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Prolog

Der Himmel zeigte allmählich das alltägliche Orange der untergehenden Sonne. Der helle, aufdringliche Schein des Sommers nahm ab und machte einem sanften Zwielicht platz, was sich allmählich auf die Welt und die Seelen aller Menschen legte. Arivila liebte diesen Moment. Sie hasste das bloße Angesicht der Sonne, wie sie auf alle herablächelte ohne Gnade und heiß wie Feuer. Dieses Zwielicht, welches der Sonnenuntergang verkörperte war das was sie liebte. Sie feierte keinen Niedergang, kein Ende des Tages oder einen Verlust. Sie liebte die sanfte Seite der Sonne, die in dieser Jahreszeit einfach viel zu selten zum Vorschein kam. Lächelnd verabschiedete sie sich von ihren Freundinnen Alisa und Sandra, die sie heute wieder einmal zum lächeln gebracht hatten. Nach allem was geschehen war. Ein Schatten der Trauer legte sich kurz auf ihre Augen, doch verzog sich gleich wieder. Sie durfte nicht daran denken. Sie musste es einfach vergessen. Ihn einfach vergessen. All den Stress und die Strapazen loslassen. Alles was geschehen war. Sie atmete tief durch und zählte innerlich bis drei. Man hatte ihr gesagt, dass viele Psychologen dies vorschlugen wenn man sich in einem bevorstehenden Wutanfall zu verlieren schien. Sie selbst hatte nie viel für Psychologie übrig gehabt. Natürlich half sie ihren Freundinnen gerne aus Problemen, doch im Endeffekt war dies verlogen, denn dies bedeutete sich lieber mit den Problemen anderer abzulenken, als sich mit den eigenen zu befassen. Eine Verdrängungstaktik, die oft funktionierte, doch diesmal nicht. Diesmal war sie diejenige gewesen, die explodiert war, die ihren Gefühlen freien Lauf gelassen hatte. Was ihre Freundinnen gesagt hatten half ihr für den Augenblick, doch sie wusste, dass die Sache damit noch lange nicht abgeschlossen war. Sie biss sich stark auf die Lippen um sich auf den Schmerz konzentrieren zu können. Zwecklos. Der Schmerz in ihrem Inneren war zu groß und unnachgiebig. Alles was geschehen war gab ihr zu denken. Erneut zählte sie innerlich bis drei und versuchte dem Schmerz beizukommen, versuchte ihn hinter einer dünnen Mauer weg zu schließen, doch die Trauer floss unbehelligt aus ihr heraus. Fertig mit den Nerven ließ sie sich auf eine Parkbank fallen. Sie kannte diesen Ort, sie wusste, dass hier so gut wie nie jemand vorbei kam. Sie stützte ihr Gesicht auf die Hände und versuchte ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Zwar flossen Tränen über ihr Gesicht, doch sie wurde den Schmerz einfach nicht los. Eher verdichtete er sich noch mehr tief in ihrem Inneren. Allmählich schluchzte sie und immer mehr Frust und Trauer bahnten sich einen Weg über die sonst so feste Fassade. Einen Moment lang heulte sie wie ein kleines Mädchen und genau in diesem Moment geschah es. »Geht es Ihnen gut? Warten sie... Ich habe hier irgendwo...«, hörte sie eine sanfte, wenn auch sehr raue Stimme ganz in ihrer Nähe sagen. Sie schreckte auf und blickte einem jungen Mann entgegen. Er war vielleicht 18 oder 19, also kaum älter als sie selbst und hatte kurzes schwarzes Haar, was ihm etwas über die Ohren reichte und in weichen Spitzen über sein Gesicht glitt. Seine Augen waren dunkel und schienen eher ein Gefängnis als ein Spiegel für seine Seele zu sein. Er kramte in seiner Tasche herum und fischte letztendlich ein unbenutztes Taschentuch heraus, das er ihr hin hielt. Im ersten Moment war sie verblüfft und fragte sich was dieser seltsam aussehende Typ von ihr wollte, dann bemerkte sie wie feucht ihr Gesicht war. Und dann erinnerte sie sich wieder an die Trauer, die sie vor so wenigen Momenten überrollt hatte. Wieder biss sie hart die Zähne aufeinander. Und wieder konnte sie ein schluchzen nicht unterdrücken. Sie wollte nicht weinen, nicht vor einem Anderen. Nicht vor jemanden, den sie nicht kannte. Und schon gar nicht vor einem wie ihm. Er sah zwar gut aus, war nicht zu fett oder zu schlank, er trug keine Piercings im Gesicht hatte kein dummes Grinsen auf der Fresse stehen, aber er war eindeutig nicht ihr Typ. Viel eher hatte er einen traurigen Gesichtsausdruck. Na toll jemand der Mitleid heucheln will, dachte sie im ersten Moment, doch als sie ihn genauer betrachtete bemerkte sie, dass seine Trauer mit der Ihren nichts zu tun zu haben schien. »Ich will mich nicht aufdrängen... aber sie sehen so aus als bräuchten Sie jemanden zum reden...«, begann der Junge erneut und sie runzelte herablassend die Stirn. Was war dieser Typ? Ein Psychologiestudent, der zuviel Zeit hatte oder einfach nur nach einer Möglichkeit suchte sein Fach etwas auszuüben? Auf so etwas konnte sie verzichten. Sie blickte ihm finster entgegen? »Wer bist du überhaupt?«, zischte sie feindselig und warf ihm einen finsteren Blick zu, dem er mühelos standhielt. »Tut mir leid... ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Soil. Darf ich nach Deinem fragen?«, erklang seine raue, wenn auch sanfte Stimme erneut und er blickte sie aus seinen großen Augen an. Sie griff fest ihre Faust zusammen und wieder rollten ihr Tränen übers Gesicht. Was war nur mit diesem Typen? Sonst verschwanden immer alle, wenn sie ihren "Bösen Blick" ernteten. Er aber sah darüber hinweg und nicht nur darüber, sondern auch über ihren patzigen Tonfall. Ein seltsamer Kerl. »Arivila...«, schluchzte sie ungewollt. Sie hasste ihren Namen. Er war viel zu lang und klang völlig überdreht, im Gegensatz zu den Namen der anderen Mädchen, die sie kannte, stach ihr Name überall heraus. Auf die Lippen des Jungen legte sich ein schwaches Lächeln. »Nett dich kennen zu lernen Arivila.« Es war unglaublich. Er war der erste, der nicht fragte ob ihre Eltern bei der Namensvergabe bekifft gewesen waren, allerdings hatte er auch nicht wirklich einen Grund dazu. Immerhin war der Name Soil auch nicht grade alltäglich. Er wedelte mit dem Taschentuch und irgendwie hatte es für sie etwas aufmunterndes an sich. Erneut schluchzte sie, doch dann fing sie sich kurz und ergriff das Taschentuch. »Danke...«, murmelte sie kurz und wischte sich mit dem Taschentuch die Tränen aus dem Gesicht ehe sie sich von ihm weg drehte um zu schnäuzen. Kein Junge wollte so was sehen... Geschweige denn hören. Zugegeben, die meisten Jungen würde ein Mädchen, das auf einer Parkbank saß und weinte auch nicht wirklich interessieren. Die Meisten wären einfach an ihr vorbei gegangen, ihr Exfreund genau so. Wieder hatte sie daran gedacht und erneut flossen ihr die Tränen über die Wangen. Sie spürte wie sich der Junge neben sie setzte und unwillkürlich rückte sie etwas von ihm weg. Scheu blickte sie zu ihm herüber. Er schien weder unsicher noch desinteressiert zu sein, doch er hatte eine Körperhaltung, die nur schwer zu deuten war. »Möchtest du darüber reden? Keine Sorge... ich kenne niemanden dem ich es weiter erzählen könnte.«, jetzt wo er es sagte betrachtete sie ihn genauer. Sie hatte ihn noch nie gesehen. Er sah trotz seiner dunklen Kleidung nicht aus wie einer der Goths, die auf ihrer Schule herumliefen. Er schien allgemein nicht besonders Toll zu sein. Jedoch machte gerade das sie stutzig. Sie schaute erneut zu ihm hin und fing seinen Blick auf. Er war weder aggressiv noch genervt. Kein Mitleid vergiftete seine Züge. Es schien völlig unvoreingenommen. Und gerade das brachte sie dazu ihm zu vertrauen. Ein langer Seufzer löste sich aus ihrer Kehle. »Weißt du...«, zögerte sie erst um seine Reaktion abzuwarten. Nichts. Kein verdrehen der Augen, kein abwertendes aufräuspern oder ein genervtes wegdrehen. Er saß einfach nur da und sah ihr in die Augen. Die Röte stieg ihr ins Gesicht. Sie wusste nicht einmal warum. Es war Sommer, sie trug nur Hot Pants und ein Top, welches ihre Brüste besonders gut zur Geltung brachte und doch schien sich dieser Typ viel mehr für ihre Augen zu interessieren. Solche Jungen kannte sie nicht. In ihrem Alter eine dermaßen neue Erfahrung zu machen war es, was sie verlegen machte. »Weißt du... ich war mit einem Typen zusammen... Joey... Er schien immer ein richtig toller Typ zu sein... Ich war immer sehr glücklich mit ihm und doch hat er...«, wieder zögerte sie, warum erzählte sie einem völlig Fremden die Wahrheit? »Er hat... Er hat mich betrogen und mir gleichzeitig gesagt er liebt mich. Immer als ich gefragt habe was mit ihm sei, hat er gegrinst und gesagt es sei alles in Ordnung... Er sagte er würde mich lieben und sei unglaublich glücklich mit mir und ich habe ihm das geglaubt. Und vorgestern... habe ich ihn mit einer Anderen gesehen. Ich bin ihnen nachgegangen und habe gesehen, wie er sie geküsst hat und mit ihr herumgemacht hat.«, sie brach kurz ab. »Und gestern hat er mich angerufen und mir völlig emotionslos gesagt er sei nicht mehr glücklich, die momentane Situation zwischen uns würde ihm nicht mehr gefallen. Er hatte gesagt er würde schon länger so denken. Er sagte es sei alles nicht meine Schuld... aber das trug bei mir eher dazu bei mich schuldig zu fühlen. Wir hatten nicht einmal einen größeren Streit oder so... ich habe immer versucht es ihm recht zu machen... ich habe immer alles für ihn getan, alles was er von mir verlangt hat und habe immer das getan was für ihn am besten schien, auch wenn er es nicht gesagt hat. Ich habe... Viel mehr für ihn gelebt als für mich selbst. Und er hat mich einfach für eine Andere zurück gelassen.«, sie merkte wie sehr das was sie erzählte ihre Stimme in Mitleidenschaft zog, sie hörte wie sie ihm etwas vorheulte. Als sie wieder zu ihm hinauf blickte erwartete sie ein genervtes Gesicht aber ganz im Gegenteil. Er saß einfach nur da und blickte ihr erneut in die von Tränen geröteten Augen. »Du hast ihn geliebt... Liebe ist nie einfach. Egal mit wem. Es ist eine Lebensumstellung, man versucht sich so gut wie möglich auf seinen Partner einzustellen, doch letztendlich übertreibt man es doch und konzentriert sich zu sehr auf den Partner. Sobald das geschieht ist es um so schmerzhafter, wenn der Partner einen fallen lässt...«, seine Stimme klang völlig ruhig, nicht mitleidig oder wütend. Sie überbrachte nicht die Nachricht "Lass mich mit der Scheiße doch in Ruhe.", wie es meistens bei ihren Freundinnen der Fall war. Sie konnte es ihren Freundinnen nicht Mal wirklich übel nehmen. Ein Glücksgefühl machte sich allmählich in ihr breit und ein Lächeln glitt auf ihre zerbissenen Lippen. »Tut mir leid... Ich sollte dir das nicht erzählen.«, begann sie mit ihrer zitternden Stimme und schaute beschämt weg. Seine Hand berührte ihre Wange, erst schreckte sie kurz weg, dann aber ließ sie die Berührung zu. Seine Hand führte ihr Gesicht so, dass sie ihn ansah. Er lächelte sanft und irgendwie traurig. »Nein... es war richtig es zu erzählen. Manchmal ist es besser über seinen Kummer zu reden, als ihn zu verschweigen.«
Sie schaute ihn völlig perplex an. Sie dachte nicht einmal mehr über die ganze Sache mit ihrem Exfreund nach. Viel eher musste sie über seine letzten Worte nachdenken. Über alles was er gesagt hatte. Allmählich kehrte ihr Humor zurück. »Was bist du? Ein Wanderpfarrer?«, pfiff sie scheinbar abfällig und schenkte ihm dann ein ironisches Lächeln. Seine Augen glitzerten, als er ihr Lächeln sah. »Weit gefehlt. Mit einem Pfarrer habe ich nichts am Hut. Aber mit einem Lächeln auf den Lippen siehst du gleich um Meilen besser aus.«, gab er mit einem leichten Lächeln zurück und stand auf. Sie errötete völlig unkontrolliert und ihr Herz begann schneller zu schlagen, ihr Hirn wurde von allerlei nutzlosen Fragen geflutet. Wer ist er? Wo kommt er her? Warum interessiert er sich für sie? Als sie mit ihrem roten Kopf und ihrem beschämten Blick aufschaute stutzte sie. Der Junge war weg. Sie sah sich um, doch nirgendwo war eine Spur von ihm. Ein seltsamer Typ. Ein interessanter Typ... so ganz anders, als alle die sie bisher kennen gelernt hatte. Überrascht bemerkte sie, dass ihre Trauer stark abgenommen hatte. Es gelang ihr der Verzweiflung zu entkommen. Dieser Typ hatte sie auf völlig andere Gedanken gebracht. Sie schüttelte den Kopf und schaute auf die Uhr. 22:43 Uhr. Sie schreckte auf. So spät schon? Sie hasste den Sommer dafür, dass die Sonne erst so spät unterging. Sie sprang auf und rannte Nachhause ohne noch einmal über ihren Ex oder den seltsamen Jungen von eben nachzudenken.


