Früh am Morgen klingelte bereits der Wecker meines Handys. Mit halb zusammen gekniffenen Augen griff ich nach meinem Handy und streifte kurz mit dem Zeigefinger über den Touchscreen. Endlich hatte ich meine Ruhe und ich konnte weiterschlafen. Eine halbe Stunde später klingelte dann mein Wecker, welcher bewusst am anderem Ende des Raumes stand. Und mich so zwang aufzustehen. Knurrend tapste ich verschlafen zu dem altmodischen Wecker, drückte auf den Ausschaltknopf und sah noch einmal zu meinem Bett. Oh wie ich es jetzt schon vermisste. Ich musste wirklich damit anfangen früher ins Bett zu gehen.
Wie jeden Morgen war das Erste was ich nach dem Aufstehen zu Stande bekam: Kaffee. Und davon eine ganz ordentliche Menge. Nach drei Tassen war ich endlich wach genug um mich langsam für die Arbeit fertig zu machen. Da man als Journalisten nie wusste, wo man am Ende des Tages landete, musste man sich immer ordentlich anziehen und immer einen gepflegten Eindruck machen. Augenringe mussten dementsprechend immer gut überschminkt werden. Zumindest in meinem Fall. Eine dunkelblaue Jeans mit weißer Bluse und einem dünnen hellgrauen Pullover drüber passten perfekt zum Frühlingswetter. Ich war schon immer der schlichte Typ, wenn es darum ging in der Öffentlichkeit aufzutreten. Zuhause oder wenn ich privat unterwegs war trug ich lieber nur schwarze Klamotten und am liebsten im Gothic Style. Leider mochte so was kaum ein Arbeitgeber. Nachdem ich auch Zähne geputzt hatte, meine Haare gekämmt waren und meine Tasche fertig gepackt war, zog ich mir noch Schuhe an, streifte mir eine dünne schwarze Lederjacke über und verließ meine Wohnung. Während ich die Stufen runter zur Haustür lief, zog ich noch meine Brille an. An sich brauchte ich sie nur, wenn ich lesen oder am PC arbeiten musste, doch fühlte ich mich mit ihr auch sicherer. Unten angekommen überprüfte ich noch den Briefkasten, wo außer Rechnung mal wieder nichts drin war und machte mich auf den Weg zur Arbeit. Mit dem Auto dauerte mein Arbeitsweg nur eine knappe viertel Stunde. Das Büro der Redaktion war am anderem Ende der Stadt, um genauer zu sein im Neubaugebiet, während meine Wohnung in einer 30er Zone in einer weniger bekannten Gegend der Stadt war. So sah an sich jeder meiner Morgene aus.
Ziemlich langweilig, wenn man mich fragt. Ich war schon immer gelangweilt vom Leben. Nie passierte was Aufregendes. Und wenn jetzt einer um die Ecke kam und versuchte eine Promi Hochzeit als aufregend abzustempeln, habe ich nur ein Wort: Verschwinde! Jetzt mal ehrlich, was ist denn bitte an diesen reichen überdurchschnittlich hübschen Menschen so besonders? In meinen Augen sind sie auch nur Menschen. Klar sie sehen - wie schon erwähnt - echt gut aus, haben viel Geld und sind sehr bekannt. Aber können die auch richtig Arbeiten? Wissen die überhaupt wie man als normaler Mensch über die Runden kommen muss? Ich bezweifle das stark. Aber dank ihnen gibt es ja uns Journalisten überhaupt. Und im Grunde genommen sind sie genauso abhängig von uns wie wir von ihnen.
Am Parkplatz der Redaktion angekommen parkte ich wie immer weiter abseits von meinen Kollegen. Was mein Auto angeht war ich schon immer sehr paranoid. Immer hatte ich Angst, dass jemand seine Tür gegen meins schlägt oder noch schlimmer: reinfährt. Lieber ging ich drei Meter mehr als die anderen. Am Haupteingang angekommen kämpfte ich mich durch die Menschenmenge. Tatsächlich hatte ich es geschafft nach meiner Ausbildung in einem der beliebtesten Redaktionen überhaupt anzufangen. Die Abteilungen waren nach Genre gegliedert. Es gab eine Promi Abteilung, eine Unfall Abteilung, dann die besonders beliebte und große Klatsch und Tratsch Abteilung und dann gab es den Rest. Ich war in der Social Media Abteilung zuständig. Ich kümmerte mich um die Homepage, welche Artikel aus welchen Bereichen eingestellt wurden und suchte nach Außergewöhnlichen Storys. Ein Beispiel: Tiere die Menschen retten oder außergewöhnliche Funde. Trotz meines jungen Alters hatte ich bereits viel Sagen. Das hatte ich natürlich meiner Ausbildung als Mediengestalterin zu Verdanken. Nachdem ich die Homepage überarbeitet hatte, lief sie viel besser und wurde auch mehr besucht. Neben dem Internet „Auftritten“ bieten wir eine sehr gefragte Zeitung an, die eher an ein Magazin erinnerte. Sie war zwar um einiges teurer als die normalen, aber sie war zielgerecht auf unsere Kunden abgestimmt. Wenn jetzt jemand denkt ich hätte hier alleiniges Sagen, dann irrt ihr euch leider. Jede Abteilung hatte mehrere Vertreter, welche die Abteilung zum Beispiel bei den monatlichen Besprechungen vertritt. Unsere Abteilung bestand aus 5 solcher Vertreter. Sie alle waren älter und erfahrender als ich und das ließen sie mich jeden Tag spüren. Egal was für Vorschläge ich machte, sie wurden rein aus Protest abgelehnt. Seufzend setzte ich mich an meinen Schreibtisch, fuhr den Rechner hoch und packte meine Unterlagen aus. Ein Nachteil in diesem Beruf war, dass man sich ständig über alles informieren musste. Sprich auch seine Freizeit opfern musste. Wenn ich ehrlich war, war das hier nicht wirklich mein Traumberuf. Seit längerem spielte ich mit dem Gedanken Polizistin werden. Dafür war ich extra hierhergezogen. Leider schaffte ich die Prüfung nicht und da ja irgendwoher das Geld kommen musste bewarb ich mich hier. Über meinen Lohn kann ich mich auch wirklich nicht beschweren. Ich kann davon gut leben. „Hey Eva schon wieder in Gedanken vertieft?“ kam es von meiner Arbeitskollegin Gina. Sie war ebenfalls noch sehr jung, hatte hier wenig zu sagen und litt – wie ich – unter der Herrschaft der Älteren. Ihr Schreibtisch war direkt gegenüber von meinem. So konnten wir uns immer unterhalten und gegenseitig beraten. Die meisten hier waren Einzelkämpfer. Immerhin will hier jeder mal mit seiner eigenen Story groß rauskommen. Dadurch hat man hier immer einen Konkurrenzkampf. „Ach ich war schon wieder viel zu lang wach“ murmelte ich und sah mir die neusten Storys an. „Wer hätte es gedacht. Wieder ein schwangerer Promi in einem zu engen Kleid“ sagte ich vor mich hin und stöhnte dabei laut auf. „Promis werden dich wohl nie interessieren oder?“ fragte Gina und überarbeitete einen Bericht. „Ich versteh einfach nicht wieso mich ein fremder Mensch so sehr interessieren soll, dass ich rund um die Uhr schaue was er macht“. „Nun ja, Eva, viele schauen zu Promis auf. Sie sind so was wie Idole oder wie jemand gerne wäre. Ob von der Beliebtheit oder vom Aussehen“. Da hatte sie recht. Wie oft hatte ich schon erlebt, dass Promis nachgestellt wurden. Und manchmal waren diese Kopien so krass drauf, dass wir über sie berichten. „Und trotzdem ist für mich ein Idol ein Held und kein Modepüppchen“ konterte ich und blätterte weiter durch die Mappe. „Und was für Idole hast du so?“. Grinsend sah ich auf. „Ich bewundere Batman“. Gina fing laut an zu lachen. „Der existiert doch noch nicht mal“. „Eben deswegen. Himmelst du einen anderen Menschen an, wirst sozusagen zu einem Fangirl, machst du aus einem Subjekt ein Objekt. Eine fiktive Persönlichkeit als Idol zu akzeptieren ist in meinen Augen gesünder. Und ich bewundere den Charakter hinter Batman. Die Story, wenn du verstehst“. Das Lachen von Gina verblasste und sie sah mich immer ernster und interessierter an. „Das bewundere ich so an dir. Die meisten in unserem Alter himmeln die diversesten Promis an, aber dich interessiert das überhaupt nicht“ sagte sie und widmete sich nun voll und ganz ihrer Arbeit. So auch ich. Doch dann stieß ich auf einen Artikel der sogar mich neugierig machte. „Sag mal Gina... was weißt du über Dario Blake?“ fragte ich und fing an auf meinem Bleistift wie ein Kind zu kauen. „Hm... von den Männern ist er auf jeden Fall der Beliebteste und er hat vor einem Jahr eine Spezial-Polizei gegründet. Eine Art Nacht Patrouille. Wieso weiß eigentlich niemand. Angeblich um die Sicherheit der Bevölkerung rund um die Uhr zu gewährleisten“. „Ich verstehe... vielleicht hat er das ja als Vorwand für seine Bürgermeister Kandidatur gemacht“ sagte ich vor mich hin und betrachtete das Bild. „Wie bitte WAAAAS?! Er wird Bürgermeister!“ schrie sie hysterisch und hüpfte auf. „Erstens er kandidiert zurzeit erst mal und zweitens stehst du auf ihn?“ sagte ich lachend und musterte sie. „Darf eine Frau nicht mal träumen? Und außerdem habe ich einen Freund. Apropos was ist da eigentlich mit dir?“ Ihr eben noch so rotes Gesicht hatte wieder eine normale Farbe und sie sah mich mit einem schelmischen grinsen an. Man konnte das einem Angst machen! „Mein letztes Date war so mit seinem Handy beschäftigt, dass er nicht mal mitbekommen hatte, dass ich gegangen war. Nach zwanzig Minuten bekam ich eine Nachricht, wo er mich fragte ob ich auf Toilette bin. Ich glaube ich gebe es mit der Männerwelt auf.“ sagte ich genervt und betrachtete weiter den Artikel über Dario Blake. Der muss unbedingt in die nächste Zeitschrift. „Wenn du willst, kann ich dir auch mal welche vorstellen“ sagte Gina grinsend und fing an auf ihrem Handy wild rum zu tippen. „Ach ‚ne lass mal“. Wieso gründet man eine Spezial-Polizei, die nur nachts tätig ist und von der niemand direkt weiß? Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr wollte ich es wissen. „Gina ich bin heute außer Haus tätig, ich muss wissen, was es mit dieser Polizei auf sich hat!“. Schnell packte ich meine Tasche wieder zusammen und verließ das Büro. Für eine gute Story konnten wir zum Glück jederzeit das Büro verlassen. Da alle anderen sich eher für Promis interessierten hatte ich auch noch freie Bahn.
Als ich mich erneut durch die Menschenmenge am Eingang gekämpft hatte, entschied ich mich zu Fuß zum Hauptgebäude der Spezialpolizei zu gehen. Zwar dauerte es deutlich länger aber im Stadtverkehr Auto zu fahren war einfach nur lästig. Von weitem konnte man das Gebäude schon sehen. Es war um einiges größer und grüner als alle anderen Gebäude. Es sah beinahe so aus als hätte die Spezial Polizei einen eigenen Park um ihren Hauptsitz. Ich blieb kurz stehen um ein Bild zu machen und meine Beobachtungen auf zu schreiben und ging dann weiter. Je näher ich dem Gebäude kam, desto kleiner kam ich mir vor. Nur noch wenige Treppenstufen trennten mich von dem Eingang. Geschafft von der Strecke ging ich Mühselig die Stufen hoch. Noch bevor ich zum Empfangstresen ging suchte ich eine Toilette auf, wo ich mich frisch machte und Make Up kontrollierte. Am Tresen wurde ich dann erst einmal nach meinem Ausweis gefragt. Nachdem man mir einen Besucherpass mit meinem Namen gab, durfte ich mich im Gebäude umsehen und sogar Bilder machen. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. An sich war die Innenausstattung sehr modern und schlicht gehalten. Was mich noch mehr verwunderte war, dass so viele „Polizisten“ hier anwesend waren, wenn sie doch eigentlich nachtaktiv waren. Immer mehr Fragen kamen in meinen Kopf. Eine der Damen vom Empfang führte mich rum, zeigte mir etwas zu freundlich alles und blieb vor einer großen Tür stehen. „Herr Blake erwartet sie bereits“ sagte sie und ließ mich allein dort stehen. Ich klopfte an der Tür an und öffnete sie langsam. Zu meinem Verwundern war die Tür extrem schwer und ich hatte wirklich mühe damit sie zu öffnen. Fragend musterte ich die Tür. „Die kann doch bestimmt Kugeln abwehren“ murmelte ich vor mich hin und konnte gar nicht aufhören sie anzustarren. Dann vernahm ich direkt neben mir ein Räuspern. Ich lief knall rot an und drehte mich in die Richtung des Räusperns. Vor mir stand tatsächlich Dario Blake. Und er war riesig. Vielleicht kam mir das auch nur so vor, weil ich nur ein Meter sechzig groß war. Er sah zu mir runter und musterte mich grinsend. Wie auf dem Foto hatte er pechschwarze lange Haare, die er zu einem Zopf gebunden hatte und sehr dunkel blaue Augen. Einzelne Strähnen fielen ihm ins Gesicht und betonten es nur noch besser. In dem Anzug sah er sehr geschäftstüchtig aus und auch mysteriös. Wenn ich recht überlege sah er genauso mysteriös aus wie diese ganze Einrichtung. „Eva Milani... ein Italienischer Name“ sprach er und ging zu einem großen Sessel wo er Platz nahm. Mit seiner Hand deutete er auf sie Sitzfläche gegenüber von sich. Neugierig nahm ich ebenfalls Platz. „Es tut mir wirklich leid so kurzfristig hier aufzutauchen“ sagte ich während ich den Kugelschreiber in meiner Hand hin und her drehte. „Ich hatte gehofft sie hätten ein wenig mehr Akzent für eine Italienerin“ sagte er auf einmal und ich errötete. „Ehrlich gesagt kann ich kein Wort Italienisch“ gab ich zu und sah auf meinen Notizblock. „Ach so ist das. Meine Manager meinten sie haben Fragen zu meiner Polizei“. „Ja. Ich habe mich gefragt, warum so ein Geheimnis um die Spezial Polizei gemacht wird. Sie agieren nur nachts und keiner weiß eigentlich was genau sie machen. Für ihre Kandidatur als neuer Bürgermeister sollten die Stadtbewohner wenigstens wissen, was Sache ist, ansonsten werden sie nur von Frauen wegen ihres Aussehens gewählt“ bei meinen letzten Worten fing er laut an zu lachen. „Die meisten wahren Verbrechen finden nur nachts statt. Vergewaltigung, Überfälle, Mord. Und das sind nur drei von so vielen. Meine Spezial Einheit wurde gezielt ausgebildet auch im Dunkeln perfekt zu handeln. Das ist der große Unterschied zur normalen Polizei“. Irgendwas stimmte trotzdem nicht an der Geschichte. Es machte zwar Sinn was er sagte, aber ich musste weiter nachfragen. „Also glauben sie nicht, dass auch die normalen Polizisten in der Lage wären nachts zu agieren?“ ich bemerkte seinen überforderten Gesichtsausdruck. „Ich glaube das jeder mit der richtigen Ausbildung nachts eingesetzt werden kann. Haben sie sonst noch Fragen?“ nun wirkte er als wollte er mich so schnell wie nur irgendwie möglich loswerden. Wie nett. „Eine habe ich in der Tat noch“ ich holte kurz Luft „wie kommt es, dass es keine Berichte über Erfolge und Misserfolge gibt. Es gibt keine Beweise, dass ihre Einheit überhaupt was macht und egal wen man hier fragt, niemand hat sie bisher draußen gesehen“. Er sah vollkommen verwundert an. Anscheinend hatte ihn bisher noch niemand so ausgefragt. „Dazu kann ich keine Antwort geben, leider habe ich noch Termine und würden sie bitten das Gebäude nun zu verlassen. Miss Milani“ seine Stimme wirkte so trocken. „Natürlich. Ich danke für die Zeit“ sagte ich, stand auf und reichte ihm noch meine Hand. Zögernd schüttelte er sie. Während ich aus seinem Büro ging musste ich aber noch eine Sache loswerden. „Mit Lügen können sie kein Bürgermeister werden, außer sie schaffen es das keine Männer wählen“ sagte ich und verließ ohne ihn noch einmal anzuschauen den Raum. Was für eine pure Enttäuschung. Ich hatte gehofft mehr heraus zu finden, aber das hätte ich ja auch ahnen können. Enttäuscht gab ich meinen Besucherpass ab und ging nach draußen. Die Sonne hatte gerade ihren Höhepunkt erreicht, wodurch es angenehm warm war. Ich setzte mich auf eine Bank in der Nähe und überlegte wie ich es schaffen könnte an mehr Informationen heranzukommen. Es konnte doch nicht so schwer sein herauszufinden, was die da wirklich treiben!
