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Prolog

Es war dunkel, die Nacht hatte die Stadt in ihr kaltes, dunkles Kleid gehüllt. Ein Kleid, welches dieser Stadt besser stand als die meisten anderen. Tropfen um Tropfen fand den Weg vom Himmel auf den kalten und staubigen Boden. Lyan zog den Kragen seines geschundenen schwarzen Mantels etwas höher, während er dem Takt lauschte, den Schritte und synchron prasselnder Regen zu spielen begann. Die irre Flucht war vorbei. Schon länger, doch so wirklich sicher fühlte man sich wohl nie. Lyan blies den Atem aus, weißer Nebel zerfaserte vor seinem Mund, als er inne hielt. Zwar war es dunkel, jedoch erhellte das Licht des vollen Mondes die Welt um ihn soweit, dass er die riesigen Türme des Schlossähnlichen Gebäudes, weit abseits der Stadt gerade so erkennen konnte. Die Lazarus Akademie. Einer der wenigen Orte dieser Welt die eine Illusion von Schutz schenkten. Er seufzte, die Illusion von Schutz war immer noch besser als sich schutzlos und allein zu fühlen. Er wollte einfach nur vergessen was geschehen war. Zwar war all das schon so lange her, doch noch immer plagten Lyan Gedanken an sein altes Leben. Seine Hand strich über die große Sporttasche, deren Last seine Schulter trug. Ein Geschenk seiner alten Freunde, die alles für ihn geopfert hatten, ehe er ihnen einfach den Rücken gekehrt hatte. Er fühlte sich schlecht, obwohl er wusste, dass es notwendig gewesen war. Seine Freunde hatten alles gegeben, damit er fliehen konnte und er würde diese Bürde tragen, wahrscheinlich bis an sein Lebensende. Seine Freunde hatten es ihm ermöglicht die Lazarusakademie zu erreichen. Der einzigen Schule, die Menschen und Demos gleich behandelten und unterrichteten. Demos. Bei dem Gedanken an dieses Wort, mit dem er sein ganzes Leben lang bezeichnet worden war schmerzten die Narben auf seinem Rücken. Nichtmensch. Das war es was dieses Wort ausdrückte. Es beschrieb alles auf dieser Welt außer die Menschen selbst. Sein Leben lang hatte man ihn so genannt, sein Leben lang war er unter das Wort der Menschen gezwängt worden. Zwar gefiel es ihm nicht mit Menschen zusammen zu arbeiten, jedoch war es nicht nötig den Menschen, die den älteren einfach nachplapperten, den gleichen Hass entgegen zu bringen, den sie selbst zelebrierten. Das hatte er bereits vor langer Zeit bemerkt. Zwar hegte er noch immer eine gewisse Abneigung gegen Menschen, jedoch war der brennende Hass in ihm verschwunden. Er würde an dieser Schule zusammen mit Menschen und Demos unterrichtet werden, würde Klausuren schreiben, lernen und aufgrund seiner mangelnden Sozialkompetenz nicht zum beliebtesten Schüler der Schule gewählt werden. Es brach ihm das Herz. Sichtlich betroffen von seinen Gedanken setzte er mit sarkastischer Miene den Weg zur Schule fort. Schritt für Schritt schwand seine Vergangenheit hinter ihm und blieb zurück. Machte Platz für ein neues Lbeen. Hoffentlich ein besseres, aber wer konnte das schon wissen. Vor drei Tagen hatte er sich an der Schule angemeldet und kam trotzdem erst jetzt an. Ein seltsames Gefühl. Erst jetzt realisierte er , dass es wie aus Eimern regnete. