Das laute Donnergrollen ließ schon jetzt ein Unwetter erahnen. Ein starker Wind peitschte wütend die Äste der Bäume. Rüttelte und zerrte grausam daran.
Eine Vogelmutter saß in ihrem Nest und versuchte ihre Küken mit ihren Flügeln zu schützen.
Inmitten des Sturmes, rannte ein junges Mädchen die Allee entlang, die die Vogelmutter von ihrem Platz aus, unter sich sehen konnte.
Der Name des Mädchens war Hanazaki Tokiko. Ein Highschool-Frischling, welche erst seit einer Woche die Oberschule besuchte. Die St. Magdalena Oberschule für Mädchen.
“Mist! Gerade einmal die zweite Schulwoche und ich komme zu spät!”, rief Tokiko und versuchte ihr Gesicht vor dem Regen zu schützen, der plötzlich über sie hereingebrochen war.
Ihre braune Schultasche, die sie mit dem rechten Arm festhielt, flog ihr praktisch durch das Rennen hinterher, während ihr fast knöchellanger, schwarzer Uniformrock schon ganz nass und durchweicht war. Der Rocksaum selbst schon voller Matsch. Doch das kümmerte Tokiko nicht.
Eine starke Windböe klatschte ihr einige harte Regentropfen ins Gesicht und zerzauste ihre hüftlangen, schwarzen Haare, die sie seitlich zu einem dicken Zopf geflochten hatte.
~
“Gleich ist es vollbracht!”. Die Stimme eines Mannes mit kupferfarbenem, langen Haar hallte im blauen Himmel wieder. “Gleich öffnet sich das Tor und sie wird erscheinen! Unsere Prinzessin!”
Er hielt einen langen, hölzernen, sehr merkwürdig geformten Stab in die Höhe.
Um seine Schulter herum zischte eine geflügelte Schlange.
Über ihm verschwammen die Wolken und vermischten sich miteinander.
Lautes Donnergrollen durchzog die Stille, während der Mann Worte in einer seltsamen Sprache hinaufrief.
Ein Strudel tat sich auf und wurde immer und immer größer.
Ein Blitz zuckte und erhellte den Himmel, so das man für einen kurzen Moment die Augen des Mannes erkennen konnte, die durch das Licht golden aufleuchteten...
~
Tokiko konnte schon das große Gebäude sehen. Ein paar Schritte noch, dann würde sie das schwarze Tor sehen, was zum Innenhof führte. Vor sich erhob sich bereits der Turm der Kapelle, mit deren Glockenschlag die Schüler morgens geweckt wurden.
“Gleich...!”, schnaufte Tokiko und griff sich mit der linken Hand in die Seite, ihre schlechte Kondition verfluchend.
Plötzlich wurde der Regen immer heftiger. Tokiko konnte kaum mehr etwas sehen. Ihre türkisgrünen Augen zu Schlitzen verengt, versuchte sie noch etwas zu erkennen.
Auch der Wind wurde stärker und ein Rauschen ertönte in ihren Ohren.
Dann erklang eine Stimme, die scheinbar in ihrem Kopf widerhallte und etwas in einer Sprache rief, die Tokiko nicht kannte.
Völlig verstört zuckte sie zusammen und versuchte, jemanden in diesem Unwetter ausfindig zu machen.
Dann schlug ein Blitz direkt vor ihr ein und eine Art Wirbelsturm entstand vor ihr.
“W-Was ist das!?”, schrie Tokiko erschrocken, doch ehe sie eine Antwort bekommen konnte, zog der Wirbelsturm sie immer näher zu sich und verschlang sie schließlich.
Tokiko fiel und fiel. Wie eine Ewigkeit kam es ihr vor. Sie fiel und wurde umhergewirbelt.
Dann schlug sie hart auf und schmeckte Erde.
Stimmengewirr drang an ihre Ohren und sie konnte die Wärme von Sonnenlicht auf ihrer Haut fühlen.