Und dann passierte das, was alles änderte.
Um mich herum schrien die Leute und rannten panisch weg. Wie angewurzelt stand ich da und beobachtete die Masse. Jeder andere Journalist hätte spätestens jetzt die Kamera in der Hand, doch ich konnte einfach nicht. Ich zitterte am ganzen Leib. Aus dem Haupteingang der Spezialpolizei stürmte ein riesiges Monster raus. Ich konnte meinen Augen kaum Glauben schenken. Dieses Monster sah aus wie aus den ganzen Fantasyfilmen entsprungen. Wenn man solchen Filmen glaubte, könnte das ein Werwolf sein. Nur das er lang nicht so goldig wie in Twilight aussah. Er lief auf den Hinterbeinen in die Menge. Seine Vorderbeine waren noch muskulöser als die Hinteren. Lange Krallen zierten die Pfoten und von dem Gebiss wollte ich nicht einmal anfangen. Nur wenige Augenblicke später kamen auch diese Polizisten gefolgt von Blake raus gerannt. Panisch versuchten sie die Menschen zu beruhigen. Was natürlich sehr effektiv war – nicht. Eine Frau, etwas älter als ich und mit wundervollen lockigen blonde Haaren fiel vor ihm zu Boden. Beim genauerem Betrachten bemerkte ich eine Verletzung am Bein. Sie konnte unmöglich wegrennen. Und die Polizei war deutlich beschäftigt mit der Evakuierung. Seufzend ließ ich meine Tasche zu Boden fallen und rannte los. Zum Glück machte ich viel Sport und hatte ein paar Jahrelang einen Selbstverteidigungskurs besucht. Ich beschleunigte mein Tempo und holte dann mit meinem rechten Bein aus. Ich traf dieses Monster an der Seite und konnte es somit von der Frau ablenken. Gut für sie, schlecht für mich. Einer der Polizisten schrie mich wütend an, was ich hier machen würde, aber ich ignorierte es. Meine Aufmerksamkeit lag voll und ganz bei dem Monster. Beim genauerem Betrachten bemerkte ich das es eine menschenähnliche Form hatte. Und dann holte es mit seinen Krallen aus. Schnell hielt ich meine Arme vor mein Gesicht. Als es mich mit seinen Krallen an den Armen erwischte flog ich gefühlt einen Meter nach hinten und es folgte mir. Schnell sprang ich wieder auf. Das Blut lief an meinen Armen herunter. Die Wunden brannten wie die Hölle. Als ich gerade zum nächsten Schlag ansetzten wollte, zog mich jemand zur Seite und ich hörte nur noch einen lauten Knall. Es war ein Schuss. Das Monster fiel zu Boden. Geschockt sah ich es an und dann zu meiner rechten Seite wo wieder dieser Blake stand. „Jetzt wissen sie was wir wirklich nachts machen. Wir jagen diese Mutanten“ sagte er als wäre es das normalste auf der Welt. Mit weit aufgerissenem Mund sah ich zu ihm hoch. „Wollen sie mich eigentlich verarschen?“ Schnell riss ich mich von ihm los. Wie kann so was nur möglich sein? Das hier ist kein dämlicher Fantasyfilm. Ohne eine Antwort von ihm ging ich zu meiner Tasche, hob sie auf und machte mich aus dem Staub. Staub war in meinem Fall das Krankenhaus was zu Fuß nur zehn Minuten entfernt war. Zum Glück hatte dieses Ding mich nicht noch schlimmer erwischt. War nur Schade um meine wundervolle Lederjacke, denn die war komplett im Arsch. Nachdem meine Wunden mit ein paar Stichen zugenäht wurden, durfte ich wieder gehen. Traurig betrachtete ich meine Jacke, welche ich mittlerweile in den Händen hielt. „Na immerhin waren sie schlau genug um ins Krankenhaus zu gehen“ erklang hinter mir Blakes Stimme. „Sind sie eigentlich überall?“. Grinsend sah er an mir runter. „Sie sind doch Journalistin, ich gebe morgen bekannt was das heute war, ich hoffe ich sehe sie dann. Immerhin wird das ihre Fragen beantworten. Miss Milani“ sagte er und stieg in ein schwarzes Auto ein. Verwundert sah ich dem Auto hinterher und ich war mir sicher, dass er meinen Blick mitbekommen hatte.
Nach einer halben Stunde war ich wieder im Büro und alle sahen mich voller Neugier an. „Was ist da passiert? Wie war es? ERZÄHL!“ ging es von allen Seiten. „Immer halb lang morgen gibt Dario Blake bekannt, was das war und er wollte das ich dabei bin. Also gibt es erst morgen neues“ rief ich in die Menge und ging zu meinem Schreibtisch. Gina sah mich vollkommen verwirrt an. „Oh Gott deine Arme“ rief sie und stand auf. „Ist gar nicht so schlimm. Ich gehe für heute trotzdem nachhause. Ich muss mich auf morgen vorbereiten“ sagte ich und nahm meine Schlüssel. Als ich Richtung Tür ging kam mir mein Chef entgegen, welcher mich noch mal kurz im Büro sehen wollte. Vor seinem gigantischen Tisch standen zwei Stühle. In einem saß bereits mein Kollege Sven, der ebenfalls ein Vertreter war, und sah mich grinsend an. „Ich möchte das Sie und Herr Müller an diesem Fall gemeinsam arbeiten“. Bei diesen Worten konnte ich mir nur ein Lächeln aufzwingen und das war wirklich schwierig. Sven Müller war einfach nur widerlich. Als ich hier angefangen hatte, wollte er mit mir in einem Büro schlafen, als ich nein sagte beleidigte er mich und seitdem nennt er mich Liliputaner und singt jedes Mal, wenn er an mir vorbei ging 'Like a Virgin'. Und das alles nur wegen einem nein. Zum Glück konnte ich nach diesem Gespräch endlich nachhause gehen. Sven würde ich morgen direkt vor Ort treffen.
Erschöpft vom heutigen Tag ging ich zu meinem Auto und fuhr dann nach Hause, wo ich sofort ins Bett ging. So fertig wie heute war ich lange nicht mehr. Und trotzdem konnte ich einfach nicht einschlafen. Noch immer konnte ich nicht glauben, was heute passiert war. Dieses Monster ähnelte meiner Meinung nach zu sehr einem Menschen und Blake nannte es ja auch einen Mutanten. War das etwa mal ein Mensch? Nach stundenlangen Fragen über Fragen und möglichen Antworten schlief ich Gott sei Dank dann ein.
Am nächsten Tag klingelte wieder mal mein Wecker. Dieses Mal stand ich bereits beim ersten Klingeln an. Ich konnte es mir heute nicht erlauben, zu spät zu kommen. Schnell sprang ich unter die Dusche, wo ich nach nur wenigen Sekunden an Gestern erinnert wurde. Obwohl ich nicht schwer verletzt wurde und meine Wunden bereits zugenäht waren, brannten sie unter dem warmen Wasser wie Feuer. Ängstlich nahm ich das Shampoo in die Hand. Ich schluckte kurz und dann ging die Hölle weiter. Jedes Mal zuckte ich auf, wenn das warme Wasser mit dem Shampoo vermischt über meine Arme lief.
Nachdem ich die Hölle, die sich Dusche nannte, überlebt hatte und wieder trocken war, zog ich ein knielanges schwarzes Kleid an. Bei der Presseversammlung heute würden bestimmt viele Reporter und sonstige Menschen sein. Da musste ich einfach wie eine reife Frau aussehen. Über das Kleid zog ich eine weiße Jacke an. Als ich dann endlich im Bad fertig war, suchte ich noch meine schwarzen Highheels raus. Ich hatte sie schon lange nicht mehr an. Das letzte Mal, als ich noch zuhause gewohnt hatte. Kurz überrollte mich das Gefühl von Heimweh. So lange hatte ich meine Familie nicht mehr gesehen. Seufzend schüttelte ich den Kopf. „Keine Zeit in Erinnerungen zu schwelgen“ sagte ich und zog die Schuhe an. Zum Glück passten sie noch und ich hatte, was mich noch mehr freute, keine Probleme beim Laufen. Vorsichtshalber packte ich noch schwarze Sandalen in meine Tasche und machte mich auf den Weg zum Auto. Wie ich es schon geahnt hatte, war heute die Hölle los. Im Radio wurde nur noch über Dario Blake und dem Mutanten geredet. Ich nahm alles zurück was ich die letzten Minuten gedacht hatte. Vor Ort war tatsächlich die Hölle ausgebrochen. Die Straßen waren abgesperrt, da sich eine riesige Menschenmenge angesammelt hatte. Gezwungenermaßen musste ich in einer Seitenstraße parken. Nach zehn Minuten Fußweg war ich dann endlich da. Sven winkte mir aus der Menge zu. Schnell lief ich zu ihm. „Alle Redaktionen sind hier heute vertreten“ sagte er und hielt seine Kamera die ganze Zeit aufs Podest. Ich blickte kurz in die Menge und erkannte auch schon einige Journalisten. Die meisten von ihnen waren sowieso bekannter als wir. Naja viel mehr als ich. Sven war zwar ein widerliches Arschloch, doch als Reporter war er klasse. Deshalb ärgerte es mich, dass er ausgesucht wurde mich zu begleiten. Er würde allein wieder einen klasse Artikel verfassen, während ich gerade mal fünf Zeilen geschrieben hätte. „Hey Liliputaner! Stell dich lieber vor mich sonst wirst du noch zerquetscht!“ rief auf einmal Sven und zog mich vor sich. Ich wollte ihn gerade zurechtweisen und dann sah ich wie in der Menschenmenge gedrängelt wurde. Da ich aber auch kein Danke zu Stande brachte, entschied ich mich lieber gar nichts zu sagen. Während er die ganzen Bilder machte, schrieb ich alles auf, was mir wichtig erschien. Nach endlosem Warten erschien Dario Blake. Sofort fingen einige Frauen zu quietschen an. Ich verdrehte nur die Augen. Blakes Fangirl Club ging mir wirklich auf die Nerven. Man konnte kaum ein Wort hören, wenn sie ihn so laut und hysterisch anhimmelten. Wegen so Gänsen würde er am Ende noch Bürgermeister werden und aus irgendeinem Grund wollte ich das ganz und gar nicht. In seinem schwarzen Designer Anzug trat er nach vorn.
„Gestern sind einige Dinge passiert, Dinge die sich viele von uns nicht erklären können. Schon seitdem diese Spezial-Polizei existiert fragen sich viele von euch 'was machen die da?' und diese Frage ist durchaus verständlich. Bisher haben wir all unsere Aufträge geheim gehalten. Der Grund dafür sollte ihnen seit dem gestrigen Vorfall bekannt sein. Mutanten. Diese gibt es schon seit mehreren Jahren. Wie genau sie entstanden sind ist uns selbst noch unklar. Wir wissen nur, dass es sich hierbei um ehemalige Menschen handelt. Unser Ziel ist daher nicht die Tötung der Mutanten, sondern das Einfangen. Wir suchen bisher noch vergeblich nach einem Gegenmittel. In unserem Gebäude befinden sich im Keller Verliese, wo wir, die die wir fangen konnten, festhalten und untersuchen. Ich versichere ihnen, dass wir keine Folter anwenden. Das Gestern der Mutant ausbrechen konnte, war ein Fehler unserer Seite. Ein Mitarbeiter hatte seine Zelle nicht richtig abgeriegelt. Für die Panik die dadurch entstanden ist, möchte ich mich im Namen der gesamten Einrichtung entschuldigen. Zudem habe ich zusammen mit dem jetzigen Bürgermeister eine neue Sicherheitsvorkehrung getroffen. Ab sofort gibt es eine Ausgangssperre. Diese ist natürlich keine Pflicht, wir hoffen nur das Risiko, von noch mehr Verletzten einzuschränken. Da die Mutanten nur nachts aktiv sind. Möchten wir sie bitten sich vorerst nicht mehr Draußen aufzuhalten, wenn es dunkel ist. Sobald es Entwarnung gibt, werden wir die Sperre zurückziehen“ sagte Dario Blake und verließ wieder das Podest.