Kapitel 1
Sie rannte bis ihr Körper nicht mehr mitspielte. Sie war sportlich, aber lange nicht sportlich genug um einen Marathon mitzumachen. Zwar war sie bald zuhause angelangt, aber sie konnte einfach nicht mehr. Schwitzend und ächzend nach Luft ringend stützte sie sich vornüber auf ihre Knie, die wacklig auf der Erde standen. Sie hechelte wie ein Hund. Sie musste über den eigenen Vergleich schmunzeln. Ihr Bruder würde sich über sie kaputt lachen und ihr den Vergleich immer wieder vorhalten, würde er jemals davon hören. Sie grinste. So waren kleine Jungs. Sie quatschten alles nach was man ihnen sagte. Und das war für den Anfang auch gut so... Jedenfalls erzählten sie soweit erstmal keinen Blödsinn, wenn sie andere Mittel und Wege hatten, einen auf die Palme zu bringen. Langsam stellte sie sich wieder auf und versuchte tief Luft zu holen. Allmählich normalisierte sich ihre Atmung. Viel besser... Dachte sie und setzte langsam wieder einen Fuß vor den Anderen. Nur noch wenige Meter trennten sie von ihrer Haustür, sie atmete erleichtert auf und freute sich bereits darauf sich auf ihr weiches Bett fallen zu lassen. Erneut holte sie tief Luft und wischte sich mit der Hand ein weiteres Mal über das Gesicht um es auf Tränen zu prüfen. Nichts. Gerade wollte sie ihre Hand um den Türknauf legen, als sie einen kleinen Schminkspiegel aus der Tasche zog und erneut ihr Gesicht checkte. Sie erschrak. Ihre Schminke war völlig verlaufen. Verdammt. Sie würde nicht verbergen können, dass sie geweint hatte und...

Ein lauter Schrei riss sie aus den Gedanken und sofort war ihr Puls wieder auf 180. Erschrocken riss sie die Tür auf und konnte nicht glauben was sie sah. Der Flur des Hauses..., der Boden..., die Wände... alles war völlig von Blut besudelt. Sie atmete schnell und würgte als sie den Geruch von Blut und Fäkalien einatmete, der die Luft schwängerte. Lauf! Lauf schnell weg! Rief eine Stimme tief in ihrem Inneren doch statt weg zu rennen rannte sie ins Haus. Es platschte unter ihren Füßen. Das Blut war frisch. Obwohl es etwas klebte. Tränen rannen über ihr Gesicht. Soviel Blut... das konnte unmöglich von einer Person stammen. Das Wohnzimmer barg einen Anblick des Schreckens. Alles was sie sah war ein Blutbad. Die Welt um sie herum war finster oder einfach nicht existent. Ihr Blick beengt auf den kalten Steinboden unter dem warmen Blut, welches den Boden wie ein See bedeckte. Tränen rannen ihre Wangen hinunter. Innerlich nahm sie Abschied. Abschied von ihrem Vater und ihrem Bruder. Abschied von ihrer Mutter und blickte nun allmählich in das kalt lächelnde Angesicht der Kreatur, die ihr alles genommen hatte. Sie war groß, hatte eine gebeugte Körperhaltung und ein alles Andere als menschliches Gesicht. Die Augen waren schwarz und ein finsteres Grinsen legte sich über die roten Lippen, die sich auf dem sonst so fahlen Gesicht der Kreatur abzeichneten wie Blutflecken. Statt Händen besaß die albtraumhafte Kreatur längliche Klauen. Ihr Blick sank weiter an der Kreatur herunter. Was sie sah traf sie wie ein Schlag der Trauer. Ihre Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Zu den Füßen der Bestie lagen die reglosen und zerfetzten Körper ihrer Lieben. Ihre Mutter jedoch lag genau neben ihr. Sie hatte sie nicht bemerkt. Anscheinend stammte das Blut im Flur von ihr. Sie musste sich mit letzter Kraft ins Wohnzimmer geschleppt haben, ehe sie an der schweren Wunde, die ihren Bauch zeichnete verendet war. Ausdruckslos und kalt blickten sie die Augen ihrer Mutter an. Aufgelöst und kraftlos sank Arivila in sich zusammen. Sie spürte wie ihre Knie auf dem Boden aufkamen, sie hörte das plätschernde Geräusch, was der Aufprall in die Luft erschallen ließ. Und dann hörte sie eine Stimme, wie eine Kreissäge, die auf Stein schnitt. »Na wie fühlt es sich an alles zu verlieren? Das tut weh? Tut es doch? Oder?«, die Stimme war unerträglich und stammte eindeutig von der Bestie, die vor ihr in der Mitte des Raumes stand und das Gesicht zu einer widerlich, sadistischen Fratze verzogen hatte. Arivila hörte schwere Schritte, die immer schneller auf sie zu kamen. Erst dachte sie darüber nach sich einfach fallen zu lassen. Sich genau so wie ihre Familie umbringen zu lassen, doch dann sah sie das Gesicht des Jungen vor ihrem geistigen Auge. Sie wollte nicht sterben. Noch nicht. Sie wollte noch soviel tun bevor es soweit war. Heiraten... eine Familie gründen... den Jungen von vorhin besser kennen lernen... Moment Mal warum dachte sie gerade jetzt an diesen Typen. Kraftlos und voller Angst erhob sie sich und lief so schnell wie möglich aus dem Wohnzimmer in den Flur. Zur Tür. Sie rutschte aus und fiel zu Boden, direkt in das Blutbad. »Es ist Sinnlos Kleine... Ich kriege dich und ich zerreiße dich!«, erklang erneut die schrille Kreissägenstimme der Kreatur hinter ihr. Immer weiter kroch sie der Tür entgegen, drehte sich um und kroch immer weiter Rückwärts um die Bestie kommen zu sehen. Ihr massiger Körper drückte sich um die Ecke aus dem Wohnzimmer in den Flur und grinste Arivila finster an. Die lauten und schweren Schritte der Bestie sahen widerlich tänzerisch aus und immer näher kam sie auf sie zu. Vor Schreck immer schneller atmend kroch sie weiter der Tür entgegen. Sie prallte auf Widerstand. Hatte sie die Tür geschlossen? Nein Warum grade jetzt? Tränen rannen ihr übers Gesicht, die Bestie kam immer näher. In Arivilas Kopf stapelten sich Bilder. Wie ihr Vater ihr das Fahrrad fahren beigebracht hatte, wie sie mit ihrer Mutter das erste Mal das Abendessen vorbereitet und gekocht hatte. Ihr erster Kuss, ihr erstes Mal Sex, der erste Schultag, das Gesicht ihres Exfreundes, das Gesicht des Jungen, den sie vorhin erst kennen gelernt hatte. Alles in unerträglicher Reihenfolge, sodass sie nichts wirklich einer richtigen Zeitspanne zuordnen konnte. Alle diese Informationen kamen viel zu schnell zurück. Und nun verstand sie was hier geschah. Ihr Leben zog an ihr vorbei. Glückliche Momente, Momente der Trauer... all das prasselte unerbittlich auf ihren Verstand hernieder und dann erklang das widerliche Gelächter der Kreatur, als ihre Klauenähnliche Hand unaufhaltsam auf sie zuraste. Sie schloss die Augen. Sie wollte nicht sterben. Nicht jetzt. Es knallte laut, sie spürte wie ihr Körper nach vorne katapultiert wurde und mit dem massigen Körper der Kreatur zusammenstieß um dann an ihr vorbei zu schlittern. Ein belebender Schmerz hatte sie erfasst, doch sie lebte noch. Was war hier passiert? Unwillkürlich riss sie die Augen auf und starrte in den Türrahmen indem der Junge von vorhin stand. Soil hatte er sich genannt. Seine Augen blickten der Bestie finster und unüberwindbar entgegen. Sein Gesicht hatte all die weichen Züge verloren. Ein harter Blick starrte der Bestie entgegen. Soil stand mit einer ausgestreckten Hand vor dem Loch, was einst die Tür gewesen war. Die Tür selbst lag in mehreren brennenden Splittern im Blut verteilt. Keiner der Splitter hatte Arivila getroffen. Oder? Sie konnte nicht nachdenken. Was passierte hier? Die Bestie starrte Soil an, dieser hielt dem Blick einfach stand. »Oh da kommt der Nachtisch«, verlor sich die schrille Stimme des Monsters in tosenden Gelächter. »Du hast genug gegessen. Genug für die Ewigkeit.«, erklang Soils Stimme, die sich seit dem letzten Mal so stark verändert hatte. Vollgesaugt mit Wut und Zorn. Arivila kroch etwas weiter weg, ohne die Augen von dem grotesken Schauspiel abwenden zu können. Die Kreatur schrie wütend auf und raste in einer Geschwindigkeit auf Soil zu, die man ihrem massigen Körper gar nicht zugetraut hätte. Die Klaue raste auf sein Gesicht zu, doch Soil blockte den Angriff mühelos ab, indem er die Klaue auf dem unausweichlich scheinenden Kollisionskurs einfach mit seiner Hand aus der Luft pflückte. Soils Griff um die Klaue der Bestie wurde kräftiger. In seinen Augen loderte ein heißes unnachgiebiges Feuer. »Du wirst keinem mehr Leid zufügen.«, erklang Soils Stimme völlig cool und gelassen. Dann passierten zwei Dinge auf einmal. Feuer loderte um die Klaue der Kreatur auf, die völlig außer sich vor Schmerz versuchte sich aus dem brennenden Griff zu befreien, während die blasse Haut um die Klaue blutige Blasen warf. Zeitgleich geschah Soils Angriff, der von der linken Hand geführt wurde und direkt mit dem Gesicht der Bestie kollidierte. Ein lautes krächzen löste sich aus der Kehle der Kreatur, die von der Wucht des Schlages getroffen nach hinten taumelte. Arivila konnte nicht glauben was sie da sah. So etwas konnte es nicht geben. Nein... Das durfte es einfach nicht geben. Soil legte eine Hand unter seinen Mantel und zog ein langes Schwert heraus, was allmählich in blassen, bläulichen Flammen zu brennen begann. »Stirb Bestie!«, löste sich der wütende Ruf aus Soils Kehle, als er zuschlug. Die Klinge durchtrennte das Gewebe zwischen Arm und Brustkorb der Bestie, die erneut aufschrie und diesmal zu Boden ging. »Nein warte du bist doch einer von uns!«, flehte die Kreissägenstimme der Kreatur um ihr Leben und erntete einen durchdringenden Blick von Soil. »Ich bin nicht wie du.«, durchdrang seine Stimme die eigenwillige Atmosphäre, während Arivila voller Schrecken auf jedes Detail des Schauspiels achtete. »W...Wo ist der Unterschied zwischen uns... Sag es mir damit ich bereuen kann.«
Die Stimme der Bestie klang nun völlig erbärmlich, kriecherisch und angstverzerrt. »Ich habe Tischmanieren.«, sagte Soil völlig kalt und emotionslos, was soviel bedeuten sollte wie: "Das würdest du ohnehin nicht verstehen." Ein lauter kehliger Schrei löste sich aus dem Maul der Kreatur, als die Klinge des Schwertes sie von ihrem Leiden erlöste. Völlig fertig betrachtete Arivila Soils völlig von Blut besudeltes Gesicht, während er langsam auf sie zu schritt und das Schwert langsam wieder unter dem Mantel verschwinden ließ. Seine Gesichtszüge hatten sich wieder etwas aufgelockert, dennoch war sein Blick finster, kalt und durchdringend. »Komm nicht näher. Bleib weg!«, krisch Arivila völlig aufgelöst und hielt schützend eine von Blut besudelte Hand vor sich. Sie sah wie er weiter auf sie zuging, völlig ungerührt von dem was sie sagte. Sie kroch immer weiter zurück, bis sie auf Widerstand stieß. Kraftlos hob sie den Kopf und blickte dem, sich langsam zu ihr hinunterknienden Soil direkt in die Augen, in denen ein wildes Inferno zu brennen schien. Trauer lag in seinem Blick. Seine Hand streckte sich ihr entgegen und berührte ihre Wange. »Verzeih mir... Ich war zu spät.«
Seine Stimme klang betroffen und traurig, dann überkam Arivila die Gnade einer Ohnmacht.