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und seufzte unwillkürlich. Das Wasser machte ihm nichts aus, aber das Zusammenspiel von Dunkelheit und Regen hatte etwas äußerst deprimierendes an sich. Er näherte sich der Akademie immer weiter. Nicht mehr weit, bald würde er im trockenen sein, bald würde er sich ausruhen können. Mit entschlossenem Blick setzte er seinen Weg fort. Vor den Toren der Akademie hielten zwei Gestalten Wache. Eine der beiden Gestalten kam auf Lyan zu. Lyan verkrampfte sich innerlich. Der junge Mann der auf ihn zukam trug seltsame helle Kleidung. Ein eher eigentümliches Outfit. Nach längerer Betrachtung fiel Lyan auf, dass nicht nur die Kleidung des Mannes seltsam war. Auch seine Frisur sah… Lyan würde das Gebilde, was entfernt an ein Stachelschwein mit viel zu dicken Stacheln erinnerte als … interessant einordnen. Der Blick des Mannes war so kalt, dass er vielen einen Schauer über den Rücken jagen würde, Lyan aber hielt dem Blick mühelos stand und gab ihn mit wahrscheinlich zehnfacher Intensität zurück. Der junge Mann sah kurz verunsichert aus, fing sich aber gleich wieder und blieb gute drei Meter von Lyan entfernt stehen. »Was willst du?«, fragte der Mann unhöflich und Lyan verzog verächtlich das Gesicht. Kurz dachte er darüber nach zu sagen er wolle plündern, morden und brandschatzen, entschied sich dann aber für eine vernünftigere Methode. »Mein Name ist Lyan Lights, ich habe mich vor Kurzem auf der Schule eingeschrieben und bin jetzt angekommen.«, antwortete Lyan mit einem netten Lächeln, was aber wahrscheinlich eher Mordgedanken, statt Freundlichkeit ausdrückte. Sein Gegenüber zuckte merklich zusammen. Lyan lächelte in sich hinein. Dieser Kerl war nicht schwach und würde wahrscheinlich Kleinholz aus ihm machen aber Auftreten war eben alles. Zwar hatte Lyan schon oft gekämpft und nicht selten auch gewonnen, jedoch fehlte ihm das Selbstvertrauen, sich selbst als guten Kämpfer zu bezeichnen. Möglicherweise hätte er eine Auseinandersetzung für sich entscheiden können, doch Lyan hatte seine Zweifel daran. Außerdem war es für beide Seiten immer gesünder, wenn man seine Auseinandersetzung mit Blicken und Worten regelte. Der andere Wächter zog eine Liste aus der Tasche und warf einen Blick darauf. Er trug einen langen Kapuzenmantel, deren Kapuze er sich geschickt ins Gesicht gezogen hatte, sodass sie sein Gesicht perfekt in den Schatten der Nacht verbarg. Es hätte Lyan gewundert wenn der Wächter so überhaupt etwas auf seiner Liste erkennen konnte. »Hier stehts… Lyan Lights… Neuer Schüler.«, gab der Wächter mit der Kapze kund. Die Stimme klang weiblich. Natürlich tat sie das. Vermummte Menschen waren immer weiblich… Warum hatte Lyan aus seiner Vergangenheit diesbezüglich nichts gelernt? Der Igelkopf verzog das Gesicht und betrachtete Lyan kritisch. »Wenn du hier Ärger machst, dann…« »Werde  ich mich sofort persönlich bei dir melden und das entstandene Problem gemeinsam mit dir zu beseitigen.«, schnitt ihm Lyan das Wort ab. Igelfrisur wurde kreidebleich. Offensichtlich hatte er den Sinn der Wortwahl und vor allem die Satzstellung kapiert. Kapuze offensichtlich auch, denn sie kicherte sanft. Anscheinend war es bisher noch nicht vielen gelungen die Stachelschweinfrisur dermaßen blass werden zu lassen. Allerdings wechselte das kalte blass in seiner Visage sehr schnell zu einem überhitztem rot, als er das Kichern seiner Kollegin hörte. Anscheinend hatte Lyan ihn in Verlegenheit gebracht. Sowas aber auch. Lyan schenkte ihm ein nettes Lächeln und bereitete sich auf einen Angriff von Stachelschweinschädel vor. Er wollte nicht kämpfen, aber verprügeln lassen wollte er sich auch nicht, dann kam also nur noch eine Möglichkeit in Betracht. Er musste ihn so demütigen, dass er das Interesse an einer körperlichen Auseinandersetzung verlor. Stachelfrisur griff nicht nach einer Waffe, also ging Lyan davon aus, dass Stachelfrise mit bloßen Händen angreifen würde. Er betrachtete die Haltung seines Gegners, die linke Schulter leicht nach vorne geneigt um Schwung für den Anderen zu