Obwohl viele Reporter noch Fragen hatten, ging er auf keine einzige ein. Nach wie vor glaubte ich, dass das noch nicht alles war. Irgendwas verheimlichte er uns noch immer. Und dem musste ich auf die Spur gehen. Vor allem war seine Ausgangssperre ein Widerspruch in sich. Prinzipiell war es nicht verboten raus zu gehen. Warum also eine Sperre? Angeblich lief seine Polizei doch sowieso nachts herum. Die Neugier packte mich immer mehr. Als sicher war das Dario Blake keine weiteren Fragen beantwortete gingen die meisten wieder. Bald darauf wirkte der eben noch so mit Menschen überfüllte Platz wie leergefegt. Sven beugte sich zu mir runter, wackelte mit den Augenbrauen und grinste mich auf eine mir sehr unangenehme Art an. „Weißt du ich dachte wir könnten, dass was vor zwei Jahren passiert ist, endlich hinter uns lassen“ sagte er und stellte sich wieder aufrecht hin. Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch. „Wie wäre es, du und ich, eine schnelle Nummer in einem Hotel“ sagte er und sein grinsen wurde breiter. Wie gut, dass ich mein Frühstück heute ausgelassen hatte. Der Brechreiz wurde immer schlimmer. „Sven ich sage es nun ein letztes Mal: NEIN“ sagte ich und wurde bis zum nein immer lauter. „Liliputaner sagt was?“ rief er spöttisch und sah zu mir runter. Wütend formte ich meine Hände zu Fäusten. Manche Finger knackten bereits. Seufzend ging Sven einige Schritte zurück und hob die Hände leicht hoch. „Wie kann man nur so verklemmt sein?“ fragte er und musterte mich. „Was hat es mit verklemmt zu tun, wenn ich einfach nichts von dir will?!“. Sein Blick wurde wieder düsterer. So wie ich ihn einschätze, bekam er nicht oft einen Korb. Und dann ging es los. Erneut sang er 'Like a Virgin'. Genervt stöhnte ich auf. „Wie kann man nur so dickköpfig sein“ murmelte ich und ging in die Richtung von meinem Auto. Je schneller ich meinen Artikel geschrieben hatte, desto schneller war ich ihn wieder los. Tanzend folgte er mir und sang immer lauter. Wir hatten mein Auto noch nicht einmal erreicht als mir mein Geduldsfaden endgültig riss. Wutentbrannt drehte ich mich um und holte mit der Faust aus. Gerade als es aussah als würde ich ihn treffen, wurde mein Arm einfach festgehalten. Aber es war nicht Sven, sondern Blake. Ich kochte innerlich vor Wut. Zwei Kerle auf einmal, die mich beide aufregten, waren zu viel des guten. „Sie machen sich strafbar, wenn sie jemanden zusammenschlagen. Und nachdem sie es gestern auch mit dem Mutanten körperlich aufnehmen konnten, glaube ich nicht das ihr Gegenüber gute Chancen hat“ sagte er und hielt mich noch immer fest. Sven sah ich mich verängstigt und geschockt gleichermaßen an. „Wir sehen uns im Büro“ sagte er und lief einfach davon. Blakes Griff wurde immer fester. Ich verzog das Gesicht, als er meine Wunden berührte. „Sie können mich los lassen“ zischte ich wütend und fing an zu zappeln. „Erst wenn sie sich wieder beruhigt haben“ sagte er und zog mich einfach mit sich. Noch immer hatte sich sein Griff kein bisschen gelockert. Wie konnte man über mehrere Minuten einen so festen Griff haben und das ohne Anstrengung? Vor seiner seltsamen Polizei blieb er dann endlich stehen, doch mich los lassen kam wohl nicht in Frage. Zügig zog er mich hinter sich ins Gebäude rein, lief an den Beamten vorbei und stoppte vor seinem Büro. Mit nur einer Hand öffnete er die riesige Tür, welche mich am Vortag deutlich mehr Mühe kostete sie zu öffnen. Eifersüchtig sah ich ihn an. Die paar Jahre Selbstverteidigung waren wohl noch nicht genug gewesen. „Setzen sie sich“ sagte er und ließ mich dann endlich los. „Und kommen Sie erst gar nicht auf die Gedanken einfach abzuhauen“ fügte er hinzu und verschwand. Da mir anscheinend nichts anderes übrig blieb, setzte ich mich hin. Während ich alleine in seinem Büro war, sah ich mich etwas genauer um. Alles war so schlicht und dezent gehalten. Nur ein paar Zimmerpflanzen zierten den Raum. Das große Fenster hinter seinem Schreibtisch sorgte für viel Tageslicht. Plötzlich ging die Tür auf und Blake kam mit einer Flasche Wasser und zwei leeren Gläsern wieder. Er stellte die Gläser auf einem kleinen Tisch zwischen den zwei Sesseln ab und schenkte und beiden aus. „Sie sollten was trinken“ sagte er leise und kühl, während er mir ein Glas entgegenhielt. Dankend nahm ich ihm das Glas ab. „Wieso waren sie eben so wütend?“. Bei dieser Frage hätte ich mich beinah beim Trinken verschluckt. „Mein Arbeitskollege kann sehr nervig werden“ gab ich wieder und lehnte mich zurück. „Es sah eher so aus, als hättet ihr euch gestritten“ konterte er und ich bemerkte wie er mich musterte. Es kam mir vor als hätten wir die Rollen getauscht. Gestern war ich es noch, die hier die Fragen stellte und nun er. „Waren sie mal ein Paar?“. Ich lachte laut los. „Diese Evolutionsbremse und ich ein Paar?“ fragte ich lachend und wischte mir die Tränen weg. „Er will seit zwei Jahren was von mir und ich gebe ihm nur regelmäßig einen Korb“ sagte ich, nachdem ich mich endlich wieder beruhigt hatte. Grinsend sah Blake zu mir. „Dennoch ist das kein Grund gleich gewalttätig zu werden“ tadelte er mich und stand auf. „Sie wissen schon, dass es gereicht hätte, mir das vor Ort zu sagen? Sie hätten mich wirklich nicht mehr hierherbringen müssen“. Auch ich stand nun wieder auf. Ich hatte mich schon zu lange ablenken lassen. Der Artikel schrieb sich ja immerhin nicht von selbst. „Ziehen sie ihre Jacke aus“ kam es auf einmal von Blake und er sah mich mit einem düsteren Blick an. Entsetzt sah ich zu ihm auf. Das war doch jetzt ein schlechter Scherz. „Ganz bestimmt nicht!“. „Ich wiederhole mich nur ungern“ hauchte er mir bedrohlich entgegen und drückte mich an die Wand. Ich konnte es nicht glauben. Dario Blake war ein Perverser. Ein Vergewaltiger. Ein Monster. Während meine Phantasie immer mehr mit mir durchdrehte, zog er mir einfach nur meine Jacke aus und begutachtete meine Arme. Tatsächlich hatten ihn nur meine Wunden interessiert. „Oh...“ murmelte ich und lief knall rot an. „Was haben sie denn jetzt gedacht?“ fragte mich Dario Blake und ging einen Schritt zurück. „Unwichtig“. Nachdem er sich versicherte, dass meine Wunden nicht schlimm waren, durfte ich Gott sei Dank meine Jacke wieder anziehen und gehen.
Noch nie in meinem Leben hatte ich so etwas Seltsames erlebt. Vollkommen verwirrt lief ich zu meinem Auto. Ich vertiefte immer mehr in Gedanken. War Dario Blake wirklich so sehr in die Sicherheit der Bewohner interessiert oder wollte er an die Macht? Wenn dies der Fall war und er wirklich hinter der Macht her war, dann bedeutete dies auch, dass es Absicht gewesen sein könnte als dieser Mutant entkommen war. Vor allem so kurz nachdem ich diese Fragen gestellt hatte. Was bezweckte er nur wirklich?
Im Hauptgebäude der Redaktion war ebenfalls die Hölle los. Alle wollten einen Artikel verfassen. Das war die immerhin die Story des 21. Jahrhunderts. Zu meiner Überraschung stand mitten im Meeting Sven auf. „Auch wenn ich liebend gerne selbst den Artikel verfassen würde… würde ich vorschlagen das Eva Milani den Artikel schreibt. Sie war immerhin dabei, als dieses Monster die Menschen angriff“ sprach er in die Runde und setzte sich wieder hin. Nach kurzen einander anschauen und nicken war es beschlossene Sache das ich dieses mal meine große Chance bekam.
Und da saß ich nun. Überfordert von dem Druck und Ideenlos. Was sollte ich nur schreiben? Sollte ich Dario Blake wie einen Helden aussehen lassen, so wie es bestimmt alle Leserinnen wollten oder sollte ich meine eigene Meinung und Gedanken hineinbringen. Vielleicht konnte ich ihn ja so dazu bringen, die ganze Wahrheit zu sagen. Ich packte all meinen Mut zusammen und schrieb los.
„Wir sind nicht mehr allein auf dieser Welt“
Seit Anbeginn der Zeit gab es immer nur uns, die Menschen. Wir folgten dem natürlichen Lauf der Natur. Doch irgendwann war auch für uns die Evolution zu Ende. Wir waren vollentwickelte, denkfähige Lebewesen, die immer mehr dazu lernten. Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde dieses Wissen jedoch immer Fragwürdiger. Gentechnik wurde immer bekannter und beliebter. Die Forscher experimentierten nicht nur an Tieren, auch an Menschen. Zahlreiche Studien werden bis heute noch immer betrieben. Doch was, wenn es ein Forscher geschafft hatte aus diesem Wissen der Gentechnik etwas Neues zu schaffen?
Diverse Fantasyfilme gaben uns immer wieder Eindrücke in einer Welt, wo wir nicht die einzigen hochentwickelten Lebewesen sind. Vampire, Werwölfe, Dämonen oder gar Meerjungfrauen wurden für viele zu einem Traum, der sich nie erfüllen wird. Auch kamen in den letzten Jahren immer mehr Hybriden dazu. So waren Mensch-Tier Kreuzungen keine Seltenheit mehr in Filmen oder Büchern.
Einige Tage zuvor passierte das unvorstellbare. Ein Monster rannte aus dem Hauptgebäude der Spezial-Polizei, welche vom mysteriösen Dario Blake geleitet wird, und griff die Menschen in der Umgebung an. Wie der Zufall es wollte, war ich direkt vor Ort und konnte mit eigenen Augen sehen was sich dort abspielte.
Laut eigenen Angaben von Dario Blake handelt es sich hierbei um einen Mutant, einen ehemaligen Menschen. Dieser Mutant schien nicht mehr in der Lage zu sein als Mensch zu agieren. Taten, welche auf Nachdenken hinwiesen, waren nicht zu erkennen. Auch die Fähigkeit zu sprechen schien verloren zu sein. Es wirkte so als sei dieser ehemalige Mensch ein wildes, ungezähmtes Tier. Man könnte meinen es handelt sich hierbei um einen Wolf. Eher gesagt um einen Werwolf, wie man ihn bereits aus der Mythologie kennt. Da fragt man sich nur: Wie ist so etwas überhaupt nur möglich?
Handelt es sich hierbei um eine Mutation, die nur durch bestimmte Gene hervorgebracht werden kann oder um einen Virus? Sind wir alle davon betroffen? Und wann wird es ein Gegenmittel geben? Fragen über Fragen. Und keine Antworten.
Bevor sich dieses tragische Ereignis abspielte, hatte ich bereits ein Gespräch mit Dario Blake. Zu diesem Zeitpunkt wollte er mir noch nicht genau preisgeben, was seine Polizei in den Nächten wirklich machten. Nur wenige Minuten nachdem ich das Gebäude verließ, entkam der Mutant...
Da frage ich mich: war das alles nur Zufall oder Absicht?
Bei meinem Gespräch mit Dario Blake unterstellte ich ihm zu Lügen. Daraufhin wollte er so schnell wie möglich unser Gespräch beenden. Man merkte ihm an, dass irgendwas im Busch war. Oder vielleicht noch ist!
Dario Blake – ein Mann mit so vielen Geheimnissen. Ein Mann der jetzt Bürgermeister werden will. Aber wollen wir wirklich einen Bürgermeister, der so wichtige Sachen vor uns geheim hält?
Meine ehrliche Antwort lautet nein.
Nach zwei Stunden war der Artikel fertig. Zugegeben er war nicht gut, aber ich war mir sicher, dass er für mehr Fragen sorgen würde. Bildlich musste ich mir vorstellen, wie wohl Blake reagieren würde, wenn er diesen Artikel lesen würde. Siegessicher ging ich zu meinem Chef und zeigte ihm einen Ausdruck meines ersten Artikels. „Ich bin Überrascht. Es klingt interessant und deine eigene Meinung stellt noch mehr Fragen in den Raum. Du kritisierst ja diesen Blake ganz schön. Der kommt in die nächste Zeitschrift und sorge dafür, dass er zeitgleich auf der Homepage landet“ sagte mein Chef und ich verließ wieder sein Büro.
Zusammen mit den anderen Vertretern meiner Abteilung suchten wir noch weitere spannende Artikel raus, die in die morgen veröffentlichte Zeitschrift kamen. Wir wussten, dass der Artikel über Dario Blake und dem Mutanten vermutlich der einzige sein würde, der wirklich gelesen wird, dennoch mussten wir ja aus jeder Kategorie etwas abliefern. Die Spannung stieg in mir auf als wir einen Probedruck starteten. Auf dem Titelblatt war ein Bild von Blake während seiner Ansprache zu sehen. Dazu noch passende Wörter wie Mutant oder Monster. Zusätzlich zu meiner Kritik an Blake hatten wir noch ein paar mehr Artikel über ihn hineingepackt. Ich war nämlich nicht die Erste, die über ihn schrieb. Einige meiner Mitarbeiter hatten fragwürdige Artikel über seine Kandidatur und die Polizei geschrieben. Diese wurden aber nie veröffentlicht. Sie stützten perfekt meinen eigenen Artikel. Hinzu kamen noch weitere Bilder, welche Sven während der Presseversammlung gemacht hatte und Bilder vom Mutanten, die bereits ihre Runde im Internet drehten. Es ärgerte mich tierisch, dass das Internet bereits voll mit dem Mutanten war, während wir erst Tage danach darüberschrieben. Auf der anderen Seite hätte es ja sein können, dass Blake mehr Informationen Preis gibt. Nachdem alle mit der Probe Zeitschrift zufrieden waren, gaben wir den Druck für die Nacht in Auftrag. Die Stunden vergingen rasant schnell und so war der Feierabend schneller da als ich es mir hätte vorstellen können. Zufrieden packte ich meinen Kram zusammen, fuhr den Rechner runter, schaltete die Lampe aus und verließ das Gebäude. Zusammen mit Gina lief ich zum Parkplatz. „Weißt du wir sollten mal zusammen weg gehen“ sagte sie und stach mir locker in die Seite. Wie immer versuchte ich mich aus solchen Situationen herauszureden. Doch dieses Mal gab sie einfach nicht locker. „Am Samstag hol ich dich ab, kein wenn und kein aber“ sagte sie und rannte einfach zu ihrem Auto. Genervt verdrehte ich die Augen. Sie ruinierte gerade meinen geliebten Samstag. Mit einem leisen gequälten Stöhnen öffnete ich mein Auto, stieg ein und fuhr nach Hause. Lustlos sah ich das Treppenhaus hinauf. Jede einzelne Stufe belastete mich. Es kam mir vor als würde ich heute extrem lange brauchen, bis ich endlich meine Wohnungstür erreicht hatte. Schnell schloss ich diese auf, ging hinein und streifte mir meine Highheels von den Füßen ab, welche gerade aus gegen die Wand flogen. Meine Füße taten so extrem weh. Ich hasste solche dämlichen Absätze und diese dämlichen Schuhe. Wer hatte sich diese überhaupt ausgedacht? Genervt lief ich zu meinem Telefon und drückte auf den rot aufleuchteten Knopf. „Sie haben einen verpassten Anruf von Zuhause“ sagte die weibliche Roboterstimme und spielte die Aufnahme von der Mailbox ab. „Hallo Schatz, wann können wir dich endlich besuchen kommen? Wir sind schon so gespannt dich endlich in deiner Uniform zu sehen. Meld dich doch mal, wenn du Zeit hast“ sagte meine Mutter und die Aufnahme war beendet. Seit zwei Jahren ging das nun schon so. Sie sprach mir auf die Mailbox wann immer sie konnte und ich schrieb ihr eine Nachricht via WhatsApp, dass ich leider keine Zeit hatte. Natürlich hätte ich am Wochenende mal Zeit gefunden aber ich wollte ihre traurigen Blicke nicht sehen, wenn sie erfuhr, dass ich die Prüfung nicht bestanden hatte. Sie wäre bestimmt am Boden zerstört. Immerhin hatten meine Eltern mir dies alles erst möglich gemacht. All ihr erspartes ging für das Auto und die Kaution der Wohnung drauf. Zwar hatte ich ihnen bereits fast alles zurückgezahlt, dennoch schmerzte mich der Gedanke daran, sie enttäuscht zu haben. Was sollte ich nur machen?
Wenige Stunden später lag ich in meinem Bett und durchblätterte noch einmal meine Notizen von den letzten zwei Tagen. Ich fragte mich, wie wohl der Keller der Spezial-Polizei aussah. Ob es so mittelalterliche Verliese waren oder doch neumodische Zellen. Und brauchten die Mutanten denn kein Tageslicht? Wie viele von ihnen waren da unten eingesperrt? Diese verdammte Neugier fraß mich von innen auf. In diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher wie Inspektor Gadget mich ins Gebäude zu schleichen, den Keller zu finden und auf all meine Fragen endlich Antworten zu bekommen. Der Nervenkitzel wurde immer schlimmer und schlimmer. Wie sollte ich denn so einschlafen? Seufzend drehte ich mich von einer Seite zur Nächsten. Irgendwann packte mich dann doch meine Müdigkeit und ich schlief ein.
„Eva Milani! Wie oft wollen Sie noch nachts in der Schule einbrechen?!“ wütend schrie der alte Hausmeister zu mir runter. Bevor er jedoch meine Hände entdeckte, ließ ich die gestohlene Akte in meinem Rucksack verschwinden. „Langsam reicht es mir! Wegen Ihnen muss ich ständig Überstunden machen und eine neue Alarmanlage musste auch angeschafft werden!“. „Die scheint aber nicht gut zu sein“ neckte ich ihn und grinste. Der Hausmeister jedoch, schien meinen schnippischen Kommentar alles andere als lustig zu finden. „Mir reicht es wirklich Eva!“ schrie er, packte mich so fest er konnte am Handgelenk und zerrte mich in ein Büro. Unsanft zwang er mich auf einen Stuhl Platz zu nehmen und nahm sofort das alte Telefon in die Hand. Mit seinem Zeigefinger spielte er mit der Schnur.