Kapitel 2
Mit von Tränen geröteten Augen starrte Arivila auf die niedergebrannten Überreste von dem, was sie einst ihr Zuhause genannt hatte. Einen guten Monat war es nun her, dass sie in der Notaufnahme des hiesigen Krankenhauses erwacht war und erfahren hatte, dass sie alles verloren hatte. Ein Feuer soll plötzlich ausgebrochen sein und soll ihre Familie so überrascht haben, dass keiner sich nach draußen hatte retten können. Sie schloss die Augen, massierte sich die Schläfen, als sie versuchte die Bilder nieder zu ringen. Der Junge mit dem traurigen Blick. Die Bestie, die ihre Familie hingeschlachtet hatte. Ihr markerschütternder Schrei, als sie getötet wurde, sowie die ehrlich und betrübt klingen Worte: »Verzeih mir... Ich war zu spät.«
All das hallte in ihrem Kopf wieder. »Beruhige dich Ari… Das war alles nur ein Traum…«, redete sie sich selbst ein und ging widerwillig in die Knie. So etwas konnte niemals wirklich passiert sein. Das durfte es einfach nicht. Niemals. Voller Trauer schlug sie mit einer Hand auf den rauen und massiven Boden. Das lächelnde Gesicht ihres kleinen Bruders erschien vor ihrem geistigen Auge, gefolgt von den Gesichtern ihrer Eltern. Auf einen Schlag hatte sie alles verloren. An jenem verhängnisvollen Tag vor einem Monat. Sie hatte gedacht mit der Beerdigung ihrer Lieben hätte sie alles überstanden, doch es war dieser Ort an dem sie ruhten. Kein leeres Grab mit einem schlichten Gedenkstein, die Überreste dieses Hauses waren ein Mausoleum. Mit Tränen in den Augen zeichnete sie die Worte: „Lebt Wohl… Ich werde euch vermissen.“ In den Staub. Ein leichter Windhauch erfasste sie und ließ ihr Kleid etwas flattern. Die grade gezeichneten Buchstaben zerfaserten allmählich im Wind. Gehorsam trug er sie mit sich ins Reich der Toten. Sie schloss die Augen und atmete tief durch, als wolle sie ein Zeichen aus der anderen Welt abwarten, dann jedoch seufzte sie. Alle tot… Unwiderruflich. Niemals mehr, würde sie das Lächeln ihres Bruders sehen, wenn er versuchte sich über sie lustig zu machen. Nie wieder würde sie die tadelnden Worte ihrer Eltern hören, wenn sie zu spät nach Hause kam. Es mochte seltsam klingen, doch gerade diese Dinge schien sie bereits jetzt zu vermissen. Mehr als alles Andere. Das sonst so geordnete Familienleben war vorüber. Ihr Blick wandte sich allmählich zu den Ruinen, ihres alten Hauses. Gerade noch rechtzeitig um ihn zu bemerken. Den flinken Schatten, der um eine Ecke in die kleine Gasse huschte. Kurz zog sie ihre Brauen hoch, dann jedoch schluckte sie und schüttelte sie den Kopf und erhob sich allmählich von ihren Knien. Allmählich schritt sie auf die Gasse zu und spähte hinein. Nichts, wer auch immer um die Ecke gehuscht war, hatte sich recht schnell wieder aus der Gasse verzogen. »Hallo? Ist da jemand?«, fragte sie kurz mit einem leichten Anflug von Furcht in der Stimme. Niemand antwortete. Hier war niemand. Ihre Wahrnehmung musste ihr einen Streich gespielt haben. Ihre Hand glitt an ihren Kopf. »Alles nur ein Traum.«, sagte sie misstrauisch zu sich selbst. Ihre Familie war von einem Feuer getötet worden. Mit einem deutlichen Seufzer drehte sie der Gasse den Rücken zu. Sie hatte nicht mehr viel Zeit, ihre nächste Therapiestunde begann in wenigen Minuten, wie ihr ein schneller Blick auf ihre Armbanduhr verriet. Sie musste das alles endlich hinter sich lassen. Sie musste weiter leben. Es gab keine Dämonen und diesen Jungen, der sie getröstet und gerettet hatte… Den konnte es auch nicht geben. Das waren alles nur Halluzinationen gewesen, die ihr hatten helfen sollen mit dem Ganzen umzugehen. Der Therapeut hatte von einem natürlichen Verdrängungsprozess gesprochen und allmählich glaubte sie, was er sagte. Allmählich schritt sie weiter weg von ihrem Haus. Seinen Blick auf ihrem Rücken bemerkte sie nicht.

Soil stand oben auf einem der Hausdächer, sein Blick traurig und Zeitgleich gleichgültig. Es war besser für sie, wenn sie weiterhin glaubte, das alles sei ein Traum gewesen. Er drückte seine Hand zu einer Faust zusammen. Er hatte versagt. Viel zu spät war er gekommen. Er hatte sie nicht retten können. Keinen außer Arivila selbst. Wäre es vielleicht gnädiger ihr gegenüber gewesen, sie mit ihrer Familie sterben zu lassen. Die Erinnerungen an die Nacht vor einem Monat fluteten seinen Kopf. Er hatte sie in die Notaufnahme getragen. Den ganzen Weg. Einen Tag später war sie erwacht. Noch immer beobachtete er sie. Dämonen gaben meist nicht auf, bis eine Familie völlig ausgelöscht war. Zwar war es nur ein Dämon gewesen, der ihre Familie heimgesucht hatte, doch noch immer konnten Andere auftauchen um das Werk des Einen zu vollenden. Einen wachte er aus dem Dunkel heraus über sie, passte auf, dass ihr nichts passierte. Er würde nicht zulassen, dass ihr etwas geschah. Jedoch würde er bald weiter ziehen müssen. Das was er war, machte auch ihn zum Gejagten. Gejagt von Seinesgleichen, während er selbst das jagte und verfolgte was er war. Er war zugleich Jäger, Wächter und Gejagter in einer Person. Keine einfache Aufgabe. Zwar machte er nur unfreiwillig Jagd auf die Anderen, die waren wie er, doch es lag in seiner Natur. In der Natur derer, die sich Avatare nannten. Er schüttelte den Kopf. Er durfte sie jetzt nicht aus den Augen verlieren. Bald würde die Dämmerung einsetzen. Zur Dämmerung erhöhte sich die Chance eines Dämonenangriffs erheblich. Entschlossen Arivila vor allen Gefahren zu beschützen kletterte er vom Dach und schlich ihr hinterher. Solange sie ihn nicht bemerkte konnte er sie schützen. Vor den Dämonen, genau wie vor ihren eigenen Erinnerungen.

Arivila gähnte leicht. Was ihr Therapeut erzählte änderte sich auch nicht wirklich. Und sie schätzte auch, dass es sich so bald nicht ändern würde. Noch zwei Therapiestunden verblieben ihr. Noch zwei von acht Stunden. Sie wusste nicht wie viele Stunden Leute wie sie normalerweise bekamen um sich ihren Frust von der Seele zu reden, doch acht Stunden erschienen ihr von jeher als angemessen. Müde blickte sie in den Himmel, dessen blasse bläuliche Farbe sich allmählich mit dem Orange des Sonnenunterganges vermischte. Nur noch wenige Tage würde sie die eigenwillige Freiheit genießen können. Bald würde die Schule wieder für sie gewinnen. Einen ganzen Monat, hatte man sie unter Beobachtung gehalten. Wahrscheinlich normal für Leute in ihrer Situation. Immerhin hatte sie auf einen Schlag ihre ganze Familie verloren. Und dennoch sagte ihr Therapeut immer wieder, wie sehr er sich über sie wundern würde. Sie hatte ihr Schicksal seltsam schnell angenommen. Und doch glaubte sie nicht an ein Feuer. Sie wusste was sie gesehen hatte. Ob es ein Traum war oder nicht. Lieber ein Dämon als ein einfaches Feuer. Zwar fiel es ihr deutlich schwerer an einen Dämon zu glauben, als an ein einfaches Feuer, doch wollte sie einfach nicht glauben, dass sie so einfach alles verloren hatte. Die schrille Kreissägenstimme der Bestie weckte sie noch immer schweißgebadet aus ihren Träumen. Noch immer verfolgte sie der Traum, oder was es auch immer war. Immer dunkler färbte sich der Himmel, zeigte sich allmählich von Wolken bedeckt und trennte das orangene Licht der untergehenden Sonne von der Welt um sie herum. Überrascht von der so rasch eintretenden Dunkelheit warf Arivila erneut einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Seltsam… Erst 21 Uhr… Wahrscheinlich eine Ausnahme…«, sagte sie zu sich selbst und schreckte zusammen. Es war als würde sie beobachtet. Vom Einen auf den Anderen Moment, fühlte sie sich, als würde sich ein finsterer Blick in ihren Rücken bohren. Sie drehte sich um. Zu Langsam. Eine Seltsame Gestalt sprang aus einer Böschung und jagte mit schnellen Sprüngen direkt auf sie zu. Arivila erschrak, wollte einen Schritt rückwärts machen, stolperte jedoch nach hinten und fiel Rückwärts auf ihren Hintern. Die Gestalt sah aus, als sei sie direkt aus einem Albtraum entsprungen. Sie hatte eine menschliche Gestalt, war ungefähr 2 Meter groß, trug hüftlanges ungepflegtes silbergraues Haar, und eine seltsam enge schwarze Weste, deren Ärmel in Fetzen hingen. Die langen und dürren Arme waren einbandagiert, die Haut blass und das Gesicht von allerlei schwarzen Furchen durchzogen. Vor den Augen trug die Kreatur eine eng anliegende Bandage, die Lippen waren dünn und rissig, als sich der Mund öffnete fielen Arivila sofort die angespitzten, gelben Zähne auf und ein modriger Gestank zog ihr entgegen. Die riesige einbandagierte Hand mit den spitz zulaufenden Fingern griff nach ihrer Schulter. Der Griff war stark und unnachgiebig. Es tat weh, sie wollte schreien, doch statt einem Schrei glitt lediglich ein ersticktes Wimmern aus ihrer Kehle. »Kooperiere und dir wird nichts geschehen.«, drang eine dunkle Stimme aus dem weit geöffneten Maul der Kreatur, die einen seltsam blechernen Klang besaß, als würde man durch ein Sprachrohr sprechen. Wimmernd nickte Arivila und versuchte die Schmerzen in ihrer Schulter so gut es ging zu ignorieren. »Wo befindet sich der Avatar, der dich gerettet hat?«, erklang die Stimme erneut aus der Kehle der Kreatur, die auch weiterhin lediglich den Mund weit aufgerissen hatte. »A…Avatar? Ich weiß nicht wovon Sie reden…«, stammelte Arivila mit dünn klingender Stimme und versuchte sich verzweifelt gegen den eisernen Griff der Kreatur zu wehren. Vergeblich. »Spiel keine Spielchen… Ich weiß, dass ihr euch kennt und miteinander geredet habt.«, hallte ihr die Stimme erneut entgegen. Unmöglich die Stimme konnte nicht von dieser Kreatur stammen. Sie machte keinerlei Lippenbewegungen, sondern stand einfach mit weit aufgerissenem Mund vor ihr. »Meinen Sie den Jungen aus dem Park? Ich weiß nicht wo er ist, ich kenne ihn nicht Mal wirklich.«, krisch Arivila schmerzerfüllt und aufgeregt. Ein Seufzen erklang gedämpft, während die monströs wirkende Gestalt den linken Arm zum Schlag erhob. »Dann habe ich leider keine Verwendung mehr für dich. Verrecke!«, stieß die Stimme erneut hervor und die Klaue raste Arivila entgegen. »Warte!«, erklang eine andere, Arivila bekannte Stimme hinter der Bestie. Die Klaue stoppte direkt vor Arivilas Gesicht, die bereits mit Tränen in den Augen ihrem Ende entgegen gesehen hatte. Also gab es sie doch? Dämonen. Der Griff um ihre Schulter lockerte sich und gab sie frei. Schnell kroch sie ein paar Meter rückwärts, bis sie mit dem Rücken gegen einen Baum prallte. Soil hatte sich hinter der Kreatur aufgebaut und starrte sie mit finsterem Blick an. Mit einer verkrampft und ruckartig aussehenden Bewegung drehte die Gestalt sich um und blickte Soil mit gesenktem Haupt entgegen ehe sie wieder ihr mit spitzen Zähnen besetztes Maul öffnete. »Wem dienst du Avatar?«, erklang die blecherne Sprachrohrstimme erneut, während die Bestie sich Soil zugewandt hatte. Was machte er schon wieder hier? Hatte er sie verfolgt? Oder war er wieder nur zufällig in der Gegend, was wurde hier gespielt, wer war dieser Junge und was hatte er mit dieser Kreatur zu tun. »Das ist unwichtig. Viel wichtiger ist, warum sich ein Dämon wie du für einen Avatar interessiert.«, antwortete Soil mit einer derart kalten Stimme, wie Arivila sie niemals erwartet hätte. Das Maul der Kreatur schloss sich und sie biss bedrohlich die Zähne aufeinander, während ein dünner Speichelfaden am linken Mundwinkel herunter rann. Es war ein seltsamer Anblick. »Ich bin hier um alle Avatare zu vernichten.«, schrie eine Stimme, eindeutig die gleiche, wie die der Bestie, jedoch weiter entfernt und um einiges Kontrastreicher. Es raschelte dicht neben Arivila. Ein großgewachsener Mann trat aus dem Dickicht, er trug einen seltsam farbigen Hut, eine rote Sonnenbrille mit runden Gläsern. Der Mann hatte Schulterlanges, glattes und spitz zu laufendes, hellbraunes Haar, sein grinsendes Gesicht war schlank und sah schon beinahe abgemagert aus, die Wangenknochen standen etwas zu weit vor, sodass das grinsen noch ein ganzes Stück breiter wirkte. Er trug einen langen bläulichen Mantel und eine Hand hing lässig in der Tasche, die Andere hing leicht gekrümmt neben seiner Hüfte. Der Mann verneigte sich vornehm und grinste er Arivila an, die sofort versuchte Abstand zu ihm zu suchen. Dann traf sein Blick Soil, der ihn skeptisch musterte. »Wenn ich mich einmal vorstellen darf… Mein Name ist Corven van Romalia, ich bin der Avatar des Herren der Qualen Andaral.«, sprach er langsam und ging mit vornehmen Schritten weiter auf Soil zu, bis er direkt neben der seltsamen Kreatur stand, die sich keinen Millimeter mehr rührte. »Wie gefällt euch meine Marionette?«, grinste Van Romalia feist und blickte Soil bitter an. »Was willst du? Kämpfen? Ich bin nicht in Stimmung dazu«, begann Soil mit deutlich ruhigerer Stimme als zuvor. Sein Blick war kalt und spiegelte sich leicht in den roten Gläsern der Sonnenbrille. Van Romalias rechte Hand legte sich an den blau-gelb gestreiften Hut. Soils Blick wurde noch kälter als zuvor und Arivila kam es so vor als wäre die Temperatur innerhalb einer halben Sekunden drastisch gefallen. »Ich werde noch nicht mit dir kämpfen, immerhin haben die Spiele noch nicht begonnen. Doch sobald es beginnt wirst du dich mir nicht mehr entziehen können. Ich habe mich dir vorgestellt, die Höflichkeit gebietet es,Euch jetzt ebenfalls vorzustellen werter Avatar.«, grinste Van Romalia noch breiter als zuvor. Eine dünne Dunstwolke stieg aus Arivilas Mund, als sie ausatmete. Soil starrte ihn finster an. »Soil Rivald, Avatar des Herrn des Chaos Baal. Es ist mir eine Ehre euch kennen zu lernen Avatar des Herrn der Qualen, Corven Van Romalia.«, stieß Soil verächtlich aus, als hätte er lediglich eine Standartfloskel benutzt um sich vorzustellen. Was hatte es mit diesen beiden nur auf sich. Arivila verstand nur Bahnhof und doch blieb sie wo sie war. Sie wagte es nicht, sich von der Stelle zu rühren.
