Ein scheiß Tag
The whispers in the morning of lovers sleeping tight
Are rolling by like thunder now as I look in your eyes
I hold on to your body and feel each move you make
Your voice is warm and tender
A love I could not forsake
'cause I'm your lady and you are my man
Whenever you reach for me I'll do all that I can
…
Na ganz glänzend. Es war 3 Uhr Nachts, ich stand seit 2 Stunden im Stau, es regnete in Strömen und als mein dummes Radio auch noch „The Power of Love“ von Jennifer Rush spielte und mir schließlich den Rest gab, fing es auch bei mir im Auto zu regnen an. Ich war so in mein Geheul vertieft, dass ich aufschrak, als die Autofahrer hinter mir ein lautes Hupkonzert veranstalteten.
„Jaja. Ich fahr ja schon.“, grummelte ich und startete den Wagen. Ich hatte ihn ausgemacht, da ich angenommen hatte noch sehr viel länger im Stehen zu verbringen als wirklich der Fall war.
Ich war mehr als nur genervt. Den ganzen Tag regnete es schon in Berlin. Es war zum Haare ausreißen. Und dann auch noch dieser Song. Auf einmal hatte ich einen dicken Kloß im Hals und ich musste erst einmal schlucken. Er war immer so zärtlich und fürsorglich gewesen. Er hatte mich seine Prinzessin genannt. Und ich wollte mit ihm Alt werden. Kinder mit ihm haben und eine kleine Familie sein. Der Gedanken an das was hätte kommen können versetzte mir noch einmal einen Stoß in die Magengrube. ERIC. Und schon wieder kullerten die Tränen. Die Lichter und Straßen nahm ich nur unterbewusst wahr. Schnell wechselte ich den Sender um auf andere Gedanken zu kommen. Und Treffer. „TNT“ von ACDC. Eine Rocknummer war jetzt die beste Medizin.
Nach einer halben Stunde trat ich dann endlich über die Türschwelle. Ich wohnte in einem großen Mietshaus. Es war nicht gerade das schönste, und meine Wohnung war auch nicht die größte, aber da ich allein lebte und nicht oft zuhause war, war sie perfekt. Naja. Für mich. Ich ließ meine Tasche fallen und es war mir ausnahmsweise egal, dass noch das Geschirr von gestern Mittag auf dem Tisch stand. Ich war jetzt wirklich zu faul um noch in meiner Wohnung aufzuräumen. Ich ließ den vergangenen Tag Revue passieren. Mir fiel auf das ich selten so einen scheiß Tag hatte. Heute früh wachte ich mit Migräne auf, die sich noch über Stunden hinzog und dann kam ich auch noch zu spät in die Arbeit. Dann schnell zum Arzt, weil ich Trottel mal wieder über meinen eigenen Füße gestolpert bin und um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, dachte ich seit dem Song an meinen dämlichen Ex.
„So dämlich ist er nicht. Sonst hätte ich mich doch niemals in ihn verliebt oder?“ Wütend stampfte ich mit dem Fuß. Jetzt führte ich sogar noch Selbstgespräche. Nein. Für heute war ich wirklich mehr als nur reif fürs Bett. Gottseidank war jetzt Wochenende. Zwei Tage Freiheit. Darauf freute ich mich schon seit Montag. Als Texterin in einer Werbeagentur hatte ich keine festen Arbeitszeiten. Immer und immer wieder musste ich länger in der Agentur bleiben, da mein Chef späte Meetings liebte. Ach welch eine Ironie des Schicksals, das ich so etwas überhaupt nicht leiden kann. Mein Gott hatte ich schlechte Laune. Vielleicht war ich einfach nur wütend auf mich selbst das ich Eric wieder so nah an mich rangelassen hatte. Ja, das musste es sein.
Ich ging zu meinem Plattenspieler und legte eine Platte von Aretha Franklin auf. „You better think, think… lalalaaaaaaaaaaaaa“ Ich versuchte mir die schlechte Laune weg zu singen. Im Normalfall sollte es funktionieren. Betonung lag auf SOLLTE. Nach zwei Liedern war meine schlechte Laune aber immer noch nicht vorbei. Wahrscheinlich war ich einfach nur müde. Klar der Tag war anstrengend und in der Arbeit ging es gerade drunter und drüber.
Wir arbeiteten gerade an einer neuen Kampagne für die neue Kollektion des Labels „CassiaKy“. Bei diesem Label kauften alle Stars und die Elite ein. Von Jennifer Lopez über Celine Dion bis zu den ganz großen Stars wie Madonna oder Julia Roberts. Der Geschäftsführer und gleichzeitig Chefdesigner Carlo Gonzales war so ziemlich der schwierigste Kunde mit den höchsten Ansprüchen, den unsere Agentur seit langem hatte.
Während Aretha eine Runde „A Natural Woman“ vor sich hin sang ging ich ins Bad um mich umzuziehen und fluchte vor mich hin, da ich mir meinen Zeh am Türrahmen angehauen hatte. Was war ich doch für ein Tollpatsch. Ich hatte schon als Kind fast täglich blaue Flecken und wusste nie woher ich sie hatte. Mittlerweile ist die Zeit als ich kleiner war schon ganze 25 Jahre her. Mein Gott war ich alt. Und bemitleidenswert. Ich schlug auch wirklich irgendwann jeden Kerl in die Flucht. Und mit 29 immer noch keine richtige Beziehung gehabt zu haben ist doch auch irgendwie traurig. Ich war seit 10 Jahren Dauersingle. Klar, ich hatte hier und da mal einen Freund, aber die waren dann alle nichts Ernstes. Ich sah in den Spiegel. „Bin ich wirklich so unattraktiv? Was haben andere Frauen was ich nicht habe? Mehr Titten als Hirn?“ Ok. Jetzt hatte ich wirklich den Zeitpunkt erreicht, an dem ich lieber ins Bett gehen sollte. Ich sah auf die Uhr und erschrak, dass es schon halb fünf morgens war.
verpatztes Treffen, „Drogen“ und andere Grausamkeiten
Am nächsten Morgen – ich weiß nicht ob man es Morgen nennen kann, schließlich war es schon halb zwölf – wurde ich von einer SMS geweckt.