Zwanzig Minuten nach seinem Anruf erschien ein junger Polizeibeamter. Wobei ich eher den Eindruck hatte, dass er noch in seiner Lehre war. Wie eine Kriminelle wurde ich in den hinteren Teil des Wagens gesperrt. Nachdem man mir sogar Handschellen verpasste, fuhr der Mann los. Wütend sah ich meinem Hausmeister hinterher. Das würde er noch bereuen. „So sie sind also Eva Milani, das kriminelle Superhirn der Schule“ sagte amüsiert der Polizist und sah durch den Rückspiegel zu mir. Dunkle wuschelige Haare fielen in sein Gesicht und die grünen Augen leuchteten jedes Mal auf, wenn wir an einer Laterne vorbeifuhren. „Sie wollen also immer noch nicht reden?“ sagte er leicht genervt und hielt an, nachdem er zwanzig Minuten lang sinnlos durch die Stadt fuhr, in der Hoffnung ich würde ihm verraten, wo ich wohne. Genervt drehte er sich zu mir um. Sein Blick sagte mir wir müde er bereits war. Vermutlich musste auch er wegen mir nun Überstunden machen. „Wie alt sind Sie? Fünfzehn? Sechzehn? Und auf unsere Wache kennt man Sie bereits! Ich weiß wirklich nicht wieso Sie in so jungen Jahren schon einbrechen“. Mittlerweile klangen seine Worte nur noch enttäuscht. Er drehte sich wieder nach vorne und startete den Wagen. „Aber eins weiß ich. Wenn Sie so weiter machen landen Sie im Jugendknast und danach ist es für die meisten vorbei. Sie werden keinen Abschluss haben, keine Lehre machen können und Ihr Leben lang in einer kleinen Vorstadt leben, vielleicht an einer Kasse arbeiten und sich mit Mindestlohn zufriedengeben. Irgendwann wird ein alter Klassenkamerad was einkaufen und nur noch zu Ihnen herabschauen. Vermutlich wird er einen Anzug tragen, weil er mittlerweile der Chef von etwas Größerem ist. Etwas was Sie nie erreichen werden“ sagte er und fuhr los. Seine Worte hatten mich zu tiefst verletzt. Es hatte mich verletzt, weil er recht hatte. Vor der Polizeiwache blieb er stehen. Gähnend stieg er aus und öffnete hinten die Türen. Zu meinem Glück wurde ich endlich von den Handschellen erlöst, musste ihn aber dann mit aufs Revier begleiten. Ich lief ihm stumm zu seinem Schreibtisch hinterher, wo er mich für einige Minuten alleine zurückließ. In dem Büro waren nur noch zwei weitere Polizisten, welche beide übermüdet irgendetwas durchblätterten. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits zwei Uhr morgens war. Verdammt. Endlich kam er wieder und stellte zwei Tassen Kaffee auf der Tischplatte ab. Eine schob er dann in meine Richtung. „Also Eva, darf ich dich duzen?“ fragte er und ich nickte für ein Ja. „Ich hab mir eben deine Akte geholt. Das heißt ich weiß auch ohne deine Aussage wo du wohnst“ sagte er grinsend und trank einen riesigen Schluck von seinem Kaffee. Zögernd nahm ich meine Tasse und nippte dran. Angewidert verzog ich das Gesicht. Mein Gegenüber fing laut an zu lachen. „In deiner Akte steht auch das du mittlerweile sechzehn bist. Alles gute nachträglich“ sagte er, nahm seinen Stift und schrieb irgendetwas in seine Akte herein. Nach Minutenlangen fixieren der einzelnen Wörter konnte ich erkennen, dass er irgendwas mit 'mag keinen Kaffee' geschrieben hatte. Er schien es wohl sehr lustig zu finden. An der rechten Ecke seines Schreibtisches stand ein Namensschild. David Collins. David machte noch ein paar weitere Notizen, ehe er die Akte zur Seite legte und wieder aufstand. „Komm ich fahr dich jetzt nach Hause“ sagte er, stellte die leere Tasse auf den Tisch und ging zur Tür. Wie zuvor auch folgte ich stumm bis zum Auto. Überrascht sah ich ihn als er mir die Beifahrertür öffnete. „Ohne Handschellen?“ fragte ich nach und er grinste. „Dieses Mal ja, außer du versucht während der Fahrt aus dem Wagen zu springen“. Plötzlich konnte ich mir ein Grinsen nicht mehr verkneifen. Die Idee gefiel mir. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und beobachtete wie er ums Auto herumlief und neben mir Platz nahm. „Also wieso machst du so was?“ fragte er erneut nach und startete wie zuvor auch seinen Wagen. Seufzend lehnte ich mich in den Sitz zurück. Spätestens wenn er mich zuhause abgeladen hätte, könnte er sich seinen Teil denken. „Meine Eltern verdienen beide nicht viel und irgendwie muss man ja an Geld kommen“ sagte ich und sah aus dem Fenster. Mittlerweile waren noch nicht mal mehr die Laternen an. „Du verdienst damit Geld, wenn du in der Schule einbrichst?“ fragte er nach und wirkte sehr geschockt. „Sie glauben nicht wie viele ihr ganzes Taschengeld opfern, wenn sie dadurch eine bessere Note bekommen oder negative Kommentare aus den Akten verschwinden“. „Und du machst dich dafür strafbar“ murmelte er und senkte kurz seinen Blick. „Mag sein, aber bisher wurde ich nur beim herumschleichen erwischt. Keiner kann mir nachweisen, dass ich Noten ändere oder Unterlagen verschwinden lasse. Meistens lasse ich mit Absicht wichtige Sachen von mir in der Schule liegen, so hat man eine Begründung. Außerdem kann ich mir so die ganzen Klamotten und Spiele leisten, die ich will“ sagte ich und sah zur meiner Tasche. Ich hatte noch immer die Akte dabei. Wie dumm das ich auch ausgerechnet heute erwischt wurde.
Einige Minuten später hielt er vor meinem Haus an. „Können Sie mir einen Gefallen tun? Bitte sagen Sie es nicht meinen Eltern. Meine Eltern wären am Boden zerstört“ sagte ich und sah ihn bettelnd an. Sein Grinsen wurde zu einem verständlichen Lächeln. „Ich mache heute eine Ausnahme. Aber beim nächsten Mal bist du dran“ mahnte er mich nett und ich wurde im wahrsten Sinne des Wortes entlassen.
„David Collins in meinem Traum“ murmelte ich verschlafen vor mich hin als ich endlich wieder wach wurde. Zu meinem Bedauern hatte ich tatsächlich alle Wecker verschlafen. Im Eiltempo rannte ich von einem Raum zum nächsten. Machte mich in Rekordzeit fertig, rannte das Treppenhaus runter und stieg schnell in meinem Auto ein. Unterwegs holte ich mir noch einen Kaffee und hielt erst wieder an, als ich den Parkplatz der Redaktion erreicht hatte. Mehrere schwarze und bestimmt extrem teure Autos zierten den Besucherbereich. Ich nahm einen großen Schluck meines Kaffees und ging in schnellen Schritten ins Gebäude, wo ich den Fahrstuhl ansteuerte. In der richtigen Etage angekommen bemerkte ich mehrere Männer in edlen Anzügen, welche aufgebracht meinen Chef zur Rede stellten. Nachdem ich mich dem wütenden Mob genähert hatte, sah ich Dario Blake in der Mitte. Gelassen wie immer stand er stumm herum, tippte auf seinem Handy und blickte alle paar Sekunden hoch. „Milani“ schrie wütend mein Chef und ich zuckte zusammen. Mit überraschend weit aufgerissenen Augen sah ich zu ihm. „Ja?“. „Die Herren sind wegen Ihnen hier“ schrie er wütend und zeigte demonstrativ auf seine Armbanduhr. Ich war nur eine Stunde zu spät und er machte daraus einen Weltuntergang. Dieser Mann sollte wirklich mal mehr Filme schauen. Eine Apokalypse funktionierte nämlich ein klein wenig anders. „Es tut mir leid“ sagte ich noch etwas verschlafen und trank mit einem Schluck den restlichen Kaffee aus. Der Tag hatte ja super gestartet. Viel zu müde steuerte ich den riesigen Konferenzraum an, während die 'Men in Black' mich verfolgten. Meine Hände wurden immer verschwitzter. So Nervös war ich lange nicht mehr. Im Raum nahmen die Herren Platz und ich blieb wie angewurzelt stehen, als man mir ein Magazin vor die Nase warf. Um genauer zu sein, war es das, welches heute erst rauskam. „Wir sind hier, weil wir sie verklagen wollen“ sagte der eine, welcher mehr wie ein Manager wirkte und sah wütend zu mir raus. „Verklagen?“ murmelte ich und war mit einem Schlag wach. „Sie wissen schon, was Meinungs- und Pressefreiheit ist?“ fragte ich schnell nach und musterte meinen Besuch. Dario schien über die Unterhaltung sehr erfreut zu sein. Er machte auf mich den Eindruck als wäre das alles für ihn nur ein Spiel. Ein kleiner Zeitvertreib. „Soweit ich informiert bin, können Sie mich nicht verklagen und ich werde auch ganz bestimmt nicht meine Meinung zurückziehen, weil irgendein Kerl mit Kritik nicht umgehen kann. Tut. Mir. Wiiiirklich. Leid“ sagte ich, wobei ich den letzten Teil sehr sarkastisch betonte. Dario Blake, welche die ganze Zeit stumm in der Runde saß, fing laut an zu lachen. Genervt zog ich eine Augenbraue hoch und verschränkte meine Arme vor der Brust. „Es ist ja fast schon zu goldig, wie Selbstsicher Sie sind, Eva“ sagte er und stand auf. In langsamen Schritten kam er auf mich zu und beugte sich leicht zu mir runter. Sein ganzes Sein strahlte Macht und Selbstsicherheit aus. Er wusste, er bekommt was er will. Die Wut kochte in mir. Ohne wirklich darüber nachzudenken packte ich nach seiner Krawatte und zog ihn so zu mir runter, dass wir auf Augenhöhe waren. „Mag sein das Sie unglaublich viel Geld und Macht haben und vermutlich auch immer alles bekommen was Sie wollen, aber hier läuft das anders! Ich habe ein Recht darauf meine Meinung zu äußern und als Reporterin auch die Mittel diese zu verbreiten. Wenn Ihnen das nicht passt, verkrümeln Sie sich wieder in Ihre ach so tolle Spezial-Polizei“ schrie ich und ließ seine Krawatte wieder los. Die anderen Männer schauten mich alle schockiert an. Anscheinend konnte keiner glauben, dass ein Zwerg – wie ich – Dario Blake die Stirn bieten kann und wird. Obwohl ich ziemlich von meiner Ansage überzeugt war, wurde Darios selbstsicheres Grinsen nur weiter. Er richtete sich wieder auf und strich währenddessen mit seiner Hand über meine Wange. „Wenn Sie nicht freiwillig ihre Meinung über mich ändern, muss ich Sie wohl dazu bringen“ hauchte er zu mir runter und ging einfach aus dem Raum raus. Verwirrt sah ich ihm und seiner Boygroup hinterher. „Ich hab ein echt ungutes Gefühl bei der Sache“ sagte ich zu mir selbst und ging zu meinem Arbeitsplatz. Als ich endlich mal zur Ruhe kam, dachte ich noch einmal über meinen Traum nach. Obwohl es ein Traum war, war dies vor vielen Jahren wirklich passiert. Ich konnte mich noch so gut daran erinnern. Es war mein letztes Schuljahr gewesen und zu dieser Zeit hatte ich für Geld beinahe alles getan. Vermutlich würde ich hier heute nicht sitzen, wenn David mich doch verhaftet hätte. Immerhin musste er mich nicht nur einmal nachts aus der Schule holen. Grinsend lehnte ich mich zurück. David Collins war beinah zehn Jahre älter als ich und man Glaube und Staune meine erste Liebe gewesen. Es gab sogar Nächte wo ich mich mit Absicht erwischen lassen hatte. Ich liebte es sein Grinsen zu sehen, wenn er mich mit den Handschellen auf der Rückbank festgeschnallt hatte. Er war auch der Einzige der wusste, dass ich mich sogar schon mehrmals ins Schulsystem eingehackt hatte. Und dennoch – obwohl er Polizist ist – hat er mich nie verhaftet. Okay ich habe auch nie eine Anzeige bekommen, aber allein durch meine Geständnisse hätte er genug Anlässe gehabt. Er war der Grund warum ich doch Polizistin werden wollte. „Ich weiß ja nicht an wen du gerade denkst, aber ich hoffe es ist ein Kerl“ neckte mich Gina und beugte sich leicht vor. „Ach ich hatte die Nacht einen Traum von meiner Zeit an der Realschule“ sagte ich und merkte wie ich das Grinsen einfach nicht vom Gesicht bekam. „Oh das ist ja mal was neues“ pure Neugier stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Ich muss alles wissen“ sagte, eher schrie, sie aus sich heraus und saß plötzlich direkt neben mir. „Nun ja viel gibt es nicht zu erzählen. Ich wurde mehrmals verhaftet von meinem Exfreund“ sagte ich und ihr Gesicht zeigten alle Emotionen von Geschockt bis Überrascht und Gott was noch alles. „Oh mein Gott, Eva, ich MUSS wirklich alles wissen“ schrie sie und alle schauten wütend zu uns rüber. „Wie wäre es, wenn ich dir die Geschichte morgen Abend erzähle. Du wolltest doch eh mit mir ausgehen“ sagte ich etwas genervt und schubste sie auf dem Drehstuhl weg. Lachend rollte sie auf ihren Platz. „Okay das klingt doch vielversprechend“ sagte sie siegessicher und hielt endlich die Klappe. Zu meinem Glück hatte ich noch ein paar Überstunden und konnte mich dementsprechend relativ schnell wieder vom Acker machen.
Wieso musste eigentlich die Zeit so schnell vergehen? Kaum kam ich Freitag von der Arbeit nach Hause, hatte was gegessen, schon war Samstagabend. Vermutlich lag es daran, dass ich mal wieder zu vertieft ins Zocken war. Ich sollte wirklich mal damit aufhören. Immerhin war ich ja eigentlich eine erwachsene Frau. Eigentlich. Grinsend sprang ich unter die Dusche. Nach gefühlt fünf Stunden war ich endlich fertig. Ich hatte ein – wer hätte es gedacht – schwarzes rückenfreies Kleid mit Spitze an. Dazu wieder meine gehassten Highheels. Die Haare gelockt und offen, dazu dunkel roten Lippenstift.
Noch einmal schaute ich in den Spiegel. Ich hatte den Eindruck zehn Jahre älter auszusehen. Pünktlich auf die Sekunde klingelte Gina an meiner Tür. Ich zog mir noch eine dünne schwarze Jacke über und ging aus der Wohnung. Sie hatte ihre hell braunen Haare leicht hochgesteckt, trug helleres Make-Up als ich und trug ein rotes enges Kleid. Überrascht musterte ich sie. Gina sah wirklich gut aus. Daneben sah ich wie eine Witwe aus. „Komm wir gehen in die beliebteste Bar der Stadt“ rief sie mir glücklich entgegen und zog mich hinter sich her.