holen. Rechtsausleger. Lyan sah ihm in die Augen und lächelte, er wartete. Die Kapuze blieb ruhig. Lyan hielt Stachelschweinkamms hasserfülltem Blick mühelos stand. Und dann geschah es. Stachelchen griff an, er holte wie erwartet rechts zum Schlag aus, während Kapuze enttäuscht von seiner Selbstbeherrschung den Kopf schüttelte. Lyan wich der heranrasenden Faust im großen Bogen nach links aus, packte Stachels rechten Arm, trat schnell nach seinen Beinen und fegte sie weg, sodass er fiel. Lyan hatte wahrscheinlich nur diese eine Chance, also nutzte er sie. Instinktiv holte er aus, sog die Luft ein und schlug so hart er konnte gegen den Arm seines Gegners. Es krachte und knirschte, dann erklang Stachels Schmerzensschrei und vermischte sich mit dem Klang der Regentropfen zu einer eigentümlichen Symphonie von Schmerz und Trauer. Er ließ den Arm los und Stachel begann sofort ihn mit der linken Hand zu umklammern. Der Knochen war nicht nur gebrochen, sondern hatte sich auch etwas verschoben. »Das solltest du dringend richten und schienen lassen.«, erläuterte Lyan mit kalter, monotoner Stimme. Sein Blick sprach Bände, einer dieser Bände trug den Namen: „Greife an und erlebe die Konsequenzen.“ Der junge Wächter war selbst schuld, niemand hatte ihn gezwungen Lyan anzugreifen. Sein Gegenüber war durch seine eigene Wut verwirrt gewesen. Lyan hatte leichtes Spiel gehabt, dies zeigte er allerdings nicht. Seine Faust tat nach dem Frontalzusammenstoß mit Stachels, nun gebrochener Elle, verdammt weh, doch auch diesbezüglich ließ Lyan sich nichts anmerken. Er ignorierte den Schmerz. „Ersticke das Unheil an der Wurzel.“ So hatte er es gelernt und so hatte er gehandelt. Er hatte Stachelkopfs Zorn in körperlichen Schmerz verwandelt und ihm somit schnell und effizient den Willen zum Kampf genommen. Das war bedauerlicherweise nicht immer so einfach wie in diesem Fall. Nun kam Kapuze auf Lyan zu. Sie starrte ihn unter der Kapuze an. »Du stehst auf der Liste, Zimmer 166 im ersten Stock. Ich muss Captain Stachel ins Krankenzimmer bringen. Mach keinen Ärger.«, seufzte das Kapuzenmädchen und zog „Captain Stachel“ am linken Arm wieder auf die Füße. Captain Stachel verzog beim Aufstehen schmerzerfüllt das Gesicht. Zusammen gingen die beiden auf die Hauptpforte des riesigen Gebäudes zu. Lyan folgte ihnen mit kurzem Abstand. Unauffällig bleiben hat wohl am ersten Tag noch nicht so gut geklappt, hoffentlich würde es ab jetzt klappen. Das glaubte er doch wohl selbst nicht. Wenn irgendjemand gesehen hatte was vor der Hauptpforte geschehen war würde es sich wie ein Hauptpforte geschehen war würde es sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Das durfte auf keinen Fall geschehen. Natürlich war es kein Kunststück ein Großmaul vor den Toren der Schule umzuhauen, doch das würde nur der Anfang sein. Er musste sich ab jetzt zurückhalten. Wenn er nicht auffallen wollte. Und auffallen war das letzte, was er wollte. Die Zeit würde zeigen ob er ein ruhiges Leben führen konnte. Er hoffte inständig, dass keiner seiner neuen Mitschülereines seiner Geheimnisse aufdecken würde. Das hieß Abstand nehmen soweit er konnte Er hatte bereits festgestellt, dass es ihm nicht lag Freunde zu haben, also sollte er das nicht noch ein zweites Mal auf die Probe stellen. Er würde sein Leben einsam leben. Seine Geheimnisse zwangen ihn dazu. Er würde kalt und verbittert sein, jeden der ihm Wärme oder Freundschaft entgegen bringen wollte abweisen und auf Abstand halten. Aber so wie er sich kannte würde ohnehin niemand Interesse daran haben ihn kennen zu lernen. Das war wahrscheinlich auch besser so.

