisiert zu haben. Aber das bedeutete auch, dass das was sie im Moment fühlte ihre eigenen Emotionen war, ihre eigene Liebe und ihre eigene Begierde, die sie diesem Mann entgegen brachte. Vergeblich, versuchte sie ihn noch näher an sich heran zu ziehen, doch ihre Körper pressten sich bereits aneinander. Sie betete dafür, dass er sie endlich berührte, das er ihr endlich zeigte, dass auch er sie begehrte. Lustvoll fordernd griff sie in sein Haar, spürte seine Bartstoppeln, die sanft an ihrer Haut kratzten, doch es störte sie nicht. Sie wollte einfach nur mehr. Mehr von ihm. Mehr von seiner Lust. Aufseufzend packte er sie und zog sie zu sich, sodass sie auf seinem Schoß saß. Sie seufzte lustvoll, als seine Hand über ihre Wange, ihr Schlüsselbein hinunter zu ihren Brüsten wanderte, sie sanft streifte, über ihren Bauch glitt und dann unter ihr Shirt, jede seiner Berührungen löste in ihr eine Art elektrischen Schlag aus. Einen elektrischen Schlag, der von der obersten Schicht ihrer Haut durch ihren ganzen Körper zuckte. Sie konnte es nicht glauben, sie befummelten sich und waren im Begriff sich auf einem Baum zu lieben. Ihre Vorfahren wären stolz auf sie, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass es besonders bequem wäre, dennoch ließ sie die zärtlichen Berührungen zu und stöhnte sanft in ihren Kuss, während seine Zunge weiter mit der ihren spielte. Seine Hand tastete sich unter dem Stoff weiter hinauf von ihrem Bauch zu ihren Brüsten. Auch wenn sie niemals verstanden hatte welche Faszination Männer an weiblichen Brüsten fanden ließ sie zu, dass seine Hand unter den Stoff ihres BHs rutschte und seine grobe Hand sanft über ihre linke Brustwarze kratzte. Es durchzuckte sie wie ein Blitz der Lust, als er geistesabwesend damit begann die Polster ihrer Brust zu kneten und immer wieder mit ihrer Brustwarze spielte. Sie stöhnte Lustvoll. Ein stöhnen was nur gedämpft durch das Rauschen ihres in Wallung geratenen Blutes an ihre Ohren drang. Sie wollte, dass er mehr tat, spürte wie bereit ihr Körper für ihn war, spürte die feuchte wärme, die sich bereitwillig in ihrem Schoß ausbreitete um sie für den Empfang bereit zu machen, während sie durch seine Hose die Wölbung seiner Männlichkeit spürte, die sich sanft an ihren Hintern schmiegte. Noch nie zuvor hatte sie sich so gefühlt. Sie wollte ihn spüren, auf ihrer Haut und in ihr. Aber nicht hier. Nicht in einem Wald in dem sie jeden Moment angegriffen werden konnten nicht wenn er von anderen erwartet wurde, nicht während sie eigentlich den unauffälligen Schatten spielen sollte. Mit einem leidenden Seufzen in der Stimme unterbrach sie wiederwillig den Kuss und auch die Liebkosung ihrer Brust stoppte abrupt, als ihre Lippen sich trennten. Er schaute ihr mit einem fiebrigen begierigen Schimmer im Blick an, sie konnte sehen, dass er sich mit aller Macht zurück hielt um nicht weiter zu gehen. Am liebsten hätte sie ihn allein dafür geküsst. Viele Männer respektierten den Willen einer Frau in diesem Stadium der Lust nicht mehr, doch er riss sich zusammen, es sah wie Schwerstarbeit aus, aber er hielt sich zurück um ihren Wunsch zu respektieren. „Lass uns noch etwas warten… Ich will nicht mein erstes Mal mit dem Mann den ich vielleicht liebe in einem Wald verbringen, der voller mordlustiger Kreaturen steckt. Ein brummendes Knurren, was aus seiner Kehle drang, während er die Leidenschaft in seinem Inneren zurück in einen zerbrechlichen Käfig aus Logik zwang, ließ in diesem Moment keinen Zweifel zu, dass er das mit Abstand gefährlichste Tier in der Nähe war und mühelos jedes andere mit einem Blick in die Flucht geschlagen hätte. Er schluckte und auch sie musste sich zusammen reißen. „Wenn wir Rakdos erreicht haben… warte ich auf dich. Und… nimm dir Zeit, denn diesmal will ich nackt neben dir aufwachen und jede Einzelheit von dem was wir getan haben in meinen Erinnerungen auskosten können.“, seufzte sie Atemlos und ein sanftes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Seine Hand rutschte von ihrer Brust und wie in dem Moment, in dem sich ihre Lippen getrennt hatten fühlte es sich an, als würde man ihr ein Stück ihres Körpers entreißen. „Finde mich, wenn wir in der Stadt sind.“, verlangte Cereza, noch immer mit atemloser Stimme. Er nickte und lächelte, ebenso atemlos. „Versprich es.“, begehrte sie auf und er küsste sie kurz und verlangend auf den Mund ehe er sich wieder von ihr zurückzog. „Ich verspreche es.“, erklärte er mit diesem knurren in der Stimme, dass bewies, dass dieser Kuss die Leidenschaft in seinem Inneren schon fast wieder vollkommen entfesselt hatte. Dieser eine kurze Kuss, der vielleicht eine Sekunde gedauert hatte. „Danke… Für die Decke.“, seufzte sie und er legte seine Stirn gegen ihre. „Ich wollte nicht… Dass du frieren musst, während ich ein Feuer habe an dem ich mich wärmen kann. Ich wünschte du könntest einfach so… normal mit uns zusammen reisen.“, seufzte er und sie nickte. Sie wollte auch nicht mehr hinter ihnen her laufen und sie beschatten anstatt einfach mit ihnen zusammen den Weg an das gleiche Ziel fort zu setzen. Bedauerlicherweise überschritt sie bereits damit ihre Befugnisse, dass Rylar sie überhaupt bemerkt hatte. Aber das war ein annehmbares Risiko für ihre Tarnung. Er würde sie nicht verraten. Nicht Mal, wenn sein Leben davon abhing. Sie vertraute ihm mehr als sie jemals einem anderen Menschen vertraut hatte. Nicht einmal ihrer Mutter hatte sie so viel Vertrauen entgegen gebracht, als sie noch zusammen lebten. Wenn das alles vorbei war würde sie den Schritt gehen. Sie würde auf Rylar zugehen und ihn darum bitten ihr Freund zu werden. Ihr Mann fürs Leben. Sie würde ihn tatsächlich darum bitten sein Leben mit ihr zu teilen und sie würde es keinen Augenblick bereuen. „Du solltest… Allmählich zu den anderen zurück, sonst fragen sie sich noch warum du so lange brauchst.“, erklärte sie mit einem Lächeln, doch ihre Finger, die sich fest in eine Schultern gekrallt hatten weigerten sich sie los zu lassen. Er nickte leicht, wandte sich aber nicht aus ihrer Berührung sondern schloss kurz die Augen und schien auf all seine Sinne zu achten, dann plötzlich zog er ein Wurfmesser aus dem Gürtel, öffnete die Augen und schleuderte es zielgenau und tödlich in das dichte, hohe Gras unter ihnen. Ein leises Quieken erklang, als das Wurfmesser einen Hasen traf, der unter ihnen vorbei gehoppelt war. „Ich sollte etwas zu essen mitbringen.“, erwiderte er, als sie ihn fragend anblickte. Sie hielt sich eine Hand vor den Mund um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. „Nun geh schon… und denk daran mich in Rakdos wieder zu finden.“, lächelte sie und zwinkerte ihm verführerisch zu, als er einfach so vom Ast sprang und langsam, wie vom Wind getragen zu Boden fiel. Er kam sanft auf den Füßen auf und sie lächelte. Windmagie war etwas sehr graziles, wenn sie genauer darüber nachdachte. Sie selbst setzte ihre Magie so selten ein, dass sie meistens sogar vergaß, dass sie überhaupt über sie verfügte. Aber er schien sich jederzeit dem Wohlwollen des Windes vollkommen bewusst zu sein. Es war, als sei seine Magie ein fühlender Teil von ihm. Und das war gut so. Der Wind würde ihn vor Schaden bewahren und ihn wohlauf und munter zu ihr zurück bringen. Sie lächelte ihm nach, als er das Kaninchen an den Ohren packte und sich auf dem Weg zum Lagerfeuer ein paar trockene Stücke zusammen suchte. Kurz bevor er es erreicht hatte und kurz bevor Cylara und die Neue Notiz davon nehmen konnten drehte er sich noch einmal zu ihr um und schenkte ihr ein warmes, liebevolles Lächeln, was sie fast vor Glück vom Ast kippen ließ.

 

Cylara atmete auf, als Rylar aus dem Gestrüpp um sie herum trat. Fast wäre sie ihn suchen gegangen, aber irgendwas stimmte nicht mit ihm, sein Gesicht hatte etwas Rötliches und er sah so widerlich glücklich aus. Das ging gar nicht. Wie konnte er es wagen Glück zu empfinden, wenn sie nicht der Grund dafür war. Was vor allem hatte ihn so glücklich gemacht, sie befanden sich in einem Wald, alles was es hier weit und breit zu sehen war, war Wald. Der Wald war nun wirklich nicht besonders spannend und ganz bestimmt kein Grund einem plötzlichen Gefühlsausbruch mit anschließenden Glücksgefühlen im Bauch zu erliegen. Sie blickte ihn misstrauisch an. In der Hand hielt er ein totes Kaninchen an den Ohren fest. Wenigstens hatte er daran gedacht etwas zu essen mit zu bringen. „Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, ich bin einfach ein miserabler Jäger.“, erklärte Rylar mit peinlich berührter Stimme, doch sie sah genau, wie sich sein und Tessas Blicke kurz streiften. Sie wusste irgendwas. Es war nicht schwer heraus zu finden, dass Rylar alles andere als ein schlechter Jäger war, wer es schaffte mit einer solchen Begabung Menschen zu jagen hatte auch keine Probleme mit Tieren. Ihr Blick drückte misstrauen aus, doch sie ließ seine Aussage unkommentiert. Irgendwann würde er es ihr schon erzählen. Und wenn sie ihn dazu zwingen musste. Vielleicht wäre es allerdings intelligenter erst Tessa reden zu lassen, sie wusste, dass sie noch nicht in der Lage war Rylars Willenskraft zu übertreffen, bei Tessa hingegen war sie zuversichtlich. Sie war noch jung und hatte keine besonders schwere Kindheit gehabt, jedenfalls keine die ihren Willen geschärft und gehärtet hatte. Nicht wie bei Rylar und bei ihr. Rylars Blick streifte ihren und sofort sah er ihr Misstrauen. „Was denn? Magst du kein Kaninchen?“, hakte er mit einem geschulten Lächeln nach und ihr Blick verfinsterte sich noch weiter. Jedoch sagte sie nichts. Rylar zuckte mit den Schultern und ließ sich neben ihr am Lagerfeuer nieder. Er zog ein, mit matter, schwarzen Farben bestrichenes Wurfmesser aus dem Gürtel und begann das Kaninchen zu häuten und auszunehmen. Nein, das musste sie sich nun wirklich nicht mit ansehen. Sie blickte demonstrativ weg, konnte aber spüren, dass Rylar zu Lächeln begann. Warum war er nur so wiederspenstig? Erst wollte er nicht mit ihr schlafen und jetzt freute er sich darüber, dass sie von etwas angeekelt war. Man hätte fast meinen können, dass er möglicherweise nicht auf sie stand. Das war natürlich völlig ausgeschlossen, jeder Mann, der zwei Augen im Kopf hatte stand auf Cylara. Selbst schwule Männer würden ihr verfallen, wenn sie es darauf anlegte. Woher also kam dieses abweisende Verhalten? Unglaublich. Rylar verhielt sich fast so als hätte er ein Gehirn und einen Verstand. Haustiere und Spielzeuge hatten keinen Verstand. Das musste sie ihm dringend abgewöhnen wenn es soweit war. Wenn sie dazu in der Lage war in seinen Kopf einzudringen und seine Gedanken zu manipulieren, würde er sofort, wenn er sie sah damit beginnen zu sabbern wie ein geiler Hund. Er würde bei jeder ihrer Bewegungen erschaudern und bei jeder ihrer Berührungen glücklich seufzen. Er würde, wenn sie mit ihm fertig war nur ein Spielzeug sein. Ein spaßiges zwar, aber jedes Spielzeug verlor irgendwann an Spannung, wenn man es in und auswendig kannte. Er würde ihr höriger Sklave sein. Und wenn es soweit war würde sie lachen. Dann war sie eine der größten Gedankenjägerinnen von ganz Inistra, nein wahrscheinlich der ganzen Welt. Noch nie zuvor hatte sie jemanden kennen gelernt, der einen so starken Willen hatte wie Rylar. Sie bezweifelte stark, dass es einen so starken und stabilen Willen zweimal auf der Welt gab. Er war das perfekte Testexemplar. Er würde erst zerbrechen, wenn sie dazu bereit war ihn zu zerstören. Sie grinste und schaute wieder hin, während Rylar das Kaninchen mit einem dünnen Draht an einem Stock befestigte um es über das Feuer zu hängen. „Wieso hast du wirklich so lange gebraucht, so wie ich dich kenne hast du vielleicht einen Wurf mit dem Wurfmesser gebraucht um das Biest zu erlegen. Was hast du in der restlichen Zeit gemacht?“, fragte sie nach und schaute ihn auffordernd an. Er deutete auf den Stapel Feuerholz neben sich. „Blumen gepflückt.“, erklärte er und sie musste grinsen, als sie die Anspielung auf ihr erstes Treffen verstand. Er war ein guter Kerl, Schade nur, dass er ein Testsubjekt und Versuchskaninchen war. Sie dachte darüber nach, als sie darüber nachdachte, ob er jemals eine Chance gehabt hatte, mehr zu sein. Die Antwort, die sich nahezu sofort in ihrem Kopf abzeichnete überraschte sie. Ja. Hätte er sie nicht abgewiesen, als sie sich ihm im Hotel an den Hals geworfen hatte, dann hätte sie in ihm vielleicht mehr sehen können. Oder… Sie biss die Zähne aufeinander. Dass er sie abgewiesen hatte, als sie sich ihm so an den Hals geworfen hatte, dass jeder Mann mit etwas gesundem Menschenverstand sofort mit ihr geschlafen hätte, hatte sie sogar noch mehr aufgeheizt. Verdammt nochmal. Er hatte sich damit und der Tatsache, dass es ihm wirklich schwer gefallen war eine Entscheidung darüber zu treffen, so in ihren Verstand eingeschlichen, dass sie es selbst nicht glauben wollte. Sie ertappte sich nachts dabei, wie sie darüber nachdachte, was wohl passieren würde, wenn sie mit ihm Zärtlichkeiten austauschte. Ob er wohl jetzt dazu bereit war mit ihr zu schlafen oder sich wenigstens noch einmal davon überzeugen zu lassen, sie noch einmal zu küssen. Ihre Lippen kribbelten, als sie daran dachte, dass er sie geküsst hatte. Naja genau genommen hatte sie ihn geküsst, aber das zählte nicht, immerhin hatte er sich dem Kuss nicht entzogen. Andererseits wäre es für einen Mann auch sehr schwierig geworden sich dem leidenschaftlichen Kuss einer schönen, nackten Frau unter der Dusche zu entziehen. Dazu wäre wahrscheinlich wirklich kein Mann fähig gewesen. Hätte sie damals nicht aufgegeben und ihn noch etwas mehr in den Wahnsinn getrieben, hätten sie miteinander geschlafen und wären wahrscheinlich in der Nacht nicht dazu gekommen zu schlafen. Ein seltsamer  Gedanke, dass sie mit daran beteiligt war, dass er ihr nicht nachgegeben hatte, aber sie hatte sich von dem, was er gesagt hatte zu sehr überzeugen lassen. „Wo sind die Blumen?“, fragte sie und versuchte dabei möglichst dumm zu klingen. „Die haben Beine bekommen und sind weg gelaufen. Ich habe wirklich nichts dagegen tun können.“, entgegnete er mit eiskalter und ehrlicher Stimme. Erneut musste sie grinsen. Offensichtlich hatte Tessa ihre Schwierigkeiten damit ihrem Gespräch zu folgen. Das war ihr nur recht. Die kleine sollte sich nicht in die Angelegenheiten von Erwachsenen hereinhängen, egal wie alt und reif sie sich fühlte. Rylar streckte sich und ließ sich nach hinten auf den Boden fallen. Sein Blick wandte sich den Baumwipfeln und den Sternen darüber zu. Sein Blick war so fest, dass es einem Angst machen konnte. „Du schaust die Sterne so böse an, dass sie gleich ihre Farbe verlieren, ist alles okay?“, hakte Cylara nach und ließ sich ebenfalls zurück fallen, während Tessa das Kaninchen über dem Lagerfeuer drehte. „Ja, es ist alles in Ordnung.“, versuchte Rylar die Konversation zu schließen, doch so einfach würde Cylara das nicht zulassen. „Du kannst mir nichts vor machen. Du hast irgendwas.“, ging sie dem Gesprächsfaden mit sanfter Stimme nach. Er schnaubte verächtlich. „Du hast einen schlechten Riecher für sowas. Es ist wirklich alles in Ordnung.“, seufzte er zur Antwort und Cylara seufzte. Sie rückte näher an ihn heran und legte sich auf die Seite um ihm ins Gesicht sehen zu können. Er schaute sie nicht an. Sie seufzte und mit einem Mal war es ihr egal, dass Tessa ebenfalls da war, sie erhob sich und beugte sich über ihn. Sie küsste ihn und ihm fiel es sichtlich schwer es zu zulassen. Als sie den Kuss beendete schaute sie ihm in die Augen. „Woher kommt diese Abneigung?“, hakte sie nach und strich mit einem Finger über seine Brust, während sie ihm in die Augen sah. Hätte er sich ein wenig Mühe gegeben, hätte er sogar in ihren Ausschnitt blicken können. Allerdings schien er keinerlei Interesse daran zu haben, stattdessen verkrampften sich seine Hände und er war kurz davor sie endgültig weg zu stoßen. Er verhielt sich fast so, als würde eine Person zusehen, die ihm sehr viel bedeutete. Tessa? Nein. Wahrscheinlich eher nicht. Aber wer dann? Wahrscheinlich bildete sie sich das Ganze auch nur ein. „Warum bist du so verkrampft?“, fragte sie mit sanfter, fast zärtlicher Stimme, während ihr Finger weiter über seine Brustmuskeln fuhr. „Ich bin nicht verkrampft.“, erklärte er mit genervter Stimme, doch es war deutlich zu sehen, dass er sich unter ihrer Berührung verkrampfte. Es war nicht so, dass er kein Interesse an ihrem Körper hatte, das sah sie, aber da war etwas, was ihn abhielt. „Doch das bist du…“, ihr Gesicht glitt an seinem vorbei, sodass sie ihm die Worte ins Ohr flüsterte, sofort küsste sie sein Ohr und begann sanft daran zu knabbern. Doch anstatt sich unter ihrer Berührung und Zärtlichkeit zu entspannen und sie zu zulassen verkrampfte er sich noch weiter und schob sie weg. „Hör auf Cylara, ich bin keines deiner Spielzeuge.“, erklärte er und schaute sie nun mit einem derart festen und entschlossenen Blick an, dass es ihr beinahe Angst machte. Was war nur mit ihm los? Wieso ließ er sich nicht einfach unter ihren Berührungen fallen wie so viele andere Männer es getan hatten. Sie schluckte und entschloss sich dazu ihn zu kriegen. Auch wenn sie zuvor daran gedacht hatte ihn als Spielzeug zu missbrauchen, hatte sie sich jetzt eines Besseren entschlossen. Sie würde ihn soweit bekommen, dass er sie liebte und alles für ihre Berührungen tun würde und im Moment war es ihr egal ob Tessa da war oder nicht, verdammt wenn sie eine Nummer schoben, sollte sie ihretwegen zusehen, vielleicht würde sie etwas dazu lernen, aber in diesem Moment sah sie sich dazu verpflichtet ihn an sich zu binden. Irgendwie. Sie legte ihren Kopf auf seiner Brust ab und schaute zu ihm hinauf. „Wieso diese Abneigung? Was habe ich dir getan? Jeder Mann hätte mir schon längst nachgegeben, warum du nicht?“, fragte sie mit ernster und zugleich süß klingender Stimme. „Weil ich eben nicht jeder Mann bin. Du versuchst seit wir uns kennen mich an dich zu binden, du hast sogar zugegeben, dass du versucht hast in meinen Kopf einzudringen, wieso sollte ich dir vertrauen?“, hakte er mit ernster Stimme nach. Okay. Berechtigte Frage. „Ich habe das nur einmal versucht und das auch nur, weil du mich bei unserem ersten Treffen mit einem Messer bedroht hast.“, erklärte sie verteidigend, obwohl sie genau wusste, dass es alles andere als verteidigend war. „Und jetzt möchtest du mir sicher sagen, dass es genau das gleich ist?“, hakte er nach und sie lächelte. „Nein, was ich gemacht habe ist abscheulicher, weil ich versucht habe deinen Willen zu brechen.“, erklärte sie und schmiegte sich weiter an ihn. Mit einem sanften Unterton in der Stimme schnurrte sie auf eine Art, die bei Menschen eigentlich gar nicht möglich sein sollte. Bevor er sie wieder wegstoßen konnte rückte sie weiter auf. „Es liegt nicht daran, dass du mir das nicht verzeihen kannst. Ganz im Gegenteil, das kannst du mir sogar sehr gut verzeihen, aber irgendwas hält dich zurück meine Entschuldigungen entgegen zu nehmen und es sind wirklich genau das. Wärst du nicht gewesen, hätte Izarek mich allein auf dieses Himmelfahrtskommando geschickt und hätte meinen möglichen Tod als kalkulierbares Risiko betrachtet. Sie lag nun lasziv und mit einem Blick, der so derartig mit Begierde vollgesogen war, auf ihm, dass jeder normale Mann sofort die Initiative ergriffen hätte. Aber nicht er. „Du hättest der Sache im Hotel wirklich nachgeben können. Ich hatte keinerlei Hintergedanken und die habe ich im Moment auch nicht.“, flüsterte sie, sie hörte wie Tessa sich hinter ihnen erhob und mit erstickter Stimme hervor brachte: „Ich lasse euch am besten Mal alleine, nicht dass ich heute Nacht Dinge zu Gesicht bekomme, die mich um Jahre altern lassen.“
Mit schnellen Schritten rannte sie in den Wald. „Wie wäre es, wenn wir das, was im Hotel passiert ist jetzt zu einem würdigen Ende bringen würden?“, hakte sie nach und in ihrem Flüstern klang die blanke Wollust mit. „Nein Danke, kein Interesse.“, erklärte er mit ruhiger und fester Stimme. Sie küsste ihn sanft und leidenschaftlich, und er… Verkrampfte sich. Sie löste den Kuss und schaute ihn bedauernd an. „Bin ich für dich so unattraktiv?“, hakte sie nach und klang dabei tatsächlich etwas traurig. „Das ist es nicht.“, erklärte er weiter mit seinem starren Blick. „Ist es wegen einer anderen Frau? Gibt es da jemanden, von dem ich wissen sollte? Ist es Tessa?“, fragte sie mit ernster Miene und Rylar stieß einen genervten Seufzer aus. „Es geht dich wirklich nichts an.“, erklärte er und sie musterte ihn mit finsterem Blick. „Es ist wegen Cereza nicht wahr? Hast du wegen ihr wirklich immer noch ein schlechtes Gewissen?“, hakte sie nach und er wurde hellhörig. Offensichtlich hatte sie ins Schwarze getroffen. „Ich war es damals, die euch beide nackt ausgezogen hat. Zwischen euch war rein gar nichts, aber ich habe genau gewusst, dass ihr beide euch am nächsten Tag an nichts erinnern würde. Verdammt ich habe sogar darüber nachgedacht mich nackt zu euch zu legen, damit die Verwirrung und der Abstand zwischen euch am nächsten Morgen noch größer würde.“, erklärte sie mit finsterem Gesichtsausdruck und Rylar schaute sie fassungslos an. „Wieso das Ganze?“, fragte er nach und klang dabei berechnend und kühl. „Weil ihr euch zu nahe gekommen seid. Ich habe ein Auge auf dich geworfen und ich werde mir die Entscheidung, die eine Chance zu geben bestimmt nicht von irgendeiner dahergelaufenen Izarekanischen Soldatin abnehmen lassen.“, erklärte sie bitter und schaute ihm in die Augen. Sie konnte wirklich nicht sagen, was er jetzt dachte. „Das hättest du nicht tun sollen.“, erwiderte er finster und sie schaute ihn missbilligend an. „Wieso?“, hakte sie nach und drängte ihn mit Blicken zu einer Antwort. „Weil ich mit dir geschlafen hätte, wenn dieses Erlebnis nicht gewesen wäre.“, gab er zur Antwort und sie schaute ihn baff an. „Ich hätte wirklich mit dir geschlafen, wenn dieses eine Ereignis nicht gewesen wäre. Wenn ich kein schlechtes Gewissen deshalb gehabt hätte.“, erklärte er und innerlich triumphierte sie. „Dann brauchst du ja jetzt kein schlechtes Gewissen mehr zu haben. Jetzt können wir das machen, was wir schon die ganze Zeit tun wollten.“, erklärte sie und streichelte über seine Brust. „Nein. Das macht ehrlich gesagt alles nur noch schlimmer. Wie konntest du ihr das antun? Was hat sie dir jemals getan? War es wirklich nur, weil wir beide uns nahe gekommen sind? Das ist wirklich alles?“, er klang wirklich sauer und Cylara beschlich der Verdacht etwas wahnsinnig falsches getan zu haben. Nicht gut. Gar nicht gut. Rylars undeutbarer Blick bohrte sich in ihren Geist und sie stieß erschrocken den Atem aus. „Ich… Also…“, begann sie und schaute ihn unschuldig an. „Komm zum Punkt.“, erklärte er genervt und erwiderte ihren Blick finster. Sie schluckte. Er konnte einem echt Angst machen. Es hatte wohl keinen Zweck zu lügen. „Ich… Ich war zuerst da. Ich habe eine Chance verdient. Und diese dumme Idiotin hat die Frechheit besessen dir zu nahe zu kommen. Ja, ich habe es getan und ich würde es jederzeit wieder tun.“, gab sie zurück und Rylars Blick änderte sich von nur finster in pure Dunkelheit. „Nicht bei mir. Wenn du ihr noch einmal zu nahe kommst werde ich dich töten.“, erklärte er mit ruhiger und gefasster Stimme, einer Stimme, die überhaupt nicht zu seinem ruhigen Gesichtsausdruck passte. „Du scherzt doch.“, unterstellte sie dreist und schaute ihm in die Augen. Er lächelte. „Sieh mir in die Augen und sage mir noch einmal, dass ich scherze.“, gab er ruhig zurück. Aus seinem Blick sprach diie pure Mordlust. Offensichtlich scherzte er nicht. Sie schluckte. Wenigstens hatte er nicht gesagt, dass sie sich nicht von ihm fernhalten sollte. Inständig hoffte sie auf einen zusätzlichen Kommentar wie: ‚Sie war ohnehin nie eine Gefahr für dich‘ oder ein ‚Sie hat mit uns nichts zu tun.‘, selbst ein schmalziges ‚Ich interessiere mich nur für dich.‘ wäre ihr jetzt willkommener gewesen als diese Stille. Sie hatte mit einem Mal das Gefühl, alles falsch gemacht zu haben. Es war ein Fehler ihm das zu sagen und sie hatte es trotz allem absolut vergeigt. „Du wirst mich jetzt aber nicht allein hier zurücklassen oder?“, hakte sie nach und hatte wirklich Angst davor, dass er sie hier in diesem unheimlichen Wald in dem alles herum zu fleuchen schien zurück ließ. „Wir sind ein Team. Jedenfalls im Moment. Wenn das hier vorbei ist. Halte dich besser von mir fern.“, erklärte er mit dunkler Stimme. Sie spürte wie ihr heiße Tränen übers Gesicht liefen.

Kapitel 9

 

Mit zusammen gebissenen Zähnen saß Cereza auf ihrem Baum und musste sich davon abhalten ihre Waffe durch zu laden und Cylara einen gezielten Schuss zwischen die Augen zu verpassen. Wie konnte sie es wagen Rylar einfach so zu küssen und sich derartig an ihn heran zu werfen, wenn er es offensichtlich nicht wollte. Es war nicht schwer zu erkennen, dass Rylar die Berührungen, die Cylara ihm hatte zu Teil werden lassen nicht gewollt hatte. Er hatte sie oft von sich geschoben und nachdem sie eine längere Unterhaltung geführt hatte schien sie es dann endlich verstanden zu haben, doch trotz allem warf sie immer wieder zärtliche Blicke in die Richtung des Mannes, der offensichtlich ziemlich angepisst da saß und hoffte von niemanden angesprochen zu werden. Es wäre so einfach gewesen. Anlegen, zielen und abdrücken und schon würde sich Cylaras Hirn in einem rot-grauen Muster hinter ihr in das Gras schmiegen und das Grün dabei unterstützen weniger Grün zu wirken. Sie hatte Frauen wie Cylara noch nie leiden können. Geistesabwesend ließ sie ihren Blick über die Schusswaffe in ihrer Hand gleiten. Sie würde nur eine Kugel brauchen. Eine Kugel fiel in der Bilanz doch gar nicht auf. ‚Oh tut mir leid Herr Schatzmeister… ich habe eine zusätzliche Kugel gebraucht um mir ein Hindernis aus dem Weg zu schaffen.‘, begann sie in ihrem Kopf bereits eine Entschuldigung dafür zu spinnen, dass sie eine Kugel zu viel verwendet hatte. Natürlich würde das ganze gar nicht auffallen. Trotzdem war es ein befriedigender Gedanke diese Frau abzumurksen. Allmählich begann ein Gebüsch in der Nähe des Lagerfeuers zu rascheln. Cereza legte das Gewehr an. Sie konnte sehen wie Rylar aufstand und ein Wurfmesser aus dem Gürtel zog. Aus dem Gebüsch schälte sich eine bekannte Gestalt mit grünen Haaren. Die junge Frau hatte bereits zuvor mit ihnen zusammen am Lagerfeuer gesessen und sie begleitet, seitdem sie durch den Wald gingen. Rylar ließ das Messer wieder seinem Gürtel verschwinden, dann ließ er sich nach hinten fallen. Das Mädchen setzte sich an das Lagerfeuer, genau gegenüber von Rylar. Cylara saß etwas abseits und schien zu schmollen, während sie weiterhin Rylar mit zärtlichen Blicken bedachte. Was versprach sie sich davon? Dass er plötzlich aufsprang, auf sie zu rannte und sowas abgedroschenes sagte wie ‚Cylara, ich liebe dich so sehr, deine Augen sind wie Sterne, sie strahlen in einer eigenen Umlaufbahn und ich könnte ein ganzes Königreich errichten nur um dir zu huldigen…‘. Ja wahrscheinlich erwartete sie etwas Derartiges. Ihre Lippen kribbelten, als sie an seinen Kuss dachte. Es war ein verdammt schöner Kuss gewesen. Einer der wenigen Küsse, die sie wirklich ohne weiteres nachdenken hatte genießen können. Ihre Mutter hatte immer gesagt, sie würde den Moment schon bemerken, wenn der Richtige vor ihr stand. Wenn sie damit Recht hatte, konnte sie damit nur Rylar meinen. Noch nie hatte sie sich gegenüber eines Mannes so hilflos und gleichzeitig so geborgen gefühlt. Sie stieß einen langen leidenschaftslosen Seufzer aus. Ihr gefiel nicht, was das alles mit ihrem logischen Denken anstellte, allein der Gedanke eine mögliche Rivalin erschießen zu wollen widerte sie an. Sie sollte schlafen. Morgen würde alles ganz anders aussehen. Ihr Blick wanderte erneut zu den dreien hin, die am Lagerfeuer saßen und wortlos das Kaninchen aßen, was Rylar erlegt hatte. Sie schmiegte die Wolldecke enger um sich und als ihr Rylars Geruch in die Nase stieg seufzte sie glücklich. Sie war wirklich unrettbar verloren. Sie schloss die Augen, ihr Scharfschützengewehr hing kurz über ihr, mit einem Gurt an einem Ast befestigt. Erschöpft lehnte sie sich gegen den Baumstamm und schloss die Augen, als sie die Augen wieder aufzwang, seufzte sie. Bei ihrer Paranoia würde sie niemals Erholung finden. Lautlos schnallte sie ein Seil um den Baum und befestigte das Seil mit einem Haken an ihrem Gürtel. Der Gürtel war aus einem Material genäht, was Izareks Wissenschaftler künstlich hergestellt hatten. Laut den Testprotokollen hielt dieses Material ohne größere Probleme ein Gewicht von mehr als 100 Kilo. Wenn sie also in den letzten Tagen nicht deutlich zugenommen hatte, würden Gurt und Seil auch ihr Gewicht halten, sollte sie in der Nacht vom Ast herunter rutschen. Als sie die Augen wieder schloss stieß sie erneut einen Seufzer aus. Warum wurde sie in der Nacht immer von ihren Fantasien terrorisiert. Sie glaubte Rylars Lippen an ihrem Ohr zu spüren, glaubte zu spüren, wie er zärtlich ihr Ohr küsste, wie sein Atem ihre Haut kitzelte und wie er damit begann mit der Zärtlichkeit eines Liebhabers an ihrem Ohr zu knabbern, während sie seine Stimme zu hören glaubte, die ihr ins Ohr flüsterte: „Ich liebe dich Cereza.“ Erneut entglitt ihrer Kehle ein wohliger Seufzer, dann hielt sie der Schlaf in ihren Fängen und hüllte sie in seine sanfte Umarmung.

 

Rylar prüfte noch einmal seine Ausrüstung, das Schwert hing mit einem Gurt um seine Schulter, sein Dolch hing mit mehreren Wurfmessern in seinem Gürtel und die Verpflegung hing in einem Rucksack verpackt auf seinem Rücken. Er gähnte kurz und spürte eine Umarmung, die ihn von hinten umfing. Er stieß einen wütenden Seufzer aus, als er Cylaras Lippen an seinem Ohr spürte. „Guten Morgen Rylar, hast du alles?“, seufzte ihre Stimme sinnlich in sein Ohr. Er hatte noch nie viel davon gehalten Frauen zu schlagen, die einen nicht umbringen wollten, aber in diesem Moment verspürte er ein dringendes Bedürfnis danach. Mit einem forschen Griff um ihre Hand befreite er sich aus ihrer Umarmung, die sie bereitwillig löste. „Was willst du?“, hakte er nach und sie grinste ihn an, als sei sie die Unschuld in Person. „Ich wollte mich nur erkundigen, wie es dir geht.“, lächelte sie sanft und Rylar verzog das Gesicht. „Das solltest du lassen, wenn du möchtest, dass ich dich jemals ernst nehme.“, erklärte er finster und erntete einen beleidigten Blick von ihr. „Du bist total gemein…“, seufzte sie und Rylar musste jetzt wirklich dagegen ankämpfen sie zu schlagen. „Hör auf die Unschuldige zu spielen, das steht dir nicht.“, entgegnete er kalt und sie schaute ihn erschrocken an. „Woher willst du das wissen? Du hast dir niemals die Mühe gemacht, mich richtig kennen zu lernen.“, setzte sie entgegen und schaute dem Mann in die Augen. Er atmete tief durch. „Ja und diese Mühe werde ich mir jetzt auch niemals machen.“, erklärte er mit ruhiger Stimme und ernstem Blick. „Mann... Ich hab lediglich das getan, was viele Frauen an meiner Stelle gemacht hätten. Ich habe nur versucht mir eine Rivalin aus dem Weg zu schaffen, du solltest dich geehrt fühlen, dass ich mir die Mühe überhaupt gemacht habe.“, erklärte sie reglos und Rylar formte eine Faust. „Geh mir einfach aus dem Weg.“, erklärte er kühl und ging. „Ich verstehe wirklich nicht, wie du das so lange ausgehalten hast.“, erklang eine Stimme über ihm, als er den Blick nach oben wandte erblickte er Tessa, die entspannt auf einem der Äste saß und auf ihn hinab blickte. „Manchmal frage ich mich das auch.“, erklärte er mit einem Seufzen und zuckte mit den Schultern. „Gibt es einen Grund warum deine Freundin nicht mit uns zusammen reist? Es wäre deutlich einfacher für mich, wenn sie einfach sichtbar in unserer Nähe bleiben würde, anstatt sich im Wald zu verstecken. Es ist auf Dauer wirklich anstrengend ständig irgendwelche Spuren zu hinterlassen, damit ist uns folgen kann.“, erklärte Tessa gelangweilt und Rylar gluckste. „Lass sie bloß nicht hören, dass du sie erstens bemerkt hast und zweitens extra Spuren hinterlässt, damit sie uns folgen kann. Sie toleriert nur, dass ich sie bemerkt habe, weil ich ein Windmagier bin.“, grinste er und Tessa lächelte zurück. „Du hast sie wirklich gerne oder?“, fragte sie mit einem schwer deutbarem Blick. „Eine schwere Frage für einen anderen Moment.“, erklärte er und schaute ihr entgegen, doch sie grinste nur. „Dann sage ich es dir eben… Du magst diese Frau, die uns folgt. Du magst sie sogar sehr. Das merke ich an deinem Blick, wenn du an sie denkst.“, erklärte sie und grinste ihm nun ebenso entgegen, wie er es vor kurzer Zeit getan hatte. „Wir sollten weiter gehen.“, erklärte Rylar um vom Thema abzulenken. Erneut grinste Tessa. „Wie du meinst.“, erklärte sie und sprang vom Ast um sanft auf dem Boden aufzukommen. Rylar wunderte sich leicht, viele Menschen hätten sich aus dieser Höhe die Knochen brechen können. Natürlich war es ohne weiteres möglich den Fall durch Windmagie zu bremsen, aber er hatte gesehen, wie sie Cylara mit Magie geheilt hatte. Den meisten Menschen war nur eine Art der Magie zugänglich. „Wie kannst du…?“, begann Rylar und sie lächelte ihm zu. „Von diesem Ast springen ohne mir dabei weh zu tun?“, vollendete sie den Satz und Rylar nickte. Sie zuckte mit den Schultern. „Sobald ich im Wald bin passiert mir nichts. Es ist fast so, als würde der Wald mich vor Schaden bewahren. Natürlich bin ich schon oft gestürzt und habe mir wehgetan, aber das ist mir nur in der Siedlung oder in einem Haus passiert. Hier in diesem Wald ist es fast so, als würde er auf mich aufpassen und mich auffangen, wenn ich falle.“ Mit einem Stirnrunzeln dachte Rylar über die Sache nach. In diesem Wald war wohl wirklich alles möglich. Tessa streckte sich im Licht der aufgehenden Sonne und Rylar lächelte. Sie war hübsch, viele Männer würden sich glücklich schätzen sie besser kennen zu lernen, auch wenn er nicht glaubte, dass sie selbst so von sich dachte. Er hatte in den letzten Tagen öfter beobachtet, wie sie Cylara eifersüchtig anblickte. Wenn man Rylar fragen würde hätte sie keinen Grund dazu, als neutraler Beobachter würde er beiden sagen, dass sie ihre Vorzüge hatten. Aber auf Rylars Meinung würde es nicht ankommen, darauf würde es niemals ankommen. „Werden wir das Orakel heute erreichen?“, fragte er nach und sie nickte müde. „Ja, das Orakel ist nicht mehr weit.“, erklärte sie und rückte Bogen und Köcher auf ihren Rücken zurecht. „Ich denke mal im Laufe des Mittags werden wir das Territorium der Gildenmeister erreichen und in dessen Zentrum befindet sich das Orakel.“, sprach sie weiter und Rylar nickte. Er war bereits davon ausgegangen, dass es sich bei dem Orakel um die Gildenmeister von Varyz handelte. „Wie funktioniert diese Erinnerungsteilerei?“, hakte er nach und schaute Tessa interessiert an. Sie zuckte mit den Schultern. „Mir haben sie etwas Blut abgenommen und ich habe eine Erinnerung durchlebt, als würde sie noch einmal passieren. Jedenfalls was mich betrifft war das alles.“, erklärte sie und seufzte, während sie nachdachte. Dann nickte sie. Sie hatte nichts ausgelassen. „Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass sie je nach Wichtigkeit und Einfluss auf das Leben desjenigen, den es betrifft der Preis steigt.“, ergänzte sie und Rylar nickte zustimmend. Das wäre gut möglich. „Konntest du beeinflussen welche Erinnerungen du ihnen zur Verfügung stellst?“, hakte er nach, als er kurz an seine Vergangenheit dachte. Er war wirklich nicht besonders heiß darauf etwas aus seinem Leben erneut zu durchleben. Wenn er wenigstens beeinflussen könnte wie die Erinnerungen verlaufen, aber sie würden genauso verlaufen wie es gewesen war. Die gleichen Bilder, die gleichen Gedanken, die gleichen Gefühle. Wieder würde er miterleben müssen wie sein Vater ihn schlug, wieder würde er das glühende Eisen spüren, was er benutzte um ihm sein Zeichen auf die Haut zu brennen. Wieder würde er seine eigenen erstickten Schreie hören, während er seinen Vater lauthals dafür beten hörte, dass ihm Gott XY seine Frau zurückgibt. Er ist so ein kranker Bastard gewesen und Rylar war heil froh darüber, dass sein Vater mittlerweile unter der Erde lag. Er konnte sich für ihn keinen besseren Ort vorstellen. Es würde nichts helfen sich dagegen zu sträuben. Rylar würde das was er einst erlebt hatte wieder erleben, jedenfalls teilweise und das alles nur um eine Stadt zu retten, die nie etwas für ihn getan hatte. Irgendwas war echt nicht Fair am Verlauf dieser Geschichte. Kurz blitzen die Bilder von Cylara und Cereza vor seinem geistigen Auge auf. Auch das Gesicht von Pater Gregory zeigte sich kurz, nur um dann wieder zu verschwinden. Drei Menschen, die ihm wirklich irgendwo etwas bedeuteten nur drei Menschen. Da würde es sich wahrscheinlich mehr rentieren sie zu packen und aus der Stadt zu schleifen bis alles vorbei war, aber nein sein Gewissen würde ihn mal wieder dazu treiben sein Leben für Leute zu riskieren, die er nicht kannte, die er wahrscheinlich nicht mal leiden konnte, würde er sie kennen lernen. Er seufzte und Tessa blickte ihn fragend an. Er schüttelte kurz den Kopf. Nun zuckte sie mit den Schultern. Ein kluges Mädchen, möglicherweise würde sie auch bald zu der Liste an Personen gehören, die er irgendwie mochte, auf seine selektive und etwas kranke Art und Weise. Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Er hatte eine beschissene Vergangenheit, aber das Rechtfertigte noch lange nicht alles. Nicht mal Ansatzweise, egal was manche Menschen behaupteten. Er biss mit Wut die Zähne aufeinander, als er daran dachte, was manche Leute mit dieser Ausrede zu rechtfertigen versuchten. Schnell beruhigte er sich wieder. Gut, er würde diese Vergangenheit also noch einmal erleben. Egal was geschah, er würde nicht daran zerbrechen. Er war bisher klar geblieben und das würde sich nicht ändern. Er war stark und er konnte alles schaffen, was er sich vornahm. Aufgeben war keine Option. Das Leben zu vieler Menschen hing von seinem Erfolg ab. Diese Waffe oder was auch immer es war, durfte um keinen Preis in die Hände von Razzia gelangen. Egal worum es sich jetzt handelte Razzia würde einen Weg finden dieses Gerät in eine Waffe zu verwandeln. In eine Waffe die dazu ausgelegt war so viel Schaden wie möglich anzurichten. Er musste diesen Dieb finden. Er musste ihn zur Strecke bringen, egal was geschah. Tessa schaute ihn irritiert an und er schüttelte den Kopf. „Sorry, ich war kurz in Gedanken.“, erklärte Rylar und schloss kurz die Augen, während er mit ihr zusammen weiter den Weg durch den Wald fortsetzte. Tessa seufzte und zeigte auf etwas vor ihnen. Rylar folgte ihrem Blick mit seinem und sah einen riesigen, dicken und vollkommen überwucherten Baum. „Was ist das hier?“, hakte er nach, da ihm der Baum seltsam vorkam. Er war viel breiter als alle anderen um ihn herum, davon abgesehen schien die Musterung auf der Rinde des Baumes sich langsam aber sicher zu bewegen. Insekten? „Das ist das Herz des Waldes. Das Orakel befindet sich ganz in der Nähe.“, erklärte sie und Rylar begriff, dass das, was sich auf der Rinde des Baumes bewegte keines Wegs Insekten waren. Es war Magie, welche die Rinde des Baumes sättigte, sie befanden sich im Zentrum des Waldes. Ab jetzt würde sich alles nur noch als schwieriger gestalten.