Das ist nicht passiert. Das habe ich geträumt, dachte sie nur und hielt die Augen geschlossen.
Doch dann kam jemand, der sie hochzog.
Tokiko setzte sich verwirrt auf und schreckte zusammen, als sie sich umsah.
Wo war sie hier?
Hatte sie der starke Wind Ohnmächtig werden lassen?
Träumte sie das?
Sicher war zumindest eines:
Das war nicht Japan.
Tokiko fiel und fiel. Wie eine Ewigkeit kam es ihr vor. Sie fiel und wurde umhergewirbelt.
Dann schlug sie hart auf und schmeckte Erde.
Stimmengewirr drang an ihre Ohren und sie konnte die Wärme von Sonnenlicht auf ihrer Haut fühlen.
Das ist nicht passiert. Das habe ich geträumt, dachte sie nur und hielt die Augen geschlossen.
Doch dann kam jemand, der sie hochzog.
Tokiko setzte sich verwirrt auf und schreckte zusammen, als sie sich umsah.
Wo war sie hier?
Hatte sie der starke Wind Ohnmächtig werden lassen?
Träumte sie das?
Sicher war zumindest eines:
Das war nicht Japan.
Sie sah hinauf und sah in das sonnengebräunte Gesicht eines Mannes mit langen, kupferfarbenem Haar.
Goldene Augen blickten Tokiko freundlich entgegen. Er lächelte. Obwohl er noch gar nicht so alt erschien - Tokiko schätze ihn auf Mitte bis Ende dreißig - wirkte er ein wenig müde. Ein paar graue Strähnen durchzogen seine rötliche Haarpracht.
“Herzlich Willkommen in Algorath. Wir haben Euch bereits erwartet, Prinzessin.”, sagte der Mann mit einer Stimme, die genauso warm wirkte, wie sein Gesicht.
Tokiko rieb sich die Augen und sah sich erneut verwirrt um.
Was war das nur für ein merkwürdiger Traum? Und was sollte das heißen, “Prinzessin”?
Um sie herum standen sehr viele Menschen. Frauen und kleine Kinder und Männer in seltsamer Kleidung.
Auch der Mann vor ihr, trug sehr merkwürdige Kleidung. Er war in einen bodenlangen, mitternachtsblauen Umhang gehüllt, sodass man von seiner Statur nur wenig erahnen konnte. In der Hand hielt er einen hölzernen Stab, der fast so groß wie er selber war und am oberen Ende merkwürdig geformt war.
“Seid Ihr Euch sicher, dass sie die Prinzessin ist, Herr Magister?”, fragte eine Frau, deren dunkles Haar halb unter einem Tuch verborgen war und die ein braunes Leinenkleid trug.
Sie sah sehr misstrauisch zu Tokiko herüber. An ihrer Hand hielt sich ein kleiner Junge von circa acht Jahren fest, der ein weißes Hemd anhatte, eine braune Jacke und braune Knickerbocker mit weißen Kniestrümpfen.
Der Mann mit den kupferfarbenen Haaren drehte sich zu der Frau um und lächelte. “Es besteht kein Zweifel. Sie ist es!”
Er sah wieder zu Tokiko. “Ich spüre eine starke Kraft, die von ihr ausgeht. Eine unverwechselbare Energie.”
Immer noch sah Tokiko sich nach allen Himmelsrichtungen um. Sie musste auf einem Platz gelandet sein. Eine Art Hof. Vor ihr ragten riesige Steinmauern in die Höhe und einige Türme und Zinnen.
Als sie nach rechts sah, fuhr gerade eine Pferdekutsche vorbei.
Im Glauben, immer noch zu träumen, kniff sie sich in den Arm.
“Autsch!”, fluchte sie leise.
Aber dennoch wollte sie nicht glauben, was geschehen war.
Schließlich räusperte sie sich.
“Ähm... Verzeihung?”
Der Mann drehte sich zu ihr um und sah sie an.