»Ich bitte dich, meine Freunde nennen mich Cor.«, grinste Van Romalia Soil erneut an.
»Da bin ich mir sicher…«, stieß dieser genervt aus.
Van Romalias breites Grinsen formte sich zu einem eher entrüsteten Anblick.
»Also was willst du Avatar?«, erklang Soils feste und kalte Stimme erneut. Langsam setzte er sich in Bewegung und machte kaum merklich seitliche Schritte in einem großen Bogen um Van Romalia und seiner Kreatur herum bis er vor Arivila stand.
»Kenne deinen Feind«, bemerkte Van Romalia nun ebenfalls mit einem kalten Tonfall.
»Und dafür greift ihr sie an«, entgegnete Soil ihm finster und man hörte ihm deutlich an, dass er allmählich wütend wurde. Erneut legte sich ein fettes Grinsen auf Van Romalias Gesicht. Es war die Art Grinsen die man einem am liebsten aus dem Gesicht prügeln würde.
Soil verzog genervt das Gesicht. »Es ist mir zwar nicht erlaubt einen anderen Avatar vor dem Beginn der Spiele anzugreifen, seine Freunde jedoch stehen unter keinem Schutz und sind damit Freiwild für mich«, stieß Van Romalia zusammen mit einem lauten, grellen Gelächter aus. Soils Gesicht verzog sich wutentbrannt und er stellte sich nun schützend genau zwischen Van Romalia und Arivila.
Arivila schaute Soil entgegen. »Wenn du es auch nur wagst ihr ein Haar zu krümmen werde ich dich in Stücke reißen, selbst vor den Spielen«, knurrte Soil finster, sein sonst so ruhiges und trauriges Gesicht blickte Van Romalia nun als von Wut verzerrte Fratze entgegen.
Van Romalias Grinsen wurde noch breiter und amüsierter. »Ich verstehe. Du legst keinen Wert darauf die Spiele zu gewinnen. Lass mich mal raten, du hast nicht darum gebeten ein Avatar zu werden nicht wahr?«, lachte Van Romalia finster und die Sonnenbrille rutschte etwas an der Nase herunter. Sie gab den Blick auf zwei große blaue und hinterlistig dreinblickende Augen frei.
Soil warf ihm lediglich einen eiskalten Blick entgegen.
»Das soll dann wohl ja heißen…«, grinste Van Romalia erneut und schob die Brille wieder etwas höher um seine Augen erneut zu verdecken. Er lachte erneut und wandte sich um.
»Wie dem auch sei… Es scheint als hätten wir keine Zeit mehr uns weiter zu unterhalten«, lachte er heiter und streckte beide Arme beschwörend aus, dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte noch lauter. Rund um das Geschehen herum blickten rote Augenpaare aus der Finsternis direkt auf Soil und Van Romalia.
»Es scheint als hätte uns das Begrüßungskomitee gefunden«, spottete Soil mit dunkler Stimme, seine rechte Hand rutschte unter den Mantel.
»Überlass sie nur mir, bringe deine… Freundin besser fürs Erste von hier weg«, lächelte van Romalia leicht und die Kreatur neben ihm erwachte wieder mit ruckartigen Bewegungen zum Leben. Soils Blick fand Arivilas von Angst verzerrtes Gesicht.
»Verdammt… Es tut mir leid, dass es soweit kommen musste…«, zischte er zwischen zusammen gebissenen Zähnen und griff nach Arivilas Arm. Sie schreckte lediglich auf, aber entzog sich ihm nicht. Er riss sie auf die Beine und rannte los. Wiederstandlos ließ Arivila sich mitreißen, während hinter ihnen Unmengen an Dämonen aus dem Geäst sprangen. Einige rannten Soil und ihr hinterher, andere rasten auf den noch immer lachend da stehenden Van Romalia zu.


Kapitel 3
Die Dunkelheit um sie herum weigerte sich, zu verschwinden, immer wieder hörten sie laute und schrille Schreie hinter sich, immer wieder hörten sie die Sprünge und schweren Schritte. Soil biss die Zähne aufeinander. Er musste sie beschützen. Irgendwie. Geistesgegenwärtig suchte er die Umgebung ab. Nichts. Nur Bäume und der Pfad auf dem sie sich bewegten. Zwar ließ Arivila sich bereitwillig hinter ihm herziehen, jedoch spürte er, dass sie das Tempo nicht mehr lange mitmachen würde. Sie war sportlich, aber kein Übermensch. Innerlich fluchte Soil und warf einen verstohlenen Blick hinter sich. Vier Dämonen waren ihnen auf den Fersen. Dichter auf den Fersen, als es ihm lieb war. Alle vier waren groß, besaßen riesige Mäuler mit großen nagelspitzen Zähnen, sie alle blickten sie aus roten und unbarmherzig leuchtenden Augen an, während sie immer weiter aufholten. Sein Blick fand den Weg vor ihnen und sofort entwich ein Fluch seinen Lippen, der Weg war versperrt, ein großer Felsbrocken blockierte ihn. Ruckartig warf Soil sich herum. Arivila landete hinter ihm im Dreck, während Soil das Schwert zog und die Angreifer musterte. Alle vier Dämonen rasten zeitgleich auf sie zu. Keine guten Aussichten. Er sammelte magische Energie in der Klinge des Schwertes, die allmählich rot zu glühen begann. Er durfte keinen Moment verschwenden. Es war ihm nur begrenzt möglich die Magie seines Meisters zu nutzen. Voller Wut löste sich ein konzentrierter Schrei aus seiner Kehle. Die Magie riss und zerrte an ihm wie ein Parasit. Die Dämonen waren nur noch wenige Meter entfernt. Soils Körper schien immer heißer zu werden. Je mehr Magie er sammelte, desto mehr zog es ihn in Mitleidenschaft. Immer wieder sprangen die Kreaturen der Hölle hin und her, ein Muster hinter ihren Schritten suchte er vergeblich, er durfte sich hier nicht auf seine Augen verlassen. Langsam schloss er die Augen und legte die Hände noch stärker um den Griff des Schwertes, dessen Klinge in einem immer heller werdenden rot glomm. Die Geräuschkulisse ließ keinen Zweifel zu. Ein rauer Angriffsschrei erschallte, Arivila kroch erschrocken dem Felsen entgegen und kniff verängstigt die Augen zu. Der erste Dämon griff an. Die Klaue raste direkt auf Soil zu, dieser jedoch schien in Aris Augen völlig entspannt zu sein. Er machte einen gezielten und schnellen Schritt nach rechts, entging so dem Klauenhieb der Kreatur, dann sprang er einen Schritt zurück. An genau der Stelle, an der er bis eben noch gestanden hatte kam der zweite Dämon auf, der ihn verhasst ansah. Aus der Kehle des dritten Angreifers löste sich ein lauter Schrei. Geortet. Soil drehte sich mit kunstvollen, beinahe tänzelnden Schritten um den zweiten Dämon herum und entging so dem dritten Angriff, ein Zeichen des vierten Dämons ließ weiter auf sich warten. Keine Zeit zu verschwenden. Soil riss die Augen auf und starrte den drei Angreifern entgegen. Im Bruchteil einer Sekunde reagierte er. Er schlug zu, die Klinge raste auf den ersten Angreifer zu und trennte mit einem lauten Zischen den Arm des ersten Dämons vom Torso. Das eigenwillige Gezwitscher der Vögel, das Zischen der glühend heißen Klinge, die das Fleisch der Bestie durchtrennte mischten sich mit den lauten und schrillen Schmerzensschreien der Kreatur zu einer grotesken Symphonie des Schreckens. Soils zweiter Angriff ließ nicht lange auf sich warten, er duckte sich unter dem zum Angriff auf ihn zurasenden Arm der zweiten Bestie hindurch, nutzte den gesammelten Schwung, rutschte einen Kleinen Moment auf den Knien voran, sprang dann wieder auf die Füße und trat zu, der gezielte Tritt gegen die Brust der Bestie stieß sie zurück und brachte somit den gewünschten Effekt. Geistesgegenwärtig riss Soil die Klinge des Schwertes in die Höhe und ließ sie auf den zurück taumelnden Gegner herniederfahren. Die Klinge traf auf Fleisch, was sofort Blasen warf und unter einen lauten zischen und dem Geruch von verbranntem Fleisch nachgab. Die Klinge traf auf die Erde, der Körper der zweiten Bestie fiel gespalten in zwei Teilen zu Boden ein lauter Schrei störte Soils Gedanken. Der vierte Dämon stand direkt vor Arivila. Verdammt. Auf ihn hatte er nicht geachtet. Voller Zorn raffte Soil die Magie in seiner Hand zusammen und streckte sie aus. Der Dämon schrie auf, als Soil die Magie zwischen beiden Körpern fließen ließ. Er selbst biss schmerzerfüllt die Zähne aufeinander. Magie war eine starke Anomalie. Doch sie unterlag ganz besonderen Regeln. Um Magie richtig einzusetzen musste man sie zwischen zwei Körpern fließen lassen. Je gleichmäßiger der Körper war, desto einfacher und schmerzloser war die Prozedur, doch der Körper eines Dämons, genau wie der eines Menschen bestand aus so vielen zu beachtenden Bestandteilen, dass der Magiefluss starke, krampfartige Schmerzen auslöste, als er durch die Zellen beider Körper floss. Der Dämon blieb verkrampft auf der Stelle stehen. Bei Magie ging es um reine Willenskraft, jedenfalls dann, wenn sie zwischen zwei lebendigen Körpern floss. Doch dieses Mal zeigte Soil seine Entschlossenheit. Der Körper des Dämons fing Feuer und er warf sich schreiend auf den Boden. Die Ablenkung der Anderen beiden, mittlerweile näher gekommenen Dämon nutzte er für sich, duckte sich unter dem ersten Angriff weg und stieß mit der Klinge zu. Das Metall durchstach zischend die Brust des dritten Dämons. Voller Wut drehte Soil die Klinge und riss sie dem Himmel entgegen. Das Fleisch gab unter der glühend heißen Klinge nach, wie Butter. Blut spritzte in pulsierenden Abständen aus der entstandenen Wunde zwischen Brust und Schlüsselbein des Dämons, der schreien zu Boden ging. Ein lauter Schrei erschallte dicht hinter Soil. Der Dämon, der seinen Arm verloren hatte setzte mit einem schnellen Sprung zurück und riss das hässliche Maul auf. Feuer sammelte sich im Maul der Kreatur, die sich nicht weiter Soil zuwandte sondern Arivila, die noch immer vor dem allmählich verbrennenden Körper des Dämons kauerte. Soil fluchte und warf sich ihr entgegen. Ein gewaltiger Feuerschwall raste auf die beiden zu. Soil drückte Aris Kopf nach unten und breitete schützend den Mantel aus. Das Feuer schien einfach abzuprallen. Die Hitze war da, die Flammen züngelten um sie herum und hinterließen Verbrennungen auf der Erde und am Felsen hinter ihnen, doch sie schadeten weder Arivila noch Soil. Der Dämon tat perplex einen Schritt zurück. Soil reagierte sofort, wandte sich um und warf das Schwert. Die Klinge verlor ihre glühend rote Farbe allmählich, als das Schwert Soils Hand verlassen hatte, dennoch versank die Klinge zischen und Blasen werfen mit der Spitze in der Brust der nun röchelnd zu Boden gehenden Bestie. Die Klauenartigen Hände griffen nach dem Schwertgriff, doch sobald sie ihn berührten zischte es laut und der Dämon schrie auf. Soil raste auf den perplexen Gegner zu, griff nach dem Schwertgriff, versetzte dem Dämon einen schnellen Tritt gegen die Brust und zog somit die Klinge aus dem massigen Körper, dann vollführte er eine schnelle Drehung und trennte den Kopf vom Körper des Dämons, dessen toter Körper kraftlos zur Seite kippte, als der abgetrennte Kopf mit verdrehten Augen den Boden berührte. Eine dünne Blutfontäne spritzte aus dem Halsstumpf des Körpers und traf Soil, der nun langsam auf die Knie ging. Er hasste es im Kampf Magie einzusetzen. Die mächtige Kraft war zwar äußerst nützlich, jedoch verbrauchte sie eine Menge Kraftreserven. Er atmete schwer und stützte sich kurz auf das Schwert und ließ den Kopf sinken. Der Griff um den Schwertgriff wurde stärker. Kurz verharrte er, dann stieß er sich ab und kam wieder auf die Füße. Die Klinge wischte er am Mantel ab, dann ließ er das Schwert unter dem Mantel verschwinden. Er wandte sich Arivila zu, die ihn verständnislos anblickte und nicht zu wissen schien was sie sagen sollte. Wortlos ging er auf sie zu und ließ sich neben ihr, gegen den Felsen gelehnt zu Boden sinken. Er benutzte einen Arm als Kopfstütze. Er schwitzte. Seine Körpertemperatur war stark erhöht, ihm war schwindelig, das alles waren Folgen der magischen Beanspruchung. Bei der Benutzung von Magie wurde der Körper schlicht weg entkräftet, während Fettzellen verbrannt wurden und der Stoffwechsel stark beschleunigt wurde. Es würde einen Augenblick dauern bis Soil sich wieder gefangen hatte. Die dauerhafte Nutzung von Magie setzte den Körper nicht nur unter gewaltigen Druck, sondern sie setzte den Nutzer sowohl geistig wie auch körperlich unter gewaltigen Stress. Ein kalter Schauer rann Soil den Rücken hinunter.