 

Seraphim grinste als er von seinem Versteck auf jene hinab blickte, die sie verfolgt hatten. Das Orakel der Dryaden war also ihr erstes Ziel. Garkeine schlechte Idee, wenn man bedachte, dass ihr Bauer sich von niemanden durch diesen Wald führen ließ und lediglich auf seinen Orientierungssinn vertraute. Das war einfach nur dumm, aber was sollte man schon von einem einfachen Soldat wie ihm erwarten. Er mochte gut darin sein das Leben anderer zu nehmen, aber einen gewissen Grips hätte ihm niemand freiwillig unterstellt. Mit einem finsteren Blick bedachte er den Mann, der an der Spitze der Gruppe lief. Er war es also gewesen, der Refas Gabe hatte wiederstehen können. Ein interessanter Mann. Aber er würde bald tot sein. Alles was er tat würde schon bald keine Rolle mehr spielen. Er wandte sich um und blickte der verängstigten Refa in die Augen. „Bist du bereit deinen Fehler wieder gut zu machen?“, hakte Seraphim nach un Refa nickte unbedacht. Was hätte er auch erwarten sollen. Sie war eben doch nur ein dummer Bauer, der alles tat, was man ihm sagte. Kaum zu glauben, dass sie sich so oft hatte töten lassen. Sie würde früher oder später in Ausführung ihrer Pflicht sterben. Es juckte ihn nicht, sie war dumm und nicht in der Lage eine größere Rolle zu spielen, dazu kam, dass sie nicht dazu in der Lage war Menschen mit der notwendigen Ernsthaftigkeit zu begegnen. In ihrer Generation war es üblich, dass Menschen niedere Geschöpfe waren. Ähnlich wie Insekten oder Ratten. Für jene der zweiten Generation waren Menschen schwach. Das lag daran, dass sie nicht wusten, wie es war ein Mensch zu sein. Sie wussten nicht zu was Menschen in der Lage waren. Sie kannten das Gefühl nicht über sich selbst hinaus wachsen zu können, sie wussten nicht wie stark ein in die Enge getriebenes Raubtier werden konnte. Sie verließen sich zu sehr auf ihre Gaben, sie waren erbärmlich und schwach. Refa trat neben ihn und schaute auf die Gruppe aus drei Menschen herab. „Eine fehlt.“, erklärte Refa und Seraphim blickte zu ihr? „Was?“, hakte er nach und schaute ihr in die Augen. „Die Scharfschützin aus der Kanalisation fehlt.“, stammelte sie hastig. Wie sehr Seraphim es hasste, wenn sich unsterbliche Soldaten nicht richtig ausdrücken konnten. Gerade wollte er etwas sagen, als sie den Mund zu einem stillen Schrei aufriss. Erst eine halbe Sekunde spürte Seraphim, dass ihm Blut ins Gesicht und auf die Kleidung gespritzt war. Ein Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus, als er das riesige blutige Loch in Refas Magen sah. Refa röchelte, während ihr Körper sich allmählich wieder zusammensetzte. Blasse Blitze zuckten um die Wunde herum und er konnte sehen, wie sich langsam die Knochen, Organe, Bänder und Haut neu erschufen. Es mussten unglaubliche Schmerzen sein, zu spüren wie sich ihr Körper so langsam wieder zusammensetzte. „Ich schätze du hast deine Scharfschützin gefunden.“, grinste Seraphim und Refa spuckte Blut. „Ich bin es so leid, dauernd zu sterben!“, schrie sie und riss hasserfüllt die Augen auf. Die Gruppe auf der Straße wandte sich ihnen zu. Idiotin. „Kümmere du dich um deine Freundin, ich werde mich mit den dreien dort unten amüsieren.“, grinste er und zwei Federn lösten sich aus seinem Mantel, begannen zu glühen und formten sich in zwei einfache Schwerter um, dann sprang er vom Baum und sanft, wie vom Wind getragen auf dem Boden aufzukommen. Seid gegrüßt Reisende. Er verbeugte sich vor dem Mann, der Schwert und Dolch in einer unheimlich schnellen Bewegung gezogen hatte. Wenn ich mich vorstellen darf, mein Name ist Seraphim. Und ich bin der Henker, den Gott für euch erwählt hat.“, erklärte Seraphim und grinste seinen drei Gegnern entgegen während er spürte wie Refa zwischen den Bäumen umhersprang um die Scharfschützin zu suchen. Selbst wenn Refa sie nicht auf Anhieb erwischte würde sie eine ausgezeichnete Ablenkung abgeben. Während die Scharfschützin sich darauf konzentrieren würde Refa zu erschießen, musste er nur mit drei Menschen kämpfen, die alle samt ermüden würden, während er nahezu ewig kämpfen konnte. Hier würde es enden. Auf Seraphims Lippen breitete sich ein finsteres Grinsen aus. Zu seinen Gegnern gehörten ein Jäger aus Vayrem, eine Gedankenjägerin aus Zulvar und eine Waldläuferin aus Varyz, die grade einen Pfeil auf ihren Bogen legte. Das könnte ein interessanter Kampf werden. Der Pfeil schnellte auf ihn zu, doch Seraphim tat einen unheimlich schnellen Schritt und wich dem Pfeil aus, er bediente sich seiner übermenschlichen Schnelligkeit mit freudiger Euphorie, obwohl es ermüdend war niemals einem Gegner zu begegnen, der ihm wirklich gewachsen war. Mit unheimlicher Geschwindigkeit rannte er auf die junge Frau zu, die bereits einen zweiten Pfeil aus dem Köcher zog. Zu spät. Die Klinge in Seraphims rechter Hand glitt surrend durch die Luft, die junge Frau hatte keine Deckung, gleich würde die Klinge ihr Fleisch zertrennen und sie würde aufschreien, während das Leben aus ihr wich. Das Geräusch von aufeinander schlagendem Metall überraschte ihn. Seine Klinge war kurz vor ihr mit der des Jägers kollidiert. Er hatte seinen Angriff pariert. Interessant. Mit einem Grinsen ließ er die zweite Klinge durch die Luft surren, diesmal hatte sein Angriff den Jäger als Ziel, dieser wich nach hinten aus, schnellte dann vor und schwang den Dolch in seiner linken Hand in seine Richtung. Die Klinge streifte ihn und der Jäger setzte mit einem schnellen Tritt nach. Sein Fuß traf Seraphim an der Brust und katapultierte ihn zurück. Der Jäger setzte mit schnellen Angriffen mit Schwert und Dolch nach, die mit einer unheimlichen Technik geführt waren. Seraphim wich aus, genoss das Angriffsmuster wessen sich der Jäger bediente, sah den nächsten Angriff aber nicht voraus. Der Fuß des Jägers kollidierte mit Seraphims Schläfe und er wurde zur Seite gedrängt. Es wurde Zeit ernst zu machen, egal wie unterhaltsam dieser Kampf auch war. Es wurde Zeit diesem Jungen zu zeigen, wer der wirkliche Krieger unter ihnen war.

 

Cereza sprang auf, sprang vom Ast, auf dem sie gelegen hatte. Ihr Rücken schmerzte, als sie sich am Boden angelangt abrollte und wieder aufsprang. Sie hing sich das Scharfschützengewehr über den Rücken und zog eine der Handfeuerwaffen und eines der Bajonette, die an ihrem Gürtel baumelten. Sie wich zurück, als die Frau mit unheimlicher Geschwindigkeit durch das Labyrinth aus Bäumen, mit vor Wahnsinn glänzenden Augen auf sie zugerast kam. Ihre Hände waren riesigen, rasiermesserscharfen Klauen gewichen und sie strahlte erneut diese unheimliche Furcht aus. Doch Cereza konnte sich nicht darauf verlassen gerettet zu werden, genau so wenig konnte sie darauf hoffen der Frau zu entkommen, wenn sie davon lief. Nein sie musste kämpfen. Jetzt würde sich entscheiden ob sie unter der Belastung dieser unheimlichen Angst, die ihren Geist fest umklammert hielt dazu in der Lage war. Sie schluckte und die Frau überwand den Abstand zwischen ihnen in Sekundenschnelle. Ein lautes, wahnsinniges Lachen drang aus ihrer Kehle und geistesgegenwärtig hob Cereza ihre Waffen. Die Schusswaffe in der rechten Hand zum Schuss erhoben, die linke mit dem Bajonett unten gegen die Pistole gedrückt, die Klinge voraus. Die wahnsinnige raste auf sie zu, holte mit einer der klingenbewährten Klauen aus und schlug zu. Cereza wich nach hinten aus, die messerscharfen Klingen verfehlten sie um Haaresbreite und sie blockte den nächsten Hieb mit dem Bajonett, indem sie die zweite Klaue am Arm abblockte. Kurz fluchte Cereza, dass ihre Waffen nicht zum Blocken geeignet waren, doch geistesgegenwärtig hob sie die Schusswaffe und richtete den Lauf auf den Kopf, den überrascht aussehenden Wahnsinnigen. Sie drückte zweimal ab und gehorsam bohrten sie sich durch den Kopf der Gegnerin, die zurück taumelte, eine Hand erhoben um ihr Gesicht zu stützen, wobei sie sich weitere Schnittwunden zufügte. Cereza sprang ein paar Schritte rückwärts und erhob erneut die Pistole, die Hand mit dem Bajonett legte sie wieder unter die Schusswaffe, wie sie es gelernt hatte. Sie war stets gut im Nahkampftraining gewesen. Ein Manko war lediglich immer ihr langes Haar gewesen, was man im Kampf mühelos hätte packen und gegen sie verwenden können, doch sie hatte ihrer Ausbildung zum Soldaten bereits zu viel geopfert. Hübsche Kleider, hübsche Unterwäsche, selbst ihre verdammten Stofftiere hatte sie auf der Strecke lassen müssen. Stofftiere folgten keinen Befehlen und eine Zeit lang hatte sie das Gefühl gehabt, dass sie versuchten sie zu verspotten. Sie war manchmal wirklich ein seltsames Mädchen. Blitze züngelten um den Kopf der Wahnsinnigen und zwei Kugeln verursachten ein metallisches klicken, während sie zu Boden fielen. Hatte sie sich getäuscht. Sie hatte das Gefühl, dass die Heilung der Wunden, das letzte Mal schneller von Statten gegangen wäre. War es möglich, dass diese Frau doch sterblich war. Hinter einer Mauer aus Bäumen erklang metallisches klingen, wahrscheinlich kämpfte Rylar mit irgendjemanden. Keine Zeit darüber nachzudenken. Sie würde Rylar ihr Leben anvertrauen. Er war ein unheimlich guter Kämpfer. Die Klaue der Frau senkte sich und gab einen Blick auf ihr Gesicht frei. Es hatte wieder das typische Aussehen angenommen, bis auf zwei kleine Abdrückte, die Schusswunden hätten sein können. Weiterhin zuckten Blitze über ihre Visage und ließen die kreisrunden Abdrücke allmählich verschwinden. Cereza konzentrierte sich auf einen Punkt dicht hinter ihr. Sich nur auf die Klauen zu fokussieren wäre ein Fehler gewesen, weil sie sonst einen Tritt oder ähnliches schlecht hätte voraussehen können. Die Gegnerin hob erneut die Klauen. Der gleiche Trick? Offensichtlich hatte sie keine Ausbildung im Kampf erhalten. Das konnte Cereza nur zum Vorteil gereichen. Ihr Blick war finster und sie wartete auf den Angriff. Mit lautem Geschrei rannte sie auf Cereza zu. Ist sie langsamer geworden? Ihre Angriffe waren einfach gestrickt, es war ein Kinderspiel ihnen auszuweichen. Es dauerte nicht lange bis sie eine Lücke in ihrer Verteidigung fand. Sie duckte sich unter der linken Klaue hindurch, legte die Klinge des Bajonetts an die Kehle der Frau und ließ sie durch warmes Fleisch schneiden. Sie spürte wie die Klinge die Kehle ihrer Gegnerin durchtrennte, sie spürte wie in einem warmen Schwall Blut aus der Wunde spritzte und ihre Hand und die Klinge benetzte. Die Klauen wanderte zu ihrer Kehle, wie erwartet. Cereza entging den Klauen indem sie einen einfachen Schritt voraus tat. Dicht hinter ihr drehte sie sich zu ihr um, legte mit der Feuerwaffe an und jagte der Gegnerin weitere zwei Kugeln in den Kopf. Durch die Wucht der Kugeln wurde der Kopf ihrer Gegnerin nach vorne geworfen. Cereza nutzte die Gelegenheit. Das Bajonett drang zwischen den zweiten und dritten Halswirbel in ihr Gewebe aus. Mit einem Ruck drehte sie die Klinge zwischen ihren Wirbeln und knackend trennten sie sich voneinander. Ein weiterer Ruck und die Klinge verließ das warme Fleisch ihrer Gegnerin. Gleich drei Wunden, die ein Mensch unmöglich überleben würde und das in weniger als fünf Sekunden. Cereza trat zu und stieß die Gegnerin an, die schluchzend nach vorne taumelte und im Dreck landete. Cerezas Blick spiegelte eine winterliche Kälte wieder. Blut tropfte von der rot gefärbten klinge des Bajonetts zu Boden und Cereza atmete noch immer ruhig und regelmäßig. Dieser Kampf hatte sie nicht wirklich angestrengt. Überrascht nahm sie zur Kenntnis, dass die Angst, die sich zu Beginn des Kampfes in ihr breit gemacht hatte nahezu verschwunden war. Ein kleiner Keim war geblieben, doch sie hatte nicht mehr das Gefühl innerlich vor Angst zu schlottern. Das Gefühl war von Anfang an nicht so stark gewesen, wie zuvor in der Kanalisation. Und jetzt, wo ihre Wunden immer langsamer regenerierten, war die Angst nahezu verschwunden. Blasse Blitze begannen langsam über den am Boden liegenden Körper ihrer Gegnerin zu zucken, konzentrierten sich allerdings auf die Wunden. Mit langsamen Schritten ging sie auf ihre Gegnerin zu und durchtrennte mit zwei schnellen Schnitten ihre Kniesehnen. Die Frau brüllte schmerzerfüllt auf. Es war Cereza egal. Diese Frau hatte versucht Rylar zu töten. Sie hatte versucht sie zu töten schon zum zweiten Mal. Sie war es nicht wert um sie zu trauern. „Verdammtes, dummes Äffchen… du wirst diesen Kampf niemals gewinnen. Ich bin unsterblich.“, lachte ihre Gegnerin gackernd und schmerzerfüllter Stimme. „Klappe.“, entgegnete sie, hob noch einmal die Feuerwaffe und jagte ihrer Gegnerin zwei weitere Kugeln in den Hinterkopf. Sechs Kugeln verschossen, blieben noch zwei. Eine im Lauf, eine im Magazin. „Wie oft ich dich wohl noch töten muss bis deine Selbstheilung komplett aufgibt? Sie wird schwächer, das spürst du, nicht wahr?“, hakte Cereza mit kalter Stimme nach. Blasse Blitze zuckten erneut über den Kopf ihrer Gegnerin hinweg und erneut begann sie herzzerreißend zu weinen. Zwei weitere Kugeln verschwanden knackend in ihrem Hinterkopf. Wortlos ließ sie das Magazin aus der Waffe gleiten und lud ein volles nach. „Ich habe genug Munition um einen eigenen kleinen Krieg zu führen. Für dich, reicht die alle Mal.“, erklärte Cereza kalt und packte ihre Gegnerin bei den Haaren. Ihr Fuß drückte ihren Körper am Genick nach unten, dann zog sie. Es knackte laut. Sie steckte die Feuerwaffe weg und ließ das Bajonett aus der Hand gleiten um es mit der anderen Hand zu fangen, dann setzte sie die scharfe Klinge an der Halsschlagader an, ließ die Klinge so tief wie möglich durch das weiche Gewebe bis zur anderen Seite ihres Halses gleiten, dann riss und zerrte sie an ihrem Kopf, bis sich dieser nur noch von Wirbelnd und rissigem Gewebe gehalten, knackend von ihrem Rumpf löste. So stark sie konnte schleuderte sie den Kopf der Pseudounsterblichen gegen den nächsten Baum. Der Körper unter ihren Füßen begann sich in feinen Staub zu verwandeln. Das einzige, was sich hartnäckig hielt war ein pulsierender Klumpen roten Kristalls, der dort lag, wo zuvor noch ihre Brust gewesen war. Allmählich verlor der Kristall seinen Glanz. Er war matt und trist, leuchtete nicht und funkelte auch nicht, dann begann er zu splittern, verlor die rote Farbe und löste sich dann auf. Lautes männliches Gelächter erklang hinter der Mauer aus Bäumen. Sie riss den Kopf herum, doch der Schädel ihrer Gegnerin hatte sich ebenfalls in feinen schwarzen Staub verwandelt. Sie wollte das Blut von ihrer Bajonettklinge wischen, doch auch auf der Klinge war nur schwarzer Staub zurück geblieben, der langsam vom Wind getragen von der Klinge weg wehte. Es war vorbei. Sie hatte die unsterbliche getötet. Sie sank auf die Knie. Ihr war sowohl danach zu lachen und zu weinen. Doch sie hatte keine Zeit sich auszuruhen. Das Bajonett glitt in die Schlaufe ihres Gürtels zurück. Sie zog beide Handfeuerwaffen und stemmte sich wieder auf die Beine. Rylar war noch immer in Gefahr und könnte sie brauchen. Sie würde ihn nicht im Stich lassen.

 

Keuchend wich Rylar der heranrasenden Klinge aus, die sich sichelförmig ihren Weg durch die Luft bahnte. Der zweite Hieb folgte kurz danach. Dieser Kerl war viel zu schnell. Cylara stand wie immer nutzlos in der Gegend herum und fragte sich was sie tun sollte. Es musste doch eine Möglichkeit geben Rylar irgendwie zu helfen. Sie hatte im Verlauf dieser Mission noch nichts Hilfreiches getan, Tessa war erst seit gestern mit ihnen zusammen und war jetzt schon nützlicher als Cylara. Mit dem Dolch würde sie nicht weit kommen, den besaß sie nur zur Zierde. Wenn sie ihre Schwarzmagie einsetzte um Rylars Gegner irgendwie aus der Reserve zu locken, würde er sofort auf sie los stürmen, sobald er wieder dazu in der Lage war. Aber irgendwas musste sie tun. Rylar war vollkommen außer Atem, was nicht verwunderlich war, immerhin deckte ihn sein Gegner unaufhörlich und ungeheuer schnell mit Angriffen und Hieben ein, Rylar blutete aus einem guten Dutzend Wunden, während sein Gegner nicht mal einen Kratzer aufwies. Dieser Kerl war widerlich, wie er sich dort mit seinem Federponcho drehte und Rylar unaufhörlich attackierte. Cylara knurrte und zog das Messer. Tessa konnte ebenfalls nichts tun, weil sie befürchten musste, aus Versehen Rylar zu treffen, wenn sie jetzt ihren Bogen einsetzte. Es war an der Zeit für sie etwas zu tun. Vollkommen egal was. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. In ihrer Umgebung glühten mit ihrem eigenen Fünf Verstände. Moment. Fünf? Da stimmte etwas nicht. Rylar, der Kerl mit dem Federponcho, Tessa und Cylara das waren Vier. Ein Geist bewegte sich in starker Geschwindigkeit auf sie zu und bahnte sich ihren Weg durch das Dickicht des Waldes. Es knackte und rappelte, doch es ging unter dem Klang der aufeinander einschlagenden Klingen beinahe unter. Cylara biss die Zähne zusammen und drehte sich um. Den Dolch vor sich ausgestreckt, doch wo sie erwartete einen Gegner zu sehen, der den Federponcho unterstützte sah sie etwas viel schlimmeres. Was zur Hölle machte diese dumme Kuh hier? Was machte Cereza hier? Das war nicht fair. Cereza hob die Pistolen und gab zwei schnelle Salven ab. War sie verrückt? Sie würde Rylar treffen. Oder war ihr das egal. Sie hörte das Knacken, was erklang, wenn Kugeln Fleisch durchschlugen und wandte ihren Blick zu den beiden kämpfenden. Rylar war unverletzt, aber sein Gegner hatte nun drei Löcher in seinem Poncho um die allmählich blasse Blitze zu zucken begannen. Der Mann hatte seine Angriffswelle unterbrochen und blickte nun in Cerezas Richtung, die unerschrocken die Waffen erhoben hielt und eine weitere Salve aus vier Kugeln in die Richtung des Gegners schickte. Diesmal wartete er nicht ab, bis die Kugeln sein Fleisch durchbohrten, sondern wich den Kugeln mit unglaublicher Geschwindigkeit aus und rannte auf Cereza zu. Rylar fluchte und setzte ihm nach. Man konnte ihm ansehen, dass er vollkommen am Ende war, aber er gab nicht auf. Der Federponcho grinste und Cereza warf eine Pistole in die Luft, die andere gab einen Schuss ab, der knackend in Federponchos Stirn versank. Die Pistole flog rotierend über Cereza durch die Luft, während sie ein seltsames Gebilde aus ihrer Gürteltasche zog. Zwei Kugeln die mit einem Drahtgeflecht verbunden waren. Mit wenig Schwung warf sie ihm das Geflecht zu. „Hier, fang!“, rief sie, fing die Feuerwaffe auf, während das Drahtgeflecht sich um den Hals des Ponchos wickelte und die beiden Kugeln aufeinander trafen. Es blitzte und summte, als das Drahtgeflecht einen Stromstoß aussandte, der einen mittelschweren Oger ins Reich der Träume geschockt hätte. Der Federponcho stoppte und zuckte unter den elektrischen Stößen, die seinen Körper durchfuhren. Cereza hob ungerührt die Schusswaffe und schoss. Eine Kugel durchbohrte seinen Schädel. Sofort zuckten blasse Blitze um seinen Kopf und die Wunde verheilte. Er grinste und hob unter elektrischen Stößen zuckend die Hände an den Hals um das Drahtgeflecht zu umfassen. Cereza schoss ein weiteres Mal. Die Kugel hinterließ ein klaffendes dunkelrotes Loch wo zuvor sein rechtes Auge war, wieder nahezu sofort zuckten blasse Blitze um den Kopf des Federponchos und die tödliche Wunde verheilte spurlos innerhalb weniger Sekunden. Seine Hände packten das Drahtgeflecht und rissen es von seinem Hals, dann ließ er das Geflecht zu Boden fallen. Er hörte auf zu zucken und grinste Finster, als die dritte Kugel in seinem Schädel versank. Sofort verheilte die Wunde wieder, doch diesmal setzte Rylar nach und stieß dem Gegner sein Schwert in den Rücken und riss die Klinge seitlich aus der Wunde. Blut spritzte und das Gelächter ihres Gegners erfüllte die Luft. Cereza zog einen roten, stiftartigen Gegenstand aus ihrer Weste, zog eine Art kappe ab und stieß sie dem Federponcho in die Brust, der sich dagegen nicht zur Wehr setzte und brachte sich auf Abstand. Auch Rylar tänzelte zurück und dann erklang der laute Knall. Blutige Fleischfetzen trafen die fassungslos dastehende Cylara und glitten allmählich von ihr ab, ehe sie sich zu feinem Staub verwandelten. Als ihr Blick wieder zu ihrem Gegner glitt traute sie ihren Augen nicht. Der Mann stand da als sei nichts gewesen und lachte.

 

Das machte Spaß, es war lange her, dass Seraphim zum letzten Mal so oft gestorben war. Ehrlich gesagt konnte er sich an keine Gelegenheit erinnern, in der er so oft das zeitliche Gesegnet hatte wie am heutigen Tag. Refa war bereits tot, ihre Aura hatte sich bereits vor einigen Minuten verflüchtigt. Das war kurz bevor diese Schnalle mit den Pistolen aus dem Wald gerannt kam. Wenn sie nicht ihr Gegner gewesen wäre hätte er nichts dagegen gehabt die Nacht mit dieser Frau zu verbringen. Sie war hübsch, aber das war nicht das, was ihn anmachte. Die Grausamkeit die in ihrem Blick gelegen hatte. Jedes Mal als sie abgedrückt und ihm eine Kugel in den Kopf gejagt hatte. Er liebte starke Frauen. Das hatte er schon getan, bevor sie ihn verändert hatten. Er grinste. Es wurde Zeit den Ort des Geschehens zu verlassen. Aber nicht bevor er ein Zeichen gesetzt hatte. Er wandte sich zu der Frau um, die ihn jetzt schon zum vierten Mal umgebracht hatte und hob die Klingen. Jetzt würde es enden. Sie würde keinen von ihnen mehr töten. Sie würde nie wieder auch nur irgendjemanden töten. Weil sie es war, die diesen kleinen Sieg mit ihrem Blut bezahlen würde. Es wurde Zeit für den Rückzug, es wurde Zeit die anderen zu beruhigen, denn er wusste genau, dass sie alle, all seine Brüder und Schwestern Refas Tod gespürt hatten, so wie er ihren Tod gespürt hatte. Sie legte erneut auf ihn an, doch diesmal würde es nicht dazu kommen. Er rannte los, hob die Klingen und stieß zu. Die Klingen durchdrangen Fleisch, aber nicht ihres. Dieser verdammte Mistkerl hatte sich in letzter Sekunde vor sie geworfen und grinste ihn an, als er ihm seinen Dolch zwischen die Augen stieß und ihm einen Schwall Blut ins Gesicht spuckte. Seraphim brüllte wütend auf, als er sich die Klinge aus dem Schädel zog, während die Wunde verheilte. Der Dolch fiel zu Boden und sein Blick fiel auf den Jäger, der mit zwei Schwertern, die in seiner rechten Brust und dicht unter seinem Herzen steckten da stand und keine Anstalten machte umzufallen. „Meine Wunde wird verheilen. Deine nicht.“, grinste Seraphim und er tat einen Schritt rückwärts. Sein Auftrag war erstmal erfüllt. Er zog eine Feder aus seinem Mantel, die sofort zu glühen begann. Dann löste er sich für die umstehenden einfach in Luft auf. Genau wie die Schwerter, im Körper des Jägers zurück geblieben waren. Das letzte was er sehen konnte war, wie der Jäger zu Boden ging, während Blut aus seinen Wunden sprudelte. Ein Grinsen stahl sich auf Seraphims Lippen. Jetzt war es an der Zeit seine kleinen Geschwister zu beruhigen. Nach Refas Tod, würde es sie nach Blut dürsten. Blut, was er soeben vergossen hatte. Er würde seinen Geschwistern erzählen, dass er Refas Mörder zur Verantwortung gezogen hatte. Der Jäger war gestorben und der letzte Blick in das Gesicht der Scharfschützin verriet, dass er sie nicht schlimmer hätte verletzen können. Ausgezeichnet.

 

Rylar atmete hastig, während das Blut mit immer schwächer werdenden Stößen aus seinen Wunden sprudelte. Cereza kniete über ihm und hatte die Zähne aufeinander gebissen, während Tessa auf der anderen Seiten über ihm kniete und verzweifelt versuchte seine Wunden zu schließen, doch es war vergeblich. Rylar spürte wie er mit jedem Herzschlag immer schwächer wurde. Er hustete und spie Blut. „Verdammter Idiot!“, brüllten Cereza und Cylara wie aus einem Munde. Rylar musste grinsen und es tat ihm sofort leid. Wenigstens bei seinem Tod waren die beiden sich einig. Er starb wie ein Vollidiot. Er war zu schwach um etwas zu sagen, aber hätte er noch sprechen können wären seine letzten Worte etwas ganz besonderes gewesen. Sowas wie ein „Ich bin dann mal weg.“ oder „Das Geld hat mich in den Tod getrieben.“, tja er hätte sich wirklich früher Gedanken darüber machen sollen, was seine letzten Worte sein würden. Jetzt allerdings spielte es absolut keine Rolle mehr. Jetzt wo seine letzten Worte aus einem Kraftlosen Röcheln bestanden. Doch da war etwas, was er noch tun musste bevor er starb. Er wollte seine Hand heben, doch er war zu schwach. Verdammt nochmal. Sterben ist echt ätzend. Nie hätte er gedacht, dass es so langweilig sein würde das zeitliche zu segnen. Seine Wunden waren tief, doch sie taten nicht weh. Er spürte keinen Schmerz, keine Angst, nur Müdigkeit, während sein Blut sich großzügig auf dem Waldboden verteilte und in die Erde sickerte. Er nahm all seine Kraft zusammen und spürte wie sich sein Arm bewegte. Er nahm Cerezas Hand und bemühte sich um ein warmes Lächeln. Irgendwie fühlte es sich nicht so an, wie es aussehen sollte. Ihre Gesichtszüge spiegelten tiefe Trauer wieder, doch sie weinte nicht. Cylara heulte und schluchzte, während sie auf die Knie sank und das perfekte Schauspiel der trauernden Ehefrau  brachte. Tessa weinte verzweifelnd, während sie immer mehr Magie darauf verschwendete seinen Körper zu heilen, der dem Ende geweiht war. Doch Cereza saß nur da, blickte ihn an, in ihrem Blick lag Trauer, doch keine Träne war in ihren klaren Augen zu erkennen. Er hätte es ihr so gerne gesagt. Er hätte ihr so gerne gesagt, dass er sie liebte. Jetzt allerdings… Es war zu spät. Er würde sterben und es würde nicht mehr lange dauern. Eine weitere Frau trat in sein Blickfeld, während ihm das Blut unwürdig aus dem Mundwinkel troff. Sie hatte lockiges grünes Haar, leicht spitze Ohren, ein Makelloses Gesicht und perfekte Haut. Zu allem Überfluss war sie nackt, eine Tätowierung schlang sich von ihrem linken Bein hinauf über ihren Oberschenkel bis hin über ihre Hüfte hinauf zu ihrem Bauch, ihrer Brust über das Schlüsselbein und endete an der linken Seite ihres Gesichts. Das Motiv schien eine Efeuranke zu sein. Die Frau sah aus wie Mitte Zwanzig, obwohl es vollkommen klar war, dass sie deutlich älter war. Sie sah wirklich wahnsinnig gut aus und er spürte Blut an Stellen, von denen er dachte, dass sie ihm wenigstens im Tod seine Würde lassen würden. Offensichtlich wollte seine Männlichkeit genug Blut einlagern, damit er noch schneller an Blutverlust verreckte. Man musste es einfach lieben ein Mann zu sein. Er hätte den Kopf geschüttelt, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, aber in diesem Augenblick, in dem er nicht einmal verstand, was die umstehenden sagten und alles in einem blassen roten Schleier lag, war das höchste was er tun konnte zu atmen. Die Klingen hatten seine Lunge verfehlt, auch die Aorta war nicht sein Ziel gewesen. Die Klinge hatte ihn dicht unter dem Herzen erwischt, hatte dabei bis auf ein paar Arterien nichts erwischt die zweite Klinge, hatte sich durch seine rechte Brust gebohrt, schien aber auch nichts wichtiges getroffen zu haben. Schlampige Arbeit. Oder doch nicht? Vielleicht befand er sich einfach in einem Stadium in dem es vollkommen egal war welche Wunden ihn zeichneten. Sein Blickfeld wurde immer dunkler, seine Muskeln erschlafften und jetzt spürte er das Blut, was seine Lungen gefüllt hatte. Wieso erst jetzt? Er hustete und spuckte Blut. Tessa hatte ihre Heilungsversuche eingestellt. Die Schmerzen an den Wunderten loderten auf wie Feuer und die Qualen unermesslich hoch. Die Heilungsmagie von Tessa hatte die Schmerzen unterdrückt. Jetzt schloss ihn der Tod wohl doch noch würdig in die Arme. Blut floss aus seinem Mund, über das Kinn hinab über Hals und Schlüsselbein. Er konnte nicht mehr atmen. Heilungsmagie war unglaublich. Er krächzte, hustete und spie Blut, das erklärte jedenfalls warum er nicht in der Lage gewesen war zu sprechen. Seine Lunge hatte sich mit Blut vollgesogen, aber Tessas Heilmagie hatte dieser Tatsache irgendwie entgegengewirkt, sodass er weiter atmen konnte. Egal was irgendjemand sagen würde. Tessa war eine wahnsinnig talentierte Heilmagierin. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, er war gestorben, indem er die Frau die er liebte gerettet hatte. Ein würdiger Tod für einen Mann wie ihn. Während er noch darüber nachdachte, schloss er die Augen. Dann versank die Welt für ihn in einem blutroten Strudel.