“Ich.. Ich verstehe nicht ganz, was passiert ist. Wo bin ich hier und was meinen Sie mit Prinzessin?”
Zu ihrer Verwunderung lachte der Mann. Es war ein helles, klares Lachen. Doch Tokiko kam sich reichlich dumm vor.
“Ihr seid hier in Algorath, gnädiges Fräulein. Ich habe Euch hier her geholt.”
Tokiko saß eine ganze Weile da. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte oder denken sollte. Wenn das kein sehr verrückter Traum war, was sollte das dann alles?
Sie schüttelte den Kopf und sah den Mann weiterhin ungläubig an.
“Das... Was soll das heißen? Was ist Algorath? Ich verstehe nicht. Soll das ein schlechter Scherz sein oder können Sie mir sagen ob ich Träume?”, wandte sie sich an ihn.
“Ihr träumt nicht.”, antwortete der Mann, weiterhin lächelnd. “Ihr seid in Algorath, der Hauptstadt von Astria. Und ich habe Euch hergeholt, weil Ihr uns retten müsst!”
Tokiko traute immer noch ihren Ohren nicht. “Retten? Ich? Aber...... Bin ich denn nicht mehr in Japan?”
“Nein. Ich habe euch aus Eurer Welt hier hergeholt. Astria braucht Euch, Prinzessin!”
Tokiko wäre am liebsten aufgestanden, um ihren Kopf gegen die nächste Wand zu schlagen in der Hoffnung so aufzuwachen. Aber sie konnte nicht. Sie blieb einfach sitzen.
“Ich verstehe es einfach nicht, was Sie von mir wollen! Ich bin doch keine Prinzessin und ich soll euer Land retten? Vor was und wie? Ich... Sie müssen mich verwechseln. Ich bin nur eine normale Schülerin. Habe durchschnittliche Noten und...”
Sie verstummte, als der Mann sie mit seinen goldenen Augen eindringlich ansah.
Das Lächeln war von seinem Gesicht verschwunden und er sah sehr ernst aus und ohne das Lächeln wirkte er noch müder und älter.
“Ich bitte Euch. Ihr müsst verstehen. Ich werde Euch die ganze Sache erklären.”, sagte er. “Unser Land schwebt in großer Gefahr. Wir wissen weder ein, noch aus...” Er machte eine kurze Pause. “Vor fünf Jahren fielen Wesen von einer anderen Galaxie hier ein. Wir gaben ihnen den Namen D’yaebl. Zuerst zeigten sie sich wohlgesonnen, doch nach einiger Zeit begannen sie damit, unser Land zu plündern und zu verwüsten, raubten Kinder und töteten unsereins mit Waffen, gegen die wir machtlos waren. Sie haben unser Land in Chaos gestürzt und es schrecklich zugerichtet. Sie haben unseren König gefangen genommen und getötet. Aus Spaß. Es war furchtbar...”
Tokiko schwieg. Auch wenn das ein Traum war, wie sie immer noch glaubte, die Geschichte, die der Mann ihr erzählte, klang wirklich schrecklich.
Sie sah sich erneut um und erkannte viele verängstigte Gesichter, die bei Erwähnung der D’yaebl zusammenzuckten.
Die Frau in dem Leinenkleid hatte ihren Sohn in den Arm genommen. Noch immer sah sie Tokiko misstrauisch an.
“Die Menschen hier haben Angst.”, erklärte der Mann. “Sie trauen sich kaum mehr aus dem Haus.”
Er wies mit der Hand zu der Frau mit dem Kind. “Der Mann dieser Frau wurde von den D’yaebl getötet. Vor ihren Augen und denen ihres Sohnes. Sie hat schreckliche Angst, dass die D’yaebl zurückkommen und ihr auch noch ihren Sohn nehmen.”
Tokiko sah zu der Frau. Sie wusste nicht warum - es war doch nur ein Traum - aber plötzlich hatte sie Tränen in den Augen.
“Wie grausam...”, flüsterte sie. “Solche Unmenschlichkeit...”