Kapitel I

Atmosphäre ist alles. Als Lyan sein neues Zimmer betrat musste er unwillkürlich grinsen. Es war klein, glich eher einer Abstellkammer als einem echten Zimmer. Man hatte hier ein einfaches Bett mit einer durchgelegenen Matratze für ihn bereitgestellt. Die Dunkelheit im Zimmer und das konstante Trommeln des Regens gegen die Fenster verliehen dem Ort eine seltsam unheimliche Atmosphäre. Wenigstens musste Lyan sich das Zimmer nicht mit anderen teilen. Er sah sich um. In dem kleinen Zimmer fanden das Bett, ein Stuhl und ein winziger Schreibtisch Platz. Mehr als Lyan benötigte wenn er recht darüber nachdachte. Er hatte den Tisch selbst mit einbezogen drei Gegenstände mit denen er einen Eindringling töten konnte. Außerdem drei Sitzgelegenheiten. Was wollte man mehr. Er gähnte, dann schaute er sich um. Es war bestimmt schon drei Uhr morgens. Was man mehr wollte, als drei, auf vielseitige Arten einsetzbare Sitzgelegenheiten? Schlaf. Er zog den Mantel aus und hing das schwarze, geschundene Kleidungsstück über den Stuhl und setzte sich sogleich auf das Bett. Die Matratze hätte er gleich wegnehmen können. Der Lattenrost war wahrscheinlich gemütlicher. Er seufzte. Gerade als er sich fragte ob er zwei oder doch drei Holzlatten durch den Schleier aus dem Material aus dem diese Matratze bestimmt irgendwann mal bestanden hatte, an seinem Hintern spürte flog die Tür auf. Lyan war zu müde um zu zucken. Stattdessen warf er der jungen Frau, die offensichtlich angeheitert dort stand wo er an guten Tagen eine geschlossene Tür erwartet hätte, stand. Anscheinend war das kein guter Tag. Endlich hatte Lyan den Türaufbrechenden Beweis. »Hallo Neuer! Na wie isses so in deinem neuen Loch?«, lallte das zierliche, schwarzhaarige Mädchen mit der halbvollen Flasche Rum in der Hand. Jedenfalls glaubte Lyan, dass es sich um Rum handelte. »Zuerst war es ruhig, jetzt ist es laut. Die Isolierung muss hinüber sein.«, seufzte er mit einem deutlichen Klang von Ironie in der Stimme. »Nein du Dummkopf… ich bin laut… Nicht die Isolierung.«, lallte die junge Frau. »Was du nicht sagst…«, seufzte Lyan mit einer, vor Sarkasmus geradezu triefender Stimme. »Hey das ist nicht nett, immerhin bin ich extra hergekommen um dich her willkommen zu heißen.«, gab das Mädchen halb singend zurück. »Na wenn das so ist… Vielen Dank, aber jetzt entschuldige mich bitte. Ich bin müde… Da ist die Tür.«, gab Lyan zurück und schüttelte etwas den Kopf. »Hey du bist echt gemein, du kannst eine Lady doch nicht einfach rausschmeißen…«, meckerte sie. Es stimmte… Betrunkene Menschen waren noch schwieriger als nicht betrunkene. Lyan riss sich zusammen. Keine Toten am ersten Tag. Bedächtig seufzte er. »Hör zu… Ich bin müde und deshalb etwas gemein…«, versuchte er es auf die nette Tour und hoffte inständig, dass sie es nicht falsch verstehen würde. Sie grinste. Offensichtlich hatte sie es falsch verstanden. »Meine Schwester sagt immer, wenn ein Mann zu einer Frau sagt er sei müde ist ihm die Frau zu langweilig, oder er will sie mit ins Bett nehmen.«, grinste sie verführerisch. Gott segne die Menge an großen Schwestern, die ihre perversen Anekdoten mit ihren kleinen Schwestern teilten… Lyan seufzte. Warum konnte man ihn nicht einfach mal verschonen? Er entschloss sich ihr die Wahrheit zu sagen, doch wie erklärte man einer Frau am besten, dass sie langweilig war? »Du bist langweilig.