Nachdem meine Füße drohten abzufallen kamen wir endlich an. Bunte Lichter kamen bereits aus der Bar, was wohl eher ein Nachtclub war, entgegen. Am Eingang stand ein riesiger Mann, der in etwa so groß wie Blake war, nur mit dem Unterschied, dass er Muskeln eines Bodybuilders hatte. Fröhlich winkte Gina ihm zu und er grinste. Sie musste hier wohl Stammkundin sein, denn obwohl sich hier bereits eine lange Menschenschlange gebildet hatte, durften wir ohne warten rein. „Ich hab uns schon einen Tisch reserviert“ sagte sie und wir gingen in eine hintere Ecke des großen dunklen Raumes. Rote VIP Bänder grenzten die Tischecke von der Tanzfläche ab. Ein kleiner zweier Tisch in schwarz mit roter Tischdecke und ebenso schwarzen Stühlen wurde von Gina angesteuert. „Als du Bar sagtest, dachte ich eher an eine hübschere Version von einer Kneipe, aber nicht an einen verdammten Nachtclub“ sagte ich positiv überrascht und musterte noch einmal den Raum. Ohne überhaupt etwas bestellt zu haben, wurden uns sofort ein Teller mit diversen Arten von Chips und zwei rötlichen Cocktails serviert. Auch der Kellner sah Gina sehr zuvorkommend und freundlich an. „Gina?“ fragte ich dann und nippte von meinem Cocktail. Er war sehr süß, perfekt für meine Geschmacksnerven. Ich hatte zwar wirklich keine Ahnung was ich hier trank, aber ich wollte mehr. „Weißt du, ich gehe hier schon seit Jahren regelmäßig ein und aus“ gestand Gina und lehnte sich zufrieden zurück. Als Gina dies sagte, als sei es das normalste der Welt, schämte ich mich dafür, zum ersten Mal in einem Nachtclub zu sein. Mein Leben bestand bisher aus Schule-Zocken, dann aus Schule-Zocken-Einbruch, danach aus Schule-Zocken-heimliche Beziehung und zu guter Letzt nur noch aus Arbeiten-Zocken. Nicht zu vergessen meine Liebe für Gothic. Nachtclubs, Alkohol oder Feiern hatte mich noch nie wirklich interessiert. Natürlich war ich schon mehrmals ausgegangen, aber hielt mich dann immer im Hintergrund. „So um noch mal auf gestern zurück zu kommen“ sprach Gina und lehnte die Arme am Tisch an. „Viel gibt es da wirklich nicht zu erzählen. Während meiner letzten Monate als Schülerin bin ich nachts gerne mal ins Schulgebäude eingebrochen und hab für andere die Noten geändert. Gegen Bezahlung natürlich. Irgendwann wurde ich vom Hausmeister erwischt und er rief die Polizei. Dadurch das ich aber nie von der Schule angezeigt wurde, hatte es an sich keine Konsequenzen“ erklärte ich und nippte erneut von meinem Cocktail. „Und der Polizist der dich dann abgeholt hat, war dein Freund?“ fragte sie grinsend nach und leerte ihr Glas. „Ja, aber wir kamen erst nachdem ich mit den Einbrüchen aufgehört hatte zusammen. Eigentlich war es eher eine heimliche Beziehung da ich zum Anfang noch siebzehn war und er neun Jahre älter“. „Ulala du stehst also auf Ältere“ quiekte sie und winkte einem Kellner zu. Dieser kam wenige Minuten später mit neuen Cocktails. Schnell leerte ich ebenfalls mein Glas.
Immer und immer wieder bestellte Gina Getränke nach. Mein Kopf fühlte sich bereits jetzt schon an als würde er jeden Augenblick explodieren. Gequält nahm ich den neusten Cocktail in die Hand. Farblich unterschied er sich sehr von den vorigen. Und auch vom Geschmack. Er war zwar nicht bitter, aber auch nicht so süß. Während Gina trank als gab es keinen Morgen sah sie immer noch Top fit aus. Ich dagegen kämpfte gegen die Übelkeit und die Höllen Kopfschmerzen an. Hatte ich schon mal erwähnt, dass ich Alkohol wirklich nicht vertrug?
Je später es wurde, desto voller wurde die Tanzfläche. Irgendwann kam ich aber aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Hey Gina ist das nicht Dario Blake?“ sagte ich überrascht und tippte sie mehrmals an. „Oho, ja“ sagte sie lallend und lachte. Anders als die da vorigen Male hatte er keinen Anzug an, sondern eine dunkle Jeans mit einem schwarzen engen T-Shirt, was eindeutig seine Muskeln zur Show stellte. Die Haare trug er dieses Mal offen, wobei eine Seite hinterm Ohr war. Neugierig musterte ich ihn. Er wirkte nun nicht mehr wie einer der reichsten Geschäftsmänner der Umgebung. Aber war er nicht ein wenig zu alt um sich in einem Nachtclub zu amüsieren? „Was ist?“ fragte Gina nach und musterte mich, wobei der Alkohol es ihr anscheinend ziemlich schwer machte mich genauer zu fixieren. „Ich hab mich nur gefragt, ob Blake nicht etwas zu alt für einen Nachtclub ist“ gab ich zu und wendete meinen Blick von ihn. „Er ist eigentlich nur ein Jahr älter als ich“ lachte Gina. Geschockt sah ich sie an und dann wieder Blake. Dieser Mann war erst sechsundzwanzig? Sie wollte mich doch verarschen. Mit offenem Mund starrte ich zu ihm rüber. Er sah viel älter aus. Und dann passierte es. Während ich ihn musterte, drehte er sich in meine Richtung und sah mich. Mich, wie ich ihn anstarrte. Gott war das peinlich. Grinsend winkte er mir zu. Mit knall rotem Kopf drehte ich mich wieder in Ginas Richtung. „Dario Blake hat dir zugewunken...“ murmelte sie und bekam einen Kreisch Anfall. Wie gern ich jetzt im Erdboden verschwinden würde. „Dein Freund freut sich bestimmt tierisch deine Fangirl Attacken mitzuerleben“ gab ich genervt wieder und verdrehte die Augen. „Abend, Ladies“ ertönte es plötzlich hinter mir. Ich musste mich nicht umdrehen um zu erkennen, dass der Riese Blake tatsächlich zu uns kam. Er packte nach einem Stuhl von dem Nachbartisch und gesellte sich zu uns. Seufzend sah ich ihn an. Gelassen wie eh und je saß er da, die Beine überkreuzt und sah mich grinsend an. „Die Verletzung ist gut verheilt, man erkennt sie kaum noch“ sagte er und begutachtete meine Arme. „Da hatte ich wohl Glück“ gab ich wieder und verschränkte die Arme leicht. „Also dafür, dass ich dich seit Stunden versuche abzufüllen, bist du immer noch so langweilig wie immer“ lallte Gina und ich lief erneut rot an. Kaum hatte sie dies gesagt bestellte sie eine ganze Flasche Schnaps. Woher hatte sie eigentlich so viel Geld? „Trink meine Teuerste“ kam es von der alkoholisierten Gina, die mir sofort ein Glas in die Hand drückte. Aus dem Augenwinkel heraus erkannte ich Blakes Grinsen. „Scheint als kenne sich das Küken mit Alkohol kaum aus“ stellte er fest und bediente sich ebenfalls am Schnaps. Nachdem ich hörbar seufzte trank ich das Glas mit einem Schluck aus. Es war widerlich. Und wenn ich widerlich sagte, dann meinte ich das so. Ich kämpfte so dagegen an, mein Gesicht ja nicht in Dario Blakes Anwesenheit zu verziehen. Seine Sprüche waren das Letzte was ich hören wollte. Aber wie der Teufel es wollte, bemerkte er alles. Blakes Grinsen wurde immer breiter. Seine Mundwinkel zuckten schon fast unkontrollierbar. Und dann brach er in ein unüberhörbares Gelächter aus. Tränen liefen ihm bereits die Wange herunter. Eifersüchtige und neugierige Frauen aller Altersgruppen drehten sich in unsere Richtung. „Blake bitte“ sagte ich verlegen und rüttelte an seinem Arm. Keine Chance. Dario Blake, der mit Abstand reichste und Machthabende Geschäftsmann den ich kannte, hatte keine Kontrolle mehr über sein Lachen. Mittlerweile war sein Gesicht rot angelaufen. Immer überraschter sah ich ihn an. Auch Gina kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nach Minutenlangem Lachen stand Blake endlich auf. Er atmete noch einmal durch, eher er wieder zu mir runter sah. „Sie sollten sich öfters hier her einladen lassen“ zwinkerte er mir zu und verschwand wieder in der Menschenmenge.
Nachdem Gina und ich die Schnaps Flasche geleert hatten und ich wirklich kurz davor war alle Getränke der letzten Stunden hoch kommen zu lassen, verließen wir den Nachtclub. Alles drehte sich. Teilweise sah ich auch die anderen Menschen doppelt. „Schaffst du es allein nachhause?“ fragte Gina ebenso wackelig auf den Beinen. „Natürlich“ gab ich wieder und verabschiedete mich von ihr. Angeblich wohnte sie in der Nähe vom Nachtclub und hatte mich nur abgeholt, da ich den Weg nicht kannte.
Als ich durch irgendwelche unbekannte Straßen lief realisierte ich, dass ich nach wie vor keine Ahnung hatte, wo ich lang musste. Vielleicht hätte ich doch nein sagen sollen, als ich noch die Möglichkeit hatte. Zitternd stützte ich mich beim Laufen an einer Hauswand ab. Während ich immer weiter die Straße lang lief, wurde es zunehmend dunkler. Um Punkt zwei Uhr schalteten sich die Straßenlaternen automatisch aus. „Na super“ murmelte ich und zog mein Handy aus der Jackentasche. Zum Glück hatten die heutigen Handys, bekannt als Smartphone, ein Taschenlampenlicht. Ein Vorteil für dieses nervige Ding. Der zweite Vorteil war die GPS-Funktionen. Da ich wenigstens noch im Stande war, meine eigene Adresse zu wissen, konnte ich mit Hilfe des GPS den richtigen Weg finden. Ich musste nur noch durch eine Gasse gehen und schon war ich wieder auf der Hauptstraße. Ein seltsames Gefühl breitete sich in meinen Magen aus. Keine Ahnung ob es der Alkohol war oder die Tatsache, dass ich jemanden in der Gasse stehen sah. Beim genauerem Betrachten erkannte ich eine Frau, welche ich zu meinem Bedauern doppelt und dreifach sah. Es war nur eine Frau redete ich mir gezielt ein, während ich die Gasse ansteuerte. Nur eine Frau. Nervosität breitete sich in mir aus gefolgt von einem Hauch Angst. In meinem jetzigen Zustand könnte ich mich im Worst-Case-Szenario mich höchstens selbst ausschalten. Ich umklammerte immer fester mein Handy. Meine Atmung wurde schneller. Dann kam mir die Idee. Schnell wählte ich die Nummer der Polizei. Sollte ich in Schwierigkeiten kommen, musste ich nur noch auf den grünen Hörer tippen. Alles wird gut gehen. Doch dann stand die Frau wie aus dem nichts einfach vor mir. Durch das wenige Licht was mein Handy spendete, erkannte ich die blonde Lockenpracht. Es war die Frau von dem Mutanten Angriff. Ihre dunklen eisernen Augen musterten mich. Sie wirkte so benommen. Kam sie auch aus dem Club? „Hey ich erkenne Sie! Ich war auch bei dem Mutanten Angriff dabei!“ platze es aus Angst aus mir raus. Vielleicht würde sie sich an mich erinnern.
Als die Wolken vor dem Mond verschwanden und somit der Platz besser beleuchtet war erkannte ich ein Grinsen in ihrem Gesicht wie ich es noch nie zu vorgesehen hatte. Plötzlich leuchteten ihre Augen gelblich auf. Ihre Gelenke fingen an zu knacken und sie fiel zu Boden. Geschockt sah ich sie an. Im normal Fall hätte ich ihr aufgeholfen, doch ich war wie gelähmt. Sie gab irgendwelche gequälten Laute von sich. Automatisch ging ich einige Schritte zurück und sah noch einmal zu meinem Handy, wo ich bereits die Polizeinummer gewählt hatte. Wenn hier gerade wirklich passierte, was ich annahm, konnten sie mir nicht helfen. Was wenn man mir im Club irgendwas ins Getränk gemischt hatte und ich jetzt Halluzinationen hatte? In diesem Fall könnten sie mir helfen. Doch meine Entscheidung wurde mir automatisch abgenommen, als lange Krallen mein Handy an sich rissen und es Meterweit wegschleuderten. Entsetzt sah ich vor mich. Die Frau von vorhin sah nun aus wie dieser Mutant vor Blakes Polizei. Hatte sie sich dort etwa infiziert? Eins stand fest: für solche Fragen hatte ich keine Zeit. Adrenalin schoss in mir hoch und entschloss mich dazu einfach nur schnell durch diese verdammte Gasse zu rennen. Auf der Hauptstraße hätte man mir bestimmt helfen können. Ich schluckte noch einmal und rannte dann einfach los. Zugegeben war dies wirklich nicht einfach, wenn man bedenkt, dass sich bei mir immer noch alles drehte. Kurz bevor ich in der Gasse war wurde ich an den Beinen gepackt und wieder zurückgeworfen. Ich schrie laut auf als ich gegen eine Reihe von Mülltonnen knallte. So schnell wie sie oder eher DAS vor mir stand konnte ich nicht reagieren. Erneut wurde ich durch die Luft gewirbelt.
Jedes Mal, wenn ich wieder aufstehen wollte, packte sie mich und warf mich durch die Gegend. Es schien ihr Spaß zu machen dabei meine Kleidung zu zerfetzen, geschweige denn was mit meinem Körper passierte. Dieser Schmerz war eindeutig real. Das passierte wirklich. Und niemand war hier um mir zu helfen. Die Panik stand mir ins Gesicht geschrieben. Tränen liefen meine Wangen runter. Was sollte ich tun? Wie sollte ich gegen etwas kämpfen, was beinahe doppelt so groß war wie ich und übermenschliche Kräfte besaß? Meine Chancen für einen Sieg fielen von unwahrscheinlich zu unmöglich. Heulend kroch ich in Richtung der Gasse. Obwohl bereits die Straßenlaternen aus waren, kam durch einen kleinen Spalt Licht der Hauptstraße durch. Es sah aus wie die Erlösung oder der letzte Hoffnungsschimmer. Diese mutierte Frau stand da und schien es zu genießen, wie ich meine letzten Bewegungen machte. Immer wieder streckte ich meine Hände nach dem Licht aus. Als ich beinah die Gasse erreicht hatte. Wurde ich wieder am Bein gepackt. Mit fletschenden Zähnen zog sie mich langsam näher an sich. Dieser Mutant war anders als der vor ein paar Tagen. Sie machte auf mich den Eindruck als wüsste sie was sie macht und sie genoss jede einzelne Sekunde. Halb über mich gebeugt tropfte ihr Speichel auf mein Gesicht. Das war er. Mein Geduldsfaden. Panisch schrie ich so laut ich konnte um Hilfe. Anscheinend hatte ich sie damit verärgert, denn keine Sekunde nach meinem Hilfeschrei bohrte sie ihre Krallen in meinen Bauch. Schmerzerfüllt schrie ich auf. Dieser Mutant heulte wie ein Wolf mit. Ihr ganzer Arm war voll mit meinem Blut, welchen sie sofort anfing ab zu lecken. Meine Sicht wurde immer trüber und dunkler. Gerade als sie wieder zu stechen wollte, wurde ihr Arm festgehalten. Nun war sie es die quer über diesen Hinterhof flog und gegen einen Baum knallte. Wütend richtete sie sich auf und sprang über eine Mauer weg. Erleichtert musterte ich die seltsame Person, die mir so eben das Leben gerettet hatte. Ich konnte sie oder ihn nur von hinten sehen. Ein langer schwarzer Mantel bedeckte den Körper und machte es fast unmöglich das Geschlecht zu definierten. Nur lange weiße Haare waren zu sehen. Mein gesamtes Bild wurde umrahmt von tiefster Schwärze. Langsam richtete ich mich auf. Schwindel und Übelkeit kamen hoch. Überall war Blut. Mein Blut. Zitternd sah ich an mir herab und erkannte nun das Ausmaß. Mein ganzer Bauch war aufgeschlitzt. Leider konnte ich nicht erkennen, wie schlimm die Verletzungen wirklich waren. Alles wurde verschwommener und dunkler, bis plötzlich alles ganz schwarz war.