Der Mann nickte.
“So ist es....”
Doch Tokiko schüttelte den Kopf. “Dennoch. Ich kann euch nicht helfen. Ich bin nur ein einfaches Mädchen...”
Langsam stand sie auf und klopfte sich den Staub von ihrem eh schon dreckigen Rock.
“Ich muss zurück nach Hause.”. Sie sah den Mann an. “Möge der Herr mit euch sein und euch beschützen. Ich bete für das Wohl dieses Landes und das ihr diese schrecklichen Kreaturen vertreiben könnt. Aber ich kann euch dabei nicht helfen. Es geht nicht. Ich habe weder die Kraft, noch den Mut dazu.”
“Weil sie gewiss doch nur ein dummes, gewöhnliches Mädchen ist!”, schrie die Frau auf einmal hysterisch und deutete mit dem Zeigefinger auf Tokiko. “Ihr habt Euch geirrt, Herr Magister!”
Doch der Herr Magister hob die Hand und gebot der Frau zu schweigen. Tokiko sah die Frau völlig verstört an.
“Schweig bitte.”, sagte er. “Sie ist die Richtige. Sie muss es nur noch verstehen lernen. Das braucht seine Zeit. Wir haben sie ihrer Welt entrissen und sie hier ohne große Erklärung als die empfangen, auf die wir Jahre schon warteten.”
Er wandte sich zu Tokiko um. “Ihr müsst es nicht glauben. Ich verstehe das. Aber ich kann Euch nicht gehen lassen. Es hat mich schon genug Kraft gekostet, Euch herzuholen und außerdem seid Ihr zu wichtig.”
Er schloss kurz die Augen und Tokiko war froh darüber, nicht immer in dieses stechende gold zu starren.
“Vor einem Jahr las ich eine Prophezeiung in den Sternen, die mir sagten, das ein Mädchen aus einer anderen Welt herkommen würde, um unser gelobtes Land zu erretten. Die wahrhaftige Prinzessin von Astria, ausgestattet mit Kräften, weit jenseits den meinen, mit denen sie unser Land von dem Bösen befreien wird. Ihr Glaube wird ihre Macht sein und ihre Kräfte freisetzen.”
Tokiko starrte den Mann an.
“Ich? eine Prinzessin? Das ist doch lächerlich... Hören Sie mal. Ich bin...”
Doch der Mann sah sie nur an. “Ihr seid die Prinzessin aus der Prophezeiung, die Astria erretten wird. Vertraut mir. Ich bin mir meiner Sicher. Ich spüre es.”
“Aber...”, wollte Tokiko einwenden, doch der Mann verbeugte sich kurz vor ihr. “Kommt mit. Ich bringe Euch nach drinnen. Dort erkläre ich Euch alles weitere. Abseits von dem schaulustigen Volk...”
Tokiko seufzte und ergab sich ihrem Schicksal.
Was hätte sie nicht dafür gegeben, jetzt in der Klasse zu sitzen, wie jedes andere Mädchen auch und dem langweiligen Unterricht zu folgen.
Der Mann führte sie durch ein großes, breites Steintor.
Sie kamen an einem Brunnen vorbei, wo die Statue eines Mannes aus weißem Marmor gegen einen dreiköpfigen Drachen kämpfte.
Sie gingen einen langen überdachten Weg entlang. Links und rechts befanden sich jeweils Säulen, so dass es Tokiko stark an die alten griechischen Tempel aus ihren Geschichtsbüchern erinnerte.
Dann schritten sie durch ein weiteres Tor. Dieses mal ein sehr hohes, weißes und erreichten einen Saal.
Ein langer Teppich mit goldenen Rändern führte zu einem großen rotgoldenen Thron.
Unzählige Kronleuchter hingen die Decke herab. Aus den Fenstern, die hoch über ihnen lagen, drang dumpfes Sonnenlicht hindurch.
Dann drehte sich der Mann zu Tokiko um.