«, platzte es unvermittelt aus Lyan heraus. Das Mädchen schaute ihn entgeistert an. Offensichtlich hatte sie mit einer anderen Reaktion gerechnet. Sie verschränkte die Arme und schaute ihn trotzig an. »Dann werde ich dir jetzt zeigen, dass ich nicht langweilig bin.«, gab sie mit trotziger Stimme zurück. Oh bitte nicht… Das konnte doch unmöglich ihr ernst sein. Er begriff, dass es völlig egal war was er sagte. Er seufzte. »Also was willst du machen?«, fragte das Mädchen lallend. Lyan war klar was er machen wollte, doch wenn er jetzt sagte, er wolle schlafen, würde er aus dieser Sache nicht mehr heraus kommen. Es blieb ihm also nur zu hoffen, dass sie wasserscheu war. »Mir ist plötzlich nach einem langen Spaziergang im Mondschien.«, gab er mit so wenig Ironie wie möglich kund. Das Mädchen rannte zum Fenster, öffnete es und begann zu brechen. Wow, diesen Spruch musste er sich unbedingt merken. »aber ich glaube für heute ist der Spaß für dich vorbei«, ergänzte er  mit einem Lächeln. Ein Hoch auf den Alkohol. Wer wusste schon ob er sie sonst jemals losgeworden wäre. Im Moment war er einfach nur froh, dass sie endlich genug hatte. »Okay dann gehen wir spazieren.«, lachte sie, als sei nichts gewesen. Das konnte doch einfach nicht wahr sein. Es war doch unmöglich, dass sie das jetzt ernst meinte. »Nein, du gehst jetzt schlafen!«, demonstrierte Lyan und schaute sie finster an. »Na da hat es aber jemand eilig, okay, wenn du möchtest können wir auch zusammen schlafen gehen.«, lächelte sie zurück. Sie bekam wohl schon länger nichts mehr mit. Er schüttelte den Kopf. »Ich meinte damit, dass du alleine schlafen gehst.«, ergänzte Lyan und schaute sie ernst an. Hatte sie begriffen? Sie schaute Lyan kurz an und zog dann eine Schnute. »Aber ich bin langweilig wenn ich schlafe.«, brachte sie unter der gezogenen Schnute hervor. Nein Lyan ganz ruhig… Sei nett… Sag nichts… Kurz dachte er darüber nach „Du bist auch so langweilig“ zu sagen, aber er verwarf den Gedanken kurz darauf wieder. Er atmete tief durch. Wie machte er es richtig? Was sollte er tun? War er überhaupt dazu in der Lage das richtige zu tun? Gute Frage! »Also gut, ich bring dich zurück in dein Zimmer, auf dem Weg dorthin hast du noch genug Zeit um mich davon zu überzeugen, dass du nicht langweilig bist.«, seufzte er langgezogen, doch sie schien das Seufzen zu überhören. Sie grinste und wollte gerade noch einen Schluck Rum herunterschütten, als er ihr die Flasche behutsam aus der Hand nahm. »Und die Flasche nehme ich so lange.«, lächelte er sie ironisch an. Kurz dachte er darüber nach selbst einen Schluck zu nehmen, wiederstand dem Verlangen dann jedoch erfolgreich. Allmählich dachte er, an dieser Schule könnte ihn nichts mehr überraschen. Er war nicht mal eine Stunde hier und schon hatte er einem Widerling den Arm gebrochen und war von einer betrunkenen Frau angebaggert worden. Was konnte ihn wohl jetzt noch überraschen? Sicherer Ort hin oder her, diese Schule stank ihm jetzt schon gewaltig. Mal sehen, was ihm die nächsten Tage so bringen würden. Egal was es war. Es würde nichts Gutes sein. »Also geh vor.