»Es tut mir leid… Dass es so weit gekommen ist, war meine Schuld«, hechelte Soil total fertig.
Arivila schaute ihm entgegen. Er schwitzte und gleichzeitig schien er vor Kälte zu zittern. Sie wusste nicht wie sie reagieren sollte. Die Ereignisse der letzten Augenblicke waren etwas zu viel für sie und doch hatte sie den unglaublichen Drang etwas zu sagen. Aber was.
»Diese… Dinger… Waren es die gleichen, die meine Familie ermordet haben?«, fragte sie letztendlich und brach damit die eigenwillige Stille. Soil atmete schwer und schnell, dabei nickte er hastig.
»Ja… Das war meine Schuld… Sie sind hinter mir her…«, begann Soil hastig und viel zu schnell zu reden. Ein deutlicher Schwindel manifestierte sich in seinem Kopf und er stieß einen erstickten Seufzer aus, als er kurz die Augen schloss um sich innerlich wieder zu fangen.
»Hinter dir aber?«, Sie verstand nur Bahnhof und starrte ihn an. Wollte er damit etwa sagen, er war daran schuld, dass die Dämonen sie angegriffen hatten? Wollte er damit sagen, dass er die Schuld am Tod ihrer Familie trug?
»Was meinst du damit?«, hakte sie hastig nach und starrte ihm mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck entgegen.
Soil atmete mehrere Male tief durch bevor er antwortete: »Avatar… Ein Avatar ist ein Erwählter. Nicht der eines Gottes, sondern der eines mächtigen Dämons, der zu seiner Zeit aus der Hölle verbannt wurde«, begann Soil mit einer deutlicher werdenden Stimme. Allmählich schien er sich wieder beruhigt zu haben.
»Diese Dämonen werden die Verstoßenen genannt. Sie haben keine Chance mehr in die Hölle zurück zu kehren, deshalb versuchen sie aus der Zwischenwelt, in die sie verbannt worden sind auf die Menschenwelt zu zugreifen«, erzählte Soil mit sanfter und dennoch aufgeregter Stimme. »Dafür gibt es nur eine Möglichkeit. Sie greifen ein und erwählen einen Menschen, der zum Avatar wird. Avatare erhalten mehrere Fähigkeiten und Gegenstände von ihrem Meister, nachdem sie mit ihm einen Vertrag eingegangen sind. Dieser Vertrag besagt, dass sie verpflichtet sind an den Spielen der schwarzen Sonne teilzunehmen. Diese Spiele… wie sie genannt werden kann man mit einer großen Schlacht vergleichen. Der Avatar, der die Spiele gewinnt ist dazu in der Lage ein Siegel zu brechen, was seinen Meister gefangen hält. Die Kraft eines Avatars wächst in jedem Moment, in dem er einen anderen Avatar eigenhändig das Leben nimmt«, redete Soil weiter ohne genau zu wissen ob Ari ihm überhaupt folgen konnte. »Die Herrscher der Hölle wollen das verhindern und schicken Dämonen in die Welt um die Avatare zu brechen und zu bekämpfen. Da die meisten Dämonen jedoch nicht dazu in der Lage sind einen Avatar aufzuspüren greifen sie alles an, was etwas mit ihnen zu tun hatte. Sobald ein Avatar mit einem Menschen in Kontakt tritt hinterlässt er eine Art… Fingerabdruck, der den Menschen zeichnet und damit zur Jagd freigibt«, seufzte Soil beschämt und schloss erneut die Augen. Arivila starrte ihn an. Wollte er damit wirklich sagen, dass er am Tod ihrer Lieben schuld war?
»Als ich mit dir in Verbindung getreten bin habe ich diesen Fingerabdruck auf dir hinterlassen. Jedoch tun sich die meisten Dämonen schwer darin die Seelen von Verwandten auseinander zu halten. Also haben sie zuerst deine Familie ausgelöscht um die Gefahr soweit es geht zu verringern«, endete Soil vorerst indem er tief Luft holte.
»Willst du mir damit sagen, dass du an dem schuld bist, was geschehen ist?«, hakte Arivila ungläubig nach.
Soil nickte verhalten und sah ihr in die Augen. »Meistens verblasst dieser „Fingerabdruck“ innerhalb weniger Stunden, doch in deinem Fall schien er erhalten geblieben zu sein. Das habe ich nicht erwartet und deshalb habe ich den Kontakt zugelassen.«, begann er erneut zu sprechen.
»Also ist es tatsächlich deine Schuld?«, fragte Arivila zeitgleich ungläubig wie auch verzweifelt. Innerlich weigerte sie sich ihm die Schuld zuzusprechen. Er hatte sie getröstet ohne sich einen Vorteil davon zu versprech und zweimal hatte er ihr das Leben gerettet. Für all das hatte er keinerlei Gegenleistung erwartet und nun sollte sie ihn hassen? Das konnte sie nicht. Sie legte sich eine Hand an die Stirn und schloss die Augen um sich auf ihre Gefühle zu konzentrieren. Egal wie sehr sie darüber nachdachte. Sie fand keine Schuld, die sie ihm zuwerfen konnte. Wenn das was er sagte wirklich stimmte, dann hatte er sie damit in Gefahr gebracht, indem er mit ihr geredet hatte. Sie sah ihn genauer an. Sein Gesicht hatte denselben Ausdruck wie an dem Tag an dem sie sich kennen gelernt hatten. Freundlich, auch wenn er etwas abwesend wirkte. Seine Gesichtszüge hatten etwas unsagbar Trauriges an sich. Und allmählich verstand sie warum. Wenn er wirklich jeden in Gefahr brachte mit dem er Kontakt aufnahm… Sie konnte sich gut vorstellen, dass er den Kontakt mit anderen meistens mied. Als er sie jedoch weinend auf der Parkbank gesehen hatte, hatte seine menschliche Seite gewonnen und er hatte Kontakt aufgenommen.
»Sind diese Dämonen alle gleich?«, fragte sie um vom Thema abzulenken und zeigte auf die zusammen gekauerten Leichen der Dämonen.
»Nein… Unter Dämonen gibt es verschiedene Ränge. Selvon und Vatar bilden die oberste Stufe der Dämonenhirachie… Sie sind sozusagen die Königsgeschlechter unter den Dämonen. Dicht darunter stehen die Minos und darunter die Varen…«, erklärte Soil mit den Gedanken etwas abwesend, er zeigte auf die Leichen vor ihnen. »Das sind Varen… die schwächsten in der Rangfolge der Dämonen, sie sind nicht in der Lage zwischen den meisten Seelen zu unterscheiden und können ihre Gestalt nicht verändern. Sie sind am einfachsten auf diese Welt zu senden. So wenig glaubwürdig es ist… Die Welt der Menschen ist durch einen göttlichen Schutzwall geschützt, der verhindert, dass sich Selvon, Vatar und die meisten Minos Zutritt verschaffen. Von diesen Vertretern gibt es nur sehr wenige auf dieser Welt. Die Varen werden von ihren Meistern auf diese Welt geschickt um einen Kraftzuwachs der Avatare zu verhindern, jedoch können die Varen meistens nur sehr wenig gegen einen Avatar ausrichten, der seine Fähigkeiten einigermaßen unter Kontrolle hat. Also versuchen sie den Avatar indirekt anzugreifen, indem sie zum Beispiel Leute wie dich angreifen und töten. Das soll die Avatare demotivieren. Ein Avatar der nicht an sich selbst glaubt wird immer schwächer.«, erklärte Soil nach besten Wissen und Gewissen.
»Wie… Wie wird dieser Vertrag geschlossen, damit man zum Avatar wird meine ich«, fragte Arivila vorsichtig nach.
»Das ist unterschiedlich… Ich kann sagen wie es bei mir dazu kam…«, begann Soil langsam. »Ein Herrenloser Minos hatte damals Besitz von meinem Vater ergriffen… Er tötete meine Familie und folterte mich. Kurz bevor er mich tötete war mir als würde ich eine Stimme hören, die mich fragte ob ich wirklich schon sterben möchte… Ich habe mit Nein geantwortet. Er erklärte mir die Bedingungen des Vertrages und versprach mir die Macht den Dämon zu töten. Ich willigte ein. Ich wurde zum Avatar und tötete den Minos, doch letztendlich konnte ich niemanden retten«, erzählte Soil völlig sachlich. »Es heißt, dass sich die Verstoßenen Menschen für ihre Verträge suchen, die ihnen im Wesen ähneln. Baal der Herr des Chaos, mit dem ich meinen Vertrag schloss schenkte mir die Macht über die Elemente. Jedenfalls über ein paar davon… Außerdem schenkte er mir einen Teil seines Flügels, der wie eine machtvolle Rüstung gegen magische Angriffe wirkt«, erzählte Soil weiter und zeigte auf seinen Mantel.
»Wie alt warst du, als du den Vertrag geschlossen hast?«, hakte Arivila neugierig nach und schaute ihn an.
»Zehn… Das alles ist jetzt sieben Jahre her… Die Spiele beginnen erst, wenn jeder Verstoßene einen Avatar erwählt hat. Vor Beginn der Spiele ist es den Avataren strengstens verboten einander anzugreifen«, sagte Soil in einem finsteren und kalten Tonfall. Arivila schluckte und starrte ihn an. »Was geschieht mit einem Avatar wenn er stirbt?« Arivila konnte nicht anders als zu fragen. Soils Blick verfinsterte sich. »Wenn ein Avatar versagt geht er weder in den Himmel noch in die Hölle… er geht ins gleiche Zwischenreich, in dem sein Meister auf ihn wartet und seine Seele bis in alle Ewigkeit foltert« Soil seufzte bedrückt wenn er an sein Schicksal dachte.