 

Cereza saß in einem Nebenraum des innersten Heiligtums auf einer Baumstumpfartigen Pflanze, Tessa saß neben ihr, hatte die Hände vor dem Gesicht verschränkt und weinte lautlos. Cylara stand einfach nur Wutschnaubend da. Die Dryaden hatten Rylars Körper übernommen und versuchten seine Wunden zu heilen. Die Dryade, die sie gefunden hatte, hatte gesagt es sei möglich, aber sie sollten sich keine allzu großen Hoffnungen machen. Wenn seine Magie ihm wohlgesonnen ist, würde er leben.  „Wieso hat sich dieser Idiot vor dich geworfen um dich zu retten?“, hakte Cylara nach und Cereza hatte absolut keine Motivation mit ihr zu reden. „Ich weiß es nicht… Ich habe ihn nicht darum gebeten.“, erklärte Cereza und erwiderte Cylaras kalten Blick mühelos. „Warum bist du hier? Läufst du uns hinterher? Läuft was zwischen euch?“, hakte Cylara finster nach und Cereza stieß einen verächtlichen Seufzer aus. „Das geht dich nichts an.“, erklärte Cereza mit finsterem Blick. „Es geht mich nichts an? Er und ich wir sind…“, sie schien die Zähne zusammen zu beißen. Sie log nicht? Was war hier los? „Was? Warum?“, stammelte Cylara irritiert darüber, dass ihr die Lüge nicht über die Lippe gekommen war. „Der Zauber der Wahrheit.“, hier im ganzen Heiligtum, ist es unmöglich zu lügen.“, erklärte Tessa mit einem Schluchzen. Cylara erbleichte unwillkürlich. „Also? Was wolltest du sagen?“, hakte Cereza mit einem Grinsen nach. „Er und ich sind… Partner.“, erklärte sie verächtlich. „Geschäftspartner? Und wieso geht es dich jetzt etwas an, ob er und ich etwas am Laufen haben?“, fragte Cereza und es machte ihr sichtlich Spaß. „Jetzt verstehe ich das…“, erklärte Cylara und ihr Gesichtsausdruck nahm eine seltsame Art von Trauer an. „Deshalb hat er mich ständig abgewiesen… Im Hotel… Im Wald… Und deshalb hatte er so darauf reagiert…“, murmelte sie traurig, Cereza musste davon ausgehen, dass es echte Trauer war, die ihren Gesichtsausdruck verdunkelte. „Worauf?“, hakte Cereza nach. Es lief also wirklich nichts zwischen den beiden. Wenn Rylar wieder aufwachte würde sie ihn umarmen und nie wieder los lassen. Sie errötete. Hatte sie das grade wirklich gedacht? Es war nicht einmal sicher, ob er sie dann noch haben wollte. Als er sterbend vor ihr lag, hatte sie weinen wollen, aber sie hatte es nicht gekonnt. Sie war ganz die Soldatin geblieben, als wäre ein Bruder des Chors gestorben und nicht der Mann den sie liebte. Wieder tauchten die Bilder vor ihrem inneren Auge auf. Der Junge, der ihr die Hand entgegen streckte. Sie wollte die Hand ergreifen, doch die Kugel ihres Kammeraden zerfetzte seinen Kopf. Sie biss die Zähne aufeinander. „Ihr solltet euch verzeihen. Meisterin Cereza.“, erklang eine unbekannte, weibliche Stimme hinter ihnen. Cereza wandte sich um und sah ein Mädchen. Schlank, wohl proportioniert, heller Teint und verdammt hübsch. Das Haar hing ihr in wirren grünen Locken bis hinab zu den Schultern. Sie war vielleicht 15 Jahre alt, auf keinen Fall älter. „Was meinst du?“, hakte sie nach und verfluchte sich selbst dafür, dass sie grade jetzt ihre militärische Disziplin vergaß, die sie dazu zwang alles und jeden mit dem würdigen Respekt anzusprechen. „Und warum nennt… nennst du mich Meisterin?“, hakte sie nach und wunderte sich. Es war ihr nicht möglich sie mit Respektsformen anzusprechen. Dieser Ort war seltsam. „Ich habe gesehen, was euch geschehen ist Meisterin. Ihr wolltet dem Jungen retten, aber euer Kamerad hat den Abzug gedrückt… Nicht ihr. Aber seit diesem Tag… Ist etwas in euch zerbrochen, nicht wahr?“, erklärte sich das junge Mädchen und Cereza sträubten sich die Nackenhaare. Sie hatte es niemals jemanden erzählt. Nur ihre Vorgesetzten und ehemaligen Vorgesetzten wussten davon. Warum wusste sie davon? „Woher...?“, begann Cereza und das Mädchen lächelte leicht. „Na ihr habt es doch grade gedacht.“, erklärte das Mädchen mit einem Lächeln. „Ihr glaubt, dass dieser Vorfall damit zusammen hängt, dass ihr nicht weinen könnt, denn ihr habt seit diesem Zeitpunkt nicht mehr geweint. Nicht wahr?“, lächelte das Mädchen und Cereza blickte sie überrascht an. „Ihr wisst, dass das nicht die komplette Wahrheit ist, nicht wahr?“, grinste das Mädchen und Cereza nickte widerwillig. Sie hatte noch nie viel geweint. Sie hatte nicht einmal geweint, als ihr Vater gestorben war. Nicht einmal dann, als ihre Mutter um dessen Tod weinte. Sie hatte sich damals nicht gefragt. ‚Warum weint sie?‘, sondern hatte nur versucht sie zu trösten. Damals hatte sie sich ihr Lieblingskuscheltier genommen und war zu ihrer Mutter gegangen. Sie hatte sich vor sie gestellt und hatte ihr den großen Stoffbären gereicht, den ihr Vater ihr damals von einer seiner längeren Einsätze mitgebracht hatte. Eine eher seltsame Reaktion für eine 13 Jährige, doch sie hatte ihrer Mutter den Stoffbären entgegengestreckt, gelächelt und gesagt: ‚Papa ist immer bei uns, wenn wir ihn brauchen, wir müssen nur wissen, wo wir ihn suchen müssen.‘ Ihre Mutter hatte sie angestarrt hatte dann sie und den Bären in ihre Arme gezogen und bitterlich geweint, während Cereza fürsorglich ihren Rücken gestreichelt hatte und ihr ins Ohr flüsterte, das alles wieder gut werden würde. Drei Jahre Später war sie dann dem Militär beigetreten. Und seit dem hatte sie ihre Mutter nur einmal wieder gesehen. Nein das stimmte nicht. Sie hatte öfter nach ihrer Mutter gesehen, hatte sich daran erfreut, dass es ihr gut ging, aber wirklich mit ihr geredet, hatte sie erst auf der Parade. An dem Tag, an dem dieser ganze Terror begonnen hatte. „Nein… Ich weiß es nicht… Ich habe schon als Kind nicht viel geweint.“, erklärte sie seufzend und strich sich übers Haar. „Du weinst nicht, weil du glaubst, dass dein Vater genau das von dir erwartet…“, erklärte die junge Frau und schüttelte den Kopf. „Glaub mir… Kein Vater möchte seiner Tochter das Recht absprechen zu weinen. Egal wie er sich selbst vielleicht dazu gezwungen hat niemals zu weinen. Er hätte niemals von dir erwartet, dass du es ihm gleich tust.“, lächelte die junge Frau und nickte dabei. „Du kannst Gedanken lesen?“, fragte Cereza nach und sie schüttelte den Kopf. „Nicht direkt. Ich kann die Gedanken derer lesen, die große Trauer mit sich tragen und ihre Sorgen mit in den Wald nehmen. Ich kann deine Gedanken schon hören, seit du den Wald betreten hast.“, sie lächelte und verbeugte sich. „Du und ich… Wir haben eine Verbindung, die dieser Wald geknüpft hat. Zwischen dir und Tessa besteht übrigens ein ähnliches Band, aber ihr habt es beide noch nicht erkannt. Dieser Wald… Er knüpft Bande die niemand versteht, die aber auch niemals vergehen.“, erklärte das Mädchen und grinste. „Wie ist dein Name?“, hakte Tessa nach, die sie misstrauisch anblickte. Cereza konnte es ihr nicht verübeln. Immerhin hatte sie grade eben erklärt, dass die beiden etwas verband, was sie bis jetzt noch nicht bemerkt haben. „Mein Name ist Varyziana.“, erklärte das Mädchen und Cereza und Tessa stockte zeitgleich der Atem. „Was ist denn?“, hakte Cylara nach, die bisher nur ruhig da gestanden hatte und zuhörte. „Varyziana ist der Name der offiziellen Gildenmeisterin von Varyz, dieses Mädchen… Diese Frau ist der Geist dieses Waldes.“, erklärte Tessa ohne Cylara auch nur eines Blickes zu würdigen. In ihrer Stimme schwang hingebungsvolle Ehrerbietung mit. „Was? Du verarschst mich jetzt oder? Die ist maximal 15.“, echauffierte sich Cylara und Varyziana lächelte leicht. „Du bist eine derer die nicht in diesen Wald passen. Und das hat der Wald dich spüren lassen. Sei froh, dass Rylar und Cereza auf dich aufgepasst haben, als der Trugwurzler dich erwischt hat. Sonst wärest du in wenigen Sekunden Mausetot gewesen.“, erklärte Varyziana mit ruhiger und konzentrierter Stimme. „Ich dulde dich als Reisende, aber das werden sicher nicht alle in diesem Wald tun. Zum Beispiel sind Schattenwölfe sehr gute Menschenkenner.“, erklärte sie mit einer sanften fast singenden Stimme und Cylaras Gesichtszüge verkrampften sich. „Was ist mit Rylar? Können sie ihn heilen?“, fragte Cereza hoffnungsvoll und versuchte beide von ihrem Thema abzubringen. „Sie geben ihr Bestes, doch euer Freund hat sehr viel Blut verloren. Wenn ihr es wünscht kann ich veranlassen, dass ihr den Raum betreten könnt, alle… Bis auf sie.“, sie deutete auf Cylara und schaute sie angewidert an. „In meinem Reich ist kein Platz für schwarze Magie.“, erklärte sie mit ruhiger und doch finsterer Stimme. Cylara schluckte, wollte etwas sagen, doch sie konnte nicht. Cereza nickte zustimmend. „Ist gut. Ich komme mit.“, erklärte Sie und schaute Varyziana hoffnungsvoll an. Tessa nickte ebenfalls und schloss sich an.  Zusammen verließen sie den Raum und schritten auf das Portal zum Inneren Heiligtum zu. „Sag mir Tessa… Wie lange verfügst du schon über die Gabe zu heilen?“, hakte Varyziana nach und schaute Tessa erwartungsvoll an. Tessa blickte zu Boden. „Zwei Jahre… Ich weiß es war anmaßend von mir ihn zu heilen zu versuchen, wenn er solche Wunden hat.“, seufzte sie und Varyziana lächelte sie an. „Nein Kind… Jeder Mensch ist ein Bestandteil der Natur. Und jeder Mensch hat Heilung verdient, wenn er sie benötigt. Du hast das richtige getan und du hast es sehr gut getan. Du hast sofort die Auffassungsgabe besessen seine Lunge von Blut zu reinigen, das Vergessen viele in der Hektik, die entsteht, wenn es um Leben und Tod geht. Und das ist der Grund aus dem ich dich frage. Möchtest du bei uns bleiben und deine Fähigkeiten erweitern? Du könntest eine große Heilmagierin werden.“, erklärte Varyziana und Tessa starrte sie ungläubig an. „Ich verstehe nicht…“, begann Tessa, doch Varyziana schnitt ihr das Wort mit einem Lächeln ab. „Du verstehst es sogar sehr gut. Ich biete dir einen Platz im Orakel der Dryaden an. Ich biete dir einen Ort, an dem du deine Kenntnisse erweitern und deine Gabe schulen kannst. Denk darüber nach. Ich habe es nicht eilig. Es geht um dich.“, lächelte sie ermutigend und wischte sich das grüne Haar aus dem Gesicht. Tessa nickte, als seien keine weiteren Worte nötig und Varyziana ließ es zu. Cereza sagte nichts, sie freute sich für das junge Mädchen. Und doch machte sie sich noch immer wahnsinnige Sorgen um Rylar, der noch immer im inneren Heiligtum lag und geheilt wurde. „Ich habe noch einen Auftrag… den muss ich zu Ende bringen, bevor ich irgendwas entscheiden kann.“, erklärte Tessa notdürftig und schaute zu der jungen Gildenmeisterin herüber. Sie nickte freundlich. „Ich habe nichts anderes von dir erwartet, dein Pflichtbewusstsein ist bewundernswert.“, lächelte die Gildemeisterin und nickte ihr freundlich zu. Cerezas Ohren vernahmen ein Brummen und Summen ganz in der Nähe und mit einem Mal, musste sie keuchen. Die Luft war dick wie Sirup. Was war hier los? Tessa schien ebenso Probleme zu haben. Cereza warf einen Blick zu der Gildenmeisterin, die keinerlei Probleme zu haben schien. Hatte man sie in eine Falle gelockt? „Beruhigt euch Meisterin Cereza. Wir nähern uns dem Inneren Heiligtum, was sie hier spüren ist eine starke Magiekonzentration, ihr werdet euch in nur wenigen Momenten daran gewöhnt haben. Verzeiht mir, ich hätte euch vorwarnen sollen. Grade für sie Meisterin Cereza, die alles versucht um ihre magische Gabe zu unterdrücken. Wird das hier ein unangenehmes Erlebnis sein.“, erklärte Varyziana und ihr Ton gab keinen Zweifel daran, dass sie die Wahrheit sprach. „Ihr solltet euch etwas beruhigen bevor wir das innere Heiligtum betreten. Möglicherweise wird der Sturm der Magie, der im Moment dort drinnen tobt euch noch mehr Unbehagen oder Schlimmeres bereiten.“, erklärte die Gildenmeisterin von Varyz und stellte sich behütend vor das große Tor. „Nein… Ich war zu lange weg… Ich will zu ihm.“, sie schluckte und warf ihr einen nahezu flehenden Blick. Sie liebte ihn. Das jetzt noch zu verbergen, würde sie sich selbst niemals verzeihen können. Varyziana blickte ihr streng entgegen, dann lockerte sich ihr Gesichtsausdruck und ihr Mund öffnete sich zu einem stummen, genießerischen Seufzer. „Solche Gefühle… Gefühle in dieser Stärke habe ich lange nicht mehr gespürt…“, stöhnte sie genießerisch, während sie jede Tiefe ihrer Gefühle für Rylar auskostete, als würde sie einen guten Wein trinken. „Gut… Wenn wir das innere Heiligtum betreten wirst du einen unangenehmen, fast unerträglichen Druck spüren, der auf dir lastet. Das liegt daran, dass du dich der Magie gegenüber blockierst. Wenn du sie in dich einfließen lässt wird es dir mit jeder Sekunde etwas besser gehen. Wenn es gar nicht anders geht benutze deine Magie, aber nur ein kleines Bisschen, damit du nicht zuviel Magie verbrauchst und niemanden verletzt. Cereza nickte, sie würde alles tun nur um ihn zu sehen. Sie wollte ihn in die Arme schließen und ihre Lippen auf seine legen. Sie wollte seine Nähe spüren, seine Nähe und seine Zärtlichkeit, die er an sich hatte wenn er sie küsste und sie streichelte. „Lass uns gehen.“, erklärte Cereza bereit, doch Varyziana schüttelte kurz den Kopf. „Bevor wir das Heiligtum betreten musst du mir schwören, dass du auf keinen Fall zu ihm in innersten Kreis läufst. Du wirst genug Gelegenheit haben ihn zu umarmen, wenn das Ritual vorbei ist.“, erklärte die Gildenmeisterin mit ernstem Gesichtsausdruck. „Jawohl.“, erklärte Cereza im gängigen Militärjagon und die Gildenmeisterin nickte. Dann öffnete sich das Portal. Der Druck der von einen auf den anderen Moment umrundete sie die Magie wie ein Sturm. Sie hielt den Atem an, nicht weil sie es wollte, sondern weil sie nicht atmen konnte. Sie presste die Lippen aufeinander und ging einen Schritt weiter, es fühlte sich an, als würde sie durch einen starken Windstoß laufen, der mit jedem Schritt stärker und aufdringlicher zu werden schien. Blass konnte sie im Wind erkennen, wie Sieben Frauen um einen in der Mitte liegenden verletzten standen und beschwörend die Arme hoben, während die Magie, dieses Mal deutlich sichtbar durch die Körper der Frauen glitt und von allen Seiten auf den Verletzten zufloss. Ihre Lunge brannte, sie musste Luft holen, aber es ging nicht. Ihr Blick wandte sich zu Tessa, die ganz normal da stand, während die sichtbare Magie sie durchfloss. Okay… Sie hatte es seit ihrer Kindheit zurück gehalten, den Drang ihrer Magie nachzugeben, dieses Mal würde sie es tun müssen, sonst würde sie ersticken und Rylar würde sie nicht mehr in den Armen halten können. Dafür würde sie alles tun. Bestenfalls bevor es zu spät war. Sie spürte wie ihre Haut sich erhitzte und sie strengte sich an, dem Druck ihrer Magie nur ein wenig nachzugeben. Wenn sie der jubilierenden Magie in sich freie Hand gebot würde sie ein Chaos verursachen und das durfte nicht passieren. Sie spürte wie sich die Wärme ungewohnt in ihrem ganzen Körper ausbreitete, dann loderten blasse, rote Flammen auf ihrer Haut auf und sie sog tief die schwere, Sirup artige Luft ein. Sie hustete und keuchte, aber sie atmete. Der Druck ließ allmählich nach und sie sank erleichtert auf die Knie, während der Fluss der Magie um die Frauen in der Mitte allmählich nachließ. Was war hier los? Hatten sie ihn geheilt? Die Frauen senkten die Arme und wurden schlaff, sanken ebenfalls erschöpft auf die Knie und ihr Blick wandte sich an Varyziana. Sie blickte sie ernst an. „Was ist? Ist er wieder gesund?“, hakte Cereza hoffnungsvoll nach, doch die Gildenmeisterin schüttelte den Kopf. „Nein… Seine Wunden sind geheilt, der Körper ist gesund, aber seine Seele… Sie schläft…“, erklärte Varyziana mit schwerer Stimme. „Was soll das heißen? Können wir ihn nicht aufwecken?“, hakte sie lauter nach, als sie geplant hatte, doch sie wusste bereits, was das heißen musste. Sie schüttelte den Kopf und blickte Cereza bedauernd an. „Nein… Die Seele lässt sich nur durch eine Wiedergeburt wecken. Dein Freund… Ist tot.“, erklärte Varyziana nahezu lautlos, ihre Stimme klang gebrochen. „Es tut mir Leid… Wir haben ihn nicht retten können.“, erklärte sie und wandte sich ab. Sie schluchzte, sie musste in diesem Moment fühlen, was auch Cereza fühlte. Cereza wandte den Blick von ihr ab und rannte auf Rylars leblos am Boden liegenden Körper zu. Sie kniete sich vor ihm hin und zog seinen Körper an sich heran. Sie schrie vor Verzweiflung. Warum konnte sie nicht mal jetzt weinen? Was war nur falsch mit ihr? Sie zog seinen Körper stärker an sie heran und schluchzte in sein Ohr: „Komm zurück zu mir… Ich liebe dich… Lass mich nicht allein…“ Doch nichts geschah, sein Körper lag schlaff in ihren Armen. Er war tot.

Kapitel 10

 

Die Welt, die ihn umgab war ungewohnt grau und Trist. Das Gras unter seinen Füßen war weiß, der Himmel über ihm schwarz und alles um ihn herum grau. Eine unheimliche Atmosphäre, wenn man darüber nachdachte, dass er weder die Wärme der Sonne auf seiner Haut spüren konnte, noch den Wind fühlen und hören konnte, der ihn umgab. Es war ein sehr ungewohntes Gefühl, den Wind nicht zu spüren. Der Wind war ein Teil von ihm, schon seit er ein Kind war. Er tat ein paar Schritte, bis er einen großen Stein sah auf den er sich setzte. Seine Blicke wanderten in die Ferne, die nicht zu existieren soll. „Na Klasse wo bin ich denn hier gelandet? Im Himmel für fantasielose Spinner?“, Rylar stieß einen genervten Seufzer aus. Er legte die Hände wie ein Sprechtüte vor den Mund und Rief: „Selbst der obligatorische Weiße Raum weiße Raum mit blutenden Wänden wäre besser gewesen als das hier!“ Hinter ihm erklang ein Lachen. „Spitzzüngig wie immer, das hat mir an dir schon immer gefallen, du findest, egal wie tief du in der Scheiße steckst immer die richtigen Worte um es nochmal doppelt so schlimm zu machen und doch gelingt es dir jedes Mal dich aus der Gefahrenzone zu bringen. Naja, bis auf dieses Mal. Offensichtlich.“, erklang eine sanfte Stimme, die ihm seltsam vertraut vorkam. „Okay ich gebs auf. Wer zur Hölle bist du?“, hakte Rylar nach und drehte sich um, hinter ihm stand… Niemand. Weit und breit war niemand zu sehen. „Bist du überrascht?“, fragte die Stimme und Rylar blickte sich um. Weit und breit niemand zu sehen. „Nein… Überhaupt nicht, ich bin bestimmt der Einzige, der nachdem er qualvoll verreckt ist in einer grauen Welt aufwacht und von einem unsichtbaren Stalker angesprochen wird.“, erklärte Rylar mit einem Lächeln. „Du würdest dich wundern wie wenige diesen Ort hier tatsächlich sehen. Er ist mein eigenes Reich.“, erklärte die Stimme und Rylar runzelte die Stirn. „Nun wenn ich dir etwas vorschlagen darf…“, begann er und sah sich um. „Farben sind der letzte Schrei in meiner Welt, vielleicht solltest du das mal versuchen.“, beendete er den Satz und grinste ins Leere. Leichtes Gelächter um ihn herum erklang und Rylar tastete so unauffällig wie möglich nach seinem Dolch. Kein Dolch, welch Überraschung. Nicht, dass er sich erhofft hatte mit einem Dolch tatsächlich etwas ausrichten zu können, aber das Gefühl des kalten Stahls in seiner Hand hatte ihn bisher immer beruhigt. „Also? Was jetzt? Willst du mir nen echten Hasen zeigen oder gibt es einen anderen Grund, warum du mich zu dir nachhause einlädst, ohne dass ich tatsächlich hier her wollte.“, hakte Rylar nach und die Stimme gluckste. „Du bist hier, weil ich dir ein Angebot machen möchte.“, erklärte die Stimme amüsiert und Rylar runzelte erneut die Stirn. „Also ich steh ja auf Angebote von komplett Fremden, da kommt garantiert immer was Gutes raus.“, erklärte Rylar und setzte sein bestes ‚Leck-Mich-Doch-Am-Arsch-Lächeln‘ auf. „Erkennst du mich wirklich nicht wieder?“, hakte die Stimme nach und ein sanfter Windhauch umschmeichelte ihn. Rylar blickte perplex auf und glaubte das nicht. „Wind?“, hakte er nach ungläubig nach. „Ich bevorzuge Arylior. Das bedeutet in der Sprache des Ursprungs zwar genau das gleiche, aber ich finde den Klang viel besser.“, lachte der Wind und Rylar schloss die Augen. Okay zuerst ließ er sich von zwei Klingen durchbohren, dann starb er und jetzt redete er mit dem Wind. Nein viel schräger konnte es jetzt nicht mehr werden. Oder doch? Er war 24 Jahre alt, der Wind wahrscheinlich etwas über ein paar Millionen Jahre, das hieß Rylar war in Relation ein absolutes Kleinkind. Er schluckte. „Also doch die Sache mit dem Hasen?“, hakte er vorsichtig nach und wünschte sich jetzt eine der Flaschen aus den Sagen mit denen man den Wind fangen konnte. Der Wind lachte laut, ja man könnte sagen, er kugelte sich vor Lachen, auch wenn es für Rylar schwer vorstellbar war, wie das funktionieren sollte. „Nicht so ein Angebot… nein…“, das Gelächter des Windes verebbte allmählich und es wurde ruhig Rylar herum. „Ich beobachte dich schon seitdem du auf dieser Welt wandelst und ich habe nie jemanden kennen gelernt, der die Gabe des Windes so zu schätzen weiß wie du. Es ist frustriert wenn man von jenen, welche die Gabe des Windes besitzen gefragt wird warum sie mit der Gabe nichts zerstören können.“, seufzte der Wind etwas lethargisch. „Der Wind zerstört nicht, er erneuert und versorgt alles um ihn herum mit Leben, Atem und Mut. Ich habe mir nie gewünscht mit der Macht des Windes etwas zu zerstören, weil ich damit gegen die eigentliche Domäne verstoßen würde.“, hörte Rylar sich sagen und der Wind umschmeichelte ihn erneut. „Das meine ich… und genau das ist der Grund, warum ich dem Tod nicht den einzigen Menschen überlassen kann, der die Domäne des Windes versteht.“, erklang die Stimme des Windes schmeichelnd in seinem Ohr. „Was für ein Angebot willst du mir machen?“, hakte Rylar nach und hörte genau hin, was der Wind zu sagen hatte, doch der Wind ließ sich Zeit. „Dein Körper ist wieder gesund, die Dryaden haben ihn heilen können und dennoch stirbst du, weil dein Geist, deine Seele bereits eingeschlafen ist.“, erklärte der Wind und mit einemfreundlichen Seufzen. „Das heißt ich bin gesund, verrecke aber trotzdem? Nehms mir nicht übel, aber das ist echt Scheiße.“, erklärte Rylar und war mit der Gesamtsituation offensichtlich etwas unzufrieden. „Das würde dir niemand übel nehmen, immerhin hört niemand gerne, dass er stirbt. Rylar… Ich bin in der Lage deine Seele zu erwecken und dich ins Leben zurück zu bringen, wenn du mich lässt.“, erklärte der Wind leise flüsternd. „Wo ist der Haken?“, hakte Rylar nach und wollte den Wind anstarren, aber es war Zwecklos. Mit jemanden zu reden, den man nicht sah war wirklich anstrengend. „Es gibt eine Möglichkeit dich wieder ins Reich der Lebenden zu bringen.“, erklärte der Wind mit einem Mal dramatisch laut dröhnend in seinem Ohr. „Komm zum Punkt, ich sterbe, ich hab keine Zeit.“, erklärte Rylar misslaunig. „Es ist möglich unsere Essenzen, unseren Geist, unsere Seelen zu verbinden. Du würdest mir einen Teil deiner Seele zur Verfügung stellen, damit ich deine Welt als Menschliches Wesen erleben kann.“, erklärte der Wind und Rylar traute seinen Ohren nicht. „Was? Hab ich das richtig verstanden? Wenn ich zusage wirst du, der Wind zu einem gewissen Teil in meinem Körper leben? Und dann? Bin ich dann überhaupt noch ich selbst?“, hakte Rylar nach und wartete auf den Haken an der Geschichte. „Ich würde deinen Geist nicht verändern, du wärst lediglich mit mir verbunden sein. Ich würde fühlen, sehen und hören erlebst von Liebe bis Leid. Wir wären eins und dann wieder nicht. Ich würde nicht deinen Körper borgen oder beherbergen, du würdest mir lediglich einen Einblick in dein Leben gewähren und könntest, wenn du es richtig anstellst auf meine Kräfte zurückgreifen.“, erklärte Arylior mit sanfter Stimme. Rylar hatte einmal von so etwas gelesen. „Du möchtest mich zu deinem Avatar machen?“, fragte er mit ruhiger Stimme und schloss die Augen. „Ja Rylar, so nennt sich das, was ich mit dir tun möchte.“, seufzte der Wind beschwichtigend. „Wieso ich? Wieso nicht irgendein Windmagier, der es wirklich drauf hat?“, fragte Rylar ungläubig nach. „Du bist amüsant. Du würdest mir nicht glauben, wie wahnsinnig öde die Ewigkeit sein kann. Wenn man niemanden hat der einen versteht. Du hast mir Hoffnung gegeben, dass es wieder Menschen geben könnte, die mein Element, meine Aufgabe und meine Domäne wirklich verstehen können.“, flüsterte der Wind und Rylar sog die Luft ein. „Wenn ich nicht zusage, werde ich sterben, ich werde Cereza und meine Freunde damit wahnsinnig unglücklich machen und wäre… naja um den Fachjargon zu benutzen: Mausetot. Wenn ich zusage lebe ich weiter und trage eigentlich nur Vorteile davon. Oder sehe ich das falsch?“, hakte Rylar nach und der Wind schwieg. „Ich würde deine Wunden heilen und bei Bedarf deine Kräfte steigern, aber du darfst meine Kraft niemals dazu benutzen um etwas zu zerstören. Du darfst weiterhin deinem Beruf nachgehen, du darfst weiterhin andere verletzen oder töten, aber du darfst die mit dem Vertrag eingehende magische Kraft nicht dazu verwenden um ein Leben zu nehmen oder etwas anderes zerstören.“, erklärte der Wind zurückhaltend. „Also so wie vorher auch?“, hakte Rylar nach und hielt die Augen geschlossen. Er stellte sich vor seinem geistigen Auge vor, dass der Wind eine feste Gestalt hatte. Ahhh viel besser, aber warum hatte er einen Schnauzer? „Ja im Endeffekt wie immer.“, erklärte der Wind und Rylar dachte nach. „Gut okay.“, stimmte er zu, er durfte sein Leben weiter leben und würde dazu noch über Kräfte verfügen, die ihm dabei helfen würden seine Freunde besser zu beschützen. Wenn Leute davon sprachen das große Los zu ziehen stellte sich Rylar stets so etwas vor. „Bist du dir sicher?“, hakte der Wind nach und schien gespannt auf die Antwort zu warten, die er bereits erhalten hatte. „Ja, ich bin mir mehr als sicher. Also jetzt mach dein ‚Uhh-ich-bin-der-Wind, ich-bin-mächtig-Ding‘ und lass uns ins Leben zurückkehren, es gibt eine Menge zu tun..“, erklärte Rylar und störte sich noch immer an dem Schnauzer, dem seine Fantasie der erdachten physischen Gestalt des Windes verpasst hatte. „Wie du wünschst Avatar“, erklang die Stimme des Windes stolz in Rylars Ohr und er lächelte, als er spürte, wie sich seine Seele mit der des Windes verband.

 

Cereza zog den toten Körper Rylars an sich, der allmählich kalt wurde. Eine leere Hülle ohne animierenden Geist. Sein Körper würde sich eine Weile halten, aber letztendlich würde er ohne Seele einfach nur zerfallen. Erneut schluchzte sie, sie spürte Tessas und Varyzianas mitleidige Blicke in ihrem Rücken. Tessa schluckte und kam mit langsamen Schritten auf sie zu. „Lass mich nicht allein… Ich will nicht wieder allein sein. Ich hab dich doch grade erst gefunden.“, schluchzte sie und vergrub das Gesicht in seiner Halsbeuge. Ein Geräusch ließ sie aufschrecken. Ein Herzschlag? Nein Unmöglich. Wahrscheinlich ein Wunschtraum. Erneut schluckte sie und seufzte. Fest krallten sich ihre Finger in seinen Rücken und sie spürte eine Hand an ihrem Rücken, die ihr sanft den Rücken tätschelte. Tessa… Sie war ein tolles Mädchen, aber… Moment… Erneut spürte sie die Hand, der Winkel stimmte nicht. Das konnte nicht Tessas Hand sein. Aber wessen Hand war es dann. Ein leichtes, rhythmisches Klopfen in ihrem Ohr ließ ihr Herz einen Schlag überspringen. Etwas an ihrem Hals kitzelte, war das… Atem? Sein Atem? Sie riss den Kopf herum und blickte in Rylars müde aussehendes, lächelndes Gesicht, der sie gleich zu sich zog und sie küsste. Ihr Herz klopfte wie wild, das Kribbeln in ihrem Bauch und ihrer Brust war wieder zurück, als sich ihre Lippen trafen. Und da war noch etwas sie spürte warme Flüssigkeit, die ihre Wangen hinunter glitt. Unfassbar, weinte sie etwa? Er lebte, er hielt sie im Arm und küsste sie und sie… weinte. Ihr Körper war ein mieser Verräter. Sie erwiderte seinen Kuss voller Hingabe und schluchzte hin und wieder glücklich, als seine Hand sanft und beruhigend über ihren Rücken strich. Sie seufzte glücklich, zog ihn näher an sich, roch ihn, schmeckte ihn und spürte seine Hand auf ihrem Rücken. Als sich ihre Lippen unwillig voneinander lösten, stieß sie einen glücklichen Seufzer aus. „Du Idiot…“, begann sie, brach dann aber ab und schluchzte, als sie erneut realisierte, dass er noch lebte. „Mach das nie wieder…“, seufzte sie und spürte, wie ihr Tränen die Wangen hinunter glitten. „Ich werde es in Betracht ziehen.“, erklärte Rylars zärtliche Stimme direkt an ihrem Ohr. Sie verpasste ihm einen Schlag gegen die Brust und er lachte. „Ich hab mir Sorgen gemacht…“, erklang ihre abgebrochene Stimme, als sie begann sich zu schütteln und ihr Gesicht in an seine Brust legte. Sie weinte bitterlich. Zum ersten Mal, seit sie denken konnte. Und es tat gut. „Aber wie?“, hakte sie nach und Rylar atmete tief durch. „Ich bin jetzt… Ein Avatar des Windes.“, erklärte er mit ruhiger Stimme in der stummen Gewissheit, dass ihm niemand glauben würde. „Du bist was?“, hakte sie noch einmal nach. Er schüttelte den Kopf. „Ich bin am Leben. Das ist, was zählt.“, erklärte er mit einem Lächeln und strich ihr sanft mit den Fingerspitzen über den Rücken. Sie schmiegte sich näher an ihn. Seine linke Hand, strich ihr übers Haar, während die Rechte weiter ihren Rücken streichelte. Er küsste ihr Ohr und flüsterte ihr zärtlich die Worte ins Ohr, die er ihr schon so lange sagen wollte. „Ich liebe dich Cereza und ich werde dich nie wieder allein lassen.“ Sie schlang die Arme um ihn und schüttelte sich noch immer unter heftigen Schluchzern. „Wow so schlimm?“, fragte er mit sanfter Stimme und sie schlug erneut gegen seine Brust, dann stieß sie ihn um und küsste ihn. „Ich liebe dich.“, schluchzte sie so leise, dass es kaum jemand verstand. „Was? Ich hab dich nicht verstanden.“, begann er und Cereza, lächelte ihn sanft an. „Ich liebe dich.“, seufzte sie nun wohl hörbar und Rylars Blick wurde zärtlich. Auch sie lächelte, auch wenn ihr noch immer die Tränen aus den Augen liefen, als hätten sie grade beschlossen die vergangenen Jahre in denen sie verborgen geblieben waren nach zu holen. „Ich will nicht mehr bis Rakdos warten.“, seufzte sie und schmiegte ihre Wange an seine Brust. „Ich auch nicht… aber glaubst du das hier ist der richtige Ort?“, hakte er nach und lächelte. Cereza blickte sich um. Rings um sie herum standen sieben Frauen, die komplett nackt waren, Tessa stand mit hochrotem Gesicht mehr oder weniger hinter ihnen und die Gildenmeisterin musste kichern und sich eine einzelne Träne aus dem Gesicht wischen. „Hmm… Das käme auf einen Versuch an…“, seufzte sie abwesend, stand dann aber auf und hielt ihm eine Hand entgegen. „Wehe du wehrst dich.“, grinste sie und Rylar nahm ihre Hand. „Kontrollfreak.“, lächelte er und ließ sich von auf die Füße ziehen. Seine Hand ließ sie nicht los und zog ihn mit auf Varyziana zu. „Habt ihr zufällig ein Zimmer mit etwas Privatsphäre für zwei Leute, die sich etwas näher kennen lernen wollen.“, dabei legte sie so viel Leidenschaft in ihre Stimme, dass es selbst der Gildenmeisterin die Röte ins Gesicht trieb. Rylar seufzte, was hatte er sich da bloß angetan? Die Gildenmeisterin nickte etwas verdutzt, wies aber eine Zofe an, ihnen den Weg zu zeigen.

 

Mit hochrotem Kopf schritt Tessa aus dem inneren Heiligtum. Sie torkelte benommen von allmählich abflauender Magie in ihrem Inneren. Sie stieß einen langen Seufzer aus, als Cylara sie anblickte und auf sie zu gelaufen kam. „Was ist? Wie geht es ihm? Wo ist Cereza?“, hagelte der erste Schwall Fragen unbarmherzig auf Tessa hernieder. „Die… die beiden sind… beschäftigt.“, erklärte Tessa mit leicht zitternder Stimme, die Wangen noch immer gerötet vor Scham. „Beschäftigt? Was meinst du mit beschäftigt?“, hakte sie nach und schaute Tessa finster an. „Sie… Also… Sie waren sehr froh…“, sie schluckte und setzte den Satz dann fort: „…sich wieder zu sehen…“ Cylara zog eine Augenbraue in die Höhe. „Was soll das heißen?“, hakte sie nach und warf ihr einen blick zu, der wohl soviel bedeutete wie: ‚Rede Mädchen oder ich breche dir die Knochen.‘ „Also… ich glaube… Cereza ist dir zuvor gekommen.“, erklärte Tessa so ruhig sie konnte und jetzt schien Cylara zu verstehen. „Diese dumme Kuh!“, brüllte sie und fixierte Tessa mit ihrem ‚Erzähl-Mir-Alles-Oder-Ich-Massakriere-Dich-Blick‘. Tessa schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht und um ehrlich zu sein will ich es auch gar nicht wissen.“, erklärte Tessa so schnell sie konnte und schüttelte den Kopf. „Wieso so scheu? Sie wird wohl kaum gesagt haben, ich brauch ein Zimmer um mit Rylar zu vögeln.“, spottete Cylara genervt und Tessa schluckte. „Nicht direkt… Aber der Sinn war ziemlich genau der gleiche.“, entgegnete Tessa ruhig und Cylaras Gesichtszüge entgleisten. „Sie hat was?“, fragte sie ungläubig und Tessa rezitierte, was Cereza gesagt hatte. Cylara wurde rot. „Ich muss das verhindern.“, erklärte sie dann und Cylara stellte sich mit ausgestreckten Armen vor sie um sie abzuhalten. „Du wirst dergleichen tun.“, gab Tessa zurück und funkelte sie finster an. Eine Hand wanderte langsam an ihren Dolch, der an ihrem Gürtel in einer Schlaufe am Rücken hing. „Du willst dich wirklich gegen mich stellen?“, fragte Cylara kalt und Tessa nickte energisch. „Es muss doch endlich mal Schluss mit dieser Farce sein! Wünschst du den beiden denn wirklich nicht einmal ein wenig Glück?“, hakte Tessa nach und funkelte Cylara böse an. „Rylar wird sein Glück mit mir finden!“, rief Cylara genervt und versuchte Tessa weg zu stoßen, doch sie hielt ihrem Angriff stand. „Rylar will dich aber nicht! Du hast dich ihm so oft an den Hals geworfen, wenn er auch nur einen Hauch Interesse an dir hätte, wäre er schon längst eingeknickt, also lass ihn endlich in Ruhe! Verdammt er ist da drinnen fast drauf gegangen und du egoistische Schlampe weigerst dich immer noch vehement anzuerkennen, dass er in Cereza verliebt ist. Guck dich verdammt nochmal doch mal selbst an. Macht es dich glücklich den beiden immer wieder im Weg zu stehen, wenn es darum geht ihr Glück zu finden, nur weil du nicht in der Lage bist mehr in einem Mann zu sehen, als ein Spielzeug? Lass die beiden in Ruhe, wenn du sie stören willst musst du erst an mir vorbei und ich werde es genießen dir einen Pfeil durchs Auge zu jagen.“, verlor Tessa die Beherrschung und zeigte mit der Hand, die sie zum Dolch geführt hatte nun stattdessen auf sie. Cylara blickte sie verblüfft an. „Was bildest du dir eigentlich…“, begann Cylara knurrend und Tessa verpasste ihr eine kräftige Ohrfeige, die sie zurücktaumeln ließ. „Was zur Hölle bildest du dir ein? Was glaubst du wer du bist? Eine Prinzessin, Königin, Göttin? Mir vollkommen egal für wen du dich hältst, ich werde all meine Kraft einsetzen um dich von den beiden fern zu halten und jetzt kämpfe oder geh mir aus den Augen, bevor ich mich vergesse!“, brüllte Tessa und zog nun endgültig den Dolch aus dem Hüfthalfter. „Tessa meine süße… Keine toten in den heiligen Hallen.“, erklärte die Stimme von Varyziana und Cylara warf Tessa ein überhebliches Lächeln zu. „Ich muss sie nicht töten, um sie aufzuhalten. Es reicht vollkommen wenn ich sie verstümmle.“, erklärte Tessa mit finsterem Blick, Varyziana nickte freundlich. „Das ist okay, solange du die Schweinerei danach aufwischst.“, erklärte die Stimme der Gildenmeisterin und erneut entgleisten Cylaras Gesichtszüge. „Darf ich eure Sekundantin sein? Ich muss darauf hinweisen, dass Duelle magischer Natur in den heiligen Hallen nicht gestattet sind.“, grinste Varyziana hinterhältig und Cylara verzog angewidert das Gesicht, wandte sich ab und verließ den Raum. Tessa entspannte sich und ging auf die Knie. „Es ist gar nicht so einfach die Toughe zu spielen.“, erklärte sie erschöpft und Varyziana legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter. „Du hast genau das richtige getan. Diese Frau hat einen Dämpfer gebraucht.“, erklärte die Gildenmeisterin und blickte der Gedankenjägerin nach. „Besser sie erhält den Dämpfer von Rylar und mir, hätte sie den Dämpfer von Cereza bekommen, würde sie sich bereits die Radieschen von unten ansehen.“, entgegnete Tessa mit vollkommen ruhiger Stimme. Varyziana kicherte vergnügt. „Mach deine Reise Tessa und wenn du genug von der Welt gesehen hast, wird im Orakel immer ein Platz für dich sein.“, sprach die Gildenmeisterin einen unglaublichen Vorschlag aus. Tessa schaute sie verblüfft an. „Und wenn ich niemals genug von der Welt sehen kann?“, hakte sie nach und erntete ein wissendes Lächeln von Varyziana. „Du bist bereits eine von uns. Und das ohne es zu wissen. Die Natur hat dich erwählt und immer wenn du auf einem Fleck unberührter Natur stehst wirst du auf unsere Hilfe zählen können. Wir sind stets dort wo die Natur erblüht und wenn du die Natur weiterhin liebst und schätzt wird sie dich ebenfalls lieben und schätzen. Du bist ein Teil eines großen Ganzen Tessa. Vergiss das nicht. Auf deine eigene Art und Weise bist du in deiner Funktion wichtig.“, erklärte die Gildenmeisterin und Tessa wusste wirklich nicht, was sie nun darauf Erwidern sollte.  Mit offenem Mund starrte sie Varyziana an und diese lächelte nur. Tessa konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, dass in diesem zierlichen Körper, der noch jünger war als der Ihre, die Gildenmeisterin von Varyz steckte. Hätte sie es nicht gespürt, als sie sie zum ersten Mal gesehen hatte, hätte sie es niemals geglaubt, wenn man es ihr erzählen würde. Mit einem energischen Kopfschütteln verbannte sie diese Gedanken aus ihrem Kopf. „Wieso möchtet ihr mich unbedingt als Teil des Orakels rekrutieren?“, fragte sie und dachte im Hinterkopf darüber nach, was wohl Rylar an ihrer Stelle getan hätte. Abgesehen von ihrem Vater war er der vorbildlichste Mann, den sie jemals kennen gelernt hatte. Eigentlich traurig, wenn man bedachte, dass sie nur zwei Männer wirklich kennen gelernt hatte. Ihren Vater… und Rylar. Die Anderen in der Siedlung waren ihr immer zu realitätsfremd gewesen. ‚Meine Arbeit ist mein Leben, ich kann mir nichts anderes vorstellen, als Holz zu hacken.‘, pah unglaublich. Wahrscheinlich sollte sie Rylar noch ein wenig dankbarer dafür sein, dass er sie aus dieser beschissenen Siedlung geholt hatte. „Weil ich spüre, dass du der Natur verbundener bist als viele andere. Die meisten Kinder deiner Generation haben sich zu sehr an den Schutz der Siedlungen gewöhnt, du allerdings hast dich immer von der unbändigen Natur des Waldes angezogen gefühlt, auch wenn sie teilweise doch sehr gefährlich ist. Dazu kommt, dass du eine wahnsinnig fähige Heilmagierin bist. Ich glaube einfach, dass das Orakel der richtige Ort für dich ist. Hier kannst du lernen, dich weiter entwickeln.“, erklärte Varyziana mit sanfter Stimme. Tessa dachte darüber nach. Sie hatte ihr ganzes Leben lang im Wald gelebt und er war ihr lieb und teuer geworden. Natürlich verspürte sie den Drang auch mal etwas anderes zu sehen, aber tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie mehr als die Natur und die Freiheit nicht kannte. Sie schüttelte den Gedanken ab und zog stattdessen einen anderen Gedanken, der sie interessierte. Jetzt nur noch unauffällig das Thema wechseln. „Wieso sind die Wege nach Izarek und Rakdos blockiert?“, hakte Tessa nach. Wow, wenn das mal nicht subtil war. Die Gildenmeisterin wurde ernst. „Weil beide Gilden die Natur verspotten. Izarek erschafft mit voller Absicht Waffen und Techniken, die der Natur schaden und Rakdos ist ein Sündenpfuhl in den die Menschen hineingesogen werden. Eine Falle, die jene, die hinein tappen niemals wieder gehen lässt außerdem hält die Blockierung von Rakdos die Gefahr fern, die von Razzia aus droht..“, erklärte die Gildenmeisterin mit ernster Stimme und Tessa nickte Geistesabwesend. Izarek war am Fortschritt interessiert und dieses Ziel verfolgten sie mit ungekannten Eifer und um jeden noch so hohen Preis. Rakdos war eine Verführung für viele der Menschen, die der schützenden Umarmung des Waldes überdrüssig geworden waren und Razzia… Razzia war eine Gefahr für alle anderen Gilden in der Stadt. Die Gilde hatte sich hinter dicken Mauern eingeschlossen, wie eine Festung. Herein ließen sie nur solche, die nachweisen konnten, dass sie zur Gilde gehörten, alle anderen wurden mit Waffengewalt solange bedroht, bis sie wieder verschwanden. Ansonsten verschwanden sie sehr oft unter der Erde. Die Wache von Razzia machte keine Scherze. Die Soldaten der Gilde waren alle samt erstklassig ausgebildet und dienten dem Ziel der Gilde mit fanatischem Eifer. Was sich genau hinter den Mauern befand wusste man nicht, da weder Spione noch Historiker diese Stadt jemals von innen gesehen hatte. „Verstehe.“, erklärte sie und senkte kurz den Blick. Die Gerüchte, dass nun auch Rakdos von Varyz abgeschnitten war, war nicht einfach zu überdenken. Wie sollten sie die Rakdos nun erreichen? „Meisterin Varyziana… wir müssen nach Rakdos.“, erklärte Tessa mit sanfter Stimme. Die Züge der Gildenmeisterin lockerten sich allmählich auf. „Das ist mir bewusst, doch ich kann euch den Durchgang dorthin nicht gewähren.“, entgegnete die Gildenmeisterin und Tessa zog die Stirn in Falten. „Gibt es einen Weg dorthin, abgesehen vom Offiziellen?“, hakte Tessa nach und Varyziana lächelte. „Das meine Liebe ist die richtige Frage. Deine Freunde sind doch auch Izarek aus irgendwie hier her gekommen oder nicht?“, lächelte die Dryadenmeisterin und strich sich eine Strähne grünes Haar hinter die Ohren. Tessa nickte. „Ich werde es mir merken. Danke Meisterin.“, erklärte sie und wandte ihr den Rücken zu. Mit schnellen, entschlossenen Schritten bewegt sie sich vom inneren Heiligtum weg, fest entschlossen darüber zu meditieren, welchen Weg sie nehmen konnten. Sie kannte den gesamten Wald und es hatte sehr lange gedauert den Wald so kennen zu lernen, wie er war, aber sie kannte ihn. Sie wusste auch, dass sie den inoffiziellen Weg nach Rakdos kannte.