«, begann Lyan mit ruhiger und gesetzter Stimme. Bloß keine lauten Geräusche oder plötzlichen Bewegungen, nicht, dass sie ihre Meinung doch wieder änderte. Wundern würde es ihn nicht. Sie nickte freudig und schwankte aus dem Zimmer. Lyan stand auf und ging ihr nach. Zwar hatte er mit dem Gedanken gespielt einfach hinter ihr die Tür abzuschließen, aber das würde sich ohne Schlüssel wohl als schwierig erweisen. Auf dem Weg zu ihrem Zimmer erzählte sie noch ein paar sagenhaft uninteressante Fakten über sich selbst, ehe sie, in ihrem Zimmer angekommen, einfach aufs Bett fiel und regungs-, wie auch lautlos liegen blieb. Endlich war Ruhe. Lyan ging in sein Zimmer zurück und legte sich aufs Bett. Es war immer noch wahnsinnig unbequem, doch damit konnte er leben. Mal sehen ob sein Rücken es auf Dauer auch konnte. Ein bitteres Lächeln schlich sich auf seine Lippen als er seine Zimmerdecke anstarrte. Ein äußerst lebendiges Mädchen. Er hatte sie gar nicht nach ihrem  Namen gefragt. Das würde sich jedoch bald ändern. Er hoffte nur, dass das Mädchen sich nicht an das Ereignis des heutigen Abends erinnern würde. Um ihretwillen. Er lächelte in sich hinein. Solche Menschen gab es also auch, das war interessant. Seine Narben schmerzten im Gedanken an die Art Mensch, die er bisher kennen gelernt hatte. Vielleicht hatte er sich in ihnen getäuscht. Eher nicht. Entschlossen schüttelte er den Kopf. Menschen hatten einen Hang zur Grausamkeit. Was das betraf waren sie Dämonen sehr ähnlich. Doch da war noch etwas. Eine Kleinigkeit, die Menschen manchmal noch gefährlicher und unberechenbarer machte als viele Dämonen. Angst und ein nahezu unbändiger Hass auf jenes, was sie fürchteten. Seine Augen schlossen sich allmählich vor Erschöpfung. Es war genug für heute. Es wurde Zeit, sich über die nächsten Tage Sorgen zu machen. Was auch immer passieren würde, Lyan würde daran teilhaben, so oder so. Die Müdigkeit übermannte seinen Verstand und allmählich sank er ins Reich der Träume hinab.

Sein Wecker war wie eine Sirene, die in nie gekannter Intensität lärmte. Seltsam, dabei besaß er nicht mal einen. Erst recht keinen, der ihn am Kragen packte und schüttelte, während er ihn ins Gesicht brülle: »Wach auf Neuer! Los!«, kurz dachte er darüber nach, den „Wecker“ mit einem gezielten Hieb auf die Schädeldecke auszuschalten, besann sich dann aber doch eines Besseren und richtete sich auf. Als er die Augen öffnete, schob sich ein hübsches Gesicht zwischen den Anblick des leeren Raumes, den er eigentlich hatte genießen wollen. Er stieß einen Seufzer aus, als er das Gesicht erkannte. Das Mädchen, deren unfreiwillige Bekanntschaft er bereits in der Nacht gemacht hatte. »Na wieder nüchtern?«, fragte er mit einem Lächeln, was eher die Tatsache unterstrich, dass es ihn eigentlich kein Bisschen interessierte. Dennoch wandelte sich die Farbe ihres Gesichts von einem verärgerten, leichten Rotton in einen wütenden Knallrotton. »Steh auf!«, rief sie erneut. Lyan gab ein langgezogenes Seufzen von sich. »Ist ja schon gut, aber hör auf zu schreien.