»Gibt es keine Möglichkeit diesen Vertrag zu lösen?«, hakte Arivila deutlich verschreckt nach. Soil lächelte bitter und streckte eine Hand aus. Ein Schatten bildete sich darin und weitete sich langsam aus, dann nahm der Schatten Gestalt an und verfestigte sich. In seiner Hand lag eine schwarze Maske, sie hatte eine seltsame Form. Wie ein Gesicht, doch an den Seiten war sie nach außen gezackt. Sie war schwarz, hatte aber rote Einschläge die von der rechten Seite in Augenhöhe über die halbe Maske verliefen. Die Einschläge sahen aus, als seien sie von Klauen verursacht worden. Neugierig betrachtete Arivila die eigenartig aussehende Maske. »Diese Maske ist das Zeichen des Vertrags. Wenn ein Avatar sie aufsetzt erhält er zwar unglaubliche Macht, büßt aber einen Teil seiner Menschlichkeit und seiner Seele an den Dämon ein. Der Vertrag ist nicht zu brechen… Es sei denn man gewinnt die Spiele« Soil betrachtete die Maske mit ruhigem und traurigem Blick. Den Avataren wurde also die Freiheit versprochen, wenn sie diese Spiele gewannen? Wenn sie versagten erwarteten sie ewige Qualen. Das waren ja tolle Aussichten, wie es schien waren Dämonen harte Geschäftspartner… Sie schienen einen Vertrag nur dann einzugehen, wenn er für sie keinerlei Nachteile bedeutete. Entweder ein Sieg des Avatars und ein Siegel weniger für den Dämon oder der Avatar würde die Seele des Avatars bis in alle Ewigkeit als Spielzeug oder Zahnstocher benutzen. Wie es aussah war Soil in einer ziemlich aussichtslosen Situation gefangen. Voller Mitleid schaute Arivila ihn an. Es mochte wahr sein, dass er am Tod ihrer Lieben beteiligt und vielleicht sogar schuld war, doch sie konnte ihm deshalb nicht böse sein. Vielleicht irgendwann… aber nicht jetzt. Sie stand auf und lächelte ihn an, dann reichte sie ihm eine Hand. »Egal ob ich deinen Fingerabdruck auf meiner Seele habe… Ich habe schon alles verloren was mir lieb und teuer war. Also wirst du mich ab heute beschützen klar?«, lächelte Arivila sanft und Soil sah sie etwas verwirrt an.
»Los, nimm meine Hand, schließe den Vertrag mit mir und lass mich versuchen dich auf andere Gedanken zu bringen«, grinste sie leicht und forderte ihn mit einer schnellen Handbewegung auf, sie zu ergreifen. Die Maske in Soils Hand verflüchtigte sich in Schatten. Dann lächelte Soil leicht und ergriff ihre Hand.


Kapitel 4
Es war laut, hier und da lachten ein paar Mädchen, an der anderen Seite tuschelten sie, während sie den Jungen am Nachbartisch neugierig musterten. Kaffee tropfte als heißes, dunkles Sekret in die Kanne unter der altmodischen Kaffeemaschine. Soil seufzte kurz. Hier gingen also Jugendliche hin um Spaß zu haben? Wirklich. Er runzelte die Stirn. Arivila musterte ihn neugierig. »Ist alles okay? Warst du wirklich noch nie vorher in einem Café?« Arivila beäugte ihn nach ihrer Frage neugierig. »Nein... nicht das ich wüsste...«, antwortete Soil etwas zu schnell für seinen Geschmack. Arivila begann leicht zu grinsen. »Was ist?«, hakte Soil nach und schaute ihr in die Augen. »Ach nichts.«, quittierte Arivila mit einem noch breiterem Grinsen als zuvor. Ihr Blick wich nach draußen und sofort schaute sie wieder weg. Etwas überrascht von ihrer Aktion schaute nun auch Soil nach draußen. »Schau nicht hin... ich will nicht, dass er auf mich aufmerksam wird...«, flüsterte Arivila leise und schaute demonstrativ in eine andere Richtung. Soil beäugte den Muskelberg, der gerade am Fenster vorbei lief mit einem kalten Blick. »Wer ist der Kerl?«, die Frage kam zum gleichen Zeitpunkt wie der Blick des jungen Mannes auf Arivila. Er begann zu grinsen und schritt selbstsicher zum Eingang des Cafés. »Mein Exfreund...«, flüsterte sie etwas niedergeschlagen, als sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen hörte. »Hey Ari-Schätzchen... Was machst du denn hier? Warum reagierst du nicht auf meine Anrufe?«, lachte ihr Exfreund mit einer unglaublich selbstsicheren Stimme. Soils Miene verfinsterte sich. »Lass mich in Ruhe Kevin«, reagierte Ari aggressiv und rückte von ihm weg. Soil bemerkte die Spannung zwischen beiden sofort. Kevin streckte mit wütenden Blick seine Hand nach ihr aus, er war es wohl nicht gewohnt eine solche Abfuhr zu erhalten. »Hey was soll das, ich...« Kevins Hand wurde festgehalten. Soil hatte sich eingeschaltet und hielt sie fest im Griff. »Was willst du denn du Witzfigur?«, reagierte Kevin sofort in einer einzigen Aggression. »Es ist besser wenn du jetzt gehst.«, antwortete Soil mit kalter Stimme und starrte ihm finster in die Augen. »Verpiss dich, das ist eine Sache zwischen meiner Freundin und mir, klar?« Kevins Stimme war aggressiv, sein Blick nicht weniger und allmählich hob er die andere Hand. »Ich glaube nicht, dass sie sich noch als solche ansieht. Geh einfach und keinem passiert was«, erklärte Soil sachlich und ohne einen Hauch von Angst. »Ich geb dir noch eine Chance zu verschwinden bevor ich dir die Fresse einschlage«, rief Kevin wütend und starrte Soil mit einem abgrundtief finsteren Blick an, dem er spielend standhielt. Auf Soils Gesicht bildete sich ein ironisches Lächeln. »Nicht so laut oder willst du dich vor dem Rest der Leute in diesem Laden zum Affen machen?«, lächelte Soil finster, sein Griff um Kevins Arm wurde fester. Es knackte leise aber unüberhörbar, Kevins Gesichtsausdruck wechselte von einem Dominanten in einen Leidenden. »Lass meinen Arm los«, wimmerte er mehr als er sprach. »Wirklich erbärmlich... ich hätte mehr erwartet«, seufzte Soil enttäuscht und ließ das Handgelenk seines Gegenübers los. Sofort begann Kevin sein Handgelenk zu streicheln und bedachte Soil mit einem verhassten Blick. Er drehte sich um, schien gehen zu wollen, doch bevor er den ersten Schritt in Richtung Tür machte drehte er sich um und schlug zu. Die Faust traf Soil mitten im Gesicht. Soil jedoch blieb ruhig sitzen, als hätte er keine Notiz davon genommen. »Geht’s dir jetzt besser?«, fragte Soil leicht und gähnte ermüdet. Kevins Gesicht zeigte pure Verwunderung. Anscheinend war er es gewohnt, dass seine Gegner nach seinem Angriff auf dem Boden lagen um wimmerten. »Was bist du für ein Freak?«, stammelte Kevin und stolperte einen Schritt zurück. »Ein Freak, der dich in Einzelteile zerlegen wird, wenn du jetzt nicht verschwindest und Ari nicht in Ruhe lässt«, antwortete Soil drohend. Sein Blick zeigte die pure Mordlust. Sofort stolperte Kevin noch ein paar Schritte zurück. »Also was solls sein? Gebrochene Knochen oder gebrochener Stolz?«, lächelte Soil fragend und schaute ihn finster an. »Wir sehen uns wieder... Das ist noch nicht vorbei!«, rief Kevin wütend und ließ die Cafétür hinter sich ins Schloss fallen. »Ich wäre enttäuscht wenn es das wäre.«, seufzte Soil und wandte den Blick wieder Arivila zu, die ihren Kopf auf die Tischplatte und die Hände auf den Kopf gelegt hatte. »Das war nicht nötig...«, flüsterte Arivila etwas fertig. »Doch das war es. Manche Leute wissen einfach nicht, wann es genug ist.«, gab Soil zur Antwort und sah sie an. »Du verstehst es nicht... Kevin war noch nie jemand, der sich so einfach geschlagen gibt... Er kommt wieder, mit einer ganzen Mannschaft von Freunden.«, gab sie zurück und schüttelte den Kopf. Eine Hand legte sich auf ihren Kopf. Sie schaute auf und blickte in Soils traurig lächelndes Gesicht. »Mach dir keine Sorgen. Ich komme klar.«, gab er mit aufmunternden Tonfall zurück und tätschelte ihr Haar. Ein sanftes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. »Du bist ein echter Vollidiot.«, seufzte sie atemlos. »Ich gebe mein bestes.«, grinste Soil leicht und nahm seine Hand von ihr. Eine Bedienung stolperte in ihre Richtung und schaute beide an. »W...Was darf ich Ihnen bringen?«, fragte sie etwas nervös und schaute dabei besonders Soil an, dieser nickte Arivila zu. Sie schaute verwirrt auf und begriff dann. »Einen Erdbeermilchshake bitte...«, bestellte sie mit einer sanften und angenehm klingenden Stimme. Die Bedienung kritzelte auf ihrem Block herum und schaute dann wieder zu Soil. »Und sie?« Die Bedienung lächelte Soil freundlich, wenn auch etwas ängstlich an. Anscheinend hatte sein Auftritt für Aufsehen gesorgt. Verdammt. Er hasste es Aufsehen zu erregen. »Einen Kaffee...«, antwortete er kurz und einfach. »Mit Milch oder Zucker? Mit Süßstoff oder Shot?« Die Bedienung schien etwas verwirrt und schaute ihn ebenso verdattert an. »Mit Kaffee...«, seufzte Soil und setzte dann ein lächeln auf um sie nicht weiter zu verunsichern. Sie nickte hastig und kritzelte erneut auf ihrem Block herum, dann ging sie in Richtung Tresen. Arivila schaute ihn etwas ironisch an. »Kaffee? Wirklich? Wie originell«, grinste sie etwas und tippte etwas auf der Karte herum, auf der groß das Wort Café stand. »Was denn? Das ist doch ein Café oder? Also warum keinen Kaffee bestellen?« Soil schien etwas nervös und grinste dann verhalten. Ari musste lächeln. Dieser Typ war wirklich seltsam. Auf der einen Seite der tuffe, ernste Krieger, der gegen Dämonen kämpfte oder ihren Exfreund in die Flucht schlug und auf der anderen Seite der gefühlvolle Witzbold, der ihr im Park zugehört hatte und sie aus welchen Gründen auch immer zum lachen brachte. Irgendwie war es grade schwer sich an den Soil zurück zu erinnern, der im Wald die Dämonen auseinander genommen hatte, oder der verträumt auf dem Waldboden gesessen hatte und die hässliche Dämonenmaske angesehen hatte, die er in den Händen hielt. Dies alles schien doch viel komplizierter als sie dachte. Wenn sie sich in ihrer Vergangenheit Dämonendiener vorgestellt hatte, hatte sie stets an vermummte und ältere Männer gedacht, die um ein Feuer tanzten. Aber jemand wie er wäre ihr dabei nie in den Sinn gekommen. Seltsam wie das Schicksal einem ins Gesicht schlug, wenn man es nicht erwartete. Die Bedienung kam mit einem Tablett in den Händen auf sie zu und stellte einen Kaffee vor Soil und ein Glas mit einer milchigen und seltsam pinken Substanz vor Arivila ab. »Guten Durst... oder Hunger?«, lächelte Soil und zog dabei ironisch die Augenbrauen hoch. Arivila musste unwillkürlich grinsen. Lächelnd nahm Soil einen Schluck Kaffee und gähnte dann. Trotz des Actionreichen Tages war er ziemlich müde. Seltsam... Normalerweise war er so gut wie nie müde. Seine Gesichtszüge nahmen das gewohnte Antlitz wieder an. Kühl, traurig und auf die eine oder andere Weise nett. »Sag mal... warum guckst du immer so traurig?«, hakte Arivila nach und schaute ihn genau an. »Das kommt dir nur so vor... Mir geht’s gut.«, erwiderte Soil mit kühler Stimme. »Mag sein... aber seit wir uns kennen guckst du immer so traurig, als sei dir irgendwas passiert...«, antwortete sie etwas unsicher. »Ich hoffe das stört dich nicht... Mir geht es wirklich gut.«, entgegnete er mit kalter und harter Stimme. »Verstehe...«, quittierte Arivila. Was hatte sie sich eigentlich eingebildet? Dass er sie gleich einen ausführlichen Blick in seine Seele werfen ließ? Männer waren nicht so wie manche Frauen. Jedenfalls die meisten. Ihr Blick wanderte auf sein Gesicht. Eigentlich sah er gar nicht so schlecht aus. Etwas blass, aber ansonsten wirklich gutaussehend. Innerlich schüttelte sie den Kopf. Keine gute Idee. Manche Dinge blieben besser unausgesprochen. Am besten war es jede überflüssige Emotion für ihn zu begraben und nie wieder daran zu denken. Sie atmete tief durch. »Ist alles in Ordnung? Ich hoffe ich habe dich jetzt nicht aufgeregt oder so…«, begann Soil das Reden und Arivila lächelte ihn sanft an. »Nein… alles bestens.«, grinste sie. Na toll, jetzt log sie ihn auch noch an, wo das wohl hinführen würde. In einem schnellen Zug sog sie ihren Milchshake aus und schüttelte sich kurz. Soil hatte seinen Kaffee bereits ausgetrunken und lächelte sie an. Allerdings sah sie ihm genau an, dass er ihr kein Wort glaubte, jedoch beließ er es dabei. »Wir sollten zahlen.«, lächelte Arivila mit Sonntagsgrinsen und Soil runzelte die Stirn. »Klar warum nicht…«, lenkte er ein und warf ihr ein finsteres Lächeln zu. Sie zuckte zusammen. Schnell winkte Arivila die Bedienung herbei, die sofort und ohne Umschweife zu ihnen eilte. Soil legte das Geld auf den Tisch und Arivila kramte in ihrer Tasche herum. Es war ein seltsames Gefühl mit ihm hier zu sitzen. Wie ein Date und dann schon wieder nicht. Innerlich machte sich in ihr eine Frage breit, warum war sie mit ihm hier? Im Endeffekt war es seine Schuld, dass sie jetzt völlig allein auf der Welt war. Natürlich das Leben ging weiter, aber hätte er sie damals im Park ihrer Trauer überlassen, wäre sie traurig nachhause zu ihrer Familie gelaufen und hätte sie lebend vorgefunden… Ihre Mutter hätte sie sicherlich getröstet. Ihr Bruder hätte ebenfalls sein bestes dafür getan. Trauer stieg in ihr auf. Warum war sie mit ihm hier? Es war alles seine Schuld. Seine Schuld, nicht die eines Anderen. Er war an allem Schuld. Sie schaute ihn an. In seinem Blick lag die gewohnte Traurigkeit. Sie konnte noch immer nicht zuordnen woher sie stammte. Er war ihr ein absolutes Rätsel. Er war ihr eigentlich völlig fremd und doch hatte sie das Gefühl ihn schon ewig zu kennen. Aus irgendeinem Grund verwirrte er sie. Er hatte selbst so viele Probleme und schreckte trotzdem nicht davor zurück einem weinenden Mädchen ein Lächeln zu schenken. Soil erhob sich und nickte der Bedienung freundlich zu. Auch Arivila legte nun ihr Geld auf den Tisch und lächelte die Bedienung ebenfalls an. Zusammen verließen Soil und Arivila das Café, es dämmerte bereits. Seltsam. Es kam einem so vor, als würden die Tage immer kürzer werden. Soil schaute die, in den Himmel empor schauende Arivila an. »Bist du dir sicher, dass alles okay ist? Du siehst ziemlich nachdenklich aus«, begann Soil erneut. »Ja… ich kann auch nachdenken, wenn es mir gut geht. Aber es ist süß, dass du nachfragst.« Arivila kicherte etwas. Jetzt war wieder alles okay. Sie hatte keine Ahnung warum sie ihm keine Vorwürfe wegen des Todes ihrer Familie machte. Sie wusste nicht warum sie sich trotz allem so gut fühlte, doch sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte. Er hatte sie immer beschützt, jedenfalls bisher und sie hatte auch keinen Zweifel daran, dass er es wieder tun würde.