Ein Schmerz, wie ich ihn noch nie erlebt hatte, durchströmte meinen gesamten Körper. Ich wollte mich bewegen, doch mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Noch nicht mal die Augen konnte ich öffnen. Alles fühlte sich wie gelähmt an. Ich zuckte auf, sofern dies mir überhaupt möglich war, als ich Schritte vernahm. „Mehrere Knochenbrüche und offene Wunden am Bauch“ sagte ein Mann mit tiefer brüchiger Stimme und die Schritte kamen näher. Plötzlich spürte ich an meinen Hand- und Fußgelenken etwas Kaltes. Vermutlich Metall. Endlich schaffte ich es meine Augen zu öffnen. Grelles Licht kam mir sofort entgegen. Geblendet vom Licht kniff ich wieder die Augen zusammen. „Miss Milani?“ kam es wieder von der mysteriösen Männerstimme. Trotz zusammengekniffenen Augen konnte ich erkennen, dass sich ein Schatten über mich legte. Zögerlich öffnete ich sie wieder und sah einen Mann in weißem Kittel. Ich musste wohl von diesem Typ ins Krankenhaus gebracht worden sein. Verwundert musterte ich den Mann. Er hielt ein Klemmbrett in seiner linken Hand und musterte mich ebenfalls. Nun wanderte mein Blick durch den gesamten Raum. Zu meiner rechten Seite erstreckte sich eine Computer Reihe. Eine Frau und ein weiterer Mann saßen dort und schienen sich irgendetwas anzuschauen. Ansonsten gab es nichts Aufregendes zu sehen. Dann wanderte mein Blick zu meiner linken Seite und ich erstarrte. „Sie schon wieder“ seufzte ich und versuchte mich auf zu richten. Doch dann bemerkte ich, dass das kalte an meinen Hand- und Fußgelenken Fesseln waren. So gut wie es ging sah ich an mir herab. „Wieso bin ich gefesselt?“ fragte ich wütend und sah wieder zu meiner linken Seite. „Nur zu Ihrer eigenen Sicherheit“ sagte Dario Blake. Mit seiner Hand wies er die anderen daraufhin den Raum zu verlassen. Keine Minute später waren sie verschwunden. „Konnten sie sich nicht einfach ein verdammtest Taxi nehmen oder mit ihrer Freundin mitgehen?“ fragte er und lehnte sich an der Wand an. Was war sein Problem? Verwundert sah ich ihn an. „Wieso?“. Meine Gegenfrage schien ihn zu überraschen. „Ganz einfach, weil Sie Dinge gesehen und erfahren haben, die Sie nichts angehen und ich habe keine Lust morgen in Ihrer blöden Zeitschrift davon zu lesen“ Zorn erklang in seiner Stimme. Der sonst so ruhige Dario Blake würde also keine Mittel scheuen um zu verhindern, dass ich tratsche. War ich deshalb gefesselt? Kurz bevor ich mich rechtfertigen wollte, kam dieser Arzt wieder rein. In seiner Hand hielt er eine Spritze mit dunkel roter Flüssigkeit. Es sah beinahe aus wie Blut. Er krempelte meine Jacke am rechten Arm hoch, tastete an einigen Stellen mit dem Zeigefinger, eher er die Nadel in meinen Arm stach. Panisch riss ich die Augen auf und versuchte mich los zu reisen. Keine Chance. Ich wusste nicht, was er mir da verabreichte, doch es brannte noch schlimmer als die Schmerzen die ich sowieso erdulden musste. „Deshalb sind Sie gefesselt“ kam es grinsend von Blake. Wie konnte er bei so etwas grinsen?! Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich schrie auf. Vielleicht würde es ja irgendjemand hören. Wie ich es mir aber bereits gedachte hatte, kam niemand mir zu Hilfe. Nachdem was Blake vorhin gesagt hatte, würde ich ihm durchaus zutrauen mich still und heimlich in einem Krankenhaus zu entsorgen. Die Mittel für so eine Aktion hatte er bestimmt. Nachdem der letzte Tropfen aus der Spritze in meinem Körper war, entfernte sich der Mann wieder von mir. Ich atmete tief durch als die Schmerzen endlich besser wurden. Die Frau, die eben noch an dem Computer saß, kam nun zu mir und erlöste mich von den Metallfesseln. Zu meinem Bedauern konnte ich mich nach wie vor nicht richtig Bewegen. „Na dann bringen wir Sie doch mal hier weg“ kam es wieder von Blake. Angst durchfuhr mich. Was hatte er nur vor? Er trat vor, streckte die Arme aus und nahm ich langsam und vorsichtig hoch. Wie ein kleines Mädchen lag ich in seinen Armen. Als er dann jedoch los ging kam der Schmerz wieder. Mein innerer Schweinehund sagte mir immer wieder: lass dir den Schmerz nicht anmerken, du bist in der Löwenhöhle! Also ließ ich es über mich ergehen. Zugegeben einfacher gesagt als getan.
Nachdem wir aus dem Raum rausgingen, liefen wir einen schmalen, nicht gut beleuchteten, Flur entlang. Skeptisch sah ich mich um. „Das sieht nicht nach dem Krankenhaus aus“ stellte ich nach einigen Minuten fest. „Stimmt“ kam es von Blake und er grinste zu mir runter. Mein Herz pochte schneller. Die Angst, die ich bereits eben schon zu spüren bekam, wurde nun unerträglich. „Lass mich sofort runter!“ schrie ich und versuchte meinen Körper zu bewegen. „Glauben Sie mir, ich spiele schon mit dem Gedanken Sie einfach fallen zu lassen, aber ich bin doch ein Gentleman“. Sein spöttisches Grinsen konnte er sich sonst wo hinschieben. Er log. Ein kleiner Hoffnungsschimmer kam in mir hoch als ich eine Frau neben einer Tür stehen sah. Doch wie sie dann Blake ansah. Diese Art. Sie himmelte ihn an. Sie war vermutlich die letzte, die mir helfen würde. Als wir ihr näherkamen, öffnete sie die Tür und Blake ging mit mir durch. Der Raum sah aus wie ein ganz normales Zimmer in einem ganz normalen Krankenhaus. Außer mit der Tatsache, dass es hier kein einziges Fenster gab. Behutsam legte Blake mich auf dem Bett ab. Zu meiner Überraschung war es sehr bequem. „Sobald es Ihnen wieder bessergeht, dürfen Sie gehen“ versicherte mir Blake und setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett. „Verstehen Sie mich nicht falsch, aber warum sind Sie noch hier?“ misstrauisch sah ich ihn an. Auf einmal lachte er. „Selbst im halb toten Zustand können Sie nicht aufhören oder? Ich bin nur hier um sicher zu gehen, dass Sie nicht verschwinden“. „Ich würde bestimmt schneller genesen, wenn Sie aus meinem Sichtfeld verschwinden“ nun klang ich wie ein pubertierendes zickendes Mädchen. Aber was sollte ich tun? Ich merkte wie die Müdigkeit immer schlimmer wurde. Vermutlich war ein Narkose Mittel mit in dieser Flüssigkeit. Es klopfte an der Tür und die Frau von eben kam wieder rein. Vor sich rollte sie ein kleines Tischlein herein. „Ich habe Essen und frische Kleidung für die Patienten“ sagte sie und verschwand wieder. Automatisch ging meine Augenbraue hoch. „Wie soll ich was essen, geschweige denn mich umziehen, wenn ich mich nicht mal bewegen kann“ sagte ich wütend und musterte diesen Tisch auf Rädern. Je länger ich ihn ansah, desto wütender wurde ich darüber. Blake räusperte sich. Wütend sah ich zu ihm und bemerkte sein Grinsen. „Nein. Einfach nur nein“ sagte ich schnell und versuchte mich ohne Hilfe auf zu richten. Seltsamerweise schaffte ich es nun. Anscheinend war meine Wut ein guter Antrieb. Blake verdrehte nun die Augen. „Okay jetzt hören Sie mir zu. Sie sind heute Nacht mit ach und Krach mit dem Leben davongekommen!“ fing er an wütend zu sagen und stand auf. „Als ich Sie da am Boden liegen sehen sah, habe ich ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass Sie das überhaupt überleben. Ich werde Ihnen jetzt helfen. Ob Sie wollen oder nicht“. Das war mal eine Ansage. Er ging einen Schritt in meine Richtung und stand direkt vor mir. Vorsichtig streifte er meine Jacke über meine Arme bis er sie ausgezogen hatte. Meine Arme waren übersät von blauen Flecken. Ich wollte mir gar nicht vorstellen wie der Rest von meinem Körper aussah. „Kann sein das es ein wenig weh tun wird“ hauchte mir Blake entgegen und keine Sekunde später hatte er mich wieder von Bett gehoben und vor sich gestellt. Meine Beine zitterten. Aus Reflex krallte ich mich an Blakes Armen fest. „Wenn ich wegen Ihnen umfalle, werde ich Sie verklagen“ sagte ich sarkastisch und konnte mir nun ein Grinsen nicht mehr verkneifen. „Probieren Sie es, ich werde mich freuen“. Verdammt sein Grinsen sah göttlich aus. Dieses Mal schien er es ernst zu mein. Seufzend blickte er nun auf mein Kleid. „Ich werde es Ihnen ersetzen“ sagte er eher die Träger an den Armen herab streifte und das Kleid zu Boden fiel. Ich wusste nicht was mich mehr schockte. Die Tatsache, dass ich halb nackt vor Dario Blake stand oder das ein ein riesiger Verband quer über meinen Bauch ging. Tatsächlich war auch der Rest meines Körpers mit Flecken und Kratzern übersät. Nun war ich Diejenige die vor sich hin seufzte. Während Blake ein weißes Nachthemd von dem Tischlein holte, setzte ich mich wieder aufs Bett. Ohne ihn als Stütze konnte ich mich nicht länger aufrecht halten. Nachdem er mir das Nachthemd angezogen hatte, holte er das Tablett mit Essen. Er setzte sich neben mich aufs Bett und hielt mir ein Glas Wasser entgegen. Zitternd nahm ich es an und trank es sofort aus. Ich hatte gar nicht bemerkt, was für einen Durst ich eigentlich hatte.
Als ich dann auch was gegessen hatte schlief ich sofort ein.
Ich wusste nicht wie spät es war oder wie lange ich geschlafen hatte, doch Blake saß noch immer auf dem Stuhl. Langsam richtete ich mich wieder auf. Seine Augen waren geschlossen. Er sah wirklich fertig aus. Vorsichtig bewegte ich meine Arme und Beine. Man konnte es Glück im Unglück nennen, denn ich konnte sie einwandfrei bewegen. Auch die Schmerzen waren beinah komplett verschwunden. Keine Ahnung was man mir da gespritzt hatte, doch es schien seinen Zweck erfüllt zu haben. Es war so verlockend jetzt einfach zu verschwinden. Aber ich wusste ja noch nicht mal wo sich der Ausgang befand. Also entschied ich mich dafür hier zu bleiben. Ich nahm das Kissen und lehnte es senkrecht an der Wand an bevor ich mich ebenfalls anlehnte. Mein Blick fiel wieder auf Blake. Während er schlief sah er so friedlich aus. Ob er gerade von irgendetwas träumte? Vermutlich von seiner anstehenden Bürgermeister Wahl. Grinsend stellte ich mir seine Niederlage vor. Während ich immer mehr in meinen Gedanken versunken war, merkte ich gar nicht, dass Blake wieder wach wurde. Verwundert musterte er mich. „Sie sind ja noch da“ neckte er mich und schenkte mir wieder ein Grinsen. Ich lächelte leicht und sah ihn dann wieder an. Obwohl ich mich doch relativ ausgeschlafen fühlte, war ich erschöpft. Erneut schloss ich die Augen. Wie aus dem nichts wurde mir plötzlich extrem schlecht. Eigentlich hatte ich gehofft, dass das nun vorbei wäre. Panisch riss ich die Augen wieder auf und sah mich sofort um. Wieso stand hier nirgends ein Eimer? Ich sprang im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Bett und war im Begriff aus dem Raum zu rennen. Und dann passierte es. Es kam hoch. Doch es war kein Erbrochenes was da aus meinem Mund rauskam, sondern Blut. Fragend sah ich zu Blake, der mittlerweile von seinem Stuhl aufgesprungen war und neben mir kniete. Er sah genauso ratlos aus wie ich. „Warte hier ich hole Hilfe“ sagte er und verschwand keine Sekunde später aus der Tür. Zum ersten Mal hatte er mich in einer Unterhaltung nicht mit Sie angesprochen. Es klang auf einmal viel persönlicher. Kurze Zeit später kam er mit dem Mann wieder, der mir dieses komische Zeug gespritzt hat. Beide unterhielten sich in einer Sprache die ich nicht verstand. Nach genauerem Zuhören konnte ich aber erkennen, dass sie auf französisch sprachen. Zumindest klang es danach. Vielleicht hätte ich in der Schule mehr als nur eine Fremdsprache belegen sollen. Mittendrin wechselten sie die Sprache wieder auf Deutsch. „Glauben Sie ihr Körper stößt es ab?“ fragte nun Blake und sah zu mir runter. „Ich kann es mir auch nicht erklären. Gewirkt hat es ja. Die Verletzungen sind geheilt“ sagte nun dieser 'Arzt' und musterte mich ebenfalls. Was meinte er mit 'Verletzungen sind geheilt'? Das war doch unmöglich. Dann sah ich an mir herab und bemerkte, dass ich keinen einzigen blauen Fleck mehr hatte. Auch die Kratzer waren nicht mehr zu sehen. Verwundert sah ich meine Arme an. Selbst die Narben von meinem ersten Mutanten Angriff waren verschwunden. Blitzschnell schob ich das Nachthemd hoch und riss mir den Verband vom Leib. Mir stockte der Atem. Ich war mir sicher meinen Bauch komplett aufgerissen letzte Nacht gesehen zu haben. Doch nun war davon nichts mehr zu sehen. Noch nicht mal eine Narbe war zurückgeblieben. Verdammt wie war das möglich? „Das sieht aus als würden gleich eine Menge Fragen kommen“ stellte der Arzt fest und verschwand einfach. Kein Wort konnte nun beschreiben, wie verarscht ich mich fühlte. Als die Tür zufiel wanderte mein Blick wieder zu Blake. Geistesabwesend sah er mich an. Gerade als ich mich fragte was mit ihm los war, erkannte ich tatsächlich eine röte in seinem Gesicht. Schnell zog ich mir das Nachthemd wieder so weit runter, dass es alles Wichtige bedeckte. „Sie können aufhören mich so anzustarren, Blake“ sagte ich verlegen und lief rot an. Er sah kurz zur Seite und ging dann wieder zum Stuhl, wo er Platz nahm. Die Neugier, die danach schrie gestillt zu werden, wurde immer schlimmer. Ich wollte, nein, ich musste wissen, was hier los war! Wütend richtete mich auf stellte mich direkt vor Blake. Sein fragender Blick musterte mich. „Ich will Antworten!“ schrie ich und ballte die Hände zu Fäusten. „Nein“ sagte er gelassen und lehnte sich zurück. „Verdammt Blake!“. Wütend packte ich ihm am Kragen seines blöden Designer Hemdes und zog ihn zu mir. Sein jetziger Blick war Gold wert. Seufzend sah er mich an. Die Erschöpfung stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Wenn Sie es unbedingt auf die Tour wollen, meinetwegen“ murmelte er und keine Sekunde später hatte er sich aus meinem Griff befreit und nun war ich es wieder, die in seinem Griff festhing. Sein eben noch so müder Blick wurde finsterer und bedrohlicher. Ohne das ich realisierte, was passierte, hatte er mich bereits unter sich ans Bett gepresst. Aus diesem Griff, aus dieser Situation, kam ich nicht mehr heraus. Und ich war dazu noch selbst schuld. Immerhin hatte ich ihn ja zuerst bedroht. „Und was jetzt?“ zischte ich wütend und sah ihm tief in die Augen. „Sie machen mich wahnsinnig“ sagte er und klang wieder erschöpfter. Skeptisch sah ich ihn an. Er war wirklich erschöpft, denn bevor er wieder zum Reden ansetzen konnte, brach er über mir zusammen. Sein Kopf landete direkt neben meinem, während sein Körper mich beinah zerquetschte. „Hey Blake wach auf“ sagte ich immer wieder und versuchte unter ihm raus zu kommen. Vergeblich. Seufzend schloss ich die Augen. Ich verstand die Welt nicht mehr. Wieso brach er denn auf einmal zusammen? Er sah eben doch nur müde aus. „Männer“ murmelte ich und versuchte weiter ihn wach zu rütteln. „Daaariiiooo“ hauchte ich dann und biss ihn so fest ich konnte ins Ohr. Er zuckte auf und sah mich verwirrt an. Keine Sekunde später hielt er sich an sein Ohr. „Was zum?“ fragend sah er zu mir runter. Ich merkte wie meine Mundwinkel zuckten. Was derart Lustiges hatte ich ja lange nicht mehr erlebt. Nachdem sein Blick noch verwirrter aussah, konnte ich mir ein Lachen nicht mehr verkneifen.