 

Rylar wurde von Cereza ins Zimmer gestoßen, die ihn sofort zu sich zog und stürmisch küsste. In seinem Kopf drehte sich alles. Ein roter warmer Schleier legte sich um seine Gedanken, ein Schleier, der seine Gedanken auf sie fokussierte. Voller Inbrunst erwiderte er den Kuss, hob sie hoch und legte sie aufs Bett. Diesmal war ihm alles egal, sollte dieser Vollidiot doch die Stadt zu Grunde gehen lassen. Was jetzt im Moment zählte war sie. Immer wieder trafen ihre Lippen aufeinander, während er über ihr auf dem Bett hockte und sie ihre Fingernägel Lustvoll in seinen Rücken bohrte, sie keuchte auf, als seine Hand unter den Saum ihres Tops glitt. Endlich. Seine Hand streichelte ganz sanft über ihren Bauch, umrundete ihren Bauchnabel und glitt dann weiter hinauf zu ihrer Brust. Ein vorfreudiges Seufzen entglitt ihr, als er den Stoff ihres BHs nach oben schob und ihre Brust in blanker Pracht vor ihm lag. Ihre Beine schlangen sich um eine Hüfte und sie küsste ihn, indem sie seinen Kopf mit den Händen zu sich zog. Leidenschaftlich schmeckten sie einander und bereitwillig öffnete Cereza den Mund um seine Zunge zu empfangen. Schnell und neckend spielten ihre Zungen miteinander, sie biss sanft und knabberte an seinen Lippen, was sie beide zu genießen schienen. Ihre Hände glitten an ihm herab und fanden den Saum seines, noch immer löchrigem und mit Blut verschmierten Shirts. Blut was er für sie vergossen hatte. Sie zog den Saum nach oben und schälte ihn aus dem Stoff, beide seufzten nach mehr verlangend auf, als sich ihre Lippen für einen kleinen Moment trennten, als sie den Stoff des Shirts über sein Gesicht zog, auch er nutzte den Moment um das gleiche mit ihrem Top und dem BH zu tun. Kaum befand sich kein Stoff mehr zwischen ihnen zog sie ihn auch wieder an sich und küsste ihn verlangend und leidenschaftlich. Seine Hände glitten über ihre Wange hinab über ihr Schlüsselbein bis hin zu ihren Brüsten wo er sanft begann sie zu massieren und sich am freudigen und lustvollem Seufzen zu erfreuen, was sie immer wieder ausstieß, während sich ihre Nägel immer wieder Lustvoll in seinen Rücken gruben. Sie genossen wie ihre Zungen einander umschlangen und sich gegenseitig kitzelten. Ihre Fingernägel glitten an seinem Rücken herab, fanden den Bund seiner Hose und lösten den Gürtel mit den Wurfmessern und ließ ihn zu Boden gleiten. Dann machte sie sich an seiner Hose zu schaffen. Er lächelte im Kuss und begann ihren Gürtel und den Knopf ihrer Hose zu lösen. Lustvoll zog er den Stoff samt Unterwäsche herab, während sie das Geräusch mit einem vorfreudigen Aufschrei untermalte. Mit einem schnellen Ruck tat sie es ihm gleich und zog ihn sogleich auf sich herunter. Zärtlich schmiegte sich ihre Haut an seine, während ihr Blick von seinen Augen festgehalten wurde. Erneut küssten sie sich und sie genoss das Gefühlt, seine Haut an ihrer zu spüren, zu spüren wie sich ein warmes und sehr weibliches Verlangen in ihr aufbaute ihn endlich in sich zu spüren. Mit rhythmischem Keuchen beendete Rylar den Kuss, küsste stattdessen ihr Kinn, dann ihren Hals, an dem er sanft leckte und knabberte, was ihr einen wohligen Schauer über den ganzen Körper jagte. Mit einem genüsslichem aufstöhnen symbolisierte sie ihm, das ihr gefiel, was er tat, während seine Lippen sich ihren Weg nach unten fortsetzten. Er leckte und küsste ihr Schlüsselbein und erreichte ihre Brust, voller Genuss schrie sie auf, als er sanft in ihre Brust biss und zärtlich mit ihren Brustwarzen spielte, während seine linke Hand sich mit festem Griff ihres Hintern bemächtigt hatte. Seine andere Hand lag zwischen ihrem Rücken und der Matratze. Langsam wanderte sie weiter nach oben, während er an ihrer Brustwarze knabberte, was einen lustvollen Schauer nach dem anderen durch ihren Körper jagte. Sie wollte ihn. Jetzt. Mit beiden Händen krallte sie sich in seinen Rücken und wies ihn zärtlich an sie erneut zu küssen. Ein mieser Trick, denn sobald er ihre Lippen erreichte, griff sie um seinem Körper herum und drehte ihn mit einer Militärkampftechnik auf den Rücken. Sie hatte immer geahnt, dass ihr diese Kampftechnik auch außerhalb vom Kampf einmal gute Dienste leisten würde. Statt, der Gewohnheit folgend sein Gesicht jetzt mit harten Schlägen zu bombardieren schwang sie ihre Hüfte vor und zurück. Sie spürte seine harte Männlichkeit dich an ihrer feuchten und heißen Scheide. Langsam und lustvoll schaukelte sie ihre Hüften über den festen Schaft, genoss seinen schneller gewordenen Atem, spürte seinen Puls, der schneller ging als sonst und ließ ihre Fingerspitzen voller Leidenschaftlich über seine Brustgleiten, dann beugte sie sich zu ihm herunter, ihre Arme packten seine fest an den Gelenken. Lustvoll biss sie in seinen Hals und konnte spüren wie er unter der Liebkosung erzitterte. Sie mochte nicht viel Erfahrung haben, doch die Leidenschaft und ihr fester Wille sich mit ihm zu vereinigen machten einiges wett. Zärtlich ließ sie ihre Zunge über die Seite seines Halses gleiten und konnte spüren, wie er sich unter ihr erst anspannte und sich dann der Entspannung ergab. Er war Wachs in ihrer Hand, doch sie hatte kein Interesse daran ihn noch weiter zu quälen, ihre eigene Lust ihn vollends für sich einzunehmen gewann allmählich die Oberhand. Sie küsste ihn, biss leicht in seine Unterlippe und knabberte daran, während eine Hand seinen Schaft ergriff, seine Hand wanderte, wer hätte es anders erwartet an ihre Brust. Männer waren so einfach gestrickt. Doch nach kurzer Berührung entpuppte sich das was wie ein fester Griff um seine Brust angemutet hatte als sanfte Streicheleinheit, die über ihr Schlüsselbein hinauf über ihren Nacken verlief. Sie erschauderte. Seine Hand flocht sich in ihr Haar und schmiegte sich an ihre Kopfhaut. Heiß und steif glitt seine Männlichkeit in sie ein und sie keuchte in den Kuss. Endlich. So lange hatte sie darauf warten müssen. Viel zu lange. Er zog sie zu sich hinunter und stahl sich einen langen, leidenschaftlichen Kuss von ihren Lippen, während sie mit langsamen, sanften Schaukelbewegungen begann und ihm ein heiseres Stöhnen entlockte. Auch sie konnte sich eines lauten, lustvollen Stöhnens nicht erwehren, als sie die Schaukelbewegungen fortsetzte, diesmal schneller und deutlicher. Sie stöhnte lauter, lustvoller und spürte wie sehr die Klänge ihrer Leidenschaft ihn erregten. Ihre Hände glitten über seine Brust, während sie ihm weiter in die Augen blickte. Ihre Finger krallten sich etwas zu fest in sein Fleisch, doch es störte ihn nicht. Heißer Atem drang aus ihrem Mund und kitzelte in seinem Gesicht, immer wieder berührten sich ihre Lippen, was jedes Mal ein wohliges Gefühl in ihr auslöste. Er war es. Und er gehörte ihr. Lustvoll warf sie den Kopf in den Nacken und zog ihn, der seine Hand noch immer in ihren Haaren barg mit hinauf. Voll mit einer so zärtlichen Leidenschaft zu der nur Liebende fähig waren begann er ihre Brust zu küssen und mit seiner Zunge zu liebkosen. Was auch immer er dort tat, es fühlte sich gut an. Als er das zärtliche knabbern an ihrer Brustwarze mit einem sanften Biss beendete kam sie zum ersten Mal und verkrampfte sich kurz, nur um sich dann nahezu sofort wieder zu entspannen, als der Höhepunkt durch jede Zelle ihres Körpers jagte. Sie schrie vergnügt auf, als er sie von sich herunter, auf den Rücken rollte. Sie kicherte vor Vorfreude und Begierde und stöhnte heiser, als er erneut in sie eindrang. Hastig krallten sich ihre Finger fest in seinen Rücken und zogen ihn näher an sie heran. Mit einer ungekannten Leidenschaft leckte sie über seine Bartstoppeln bis ihre Zunge seine Lippen berührten und streichelten, ehe er leicht knurrte und seinen Mund für sie öffnete. Ihre Zungen spielten ihr sinnliches Spiel und ließen sich nicht unterbrechen. Mit einem heiseren Knurren ergoss er sich in ihr und sie erschlaffte, als sie erneut kam. Schweiß benetzte ihre Körper, die ineinander verschlungen und miteinander verbunden da lagen. Sie lächelte ihn liebevoll an und er erwiderte ihren Blick mit einer Intensität an Liebe, die sie niemals erwartet hatte. Worte konnten lügen, doch seinen Körper lügen zu lassen war deutlich schwieriger. Beide keuchten leicht und er kuschelte seinen Kopf auf ihre Brust. „Schmeißt du mich jetzt wieder raus?“, hakte er mit einem neckenden Lächeln auf den Lippen. „Nein… aber loslassen werde ich dich auch nicht.“, seufzte sie glücklich. Dass er in ihr gekommen war, machte ihr keine Sorgen. Die Armeelaboratorien von Izarek stellten Pillen für Frauen her, die in der Armee dienten. Wenn man eine davon schluckte verhinderte es eine Empfängnis für sechs Tage, eigentlich wurden sie verteilt um im Falle einer Vergewaltigung zur Anwendung zu kommen, aber ein Notfall war eben ein Notfall. Sie hatte die Pille genommen, ehe sie mit Rylar aufs Zimmer gegangen war. „War das schon alles was du kannst?“, seufzte sie Genießerisch und er hob lächelnd den Kopf. „Soll das eine Herausforderung sein?“, hakte Rylar verspielt nach, Cereza grinste unschuldig und klammerte die Beine um seine Hüfte und drückte ihn näher an sich, sodass er wieder tiefer in sie hinein glitt.

 

Cylara saß vor dem Zimmer, was Cereza und Rylar sich geliehen hatten und Tränen rannen über ihr Gesicht, als sie von innen das lustvolle und laute Keuchen und Stöhnen vernahm. Eigentlich hatte sie die Tür aufreißen wollen um das zu verhindern, doch als sie ankam hatten die beiden bereits angefangen. Verdammt sei Tessa. Nein… Es war nicht ihre Schuld. Tessa hatte es vom ersten Moment gewusst, dass Rylar Cereza interessanter fand als sie. Sie hatte auch gemerkt, dass Cereza dem nicht abgeneigt war. Sie hatte den beiden Steine in den Weg gelegt, aber sie hatten den steinigen Pfad überwunden. Was fand er nur an Cereza? Was fand er an Cereza, wenn er sie haben konnte? Die Tränen flossen zügellos ihr Gesicht entlang. Das schlimmste daran war, dass es echte Tränen waren. Nicht weil sie versagt hatte, sondern weil sie Rylar wirklich geliebt hatte. Warum hatte sie sich das nie eingestehen können und vor allem, warum hatte sie nicht einmal ehrlich zu ihm sein können? Es war kein Wunder, dass er Cereza ihr vorgezogen hatte. Cereza war wenigstens ehrlich. Wenn sie genau darüber nachdachte hatte sie von Anfang an keine Chance gehabt. Cylara hatte sich sofort an ihn heran geschmissen. Viel zu früh und voreilig. Cereza hingegen hatte sich Zeit gelassen, hatte ihn sich an sie gewöhnen lassen. Er hatte sich über diese ganze Zeit in sie verliebt und das war eine Taktik, die sie niemals verstanden hatte. Sie wollte sich keine Zeit lassen. Andererseits… Sie hätte sich Zeit gelassen, wenn es darum ging ihn kennen zu lernen. Sie hätte sich Zeit gelassen, sofort nachdem sie ihn verführt hätte. Sie hatte sich ständig gefragt warum ihre Verführungskünste bei ihm nicht funktioniert hatten. Er wusste die ganze Zeit, dass Cereza in der Nähe war, wahrscheinlich hatte sie die beiden sogar mehrfach beobachtet. Fakt war, sie hatte erstmal verloren. Es wäre möglich gewesen, die beiden voneinander fern zu halten, aber das hätte nicht geholfen, denn sie hätte Rylar nicht dazu zwingen können sie zu lieben. Der einzige Mann, der einen nahezu unüberwindbaren Willen hatte. Sie sollte ihn aufgeben. Aber sie konnte es nicht. Sie konnte nicht aufgeben. Sie konnte gegen Cereza gewinnen. Sie war hübscher und wenn sie ihm ab jetzt nur noch die Wahrheit sagte… Dann vielleicht würde er… Es war hoffnungslos. Ihre Chance war vertan. Sie würde ihn nicht bekommen, egal wie sehr sie sich anstrengte, sie würde nur ständig dabei zusehen, wie Rylar ihre Bemühungen abschmetterte. Aber jetzt wo sie darüber nachdachte bot sich ihr eine andere Gelegenheit. Da nun keine direkte Rivalität mehr bestand war es ihr möglich ein Freundschaftliches Verhältnis zu Cereza aufzubauen. Vielleicht würde ihr das eines Tage nützen. Vielleicht konnte sie so sogar Einfluss auf ihre Beziehung nehmen. Nein. Es musste ein Ende haben. Sie musste aufhören alles zu hintertreiben. Cereza hatte auch ihr das Leben gerettet, egal was sie mit Rylar tat, das konnte sie ihr nicht vergessen. Sie sollte dringend von hier verschwinden. Am besten bevor das nächste glückliche Aufstöhnen ihre Meinung wieder änderte. Sie stand auf und ging den Gang in Richtung inneres Heiligtum entgegen. Auf dem Weg kam ihr Tessa entgegen, die sie finster anblickte. Cylara schüttelte mit einem freundlichen Lächeln den Kopf. „Wir sollten die beiden jetzt nicht stören.“, erklärte sie mit einem freundlichen und Tessas Blick wechselte in einen eher weniger leicht zu deutenden. „Hast du eine Sprengladung am Zimmer angebracht?“, hakte Tessa misstrauisch nach und Cylara grinste. Das musste sie sich jetzt wohl gefallen lassen. Mit einer schnellen Handbewegung wischte sie die Behauptung weg und Tessas Blick wurde wachsam. „Nein… Keine Sprengladung.“, erklärte Cylara mit einem Lächeln. Tessa entspannte sich sichtlich. „Lass uns zum Orakel gehen um zu klären wo unser Ziel abgeblieben ist.“, begann Cylara und Tessa schüttelte den Kopf. „Wir sollten bis morgen warten. Das Orakel ist durch den Einsatz der Heilmagie für Rylar zu erschöpft.“, erklärte Tessa und Cylara nickte. „Das wird das Beste sein. Ich hoffe nur, dass es morgen nicht zu spät ist.“, erklärte Cylara und Tessa schüttelte den Kopf. „Meisterin Varyziana vertraute mir an, dass sich sowohl der Dieb wie auch das seltsame Artefakt sich noch in diesem Wald befinden. „Okay… Wo wolltest du eigentlich hin?“, fragte Cylara geistesgegenwärtig und Tessa deutete auf zwei Türen neben den Zimmern von Cereza und Rylar. „Das linke Zimmer ist deins, meins ist das Rechte.“, erklärte Tessa und zuckte mit den Schultern. „Ich wollte etwas meditieren und darüber nachdenken welchen Weg wir jetzt am besten nehmen.“, ergänzte sie und ein leichtes Lächeln zwang sich auf ihre Züge. Die Dryaden hatten ihr das Zimmer genau neben den beiden Turteltauben gegeben. Wie Rücksichtsvoll. Offensichtlich hatte sie sich hier keine wirklichen Freunde gemacht. Sie sog tief den Atem ein. „Was meinst du? Wieviel Schallisolierung bringen die Kissen hier?“, hakte Cylara nach und Tessa kicherte leicht.

 

Der Saal war voll. Ungefähr Sechs Personen hatten sich hier versammelt, Personen, die man mit keinem Sterblichen zusammen in einen Raum sperren sollte. Jedenfalls nicht wenn man nicht wollte, dass der Sterbliche auf möglichst fantasievolle Art und Weise den Raum dekorierte. An mehreren Stellen. Seraphim holte tief Luft und trat vor seine Geschwister. „Brüder und Schwestern… Ich begrüße euch und bin froh euch gesund und munter an diesem Ort hier anzutreffen.“, erklärte er mit ruhiger Stimme und die Sieben regten sich vor ihm. „Erster, was gedenkst du zu tun, jetzt wo Refa, unsere jüngste Schwester ermordet wurde?“, hakte ein grauhaariger Mann mit Augenklappe und einem wilden, gelb leuchtenden Auge nach. Seine Finger rieben erwartungsvoll über seinen grauen Stoppelbart. Regnos, der Zweite hatte seine Frage gestellt. „Ja, wir wollen Blut sehen, das Blut ihres Mörders!“, pflichtete eine piepsige Stimme nach, die zu einer kleinen Frau gehörte, die sich sehr geschickt im Schatten einer Ecke verbarg. Miya, die Fünfte. „Ich habe ihren Mörder zur Rechenschaft gezogen.“, erklärte Seraphim mit ruhiger Stimme. „Das sagst du, aber wo sind die Beweise Erster?“, hinterfragte ihn ein großer Mann, in einem abgerissenen Mantel und langen verwilderten Haaren. Abtes, der Vierte. „Du Abtes erwartest einen Beweis von mir? Du, der du von deinen Opfern nie genug übrig lässt, dass man sie danach überhaupt noch identifizieren kann? Das ich nicht lache.“, schnaubte Seraphim und blickte dem verwilderten Mann entgegen. „Dann lass mich die Bitte nach einem Beweis stellen Bruder.“, erklärte Vylara, die Sechste mit einem Lächeln. Seraphim nickte und zog zwei Federn aus seiner Tasche, die er sorgfältig aufbewahrt hatte, mit einem aufstrahlenden Licht verwandelten sich die Federn in zwei blutverschmierte Schwerter. „Das beweist Garnichts! Das Blut kann von jedem sein.“, erklärte die Stimme einer großen, Attraktiven Frau, die an der Wand stand, neben ihr lehnte eine Lanze an der Wand. Rovina, die Dritte. Der Zweite nickte. „Sie hat Recht. Wieso glaubst du uns mit so schlampigen ‚Beweisen‘ besänftigen zu können? Wo ist der Kopf des Mörders unserer jüngsten Schwester?“, hakte der Zweite nach und fixierte Seraphim mit forderndem Blick. Im Gegensatz zu den restlichen Vieren waren Seraphim und Ragnos als Prototypen durch die Hölle der Metamorphose gegangen. Seit dem bildete Ragnos Seraphims Nemesis. Bei jedem Aufeinandertreffen wiedersprachen sie sich, auch wenn sie eigentlich gute Freunde waren. Ragnos würde ihn niemals verraten. Bei den anderen war er sich da nicht so sicher. Sie mochten seine Brüder und Schwestern sein, aber für keinen von ihnen würde Seraphim seine Hand ins Feuer legen, aber für Ragnos würde er wenigstens einen Finger über dem Feuer schmoren. „Der Kopf klebt noch am Rumpf. Ich habe ihm Lunge und Herz durchbohrt, das überlebt kein Mensch, egal wie stark er ist.“, erklärte Seraphim ungerührt ließ die Schwerter in seinen Händen zu Licht zerschmelzen. „Meinetwegen. Aber kannst du uns beweisen, dass das Blut an den Klingen auch das ihres Mörders ist?“, hakte der zweite erneut nach und Seraphim verzog das Gesicht. „Kannst du mir beweisen, dass es sich dabei nicht um sein Blut handelt?“, spielte Seraphim nach und der Zweite grinste. „Gut ich glaube dir, weil du unser Anführer bist… Jedenfalls noch.“, knurrte der Zweite und Seraphim grinste innerlich. Die streitsüchtige Fassade des ruppigen grauen Wolfes, hatten sie gemeinsam aufgebaut. Wer mit Seraphim nicht zufrieden war würde sich an Ragnos wenden und dieser leitete die Beschwerde an Seraphim weiter. Sie waren die Einzigen ihrer Art, die restlichen Fünf Refa eingeschlossen hatten auf eine andere Art das Licht der Welt erblickt. Kurz flackerten wieder dir Bilder vor seinem geistigen Auge auf. Die Stahlbare auf der er gelegen hatte. Der, in einen weißen Kittel gehüllte Wissenschaftler der ihn mit einem lückenhaften Grinsen bedachte, die Spritzen, die ihm verabreicht worden waren. Eine mit grüner Flüssigkeit, eine mit gelber Flüssigkeit und die letzte Spritze mit der dicken, roten Flüssigkeit, welche die Metamorphose ausgelöst hatte. Die Schmerzen, die seinen ganzen Körper eingehüllt hatten, die Ohnmacht. Als er wieder erwachte, war er kein Mensch mehr gewesen. Seine Augen waren viel besser als zuvor. Sein Geruchssinn hatte sich ebenfalls verbessert und auch sein Gehör war feiner geworden, aber das war noch nicht alles. Das wohl mit Abstand auffälligste war der rote Kristall, der halb aus seiner Brust ragte wie ein rotes Auge. Dazu kam das andere Merkmal, was ihn seitdem immer wieder daran erinnerte, dass er kein Mensch mehr war. „Gibt es noch Fragen?“, hakte Seraphim nach, der Rest schwieg. Sehr gut. „Was ist mit dem Auslöser?“, wurde nun doch die Frage gestellt mit der Seraphim gerechnet hatte. Die Fünfte drückte den Rücken durch um Seraphim möglichst bedrohlich entgegen zu treten. „Der Bote ist unterwegs und hat Vorsprung vor seinen Häschern.“, erklärte Serpahim knapp und warf einen finsteren Blick in die Runde. „Wieso wies Vater diesen wichtigen Auftrag einem kleinen sterblichen Äffchen zu?“, hakte die Fünfte mit aggressiven Unterton in der Stimme nach. Seraphim schwor sich innerlich, dem nächsten, der die Menschen als Äffchen bezeichnete die Kehle durchzuschneiden. „Vater hat seine Gründe und wieso sollte er diese Aufgabe keinem Menschen übertragen?“, fragte Seraphim mit gleichmütiger Stimme nach. „Weil Menschen schwache Kreaturen sind. Sie sterben viel zu schnell und sind so zerbrechlich.“, entgegnete die Fünfte mit übermütiger Stimme. Sie wusste ganz genau, dass Seraphim zur Hälfte ein Mensch war, ein echter Mensch, nicht wie sie. „Wieso sollte Vater unsere Existenz aufdecken um einen simplen Auslöser stehlen zu lassen. Wir sind eine Geheimwaffe und hättest die Schlacht gegen diese Menschen geschlagen wärst du jetzt Tot, genau wie Refa.“, erklärte Serphim kühl und gefasst. Er würde sich von ihr nicht provozieren lassen. „Ich bitte euch Erster, Refa war schwach, sie war die jüngste von uns und…“, begann die Fünfte, doch sie wurde von Seraphims Klinge, die sich an ihrer Kehle befand vom weiter sprechen abgehalten. „Was hat das zu bedeuten?“, hakte die Fünfte mit einem Unterton nach, der Angst verriet. Wie passend. „Du hast vergessen, dass sie überheblich war, denn letztendlich war es eine Waffe der Menschen, die Refa zugrunde richtete.“, entgegnete Seraphim entschlossen und die Fünfte schwieg, während der Zweite ein belustigtes Grummeln von sich ließ. „Was möchtest du mir jetzt beweisen?“, hakte die Fünfte nach und Seraphim grinste. „Ich möchte verhindern, dass du und Refa den gleichen Fehler macht, nämlich euren Gegner zu unterschätzen. Die Klinge an ihrer Kehle lockerte sich. Wenn Blicke töten könnten würde Seraphim auf der Stelle tot umgefallen, allerdings gehörte diese Fähigkeit nicht zu denen, die sie besaß. Das Schwert in seiner Hand zerfloss zu Licht und verwandelte sich in eine Feder, die ihren Platz zwischen den anderen auf seinem Umhang einnahm. Es war nicht seine Aufgabe sie in Demut zu unterweisen, obwohl er diese Aufgabe nur zu gerne übernommen hätte. Die Fünfte schnaubte verächtlich, als er ihr den Rücken zuwandte. „Schwacher Menschlicher Abschaum.“, erklang ihre Stimme, dann folgte ein Schnitt gefolgt von einem nassen Gurgeln, als Seraphim ihr mit einem Schwert, was er in unglaublich hoher Geschwindigkeit aus einer Feder gewandelt hatte, die Kehle durchschnitt. Erneut zerfloss die Waffe in seiner Hand zu Licht, während die bekannten blassen Blitze über die Haut der Fünften züngelten und die Wunde verschlossen. „Auch schwache Menschen können dich töten. Und mach dir keine falschen Vorstellungen. Auch wir können sterben. Es dauert länger und es ist nicht so schmerzlos wie bei Menschen, aber auch wir können oft genug getötet werden, solltest du dich fragen wie viele Menschen es gebraucht um Refa zu töten, welche die Fähigkeit hatte Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen, beantworte ich diese Frage gerne. Einen. Es hat nur einen Menschen gebraucht, um sie zu töten.“, erklärte Seraphim mit finsterer Stimme. „Vergesst nicht, dass auch ihr aus menschlichem Fleisch besteht.“, ergänzte Seraphim und der Zweite grinste ihn hinterrücks an. Wenn sie schon dabei waren die Masken der Toleranz abzulegen könnte er sie auch gleich ein zweites Mal töten, aber er unterließ es vorerst um den Frieden zu wahren. „Seraphim… auf wessen Seite stehst du? Auf unserer oder der, der Menschen?“, hakte die Fünfte nach und blickte ihm nach. „Ich stehe auf der Seite Razzias, es gibt kein Uns und die Menschheit, wir sind lediglich der Amboss auf dem das Bündnis der Menschen geschmiedet werden soll, wir sind die Waffe, die Vater gegen den Rest der Stadt erheben will um die Menschen unter dem Banner von Razzia zu vereinigen. „Es wird Krieg werden, einen Krieg gegen Menschen. Und ich prophezeie euch, dass nicht einmal ein Drittel von euch am Leben sein wird, wenn dieser Krieg vorbei ist. Falls er jemals vorbei gehen wird.“, entgegnete Seraphim und verließ ohne noch ein weiteres Wort zu sagen den Raum. Dass sie ihn bei seinem Namen genannt hatte konnte entweder Respekt oder Respektlosigkeit ausdrücken. Das war wohl eine Sache, die Ragnos nun herausfinden musste. Er beneidete ihn nicht.

 

Rylar stand im Inneren Heiligtum und schluckte, als er vor dem großen Kelch stand, der so aussah wie der Blütenkelch einer riesigen Blume. „Und was jetzt?“, hakte er nach und Varyziana legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Wir benötigen etwas von ihm und etwas von deinem Blut.“, begann sie und Rylar zog die Stirn in Falten. „Etwas von ihm? Was denn zum Beispiel?“, hakte er nach und die Gildenmeisterin runzelte die Stirn. „Ein Kleidungsstück… Haare, Speichel, Blut wären am besten aber es reicht auch etwas was er in der Hand gehalten hat um die Verbindung herzustellen. „Rylar kramte in seiner Tasche herum und fand eine kleine Probentüte, die er mit den sie benutzt hatte um etwas von dem angetrockneten Blut aus der Kanalisation aufzufangen, als er ein wenig davon mit einem Messer abgekratzt hatte. „Reicht das?“, hakte er nach und blickte die Dryade an. „Ist das geronnenes Blut?“, fragte sie mit zusammen gekniffenen Augen nach und Rylar nickte. „Das sollte funktionieren. Wenn es wirklich von ihm ist.“, erklärte sie mit ruhiger Stimme. Rylar lächelte hoffnungsvoll. Sie nahm das kleine Tütchen und streute das rotbraune Pulver in den Kelch, dann nahm sie seine Hand und stach ihm mit einem Dorn in den Finger. Ein großer Blutstropfen fiel in die Schale, doch die Wunde heilte sofort wieder, als ein Windhauch durch das innerste Heiligtum streifte. „Der Wind hat dich erwählt. Das passiert nicht oft, du solltest stolz auf diese Bindung sein.“, erklärte die Gildenmeisterin mit einem freundlichen Lächeln. Rylar nickte. „Und was jetzt?“, hakte Rylar nach und blickte auf den Inhalt des Kelches. Varyziana murmelte ein paar Worte und das Blut im Kelch schien sich zu regen und zu einem dickflüssigen Brei zu verklumpen. Magie stieg vom Kelch auf und Varyziana formte die Magie zu einer Kugel über ihrem Kopf, sodass alle Anwesenden, auch Cereza, Tessa und Cylara sie sehen konnten. Rylar begann schwache Umrisse in der magischen Lichtkugel zu sehen, die sich immer weiter ausbreitete und er schnappte nach Luft, als er erkannte was er dort in der Kugel sah. Nein. Nicht diese Erinnerung. Alles nur nicht diese verdammte Erinnerung. Jede andere wäre in Ordnung, aber diese? Das sollte niemand wissen. Nicht mal er selbst wollte etwas von diesem Tag wissen, an dem sein Leben begonnen hatte so zu werden wie es war. Der Lichtschimmer umhüllte sie alle und bevor Rylar protestieren konnte fand er sich schon im Inneren seiner Erinnerung wieder.

Kapitel 11

 

Die Angst war wieder da, sein Vater stand hinter ihm, hatte die Flasche an den Mund gehoben und ließ das glühende Brandeisen dich über Rylars Rücken vorbei gleiten. Das glühende Metall berührte ihn nicht. Noch nicht, aber die Hitze, die von dem glühenden Metallgeflecht abgesondert wurde brannte auf seiner Haut und ließ ihn die Hoffnung verlieren. Wieder zuckte er zusammen, als das Eisen kurz einen Millimeter näher an ihn heran rückte. Erneut brannten seine, von den Metallschellen blutig geriebenen Handgelenke schmerzhaft, doch er biss die Zähne zusammen. Er hatte es satt zu schreien. Er hatte es so satt. Er hatte es satt, dass jeder Tag das willkürliche Risiko barg, dass er im wahnsinnig machenden Crichendo seiner eigenen Schreie das Bewusstsein verlor oder noch schlimmer alles von den brennenden Qualen mitbekam, was immer öfter vorkam. Man gewöhnte sich an Schmerzen, vor allem wenn sie regelmäßig kamen. Er hatte es so satt. Ein Kettenrasseln, schmerzen in den Handgelenken, ein glitschiges Gefühl. Er biss die Zähne zusammen und versuchte seine Hände durch das glitschige Blut aus den Handschellen zu befreien. Schmerzen. Noch ein Versuch. Brennender Schmerz. Ein weiterer Versuch. Er biss die Zähne zusammen, doch mit dem Überlebenswillen eines wilden Raubtiers versuchte er weiter seiner Fessel zu entkommen. Schmerzen, schmerzen noch mehr schmerzen und dann. Endlich spürte er wie seine Hand aus der Handschelle rutschte. Seine andere Hand folgte. Er hielt die Eisenfesseln fest in der Hand und dann griff er an. Er wirbelte herum und drosch seinem Vater die Eisenfessel ins Gesicht. Vor Schreck ließ er das Brandeisen fallen, nicht aber die Flasche. Nein natürlich nicht. Rylar fing das Brandeisen auf, trat seinem Vater gegen die Hand, welche die Flasche Fusel hielt, die er krampfhaft fest zu halten versuchte, doch durch den Schweiß, den er durch den Alkoholgenuss angesetzt hatte, rutschte ihm die Flasche aus der Hand. Rylar fing sie auf und schlug damit zu. Die Flasche zerschellte am Kopf seines Vaters und entleerte ihren Inhalt über dem Körper des Mannes, dann schlug Rylar mit dem Brandeisen zu. Das glühende Ende entzündete die Alkoholische Flüssigkeit sofort und Rylars Vater brüllte vor Schmerz. In einem Anflug von Wahnsinn schlug Rylar immer weiter mit dem Brandeisen auf seinen Vater ein. Für jeden Tag, an dem er sich vor dem Aufwachen gefürchtet hatte. Für jeden Schmerz, den er ihm zugefügt hatte. Für jedes verdammte Brandzeichen, was seinen Körper schmückte. Für jeden verdammten Moment in dem er vor Schmerzen geschrien hatte und für jeden Augenblick in dem sein Vater das Andenken seiner Mutter mit seinem Wahnsinn und seiner Alkoholsucht entehrt hatte. Er schlug zu und lachte gackernd, bis die schwere Eisen nur noch mit einem matschigen Geräusch auf die blutige Masse prallte, die früher einmal das Gesicht seines Vaters gewesen war. Lachen wandelte sich in Schweigen, während er nicht aufhören konnte immer und immer wieder auf seinen Körper einzuschlagen. Schweigen wandelte sich zu verzweifelten Schluchzen und letztendlich in Hemmungsloses Weinen und immer noch war er unfähig das Brandeisen fallen zu lassen. Er ließ erst von dem verkrümmt und an manchen Stellen brennenden Vater ab, als er den Pater bemerkte, der hinter ihm in der Tür stand und erschrocken die Hand vor den Mund hielt. Pater Gregory, der Mann, der immer ein offenes Ohr für ihn gehabt hatte und dem er nie auch nur ein Wort über die Misshandlungen seines Vaters erzählt hatte. Der Pater kam einen Schritt auf Rylar zu und hob beschwichtigend die Hände. Das Brandeisen glitt ihm aus den mit Blut und Schweiß behafteten Fingern und fiel scheppernd zu Boden. Sein Blick blieb auf den Pater gerichtet, der noch immer langsam auf ihn zuschritt, keinen Moment verschwendete er damit, die blutige Masse anzusehen, die einst sein Vater gewesen war. Sein Blick war leer und starr, doch der Pater ließ sich davon nicht abhalten und tat weiterhin einen Schritt nach dem Anderen auf Rylar zu, noch immer die Hände erhoben. „Rylar… Ist alles in Ordnung?“, hakte der ältere Mann mit ruhiger und wie immer sanfter Stimme nach. Einige Minuten vergingen bis die Worte zu Rylar durchdrangen, dann nickte er steif.  Der Pater tat einen weiteren Schritt auf ihn zu und dann zog er ihn zu sich. „Es tut mir leid mein Junge… Ich hätte die gedacht, dass dein Vater zu solchen Dingen fähig wäre.“, Sein Blick glitt noch einmal über die dutzenden Brandnarben, die seinen Körper überzogen. „Ich habe gewusst, dass er geistig instabil war, aber dass er so etwas tun würde… Das hätte ich niemals gedacht.“, erklärte der Pater mit ruhiger Stimme und Rylar schluckte, ohne es zu wollen. Der Fluss seiner Tränen versiegte und ließ eine kalte, finster drein blickende Fassade zurück. „Es war nicht eure Schuld Pater. Jetzt hat er bekommen, was er verdient hat.“, erklärte Rylar mit eiskalter Stimme. Dieser Klang erschrak Rylar selbst, doch er zuckte nicht zusammen. „Ich weiß…“, entgegnete der Pater mit beschwichtigender Stimme. „Aber jetzt ist es vorbei… du kannst aufhören. Alles wird wieder gut.“, seufzte der Pater ohne das Rylar wirklich verstand was er meinte, bis er spürte, dass sein gesamter Körper angespannt war, als bereite er sich wieder auf Schmerzen oder einen Angriff vor. Allmählich entspannten sich seine Muskeln, doch eine Restspannung blieb und verhinderte, dass Rylar seine Verteidigung löste. „Es gibt keinen Grund sich zu fürchten… Es ist vorbei.“, erklärte der Pater und Rylar seufzte angespannt. „Ja… Es ist vorbei…“, seufzte Rylar und versuchte die Restspannung zu lösen, was ihm nicht gelang.