«, gab er zurück und richtete sich auf. Eine Hand bewegte sich zu seiner Stirn. Eine Geste aus reiner Gewohnheit. Er fühlte sich weder schlecht, noch hatte er Kopfschmerzen. Ganz im Gegenteil, er hatte lange nicht mehr so ruhig geschlafen. Normalerweise quälten ihn Albträume, die ihn zwar meistens schlafen ließen, ihm jedoch die Erholung versagten. Es war zwar schade, dass er nicht noch weiter schlafen konnte, jedoch brachte es nichts deshalb Trübsal zu blasen. Anscheinend war es die junge Frau vor ihm nicht gewohnt, dass man aufstand, bevor sie zu dem Eimer Wasser greifen musste, der, wie er nun bemerkte bereits neben seinem Bett stand. Vielleicht das nächste Mal. »Ich nehme mal an, dass du mich nicht ohne Grund geweckt hast. Also? Was gibt’s?«, hakte er nach, während er sich die Stirn rieb. »In einer halben Stunde beginnt der Unterricht, den willst du doch nicht verpassen oder?«, mahnte sie ihn und er schüttelte bereitwillig den Kopf. Nicht auffallen Lyan, mach keine Szene und bleib ruhig. »Ich habe noch keinen Stundenplan.«, seufzte er und schaute sie an. »Ich leih dir  später meinen.«, lächelte sie leicht. »Was haben wir für Unterricht?«, fragte Lyan nach und schaute sie an. Das mit dem Lächeln hatte er offensichtlich noch nicht so gut drauf. Das Mädchen, deren Namen er immer noch nicht kannte, grinste leichthin und drehte sich um. Anscheinend wollte sie ihm nicht sagen, was ihn erwartete. »Wie heißt…«, begann Lyan, ehe er von einer lauten Stimme unterbrochen wurde. »Sia bist du fertig?«, fragte die laute, aber freundlich klingende Stimme nach, die offensichtlich zu einem jungen Mann gehörte, der sich grade um die Ecke der offenen Tür bewegt hatte. Der junge Mann hatte langes weißes Haar, was auf dem Rücken zu einem komplizierten Zopf zusammen gebunden war. Sein Gesicht hatte harte Züge und war makellos, dazu wirkten seine seltsamen rotbraunen Augen etwas grotesk. Er trug einen dunklen Umhang an dessen Rückseite zwei schmale Halfter in denen Messer hingen. »Der neue hier  hält den ganzen Betrieb auf.«, entgegnete Sie mit gespielt genervten Tonfall und zuckte dann mit den Schultern. Lyan zwang sich zu einem, wenn auch etwas verbissen wirkendem Lächeln. »Sia… Der neue hat bestimmt auch einen Namen.«, gab Marek zurück und grinste. Sia schaute ihn völlig baff an und bemerkte es dann, sie hatte ihn noch gar nicht nach seinem Namen gefragt. »Gute Frage… Wie heißt du eigentlich?«, hakte Sia nun schnell nach. Lyan schenkte ihr einen Gesichtsausdruck der vielleicht wie ein Lächeln ausgesehen hätte, hätte er es auch nur im Entferntesten so gemeint. Ab jetzt war es amtlich. Er war mit Abstand der schlechteste Schauspieler der Welt. »Mein Name ist Lyan.«, gab Lyan kurz angebunden zurück. Der junge Mann hielt Lyan eine Hand entgegen. »Mein Name ist Marek.«, entgegnete er mit einem ehrlichen Lächeln. »Und dieses ungehobelte kleine Teufelchen hier ist Sia.«, grinste er und verpasste ihr einen sanften Schubs in den Tücken, sodass sie vorwärts stolperte. »Tja, wir haben noch 20 Minute, fünf davon um dich fertig zu machen, das Bad dürfte frei sein.«, Lyan nickte kurz und machte sich auf den Weg ins Bad.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 30.07.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
All denen, die mein Buch Beast Academy mochten und sich ewig fragten, warum es nicht weiter ging.

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