Was dann jedoch geschah, toppte alles. Mein Lachen wurde im Keim erstickt als sich Blakes Lippen auf meine pressten. Meine Augen weiteten sich. Wieso küsste er mich? Das ergab wirklich keinen Sinn. Der Kuss dauerte zum Glück nicht lange. Sofort sprang er von mir auf und entfernte sich einige Schritte vom Bett. „Okay?“ sagte ich fragend und musterte ihn. Er wirkte so seltsam. Irgendwas stimmte doch nicht. Seine Augen hatten einen gläsernen Schimmer. Sein Gesicht wirkte so blass. „Blake?“. Ich wollte gerade wieder aufstehen und zu ihm gehen, doch erneut hatte er mich unter sich gepresst. „Blake?“ fragte ich erneut nach. „Es tut mir leid“ sagte er nur, eher seine linke Hand in meinen Haaren vergrub und meinen Kopf zur Seite neigte. Verwirrt betrachtete ich ihn von der Seite. Plötzlich sahen seine Augen rot aus. Ich blinzelte mehrmals. „Deine Augen…“ murmelte ich erschrocken als ich feststellte, dass das keine Einbildung war. Er neigte seinen Kopf leicht und sah mich direkt an. Tatsächlich waren seine Augen rot. „Oh Scheiße du bist auch ein Mutant“ schrie ich und wollte mich gerade wieder von ihm los reisen. Doch sein Griff wurde fester und keine Sekunde später spürte ich ein Stechen im Hals. „Das ist unmöglich“ sagte ich immer wieder zu mir selbst, während Blake an meinem Hals hing. Zum Glück entfernte er sich relativ schnell wieder von mir. An seinem Mundwinkel lief Blut herab. „Also jetzt habe ich mir Antworten verdient“ stotterte ich aus mir raus und rutschte ohne es zu bemerken so weit weg von ihm wie nur möglich. Nun hatte er es doch noch geschafft, dass ich wirklich Angst vor ihm hatte. Je mehr ich auf dem Bett hin und her rutschte, desto nervöser wurde ich. Und als ich gegen die Wand stieß hatte ich das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken. „Was sind Sie?“ fragte ich nach und schaute, ob ich irgendeinen spitzen Gegenstand entdecken konnte. „Nachdem Sie mich eben schon die ganze Zeit geduzt haben, können wir gerne beim Du bleiben“ sagte er und wischte sich das Blut weg. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich ihn so persönlich angesprochen hatte. Dario Blake setzte sich an die äußerste Ecke vom Bett und musterte mich. Ihm war vermutlich längst aufgefallen, dass ich panische Angst hatte. „Eva, Sie... du kannst dich jetzt erst mal beruhigen“ sagte er mit ruhiger Stimme, doch ich konnte es nicht. Er hatte mein Blut getrunken, wie diese ganzen komischen Typen aus den Vampirfilmen. Ach du heilige. „Ich mach dir einen Vorschlag. Du ziehst dich um und wir gehen hoch in mein Büro. Da erkläre ich es dir“. Er stand auf, ging zu dem Tisch, wo noch ein Stapel Klamotten lag und warf sie mir entgegen. „Ich warte vor der Tür“ sagte er und verschwand. Ich konnte es einfach noch nicht glauben. Er war so was wie diese Mutanten! Zögerlich zog ich mein Nachthemd aus und die Jogginghose plus Pullover an dessen Stelle an. Glücklicherweise standen in diesem Tisch-Wagen-Ding auch Sportschuhe in meiner Größe. Nachdem ich die Schuhe anhatte, ging ich aus dem Raum raus. Blake hatte sich in der zwischen Zeit wieder an der Wand angelehnt und die Augen geschlossen. Er sah nun nicht mehr so erschöpft und blass aus wie zuvor. Er öffnete wieder die Augen und sah zu mir runter. „Komm mit“ sagte er und lief vor mir her. Minutenlang liefen wir durch diesen Flur. Nachdem wir auch an dem Raum vorbei waren, wo ich zum ersten Mal wach wurde, sah ich Gitter an den Wänden. Meine Augen weiteten sich. Ich blieb stehen. Es war wie Blake es bereits bei der Presseversammlung gesagt hatte. Ein Keller mit Verliesen. Ein Fletschen kam aus dem Verlies und einer dieser Mutanten sprang an die Gitter. Vor Schreck schrie ich auf. Plötzlich zog mich Blake hinter sich her. „Du solltest hier nicht stehen bleiben“ sagte er mit einem strengen Unterton. Während er mich am Arm hinter sich her zog sah ich noch einmal zurück. In was war ich hier nur herein geraten? Ja ich wollte unbedingt Antworten. Aber ich wollte ganz bestimmt nicht Teil des Ganzen werden. Vor einer Treppe blieb er noch mal stehen. Er ließ mich los und ging weiter. Verwirrt lief ich ihm nach.
Oben angekommen wirkte alles wieder so normal. Jeder machte seinen Job, bis sie mich sahen. Fragende Blicke musterten mich. Sie schienen überrascht zu sein, dass Blake mich hierherbrachte. „Wissen alle hier Bescheid?“ fragte ich nach und er sagte nur leise ja. Deshalb konnte nicht jeder der Spezial-Polizei beitreten. Vor seinem Büro angekommen, öffnete er die riesige, viel zu schwere, Tür und trat zur Seite. „Geh vor“. Ich tat was man mir befahl und ging vor ihm rein. Er folgte mir und schloss die Tür hinter sich. Zusammen gingen wir zu seiner Sitzecke und nahmen Platz. Jetzt wo ich so kurz davor war meine Antworten zu bekommen, bekam ich erneut Angst. Was würde wohl auf mich zu kommen? Dario räusperte sich. Jetzt benutzte ich schon seinen Vornamen in meinen Gedanken. Wie tief konnte ich denn noch sinken? „Bevor ich dir irgendwas erzählte, musst du schwören, es für dich zu behalten. Das Wissen ist zu gefährlich um es mit allen Menschen zu teilen“ sagte er und lehnte sich etwas nach vorne, wobei er mir wieder tief in die Augen sah. Ich war außer Stande zu sprechen. Also nickte ich nur für ein ja.
„Diese Mutanten, wie du sie nennst, sind eigentlich keine. Tatsächlich handelt es sich hierbei um Werwölfe, wie man sie aus einigen Filmen kennt“ sagte er und ich musste mir einige dämliche Kommentare verkneifen. Er nahm mich doch jetzt auf den Arm. „Der Werwolf den du zuerst gesehen hast, der dich nur an den Armen verletzt hatte, war mal ein Mensch, der von einem reinen Werwolf gebissen wurde. Manche behalten ihren Verstand und die Menschlichkeit nach der Verwandlung, aber die meisten verlieren sie für immer“ sagte er und holte Luft. Ich musste wieder an die Frau denken und plötzlich machte es Klick. „Die Frau von letzter Nacht“ sagte ich zu mir selbst. „Ja sie ist ein reiner Werwolf. Sie wandelt oder tötet jeden den sie nachts erwischt. Wir jagen sie schon seit längerer Zeit. Sie war es auch, die hier eingebrochen war und den Werwolf frei gelassen hat“ sprach Blake und schloss die Augen. Obwohl es mir wirklich schwer fiel ihm zu glauben, ergab einiges nun Sinn. „Und was genau bist du?“ fragte ich nach. Blake grinste und öffnete wieder die Augen. „Wieso stellst du eigentlich Fragen, wo du die Antworten bereits kennst?“ fragte er und stand auf. „Gut dann frag ich eben was, was ich nicht weiß. Wie groß zur Hölle bist du eigentlich?!“ sagte ich und stand ebenfalls auf. Neben ihm sah ich echt wie ein Liliputaner aus. Blake fing laut an zu lachen. „Vielleicht zwei Meter oder so was“ er zuckte mit den Achseln. Ach du scheiße. Er war fast einen halben Meter größer als ich. „Und du bist wirklich ein“ ich konnte es nicht weiter aussprechen. „Vampir? Ja“ ergänzte er und beugte sich zu mir runter. „Na klasse, ein Vampir will unser Bürgermeister werden und Werwölfe streifen nachts durch die Stadt. Was kommt als nächstes?“ sagte ich und sah zu ihm hoch, was durch seine Beugung zum Glück nicht ganz so schwierig war. Blake musterte mich wieder so komisch. „Als nächstes will ich heraus finden wieso du mein Blut ausgespuckt hast“ sagte er als wäre es das normalste auf der Welt. Mit offenem Mund starrte ich ihn an. Und dann erinnerte ich mich wieder an die Spritze mit der roten Flüssig- „OH MEIN GOTT“ schrie ich. Ich konnte noch nicht mal in meinen Gedanken den Satz fertig aussprechen. Panisch lief ich auf und ab. „Das ist alles nur ein Traum“ sagte ich dabei immer wieder zu mir selbst. „Sag Bescheid, wenn du dich wieder beruhigt hast“. Oh großer Gott.
Ein ebenso hochgewachsener Mann wie Blake kam plötzlich rein. „Was ist denn hier los?“ erkundigte er sich und sein Blick ging mit mir mit. „Cerberus wieso ist hier ein Mensch?“ fragte der Mann wütend und kam auf mich zu. Auf einmal packte er mich am Arm und zwang mich zum Stehen bleiben. Seine Augen leuchteten rot auf. „Immer, wenn du hier bist, machst du Probleme“ sagte seufzend Blake und kam auf uns zu. Automatisch ließ der Mann mich los. „Deinen Sinn für Humor hätte ich gerne“ zischte der Mann wütend und packte Blake am Hals. Geschockt sah ich die beiden an. „Wie kannst du es wagen einem Menschen von uns zu erzählen?! Sie muss verschwinden!“. Schnell wisch ich einige Schritte zurück. Mir war bewusst, dass Verschwinden in diesem Fall sterben hieß. Ich sah mich kurz im Raum um ehe mein Blick auf die offene Tür fiel. „War nett mit Ihnen geplaudert zu haben“ rief ich dann in die Runde und rannte um mein Leben. So schnell wie ich in diesem Moment lief, war ich noch nie. Blitzschnell huschte ich an den Polizisten vorbei, schnurstracks zum Ausgang und dann in die Freiheit. Selbst als ich draußen war, verlangsamte ich mein Tempo nicht. Keuchend rannte ich in Richtung meiner Wohnung. Bei diesem Tempo würde es hoffentlich nicht so lange dauern, bis ich sie erreichte und tatsächlich war ich nach nur kurzer Zeit da. Was ich nicht bedacht hatte war mein Schlüssel. Fluchend stand ich vor der Haustür. Wie konnte ich meinen Schlüssel nur vergessen? „Ach machen Sie neuerdings Sport?“ kam es von einem meiner Nachbarn. Nach ein paar Sekunden realisierte ich dann was er von mir wollte. „Ja“ sagte ich keuchend und holte Luft. „Dummerweise habe ich mein Handy und Schlüssel in der Wohnung liegen lassen“ sagte ich verlegen. „Warte ich schließe Ihnen schon mal die Haustür auf, der Vermieter kann Ihnen bestimmt die Wohnung auf machen“ sagte er lächelnd und schloss die Tür auf. Drinnen klopfte ich dann an der Wohnung des Vermieters. Zu meinem Glück war er da und schloss mir die Wohnung auf. Überglücklich ließ ich mich auf den Boden fallen. Ich war in Sicherheit.
Frisch geduscht zog ich mir eine kurze bequeme Hose mit passendem Top an und lief zur Küche. Zwar hatte ich keinen besonders großen Appetit, aber mein leerer Magen würde mich noch umbringen, wenn ich jetzt nichts aß. Ich schnappte mir eine Scheibe Brot, beschmierte sie mit Marmelade und ging wieder ins Wohnzimmer, wo ich mich auf dem Sofa niederließ und den Fernseher einschaltete. Wie immer kam nichts Interessantes. Lag vermutlich daran, dass mich die ganzen Programme nicht interessierten. Plötzlich klingelte es. Ich sah schnell zur Uhr und bemerkte, dass es schon mitten in der Nacht war. Zögerlich ging ich zur Freisprechanlage. Wie ich es mir gedacht hatte, war es Dario Blake. Zwar hatte ich keine Ahnung woher meine Adresse hatte, aber das spielte jetzt auch keine Rolle. Ich drückte auf einen der Knöpfe, der dafür sorgte, dass sich die Haustür öffnete. Im Anschluss öffnete ich noch meine Wohnungstür und beobachtete wie Blake die Treppen hochging. In seiner Hand hielt er meinen Schlüssel. Als er die Wohnungstür erreichte, ging ich zur Seite und ließ ihn rein. „Wieso klingelst du, wenn du meinen Schlüssel hast?“ fragte ich nachdem ich mich wieder auf mein Sofa gesetzt hatte. „Wäre doch unhöflich einfach rein zu platzen“ sagte er und setzte sich ebenfalls. Er hatte mehrere Kratzer am Hals und auch seine Klamotten sahen sehr zu Bemitleiden aus. „Was ist passiert?“. Er schüttelte nur den Kopf. „Ist nicht so wichtig. Jedenfalls hab ich auch dein Handy. Du hast echt Glück, dass nur die Hülle Kratzer abbekommen hat“ sagte er und gab mir mein Smartphone. Erleichtert atmete ich auf. Ich hatte wirklich keine Lust mir schon wieder ein Neues zu kaufen. „Danke“ sagte ich und nahm wieder mein Brot in die Hand. Es nervte mich, wie Blake mich grinsend beobachtete, während ich aufaß. Nachdem wir uns noch kurz unterhielten, verschwand er auch wieder. Immerhin musste ich ins Bett. An solchen Tagen hasste ich es arbeiten zu müssen. Als ich endlich im Bett lag, kamen die letzten zwei Tage wieder hoch. Ich zuckte auf als sich das Bild der Frau in meinem Kopf einbrannte. Wenn die ganzen Fantasy Filme recht hatten, hätte sie mich bestimmt ohne Probleme aufsuchen können. Und dann war da noch dieser Mann, der Blake Cerberus nannte. Wenn beide wirklich Vampire waren, wollte ich nicht wissen, wie alt die beiden wirklich waren. Ob sie auch so schnell waren, wie man es aus Vampirfilmen kannte? Blut schienen sie ja zu trinken. Und dann wären da auch noch die Spezial-Polizisten. Nachdem was ich heute alles erfahren hatte, würde es mich wirklich nicht wundern, wenn sie alle Vampire waren. Erneut breitete sich in mir pure Angst aus. Ständig stellte ich mir vor wie mich diese Werwolf Frau fand oder der Vampir. Beide wollten mich anscheinend tot sehen. Was sollte ich nur machen? „Wäre ich nur nicht aus dem Haus gegangen“ murmelte ich und hielt mir die Arme vor mein Gesicht. Ich war am Arsch. Kurz bevor ich einschlief fiel mir wieder diese weißhaarige Person ein. Wer das wohl war?
Schnaufend lief, eher rannte, ich durch den Wald. Es war bereits abends und ich konnte kaum noch was erkennen. Panisch nahm ich mein Handy in die Hand und wählte Davids Nummer. Nachdem ich zum dritten Mal in anrief, ging er dran. „David“ schrie ich keuchend ins Handy. „Irgend ein Kerl verfolgt mich, ich renn hier gerade durch den Wald“ fügte ich hinzu. „Verdammt ich komme sofort!“ kam es von David. „Bleib am Handy“ sagte er noch, ehe ich ein lautes Geräusch hörte. Wimmerten stimmte ich ihm zu. Während ich dem Ausgang immer näher kam, holte mich mein Verfolger immer schneller ein. Tränen liefen über meine Wangen. Wieso war ich nur so unsportlich?! Dann passierte, was man aus so ziemlich jeden dämlichen Horrorfilm kannte. Vor mir lag ein dickerer Ast, über den ich natürlich stolperte und zu Boden fiel. Ich verkniff mir ein Schmerzensschrei und stand wieder auf. Mein rechtes Knie blutete und mein Fuß schmerzte höllisch. Humpelnd ging ich vom Weg ab und versteckte mich in einem Busch. Noch immer hatte ich mein Handy fest umklammert. „David beeil dich bitte“ sagte ich heulend und zog meine Beine an.