»Ah, da sind sie ja wieder…« Eine laute Stimme meldete sich aus der Dunkelheit der Gassen. Soil setzte einen weniger überraschten Gesichtsausdruck auf, als Kevin gefolgt von vier anderen Muskelbepackten „Möchtegernechtkrassos“ aus einer schmalen Seitengasse bog. »Hi, dürft ihr denn so spät überhaupt noch draußen sein?«, lächelte Soil spöttisch. Wütend biss Kevin die Zähne aufeinander. Soil grinste. Das gehörte alles zur Taktik. Er hatte sich im Café selbst davon überzeugen können, wie schnell Kevin die Beherrschung verlieren konnte. Eine Eigenschaft, die sich Problemlos gegen ihn einsetzten ließ. Es war möglich, dass man im wütenden Zustand schneller, stärker und ausdauernder war als normal, doch man machte Fehler. Soil hatte keinen Zweifel daran, dass Kevin auch im nicht wütenden Zustand Fehler gemacht hätte, doch so konnte er sich sicher sein. Mit einem wütenden Grinsen zogen Kevin und zwei seiner vier Freunde Ketten aus ihren Jacken. Die zwei restlichen zogen Messer. »Jetzt wird dich nichts mehr retten, sprich dein letztes Gebet!«, rief Kevin lauthals und lachte, während er mit der Kette herumwirbelte. »Nein danke, ich steh nicht aufs beten, aber wenn du beten willst habe ich dafür Verständnis«, entzauberte Soil Kevins Aussage spöttisch. Arivila hatte ein paar Schritte zurück gesetzt. Langsam kotzte es sie an. Wieder war sie nicht in der Lage ihm irgendwie zu helfen. Sie biss die Zähe zusammen. Kevin schrie laut und raste mit wirbelnder Kette auf Soil zu, dieser erwartete ihn mit einem Lächeln. Die Kette flog auf ihn zu, er machte einen schnellen Ausfallschritt nach hinten und wich der Kette damit aus. Kevin setzte einen schnellen Schritt nach vorne und warf die Kette in Soils Richtung aus. Diesmal duckte er sich unter dem wirbelnden Angriff hindurch und fegte Kevin mit einem gezielten Tritt die Beine aus dem Gleichgewicht. Er stürzte, die Kette landete in seinem Gesicht. Kevin jaulte auf. »Der Nächste bitte«, forderte Soil mit einem freundlichen Lächeln. Alle vier gleichzeitig rasten auf Soil zu, sein Lächeln verfinsterte sich. »Doch nicht alle auf Einmal…«, grinste er leicht und sprang einen Schritt zurück um den beiden wirbelnden Ketten zu entgehen, die in der Luft aufeinander trafen und sich etwas aufeinander wickelten. Ein überraschter Aufschrei der Angreifer, als sie die Kontrolle über ihre Waffen verloren und diese sie trafen anstatt das Ziel. Einer der Messerstecher sprang auf Soil zu. Er blockierte den Angriff, indem er nach dem Arm des Angreifers griff, seiner Kraft mit seiner etwas entgegenwirkte, dann eine schnelle Drehung vollführte und den Arm des Gegners auf den Rücken drehte. »Also mein Junge… Das ist der sogenannte Polizeigriff… Du wirst merken, je weiter ich deinen Arm nach oben drücke, desto stärker werden die Schmerzen«, erklärte Soil mit typischen Lehrertonfall, während er den Arm weiter nach oben drückte. Der Angreifer schrie vor Schmerz auf. Einer der Kettenschwinger hatte sich wieder aufgerichtet und schlug mit der Kette zu. Soil fischte sie mit einer einfachen Bewegung aus der Luft, ohne sich dabei etwas zu tun. »Ketten sind ziemlich unzuverlässig weißt du… Sie lassen sich ohne weiteres gegen dich einsetzen.«, lächelte Soil erneut, zog an der Kette und reduzierte so die Distanz zwischen ihm und dem Angreifer. Schnell wickelte Soil die Kette um Arm und Hals des Messerstechers und zog sie fest. Der Messerstecher schrie auf, als sein Arm noch höher gezogen wurde. »Man du hast mein Mitleid… Das muss weh tun…«, tat Soil mitleidig und machte einen schnellen Schritt zur Seite um dem Angriff des zweiten Messerführers zu entgehen. Zeitgleich platzierte er einen schnellen Tritt gegen das rechte Bein des Ersten Messerstechers, sodass er zu Boden fiel und den Kettenschwinger gleich mitriss. Ein weiterer schneller Tritt traf den Kettenschwinger gegen das Jochbein. Sofort verlor er das Bewusstsein. Der zweite Angriff des Messerstechers war nicht schwer voraus zu ahnen. Das gleiche Angriffsmuster wie der erste. Grob und Fantasielos. Soil seufzte enttäuscht, packte den Angreifer am Handgelenk und drückte so fest zu, dass es laut knackte. Wimmernd ließ er das Messer los, Soil fing es auf und setzte einen schnellen Angriff ans Handgelenk des Gegners, die Klinge schnitt nicht tief in die Haut, dennoch schrie der Angreifer. »Die Messerklinge liegt genau auf deiner Sehne. Wenn ich sie durchtrenne ist es gut möglich, dass du deine Hand nie wieder richtig benutzen kannst wenn du nicht schnell genug ins Krankenhaus kommst. Sehnen haben die Eigenschaft sich einzuziehen sobald sie durchtrennt sind. Merk dir das für das nächste Mal wenn du ein Messer gegen einen Gegner führst, der deutlich mehr Erfahrung hat als du.« Soil ließ die Klinge zurück gleiten ohne, dass der Gegner weiter verletzt wurde. Ein schneller Schlag traf ihn an der Schläfe, der Angreifer sackte zusammen. »Schluss Jetzt!«, erklang Kevins wütende Stimme. Er hielt Arivila fest im Griff und hatte ihr eine Messerklinge an den Hals gelegt. »Jetzt bist du nicht mehr so taff hmm?« Kevin grinste Siegessicher. Auf Soils Gesicht machte sich pure Verachtung breit. »Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, werde ich dich umbringen.« Soils finsterer und furchteinflößender Blick untermauerte seine Aussage. Kevin schluckte, schritt jedoch nicht zurück. Die Klinge drückte noch stärker gegen Aris Haut. Sie wimmerte kurz auf, als ein Tropfen Blut unter der Klinge hervorquoll. Soil kämpfte mit seiner Beherrschung, doch er verlor den Kampf. Mit unglaublicher Geschwindigkeit überbrückte er die Distanz zwischen Kevin und ihm. Voller Wut griff Soil an. Der verdutzte Kevin hatte keinen Spielraum um sich zu wehren oder dem Angriff auszuweichen. Die Klinge schnitt tief in seine Hand, das Messer fiel zu Boden. Soil packte Kevin am Hals und stieß ihn zurück, auch sein Messer fiel zu Boden. Völlig egal. Er brauchte kein Messer um jemanden wie ihn umzubringen. Ein schneller Schlag traf Kevin am Solarplexus. Der Schlag trieb ihm die Luft aus den Lungen er hechelte und beugte sich vor Schmerz vornüber. Soil packte ihn an den Haaren und warf seinen Kopf zurück. Dann traf Kevin ein harter Schlag gegen den Kiefer. Es knackte laut, der Kiefer war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gebrochen. Ein zweiter harter Schlag traf Kevin im Nierenbereich. Er sackte zu Boden und hielt sich den Bauch. Er kroch zurück. »Spürst du das? Ja du hast Recht. Das ist Todesangst.« Soil setzte einen schnellen Schritt in seine Richtung packte ihn am Hals und riss ihn wieder in die Höhe. Er drückte zu, sodass Kevin die Luft wegblieb. Beinahe spielend warf Soil Kevin mit der Kraft der Wut auf den Boden. Er schrie voller Qual auf. Blut floss aus seinem Mund, wahrscheinlich ein Zeichen für den gebrochenen Kiefer. Soil holte zum letzten und tödlichen Schlag aus. Doch er stockte. Arivila hatte sich an ihn geworfen und hielt seinen Arm fest. Rein Kräftespezifisch, wäre sie kein Hindernis gewesen. Und dennoch hielt Soil inne. Er hatte viel zu schnell die Beherrschung verloren. Das durfte nicht passieren. Soil presste die Faust fest zusammen und schlug zu. Die Faust prallte genau neben das Gesicht des völlig verängstigt daliegenden Jungen. »Das nächste Mal bist du Tot«, drohte Soil mit finsterer Stimme und Kevin nickte verängstigt und unter gewaltigen Qualen. Allmählich verzog sich der Schrecken aus seinem Gesicht er schloss die Augen und verlor das Bewusstsein. Soil atmete schnell und tief. »Es tut mir leid…«, hechelte er voller Wut. Er ließ sich auf den Boden sinken. Ari setzte sich neben ihn. »Bitte… verlier dich nie wieder so derartig in Wut…«, bat Arivila leise und wimmerte kurz. Soil musste ihr Angst gemacht haben. »Es tut mir so leid… ich wollte nicht, das du so was mit ansehen musst.«, knurrte Soil voller Selbsthass. Aris Hand legte sich auf seine Schulter. »Ist schon in Ordnung… Es hat mich nur etwas erschreckt. Ich werde jetzt einen Krankenwagen rufen…«, quittierte Arivila zügig und lächelte ihn an. »Wir treffen uns morgen wieder beim Café. Dann können wir darüber reden«, bot Arivila an und Soil nickte. Er stand auf und ging langsam los. Es war bereits dunkel geworden. Noch nie hatte er sich so derartig geschämt jemanden fast umgebracht zu haben. Noch nie. Langsam schritt er in die Dunkelheit. Arivila sah ihm nach. Wie Soil reagiert hatte schockte sie nicht, es stieß sie nicht ab. Es war seltsam, aber aus irgendeinem Grund gefiel es ihr, dass er sie so derartig beschützen wollte. Ihr stockte der Atem. Was war los mit ihr? War sie in ihrem Inneren so brutal? Sie wusste es nicht. Sie atmete tief durch, dann zog sie ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer des Notrufs.