 

Rylar blinzelte verwirrt mit den Augen ehe ihm einfiel, dass er sich wieder in der Gegenwart befand. Als er sich umblickte, bemerkte er, dass die Blicke mehrerer Personen auf ihm ruhten, die des Orakels, Tessas, Cerezas, wie auch Cylaras. Die Gegenwart um ihn herum überraschte ihn mehr, als es den Anschein hatte, denn er stolperte einen Schritt zurück und wurde von einem Mitglied des Orakels fest gehalten. „Ganz langsam, junger Herr.“, erklärte eine junge, weibliche Stimme und Rylar blickte in das Gesicht der Dryade, die er bereits gesehen hatte, kurz bevor er das Bewusstsein verloren hatte. „Der Blick in die Vergangenheit ist für die meisten schwierig wieder abzuschütteln. Setzt euch am besten hin, bis die Verwirrung sich gelegt hatte.“, Rylar nickte schwach und setzte sich auf einen Baumstumpf, ehe er die Hände vors Gesicht schlug. Das war einfach zu viel für den Moment. Er spürte, wie sich jemand neben ihm nieder ließ, konnte aber bis zu dem Moment bis er den warmen, liebevollen Kuss auf seiner Wange spürte nicht identifizieren um wen es sich dabei handelte. Cereza war zu ihm gekommen um ihn zu trösten oder ihn wieder in die Wirklichkeit zu leiten? Ein Arm schlang sich um ihn und er wurde zur Seite gezogen, wo sein Gesicht auf ihrer Schulter zum Liegen kam. Ihre Stimme erklang sanft an seinem Ohr: „Es ist alles in Ordnung… Du bist wieder hier, bei mir.“ Rylar seufzte ruhig und konnte es kaum glauben, als er sie umarmte und sie nicht zurück schreckte. Viel mehr ließ sie sich direkt auf die Umarmung ein und zog ihn noch näher an sich. „Es ist alles in Ordnung…“, erklang ihre beschwichtigende Stimme erneut dicht an seinem Ohr. Seine Hände krallten sich einen Moment lang in ihren Rücken. Es war schwer die Realität von der zu unterscheiden, die er gerade wieder durchlebt hatte. Er würde noch einen Moment brauchen um zu verdauen, dass er grade den Moment in dem er seinen Vater getötet hatte noch einmal durchlebt hatte. Er hatte nie wirklich bereut es getan zu haben, aber in diesem kurzen Moment hätte er sich gewünscht nicht derartig außer Kontrolle geraten zu sein. Der Rylar in der Erinnerung hatte selbst ihm Angst gemacht, es war ein Wunder, dass Cereza ihm jetzt beistand. Er hätte es ihr nicht negativ angerechnet, wäre sie davon gelaufen. Verdammt er hätte es nicht mal sich selbst negativ anrechnen können. Endlich schaffte er es tief durch zu atmen. Was geschehen war, war geschehen und er konnte es nicht rückgängig machen, egal wie sehr er es versuchte. Dieser Rylar, den er soeben in der Erinnerung gesehen hatte, dieses kaputte Kind war genauso ein Teil von ihm, wie es der heutige Rylar war. Dieser Junge war ein Grund dafür, warum er heute so war, wie er nun mal war. Was wohl aus ihm geworden wäre, hätte er nicht irgendwann diesen Schritt getan? Wahrscheinlich wäre er an allem komplett zerbrochen. Das wäre jedenfalls nicht verwunderlich gewesen. Nein, er hatte diesen Schritt tun müssen um zu überleben, egal wie blutig er war. „Daher stammen also die ganzen Brandzeichen.“, begann Cereza und deutete auf seinen Torso. Rylar nickte leichthin. Diese Male gehörten zu ihm, auch wenn er sie nicht wollte. Sie waren ein Mahnmal für ihn, dass es keinen Weg zurück gab. Nicht für ihn, nicht für den, der er jetzt war. Nicht für den Jäger und angehenden Anwalt. Ein angestrebter Ausbildungszweig zum Inquisitor, den er innerhalb der letzten Tagen sträflich vernachlässigt hatte. Cerezas Hand berührte seine Brust und tippte ihn an. „Nur damit du es weißt… Diese Dinger gehören zu dir und ich liebe sie, wie ich alles an dir liebe.“, erklärte Cereza mit forscher Stimme und errötete sofort danach. Offensichtlich hatte sie bemerkt, wie er über diese Male nachgedacht hatte. „Danke, dass du so offen bist.“, erklärte Rylar und versuchte sich an einem Lächeln. Anscheinend war heute nicht sein Tag. Sie nickte und lächelte sanft. „Wie wird das jetzt laufen? Reist du mit uns, oder wirst du uns weiterhin nur verfolgen?“, hakte Rylar nach und Cereza zog die Stirn in Falten. „Gute Frage. Meine Tarnung ist an sich aufgeflogen, aber es hat sich als nützlich erwiesen, dass ich aus der Ferne auf euch aufgepasst habe, also würde ich sagen, dass ich weiterhin aus der Ferne auf euch aufpassen werde, allerdings werde ich Nachts zu euch ans Lagerfeuer kommen okay?“, hakte Cereza grinsend nach und warf den Tessa und Cylara einen fragenden Blick zu, die alles gehört hatten. Tessa nickte und Cylara zuckte mit den Schultern. „Von mir aus, aber wenn du auch etwas vom Essen abhaben willst musst du der Gruppe auch etwas zurückgeben.“, erklärte Cylara mit finsterem Blick. Rylar zog die Stirn in Falten. „Ich will, dass du mir den Umgang mit einer Pistole beibringst, genau wie den Umgang mit einem Messer oder Dolch, ich hab es satt, nutzlos da zu stehen, wenn wir angegriffen werden.“, erklärte Cylara und Cereza grinste. „Erhoffe dir keine Streicheleinheiten. Ich bin keine besonders geduldige Lehrerin.“, erklärte Cereza und Cylara nickte. Tessa grinste und trat einen Schritt näher an sie heran. „Ich werde euch beiden das Bogen schießen beibringen.“, erklärte Tessa mit einem Lächeln und sowohl Cereza und Cylara lächelten. „Gut, wenn wir schon dabei sind uns gegenseitig Dinge beizubringen werde ich euch als Übungsobjekt zur Verfügung stehen, wahlweise auch als Trainer für Schwertkunst und Lehrer für Jura.“, Rylar grinste und alle starrten ihn an, dann lachten sie. „Jura? Ist das dein Ernst?“, fragte Cereza dann erstaunt. „Ja. Ich will schließlich nicht immer Jäger bleiben, ich strebe eine hohe Karriere als Inquisitor an.“, grinste er und ihre Blicke wurden hochachtungsvoll. „Das ist ein wundervolles Ziel.“, erklärte Varyziana, die sich von hinten an ihn heran geschlichen hatte und ihm einen leichten Schreck mit ihrer Einmischung einjagte. „Ähm… Danke.“, erklärte Rylar, der sie etwas perplex anblickte. Er hätte nicht gedacht, dass sie so etwas scheren würde. „Die Inquisitoren genießen nicht nur in Vayrem einen guten Ruf, sondern sind auch in den anderen Gilden außerordentlich beliebt. Immerhin sind sie Isaltas Stellvertreter in ganz Inistra.“, entgegnete Varyziana und seufzte dann. „Aber bis dahin ist es ein wirklich langer und beschwerlicher Weg.“, gab sie wieder und lächelte Rylar an. „Ja. Am besten vorbereiten kann man sich, wenn man das ganze Gesetzbuch von Vayrem immer und immer wieder liest, aber die Gesetze darin sind teilweise so widersprüchlich und ähnlich und doch unterschiedlich, dass man es kaum zu hundert Prozent zu lernen kann. Ich frage mich, wie es in anderen Gilden mit den Gesetzen aussieht… schließlich gilt Vayrems Recht auch nur innerhalb des Gildengebiets.“, erklärte Rylar und stieß ebenfalls einen langen Seufzer aus. Varyziana lächelte ruhig und streckte eine Hand aus. Pflanzen begann aus dem Boden zu wachsen und ihre Hand zu umwuchern, als sie sich wieder zurück zogen hielt sie ein dickes, in Leder gebundenes Buch in der Hand, welches sie Rylar reichte. „Das komplette Gesetzbuch von Varyz. Ein kleines Geschenk an den angehenden Inquisitor.“, grinste sie und ihre Augen drückten ruhiges Vergnügen aus. Rylar klappte der Mund auf. „Im Ernst? Normalerweise haben nur Inquisitor Zugang zu den Gesetzbüchern aller Gilden.“, entgegnete Rylar verwundert und blickte ihr in die Augen. „Das ist mein voller Ernst. Ich kenne dich besser als du denkst und ich weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist bis du dein Ziel erreichst.“, antwortete Varyziana mit einem ruhigen Lächeln und Rylar schluckte, als er den in Leder gebundenen Folianten berührte. Als sich seine Finger um das Buch legten taten sie es nur langsam und vorsichtig, als berühre er ein Artefakt, welches bei zu grober Berührung zu Staub zerfallen konnte. Als er das Buch an sich genommen hatte und ihr wieder in die Augen blickte konnte er die Frage nicht mehr zurückhalten: „Woher kennst du mich?“ Sein Blick spiegelte Wissensdurst und Neugier wieder, während sie ihn mit einem Hauch freudiger Erregung anblickte. „Ein alter, sehr guter Freund hat mir von dir erzählt, soviel, dass ich glaube dich schon wahnsinnig lange zu kennen.“, antwortete Varyziana und Rylar zog eine Augenbraue hoch. „Und wie heißt dieser Freund?“, fragte er sie mit einer ernsten Stimme. „Sein Name ist Arylior.“, erklärte sie mit einem freudigen Lächeln und Rylar tat einen Schritt zurück. Der Name klang hier in dieser Welt irreal und seltsam, doch die Bedeutung dahinter war gewaltig. Arylior, der Name des Windes. „Arylior hat dir von mir erzählt?“, konnte Rylar seine Frage nicht zurück halten und die junge Gildenmeisterin nickte freudig. „Ja und allein, dass du seinen Namen kennst, beweist, dass du es wert bist.“, antwortete sie lächelnd. Rylar wusste nicht, was er darauf antworten sollte, doch Gott sei Dank musste er nicht antworten, denn Cereza räusperte sich hinter ihm und seine Aufmerksamkeit fiel auf den leichten eifersüchtigen Schimmer in ihren Augen. „Hey, könntest du bitte aufhören solche Dinge zu ihm zu sagen, sonst muss ich noch eifersüchtig werden.“, erklärte Cereza und trat einen Schritt auf Varyziana zu. Varyziana kicherte leicht und strahlte Cereza freundlich an. „Glaube mir Cereza, wenn ich dir sage, dass es da draußen keine Frau gibt, die auch nur annähernd an dich heran kommt, jedenfalls wenn man ihn fragt. Das hat mir der Wind erzählt.“, grinste sie und Cereza errötete. Diesmal räusperte sich Rylar, der die beiden nun mit festen Blicken bedachte. „Mein Teil der Abmachung ist getroffen, es wird Zeit, dass wir weiter gehen und den Kerl einholen. Ich muss wissen wie sich unsere Wege kreuzen werden.“, erklärte Rylar nun ernst und Varyziana und Cereza nickten beinahe zeitgleich.

 

Rylar streckte die Hände in die Luft, ganz so, wie es die Dryaden von ihm verlangten. Sie standen mit geschlossenen Augen und ausgestreckten Armen um ihn herum und murmelten etwas in einer, ihm unbekannten Sprache. Sieben attraktive nackte Frauen, die sich einen Mann aufgestellt hatten, der vollkommen bekleidet war, das musste ein interessantes Bild sein. Rylar hatte bisher noch nicht herausgefunden warum die Dryaden alle nackt waren, aber er war sich sicher, dass sie ihre Gründe hatten. Auch er schloss die Augen, als die Magie sichtbar und zum Schneiden dick durch die Luft zirkulierte. Erst schien die Magie zwischen den Dryaden in einem Kreis hin und her zu zirkulieren, dann jedoch floss von jeder Dryade ein dünner Magiefaden in seine Richtung, leckte neugierig an seiner Haut und verband sich mit ihm. Vor seinem geistigen Auge sah er sich selbst, wie er mit demjenigen sprach, den sie suchten. Die Umgebung war eine Bar. Sie saßen am Tresen, vor ihm am Tresen war ein Zeichen eingeritzt, ein gehörnter Totenschädel. Äußerst Vertrauenserweckend. Um sie herum tummelten sich alle möglichen Arten von Leuten, die miteinander sprachen, lauthals lachten, sich gegenseitig verfluchten und dabei ein ums andere Mal Würfel rollen ließen oder Karten spielten. Das musste eine Bar in Rakdos sein. Sehr gut, sie würden ihn erreicht haben bevor sie in Razzia ankommen würden. Die Hand des Mannes umfasste den Griff eines Messers, was auf dem Tisch lag, Dann griff er an, während er im Hintergrund hörte, wie sich ein Mann mit tiefer Stimme über einen Sechserpasch freute, den er gewürfelt hatte. Er konnte sehen wie er Angriff abwehrte. Im Gürtel des Diebes steckte eine Handfeuerwaffe und ein Zylinderförmiges Gebilde. Das Artefakt aus Izarek. Der Gegenstand aus dem sie ihm hinterher reisten. Das war jedoch alles was er sah. Die Vision brach ab und er ließ langsam die Arme sinken, während die Magie des Orakels sich von ihm löste. Er stieß einen sanften Seufzer aus und atmete dann tief durch. Die Magie riss nun vollkommen ab und verebbte allmählich, als auch die Dryaden ihre Arme sinken ließen und allmählich erschöpft in sich zusammen sanken. Cereza blickte zu Varyziana, die ihr zu nickte. Mit langsamen Schritten kam sie auf Rylar zu und lächelte ihn an. „Und? Was hast du gesehen?“, hakte sie mit sanfter Stimme nach und blickte ihn zögernd an. „So wie es aussah haben wir unser Ziel in Rakdos eingeholt, jedenfalls sah es so aus als würden wir ihn dort treffen.“, erklärte Rylar und schaute ihr in die Augen. „Wir?“, fragte sie und wunderte sich, dass die Vision sie mit eingeschlossen hatte. „Naja. Ich.“, entgegnete Rylar und Cereza nickte langsam. „Verstehe, uns hast du in der Vision nicht gesehen.“, gab sie zurück und zog die Stirn in Falten. „Was hast du vor, wenn du ihn triffst?“, stellte sie eine weitere Frage und Rylar seufzte überlegend. „In der Vision sah es aus, als würde ich mich normal mit ihm unterhalten. Dann hat er versucht mich abzustechen. Als ich seinen Angriff abgewehrt habe, habe ich das Artefakt gesehen, er wird es bei sich tragen. Das heißt, dass das eine echte Chance für uns ist ihm das Ding abzunehmen.“, gab Rylar zur Antwort und lächelte. Cereza nickte kurz. Hast du Einzelheiten von der Bar aufschnappen können in der du ihn getroffen hast?“, vergewisserte sie sich und Rylar nickte langsam. „Ja ich denke schon. Hier und da waren ein paar Einzelheiten. Ich glaube auch, dass ich sie wieder erkennen werde, wenn es soweit ist.“, erklärte Rylar und Cereza nickte langsam. „Gut, aber pass auf dich auf… Ich will dich nicht durch so einen dämlichen Vollidioten verlieren.“, lächelte Cereza und errötete für einen Sekundenbruchteil. „Keine Sorge… Mich von dämlichen Vollidioten abmurksen lassen steht auf der Liste, der Dinge, die ich nicht zu tun vorhabe ziemlich weit oben. Versprochen.“, erwiderte Rylar grinsend und zog sie zu sich um sie zu küssen. Offensichtlich hatte sie das nicht erwartet, denn sie quiekte kurz, als er sie an der Hüfte packte, dann jedoch erwiderte sie den Kuss genießerisch. Als sie den Kuss beendeten schauten sie einander noch ein paar Sekunden tief in die Augen, wurden dann aber von einem Räuspern unterbrochen. Als sie aufblickten, betrachteten sie Cylara, die mit steifer Miene dort stand. „Wir sollten allmählich weiter gehen oder was meint ihr? Nicht, dass wir für die Prophezeiung zu spät dran sind.“, erklärte Cylara sinnig, während sie versuchte eine wütende Miene zu unterdrücken. Rylar wurde das Gefühl nicht los, dass sie irgendein Problem damit hatte, wenn er Cereza  näher kam. Aber selbstverständlich konnte er sich auch irren. „Tessa… weißt du wie wir von hier nach Rakdos kommen?“, hakte Rylar nach und schaute die junge Frau erwartungsvoll an. Sie dachte darüber nach. „Keine einfache Aufgabe… Immerhin sind die offiziellen Straßen nach Rakdos versperrt.“, erklärte Tessa und seufzte dann. Dann jedoch hellten sich ihre Gesichtszüge auf, nur um sich gleich darauf wieder zu verfinstern. „Ein Weg würde mir einfallen…“, erklärte sie und ihr Gesicht verzog sich vor Ekel, als sie daran dachte. „Und der wäre?“, hakte Rylar nach und Tessa schüttelte sich angewidert. „Die Kanalisation.“, gab sie zurück und Rylar nickte. „Den gleichen Weg hat unser spezieller Freund das letzte Mal auch genommen, auch wenn es für uns kein besonders schönes Erlebnis war. Gibt es dort unten nicht Aktivitäten von Godros? Ich weiß, dass die Gilde ihr Territorium normalerweise nicht abriegelt, aber sie reagiert normalerweise nicht besonders friedlich auf Eindringlinge anderer Gilden.“, seufzte Rylar und schaute Tessa ruhig an. „Godros? Diese Gilde gibt es wirklich, ich dachte sie wäre ein Mythos, den man kleinen Kindern erzählt, damit sie sich von der Kanalisation fernhält.“, gab Tessa ungläubig zurück und Rylar musste lächeln. „Naja selbst wenn die Gilde nur ein Mythos ist, laufen da unten trotzdem seltsame Kreaturen herum. Wir haben bei unserem letzten Abstecher in die Kanalisation einen riesigen Knochenskorpion gesehen, der uns gefolgt ist.“, grinste Rylar und Cereza und Cylara nickten nahezu synchron. „Du hast das Ding auch gesehen?“, hakte Rylar nach und schaute Cereza an. „Nicht nur gesehen, ich hab das Ding auch in die Luft gesprengt.“, erwiderte sie mit einem frechen Lächeln und Rylar zog die Augenbrauen hoch. „Ah… Das hatte es mit dem Knall auf sich.“, stellte er lächelnd fest, während sie sich mit einer Hand Haare aus dem Gesicht wischte. „Es gibt wirklich Untote in der Kanalisation?“, hakte Tessa ungläubig nach und sie alle nickten. Selbst Varyziana nickte schwermütig. „Der Keim des Untodes ist bis hier oben hin spürbar. Ich gehe sogar fest davon aus, dass es die Gilde Godros gibt. Ich glaube sogar ihrem Gildenmeister schon einmal begegnet zu sein.“, entgegnete die Gildenmeisterin von Varyz mit deutlicher Schwermut in der Stimme. „Wenn ihr die Kanalisation durchquert seid vorsichtig. Der Gildenmeister von Godros ist ein uraltes, wahnsinnig mächtiges Wesen, dem ihr nicht begegnen wollt.“, setzte Varyziana ihre Erklärung fort. „Du bist dem Gildenmeister bereits begegnet? Was für ein Wesen war es?“, hakte Rylar nach und war neugierig mehr über die Gilde Godros zu erfahren. „Ich habe es bisher einmal gesehen. Ein Wesen, was nur aus Knochen und Eis bestand, in seiner Gegenwart starben Pflanzen ab, wie Fliegen im Feuer die Verderbtheit dieser Kreatur stach mir tief ins Herz und ich konnte die Macht spüren, die von dieser Kreatur ausging. Wenn ich raten müsste würde ich sagen, dass es sich dabei um einen Lichlord handelte, einen Lichlord, der mindestens doppelt so alt war wie alles, was in diesem Wald lebt, mich selbst mit eingeschlossen.“, erklärte Varyziana mit finsterem Blick. Rylar verzog das Gesicht. „Jedenfalls hoffe ich, dass dieses Wesen der Gildenmeister war, wenn es nicht der Gildenmeister war, will ich gar nicht wissen, was unter den Straßen von Inistra noch sein Unwesen treibt. Es könnte sein, dass nicht das, sich nach Krieg sehnende Razzia das schlimmste ist, was dieser Stadt gefährlich werden kann. Ich bete dafür, dass ich mich irre.“, sprach Varyziana weiter und Rylar nickte geistesabwesend, während er über ihre Worte nachdachte. Das wenige, was er über Lichlords wusste war, dass es sich dabei um untote Magier handelte, die sich mit mächtigen untoten Dienerkreaturen umgeben. In der Hierarchie der Untoten kursierten sie weit über den Vampiren und es gab nur noch wenige Stufen darüber und egal was sich über ihnen befand, es war uralt, mächtig, erbarmungslos und nahezu unsterblich. Laut den Büchern war es sehr schwierig uraltes untotes Leben so einfach aus der Welt zu tilgen. Meist schafften dies nicht Mal diejenigen, welche die Kreaturen erschaffen hatten. Wenn es solche überhaupt gab. Je nach Überlieferung gab es Untote, die aus eigenem Willen und Antrieb untote Unsterblichkeit erlangten und solche Wesen zu töten war nahezu unmöglich, jedenfalls wenn man von den wirklich alten Schriften ausging, die Rylar in der Bibliothek von Vayrem zu diesem Thema gelesen hatte. Nekromantie war ein wirklich interessantes, wenn auch abscheuliches Thema und auch, wenn er nie den Wunsch danach verspürt hatte Nekromantie zu verwenden hatte er sich nach dem Tod seines Vaters ausgiebig damit beschäftigt. Es war nicht einfach an entsprechendes Studienmaterial zu gelangen, denn es kursierte in der Rangliste der Okkulten und verbotenen Magie ganz weit oben. Er konnte von Glück sagen, dass Pater Gregory ihm geholfen hatte seinen Wissensdurst zu stillen, indem er ihm Zugang zu den Bibliotheken der Inquisitoren gewährt hatte. Er hatte bis heute noch immer keine Ahnung wie der alte Sack das geschafft hatte, aber man hatte ihn nicht aufgehalten und ihm Zugang gewährt, als er sich als Günstling des alten Paters vorstellte. Offenbar war die Stellung des Paters innerhalb von Vayrem nicht so gering, wie man es glauben würde. Wenn er genau darüber nachdachte war es seltsam, dass die Inquisitoren wirklich Wissen über dieses Thema in ihren Bibliotheken lagerten. Die Inquisitoren waren die wahren Vorkämpfer von Vayrem, aber sie waren Gelehrte, Richter, Anwälte und Krieger, keine zwangsläufig Zauberkundigen. In Rylar reifte der  Verdacht, dass die Inquisitoren möglicherweise zu früheren Zeiten noch andere Aufgaben ihr Eigen genannt hatten. Er fasste den Entschluss diesbezüglich Nachforschungen anzustellen, sobald er seinen Auftrag beendet hatte. Möglicherweise konnte Gregory ihm auch in dieser Beziehung helfen. Vielleicht würde sich der alte Mann Rylar gegenüber für noch hilfreicher entpuppen, als er es jemals geglaubt hätte. Jetzt wo er genauer darüber nachdachte hielt er es nicht mal für unwahrscheinlich. „Hey, Erde an Rylar, bist du noch da?“, fragte Cereza mit besorgter Stimme und Rylar schreckte hoch. „Ja? Was?“, hakte er etwas verwirrt nach und blinzelte mehrfach. „Du hast so Geistesabwesend vor sich hin gestarrt, es ist echt gruselig wie ausdauernd du das hinbekommst.“, erklärte Cereza mit einem Lächeln, dann streichelte sie seine Schulter. „Ist alles in Ordnung?“, stellte sie die Frage, die ihr wohl schon etwas länger auf der Seele lag. „Ja… Ich habe nur grade über etwas nachgedacht.“, entgegnete Rylar mit fester und doch abwesender Stimme. „Darf ich fragen worüber?“, gab sie nicht nach, während sie ihm in die Augen blickte. „Hmm… Naja, selbst wenn der Gildenmeister von Godros ein Lichlord ist haben wir trotzdem ein gewaltiges Problem… So oder so.“, erklärte Rylar und zog die Stirn in Falten, Varyziana erstarrte, als sie bemerkte was er meinte. „Was meinst du?“, fragte Cereza, Cylara und Tessa hielten sich gespannt im Hintergrund und belauschten die Unterhaltung mit steigendem Interesse. „Jeder Lichlord braucht jemanden, der ihn erschafft, wenn dies der Fall ist er trotz allem ein Untoter des S-Ranges, während sein Meister ein Nekromant von hoher magischer Macht ist. In diesem Fall haben wir einen uralten Lichlord und einen unheimlich mächtigen Nekromanten, die dort unten herumlaufen. Wenn es sich bei dem Lichlord allerdings um einen der Art handelt die durch bloßen Willen dem Tode entronnen sind bekleidet er den Rang eines Untoten außerhalb jeder Kategorie. Über einem Lichlord gibt es lediglich noch zwei Arten von Untoten. Laychnams, sind rangieren eine Stufe über den Lichlords und bezeichnen uralte untote Kreaturen und wenn ich uralt sage rede ich nicht von Menschen. Ich rede von untoten Engeln, Dämonen, verdammt nochmal sogar von untoten Drachen. Diese werden auch als Infernal Lich, Celestral Lich und Dracolich bezeichnet. Die letzte und höchste Stufe unter den Untoten wird Rek-Saylar genannt. Das bedeutet in der alten Sprache so viel wie die Herrschenden. Es ist ein anderes Wort für untote Götter.“, erklärte Rylar langsam und nachdenklich. Erneut starrten ihn alle an. „Woher weißt du das alles?“, fragte Varyziana und trat einen Schritt von ihm zurück. Rylar sog tief die Luft ein. „Mein Vormund hat mir Zugang zur Bibliothek der Inquisitoren gewährt. Ich habe mich für das Thema interessiert und alles Mögliche, was ich zu diesem Thema gefunden habe verschlungen. Neben dem Kampftraining hatte ich eine Menge Zeit, da ich mit meiner Art von Magie schon damals sehr gut zurecht kam.“, entgegnete Rylar auf die Frage und schaute der Runde entgegen. In Varyzianas Augen glaubte er den Bruchteil einer Sekunde so etwas wie Hochachtung zu sehen, doch es war zu schnell verschwunden um es richtig deuten zu können. „Naja, wie dem auch sei. Wir sollten uns erstmal auf unseren Auftrag und das Überleben konzentrieren. Ich hoffe, dass uns die Mächtigen unter den Untoten unter der Stadt in Ruhe lassen, solange wir sie nicht belästigen. Wir müssen nur bis nach Razzia gelangen. Jedenfalls erstmal. Wow, ich glaube das ist das erste Mal, dass mir der Gedanke, mich in Razzia einzuschleichen weniger Angst macht als etwas anderes. Irgendwie ist das ein ziemlich fremdartiges Gefühl.“, versuchte Rylar seine Freunde zu beschwichtigen. Cereza zwang sich ein Lächeln ab. „Ja… Unser vorrangiges Ziel sind Razzia und der Dieb. Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass Razzia in Besitz des Artefaktes kommt. Die Untoten der Unterstadt haben uns bisher in Ruhe gelassen, warum sollten sie ihre Meinung auf einmal ändern. Wenn dieses Artefakt allerdings wirklich so gefährlich ist, wie es den Anschein hat, dann wird Razzia sich von nichts und Niemanden davon abhalten lassen ihre neue Macht auszuspielen. Wenn Razzia in Besitz einer Wunderwaffe gelangt… Dann haben wir Krieg in Inistra, einen Krieg von möglicherweise apokalyptischen Ausmaßen.“, erklärte Cereza und wandte sich der restlichen Gruppe zu, damit es nicht so aussah, als wolle sie nicht nur selbst Mut machen. „Wir müssen diesen Krieg verhindern, das ist die Pflicht, die uns Izarek, nein ganz Inistra aufgetragen hat, also lasst uns diesem verdammten Dieb und diesen verdammten fast Unsterblichen in den Arsch treten und diese Stadt, komme was da wolle retten.“, erklärte sie und erntete ein Lächeln von Tessas, sogar von Cylaras Gesicht. Die Motivation war gesät, jetzt galt es nur noch den Auftrag erfolgreich durchzuführen.

 

Cereza sog tief die Luft um sie herum ein. Es fühlte sich so an, als seien all ihre Sinne schärfer geworden, jetzt wo sie sich nicht mehr gegen ihre Magie sperrte. Es war ein seltsames Gefühl. Der Wald um sie herum schien ihr mit einem Mal viel lebendiger. Immer wieder musste sie sich davon abhalten sich umzusehen, während sie auf den kleinen Fluss hinaus blickte, der sich vor dem Herz des Waldes um die umliegenden Bäume wandte. Es war ein atemberaubender Anblick. Niemals hätte sie gedacht, dass ein ungestörter Fleck Natur so schön sein konnte. Erneut schloss Cereza die Augen und konzentrierte sich auf das, was sich um sie herum befand. Es war fast so als wolle der Wald ihr etwas mitteilen, der Geruch der Natur, zusammen mit dem plätschern des Flusses, der sich um sie herum in Tausende kleine Rinnsale aufteilte, die den Boden des Waldes mit Leben versorgte. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, dann stand sie auf. Es wurde Zeit, ihre Mission weiter zu führen. Mit einem motivierten Glanz in ihren Augen griff sie nach dem Scharfschützengewehr, was neben ihr auf dem Ast gelegen hatte. Mit einem tiefen einatmen der frischen Luft schnallte sie sich die Waffe auf den Rücken und kontrollierte ihren Gürtel. Alles war an seinem Platz und es stand der Ausführung ihrer Pflicht nichts mehr im Wege. Nur eine Sache würde sie nicht tun um ihre Mission zu vollenden. Sie würde niemanden, der Teil ihrer Gruppe töten, egal was geschah. Weder Rylar, noch Tessa, noch Cylara würden durch ihre Hand sterben. Naja vielleicht Cylara, aber nur, wenn sie sich wirklich verdammt dumm anstellte. Das hatte sie sich fest vorgenommen. Sie würde Rylar und die anderen nicht nur verfolgen. Sie würde ihre Leibwächterin sein. Sie würde sie aus den Schatten heraus bis ans Ziel eskortieren und ihr Leben mit ihrem und einem Haufen Kugeln schützen, wenn es sein musste. Rylar gehörte ihr Herz, Tessa war eine gute Freundin und Cylara… Es würde da draußen sicherlich jemanden geben, dem sie wirklich wichtig war. Bestimmt. Ganz bestimmt! Naja… Vielleicht. Es war auch vollkommen egal, sie hatte einen Grund sie nicht umzubringen, wenn sie nicht wirklich großen Mist baute. Und wenn sich dieser Grund verflüchtigen sollte, würde ihr BESTIMMT noch ein anderer einfallen. Was war nur mit ihr los? Es wurde Zeit sich wieder mit den anderen zu treffen. „Warte.“, erklang eine kühle, unheimlich bekannt klingende Stimme dicht hinter ihr. Sie spannte sich unwillkürlich an. Langsam drehte sie sich in die Richtung aus der die Stimme gedrungen war und erblickte ihn. Einen Mann mit langem schwarzen Haar, der seinen Körper in einen Poncho gekleidet hatte, der aus Federn zu bestehen schien. Der Mann, der Rylar fast umgebracht hatte. Langsam legte sich ihre Hand an das Pistolenhalfter an ihrer linken Seite. Der Mann hob beschwichtigend die Arme. „Ich bin nicht hier um dich anzugreifen.“, erklärte der Mann und funkelte sie aus dunklen Augen an. „Was willst du dann?“, fragte sie und ließ ihre Hand an die Waffe gleiten. Jeden Moment bereit die Waffe zu ziehen und ihm eine Kugel zwischen die Augen zu jagen. „Ich will dich und deine Freunde warnen weiter zu gehen.“, entgegnete er mit finsterer Stimme und ließ die Hände wieder sinken. „Wieso sollten wir das tun?“, hakte sie misstrauisch nach. Er schenkte ihr ein finstereres Lächeln. „Weil du einen der Unsrigen getötet hast. In dem Moment in dem ihr Razzia betretet zieht ihr die Aufmerksamkeit von sechs Weiteren auf euch, die so sind wie sie und ich. Sie unterscheiden sich in Gemüt und Fähigkeiten aber sie alle sind wahnsinnig schwer zu töten. Das solltest du ja wissen, du, die du unsere Schwester Refa getötet hast.“, antwortete der Mann und sein Lächeln wurde zu einem unheimlichen Grinsen. „Und wer seid ihr?“, fragte Cereza nach und tat einen Schritt zurück. „Wir sind die Kinder unseres Vaters, die Vorkämpfer von Razzia und die ersten Waffen des Krieges gegen euch, die falschen Gilden. Aber wenn du mich fragen willst, wer ich bin, mein Name ist Seraphim und ich bin der erste meiner Art.“, erklärte Seraphim und verbeugte sich schon fast ergeben. Er schien das lange geübt zu haben. „Was ist wenn wir doch weiter gehen?“, stellte Cereza ihre Frage und zog die Pistole etwas aus dem Halfter. „Dann werdet ihr sterben. Ihr alle. Unser Vater wird euer Eindringen in das Gildenterritorium als Kriegserklärung deuten und damit beginnen seine Truppen zu mobilisieren.“, erklärte Seraphim mit einem verächtlichen Grinsen auf den Lippen. „Egal wie sehr ihr versucht einen Krieg zu verhindern, es wird ihn geben. So oder so.“, setzte Seraphim seine Ansprache fort, während er sie anstarrte. Jetzt reichte es. Cereza riss die Pistole hoch und schoss. Die Kugel durchdrang Seraphims Schulter, doch die Wunde schloss sich beinahe augenblicklich wieder. „Wenn es so oder so einen Krieg gibt, dann werden meine Freunde und ich dafür sorgen, dass eure Gilde Razzia keine Superwaffe besitzt, mit der sie den Krieg beginnen kann. Und ich schwöre bei allen Göttern, die uns grade zusehen… Ich werde es genießen dir die letzte Kugel zu verpassen und dich sterben zu sehen.“, grinste Cereza ihn an, während er sich kopfschüttelnd in fließendes Licht auflöste. „Sag nicht ich hätte dich nicht gewarnt, dummes Mädchen.“, verhallte seine Stimme zwischen den Plätschern des Waches und dem pfeifen des Windes, der durch die Blätter des Waldes wehte. Mit wachsamen Blicken sah sie sich um und erblickte nichts, was die Anwesenheit eines Feindes verriet, langsam und noch immer wachsam steckte sie die Handfeuerwaffe zurück in das Gürtelholster. Mit langsamen und leisen Schritten ging sie an die Stelle zurück, an der sie die Gruppe erwartete und tatsächlich. Alle waren da, Rylar, der mit gespielter Leichtigkeit sein Schwert herumwirbelte, als sei es seit der letzten Anwendung deutlich leichter geworden. Leichte Verwirrung zeichnete sich in seinem Gesicht ab, als er die Klingenwaffe in die Luft warf und sie am Griff auffing. Offensichtlich hatte sich wirklich etwas geändert, aber das lag höchstwahrscheinlich nicht an der Waffe. Sie hatte das Gefühl, dass Rylar, seit er dem Tode entronnen war stärker war als zuvor. Sie hatte keine wirklichen Beweise dafür, aber sie war sich sicher, dass die Tatsache, dass er von Rand des Todes zurückgekehrt war etwas verändert. Sie bemerkte, dass sie ihn kritisch anstarrte, er allerdings schien es nicht gemerkt zu haben. Er war viel zu sehr mit dem Gewicht seines Schwertes beschäftigt. Ihr Blick wandelte sich binnen Sekunden von kritisch zu Liebevoll und sie wischte sich das Haar aus dem Gesicht. Mit festem Schritt ging sie auf Rylar zu, der sobald sie sich in seiner unmittelbaren Nähe befand damit aufhörte die Waffe herum zu wirbeln. Er würde sie niemals verletzten, dessen war sie sich vollkommen bewusst und deshalb vertraute sie darauf. Sie warf ihm einen liebevollen Blick zu und schlang die Arme um ihn. Niemals hätte sie gedacht, dass die Nähe zu einem Mann sie so glücklich machen konnte. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie zu ihm hoch blickte. Er war einen guten Kopf größer als sie. War das schon immer so gewesen? Oder war er gewachsen? Nein, das konnte nicht sein. Sie griff nach dem Kragen seines verschlissenen Mantels und zog ihn an sich heran. Als sich ihre Lippen trafen spürte sie das Kribbeln in ihrem Inneren, noch deutlicher, als nur, wenn er sie ansah. Mit ruhigem Atem erwiderte er den Kuss und sie spürte wie seine Fingerspitzen sich zärtlich in ihr Fleisch gruben. Es war ein wundervolles Gefühl sein Verlangen an sich zu spüren, aber bis sie das nächste Mal wirklich alleine wären, würde es noch etwas Zeit brauchen. Jetzt mussten sie sich erstmal auf den Weg machen und sie durften nicht zögern um ihren Gegner zu finden. Dennoch konnte sie der Versuchung nicht wiederstehen. Langsam beendete sie den Kuss und ihre Lippen glitten an sein Ohr. „In Rakdos werden wir bestimmt ein ruhiges Zimmer nur für uns finden.“, flüsterte sie zärtlich, bewusst, dass ihr Atem in seinem Ohr kitzelte, um die Ernsthaftigkeit ihrer Worte zu unterstreichen grub sie die Finger ihrer linken Hand leicht in seinen Hintern. Er lächelte sie an und streichelte ihr Haar. „Hey ihr Turteltäubchen! Wir sollten los.“, erklärte Cylaras an genervte Stimme  und Cereza drehte sich mit finsterem Blick zu ihr um. Wenn sie nicht recht gehabt hätte, wäre sie wirklich böse geworden, doch schnell rief sie sich zur Ordnung und verdrängte die Wut, die sich kurz in ihr ausgebreitet hatte mit einem tiefen Atemzug. „Ja… Ich schätze du hast recht…“, begann Cereza seufzend. Gerne hätte sie noch mehr Zärtlichkeiten mit Rylar ausgetauscht, aber es wurde tatsächlich Zeit aufzubrechen. Verdammt nochmal, wie sehr sie es hasste, wenn Cylara Recht hatte. Sie stahl sich einen schnellen Kuss von seinen Lippen, grinste ihn schelmisch an und trat dann einen Schritt zurück um sich umzudrehen. Varyziana lächelte sie an und verbeugte sich vor ihnen. „Ich möchte euch für euren Besuch danken, es kommt selten vor, dass der Besuch hier so… Amüsant ist.“, grinste sie und hob die Hände. Kurz flammte Magie in ihrer Aura auf, die sofort wieder verpuffte und dann in Form eines unsichtbaren Regens auf sie herniederging. Cereza warf ihr einen fragenden Blick zu und sie lächelte. „Das wird euch helfen nicht angegriffen zu werden, solange ihr euch in diesem Wald befindet. Es ist mein Schutzsiegel.“, erklärte Varyziana und verbeugte sich dann erneut. „Ähm… Danke.“, erklärte Rylar ohne wirklich zu wissen, was er sagen sollte. Das ganze musste etwas zutiefst seltsames für ihn haben, immerhin wurde man nicht oft von einem fast gottgleichen Wesen gesegnet. Und noch seltener kam es vor, dass sich eine Waldgöttin vor einem Menschen verbeugte. Rylar sog tief den Atem ein und lächelte Varyziana mit offensichtlicher Anstrengung zu. Er schien wirkliche Probleme mit der Situation zu haben doch Varyziana lächelte freundlich und verschwand dann im Dickicht der Bäume hinter ihr. Tessa hatte ein seltsam breites Grinsen aufgesetzt. Cereza grinste ebenfalls. „Was ist los Tessa?“, hakte Cereza freundlich nach, doch Tessa schüttelte einfach nur den Kopf. „Ich weiß nicht… ich glaube ich bin einfach nur… Glücklich.“, erklärte Tessa mit einem ebenfalls freundlichem Lächeln. Cereza nickte. Es konnte noch etwas warten, ihnen von Seraphims Warnung zu erzählen. Sie zweifelte keinen Moment daran, dass sie sich nicht davor verstecken würden. Rylar war zu stur und wusste genau was auf dem Spiel stand, Tessa war von dem Wunsch beflügelt Izarek zu sehen und diesen Wald zu schützen, beides würde unter einem Krieg mit Razzia leiden, doch es würde unter einem Krieg, in dem Razzia über Massenvernichtungspotenzial verfügte noch mehr leiden und Cylara… Sie würde alles tun, was in ihrer Macht stand um diesen Krieg so gering wie möglich ausfallen zu lassen. Seltsamerweise war sie sich was das betraf sicher. Cylara sah nicht so aus, als würde sie sich in einem Krieg wohl fühlen. Nein. Sie wollte einfach nur ihre Ruhe haben und das konnte Cereza ihr nicht verübeln. Absolut nicht. „Also dann, lasst uns gehen.“, erklärte Tessa und schlug die Hände aufeinander. Rylar und Cylara nickten, auch Cereza tat ihr übliches indem sie im Wald zu ihrer Rechten verschwand.