Kurz herrschte eine merkwürdige Stille und des Magisters Hand ruhte auf dem knubbligen Ende seines hölzernen Stabes.
“Astria ist ein uraltes Land.”, sagte er schließlich. “Es entstand vor Jahrtausenden. Keiner weiß bis heute, wie es entstand. Neben unserer Welt, befinden sich noch drei andere bewohnte Planeten in unserem Sonnensystem. Die Welt Dhu gleanna, scheint Astria am nächsten zu sein. Man sagt, die Einwohner Dhu gleannas verehren Drachen, wie Gottheiten, weil ihr Land von einem Drachen erschaffen wurde. Deswegen nennen die Menschen dort es auch Draconia. Zumindest hörte ich das, aus Geschichten. Ich selbst war noch nie dort.”
Er schwieg und sah zum Thron. “Astria war einst wunderschön, doch jetzt ist es nur noch ein trostloser Ort voll Angst und Schrecken. Ich möchte, dass Ihr uns helft. Auch wenn Ihr Eurer Macht nicht sicher seit, so flehe ich Euch dennoch an. Ihr Müsst diesen Kampf gegen die D’yaebl aufnehmen!”
Tokiko starrte den Magister lange an. Dann senkte sie ihren Kopf gen Boden.
Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. “Ich würde euch wirklich gerne helfen, aber ich kann nicht... Ich weiß nicht... Ich glaube nicht, das ich die Richtige bin oder das ich besondere Kräfte besitze. Ich bin... Hanazaki Tokiko... eine normale Schülerin... ohne besondere Talente...”
Der Mann sah sie an und ging zu ihr. Tokiko zuckte zusammen, als er ihren Kopf berührte und sanft über ihr Haar strich.
“Ich weiß, das es schwer zu glauben sein mag. Aber Ihr seid unsere Prinzessin. Wenn Ihr möchtet, werde ich Euch zu jemandem bringen, der Euch beweisen kann, welche Kräfte in Euch schlummern.”, sagte er sanft.
Tokiko blickte zu ihm auf und sah ihn mit offenem Mund an. Dann nickte sie stumm. “Wie Sie wünschen. Aber ich bezweifle immer noch, das man etwas besonderes an mir findet.”
“Sehr wohl. Dann folgt mir.”, sagte der Mann und lächelte nun wieder leicht.
Sie gingen raus aus dem Thronsaal und wieder einen scheinbar unendlich langen Weg entlang.
Schließlich sah Tokiko eine gut fünf Meter breite, weiße Treppe vor sich. Hunderte von Stufen führten einen Berg zu einem weißen, Tempelartigen Gebäude hinauf.
Als sie das Bauwerk betraten (Und Tokiko völlig außer Atem war), fiel Tokiko gleich eine Frau auf, die von lauter Marmorsäulen umgeben, auf einem Stuhl saß. Vor ihr stand ein Tisch, wo Karten und viele merkwürdige Gegenstände aufgereiht lagen.
Der Kopf der Frau war mit einem langen, schwarzen Tuch verhüllt. Sie trug ein langes, dunkles Kleid und als Tokiko näher kam, bemerkte sie die langen, roten Fingernägel, die unter den weiten Ärmeln des Kleides hervorlugten.
Sie sah zu den beiden auf, als Tokiko und der Magister direkt vor ihr standen.
Tokiko erstarrte, als sie die Augen der Frau sah, die so silbern waren, das es schon fast weiß erschien. Einige rotgelockte Ponysträhnen lugten unter dem Tuch hervor.
“Guten Tag, Amarithe. Wie geht es Euch, meine Teuerste.”, sagte der Mann und verbeugte sich leicht.
Amarithe starrte ihn aus ihren silberweißen Augen an, ohne eine Miene zu verziehen.
Tokiko erschauderte.
“Es ist schon eine Weile her, dass Ihr Euch habt hier Blicken lassen, Magister Magnus.”, sagte sie schließlich mit einer so klaren Stimme, dass Tokiko eine Gänsehaut bekam.