Kapitel 5
Der Regen prasselte in einer synchron-monotonen Melodie auf den Boden. Immer wieder huschten Leute umher, die versuchten sich selbst mit einem Regenschirm oder einer Tasche vor dem prasselnden Regen zu schützen. Es war ein unglaublicher Wolkenbruch. Seit langem hatte es hier nicht mehr einen so starken Regenschauer gegeben. Die Wolken zogen sich immer näher zusammen und vereitelten die Hoffnung auf eine baldige Wetterbesserung. Soil schaute in den Himmel, er war klatschnass, doch es machte ihm nichts aus. Wasser tropfte von seinen Haarspitzen auf sein blasses Gesicht. Sein Blick war so gleichgültig wie immer. Immer wieder tropfte der Regen auf sein Gesicht und erweckte den Eindruck er würde weinen, doch tief in seinem Inneren klaffte die übliche Leere von Emotionen. Nichts rührte ihn, nichts verriet was in ihm vorging, nicht mal er selbst konnte sagen, ob dort in seinem Inneren überhaupt irgendetwas vorging. Ein lauter Donnerschlag erschütterte die monotone Symphonie des Regens. Soil schloss die Augen und atmete tief durch. Es war ein seltsames Gefühl für ihn auf jemanden zu warten, der nicht kommen würde und dennoch stand er hier in der Hoffnung sie wieder zu sehen. Doch die Zweifel waren stärker als jedes positive Gefühl. Nach der gestrigen Aktion konnte er verstehen, wenn sie nicht kommen würde. Doch er würde hier bleiben. Hier im Regen stehen, in den Himmel hinauf blicken und die Wolken beobachten, während sie immer dunkler zu werden schienen. Ein Blitz zuckte zwischen den Wolken umher um tauchte die Umwelt und den Himmel kurz in grelles Licht. Die Natur war wirklich ein Kunstwerk. So schön konnte sie sein und doch war sie dazu fähig sich selbst so zu verunstalten, dennoch war sie einfach faszinierend. Ein sanftes Lächeln legte sich auf Soils Lippen. Sie wird nicht kommen. Diese Worte hallten immer wieder in seinem Kopf hin und her. Eine Gänsehaut legte sich auf seinen Rücken als er daran zurückdachte, was gestern geschehen war. Er hätte niemals so weit gehen dürfen. Es waren Menschen. Nur Menschen. Natürlich hatten sie ihn angegriffen, natürlich hatte dieser Kevin gedroht Arivila etwas anzutun, aber dennoch waren es nur Menschen. Im Gegensatz zu Dämonen waren Menschen aus Glas. Viel zu zerbrechlich. Viel zu verwundbar. Viel zu... sterblich. Erneut atmete Soil tief durch. Der Regen floss an seinem Gesicht herunter. Was war gestern nur in ihn gefahren, solche Wut hatte er noch nie vorher gespürt. Lag es daran, das Arivila in Gefahr war? Unmöglich, er kannte sie doch kaum. Er fühlte sich für sie verantwortlich, wegen ihm war ihre Familie tot. Aber in ihm gab es keinerlei Gefühle für sie. Nichts. Nur Leere. Die gewohnte Leere, die er immer spürte. Nur dieses eine Mal hatte die Leere sich in Wut verwandelt. In eine Art von Wut, die er selbst nicht kannte. Das konnte nicht gut sein. War es vielleicht die Nervosität, die langsam in ihm aufstieg? Die Nervosität vor den großen Spielen? Warum maß er dem ganzen nun so viel Bedeutung bei, das war untypisch für ihn. Anscheinend musste er sich nun öfter über sich selbst wundern. Ein eigenartiges Gefühl. Und nicht das Einzige. Er zuckte beinahe zusammen, als er sie spürte, die dämonische Präsenz. Sein Blick verhärtete sich. Sein Blick wandte sich auf die Straße. Ein vermummter Mann rannte in eine Gasse. Von ihm ging die Präsenz nicht aus, dafür allerdings von den Schatten, die über die Dächer hinter der Gestalt her huschten. Soil rannte los. Hier stimmte etwas nicht und er würde herausfinden was es war. Seine Hand griff unter dem Mantel, er konzentrierte sich kurz und in seiner Hand materialisierte sich der Schwertgriff. Er rannte der Gestalt hinterher. In der Gasse angekommen nahm er Anlauf und sprang auf einen Müllcontainer, vom Container aus sprang er auf das Dach, auf dem in diesem Moment ein Schatten an ihm vorbeizischte. Soil taumelte, konnte gerade noch so das Gleichgewicht halten und sprintete den Schatten hinter her. Der Regen machte es nicht einfacher etwas zu sehen und das Fortkommen machte es erst recht nicht einfach. Die Dächer waren glitschig und voller Wasser, es platschte unter jedem seiner Schritte. Immer wieder musste er alles geben um nicht auf den glitschigen und rutschigen Dächern auszurutschen. Das Dach endete kurz vor ihm, er nahm Anlauf und sprang auf das nächste. Ein Akt der Geschicklichkeit folgte, doch er konnte sich auf den Beinen halten und weiter voraus rennen. Die Schatten vor ihm waren kaum sichtbar, aber sie waren da, da war er sich sicher. Vollkommen sicher. Ein lautes Heulen erklang und die Schatten sprangen von den Dächern auf die Straße hinab. Die vermummte Gestalt war stehen geblieben, hatte sich schwer atmend gegen eine Wand gelehnt. Ein Mensch? Warum waren Dämonen hinter Menschen her? Soil sprang vom Dach und rollte sich unten angekommen ab um sich nicht zu verletzen, dann rannte er auf die Gestalt vor und warf sich schützend zwischen sie und die dämonischen Schatten. Ein weiteres Aufheulen, dann nahmen die Schatten Gestalt an. Vier riesige, fast schulterhohe, schwarze Hunde mit gefletschten Zähnen und glühenden roten Augen nahmen den Platz der Schatten ein. Soil zog schwungvoll das Schwert aus dem Mantel und streckte es schützend vor sich aus. »Geh... Geh weg... Sie werden dich töten... Wie alle Anderen auch!« Die Stimme der Gestalt hinter sich klang völlig verängstigt. Wer konnte schon genau wissen, wie lang sie schon auf der Flucht war. Soil war es unmöglich die Stimme einem Geschlecht zuzuordnen, dafür war sie viel zu abgehetzt, verängstigt und Klanglos. Für einen Rückzug war es jetzt zu spät. Viel zu spät. Er würde bleiben. Und er würde kämpfen. »Vielleicht irgendwann... Aber heute nicht«, lächelte Soil und warf den Dämonenhunden finstere Blicke zu. Ein Knurren, wie ein Donnergrollen erklang aus den Mäulern der Hunde, dann ein lautes Bellen. Soil machte sich bereit, die Hunde stürmten auf ihn los. Alle Vier auf einmal. Kurz schloss Soil die Augen. Es regnete, also war Feuermagie hier nahezu nutzlos. Gut dann musste er sich anders behelfen. Er sammelte magische Energie vor sich, öffnete die Augen und setzte die magische Kraft vor ihm frei. Der erste Hund sprang auf ihn zu und wurde gleich von einem spitzen Eisstalagmit aufgespießt. Soil holte aus und durchtrennte den massigen Körper des zweiten Hundes in der Mitte. Die Körper der toten Hunde lösten sich in Schatten auf, während nun der dritte Hund zähneflätschend und zornig bellend auf Soil zusprang. Geistesgegenwärtig packte er die Gestalt an ihrem Kapuzenmantel und riss ihn von der Wand weg hinter sich her. Diese Seitengasse war zu eng um einen großen Vorteil im Kampf herauszufordern. Soil riss die Gestalt hinter sich her, die zwar schritt hielt, dabei aber noch immer wimmerte. Wieder sammelte Soil magische Energie. Er spürte wie die magische Kraft wieder an ihm riss und ihm Energie entzog. Innerlich fluchte er. Jetzt vollführte er eine schnelle Drehung, er wirbelte die Gestalt herum, sodass sie hinter ihm zum Stehen kam. Beide Hunde sprangen auf ihn zu. Im Bruchteil einer Sekunde griff Soil an. Ein weiter Eisstalagmit spross aus dem Boden und traf den ersten Hund im Flug am Hinterlauf, die Klinge des Schwertes durchtrennte das Fleisch des Halses. Kopf und Rumpf des Hundes lösten sich in Schatten auf, der zweite Schlag traf den Anderen Hund völlig unvorbereitet im Sprung. Die Klinge durchtrennte das weiche Gewebe in der Bauchgegend, der Hund fiel bellend zu Boden, dann stach Soil zu, die Klinge durchbohrte das Herz der Hundeartigen Bestie. Auch ihr Körper verging zu sanften Schatten. Er atmete schnell, der Einsatz magischer Kraft hatte ihn stark geschwächt. Die Gestalt, die von den Hunden verfolgt worden war kauerte wimmernd an einer Mauer und starrte Soil an. Soil stieß die Luft aus, sodass sich eine dünne Rauchwolke vor seinem Mund abzeichnete. Schwer atmend ließ er das Schwert zurück unter den Mantel gleiten, dann ließ er sich kraftlos neben der Gestalt auf den Boden fallen und lehnte sich gegen die Wand. »Also...« Soil holte tief Luft um besser sprechen zu können. »Also warum waren diese Biester hinter dir her?«, hakte er nach und schaute die Gestalt an. »Danke... Danke für die Rettung... aber ich weiß selbst nicht warum diese Kreaturen mich verfolgt haben«, wimmerte die Gestalt. Normalerweise wusste man, wann und warum man Dämonen gerufen hat, die einen jagen, warum wusste dieser Typ es nicht? Belog er ihn? Wer konnte es ihm verdenken, das einzige, was er über Soil wusste war, dass er gut mit dem Schwert kämpfen konnte und riesige, schwarze Dämonenhunde mit Eissäulen aufspießen konnte. »Okay... versuchen wir es mal Anders... Wer bist du? Wie ist dein Name?«, fragte Soil komplett fertig mit den Nerven und schaute starr gerade aus gegen die Hauswand. Die Gestalt legte eine Hand an die Kapuze und zog sie herunter. »Mein Name ist Maria... Wer bist du?«, begann Maria und schaute Soil erwartungsvoll an. »Soil... Seltsam du bist diese Woche schon die Zweite, die von Dämonen verfolgt wird...«, hechelte Soil mehr als er sprach. Erneut sog er die Luft tief ein und stemmte sich dann in die Höhe. »Sorry... aber ich habe Nummer Eins versprochen auf sie zu warten, also muss ich zum Treffpunkt zurück...«, begann Soil wieder einigermaßen normal zu sprechen. Maria nickte und schaute ihn an. Zum ersten Mal sah er auch sie an. Sie hatte langes braunes Haar, weiche Gesichtszüge und große blaue Mandelaugen, an den Seiten ihres Gesichts hatte sie sich kleine Zöpfe geflochten, die ihr Gesicht umrahmten. Wäre Soil ein pubertierender Schuljunge wäre er wahrscheinlich genau in diesem Moment errötet, doch er spürte nichts dergleichen. »Darf... Darf ich mit dir kommen?«, fragte Maria beinahe tonlos. Soil nickte schwach. »Ja... Warum nicht.«, bestätigte er kurz. Es war wahrscheinlich ohnehin besser sie nicht alleine zu lassen, es wäre ungünstig wenn andere Dämonen auf ihre Spur gerieten und niemand in der Nähe war um ihr den Hintern zu retten. Sie schaute Soil mit einem sanften Blick an. Er schaute zu ihr, sein Blick war eher irritiert. »Ist irgendwas?«, hakte er nach, sofort errötete Maria und schaute weg. »Nein alles okay...«, stammelte sie etwas geistesabwesend. Soil seufzte und ging voraus, der Regen wurde allmählich schwächer. Der Wolkenbruch mit dicken Tropfen, war einem sanften Nieselregen gewichen. Als Soil in den Himmel schaute waren die Wolken etwas heller als zuvor und allmählich zeichnete sich die Sonne hinter dünnen Wolkenlücken ab. Erneut seufzte Soil und setzte seinen Weg weiter fort. Maria ging ihm hinterher. Innerlich hoffte sie fürs Erste Ruhe von den Dämonen zu haben. Sie erschauderte kurz, dann fing sie sich wieder und lief Soil etwas schneller hinterher. Dieser Junge hatte sie beschützt. Ohne jeden Grund. Wahrscheinlich war es besser für den Anfang bei ihm zu bleiben. Eine großartige Wahl hatte sie ohnehin nicht. Jedenfalls nicht, wenn sie überleben wollte.

Impressum

Texte: Copyright bei mir
Bildmaterialien: Cover ist von SummerSpring, danke dir vielmals
Tag der Veröffentlichung: 04.07.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
All denen, die wie ich um 22:56 auf die Idee zu einer neuen Geschichte kommen und sie einfach mit all ihrem Kummer über vergangene Konflikte niederschreiben.

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