 

Der Tag verlief wahnsinnig ereignislos. Nichts griff sie an, nichts machte ihnen Angst, selbst die Rufe der Tiere fielen seltsam leise und weit entfernt aus. Tessa machte das nervös. Sie hatte seit sie klein war in diesem Wald gelebt, hatte seinen Puls gespürt und das Leben in Form aller Arten von Tieren gesehen. Diese Ruhe, die sie jetzt umringte war ganz und gar untypisch für diesen Wald, es war fast so, als würde sich die Natur von dem Ort, an den sie gelangen wollten immer weiter zurück zog. Allmählich wurde es dunkel und sie hatten noch kein einziges Tier gesehen. Nicht mal einen verdammten Hasen, der ihnen über den Weg hoppelte. Es schien einfach tot und ausgestorben. Kurzzeitig hatte sie geglaubt, dass es an Varyzianas Schutzbann gelegen hatte, aber ihr Schutzbann hätte nur die gefährlichen Tiere davon abgehalten sie anzugreifen. Kleine oder ungefährliche Tiere hätte das nicht betroffen. Nervös tastete sie nach ihrem Messer, obwohl sie genau wusste, dass sie es in näherer Zukunft nicht brauchen würde. „Was ist los mit dir?“, hakte Cylaras Stimme in ihrem Rücken nach und Tessa schreckte herum. „W…Was?“, hakte sie erschrocken nach und versuchte ihren, um das Messer verkrampften Griff zu lösen. „Es kommt mir so vor, als würde dich im Moment jeder Hase erschrecken der aus dem Dickicht hoppelt.“, erklärte sich Cylara und schaute Tessa mit beruhigendem Blick entgegen. „N…Nein es erschreckt mich eher, dass sie es nicht tun. Ich habe diesen Wald noch nie so ruhig gesehen.“, erklärte Tessa und schaute ihr entgegen. Sie schien zu verstehen. „Ich weiß was du meinst.“, erklang Rylars stimme, die von rechts an ihr Ohr drang, sie hatte gar nicht bemerkt, dass er so aufgeholt hatte. „Hier stimmt etwas nicht.“, entgegnete er und ging in die Knie. Seine Hand berührte den Boden, das Gras um sie herum war seltsam grau und als er eine Hand voll Erde aufhob schien diese sandig trocken zu sein. Tot. „Ich glaube wir nähern uns dem Zugang zur Kanalisation und ich kann diese verdorbene Magie noch stärker spüren als beim letzten Mal. Ich glaube nicht, dass unser neuer Aufenthalt in der Kanalisation sich mit dem ersten vergleichen lassen wird. Wir sollten unser Lager aufschlagen und mit dem Training beginnen. Allerdings glaube ich nicht, dass uns Pfeil und Bogen viel gegen Untote bringen wird. Ich bin mir nicht mal sicher ob mein Schwert uns in dieser Beziehung wirklich weiter bringt. Wir brauchen einen Plan.“, erklärte Rylar, der die Erde in seiner Hand nachdenklich ansah, während sie träge und trocken aus seiner Hand rieselte. „Vielleicht doch… wir könnten die Pfeile und Klingen mit Magie belegen…“, erklärte Tessa und lächelte sanft. „Und mit wessen Magie willst du die Waffen belegen?“, hakte Cylara erstaunt nach. „Mit meiner natürlich, wenn ich lebendiges Fleisch heile… Was passiert mit untoten Fleisch, wenn Tod und Untot die Gegenteile von Leben sind.“, erklärte sie und Rylar dachte darüber nach. „Das könnte tatsächlich funktionieren.“, seufzte er und dachte darüber nach, was er in den alten Schriften gelesen hatte. „Laut den Überlieferungen fügt heiliges Licht den Untoten Schaden zu, während es das Fleisch der Lebenden und Gläubigen heilt. Heiliges Licht wurde in den Schriften hauptsächlich von Priestern gewirkt. Es könnte eine Beschreibung von Heilmagie sein.“, entgegnete er und Tessa grinste. „Ich finde einen Versuch ist es wert.“, lächelte Tessa und Rylar und Cylara nickten. „Sehr gut… Ich hab es satt nutzlos zu sein.“, erklärte sie und schaute zu Rylar, der sie anlächelte. „Nutzlos ist etwas anderes…“, begann er aber Cylara schnitt ihm mit einer schroffen Geste das Wort ab. „Nutzlos ist das was ich bin, seit ich mit dir auf diese Mission geschickt wurde. Ich habe noch nichts geleistet. Ich habe weder gegen Angreifer gekämpft noch habe ich irgendwas anderes sinnvolles getan. Das Einzige was ich in der Zeit praktiziert ist es dich zu verführen und nicht mal das ist mir gelungen. Gebt mir eine Waffe und bringt mir bei sie zu benutzen, dann habe ich vielleicht eine Chance endlich mal etwas sinnvolles zu leisten.“, erklärte Cylara finster und blickte Rylar fest an. „Gut…“, entgegnete er und zog zwei der Wurfmesser aus seinem Gürtel um sie ihr zu reichen. Cylara nahm die Waffen entgegen und betrachtete die schwarz lackierten Klingen. „Wieso sind die Klingen mit matter schwarzer Farbe bestrichen?“, fragte sie und schaute Rylar neugierig an. „Damit sie das Licht nicht reflektieren.“, erklärte er, als sei es das normalste der Welt. Cylara lächelte warm und Tessa rollte mit den Augen. „Ich verstehe… Damit man sie durch die Lichtreflektion nicht erkennen kann, wenn sie auf einen zu fliegen.“, erklärte sie sich selbst den Sinn dahinter. Rylar nickte lächelnd. „Ich würde dir ja auch ein Schwert geben, aber ich habe nur eines dabei und das benötige ich selbst.“, entgegnete er und sie schenkte ihm ein Lächeln. „Nicht schlimm. Ich glaube ohnehin, dass mir kleine Klinger mehr liegen. Ich bin doch ein schwaches Mädchen, was nichts mit einem schweren Schwert anfangen kann.“, gab sie zurück und Rylar zog eine Augenbraue in die Höhe. Cylara kicherte über seine Reaktion und Tessa sagte nichts. Sie wusste ganz genau, dass Cereza ihnen zusah, aber wenn Cylara ihm zu nahe gekommen wäre hätte sie wahrscheinlich schon längst einen Warnschuss abgegeben um ihren Unmut zum Ausdruck zu bringen. Tessa musste grinsen, als sie daran dachte, wie Cereza bereits mit ihrem Gewehr angelegt hatte und sich Gedanken darüber machte ob so ein kleiner Kollateralschaden nun wirklich so schlimm war. Das einzige Problem was sie im Moment sah, war wahrscheinlich im Moment die Frage, wie sie Rylar erklären sollte, dass sich eine Kugel in Cylaras Kopf verirrt hatte. Sie würde eben doch ruhig bleiben müssen. Rylar würde sie niemals verlassen, schon gar nicht für eine Frau wie Cylara, die nur an sich dachte. „Für den Kampf mit beiden, solltest du dich an Cereza wenden, ich bin eher für den Schwertkampf zuständig, auch wenn ich gerne Dolche einsetze, bin ich was den Kampf mit zwei Messern angehe eher unerfahren.“, erklärte er und schaute Cylara in die Augen. „Erfahrung kommt mit der Zeit… und Übung.“, seufzte Cylara und warf ihm einen so lasziven Blick zu, sodass es aussah, als hätte er grade etwas gesagt wie ‚Was Fesselspiele angeht bin ich im Bett noch unerfahren.‘. Innerlich hoffte Tessa, dass Cereza diesen Blick jetzt nicht missverstehen würde und beiden eine Kugel in den Schädel jagen würde. Offensichtlich hatte sie sich doch ganz gut unter Kontrolle. „Wenn du möchtest kann ich dir erstmal den Umgang mit nur einem Messer zeigen. Cereza kann dir dann später den Rest zeigen, aber dafür sollten wir rasten.“, grinste Tessa ungeschickt und ging mit ausgebreiteten Armen auf Cylara zu. „Gut… Okay.“, entgegnete Cylara halb lächelnd halb schmollend, während sie Rylar mit ihren Blicken verzehrte. Was war nur mit dieser Frau los? Auf der Welt gab es Millionen Männer, die besser aussahen als Rylar. Tessa würde nie verstehen, was Cylara an ihm fand, außer dass er ein guter Kerl war. Naja, die Kombination aus gut aussehen und ein guter Kerl sein war dann doch etwas seltener. Okay etwas sehr viel seltener... Aber trotzdem. Mit einem ruhigen Ausatmen, quittierte Rylar das Verlangen was von Cylaras Blicken ausging und wandte den Blick ab. Tessa war wirklich dankbar dafür, dass er ihrer flammenden Begierde keinen Boden gab um auszuarten. Mit wenig Kraft knuffte Tessa Cylara in die Seite. „Hey!?“, beschwerte diese sich und Tessa lächelte ihr entgegen. „Es gibt nichts Besseres als einen kleinen Übungskampf um sich von Gedanken zu befreien, die ein Kerl in einem sät.“, grinste Tessa und Cylara dachte kurz darüber nach, wie sie das meinte. In ihrem Blick lag Trauer, sie wusste tief in ihrem Inneren bereits, dass sie Rylar verloren hatte, aber irgendwas hielt sie davon ab ihn aus diesem Teil ihres Herzens zu verbannen. Kurz legte sich ein wenig der Verzweiflung, die sie in ihrem Inneren spürte auf ihren Blick, doch Tessa würde wenigstens so tun, als sei sie eine gute Freundin und legte einen Arm um sie. „Lass dich nicht unterkriegen.“, flüsterte sie und Cylara blickte sie an, als traue sie ihren Augen nicht. Okay, das hatte sie wohl verdient, immerhin war sie es gewesen, die Cylara in erster Linie davon abgehalten hatte Cereza und Rylar bei dem zu stören, was auch immer sie auf ihrem Zimmer getan hatten. Sie hatte Cylara sogar angedroht sie in Stücke zu schneiden, wenn sie versuchte an ihr vorbei zu kommen und jetzt versuchte sie einen auf Freundin zu machen? Das klang zugegeben selbst für sie seltsam. Allmählich verdunkelte sich der Himmel. Es war kaum zu glauben wie lange sie nun gewandert waren und noch immer keine Spur irgendwelcher Tiere. Gut das Rylar am Herz des Waldes noch zwei Hasen erlegt hatte, ehe sie diese von Ödnis und Fäule durchzogene Narbe dieses Waldes erreicht hatten. Unglaublich wie weit die Ödnis reichte, wenn man bedachte, dass der Rest des Waldes so voll von Leben war. Doch selbst die Bäume um sie herum wirkten trocken und verrottet, je näher sie dem Zentrum der Ödnis kamen. Wenn Tessa richtig lag, würde die Verderbnis kurz vor der Kanalisation am schlimmsten sein. Mit einem ruhigen Lächeln nickte Cylara Tessa zu. „Du hast wahrscheinlich Recht. Es wird bald dunkel, ein Lager ist vielleicht keine schlechte Idee, dann kannst du mir auch den Umgang mit dem Messer zeigen.“, erklärte Cylara mit einem schrägen Lächeln, anscheinend hatte sie verdaut, dass Tessa auf einmal so nett zu ihr war.

 

Cylara fluchte, als sie erneut im Dreck landete, alle viere sehr würdelos von sich gestreckt, doch sie rappelte sich wieder auf, nachdem sie sich ihre Kleider abgeklopft hatte, brachte sie sich wieder in die Kampfposition, die Tessa ihr beigebracht hatte. Ihr Blick fixierte einen Punkt dicht hinter Tessa, damit sie sich nicht zwangsläufig nur auf ihre Messerklinge konzentrierte. Tessa ließ ihr keine Zeit zum Verschnaufen und ging direkt wieder zum Angriff über. Der Messerklinge, die in geschickten Formen durch die Luft schnitt wich sie so gut sie es vermochte aus, kassierte aber direkt einen Tritt in den Magen und einen Rückhandschlag ins Gesicht. „Du darfst dich nicht nur auf die Klinge konzentrieren, das macht dich verwundbar für andere Angriffe.“, erklärte Tessa, die nun erneut mit der Klinge zustieß. Cylara fluchte, wich zurück und entging der Klinge um Haaresbreite. Mit einem geschickt hochschnellenden Handkantenschlag parierte sie Tessas Handkantenschlag, den sie gegen ihren Hals geführt hatte, dann konterte sie mit einem schnellen Tritt, der Tessa frontal im Bauch erwischte. Tessa stolperte zurück,  Cylara setzte mit einem Dolchstoß nach, dem Tessa knapp entging und ihr eine Ohrfeige verpasste, dann legte sie eine perfekte Pirouette hin, drehte sich so um Cylara herum und verpasste ihr einen schnellen Tritt in die Kniekehle, doch Cylara hatte damit gerechnet und zog das Bein einen Schritt nach vorne, damit sie der Tritt nicht zu vernichtend traf. Dann hechtete sie voraus, stützte sich mit einem athletischen Geschick, das man ihr gar nicht zugetraut hätte auf die Hände, warf ihr Gewicht herum und vollführte einen Flik Flak nach vorne, nicht aber ohne Tessa dabei die Ferse gegen den Kiefer zu dreschen. Benommen taumelte sie zurück und Cylara warf ihr Messer, was Tessa einen guten Zentimeter vor ihrer Schulter am Griff abfing und die Chance nutzte um Cylara mit beiden Waffen anzugreifen. Cylara wich so gut aus wie sie konnte, doch wenn es gegen Angriffe mit einem Messer schwierig war auszuweichen, war es bei Angriffen mit zwei Klingen nahezu unmöglich. Sie setzte Schritt nach Schritt, wandte den Oberkörper herum um den Klingenstreichen zu entgehen und stieß einen Verzweiflungstritt gegen Tessas Knie, den sie jedoch sofort durchschaute und blockierte, dann ließ Cylara fluchend ihre Deckung fallen und nutzte den Schwung ihrer Bewegungen um einem Hakentritt mit dem anderen Bein zu vollführen. Volltreffer, der mit Schwung geführte Tritt durch die Luft traf Tessa vernichtend an der Seite und warf beide zu Boden. Tessa durch den plötzlichen Schreck und den Schmerz an Rippen und Bauch der von der Wucht des Trittes herrührte. Cylara landete neben ihr, weil der Angriff nicht geplant war. Mit einem Klicken blieb das Messer dich neben Cylara stecken und sie rollte sich zur Seite und griff nach der Waffe, doch wieder war Tessa schneller. Sie sprang auf und führte einen Stampfangriff in ihre Richtung. Schnell rollte sich Cylara aus der Gefahrenzone und weg vom Messer. Erneut fluchte sie und wuchtete sich in die Höhe, ehe sie den schnellen Kick von Tessa mit ihrem Arm parierte. Sie schnaufte, brachte mit einem schnellen Sprung nach hinten Abstand zwischen sich und die junge Waldläuferin, doch diese ließ sich nicht beeindrucken und ging wiederholt zum Angriff über. Verdammt wo nahm sie nur diese Energie her? Erneut gelang es Cylara den Messerhieben irgendwie zu entgehen, doch erneut tauchte Tessa im toten Winkel ihres Blickes ab und versetzte ihr einen schweren Schlag gegen die Hüfte. Cylara taumelte zur Seite und erhielt einen weiteren harten Schlag, diesmal gegen die Schläfe, ohne es wirklich zu merken kippte sie zu Boden, den Aufprall auf dem Boden spürte sie dann wieder, blieb aber dennoch reglos liegen. Vor ihren Augen drehte sich alles und als sie wieder einigermaßen zu sich kam bemerkte sie, dass Tessa über ihr kniete und ihr die Messerklinge an die Kehle drückte. „Gewonnen.“, erklärte Tessa mit einem Lächeln und schaute sie dann doch mit gelungener Ehrerbietung an. „Aber das war ein verdammt guter Kampf, dafür, dass du erst angefangen hast zu kämpfen. Verstehst du jetzt warum es besser ist den Mantel abzulegen, wenn du kämpfst?“, fragte Tessa und grinste leicht. Cylara, innerlich noch immer benommen und etwas von ihrer Niederlage genervt, lächelte leicht. Sie registrierte erst jetzt wieder, dass sie halb nackt da lag, während Tessa über ihr kniete und allmählich das Messer von ihrem Hals nahm. „Ich schätze schon…“, seufzte sie und ihr Blick wandte sich an Rylar und Cereza, die am Lagerfeuer saßen und ihren Kampf mit Interesse verfolgt hatten. An dem schnellen Schlag, den Cereza ihm verpasste bemerkte sie, dass er sie angeglotzt hatte. Strike, ihre körperliche Schönheit wirkte eben immer noch. „Danke für das Training.“, entgegnete Cylara nun und ihr Lächeln wurde zunehmend freundlicher. Tessas Haarspitzen kitzelten etwas über ihre nackte Haut in Gesicht und am Hals, doch es störte sie nicht. Jetzt wo sie genauer hinsah war Tessa ein wirklich hübsches Ding. Zum ersten Mal, seit sie zusammen reisten war es ihr nicht egal, ob sie lebte oder starb. Natürlich. Der Tod gehörte irgendwo dazu, aber Tessa hatte es verdient ein schönes Leben zu führen, wenn das alles hier vorbei war. „Gern Geschehen, du bist verdammt schnell viel besser geworden. Das hätte ich nicht erwartet.“, grinste sie und richtete sich über ihr auf, nur um ihr dann die Hand entgegen zu strecken, die Cylara ohne zu zögern ergriff. Wenn Cylara sich etwas anstrengte, wusste sie, dass aus Tessa und ihr noch Freunde werden konnten. Sie genoss den Gedanken und stieß ein seufzen aus, als sie sich mit Tessas Hilfe wieder auf die Füße zog. „Sag mal… Warum hat ein Mädchen wie du eigentlich keinen Freund?“, fragte Cylara und lächelte leicht. Tessa errötete sofort. „Ich, also ich bin einfach nichts Besonderes schätze ich…“, erklärte sie und Cylara blickte sie mit empor gezogener Augenbraue an. „Das ist nicht wahr und das weißt du ganz genau. Du bist hübsch, süß und hast was im Kopf, du bist was ganz besonderes.“, entgegnete Cylara und grinste. „Ach was… ich bin zwar nicht hässlich, aber hübsch bin ich auch nicht.“, gab sie zurück und Cylara lächelte leicht. „Dann wird es jetzt Zeit für eine Übungsstunde von mir, denn wenn ich eins weiß, dann wie man gut aussieht.“, grinste Cylara und blinzelte ihr zu. Tessa verzog das Gesicht. Aber als Cylara ihr die Hand hin hielt, lächelte sie nach einer Weile und ergriff die Hand.

Kapitel 12

 

Cereza streckte sich, als sie, ihren Kopf, der auf Rylars Brust ruhte allmählich eine angenehmere Position brachte. Ein Seufzen erklang aus seiner Kehle und er schloss die Arme fester um sie. Sie lächelte und genoss seine unterbewusste Fürsorge. Sie hätte es niemals zugegeben, aber neben einer Person aufzuwachen, die man liebte und die einen ebenfalls liebte war ein wundervolles Gefühl. Etwas, was sie sich seit langem gewünscht hatte, es aber nie laut ausgesprochen hatte. Es ging andere einfach nichts an, an wen sie sich am Abend kuscheln wollte. Sie hätte in Izareks Militär weiß Gott genug Männer gehabt, die sie ohne weiteres hätte bezirzen können, aber irgendwie hatte sie das nie getan. Sie hatte es nicht einmal versucht. Sie hatte kein Interesse daran als weitere Scharte im Bettpfosten irgendeines Möchtegerncasanovas zu enden. Sie hatte niemals Interesse daran gehabt, in der Nacht geliebt zu werden, nur damit der Kerl, von dem sie sich Gefühle erhoffte am nächsten Morgen bei seinen Freunden mit ihrer Eroberung prahlte und damit wie wild sie im Bett gewesen sei. Sie verdrehte angewidert die Augen, bei der Vorstellung. Gedankenverloren streichelte sie mit einem Finger über sein Schlüsselbein und sie seufzte glücklich, als er verschlafen seufzte. Mit ihm glaubte sie einen guten Fang gemacht zu haben und vielleicht war sie ja nicht vollkommen verrückt und blind vor Liebe. Natürlich konnte es noch immer passieren, dass Rylar plötzlich anfing mit anderen darüber zu reden wie heiß die Nacht mit ihr war, aber sie bezweifelte es. Rylar war fremden gegenüber nie wirklich aufgeschlossen, jedenfalls soweit sie wusste. Des Weiteren glaubte sie nicht, dass er sich unter seinen Freunden mit seinen Eroberungen brüsten musste. Eine zeitgleich absurde wie Amüsante Vorstellung. Sie genoss seine Umarmung und die Zärtlichkeit, die damit einherging. Für sie hätte der Tag nicht schöner anfangen können. Mit einem glücklichen Seufzen kuschelte sie sich zärtlich an seine Brust. Nach der Zeit, die sie ausschließlich allein verbracht hatte war es eine wohltuende Abwechslung jemanden zu haben, mit dem sie reden konnte und von dessen Wärme sie profitieren konnte. Außerdem war die Tatsache jederzeit jemanden zu haben, der einen von düsteren Gedanken ablenkte auch nicht zu verachten. Ob sie Rylar jemals ihrer Mutter vorstellen konnte? So in Richtung: ‚Hallo Mama, das ist der Mann mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen möchte.‘ Cereza kicherte bei dem Gedanken daran, wie ihre Mutter darauf reagieren würde. Ihr Hauptargument, was sie anführen würde, wäre wohl ‚Kind, er ist kein Wissenschaftler, bei seiner Arbeit wird er irgendwann zwangsläufig verletzt und ehe du dich versiehst wirst du plötzlich wieder alleine sein.‘ Sie konnte es ihrer Mutter nicht einmal übel nehmen. Immerhin war ihr Vater Soldat gewesen und letztendlich in Ausführung ihrer Pflicht gestorben. Er hatte sie nicht allein gelassen, weil er es gewollt hatte. Nein, es war nur einfach so, dass Soldaten sich den Zeitpunkt an dem sie starben nur sehr selten aussuchen konnten. Und egal was Rylar sagte, bis auf den meist blinden Gehorsam, war er einem Soldaten deutlich ähnlicher, als es ihm lieb war. Aber grade der fehlende blinde Gehorsam, machte ihn in ihren Augen so interessant und attraktiv. So wie es aussah würde sie entweder ein glückliches Leben führen oder ein sehr einsames. Falls Möglichkeit Zwei zutraf konnte sie ihrer Mutter noch immer recht geben, so ungern sie das auch tun würde. Der Trick war es offensichtlich Rylar so gut es ging am Leben zu erhalten. Bisher hatten sie sich als gutes Team erwiesen, aber bisher hatten sie auch nicht so viele Möglichkeiten gehabt das unter Beweis zu stellen. Wie gut sie wirklich im Team arbeiten konnten würde sich wohl erst noch herausstellen. In einem dieser Momente, in denen es wirklich darauf ankam. Aus den Augenwinkeln erkannte sie Cylara und Tessa. Sofort legte sie sich unauffällig zu so hin, dass sie beide besser im Blick hatte. Was tat Cylara da? Sie hatte Tessa die Haare geflochten, diese Frisur stand ihr wirklich gut. Und jetzt schien sie… Schminkte sie Tessa? Unglaublich. Es war ihr voher so vorgekommen, als könnten die beiden sich nicht besonders gut leiden, aber jetzt schienen sie besser miteinander zu Recht zu kommen. Gemeinsames Training schmiedete eben doch irgendwie zusammen. Entweder hasst man des Trainingspartner und versuchte ihn auszustechen, oder man akzeptierte, dass jeder seine Vorzüge hatte, die der andere eben nicht sein Eigen nannte. Bei ihnen war offensichtlich der zweite Fall in Kraft getreten. Das war wahrscheinlich besser so. Sie sollten sich alle zusammen raufen, immerhin verfolgten sie fürs Erste das gleiche Ziel. Ein Ziel was sie nicht ohne Weiteres erreichen würden. Wenn sie Razzia ihrer Überlegenheit berauben wollten, bevor die Gilde sie überhaupt erlangte mussten sie zusammen halten und zusammen arbeiten. Sacht nahm sie Rylars Hand, und hob seinen Arm von ihr herunter, dann rutschte sie kurz auf und küsste seine Lippen, während er noch immer im Tiefschlaf dort lag. Sie erhob sich und ging auf Tessa und Cylara vor. „Hallo… Kann ich euch helfen?“, fragte Cereza mit einem Lächeln. Cylara beäugte sie kurz kritisch, zwang sich dann jedoch zu einem Lächeln und nickte. Cereza setzte sich vor Tessa, die einfach Atemberaubend aussah. „Cylara, das ist ja der Wahnsinn, wie hast du das gemacht?“, fragte Cereza, während sie Tessas Gesicht betrachtete, was nur wenig Schminke aufgesetzt hatte, jedoch war die geringe Menge so geschickt arrangiert, dass es Tessas weibliche und zarte Züge noch deutlicher unterstrich. Jeder Mann, der nun einfach an ihr vorbei gehen konnte, ohne sich nach ihr umzudrehen, musste entweder blind oder schwul sein. Sie sah wirklich bezaubernd aus. Zwar hatte sie noch immer ihre schlaksige und dürre Gestalt, aber ihr Gesicht war einfach unwiderstehlich. „Danke, ich glaube ich habe einfach ein gewisses Talent dafür.“, gab Cylara mit einem Lächeln zurück. „Ein gewisses Talent? Tessa war zwar vorher schon hübsch, aber jetzt… Sie ist der absolute Wahnsinn und das obwohl du nur wenig Schminke aufgelegt hast. Und das was du mit ihren Haaren gemacht hast.“, geistesabwesend strich sie über die professionell geflochtenen Zöpfe, die Tessas Kopf zierten. Mit einem freundlichen und glücklichen Lächeln blickte sie die beiden an. „Tja ich hab dir doch gesagt, jeder Mann, der dich nicht haben will ist ein Idiot. Du hast so viel Schönes an dir, man muss es nur in die richtige Position rücken und es richtig präsentieren und schon bist du die Prinzessin, die alle anderen übertrumpft.“, erklärte Cylara mit sanfter Stimme und Tessas Lächeln wurde glücklicher. „Ich danke dir, aber… ihr könnt mir viel erzählen… Ich würde es gerne selbst sehen.“, erklärte Tessa und strich sich sanft durchs Haar. Cylara und Cereza grinsten fast zeitgleich. „Das lässt sich arrangieren.“, entgegnete Cylara und zog einen kleinen Klappspiegel aus der Tasche. Als Tessa einen prüfenden Blick hinein warf sah sie erschrocken und zugleich entzückt aus. Sie drehte den Spiegel, als könne sie nicht glauben, dass das wunderschöne Gesicht, was ihr entgegenlächelte ihr eigenes war. Mit einem freundlichen Lächeln berührte Cylara Tessas Wange. „Du bist wunderschön. Hast du es jetzt begriffen und davon mal abgesehen. Kommt es nicht nur auf Äußerlichkeiten an. Rylar zum Beispiel hat meinem Aussehen kein Interesse gewidmet, ihm war völlig egal, wie ich aussah, ihn hat nur interessiert was für ein Mensch ich bin. Man kann es sehen wie man möchte, aber er hat Cereza mir vorgezogen, sie ist zwar auch hübsch, aber sie hat eindeutig ihre Defizite.“, grinste Cylara neckend und Cereza musste lächeln. „Für ihn ist sie dennoch schöner, weil er von ihrer Persönlichkeit angetan ist.“, ergänzte sie grinsend und Cereza musste erneut lächeln. „Obwohl ich wirklich nicht weiß, was sie hat, aber mir fehlt…“, seufzte sie und zuckte mit den Schultern. Cereza musste nurnoch breiter grinsen. „So gefällst du mir viel besser. Das steht dir besser, als dieses ständig feindselige.“, erklärte Cereza an Cylara gewandt und Cylara starrte sie an. „Was?“, hakte sie nach und schaute sie seltsam ertappt an. „Du hast mich schon verstanden, seit wir uns kennen, hast du mich immer böse angesehen und versucht mich irgendwie auszustechen, es ist doch viel schöner, wenn man normal miteinander umgeht oder was meinst du?“, lächelte Cereza und Cylara starrte sie noch immer an. „Ich habe mich immer gefragt, warum du mir gegenüber so feindselig auftrittst, aber mittlerweile weiß ich, dass es wegen Rylar war. Ich kann das verstehen. Wäre ich damals schon so verliebt gewesen, wie du es warst, dann wäre ich wahrscheinlich auch so gewesen.“, erklärte Cereza gefasst und Cylara lächelte sanft und schüttelte dann den Kopf. „Ich hab ihn nicht geliebt… Er war… Ich hab ihn eher als Versuchskaninchen gesehen. Er hat einen starken Willen und er war der erste Mann, der nicht sofort versucht hat mich rumzukriegen. Ich fand ihn einfach nur interessant und wollte mir meine Entscheidung ob ich ihn als festen Freund in Betracht ziehen soll nicht von irgendjemand nehmen lassen. Auch nicht von dir…“, entgegnete Cylara auf Cerezas Aussage und beide schwiegen. Cereza nickte langsam. „Auch das kann ich verstehen… Sag mal… nach unserem… Saufgelage, warst du es, die mich ausgezogen hat oder?“, hakte Cereza nach und Cylara nickte langsam. „Ja… Ich wollte einfach, dass du so von ihm angeekelt bist, dass du ihn nie wieder sehen willst. Und was ist schon widerlicher als ein Mann der dich zur eigenen Befriedigung ausnutzt, wenn du betrunken bist?“, gab Cylara zu und Cereza blickte sie nur kurz feindselig an, dann jedoch lockerte sich ihr Blick. „Da gibt es zugegebenermaßen nicht all zu viel. Aber ich habe sofort Zweifel daran bekommen, dass er das getan hat, als ich ihn rausgeschmissen habe. Sein Blick war nicht der eines Mannes, der eine Frau zum eigenen Vergnügen benutzt. Er wirkte eher wie ein geprügelter Hund, der schon zu oft Schläge bekommen hat um sich noch darüber zu beschweren. Und… Ich hatte mir von Anfang gedacht… dass es mir lieber gewesen wäre, wäre er geblieben.“, seufzte Cereza in Gedanken versunken und Cylara schaute sie mit ehrlicher Reue im Gesicht an. Cereza lächelte sie an. „Wollen wir Freundinnen sein? Trotz der Rivalität?“, fragte Cylara, während sie den Blick zu Boden gewandt hatte. Sie ertrug es nicht sie anzusehen. Cereza zog sie in ihre Arme. „Gerne.“

 

Der Boden zu ihren Füßen wurde immer trockener und lebloser, während die Bäume um sie herum immer verdorbener zu werden schienen. Sie trugen kaum noch Blätter und die Rinde hatte eine ungesunden dunkle Färbung angenommen, während sie an manchen Stellen bereits vom Stamm bröckelte, der unter der Rinde auch nicht gut aussah. Rylar blickte sich zu Tessa um, die der Anblick sichtbar zu treffen schien. Ihr Blick huschte traurig zwischen den damals so grünen und lebendigen Pflanzen hin und her. Das aschfahle Gras zu ihren Füßen hatte jedes Leben eingebüßt, während der Boden zu ihren Füßen immer dunkler und brüchiger wurde. Dieser Teil des Waldes war unrettbar verdorben, nicht einmal die Dryaden hätten unter all ihren Anstrengungen ewige Zeit benötigt um diesen Teil des Waldes wieder zum Leben zu erwecken. Rylar wusste nicht was hier gewütet hatte, aber was es auch war, es hatte alles Lebendige mit sich gerissen und eine Narbe aus Tod und Verderben hinterlassen. „Wir sind fast da.“, erklärte Tessa mit zusammen gebissenen Zähnen. Rylar nickte. Es erschien ihm besser nichts zu sagen, denn er zweifelte daran, dass ihr im Augenblick irgendetwas dabei helfen würde die Trauer in ihrem Herzen los zu werden. Er konnte schon fast spüren, wie die Trauer an ihrem Herzen nagte und es tat weh, sie so zu sehen. Doch er konnte nichts tun. Absolut nichts. Und als er grade ansetzten wollte etwas zu sagen erblickte er die Gitter, die rostig und zu allen Seiten verbogen aus einer Felsenwand ragten. Tessa blieb wie angewurzelt stehen und auch Rylar spürte den Hauch des Todes, der ihnen wie der heiße Atem einer Bestie entgegen wehte. Rylar sträubten sich die Nackenhaare, aber er blieb standhaft, während der Wind tänzelnd um ihn herum wehte und flüsterte: „Hier lauert nur der Tod“ Rylar schluckte und blickte sich zu seiner Gruppe um. Tessa stand da, hatte bereits ihren Bogen gezogen und einen mit Heilmagie verzauberten Pfeil aus dem Köcher gezogen. Cylara, hatte die Hände verdächtig nahe an ihre Wurfmesser gelegt, volklich war es wohl keine Paranoia, wenn er dem starken Bedürfnis sein Schwert zu ziehen nachkam. Die Klinge glitt langsam aus dem Rückenhalfter und schien dabei vom Wind umspielt zu werden, der das singende Geräusch des Metalls noch zu verstärken schien. „Seid ihr bereit?“, hakte Rylar nach und blickte sich in die Runde um. Tessa und Cylara nickten zögerlich, Cereza trat, in der einen Hand eine Pistole in der anderen eines ihrer Bajonette aus dem Wald und nickte ebenfalls. Offenbar hatte der Wind Rylars Frage gehorsam bis an ihr Ohr getragen. „Dann mal los.“, erklärte Rylar und ging voran. Mit jedem Schritt wurde das beklemmende kalte Gefühl in seinem Inneren gewaltiger. Im Gegensatz zu dem letzten Teil der Kanalisation, den sie betreten hatte lag kein Gestank in der Luft, viel mehr schien die Kälte um sie herum alle Arten von Gerüchen zu unterdrücken. Ja. Es war kalt. In dem Moment in dem sie die Kanalisation betreten hatten war es kalt geworden. Kalt und dunkel. Rylar sog den Atem ein, doch der eisige Pesthauch lag noch immer in der Luft. Gut, dann sollte es so sein. Wie ein transparenter Schild schmiegte sich der Wind um ihre Körper, um ihn, um Cylara, Tessa und Cereza, sie alle konnten auf seine Unterstützung bauen, jedenfalls so lange es noch in seiner Macht stand. „Ich kann es verstehen, wenn einer von euch aussteigen möchte. Das hier macht selbst mir Angst.“, erklärte Rylar und schaute sich zu seinen Gefährtinnen um. Sie alle lächelten dankbar, doch schüttelten den Kopf. „Wir lassen dich hier nicht alleine.“, erklärte Cereza mit einem freundlichen Lächeln. Rylar erwiderte das Lächeln, sog noch einmal tief die Luft ein und zog eine Leuchtfackel aus seinem Mantel. Als er den Stab mit der Spitze voran gegen den Stein des Tunnels schlug begann die Fackel gehorsam die weißen Funken zu sprühen. Der Tunnel wirkte normal, wenn man mal davon absah, dass die Wände von Raureif überzogen waren und Rylar seinen Atem in Form einer weißen Wolke aus seinem Mund strömen sehen konnte. Und natürlich war da auch die eiskalte Stimme, die von allen Seiten an ihre Ohren zu dringen schien und: „Keeehrt um… Sterbliche…“, flüsterte. Die Atmosphäre war einfach einladend und perfekt. Mit festen und entschlossenem Schritt setzten sie ihren Weg fort. Tod und Verderben würden sie so oder so einholen wenn Razia sich der Erfindung bemächtigen konnte. So konnte wenigstens niemand behaupten, dass sie nichts getan hätten um den Krieg zu verhindern. Die Anspannung in Rylar wurde mit jedem Schritt den sie taten mehr, doch sie kehrten nicht um. Schritt für Schritt setzten sie ihren Weg weiter fort, weiter tief in das klaffende Maul des Leviathans, der sie immer tiefer in das Labyrinth unter der Stadt führte. Schritt für Schritt wurde es kälter, unter ihren Füßen hatte sich eine Eisschicht gebildet auf der sie versuchten nicht auszurutschen. Man konnte sagen was man wollte, aber hier stimmte etwas nicht. Es mochte in Izarek und Vayrem geschneit haben, doch hier war es noch deutlich kälter, als sie es jemals erlebt hatten. Schwere Schritt näherten sich ihnen und Rylar spannte sich an, bereit jeden Moment los zu schlagen. Ein blasses, bläuliches Leuchten erhellte die Dunkelheit vor ihnen und allmählich erkannten sie, was dort aus der Dunkelheit auf sie zuschritt. Zwei riesige, mit rasiermesserscharfen Klauen bewährte Hände, spritze Zacken, die überall aus dem Körper ragten und Beine wie Baumstämme baute sich der Eisgolem mit seinem blassen fluoreszierenden Leuchten vor ihnen auf.

 

Es gibt Momente die einen misstrauisch machen sollten und einen dazu bringen an seinen Fähigkeiten zu zweifeln. Wenn Vier Leuten, einem selbst mit eingeschlossen zeitgleich die Worte „Ach du Scheiße!“ entgleiten, sollte genau das einer dieser Momente sein. Allerdings sollte der Moment in dem der untote Riesenklumpen Eis, der vor einem stand anfängt so laut zu brüllen, dass einem der Kopf zu schmerzen beginnt und einem Raureif auf den Wangen entsteht, sollte spätestens das einer dieser Momente sein. Wenn beide Momente nicht ausreichen um einen brüllend weglaufen zu lassen hat man entweder eine Riesenportion Mut zu viel oder man ist einfach zu dumm um zu begreifen, dass man grade ein echtes Problem hat. Rylar allerdings gehörte zu der goldenen Mitte. Dieser Golem schaffte es, dass sich Mut und Angst gegenseitig aufhoben und er einfach nichts fühlte, als er auf den Eiskoloss zu rannte um ihm mit einem starken Hieb das Schwert durch den Schädel zu rammen. Die Klinge verfehlte ihr Ziel nicht, entlockte dem Ungetüm aber auch nicht die gewünschte Reaktion. Statt in sich zusammen zu fallen, wie es viele Untote getan hätten holte der Eiskoloss mit seinen gigantischen Eisklauen aus und schlug nach Rylar, dieser allerdings stieß sich geistesgegenwärtig vom Leib des Golems ab, zog dabei das Schwert aus seiner Stirn und landete nach einem vollendeten Rückwärtssalto zwei Schritte von der Kreatur entfernt. Gerade rechtzeitig. Mit zwei schnell aufeinanderfolgenden Schlägen landeten zwei rot leuchtende Stifte Brust und Kopf der Kreatur stecken. Rylar sprang einen weiteren Schritt zurück und verdeckte das Gesicht mit seinem Mantel, gleich darauf folgten zwei laute Schläge, die sich zu einem lauten Knall vermischten. Splitter prasselten gegen den rudimentären Schutz, den der Mantel bot. Die Stimme des Windes in seinem Ohr war laut genug um ihn rechtzeitig zu warnen. Mit einem schnellen Hieb blockte er die gigantische Klaue des Golems und wunderte sich, wie einfach es gewesen war. Noch vor ein paar Tagen, hätte die Klaue ihn unter ihrem Gewicht zermatscht, doch jetzt besaß er die Kraft um die gewaltige Pranke des Golems mit seinem Schwert zu blocken, ohne sich wirklich anstrengen zu müssen. Er speiste noch mehr seiner Kraft in die Klinge und zerteilte die Pranke des Eisgolems in zwei Teile, dicht hinter ihm fielen die spitz zulaufenden Krallenartigen Finger des Golems zu Boden. Mit einer schnellen Drehung führte er einen schwungvollen Hieb gegen die Seite des Ungetüms und spürte wie die Klinge durch das Eis fuhr, wie durch Butter. Der obere Teil des noch übrigen Golemtorsos glitt von der unteren ab zu Boden. Mit einem schnellen Stich durchtrennte er den pulsierenden weißen Klumpen in der Brust des Golems und das Gebilde erstarrte. Mit seinem Willen formte Rylar einen schneidenden Wirbelwind, der den Körper des Golems in kleine Stücke hackte. Es war kein Verstoß gegen die Domäne des Windes, weil der Untot nicht zu den Dingen gehörte, die der Wind beschützte. Nein ganz im Gegenteil, auch dem Wind war der Untot auf der Welt ein Gräuel, dem er nur zu gerne zu beseitigen half. Untote gehörten nicht in diese Welt, die der Wind beschützte und er als Avatar des Windes fühlte sich dazu verpflichtet ihn so gut er konnte von der Oberfläche der Welt zu tilgen. Ein Lächeln stand auf seinen Lippen, als er sich zu Cereza und den anderen umdrehte, die ihn einfach nur starr und verdutzt anstarrten. „Wollen wir weiter?“, hakte er mit einem schrägen Lächeln nach, doch ein schabendes Geräusch vor ihm, ließ ihn erneut herumfahren. Splitter und Brocken des Eisgolems schwebten, wie durch Magie durch die Luft und ordneten sich neu an, ehe sie wieder verschmolzen. Diesmal nicht in Form eines Golems sondern in Form einer Drachenechse, einer Kreatur, die scharfe Klauen, spitze Zähne und einen wuchtigen Schwanz besaß, der mit Dornen besetzt war. Die Eisskulptur stieß erneut einen lauten Schrei aus, der ihnen erneut eiskalten Wind ins Gesicht peitschte. Die Augen der Kreatur leuchteten in einem matten blauen Ton und Rylar verstand. „Das ist kein einfacher Golem. Das ist eine Eisskulptar. Dieses Vieh wird gesteuert. Und egal, wer oder was dieses Vieh steuert, es muss in der Nähe sein.“, erklärte Rylar mit finsterem Unterton in der Stimme. Die Kreatur fauchte bedrohlich und biss zu. Rylar tänzelte zurück um dem Angriff zu entgehen und hob dann das Schwert um den nachfolgenden Klauenhieb abzublocken. Erneut Durchschnitt der Stahl seiner Klinge das Eis und Rylar nutzte den Moment um der Kreatur mit einem schnellen Hieb die andere Klaue auch noch abzutrennen. Die Bestie schnappte erneut zu, verfügte aber nicht um das nötige Gleichgewicht. Statt nach ihm zu schnappen krachte die Schnauze der Kreatur auf den harten Steinboden. Rylar nutzte die Gelegenheit um den Kopf ebenso vom Körper zu trennen wie die Vorderbeine der Echse. Das Fauchen der Kreatur verebbte, als der schwere Eisklumpen, der ihr Kopf gewesen war am Boden liegen blieb. Der Schwanz der Kreatur pendelte ziellos hin und her. Erneut stieß die Klinge in den weißen, pulsierenden Brocken im oberen Drittel des Echsenkörpers vor und der Körper der Echse stoppte in der Bewegung und erschlaffte. Ein Klatschen erklang aus dem dunklen Gang, der sich vor ihnen erstreckte. Rylar hob Abwesend den Kopf und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Unmöglich, das grelle Licht der Leuchtfackel verhinderte, dass seine Augen etwas in der Dunkelheit erkannten. „Es ist keine einfache Aufgabe eine Skulptar zu erschlagen. Vor allem nicht, wenn es bereits das zweite Mal ist. Ich bin der Navigator der Skulptar, mein Name ist Raliz, seid gegrüßt Reisende.“, erklang eine heisere Stimme aus dem langen dunklen Gang vor ihnen. „Steck dir das sonst wo hin, deine Skulptar hat uns grundlos angegriffen, gib mir nur einen Grund dich nicht auf die gleiche Art in Stücke zu zerlegen, wie dein Haustier.“, knurrte Rylar mit finsterer Stimme und senkte die Leuchtfackel, damit sich seine Augen etwas besser an die Dunkelheit gewöhnen konnten. Immerhin gelang es ihm nach einiger Zeit, einen Umriss wahrzunehmen. Die Stimme gehörte zu einer dürren fast ausgemergelt wirkenden Gestalt, die keine Anstalten machte sich aus der Dunkelheit auf sie zu zubewegen. „Der Grund ist, dass es dir nichts bringen würde. Du kannst mich töten, viel Erfolg dabei, aber ich werde wieder kommen und dann werde ich meine Skulptar nur umso unerbittlicher nach dir jagen lassen.“, gab die heisere Stimme kichernd zurück. „Ihr habt nicht die geringste Chance hier zu überleben. Ihr habt das Herz des Todes betreten, wenn ich es nicht bin, der euch gefangen nimmt, wird es andere geben, die nicht so freundlich sind wie ich. Ihr solltet an meine Worte denken, außerdem… Habt ihr keine Wahl.“, lachte die Stimme und eine Hand umfasste fest Rylars Bein. Verdammt, er hatte sich ablenken lassen. Die Skulptar hatte sich wieder zusammengesetzt und hielt sein Bein umklammert. Gar nicht gut. „Lass mich los und verschwinde.“, grollte Rylars Stimme und sein Blick konnte jemanden einen kalten Schauer über den Rücken jagen. „Wow, du kannst aber böse gucken, ich bin beeindruckt. Ihr habt keine Wahl, also ergebt euch.“, erklärte der Mann und Rylar zertrennte mit seinem Schwert die Eisklaue, die sein Bein umfasst hatte. „Ich habe immer eine Wahl.“, erklärte Rylar und ging langsam auf die Gestalt in der Dunkelheit zu. Die Gestalt lachte und um ihn herum begann ein schwarzer Dunst zu erscheinen. In Sekundenschnelle war um ihn herum alles schwarz und er wurde… Müde. Sehr Müde. Verdammter Mist. Schnell verstärkte er den Wind, der ihn wie ein Schutzschild umgab, doch es änderte nichts. Die Dunkelheit ermüdete ihn auf magische Art. Er konnte absolut nichts tun. Knurrend sackte er auf die Knie, versuchte sich wieder aufzurichten, doch es gelang ihm nicht, ihm fehlte die Kraft und allmählich wurden ihm die Augenlider schwer. Wie er auf dem Boden aufschlug bekam er nicht mehr mit.