“Ich bin wegen ihr hier.”, sagte der Magister und wies mit einer Handbewegung zu Tokiko.
Amarithe nickte. “Ich weiß. Ich habe bereits nur darauf gewartet, sie in Empfang zu nehmen - Setzt Euch.”
Wie aus dem Nichts tauchte ein weiterer Stuhl auf, in den Tokiko mehr oder minder hineinfiel.
Amarithe bedachte Tokiko mit einem scharfen Blick, sodass Tokiko sich noch unwohler fühlte.
Dieser Traum schien sich immer mehr zu einem Alptraum zu entwickeln.
Wobei sich Tokiko mittlerweile gar nicht mehr so sicher war, ob sie wirklich träumte.
Sie knetete nervös die Finger in ihrem Schoß, als Amarithe sie plötzlich anwies, genau diese auf den Tisch zu legen.
Tokiko tat wie geheißen und Amarithe nahm Tokikos rechte Hand in die ihren, die sich unnatürlich kalt anfühlten. Fast wie weißes Porzellan.
Sie schloss ihre Augen, worüber Tokiko insgeheim sehr dankbar war.
Eine Weile blieb sie so. Dann zuckte die Frau auf und starrte Tokiko mit weit aufgerissenen Augen an.
“Sie ist es. Ohne jeden Zweifel!”, rief sie mit ihrer glockenklaren Stimme. “Diese Kraft. Ich habe noch nie eine so starke Aura gespürt. Solch ein immenser Energiefluss...”
Tokiko wirkte verwirrt.
“Ihr seid ohne jeglichen Zweifel unsere prophezeite Prinzessin!”
“Aber...”, sagte Tokiko, doch erstarrte, als sie ihre Hand sah, die immer noch in den Händen Amarithes lag.
Ein helles Leuchten ging von ihrer Hand aus. Wie eine weiße Kugel.
Schreckensstarr betrachtete Tokiko dieses Schauspiel.
“D-Das ist...”, stammelte sie. Das Leuchten wurde immer heller.
“Ich möchte, dass Ihr betet.”, sagte Amarithe.
Tokiko sah zu Amarithe und dann zu dem Magister, der leicht nickte.
Sie wusste nicht, was da geschah. Es war ihr fremd und unheimlich, aber dennoch tat sie das, was Amarithe ihr sagte.
Sie nahm ihre Hand von denen, Amarithes Weg und faltete sie zusammen mit ihrer linken zu einem stummen Gebet.
Eine seltsame Wärme durchfuhr ihren Körper und Tokiko schloss die Augen. Nun war auch der Rest ihres Körpers in weißes Licht gehüllt und einige weiße Lichtkugeln schwebten zum Himmel hinauf.
Tokiko öffnete die Augen und auch ihren Mund, vor lauter Staunen, über das, was da passierte.
“W-was geschieht mit mir?”, fragte sie verstört.
“Die Energieflüsse, allen Lebens, aller Wesen... Vereint zu einem einzigen Strom. Die Macht Eures Glaubens verstärkt diese Energie.”, sagte Amarithe und der Magister nickte.
“Doch noch ist Eure Kraft nicht stark genug. Ihr müsst stärker werden. Noch viel stärker, um die D’yaebl zu bekämpfen. Ihr müsst mit Euren Kräften umgehen lernen und auch in der Kunst des Schwertkampfes gelehrt werden. Dazu solltet Ihr auf Reisen gehen.”
Tokiko schwieg. Nachdem, was sie gesehen hatte, schien doch etwas Wahrheit in dem zu liegen, was der Magister sagte. Auch wenn sie es immer noch nicht glauben konnte.
“Aber wie soll ich nur kämpfen lernen. Und reisen, ganz allein? Sind Sie sicher? Ich...”, sagte sie langsam.
Der Magister lachte kurz. “Das lernt Ihr mit der Zeit und macht Euch keinen Kopf. Ich stelle Euch jemanden zur Seite, der mit Euch reisen wird und Euch unterstützt und vor allem beschützt.”