Mensch Jenny… wo zum Teufel bist du?
Hast du vergessen, dass wir uns um 11 i m El Grano treffen wollten?
Ich warte auf dich
So ein Käse. EMMA. Wie konnte ich das nur vergessen? Schnell schrieb ich ihr zurück.
Sry Maus…
Hab total verpennt heute… war ein scheiß Tag gestern… ich war froh als ich endlich im Bett lag… :/ ich erklär dir alles später…
Gib mir ne halbe Stunde ok?
Jenny /xxx
So schnell wie ich gestern eingeschlafen bin, war ich jetzt wach und ich stellte mal wieder fest, dass ich eindeutig nicht Multitaskingfähig war. Ich versuchte mich anzuziehen und mir gleichzeitig die Zähne zu putzen, aber ohne Erfolg. Ich brauchte noch länger als normal. Na super. Meine schulterlangen, blond-braunen Haare standen mir nach allen Seiten ab und da ich gestern zu faul war um mich abzuschminken, waren noch kleine Rückstände von Kajal und Mascara übrig. Ich öffnete meinen Kleiderschrank und fragte mich, warum ich nur Schwachsinn im Kleiderschrank hatte.
Es half alles nichts. Nachdem ich mich schnell in meine Lieblingsjeans und mein aquafarbenes Wasserfalltop geschmissen, die Teller in die Spülmaschine geschmissen und mir meine schlichten, schwarzen Ballerinas angezogen hatte, griff ich mir schnell meine Tasche, rannte zur Tür heraus und lief schnurstracks zu meinem kleinen VW Käfer, den ich liebevoll „Herbie“ nannte. Er war genauso weiß wie der kleine, putzige Käfer in der Serienreihe mit der Nummer 54 darauf. Nur das die Striche und die Zahlen fehlten. Ich hatte mir mal überlegt den Käfer in genau den gleichen Farben lackieren zu lassen, aber die Suppe hatte mir mein Vater versalzen. Er hing an seinen Oldtimern. Aber als ich ihn freundlich darauf hinwies, dass er mir Herbie zu meinem 18. Geburtstag geschenkt hatte, benutze er die abwertende Gestik mit der Hand. Ich hätte doch von so etwas keinerlei Ahnung.
Ich fuhr und fuhr und fuhr. Ich war so verplant, dass ich im Moment total vergessen hatte wo ich denn parken wollte. Warum nur fand man in Berlin nie Parkplätze? Konnte mir das mal irgendjemand erklären? Als ich Herbie dann endlich geparkt hatte und ich genervt beim El Grano ankam, wartete schon eine zutiefst angenervte und saure Emma an der Bar.
„Man Jenny. Wo zum Henker hast du gesteckt? Ich hab dich gestern bestimmt 20 Mal angerufen! Und heute früh hab ich auch versucht dich auf dem Festnetz zu erreichen. Jenny wo warst du? Ich hab mir total Sorgen gemacht!“
„Mensch Emma. Trink ‚nen Kaffee mit mir und atme erst einmal tief und fest durch, ok? Mensch du weißt doch genauso gut wie ich das unser Lieblingschef Maier liebend gerne Überstunden schiebt. Außerdem haben wir noch den total tollen Kunden – Könnte ich vielleicht einen Latte Macciato und ein Hörnchen haben bitte? - du weißt schon, der, der immer diese dämlichen Sonderwünsche hatte. Wie hieß er gleich?“, ich versuchte seine Stimme zu imitieren, „Carlo Gonzales.“
Und wie immer wenn ich es tat, konnte sich Emma nichtmehr beherrschen. Sie lachte so laut drauflos, dass wir von allen Seiten blöd angesehen wurden. Und dann konnte auch ich nichtmehr. Wir beide lachten und prusteten nur so vor uns hin und als wir uns einigermaßen beruhigt hatten, kam eine sehr nette Verkäuferin die uns freundlich darum bat, unsere Lautstärke etwas zu senken. Danach senkte sie selbst ihre Stimme und kam uns so nah das man als Außenstehender hätte denken können sie wolle uns küssen. Oder halt – sie stand näher bei mir – mich. Aber dann flüsterte sie uns ins Ohr „Habt ihr was eingeschmissen? Drogen werden in unserem Laden nicht geduldet.“ Emma und ich sahen uns erst an und blickten uns tief in die Augen. Sie dachte bestimmt grad das gleiche wie ich.
„Denkst du das was ich denke?“
„Ich glaub schon.“
Und dann war es vorbei. Emma musste so heftig lachen, dass sie vom Stuhl fiel und ich konnte der Dame am Tresen gerade noch einen 20 Euro Schein hinhalten, ehe sie zwei ihrer Kollegen bat uns zur Tür zu helfen.
Tag der Veröffentlichung: 07.09.2011
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