 

Cereza erwachte mit starken Kopfschmerzen. Sie stöhnte und richtete sich auf. Das beruhigende Gewicht ihrer Waffen hatte sie verlassen, sie schlug die Augen auf. Gut wenigstens die Kleider hatten sie ihnen gelassen. Das bedeutete, dass sie nicht in einer dieser perversen Vergewaltigungsdungeons aufgewacht war. Jedenfalls hieß es das vorerst. Sie blinzelte leicht und allmählich kehrten auch ihre anderen Sinne zurück. Sie hörte Tessas Wimmern, die am Käfig gelehnt saß und das Gesicht in den Händen vergraben hatte. Sie weinte. Auf den Geruchssinn hätte sie im Augenblick lieber verzichten können, aber er schlug ihr mit aller Gewalt ins Gesicht. Der Gestank hier war unbeschreiblich grässlich. Ein gelungener Duft um Feinde in die Flucht zu schlagen oder Gefangene zu quälen. Eine Mischung aus verfaultem Fleisch, Blut, Fäkalien und Urin. Der Geruch trieb ihr Tränen in die Augen, doch verlor sie nicht die Beherrschung. Sie schob sich die den Stoff ihres Hemds hoch und schob ihn sich vor die Nase. Der Geruch wurde weniger penetrant, aber er verschwand nicht. Wenigstens wurde er abgeschwächt. „Tessa? Ist alles in Ordnung?“, hakte Cereza leise nach und Tessa schaute mit Tränen in den Augen zu ihr auf. Sie nickte langsam. „Ich habe Angst…“, gab sie zu und klang dabei so unsicher und irritiert, als hätte sie dieses Gefühl noch nie so stark verspürt, wie in diesem Augenblick. Die Tränen liefen weiter über ihr von Schmutz und Blut verschmiertes Gesicht. Cereza nahm an, dass sie ähnlich aussah, aber versucht nicht darüber nachzudenken. „Wo sind wir hier?“, hakte Cereza nach und versuchte in der Dunkelheit um sie herum etwas zu erkennen. Nichts. Da war absolut nichts. Kein Licht, keine Wände, keine Knochen, Nichts. „Ich weiß es nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass unser Käfig in der Luft hängt.“, entgegnete Tessa weinend und Cereza versuchte herauszufinden, wie sie darauf gekommen war. Die Antwort war einfach. Als sie sich bewegte, bewegte sich auch der Käfig. Er war nicht groß. Cereza fand neben Tessa nicht einmal den Platz ihre Beine auszustrecken. „Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist dunkel.“, begann Cereza und Tessa schaute sie entrüstet an. „Wie kannst du in einer solchen Situation nur so ruhig bleiben?“, krittelte Tessa finster und Cereza grinste. Ich bin nicht das erste Mal eingesperrt und es ist unfassbar wie schnell das langweilig wird.“, erklärte Cereza freundlich und ein missbilligender Blick stahl sich auf Tessas Augen. „Findest du das nicht etwas unangemessen?“, hakte sie finster nach und Cereza lächelte. „Nein, aber wenn du nicht mitspielen möchtest können wir auch ‚Ich packe meinen Koffer‘ spielen.“, schlug sie vor und Tessa seufzte. „Also gut…“, stöhnte Tessa, als hätte sie noch nie einen so langweiligen Vorschlag gehört. „Gut du fängst an.“, grinste Cereza und Tessa seufzte abermals. „Ich packe meinen Koffer mit… Frischer Unterwäsche.“, begann sie zögernd und schüttelte den Kopf, als könne sie nicht glauben, dass sie das hier tatsächlich tat. „Ich packte meinen Koffer mit frischer Unterwäsche und einem M18 Scharfschützengewehr der Klassifizierung S.“, machte Cereza ungeniert weiter und lächelte noch immer genau so freundlich wie zuvor. Tessa starrte sie an, zuckte dann aber mit den Schultern. „Ich packe meinen Koffer mit frischer Unterwäsche, einem M18 Scharfschützengewehr der Klassifizierung S und einem Teddybären.“, setzte Tessa fort und schaute zu Cereza herüber. „Ich packe meinen Koffer mit frischer Unterwäsche, einem M18 Scharfschützengewehr der Klassifizierung S, einem Teddybär und Panzersprengbolzen für das Scharfschützengewehr.“, entgegnete Cereza und verzog keine Miene. Tessa verdrehte kurz die Augen. „Ich packe meinen Koffer mit frischer Unterwäsche, einem  M18 Scharfschützengewehr mit der Klassifizierung S, einem Teddybären, Panzersprengbolzen für das Scharfschützengewehr und einem Spiegel.“, gab Tessa vor und atmete tief durch. Cereza lächelte in sich herein. „Ich packe meinen Koffer mit frischer Unterwäsche, einem M18 Scharfschützengewehr der Klassifizierung S, einem Teddybären, Panzersprengbolzen für das Scharfschützengewehr, einem Spiegel und zwei 9-mm-Faustfeuerwaffen.“, erklärte sie und Tessa schaute sie entrüstet an, Cereza blieb vollkommen ernst. „Also gut ich packe meinen Koffer mit… boah ich halts nicht aus, wie kannst du nur so eine Spinnerin sein? Kannst du deinen Koffer nicht mit normalen Sachen packen? Ich meine was kommt als nächstes? Handgranaten?“, hakte sie nach und konnte sich eines leichten Lächelns nicht erwehren. Genau wie Cereza es geplant hatte, dennoch machte sie weiter. „Ich bitte dich… Handgranaten? Ich finde ja C4 Sprengstoff deutlich femininer.“, erklärte Cereza mit gespielter Entrüstung. „C4 Sprengstoff? Was ist mit dir los? Kannst du nicht was Normales einpacken, wie meinetwegen… den Teddybären?“, hakte Tessa nach und schien garnicht zu bemerken, dass sie lächelte. „Ich bitte dich, wer braucht denn einen Teddybären, wenn man ein M18 Scharfschützengewehr hat.“, kam ihre rasche Antwort. „Ähm… Ich weiß jetzt echt nicht wie ich das so ausdrücken soll, um dich nicht zu verletzen…“, seufzte Tessa und ihr Grinsen wurde immer breiter. „Was denn? Du kannst damit kuscheln und notfalls einem anstürmenden Soldaten den Schädel wegpusten.“, erklärte Cereza mit völlig ernster Stimme. „Ist… Das dein Ernst?“, hakte Tessa vorsichtig nach und schaute ihr in die Augen. „Nö, ich mag Teddybären.“, lautete die Antwort und Tessa brach in schallendes Gelächter aus. „Verdammt nochmal bin ich froh…“, seufzte sie erleichtert, nachdem sie mit Lachen fertig war. „Wenn man in einem Käfig sitzt, darf man nicht die Nerven verlieren. Egal was sie mit uns vorhaben, wir werden das alles überstehen.“, erklärte Cereza mit ernster Miene. „Kann ich mich darauf verlassen, dass du mit mir an einem Strang ziehst wenn sich uns eine Chance bietet?“, fragte sie nach und Tessa nickte. „Sehr gut, dann spielen wir weiter.“, erklärte Cereza und Tessa hob abwehrend die Hände. „Nein bitte nicht, wenn ich mit dir ‚Ich packe meinen Koffer‘ spiele komme ich mir vor, als wäre ich in einem Armeecamp gelandet.“, erklärte Tessa mit einem Lächeln und schüttelte den Kopf. „Armeecamp? Es gibt kein Armeecamp was M18 Scharfschützengewehre der Klassifizierung S hat.“, entgegnete Cereza entrüstet und Tessa prustete erneut los. „T…Tut mir leid, aber…“, versuchte sie sich zu rechtfertigen, doch sie lachte zu sehr. Auf Cerezas Lippen stahl sich ein sanftes Lächeln. Geduldig wartete sie bis Tessa sich wieder eingekriegt hatte. „Hast du irgendwas, was wir aus dem Käfig werfen können und was beim Aufprall ein lautes Geräusch verursachen würde?“, hakte sie nach und Tessa schaute sie fragend an. „Wofür?“, stellte sie eine Gegenfrage. „Damit wir abschätzen können wie hoch unser Käfig in der Luft hängt und was sich unter uns befindet.“, erklärte Cereza gelassen und Tessa nickte Geistesabwesend, während sie in ihren Taschen herum stöberte, dann lächelte sie und zog eine Münze aus der Tasche. „Okay, wir haben also eine Münze.“, gab Cereza vor und stöberte in ihren eigenen Taschen herum. Auch in ihrer Tasche befand sich eine Münze. In der Dunkelheit konnte sie die Prägung nicht erkennen, aber sie trug nie Münzen in der Tasche. Das hieß also, dass man ihnen die Münzen in die Taschen gelegt hatte, nachdem man ihnen alles andere weggenommen hatte. „Zwei Münzen. Wo auch immer wir die herhaben.“, krampfhaft versuchte sie in der Dunkelheit eine Prägung zu erkennen, aber auch ihr Tastsinn ließ sie im Stich.  Einer spontanen Idee folgend tastete sie nach den Gitterstäben. Kein Metall, kein Holz, der Unregelmäßigkeit der Breite der Stäbe tippte Cereza auf Knochen. Schlampig. Knochen waren selbst im lebendigen Zustand einfach zu brechen, das hieß, dass es hier entweder nicht um den Käfig sondern um die Entfernung zum Boden ging. Sie schnippte die Münze aus dem Käfig. Eine Sekunde dauerte es, bis das Klingen der Münze auf dem Boden erklang, gleich gefolgt von einem Stöhnen und Fauchen, schnellen Schritten, dann wieder ein Fauchen gefolgt von einem Kreischen. Ein hackendes Geräusch, als versuchte man einen dicken Nagel in den Steinboden zu treiben. „Ich halte es für eine schlechte Idee, den Käfig auf dem Weg nach unten zu verlassen.“, erklärte Cereza gelassen, nachdem Tessa nach der Geräuscheinlage zusammengekauert in der Ecke des Käfigs saß. „Aber hier drinnen bleiben können wir auch nicht.“, dachte sie laut nach und bedeutete Tessa sich fest zu halten. „Was hast du vor?“, fragte sie wimmernd. „Knochen brechen.“, war die finster klingende Antwort. Als nächstes folgte ein krachen, als Cereza mit aller Wucht gegen einen der Knochengitter trat. Der Käfig schaukelte, doch Cereza nahm sich den zweiten Knochen vor und den Dritten, so lange bis ein Loch entstanden war, was groß genug war, dass sie hindurch passte. Sie wartete bis der knarrend schwankende Käfig sich wieder beruhigt hatte, dann griff sie vom Loch aus über sich, bis sie das Dach des Käfigs ertastete nicht glatt oder glitschig, eher rau. Sehr gut, das würde es ihr erleichtern. Sie sprang an und erklomm das Dach, als der Käfig erneut schwankte, hörte sie Tessa kurz aufkreischen, Cereza hielt sich geistesgegenwärtig am Seil fest, was den Käfig in der Luft hielt. Sie atmete schwer, ihr Herz hämmerte, als sie sich umblickte. In der Dunkelheit war es schwer überhaupt irgendwas zu sehen, aber ihre Augen gewöhnten sich bereits daran. Sie konnte bereits Umrisse erkennen. Nicht weit von ihr befand sich so etwas wie ein Absatz, war das… Eine Art Wehrgang. Wenn hier Soldaten patrouillierten würden sie sicherlich einen Wehrgang benutzten, anstatt sich bei diesem Vieh da unten zu vergnügen. „Tessa hier drüben ist ein Wehrgang, der zwischen den Felsen hin und her verläuft. Wenn wir den Käfig etwas schwenken können wir drauf springen.“, erklärte Cereza und Tessa wimmerte erneut. Schlechter Zeitpunkt um zu wimmern. „Tessa, verdammt nochmal, reiß dich zusammen. Was ist aus der tapferen Waldläuferin geworden, die ich kennen gelernt habe?“, fragte Cereza finster und Tessas wimmern erstarb allmählich. „Ich weiß nicht was los ist… Seit ich den Wald verlassen habe fühle ich mich so… Mutlos.“, erklärte Tessas Stimme leise. „Der Wald hat nichts über dich zu bestimmen. Reiß dich zusammen und beiß die Zähne zusammen. Der Wald ist immer da wo du ihn haben willst, weil er ein Teil von dir ist. Also reiß dich zusammen und lass uns diesen ekelhaften Perversen zeigen aus welchem Holz wir geschnitzt sind.“, erklärte Cereza und spürte wie Tessa unter ihr im Käfig zum Stehen kam. Cereza hielt sich fest, als Tessa das Dach des Käfigs erklomm, dann begann sie mit ihr zusammen den Käfig hin und her zu schaukeln. „Auf drei! Eins… Zwei… Drei!“, rief Cereza unter dem Knarren des Käfigs und gemeinsam sprangen sie los. Cereza, kam mit den Füßen direkt auf dem schmalen Sims zum Stehen, warf sich allerdings direkt auf den Baum um Tessas Hand fest zu halten, als sie abgerutscht war und vom Wehrgang gefallen war. Unter großer Mühe und Anstrengung zog sie Tessa zu sich auf den Sims, beide atmeten laut und schnell, gepackt vom Adrenalin, was unbarmherzig durch ihre Körper pulsierte. „Scheiße war das knapp.“, seufzte Cereza, als sie beide sich einigermaßen beruhigt hatten. Tessa nickte daraufhin und stieß zögernd den Atem aus. Cereza stand auf. „Los, wir können nicht hier bleiben, früher oder später wird jemand kommen um uns zu befragen, die sollen ruhig merken, dass wir abgehauen sind.“, erklärte Cereza und schaute sich nach etwas um, was sie als Waffe benutzen konnte. Nichts. Nicht schlimm, früher oder später würde sich etwas finden, in der Not ließ sich alles als Waffe zur Verteidigung benutzen. Tessa stemmte sich in die Höhe und gemeinsam liefen sie vorsichtig den schmalen Wehrgang entlang.

 

Ein lauter Schlag weckte Rylar aus dem anfliegenden Schlaf, nicht der Schmerz, der damit einherging, nur das laute Klatschen, als die Faust in seinem Gesicht landete und ihre zerstörerische Macht entfesselte. „Könntet ihr mich ein bisschen leiser schlagen, ich hatte grade versucht ein wenig zu schlafen.“, erklärte Rylar mit gut gelaunter, wenn auch etwas müder Stimme. „Dein großes Maul, werde ich dir herausprügeln.“, erklärte ein wutschnaubender Mann mit Glatze, der mit nackten Oberkörper, der von einigen schlecht genähten Narben übersät war. „Viel Glück dabei, das Ding ist angewachsen.“, erklärte Rylar als wäre es ihm egal. Es war okay, solange sie sich mit ihm beschäftigten, denn Cylara saß auf dem Stuhl hinter ihnen und schaute ihn mit vor Schreck geweiteten Augen entgegen. Tränen flossen über ihr Gesicht, doch sie biss sich auf die Unterlippe um nicht schluchzen zu müssen. „Was ist jetzt? Wolltest du mir nicht mein großes Maul herausprügeln? Was ist aus deinen edlen Absichten geworden?“, hakte Rylar, nach, während er ihm sein Blut ins Gesicht spuckte. Die Windbarriere war zwar stark und hielt eine Menge Wucht ab, aber er musste sie so regulieren, dass es noch echt aussah. „Halt die Fresse!“, brüllte der Mann und Rylar lachte. „Andere Ansage, gleiche Antwort. Also? Was ist? Willst du mich jetzt schlagen um nur ein halbes Waschweib zu sein, oder willst du für den Rest des Tages ein volles Waschweib sein?“, gab Rylar genervt zurück und starrte den Mann finster an. „Ich mach dich Kalt!“, rief Narbenglatze wütend und täuschte einen Schlag an, wahrscheinlich um seinen Testosteronspiegel wieder auf einen, eines Mannes würdigen Wert zu bringen. „Ich bitte dich, das erzählst du jetzt schon seit Stunden und ich sitze immer noch hier und lasse mich von dir streicheln.“, erklärte Rylar mit einem freundlichen Lächeln, während ihm Blut aus dem linken Mundwinkel lief. Narbenglatze schlug wieder zu und Rylar verstärkte die Windbarriere. Er sah schon geschunden genug aus. Die Faust des Mannes streichelte ihn lediglich, während er glaubte die volle Wirkung vollbracht zu haben. „Das hatten wir doch schon, ich stehe auf Frauen, aber du wirst sicherlich irgendwann den Richtigen finden, den du mit deinen Streicheleinheiten verführen kannst.“, erklärte Rylar und lächelte voller Enthusiasmus. „Du musst nur fest daran glauben, dann…“ drei Schläge hintereinander trafen sein Gesicht. „… wird dir irgendwann ganz bestimmt der Richtige begegnen.“, schloss Rylar und ließ sich nicht anmerken, dass er langsam müde wurde. Es ist wirklich schwer sich vorzustellen, so etwas zu sagen, während man grade Blut sabbert. Wieder holte Narbenglatze aus und schlug zu, doch kurz bevor seine Faust bei Rylar angelangt war, rief er: „Stop!“ Narbenglatzes Faust stoppte kurz vor seiner Nase. „Kindchen, deine Faust sieht echt schlimm aus, du solltest sie dir mal untersuchen lassen.“, grinste er und erneut brüllte Narbenglatze vor Wut und schlug erneut zu. Es war ein ewiger Kreislauf. „Ich glaube du tust dir hier echt mehr weh als mir, wirklich, ich mache mir nur Sorgen.“, bestand Rylar auf seine Behauptung. Irgendwann würden sein Beschützerinstinkt und sein großes Mundwerk ihm nochmal das Leben kosten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Nochmal. Narbenglatze holte erneut aus, doch bevor er zuschlagen konnte erklang eine Stimme: „Glen! Hör auf, das macht keinen Sinn.“ Rylars Blick war auf einen Schlag wieder hellwach. „Du heißt Glen?“, hakte er nach und schaute ihn an. Glen wandte sich ab und ging auf einen älteren abgemagerten Mann im Laborkittel zu. Rylar wandte sich an den Kittelträger. „Er heißt Glen? Ich werde hier ohne Scheiß seit Stunden von einem Kerl verprügelt der Glen heißt? Man das kostet mich entscheidende Testosteronpunkte.“, erklärte Rylar und schüttelte von sich selbst enttäuscht den Kopf. „Er heißt Glen…“, murmelte er vor sich hin und spuckte Blut auf den Boden. „Hätten dich deine Eltern nicht Knochenbrecher oder Stirnknacker nennen können? Meinetwegen auch Larry, aber verdammt nochmal Glen? Das kann man doch keinem Kind antun!“, ließ Rylar seiner ganzen Frustration freien Lauf. „Ich fühle mit dir Bruder, du hast es in der Schule bestimmt nicht leicht gehabt.“, fügte er dann hinzu und schüttelte in gespieltem Mitleid den Kopf. „Bemerkenswert… Glen verprügelt dich jetzt schon seit Stunden und du nimmst es immer noch mit Humor.“, erklärte die alte, schrill klingende Stimme des Kittelträgers. „Nur weil er Glen heißt, ich dachte mir ein Junge mit so einen Namen braucht jemanden mit dem er lachen kann.“, grinste Rylar verdrossen und schüttelte noch immer den Kopf. „Glen…“ Der Kittelträger kam auf ihn zu und schaute Rylar in die Augen. „Wir haben auch andere Methoden dich zum Reden zu bringen. Weißt du, bevor ich Godros beigetreten bin, war ein ich anerkannter Gedankenjäger aus Zalrum.“, erklärte der Kittelträger. „Willst du mir jetzt damit sagen ich rede zu wenig? Soll ich dir noch Gedichte vortragen oder etwas vorsingen, während Glen mit seinen Schlägen für den richtigen Bass sorgt?“, hakte Rylar grinsend nach und auch auf Cylaras Lippen, die offensichtlich alle vergessen hatten bildete sich ein leichtes Lächeln. „Nein, Glen hat heute schon genug auf die Trommel geschlagen.“, grinste der Kittelträger und verpasste Rylar einen Hieb in den Magen, der unter dem erstaunlich kräftigen Schlag zusammen fuhr. „Schöne Metapher…“, brachte er erstickt hervor, nachdem ihn der Schlag die Luft aus den Lungen getrieben hatte. „Ich werde jetzt in deinen Geist eindringen und dich dazu zwingen mir alles zu sagen was du weißt.“, entgegnete der Kittelträger mit seiner schrillen Stimme und Rylar grinste. „Bevor sie das machen, sollte ich vielleicht wissen was sie überhaupt von mir wollen.“, lächelte er und schaute den Kittelträger amüsiert an. „Du weißt ganz genau, was wir von dir wollen.“, erklärte der Kittelträger ungehalten. „Wow, ist das nicht das, was die bösen immer sagen, kurz bevor sie versuchen Informationen aus ihren Opfern heraus zu holen? Alter du bedienst hier wirklich ein Klischee, aber wo wir grade dabei sind, willst du mir nicht noch deinen bösartig imperialistischen Weltvernichtungsplan erklären?“, gab Rylar zurück und der Kittelträger schaute ihn etwas irritiert an. „Wieso glaubst du, dass ich einen bösartig imperialistischen Weltvernichtungsplan habe?“, hakte er tonlos nach und schaute Rylar in die Augen. „Weil ich langsam das glaube, dass sie glauben, dass ich einen gutartigen antiimperialistischen Weltrettungsplan habe, den sie aus mir herauskitzeln wollen.“, entgegnete Rylar in sachlichem Ton. Der Kittelträger schaute ihn verständnislos an. „Soll das heißen, du hast garkeinen bösartig imperialistischen Weltvernichtungsplan? Oh Mann, ja dann habe ich selbstverständlich auch keinen gutartigen antiimperialistischen Weltrettungsplan, machen wir einfach da Weiter, so wir aufgehört hatten, sie wollten grade ihr Kopf Ding da machen.“, erklärte Rylar ruhig und grinste. Der Kittelträger knurrte und legte eine Hand auf seinen Kopf. Rylar konnte dunkles Licht sehen, was vor seinen Augen kreiste. „Was zur Hölle ist das? Eine Barierre? So stark?“, hakte der Kittelträger nach, als es ihm nicht gelang in Rylars Kopf einzudringen. „Vielleicht, aber es könnte sein, dass du einfach nur denkst, dass ich denke, dass du denkst, dass ich denke, dass du total verblüfft wärst wenn ich an eine massive Betonwand denke. Denkst du das?“, gab Rylar zur Antwort und der Kittelträger brüllte: „Halt endlich dein verdammtes Maul!“ Rylar zuckte mit den Schultern. „Zuerst willst du, dass ich mehr rede, dann wieder nicht, euch Pseudofolterknechten kann man es aber echt nicht recht machen…“, seufzte Rylar, als der Kittelträger erneut versuchte in seinen Kopf einzudringen. „Was zur Hölle bist du denn für einer? Ich hab noch nie gesehen, dass mir jemand so einfach wiederstanden hat.“, knurrte der Kittelträger erneut und blickte Rylar in die Augen. „Willst du das wirklich wissen? Gut dann komm näher.“, lächelte Rylar und nickte, ihn näher an sich heran. Der Kittelträger kam seiner Aufforderung nach und legte das Ohr neben seinen Mund. Rylar holte tief Luft, als würde ihm das was er jetzt sagen würde sehr viel Überwindung kosten. „Ich bin das Alfa zu deinem Omega… Wo du Dunkelheit bist, bin ich Licht, denn ich habe den ultimativen… gutartigen antiimperialistischen Weltrettungsplan…“, flüsterte Rylar, laut genug, damit es jeder im Raum hören konnte. Glen schnaubte. Cylara biss sich wieder auf die Lippe und der Kittelträger schlug ihm ins Gesicht. „Man nicht immer auf die Nase…“, erklärte Rylar und blickte ihn lächelnd an. „Glen, wir gehen. Lassen wir ihn erstmal in Ruhe.“, brachte der Kittelträger hervor und spuckte Rylar ins Gesicht. „Hey, das ist unhygienisch.“, entgegnete Rylar ruhig und sah ihnen nach, während sie den Kellerartigen Raum verließen. Als die schwere Stahltür ins Schloss fiel, stieß er den Atem aus und spuckte Blut. Dann versuchte er erneut sich aus den Fesseln zu winden. „Bist du okay?“, hörte er Cylaras Stimme und er lächelte leicht. „Alles Bestens, lass uns sehen, wie wir hier rauskommen.“, erklärte er ruhig. „Warum hast du ständig diese dummen Texte von dir gelassen, ist doch klar, dass sie dich dabei windelweich schlagen.“, erklärte Cylara und wusste die Antwort im gleichen Moment. „Richtig, die sollten sich ruhig an mir abreagieren, die haben dich nicht mal bemerkt. Das heißt wohl, dass ich meine Sache gut gemacht habe.“, er lachte leicht und grinste sie scherzhaft an. „Und jetzt los, versuch dich loszumachen, wir haben wahrscheinlich nicht viel Zeit.“, erklärte er und arbeitete weiter an seinen Fesseln herum. Die Fesseln waren aus groben Leder. Ehrlich gesagt wollte Rylar gar nicht wissen, welches Tier hierfür seine Haut hatte geben müssen. Rylar riss und zerrte, aber die Fesseln gaben einfach nicht nach. Verdammt nochmal, er konnte sie nicht ewig von Cylara ablenken und das nächste Mal würden sie wahrscheinlich Folterinstrumente benutzen. Ihm musste verdammt nochmal was einfallen.

Kapitel 13

 

Cereza schlich mit leisen Schritten durch die dunklen, kerkerartigen Räume, die sich vor ihnen erstreckten. Als sie den Wehrgang hinter sich gelassen hatten, gingen sie nur noch mit äußerster Vorsicht vor und versuchten so wenige Geräusche wie möglich zu verursachen. Teils um kein Aufsehen zu erregen, teils um einen deutlichen Vorteil zu haben, jetzt, wo sie keine Waffen hatten um sich zu verteidigen. Sie würden zwangsweise so getarnt bleiben wie irgend möglich, allerdings ließ sich nicht leugnen, dass wahnsinnig wenige Leute unterwegs waren. Sie hatten bisher einen Wachmann gesehen, der die Korridore durchstreift hatte. Für ein riesiges Labyrinth, wie das, was sich ihnen hier bot war das wahnsinnig dünn. Offensichtlich rechneten die Bewohner der Kanalisation nicht mit Besuch. Umso besser. Das letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte waren Gegner, die wieder auferstanden, sobald man sie tötete. Das war eine zutiefst unfaire Taktik, wenn man bedachte, das Cereza wirklich tot war, wenn sie starb. Wow. Allein sich über die Frage, ob man nach dem Tod wirklich tot war, brachte sie dazu sich den Kopf gegen die Wand hauen zu wollen. Was war nur aus ihrer alten, unkomplizierten und schönen Welt geworden? Wo waren ihre Tischlampen, ihre mit Waffenöl gefüllten Schalen, das warme Wasser ihrer Dusche und die Entspannung, die sie empfand, wenn sie ihre Waffen reinigte und wo war der wohlige Geruch ihres Spenders für duftende Seife? Nun sie konnte sagen wo all das nicht war. Hier, es stank, es war dunkel, es war kalt und es fehlten verdammt nochmal ihre Waffen. Sie hätte heulen können, wenn sie daran dachte, wie irgendein abgemagertes Halbtagsskelett mit ihren Waffen posierte. Wenn sie den Kerl erwischte, der sie eingesperrt hatte, würde sie ihm sobald sie ihre Waffen wieder hatte nur eine Kugel zwischen die Augen jagen und zwar erst nachdem er alle anderen in seine Männlichkeit gefeuert hatte. Noch nie war der Gedanke daran, wieviel Schuss all ihre Waffen zeitgleich fassten so befriedigend gewesen, wie in diesem Moment. Mit einem lautlosen Seufzen schlich Cereza um eine Ecke und blieb dann daran gedrückt stehen, als sie laute Schritte vernahm. „Ich werde ihn zum Reden bringen, auch wenn ich ihm dafür die Eier abschneiden muss.“, erklärte ein muskulöser Kerl mit Narben auf seiner ansonsten akkuraten Glatze. Neben ihm stolzierte ein älterer Mann in einem mit Blut befleckten Laborkittel. „Ich weiß nicht mal, ob dieser Typ überhaupt weiß, was wir von ihm wollen. Ich habe noch nie zuvor jemanden gesehen, der mir so mühelos wiederstanden hat wie dieser Kerl. Ich würde nur zu gerne wissen, wie er das macht. Er hatte keine Talismane am Körper, die ihn davor bewahren, dass jemand in seinen Kopf eindringt.“, entgegnete der Kittelträger und wandte den Blick wieder zu Narbenglatze. „Vielleicht sollte ich seinen Kopf noch etwas weich klopfen.“, gab Narbenglatze zurück und Kittel schaute ihn entrüstet an. „So wie du es den ganzen Tag schon getan hast? Glen, wir sind doch keine Barbaren.“, gab Kittel seine Antwort und Cereza musste sich stark zusammenreißen um nicht los zu prusten. Natürlich war es nicht witzig für ihn bei seinem Aussehen und seiner Statur so einen Namen zu tragen, aber es war Gottverdammt nochmal einfach eine lächerliche Vorstellung. „Also ich schon.“, reagierte Glenn mit finsterer Stimme. „Pah, es macht dir wahrscheinlich auch noch Spaß den Jungen zu foltern, was?“, seufzte Kittel und Glenn zuckte mit den Schultern, dann nickte er stumpf. „Wieso soll es mir auch keinen Spaß machen? Immerhin ist es mein Job Leute zum Reden zu bringen.“, erklärte Glenns Stimme, die allmählich hinter einer Ecke verhallte. Ein Gefangener den sie zum Reden bringen wollen? Vielleicht Rylar. Sie konnte es nicht zulassen, dass sie ihn verstümmelten. Sie hatten kein Recht auf seine Eier, sie gehörten ihr. Was zur Hölle dachte sie da? Sie wurde rot. Selbstverständlich. Es war kalt, dunkel, es stank nach verwesendem Fleisch, Schmutz und Scheiße, ihr Freund wurde gefoltert und sie dachte an Sex. Fort mit euch Gedanken. Ihre innere Ermahnung schien zu wirken, denn Sorge umfasste sie. Wenn dieser Berg von einem Mann, namens Glenn… -‚Verschwinde Belustigung!‘, ermahnte sie sich erneut – wirklich den ganzen Tag damit verbracht hatte auf Rylar einzuschlagen war er wahrscheinlich schwer verletzt. Verdammt nochmal, sie wünschte sich irgendwas schweres und hartes, aber wahrscheinlich würde in selbst in einer Auseinandersetzung eines riesigen Felsens und Glenns Rückgrat, Glenn den Fels pulverisieren. Vielleicht konnte sie ihm das Genick brechen. Nein… Eher würde sein Genick, bewegungslos ihre Arme brechen. Wie konnte man nur so verdammt muskulös sein und sich noch bewegen können. Das war anatomisch total unrealistisch… Allein der Gedanke, dass dieser Kerl Rylar geschlagen hatte. Ihren Rylar. Das machte sie so wütend, dass sie am liebsten auf irgendwas oder vorzugsweise irgendjemanden eingeschlagen hätte. Oh hätte es ihr nur nicht die Faust zertrümmert, wenn sie, sie dazu benutzen würde um Glenn eine rein zu hauen. Rylars Gesicht musste aussehen wie Pudding, ein Schlag mit dieser Faust würde wahrscheinlich Felsen spalten. Innerlich hoffte sie, dass er sie benutzt hatte um Rylars Gesicht zu spalten. Ihr Blick wanderte zu dem Gang, aus dem sie eben gekommen waren. Irgendwo hier unten musste er sein. Sie würde ihn auf jeden Fall finden, ihn finden und ihn retten und wenn das alles vorbei war, konnte sie ihn auch noch über die Schwelle der gemeinsamen Wohnung tragen, das würde dann auch keinen Unterschied mehr machen. Eine Befremdliche Vorstellung, und wenn sie genau darüber nachdachte tat sie ihm damit Unrecht, immerhin hatte er sein Leben riskiert, ja schon fast geopfert um ihres zu retten. Sie sollte sich wirklich angewöhnen ihm dankbarer zu sein. Gut, nachdem sie ihn über die Schwelle getragen hatte, würde sie ihm einfach eine unheimlich gute Nacht schenken. Sie sollte ganz dringend aufhören an Sex zu denken, sie musste an irgendwas denken, was ihr Verlangen nach Sex so sehr erstickte, dass nicht mal mehr ein Funken übrig blieb… Glenn… Danke Glenn. Hatte sie sich grade wirklich gedanklich bei dem Kerl bedankt, der ihren Freund verprügelte, während er an einen Stuhl gefesselt war? Naja, wenigstens hatte sie nicht mehr das Verlangen sich mit Rylar im Schlamm herum zu wälzen und zu… Verdammt nochmal. Tessa kam aus einer kleinen Nische auf sie zu geschlichen. Alle Achtung. Dafür, dass Tessa seit sie den Käfig verlassen hatten ständig vor Angst völlig aus dem Häuschen geriet, versteckte sie sich erstaunlich gut. „Was meinst du, haben die beiden eben über Rylar geredet?“, hakte Tessa mit leiser Stimme nach. „Wenn wir es nicht nachprüfen, werden wir es wohl nie erfahren.“, erklärte Cereza und Tessa nickte, während sie erneut eine Panikattacke nieder zu kämpfen schien. „Was ist nur mit dir los?“, hakte Cereza nach und Tessa schüttelte den Kopf. „Ich habe eine Vermutung… Aber diese Vermutung gefällt mir ganz und gar nicht. Innerhalb dieser Kanalisation herrscht die komplette Abwesenheit von Leben. Ich bin mein ganzes Leben lang davon umgeben gewesen, dass es mir so befremdlich und unnatürlich vorkommt, dass hier unten einfach gar nichts zu leben scheint. Nicht mal Ratten leben hier und die Kreaturen die hier herumkriechen sind so weit von natürlichen Wesen entfernt, dass es schon weh tut allein ihre Anwesenheit zu spüren. Ich fühle mich die ganze Zeit, als würde der Tod mit klammen Fingern nach mir greifen, nur um mich dann bei der flüchtigsten Berührung zu streifen und zu sagen: ‚Noch nicht, du wirst auf eine unvorstellbar grausame Art sterben.‘“, entgegnete Tessa leise und Cereza dachte darüber nach. Wenn es tatsächlich das war, was Tessa fühlte, konnte sie ihr die Angst nicht verübeln. Auch sie hatte genug von dieser bedrückenden Atmosphäre hier unten. Sie wollte endlich wieder an die Oberfläche, es kam ihr so vor, als würde sie bereits Wochen hier unten verbringen, auch wenn es wahrscheinlich erst wenige Stunden waren. „Gott verdammt… Wenn ich jemals wieder aus dieser siechenden Ödnis hier unten entkomme, umarme ich einen Baum.“, lächelte Cereza und Tessa lächelte sanft. „Das würde ich gerne sehen, aber versprich mir, dass du dabei keine spitzen Armbrustbolzen aus ihn heraus schneidest.“, gab Tessa mit vor Ironie triefender Stimme zurück. „Was denkst du nur von mir, ich würde nie… Okay, vielleicht doch, aber du kannst jetzt nicht sagen, dass der Gedanke hier unten mit zwei dicken Holzpflöcken durch die Gänge zu schleichen dich nicht beruhigen würde.“, gab Cereza zurück und Tessa lächelte erneut. „Das hätte tatsächlich etwas sehr beruhigendes. Aber im Moment reicht es mir, dass uns keine seltsamen Viecher verfolgen und nicht übermäßig viele Wachen unterwegs sind. Los wir sollten den Gefangenen finden, von dem sie gesprochen haben.“, grinste Tessa und schlich mit lautlosen Schritten durch die Dunkelheit, während sie in den Schatten zu verschwimmen schien. Verdammt, sie sollte dringend einen Lehrgang im Schleichen und Verstecken bei ihr belegen. Sie folgte ihr so leise und unauffällig sie konnte. Sie wusste, dass sie gut im Schleichen war, jedoch kam sie sich, wenn sie die meisterhafte Anmut erblickte mit der Tessa sich bewegte, vor wie ein Elefant im Porzellanladen, der zu allem Überfluss genau dort seine Leidenschaft fürs Tanzen entdeckt hatte. Dabei hatte sie nicht Mal Waffen und Munition bei sich. Wie sie ihr Gewehr vermisste. Sie empfand keine fetischistische Zuneigung zu ihren Handfeuerwaffen oder dem Scharfschützengewehr, jedoch konnte sie nicht leugnen, dass das kalte Gewicht der Waffen eine gewisse Sicherheit in ihr auslöste. Wenn sie ihre Waffen trug, fühlte sie sich sicher. Sie fühlte sich jedenfalls nicht so machtlos, wie sie es im Moment tat. Wie sie es hasste sich machtlos zu fühlen. Sie brauchte ganz schnell eine Waffe und wenn es nur ein improvisierter Speer oder etwas war, was auch nur so aussah, Hauptsache es erweckte den Eindruck damit Schaden anrichten zu können. So etwas wäre jetzt wirklich schön. Lautlos schlichen sie durch die engen Gänge der Katakomben unter der Stadt, lauschten an jeder Ecke und versuchten allem lebendigen oder eben nur halb lebendigen aus dem Weg zu gehen. Es dauerte nicht lange bis Cereza erneut die Stimme des Kittelträgers ganz in der Nähe erkannte. Tessa und sie versteckten sich, verschwanden fast in den Schatten und nicht lange dauerte es bis der Kittelträger in Begleitung der offiziell größten Erhebung, der Kanalisation von Inistra an ihnen vorbei ging. Verdammt es kam Cereza sogar vor, als sei Glenn seit dem sie ihn das letzte Mal gesehen hatte noch größer und muskulöser geworden war. So unauffällig wie möglich schlichen sie den beiden nach, bis sie an einen Zellenartigen Raum kamen. Auf einem der beiden Stühle darin war Rylar festgeschnallt. Er blutete und sah geschunden aus, während Cylara frisch aussah, jedenfalls, wenn man von den Klamotten absah. Es sah so aus, als beschäftigten sie sich hauptsächlich mit Rylar, was eher verwunderlich war. „Hey, der Doktor in Begleitung der wahrscheinlich hübschesten Dame in ganz Godros, Glenn ihr seht wieder einmal bezaubernd aus.“, erklang Rylars Stimme und Cereza konnte schon fast spüren wie Glenn sich anspannte. Okay es war kein Wunder, dass sie sich hauptsächlich um Rylar kümmerten, wahrscheinlich lag das sogar seiner Absicht. Sie konnte nicht ganz erklären ob sie stolz auf ihn sein sollte, oder eher eifersüchtig auf Cylara, allerdings gab es hier keinen Anlass um einen der beiden zu beneiden. Rylar hätte das gleiche getan um sie zu beschützen. Er konnte eben nicht einfach zusehen, wie einer Frau weh getan wurde, während er tatenlos daneben saß. Der Blick des Kittelträgers fiel auf Cylara, die seinen Blick beängstigt auffing. „Glenn, ich glaube es hat keinen Sinn weiter auf ihn einzuschlagen. Viel eher sollten wir uns um die junge Dame kümmern, die wir mit unserer Aufmerksamkeit bisher so sträflich vernachlässigt haben.“, erklärte der Kittelträger und Rylar schien innerlich zu fluchen. „Glenn, ich wünsche, dass du ihr nicht wehtust, viel mehr möchte ich, dass du dich zurück hältst. Ich glaube es wird Zeit, dass jemand anderes das Verhör für uns fortsetzt, auch wenn wir bis dahin schon alle notwendigen Informationen haben werden. Ich habe einfach das unbändige Verlangen ihn leiden zu sehen. Und ich glaube daran, dass es deutlich mehr Schmerzen bereitet von Jemanden gefoltert zu werden, den man mag. Und ich glaube auch, dass es mir deutlich mehr Spaß machen wird sie dazu zu bringen, auch wenn sie es nicht will.“, der Kittelträger lachte lauthals und wandte sich Cylara zu, die ihn erschrocken anstarrte. Cereza hatte sich noch nie so sehr eine Waffe gewünscht wie in diesem Augenblick.