Tokiko nickte kurz.
Nach einer Weile stand sie auf. Das Schauspiel hatte aufgehört. Sie verbeugte sich vor Amarithe, die ihr zunickte und folgte dem Magister zurück.
“Ich wünsche Euch viel Glück!”, rief Amarithe ihr nach.
Der Magister brachte Tokiko zurück zu dem Thronsaal. “Ich hole jemanden, der Euch begleiten wird, Prinzessin.”, sagte er zu ihr und verschwand kurz.
Nach einer Weile kam er wieder. Ihn begleitete - Tokikos Augen wurden riesig - eine sehr große Frau. Sie war gut über einen Meter achtzig groß, hatte polange, dunkelrote Haare, die zu einem Zopf geflochten waren. Ihre Arme und Beine waren stark muskulös und erinnerten Tokiko an die Bodybuilderinnen aus dem Fernsehen.
Sie trug eine Art Rüstung. Einen kurzen Brustpanzer, der ihre, trotz der vielen Muskeln, doch sehr großen Brüste betonte und etwas, das beinahe aussah, wie ein sehr edler Lendenschurz, aus blauem Stoff, mit goldenen Rändern und hinten länger war, als vorne. Sie hatte lange Stiefel, die aussahen, wie bei einer Ritterrüstung und ihre Schultern wurden durch Schulterplatten geschützt, die Tokiko stark an knochige Hörner erinnerten. Um den Hals trug sie eine Art Halsband mit metallenen Stacheln. Auf dem Rücken trug sie ein riesiges Schwert, dass fast so groß wie sie selber war, mit einem breiten, silbernen Griff.
Sie sah Tokiko lange an. Ihre Haut war braungebrannt und ein Lächeln umspielte ihre rötlichen Lippen.
“Dies ist Lynn.”, sagte der Magister strahlend. “Sie wird Euch auf Eurer Reise begleiten. Sie stammt von einem stolzen Amazonengeschlecht ab und ist sehr stark und zuverlässig.”
Ehe Tokiko etwas sagen konnte, war Lynn auf sie zugegangen, hatte sich zu ihr runtergebeugt und... sie geküsst!
Tokikos Augen weiteten sich, als die Lippen der Amazone die ihren berührten. Vor Schreck war sie wie versteinert.
So hatte sie sich ihren ersten Kuss nicht vorgestellt.
Lynn löste sich jedoch schnell wieder von ihr und kniete vor ihr nieder.
“Verzeiht. Ich habe Euch mit meiner Begrüßung wohl erschreckt, Prinzessin.”, sagte sie, das Haupt gen Boden gewandt.
Tokiko stand immer noch wie vom Donner gerührt da. Heiß stieg ihr die Röte ins Gesicht und sie traute nicht, etwas zu sagen.
“Das ist eine normale Begrüßung für uns vom Stamm der Amazonen, aber Euch habe ich damit wohl eher in Verlegenheit gebracht. Das tut mir Leid.”
Sie sah zu Tokiko hinauf.
Tokiko konnte nun erst ihre Augen richtig erkennen, die wie zwei Amethyste wirkten. Sie hatte zweifellos ein sehr hübsches Gesicht. Ausdrucksvolle Augen, eine gerade Nase und wohlgeformte, volle Lippen.
Wenn man von den Muskeln absah, war Lynn eine sehr schöne Frau.
Nun erkannte Tokiko auch den goldenen Reif, den Lynn wie ein Stirnband trug.
“I-Ist schon in Ordnung.”, stammelte Tokiko in peinlicher Verlegenheit.
Dann stand Lynn auf und nahm Tokikos Hand. “Ich werde Euch mit meinem Leben beschützen. Darauf gebe ich mein Wort.”, sagte Lynn mit entschlossenem Blick.
Tokiko versuchte zu Lächeln, doch es gelang ihr nicht.
Wo sollte das alles nur enden?
Tag der Veröffentlichung: 29.01.2012
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