 

Cylara schluckte. Sie spürte wie ihr vor Schreck und Machtlosigkeit kalter Schweiß über die Stirn rann. Okay jetzt wurde es Zeit ihren Willen zu kultivieren. Sie durfte nicht zulassen, dass dieser Kerl in ihren Kopf eindrang. Der Kittelträger strich mit einem Finger über ihre schweißnasse Stirn. „Fass sie nicht an du verdammter Bastard!“, hörte sie Rylar brüllen, doch der Kittelträger grinste nur noch breiter, während sie spürte, wie die schwarze Magie an ihrem Verstand riss und zerrte, versuchte ihn zur Seite zu schieben um Platz für die Herrschaft eines anderen zu machen. Nicht mit ihr. Mit all ihrer Macht stemmte sie sich gegen den Willen des Kittelträgers. Sie durfte nicht aufgeben. Sie spürte, wie er an ihrer Barrikade kratzte, wie er sie allmählich versuchte zu zermürben, doch sie blieb standhaft. Als der Kittelträger den Finger von ihrer Stirn nahm entspannte sie sich kurz und sog Luft in ihre Lungen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie die ganze Zeit, während der Kittelträger versucht hatte in ihren Kopf einzudringen die Luft angehalten hatte. Kein gutes Zeichen. Vor ihrem inneren Auge tauchten Bilder ihrer Mutter auf, wie sie sie angrinste und in ihren Verstand drang. Sie hatte sich damals geschworen, dass sie das niemanden mehr erlauben würde. Sie konnte sehen, was ihre Mutter mit ihr gemacht hatte, konnte spüren wie sie ihre Hand über eine Flamme hielt, bis die Schmerzen sie beinahe wahnsinnig gemacht hatten und sie hörte das Gelächter ihrer Mutter, die hinter ihr stand und das Schauspiel mit einer perversen Freude in ihren Zügen beobachtete. Wieder spürte sie wie feine Tentakeln schwarzer Magie in ihren Kopf drangen und versuchten sich ihres Verstandes zu bemächtigen, wieder schloss sie ihren Geist vor allen Gefahren, die von außen kamen, dabei schloss sie die Augen. „Dein Wiederstand ist stark, aber früher oder später werde ich mich deiner bemächtigen.“, erklärte der Kittelträger und Cylara lachte ihn aus. „Du bist ein Niemand und ich werde dir zeigen, wie eine richtige Gedankenjägerin arbeitet. Sie öffnete ihren Geist, ließ ihn gewähren und spürte wie die feinen Glieder seiner Macht sich um ihren Verstand wanden, während er versuchte ihre letzten Barrikaden aus dem Weg zu räumen sandte sie selbst ihre Macht in seinen Verstand. Ein kümmerliches Bild bot sich vor ihr, als sie den Verstand des Kittelträgers vor sich ausgebreitet sah wie ein offenes Buch. Sie suchte, blätterte in seinen Erinnerungen, die ihr so einfach zuflogen, als lese man ihr all die Erinnerungen des Mannes zu. Es war möglich, dass er gelernt hatte jemanden den eigenen Verstand aufzudrängen aber er hatte nie gelernt, wie man sich selbst vor Zugriff schützte, während man versuchte jemanden mit der eigenen Gabe Kontrolle aufzuzwingen. Erbärmlich. Seine Magie versuchte ihren Verstand zu umschließen, versuchte sie in Besitz zu nehmen, doch seine Magie fand keinen Halt. Es wurde Zeit zurück zu schlagen. Mit einem Grinsen auf den Lippen sandte sie ihm Bilder aus seiner Vergangenheit zu, oh war das nicht herzallerliebst? Als Jugendlicher hatte er ins Bett gemacht und wurde daraufhin von seiner Mutter ausgeschimpft. Solche Bilder und Reminiszenzen machten sich immer gut. Sie spürte wie seine Magie kurz vor ihr zurück schreckte, spürte seine Verwirrung über die Bilder, die sie aus seinem Gedächtnis zurück an die Oberfläche zerrte. Zu einfach. Tiefer drang sie in einem Verstand ein, spürte die Loyalität gegenüber seiner Gilde. Unbrauchbar. Löschen. Er knurrte vor Schmerz, als sie seinen Verstand umstrukturierte und nach ihrem Willen umformte. In seinen Gedanken formten sich nun ihre Worte, vorgetragen mit der Stimme seiner Mutter, die sie aus seinen Erinnerungen wiedergab. „Du bist mir nicht gewachsen.“, erklärte sie in seinem Kopf und versetzte seinem Verstand einen Schlag, während sie ihn immer weiter aufknackte. Sie spürte wie sich seine Magie aus seinem Kopf zurück zu ziehen versuchte um den eigenen vor weiterem Schaden zu bewahren aber nichts da. Zarte Fühler ihrer Magie packten die seine und hielten ihn zurück. Seine Augen drückten Angst aus, doch er gab keine Geräusche von sich, als Cylara langsam seinen Verstand zerlegte, Stück für Stück änderte sie seine Gedanken, löschte Wesenszüge, die ihr nicht gefielen und erschuf Komplexe, die ihn nach und nach zerstören würden, erst dann übernahm sie seinen Verstand und zwang ihn dazu sich an Glenn zu wenden. „Ich hab sie unter Kontrolle, du bist hier nicht mehr von Nöten, verschwinde und räum die Folterkammer auf, wir werden sie heute noch brauchen.“, erklärte Sie mit der Stimme des Kittelträgers, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Die Stimme des Kittelträgers klang so ungezwungen, dass sie keinen Platz für Misstrauen ließ, während sie seine Gabe der Schwarzen Magie zermalmte, sie konnte spüren, wie sein Verstand immer schwächer wurde, konnte spüren, wie jeder Wiederstand von ihm abfiel, während ihre Magie immer wieder auf die Stellen seines Verstandes einschlug in der seine Magie verwurzelt war. Sie konnte spüren wie die Tentakeln der Schwarzmagie, mit denen er nach ihr gegriffen hatte zerfaserten und sich in Nichts auflösten. Er hatte verloren. Menschen die sich nicht ausgiebig mit der Gedankenmagie beschäftigten würden nie begreifen, dass es bei ihr nicht auf Kraft oder Gewalt ankam, es ging darum den Verstand des Gegenübers zu überlisten und das funktionierte nicht, wenn der Gegner genau wusste, dass er sich abschirmen musste. Glenn schaute den Kittelträger finster an, warf dann einen Blick zu Rylar, als er sich umwandte fand Cylara eine Information im Hirn des Kittelträgers die nützlich sein konnte. „Glenn, für unser Liebenswertes Großmaul machst du die Wasserfolter bereit und für diese Schlampe mit den interessanten sexuellen Vorlieben, wie ich grade sehe, packst du das Folterpferd aus, jedenfalls fürs Erste. So wie es aussieht könnte ihr das sogar gefallen.“, grinste Sie mit dem Gesicht des Kittelträgers und Glenn erwiderte das Grinsen, dann warf er Cylara einen lüsternen Blick zu. Ihre Miene blieb starr, nur wenige Gedankenjäger schafften es die Miene eines kontrollierten Körpers glaubwürdig zu beeinflussen, selbst Cylara hatte Jahre dafür gebraucht um einen Körper so glaubhaft kontrollieren zu können, dass sie sogar mit dem Gesicht eines fremden Körpers Grimassen ziehen konnte. Die Meisten Körper, deren Verstand in den Hintergrund gedrängt wurde reagierten mit einer unbewegten, starren Miene darauf, bis ihr Verstand wieder an die Oberfläche gelangte. „Keine Sorge du darfst später noch so viele Informationen aus ihr rausvögeln wie du möchtest, auch wenn sie geschrien und kaum verständlich sind. Bis dahin werde ich alles Wichtigste bereits in Erfahrung gebracht haben.“, lachte Sie mit ihrer Marionette und Glenn grinste erneut, dann verließ er den Raum. „Wenn du sie auch nur anrührst, reiß ich dir die Eingeweide raus du verdammter Psycho!“, brüllte Rylar an beide gerichtet und Glenn blieb stehen. Er grinste Rylar sadistisch an und wandte sich zu Cylara um. Er ging auf Cylaras Körper zu und glitt mit einem Finger über ihre Wange. „Das reicht jetzt Glenn, du wirst später noch genug Gelegenheit dazu haben sie zu vergewaltigen.“, erklärte sie durch den Mund des Kittelträgers. Glenn grinste Rylar zu, der krampfhaft versuchte sich los zu reißen. Offenbar hatte er doch was für sie übrig. Sie fragte sich wirklich was sie falsch gemacht hatte. Glenn verließ den Raum nun endgültig und auf Cylaras Züge legte sich ein breites, überlegendes Lächeln. Sie steuerte den Körper des Kittelträgers so, dass er ein Skalpell vom Tisch nahm und ihre Fesseln durchtrennte, dann reichte er ihr das Skalpell mit dem Griff voran. Cylara stand auf, ergriff das Skalpell, verließ seinen Verstand und durchtrennte die Kehle und Halsschlagader des Kittelträgers. Blut spritzte in pulsierenden Stößen aus der Wunde, während der Kittelträger auf die Knie ging und verzweifelt versuchte die Wunde zu zuhalten, doch es dauerte nicht lange, bis das Röcheln erstarb und der Körper des Kittelträgers zu Boden kippte. „Das war viel zu einfach.“, erklärte Cylara lächelnd, ging dann auf Rylar zu, der sie erstaunt anblickte. Sie durchtrennte seine Fesseln und setzte sich auf seinen Schoß. „Na? Was sagt man zu seiner Retterin?“, hakte sie nach und blinzelte ihm verführerisch zu. „Danke, nehme ich an, aber mehr bekommst du nicht.“, grinste Rylar und war sichtlich froh, dass sie wohl auf war. „Schade… Einen Kuss hatte ich mir schon erhofft, aber du bist mit Cereza zusammen, ich verstehe das, ich hab kein Interesse daran dich ihr auszuspannen.“, erklärte sie ruhig, nur um ihm dann ins Ohr zu flüstern: „Aber wenn du dich mal richtig austoben willst, stehe ich zur Verfügung, ich wette ich mache im Bett deutlich mehr als sie.“ Als ihre schnurrende Stimme in seinen Ohren verklang starrte er sie fassungslos an und dann stieg ihm tatsächlich die Röte ins Gesicht. Oh nein wie niedlich. Sie stand auf und steckte sich das Skalpell in eine Gürtelschlaufe. „Mal sehen, was es hier noch so gibt. Es wird sicherlich noch mehr geben, was sich als Waffe verwenden lässt.“, grinste sie und trat den toten Körper des Kittelträgers zur Seite. Rylar stand auf und massierte sich die Handgelenke. „Ich wusste gar nicht, dass du es drauf hast einen Körper zu kontrollieren.“, erklärte Rylar und schaute sie vorsichtig an. „Ich bis eben auch nicht, ich wusste, dass ich ihre Mimik beeinflussen kann wenn ich möchte, aber das ist das erste Mal, dass ich einen Körper gegen den Willen des Besitzers vollkommen übernommen habe. Das war einfacher als ich dachte. Vielleicht bewege ich mich ja doch noch am unteren Ende meiner Leistungsfähigkeit.“, lächelte sie und suchte auf den Tischen herum. Sie warf Rylar ein langes Messer zu, das er auffing, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht. „Scheint so als würde ich mich doch noch als nützlich erweisen.“, gab sie zaghaft zurück und Rylar steckte das Messer in seinen Gürtel. „Ich habe nie behauptet du seist nutzlos.“, erklärte Rylar und durchsuchte die Taschen des Kittelträgers. Er förderte einen kleinen Schlüsselbund und ein weiteres Skalpell zu Tage. „Du vielleicht nicht, aber ich hatte oft genug das Gefühl. Ich werde ab jetzt einfach alles tun was ich kann und versuchen meine Gabe so oft und stark einfließen lassen wie ich kann.“, entgegnete sie und schaute Rylar fest an. „Na gut, wir sollten uns auf die Suche nach Cereza und Tessa machen und wenn dieser Fleischberg ihnen auch nur ein Haar gekrümmt hat, werde ich ihn leiden lassen, bevor er stirbt. Ist bei dir alles okay?“, hakte Rylar nach und schaute ihr in die Augen. Ihr Herz hüpfte vor Freude, als er sie nach ihrem Wohlbefinden fragte. „Ich lebe, für alles Weitere ist es noch zu früh“, lächelte sie und ließ die mentale Erschöpfung außer Acht, die sie bei zu häufiger Anwendung ihrer Gabe befallen würde. Bereits die Kontrolle über den Kittelträger zu übernehmen hatte sie unangenehm viel Kraft gekostet. Zwar war ihr Körper müde und ausgelaugt, aber bisher war sie wenigstens mental fit gewesen. Kämpfen war wahrscheinlich nicht mehr drinnen, aber sie würde nichts unversucht lassen um Rylar eine Hilfe zu sein. Mit einem Lächeln zog sie eine Zange mit Lochförmiger Aussparung statt Zangengliedern vom Abstelltisch. In Zalrum wurde dieses Gerät, was beim betätigen mithilfe einer Klinge alles abknipste, was sich in der Aussparung befand liebevoll Fingerknipser genannt. „Gut, dass dieser Bastard das Ding hier nicht an dir zum Einsatz gebracht hat. Jetzt haben wir auf jeden Fall nach Cereza noch eine Chance uns näher kennen zu lernen.“, grinste sie schelmisch und Rylar seufzte. „Du gibst nicht auf oder?“, hakte er nach und klang dabei ernst. „Nein, jedenfalls nicht bis ich habe was ich will und so ein Interesse verfliegt bei mir nicht, also solltest du Cereza verlassen, solange wir noch jung sind. Wenn wir 70 sind, könnte das echt gruselig werden.“, brachte sie mit einem ernsten Lächeln hervor. Rylar schüttelte resigniert den Kopf. Er sagte nichts mehr dazu, was Cylara dazu brachte einen weiteren Einwurf beizusteuern. „Du wirst mich nicht mehr los, jedenfalls nicht leicht.“, erklärte sie ruhig. Und es war genau das, was sie dachte. Es gab immer das danach und sie würde ihm eine so gute Freundin sein, dass er ab dem Moment, in dem es zwischen Cereza und ihm aus war zwangsläufig zu ihr finden wüürde. Wenn es widererwartend kein Danach gab, dann wäre sie ihm und seiner Frau, wenigstens eine gute Freundin gewesen. „Wir sollten gehen, am besten bevor dieser Fleischberg wieder hier ist. Ich glaube nicht, dass ich ihm im Augenblick gewachsen bin.“, erklärte Rylar und sog tief die Luft ein. „Naja, wahrscheinlich bin ich es doch, aber man muss es ja nicht unbedingt herausfordern.“, erklärte Rylar mit ruhiger Stimme und ging nicht darauf ein, was er versprochen hatte. Er würde Glenn die Eingeweide herausreißen, weil er sie angefasst hat. Sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass er es wahr machen würde. Sie wusste, dass er ihr gegenüber nicht so schlecht gesonnen war, wie es den Anschein hatte, sie wusste sogar, dass er eine gute Meinung von ihr hatte, aber sie hatte sich den Weg zu seinem Herzen selbst verbarrikadiert, nun wurde es Zeit die Barrikaden nach und nach aufzulösen. Barrikaden, die sie selbst geschaffen hatte. Wie armselig. Rylar öffnete so vorsichtig er konnte die Tür und stand vor Cereza. Okay, ab jetzt sollte Cylara bestimmte Andeutungen lieber sein lassen.

 

Rylar starrte Cereza an und blinzelte, dann schloss er sie wortlos in die Arme. „Es ist schön zu sehen, dass es dir gut geht.“, erklärte Rylar mit sanfter Stimme, Cerzea erwiderte seine Umarmung und lächelte ihn zärtlich an, dann nickte sie Cylara zu, die ihr freundlich zuwinkte. Es war so unfassbar schön, sie wieder zu sehen. Er wusste nicht wie lange Glenn ihn verprügelt hatte, aber egal, wie lange er es noch getan hätte, das hätte er niemals aus ihm heraus prügeln können. „Du siehst aus, als wärest du gegen eine sehr stabile Wand gerannt.“, seufzte Cereza und schaute Rylar mit deutlicher Sorge an. „Mehrmals sogar, die Wand hieß Glenn und sie wird früh genug nachgeben.“, erklärte er und lächelte sie an. „Na wenn du das sagst, ich hoffe die Wand wird mindestens die gleichen Schmerzen haben wir du.“, entgegnete Cereza trocken, während sie Rylars Gesicht begutachtete. „Ich bin mir sicher, dass seine Fäuste ziemlich gepocht haben, davon abgesehen glaube ich nicht, dass ihm Schläge ins Gesicht schaden würden. Sie würden ihn maximal verschönern, was ehrlich gesagt nicht schwierig wäre.“, antwortete Cylara an Rylars Stelle und kam auf die beiden zu. „Du kannst stolz auf deinen Freund sein, er ist ein wirklicher Gentleman, er hat Glenn stets wie eine hilfsbedürftige Dame behandelt, davon abgesehen, hat er die beiden davon abgehalten mir Schaden zu zufügen, indem er nicht aufgehört hat sie zu provozieren. Ich habe noch nie gesehen, dass sich jemals ein Mann so dafür eingesetzt hat, dass man ihm auf die Fresse schlägt, aber er hat es getan um mich vor Schaden zu bewahren und dafür danke ich ihm.“, lächelte sie und Cereza grinste breit. „Dann würde ich mal sagen, dass mir dein zerschlagenes Gesicht sehr anziehend vorkommt.“, erklärte Cereza mit einem anzüglichen Blinzeln. Er konnte sehen wie Tessa hinter ihr die Augen verdrehte, Cylara hingegen kicherte über die Erwiderung. „Lass uns später darüber reden, wie gut ich aussehe, immerhin sind Damen anwesend.“, entgegnete Rylar und lächelte. Cereza nickte und ließ ihn los. Er reichte Cereza das Skalpell, was er im Kittel des Toten gefunden hatte. Cereza nahm es schweigend entgegen, dann gingen sie los. Rylar ging voran und zog dabei sein Messer. „Hier in der Nähe sollte irgendwo der Raum sein indem sie unsere Waffen aufbewahren.“, erklärte Rylar, als ihm ein wohltuender kalter Windstoß entgegenpeitschte. Sofort spürte er wie seine gröbsten Wunden verheilten und ihn neue Kraft erfüllte. Es war wahnsinnig nützlich ein Avatar des Windes zu sein, wenn er dort kämpfte, wo der Wind herrschte würde er nicht so schnell ermüden und seine Wunden würden schneller heilen. Tatsächlich fühlte er sich nach diesem einen verirrten Windstoß besser, als er es sonst nach mehreren Stunden Schlaf tat. Zwar durfte Rylar den Wind nicht dazu benutzen um Lebewesen zu töten, aber Untote gehörten nicht dazu, also hatte er im Kampf gegen Untote den Wind voll und Ganz auf seiner Seite. Bei Lebewesen hätte er die zerstörerische Seite des Windes ohnehin niemals eingesetzt. Für ihn war es schön, dass der Wind ihm strickte Regeln gegeben hatte, wozu seine Macht gebraucht werden darf und wozu nicht. Er wies den Wind an, mögliche Spuren auf dem staubigen Boden zu verwischen, die sie hinterlassen würden des Weiteren sorgte der Wind dafür, dass der Hall ihrer Schritte stark gedämpft wurde. Rylar schlich um die erste Ecke, er wusste zwar, dass dort niemand war, weil der Wind es ihm zuflüsterte, aber sicher war sicher. In seiner Kindheit hatte er sich geirrt, zugige Keller waren etwas Schönes. Jedenfalls soweit es ihn betraf. Den Wind wieder zu spüren war eine Wohltat, obwohl er wahrscheinlich erstmal wieder darauf verzichten musste. Fürs Erste. Rylar sog tief den Atem ein und fühlte sich mit einem Mal wieder stark, in seinem Ohr glaubte er die flüsternde Stimme des Windes zu hören, der mit sanfter Stimme sang. „Geh mein Krieger und bewahre den Frieden deiner Welt.“ Und das würde er. Mit entschlossener Miene ging er voran und schaute sich um. Nichts, kein Wärter, keine Leichen, keine Ratten, kein fremder Atemzug. Hier herrschte der Tod und der Wind trug keine Kunde von sich nähernden Kreatueren an sie heran. Das war nicht gut. Irgendwas stimmte hier nicht. Mit einem Mal war alles Anders. Nicht lebendig, nein, eine erdrückende magische Welle erfasste ihn und erschrak ihn zu Tode. Er konnte hören wie Cereza und die anderen dicht hinter ihm nach Luft schnappten und zu Boden gingen, doch als er sich ihnen zuwandte um ihnen beizustehen sah er nur Dunkelheit. „Was wollt sucht ihr in meinem Reich.“, erklang eine krächzende und eiskalte Stimme dicht hinter ihm, er konnte hören und spüren, wie sich eine dünne Eisschichte über seinen Mantel und den Boden legte. Rylar wandte sich langsam der Quelle der kalten Stimme zu. „Wer seid ihr, dass ihr die Katakomben unter der Stadt Inistra als euer Reich bezeichnet?“, hörte Rylar sich fragen und blickte in der Dunkelheit eisblau leuchtenden Augen entgegen, die sich im Schatten einer Kapuze verbargen. Kurz vor ihm schwebte eine dunkle Gestalt, deren Hände gebrechlich und dürr aus den weiten Ärmen des Mantels schälten, seine Beine waren von einem schwarzen Nebel umschlossen und Rylars Blick erwiderte den der Gestalt mit gleicher Kälte, obwohl ihm das Herz bis zum Halse schlug. „Ich bin Val´mar, der Schatten von Inistra, der Herr der Verdammten…“, begann die Gestalt und Rylar stieß einen tiefen Seufzer aus. Er hasste es, wenn sich irgendwelche Leute mit ihren Tausenden von Titeln und Beinamen vorstellten. „…Der Schrecken, der die Nacht durchflattert, der Rächer der Enterbten, Der Herold der Nacht, Der Polierer der Nachttöpfe und Verführer vieler Übergewichtiger Frauen, kommt zum Punkt, wir haben alle als Tellerwäscher angefangen.“, setzte Rylar fort, machte dabei keinen Hehl aus seiner Abscheu und verzog das Gesicht. Das war vielleicht nicht das diplomatischste Verfahren, aber er hatte es satt, dass jeder von ihm verlangte sich zu unterwerfen. „Ich bin der Gildenmeister von Godros, dem Reich der verlorenen.“, erklang die Stimme erneut an sein Ohr und Rylar senkte den Blick nicht, er glaubte zwar nicht. Als unangefochtener Meister der inoffiziellen Anstarrwettbewerbe von Inistra hielt er dem Blick der Gestalt stand. „Ich bin Rylar, Anwalt aus Vayrem, seid gegrüßt edler… zwischen den ganzen Beinamen hab ich euren richtigen wieder völlig vergessen.“, gab Rylar zurück. Er machte sich nicht lustig, er meinte es vollkommen ernst. „Val´mar. Was sucht ein Anwalt aus Vayrem in einem Reich in dem alle Richtsprüche bereits gefallen sind.“, erklang die Frage der Gestalt erneut und Rylar konnte spüren, wie der Tod aus jeder Pore ihres Körpers zu dringen schien. „Ich bin hier um mit meinen Gefährten nach Rakdos zu reisen. Wir hatten nicht geplant euer Reich zu betreten, aber wir hatten keine Wahl.“, erklärte Rylar mit ebenso finsterer wie auch kalter Stimme. „Was mein Reich betritt verlässt es nicht ohne ein Opfer zu bringen.“, erklang die kalte Stimme erneut und schien von überall her zu kommen. „Laut Abschnitt 15, Paragraph 5 des Gesetzbuches von Inistra, klage ich euch der Wegelagerei an. Jeder Reisende, der keine feindselige Absicht mit sich führt hat das Recht das Gebiet jeder Gilde zu durchqueren und zu betreten.“, hörte Rylar sich selbst sagen und wusste sofort, dass das nicht gut ausgehen würde. Die Wächter von Razzia zum Beispiel wurden dessen täglich angezeigt ohne sich auch nur ein bisschen darum zu schären. Das Gelächter der Gestalt war heiser und klang wie das Krächzen eines sterbenden Mannes. „Hier in meinem Reich gelten meine Regeln.“, erklang die Stimme der Gestalt und Rylar verzog angewidert das Gesicht. „Gut, ihr stellt euch also über das allgemeine Gericht. Angenommen ich spiele nach deinen Regeln. Was sollte ich tun um meine Gefährtinnen und mich aus dem Griff von Godros zu befreien.“, hakte er nach und klang dabei so respektlos, wie jemand, der nicht glauben konnte, dass es noch andere Gesetze als die Seinen gab. „Ein Leben… Für ein Anderes.“, erklang die Stimme des Gildenmeisters krächzend. „Das soll nicht heißen, dass wir frei sind, sobald jeder von uns ein Huhn oder eine Ratte tötet, nehme ich an.“, hörte Rylar seine eigene Stimme mit hartem Unterton fragen. „Hier in Godros gibt es genug Leben. Jeder, der das Gebiet der Gilde verlassen will muss das Blut eines anderen vergießen und seine Seele der Verdammnis überlassen.“, erklang die Forderung des Gildenmeisters. Rylar blickte ihm entgegen. „Gut, dann werde ich Vier eurer ‚Lebenden‘ töten.“, erklärte Rylar sich bereit und erwiderte den Blick der Gestalt noch immer fest und mit starkem Willen. Erneut erklang das finstere Gelächter der Gestalt und Rylars Blick verfinsterte sich. „Glaubst du, du seist Vier Seelen wert?“, fragte die Gestalt lachend und Rylar senkte den Blick noch immer nicht. „Nein. Aber abgesehen von meiner eigenen Seele werde ich auch die meiner Gefährten auslösen. Es ist nicht Notwendig wenn sie sich die Finger schmutzig machen.“, entgegnete Rylar und schaute ihn fest an. „Du möchtest das Risiko eingehen im Kampf gegen Vier Gegner zu fallen?“, fragte die Stimme des Gefallenen erneut und Rylar nickte. „Wenn ich sterbe, möchte ich, dass meine Seele als Wegezoll dient um Cereza auszulösen. Jeder Weitere, den ich töte soll angerechnet werden und jeweils einen meiner Gefährten entlassen. Erst der letzte Gegner löst mich aus. Das ist meine Forderung.“, erklärte Rylar mit festem Blick. „Diese Entschlossenheit erinnert mich an die alte Zeit, an den Paladin der Inquisition. Gegory Altaiir.“, erklang die Stimme des Untoten belustigt, doch Rylar konnte nicht glauben was er da hörte. Pater Gregory, Paladin der Inquisition? Das konnte einfach nicht wahr sein. Paladin, war der höchste Rang, der einem Inquisitor zuteil werden konnte. Und soviel Rylar wusste wurde der Rang des Paladins immer nur einer Person verliehen und das auf Lebenszeit, das bedeutete… Deshalb hatte er die Befugnis gehabt Rylar den Zugang zur Bibliothek zu ermöglichen. „Ich habe eine weitere Forderung. Ich spiele den Schnitter für vier noch lebendige Menschen, ich will erfahren, was ihr über Altaiir und die Inquisition der alten Zeit wisst.“, erklärte Rylar unerschrocken und hielt dem Blick weiterhin stand. „Ich soll einen beklagenswerten Wurm wie dich an meinem Wissen teilhaben lassen? Wieso sollte ich das tun?“, hauchte die Stimme leise und es klang wie der Tod selbst, der von alles Seiten an sein Ohr drang. Es wurde ihm nun allmählich klar. Das harte Training mit den Inquisitoren, das Studium der alten Schriften in der Bibliothek. Die Tatsache, dass Gregory immer darauf bestanden hat, das Rylar immer der beste Kämpfer war und der Pater Rylars Wissensdurst immer wieder auf die Nekromantischen Schriften gelenkt hatte. Das er verhindert hatte, dass sich Rylar bis heute der Aufnahmeprüfung der Inquisitoren stellte. Ein normaler Inquisitor ging nur dort hin, wohin ihn die Gilde Vayrem entsandte. Gregory wollte jedoch das Rylar die Stadt kennen lernte, sich mit ihren Sitten und Gebräuchen vertraut machte und lernte, welche Gilde welchen Ansichten folgte. Rylar wurde vom ersten Augenblick an, ab dem Moment in dem der Pater die Rolle seines Ziehvaters übernahm nur auf eine Verantwortung hin ausgebildet. Nicht nur Inquisitor zu werden, sondern der Paladin der Inquisitoren, die Rolle, die der Pater noch immer spielte im Verborgenen, weil Vayrem im Augenblick keinen Paladin brauchte. Doch der Pater war sich sicher, dass der Paladin eines Tages wieder gebraucht werden würde und, dass er, wenn es soweit war, zu alt sein würde um der Gilde Vayrem die Sicherheit zu geben, die sie benötigte. Rylar wollte wissen, was der Pater so fürchtete und er war sich sicher, dass dieses Geschöpf dieses Wissen besaß. „Weil ich Gregory Altaiirs Sohn bin.“, erklärte Rylar mit finsterer und bedrückender Stimme. Die Gestalt lachte laut. „Die gleiche Entschlossenheit, der gleiche Blick, die gleiche Kraft, die von dir und ihm ausgeht. Nun Gut, ich werde dir die Geschichte aus der Vorzeit erzählen, doch an einem Ort, den ich selbst bestimme.“, erklang die Stimme des Gildenmeisters erneut. „Gut, dann schicke mir die armen Trottel, die ich töten soll.“, erklärte Rylar finster und wusste, dass er eine Grenze überschritten hatte. Eine Grenze, die Gregory, niemals überschritten hätte. Er hätte sich niemals auf einen Handel mit einem Unheiligen Wesen wie diesem eingelassen, doch Rylar hatte keine Wahl, jedenfalls nicht, wenn er den Krieg verhindern wollte, der ganz Inistra in Schutt und Asche legen würde.

 

Cereza hatte Kopfschmerzen. Verdammt üble Kopfschmerzen. Sie hatte keine Ahnung was passiert war, jedoch konnte sie sich daran erinnern, dass es sich so angefühlt hatte als sei alle Kraft mit einem Mal aus ihrem Körper gewichen. Sie konnte sich nicht an einen Schlag auf den Kopf erinnern, auch nicht an einen Betäubungspfeil, schon garnicht an ein Tuch, was man ihr vor Mund und Nase gedrückt hatte. Sie war einfach mit einem Schlag unbekannter Herkunft komplett aus den Latschen gekippt. Sie öffnete die Augen und kurz, nur für einen Sekundenbruchteil war ihr schwarz vor Augen, dann jedoch zerfloss das Schwarz in ein Gemisch dunkler Farben. Vor sich sitzend sah sie blass die Umrisse eines Mannes. Rylar. Cylara und Tessa lagen, wie sie auf dem Boden, aber das hier war nicht mal annähernd der Ort an dem sie umgekippt war. Das hier war eine kleine Kammer, es sah aus wie ein Vorbereitungsraum für Kämpfer. Was war hier los? „Rylar? Was… Was ist passiert?“, fragte sie mit schwacher Stimme und ihre Kopfschmerzen peinigten sie, als sie versuchte sich aufzurichten. „Bleib liegen, mit dieser Art von Magie ist nicht zu spaßen.“, erklärte Rylar ruhig und blickte ihr entgegen. „Ich hatte eine kleine Audienz mit dem Gildenmeister von Godros. Freies Geleit unter der Bedingung, dass ich ihm vier Seelen zum Ersatz opfere. Gut, dass hier unten genug Menschen noch am Leben sind, die genau das gleiche zu tun versuchen.“, antwortete er auf ihre Frage. Seine Stimme klang melancholisch. „Du opferst ihm vier Seelen? Soll das etwa heißen du tötest für ihn vier Menschen?“, hakte sie nach und bereute sofort, ihren Kopf bewegt zu haben, denn Übelkeit und Kopfschmerz folterten erneut ihre Sinne. „Ja, ziemlich genau das werde ich tun. Falls ich sterben sollte, zähle ich als ein Opfer, das heißt einer von euch bekommt freies Geleit, für jeden der Vier Gegner den ich töte erhält ein weiterer die Freiheit, wenn ich alle vier töte, sind wir alle frei, einfach Mathematik schätze ich.“, seufzte Rylar und stützte das Gesicht auf seiner Hand ab. „Und wenn du keinen von ihnen töten kannst und stirbst? Dann kommt einer von uns frei?“, hakte sie nach und schaute ihn betrübt an. „Ja, dann kommst du frei, in diesem Fall möchte ich, dass du zurück nach Izarek gehst und ihnen und allen Gilden, die du in der kurzen Zeit erreichen kannst berichtest, dass sie sich auf einen Krieg mit Razzia bereit machen sollen und dass die Gilde Godros existiert und vielleichte in noch viel größeres Problem darstellt als Razzia.“, erklärte Rylar mit kalter Stimme, er sah abgekämpft aus. Diese ganze Begebenheit schien ihn wirklich zu belasten. Er wollte keine unschuldigen Menschen töten, die genau wie er in dieses Problem hineingestolpert sind. Als Jäger war es zwar gewohnt zu kämpfen, auch zu töten, aber Menschen zu töten, die sich nichts zu Schulden kommen lassen haben musste neu für ihn sein. Zu Gerne würde sie ihn jetzt umarmen, doch sie hatte das Gefühl kotzen zu müssen wenn sie sich größer bewegte und eine Umarmung mit Kotze, war trotz der zärtlichkeit der Umarmung immernoch zum Kotzen. Wow, sie hatte mal wieder ihre poetische Seite entdeckt. Mit einem ruhigen seufzen versuchte sie sich zu erheben, doch noch immer peinigten sie diese Übelkeit und diese verdammten Kopfschmerzen. Ihre Glieder trugen ihr Gewicht nicht, es fühlte sich so an, als bestünden ihre Arme und Beine aus Wackelpudding. Wackelpudding… Kein guter Zeitpunkt um ans Essen zu denken, aber sie hatte wirklich hunger. “Wage dich dich bei der Sache drauf zu gehen, weil… ich dich hiermit verpflichte mir einen Wackelpudding zu kochen, wenn das alles überstanden ist, klar?“, brachte sie hervor und grinste. Hah Cereza 1, Totgeweihte 0. Sie seufzte erneut, nicht mal das Punkte zählen machte Spaß, wenn es um das Leben eines geliebten Menschen ging. Sie nahm all ihre Kraft zusammen und kroch auf Rylar zu. Er sah überrascht aus, als er bemerkte, wie sie ihren Kopf auf seinen Schoß legte und sich an ihn schmiegte. „Du schaffst das, ich glaube an dich und wenn das alles vorbei ist… Entschädige ich dich für den ganzen Müll, den du hier erlebt hast.“, erklärte sie mit sanfter Stimme. Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Das ist nicht dein Problem, ich habe mich mein Leben lang mit dämlichen Entscheidungen in beschissene Situationen maövriert und habe mich auch immer selbst wieder daraus befreit. Ich habe in meinem Leben viele Dinge getan, auf die ich nicht stolz bin. Genug, dass die meisten Menschen mich allein aus diesem Grund meiden würden. Ich habe meinen Vater getötet, weil ich zu schwach war die Tortur zu überstehen. Ich habe genug Menschen getötet, dass ich in ihren Blut oft genug baden könnte um mein Leben lang eine rote Haut zu haben. Nur um meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Ich habe genug Respektspersonen respektlos behandelt, dass es den meisten Leuten kalt den Rücken herunter laufen würde. Und ich habe auch diesen Auftrag angenommen um Geld zu verdienen und Cylaras Leben zu schützen. Ich habe mich hier selbst herein manövriert und ich werde mich auch wieder aus dieser Situation befreien. Es ist alles wie immer. Du musst nichts wieder gut machen, oder mich für irgendwas entschädigen, weil es nichts mit dir zutun hat, dass ich mich in dieser Situation befinde.“, seufzte er und schloss die Augen. Ein Stöhnen erklang und Cylara und Tessa erwachten aus ihrem traumlosen Schlaf. Cereza konnte sich gut vorstellen, dass es ihnen nicht besser ging als ihr. „Wie ist also der Plan?“, fragte Cereza und versuchte ihn anzusehen. „Ich gehe da raus, töte vier Menschen, gehe mit Val´mar, dem Gildenmeister von Godros an einen bestimmten Ort um mir eine bestimmte Geschichte anzuhören und dann verschwinden wir von hier. Ich hoffe mein Plan lässt sich so einfach in die Tat umsetzen, wie er sich anhört.“, Rylar grinste finster und Cereza schloss die Augen. „Was hast du mit dem Gildenmeister von Godros zu schaffen?“, fragte sie mit sanfter Stimme und ihr Blick fand den seinen. „Es hat mit meinem Ziehvater und einer Sache zutun, für  die er mich ausgebildet hat. Irgendwann werde ich es dir erklären, aber im Moment ist keine Zeit dafür.“, erklärte Rylar und seufzte leise. Er schien tatsächlich ziemlich fertig zu sein, doch er ließ sich so gut wie nichts anmerken. Es war ein seltsames Gefühl hier bei Jemanden zu liegen, der soviele Sorgen hatte und jede einzelne davon für sich behielt um keinen anderen zu belasten. Sie spürte die Entschlossenheit, jeden seiner Freunde lebendig aus dieser Gruft heraus zu bringen, egal was passieren würde. Es war ungewiss ob er es schaffen würde, doch sie glaubte ganz fest an ihn. Erneut nahm sie all ihre Kraft zusammen und zog sich an ihm in die Höhe, ihre Lippen trafen seine, dann öffnete sich die knarrende Gittertür.

 

Seraphims Blick war wie versteinert, als er den Tank anblickte, in dem er zum zweiten Mal das Licht des Lebens erblickt hatte. Warum Vater diesen Ort für ihr Treffen genannt hatte war ihm ein Rätsel, aber es lag nicht in seiner Verantwortung Fragen darüber zu stellen. Viel eher sollte er Antworten erlangen. Antworten, die nur Vater ihm zu geben vermochte. „Vater… Ich…“, begann Seraphim so respektvoll wie möglich, doch Vater schnitt ihm mit einer energischen Geste das Wort ab. „Du redest erst, wenn ich es dir gestatte.“, erklärte Vater mit fester und harter Stimme, das weiße Haar hing ihm in kurzen Strähnen über dem Gesicht, der rote Umhang mit dem Emblem von Razzia darauf wies ihn als das aus, was er war. Der König. Der Befehlshaber, Vater und Gildenmeister von Razzia. Die nach vielen Jahren ergrauten Federn seiner Flügel waren an den riesigen Schwingen wie immer ein beeindruckender Anblick. Der Engel Psalm, der vor Urzeiten vom Himmel hinab stieg um diese Stadt mit seinen eigenen Händen zu erreichen. Doch Seraphim und seine Brüder und Schwestern nannten ihn Vater. Sie waren nicht seine leiblichen Kinder und doch floss sein Blut durch ihre Adern. „Kannst du dich an diesen Ort erinnern Seraphim?“, fragte Vater und schaute ihn aus rot leuchtenden Augen an. Seraphim schluckte und nickte dann. Wie könnte er diesen Ort jemals vergessen? Hier hatte er Qualen gelitten, Seite an Seite mit seinen Waffenbrüdern. Waffenbrüdern, die hier in diesen Laborathorien ihr Leben ließen um dem Schritt zu der ultimativen Waffe näher zu kommen. Einer Waffe, die nicht ermüdete und nicht zerbrach. Nichts anderes waren Seraphim und seine Geschwister. Lebendige Waffen, die dem Willen des Befehlshabers Folge zu leisten hatten. Eines Befehlshabers, der dem Wahnsinn schon vor Jahren anheimgefallen war, doch wer war er, der er solche Behauptungen aufstellte. Es lag nicht in seinem Recht seinen König in Frage zu stellen. „Ja Vater, ich erinnere mich.“, erklärte Seraphim und stand militärisch vor ihm still. „Hier hast du den Segen empfangen, ich erinnere mich daran wie du mir zum ersten Mal in die Augen geblickt hast Sohn. Es war ein denkwürdiger Moment, ein Moment in dem ich meine Überlegenheit, die Überlegenheit Razzias mehr als deutlich spüren konnte. Mein Kind, eine Waffe erschaffen aus meinem Blut und geführt durch meine Hand.“, erklang Vaters Stimme und sein Blick war in weite Ferne gerichtet. ‚Wahnsinniger Bastard‘, erklang die Stimme des Verrats in Seraphims Kopf, doch er rang sie nieder, er war sein Meister, sein König, sein Vater. Er war es, der ihm alles genommen und alles gegeben hatte. „Weißt du, Seraphim… Ich hätte nie geglaubt, dass ein lausiger Mensch in der Lage wäre mein Blut in sich aufzunehmen, doch du hast bewiesen, dass ihr nichtswürdigen Kreaturen doch zu Größe finden könnt, auch wenn ihr schwach und einfältig seid.“, erklang Vaters Stimme erneut und Seraphim war klar, welchem Einfluss die meisten seiner Geschwister ihre herablassende Art zu verdanken hatten. Vater ging voran und Seraphim folgte, ihr Weg führte sie zu einem Tank, in den eine wunderschöne, weißhaarige Frau lag, ihre Haut war genau so schneeweiß wie ihr Haar, ihre Proportionen weckten ein längst erloschen geglaubtes menschliches Verlangen in Seraphim und er schluckte, als er den roten Kristall betrachtete, der allmählich von ihrem Fleisch verschlungen wurde. „Sieh her Seraphim, deine jüngste Schwester Calene, sie wird mein Meisterwerk sein. Das beste was ich jemals geschaffen habe. Nehmt sie unter eure Fittische Seraphim, denn sie wird es sein, die einst deinen Platz einnehmen wird. Seraphim zuckte nicht mal. Es war klar, dass Vater niemals jemanden die Führung über seine Kinder überlassen würde, der die Frucht menschlicher Emotionen geschmeckt hatte. Er hatte längst eingesehen was er war, nur ein Prototyp. Er musste grinsen. Schade, denn es kommt nur sehr selten vor, dass der Prototyp besser ist als das Prestigemodell. Calene, mochte Vaters gunst genießen, doch er würde ihr Lehrer sein und er würde es sein, der sie letztendlich Treue schwören würde. Denn er würde es sein, der ihr zeigte was es hieß ein Mensch zu sein. „Der Sturm des Krieges zieht auf, er wartet nur auf die Ankunft meines Bauers um mich an den Platz zu bringen, an den ich gehöre. An die Spitze der Herrschaft. Diese Stadt gehört mir und ich werde nicht zulassen, dass ein Anderer Anspruch auf etwas erhebt was nur mir gebürt. Du wirst in der Schlacht mein Schwert sein, mein Seraphim, mein Vorkämpfer, mein erster Nephilim.“, die Stimme des Engels hallte, schwanger vom eigenen Wahnsinn durch das Labor, welches tief unter einem der Klöster der Gilde Razzia lag.

Impressum

Texte: Sven B
Bildmaterialien: Jessica K
Tag der Veröffentlichung: 27.02.2016

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Der Frau, die mir schon seit sechs Jahren permanent nachbrüllt, dass ich weiterschreiben muss. Jessica, vielen Dank du bist eine wahre Freundin, die es immer wieder schafft mich aufzubauen. Danke für alles.

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