Plötzlich hörte ich wie die Schritte meines Verfolgers näher kamen. Selbst seinen Atem konnte ich nun hören. Er blieb stehen. Er sah zu dem Ast runter. Verdammt neben dem Ast war ein Blutfleck und abdrücke eines Sturzes. Er musste daraus schließen, dass ich nicht weit kam. Wütend sah er sich um. Ich zuckte auf, als sein Blick in meine Richtung fiel. Zum ersten Mal in meinem Leben, betete ich zu Gott. Und dann meine Erlösung. „Hände hoch oder ich schieße“ schrie wütend David. Erleichtert sprang ich aus dem Busch raus und rannte, eher stolperte, in Davids Arme. Während er mich fest umschlang, hatte er noch immer die Waffe auf den Mann gerichtet. Sein blasses Gesicht verriet seine Angst. „Eva da vorne steht mein Auto, geh schon mal rein“ sagte er und ließ mich los. Ich atmete noch einmal erleichtert auf, ehe ich mich auf den Weg machte. Da ich mich nun in Sicherheit wog, beendete ich das Telefonat und steckte mein Handy wieder in die Jackentasche. Als ich aus dem Wald raus war, sah ich den Streifenwagen. Die Fahrertür stand offen und es steckte noch der Schlüssel. Er hatte wirklich keine Sekunde an Zeit verschwendet um zu mir zu kommen. Nachdem ich die Fahrertür geschlossen hatte ging ich auf die andere Seite des Autos. Gerade als ich einsteigen wollte, sah ich einen Mann auf der anderen Straßenseite. Er hatte weiße lange Haare, welche durch den Wind ständig in sein Gesicht wehten und es somit verdeckten. Zwischendurch erkannte ich seine Augen. Überraschenderweise leuchteten sie rot. War er ein Cosplayer? Ein langer schwarzer Mantel bedeckte den Rest des Körpers. Unsere Blicke trafen sich, Ich war wie hypnotisiert. Mein Herz pochte. Automatisch entfernte ich mich vom Auto und ging auf die Straße zu. Mein Gegenüber blieb regungslos stehen. Gerade als ich die Straße überqueren wollte, raste ein LKW an mir vorbei. Als er weg war, war die andere Straßenseite leer. Verwundert sah ich mich um. Wo war er hin? „Eva was machst du da?“ rief plötzlich David. Ich zuckte kurz auf und drehte mich zu ihm um. Der Mann, der mich eben noch verfolgt hatte, war nun in Handschellen. Ängstlich ging ich wieder auf den Wagen zu. David verfrachtete den Mann auf der Rückbank, während ich mich auf den Beifahrersitz setzte. Immer wieder sah ich durch den Rückspiegel nach hinten. Ich musste ihn einfach beobachten. Meine Angst war viel zu groß, dass er sich befreien könnte. Zum Glück war zwischen der Vorder- und Rückbank ein Gitter. Wenigstens etwas, was mich beruhigte. Bevor David mich nachhause fuhr, brachte er den Mann noch auf die Polizeiwache, wo er wohl angeblich in Untersuchungshaft kam. „Alles bei dir in Ordnung?“ fragte er nach, als er wieder im Auto saß. Ich nickte nur und lehnte mich in den Sitz zurück. Es kostete mich alle Mühe, mein Zittern zu unterdrücken. „Eva ich weiß, wenn du lügst“ sagte er besorgt und streifte mit seinen Fingern über meine Hand. Seine Berührung beruhigte mich ungemein. David startete den Wagen und fuhr los. Es dauerte nicht lang, bis wir mein Haus erreicht hatten. Meine Mutter kam sofort raus gerannt, als sie den Streifenwagen entdeckte. „Kind was hast du schon wieder angestellt?“ sprach sie mit ihrem italienischen Akzent und musterte mich. Mittlerweile war auch ihr zu Ohren gekommen, dass ich nicht ganz so artig war, wie ich immer behauptete. „Ausnahmsweise gar nichts“ sagte ich und zwang mich, nicht auszurasten. Wie immer behandelte sie mich wie ein kleines Kind, dabei war ich seit einigen Wochen achtzehn und somit endlich volljährig. Seufzend verabschiedete ich mich von David und ging mit meiner Mutter ins Haus. “Du verbringst wirklich viel Zeit mit diesem Mann“ stellte sie fest und ich zuckte auf. Seit einem Jahr waren David und ich nun zusammen und bis heute hatte ich meiner Familie nichts davon erzählt. „Er bringt mich halt auf den rechten Weg“ sagte ich und schlängelte mich zwischen ihr und meinem Vater vorbei. Mit knurrendem Magen ging ich in die Küche, wo bereits das Abendessen serviert war. Meine älteren Geschwister saßen bereits beide am Tisch. Meine Schwester war immer nur am Wochenende hier. Letzten Sommer hatte sie mit einem Studium angefangen und musste dafür in eins dieser Studentenwohnheime unter der Woche. Das war wohl der Nachteil, wenn man in einer kleinen Stadt wohnte. Mein Bruder dagegen kam nur wenn er Lust hatte zu Besuch. Mit seinen fast dreißig Jahren, war er bereits ein bekannter Geschäftsmann mit eigenem Haus, Frau und Tochter. Für uns hatte er seitdem kaum noch Zeit. „Eva meine Lieblingsschwester“ kam es von Maria und sie schenkte mir ein verschwitztes Lächeln. Sie hatte mich schon mehrmals darauf angesprochen, was zwischen mir und David lief, bisher hatte ich ihr aber noch keine Antwort darauf gegeben. Mein Pech, dass sie einen siebten Instinkt für so was hatte. Lorenzo hingegen würdigte mich kaum einen Blick. In seinen Augen war ich nichts weiter als Abschaum. Nachdem sich meine Einbrüche herumgesprochen hatten, schämte er sich anscheinend für mich. Seufzend setzte ich mich neben meine Schwester. Wenige Minuten später kamen meine Eltern in die Küche. Angeregt unterhielten sie sich auf Italienisch. Kurz darauf sprachen meine Geschwister mit ihnen mit. Nur ich saß da und verstand mal wieder kein Wort. Das einzige was ich aber immer und immer wieder verstand war das italienische Wort für Schande.
Nass geschwitzt wurde ich wieder wach. Das war nun das zweite Mal in so kurzer Zeit, dass ich von meiner Vergangenheit träumte. Doch was mich noch mehr schockte, war der weißhaarige Mann aus meinem Traum. Ich hatte ihn vor vier Jahren mal in meiner Heimatstadt gesehen. Damals dachte ich, dass irgendwo eine Cosplay Veranstaltung stattfand und er nur auf dem Heimweg war. Jetzt jedoch war ich mir fast schon zu sicher, dass er der Mann war, der mich neulich Nacht geredet hatte. Ich musste unbedingt wissen, wer er war. Blake musste ihn bestimmt kennen! Immerhin hatte er auch solche roten Augen. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich noch Zeit hatte, bevor ich mich für die Arbeit hätte fertigmachen müssen. Meine Motivation verschwand. Nach diesem Wochenende brauchte ich ein paar Tage für mich. Ich schluckte. Meinem Chef würde dies bestimmt nicht gefallen, doch ich brauchte Urlaub. Nachdem ich etwas Kaffee getrunken hatte und meine Stimme sich nicht mehr so rau und kratzig anhörte, rief ich auf der Arbeit an und nahm mir eine Woche Urlaub. Überglücklich lief ich durch meine Wohnung. Eine Woche ruhe. Es klang wie Musik in meinen Ohren. Mein Weg endete wieder in meinem Schlafzimmer, wo ich vor meinem Kleiderschrank stehen blieb. Ich griff nach einem schwarzen hautengen Pulli, welcher ein Totenkopf Muster aus Spitze am Rücken hatte und zog einen dunkelroten Rock dazu an. Dazu meine geliebten schwarzen Overknees mit schwarzen Nieten Stiefeletten. „Wie ich diesen Pulli liebe“ murmelte ich und umarmte mich selbst, wobei ich eigentlich nur Interesse hatte, meinen Pulli zu umarmen. Im Bad putzte ich mir die Zähne und machte mir einen Pferdeschwanz. Als ich dann auch noch etwas geschminkt war zog ich meine Brille auf und nahm mir noch eine kleine schwarze Umhängetasche, wo ich Handy und Geldbeutel verstaute, und ging aus der Wohnung zu meinem Auto. Grinsend startete ich den Motor. Eigentlich war ich wirklich nicht der Typ Mensch der gerne Einkaufen ging, doch nachdem ich immer mehr gute Klamotten in den letzten Tagen verloren hatte, brauchte ich zumindest wieder eine neue Lederjacke. Freude kam in mir auf. Kurz nachdem mein Lieblings Laden geöffnet hatte, stand ich auch schon drin. Da es Montagmorgen war und die meisten am Arbeiten waren, war hier so gut wie nichts los. Gemütlich schlenderte ich durch die Gänge und sah mir jede einzelne Jacke genau an. Letztes Ende entschied ich mich für zwei Stück. Eine schlichte, die ich auch auf der Arbeit tragen konnte und eine mit Nieten, die perfekt zu meinen Schuhen passte. Kaum zu glauben, dass ich schon wieder zweihundert Euro los war. Es schmerzte mich Geld aus zu geben, da ich schon von klein auf geizig war, wenn es um Klamotten ging.
Als ich durch die Fußgängerzone lief merkte ich langsam, dass der Sommer nicht mehr lange auf sich warten ließ. Zwar war der Wind noch sehr frisch, doch wenn es gerade mal Windstill war, ging man fast ein. Mein nächster Stopp war in einem Elektronikfachhandel, wo ich mir noch ein neues Spiel für meine Konsole kaufte. Danach hatte ich alles was ich wollte und brauchte. Auf dem Rückweg zu meinem Auto gönnte ich mir noch ein Vanilleeis. „Milani“ zischte es auf einmal hinter mir und ich ließ vor Schreck mein Eis fallen. Als ich mich umdrehte erkannte ich den Mann von gestern aus Blakes Büro. Nervös blickte ich mich um. Er würde mich bestimmt nicht angreifen, wenn hier noch Menschen herumliefen oder? Sein finsterer Blick jedoch sagte was anderes. Er schnippte kurz mit seinen Fingern und plötzlich bewegte sich niemand mehr. Geschockt sah ich ihn an. „Wie haben Sie das gemacht?“ fragte ich und unterdrückte meine Begeisterung. Dieser Vampir konnte tatsächlich die Zeit anhalten. Was Cooleres hatte ich in meinem Leben noch nie gesehen. „Berufsgeheimnis“ zischte er und ich konnte mir nun die Begeisterung nicht mehr verkneifen. „Das ist so mega cool“ quiekte ich und sah zu ihm hoch. Er verdrehte nur noch die Augen. „Können Sie noch irgendwas Cooles? Fliegen? Zeitreisen?“ quiekte ich erneut und hüpfte auf der Stelle. Das Kleinkind in mir schien die Oberhand über mich gewonnen zu haben. „Töten“ brummte er und machte einen Schritt auf mich zu. Der war vielleicht ein Stimmungskiller. Ich umklammerte meine Taschen noch fester und rannte wieder vor ihm weg. Wie aus dem nichts stand er wieder vor mir, schnippte erneut mit den Fingern und ich konnte mich daraufhin nicht mehr bewegen. „Sie wissen schon, dass Vampire schneller sind als Menschen? Hätte Cerberus mich gestern nicht aufgehalten...“. Schon wieder. Er nannte Dario Blake schon wieder Cerberus. Und dann verstand ich es. Blakes Verletzungen waren von diesem Typen da. Mein Herz schlug schneller bei dem Gedanken, dass Blake mich gerettet hatte. „Auch wenn ich Ihre Fähigkeiten wirklich extrem feiere, liegt mir was an meinem Leben“ sagte ich und versuchte mich wieder zu bewegen. „Ihr Glück, dass ich heute nur hier bin um Sie mit zu nehmen“ sagte er grinsend. Wütend sah ich zu ihm rauf. „Und wieso machen Sie mir dann so eine Angst?!“ schrie ich. „Gehört zum Beruf“ kam es von dem Riesen und keine Sekunde später warf er mich über seine Schulter. „Sie hätten sich wirklich keinen Rock anziehen dürfen“ sagte er lachend und ich merkte, wie mein Rock wegrutschte. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Vermutlich lief ich gerade feuerrot an. Und dann lief er. Hätte ich keinen Zopf gehabt, würden meine Haare spätestens jetzt aussehen wie nach einem Hurrikan. Innerhalb von nur wenigen Sekunden standen wir in Blakes Büro. Der mysteriöse Mann ließ mich runter und alles, wirklich alles drehte sich. Mir wurde wieder so schlecht und ich fiel einfach zu Boden und starrte den Teppich vor mir an. Die Taschen von meinen Einkäufen lagen rechts und links neben mir. „Muss ich jetzt sterben?“ fragte ich in die Runde und versuchte mich zusammen zu reisen. Dieser Schwindel war wirklich abartig. „Damien“ hörte ich Blake seufzend sagen, eher er vor mir stand. „Wenn sie sich wegen dir übergibt, machst du das weg“. So hieß also mein Entführer. „Das ist mir echt zu viel“ murmelte ich und versuchte wieder auf zu stehen. Blake reichte mir eine Hand und half mir hoch, während Damien meine Einkäufe aufhob. „Wieso bin ich schon wieder hier? Ich hab doch versprochen nichts zu sagen“. „Wir testen dein Blut“ sagte Blake und führte mich aus seinem Büro raus. Da sich bei mir immer noch alles drehte, hielt er mich am Arm fest. Damien lief uns stumm mit meinen Taschen hinterher. „Ich will auch ein Mädchen für alles“ sagte ich und sah über meine Schulter zu Damien, welcher mich unglaublich wütend ansah. Allein für diesen Blick hatte sich der Spruch gelohnt. „Ich bin ja immer noch für entsorgen“ murmelte er und stampfte wütend auf. Eventuell sollte ich mir diesen Damien nicht zum Feind machen.
Im Keller angekommen, stand vor mir wieder dieser komische Arzt. Erneut befand ich mich in dem Raum, wo ich gestern wach wurde. Man sagte mir ich sollte mich auf einen Stuhl setzten und einen Ärmel hochkrempeln. Keine Sekunde später spürte ich eine Nadel in meinem Arm. Ich zuckte auf und war kurz davor meinen Arm wieder weg zu ziehen. Ich hasste Nadeln. „Gleich geschafft“ sagte der Arzt als er mein Zittern bemerkte und schon war die Nadel draußen. „Ich möchte ja wirklich nicht unhöflich wirken, aber ich würde jetzt gerne meinen Urlaub weiter genießen“ sagte ich und stand schwungvoll auf. Der Schwindel von eben wurde nur noch schlimmer und plötzlich wurde wieder alles Schwarz.
„Eva!“ schrie Blake genervt und rüttelte an mir. Wütend öffnete ich die Augen. „Was?!“ sagte ich genauso genervt wie er und richtete mich auf. Überrascht stellte ich fest, dass ich auf Blakes Sofa in seinem Büro lag. „Deine Brille liegt auf dem Tisch da drüben“ sagte er und zeigte in eine Ecke neben dem Sofa. Die Ecke war mir bisher noch nicht aufgefallen. Sowohl meine Brille als auch meine Taschen lagen dort. Vorsichtig richtete ich mich auf. „Du solltest die nächsten Tage viel trinken, du hast immerhin einiges an Blut verloren“ sagte er und setzte sich in seinen Stuhl. „Es ist ja bereits dunkel“ stellte ich mit Entsetzen fest. Ob diese Frau nun wieder herumlief und nach ihrem nächsten Opfer suchte? Mein ganzer Körper zitterte. Der Gedanke ihr wieder zu begegnen erfüllte mich mit Angst. Plötzlich riss mich der Klingelton meines Handys aus den Gedanken. Schnell stand ich auf und ging zu meiner Tasche, wo ich mein Handy rausholte. Überrascht sah ich auf die Nummer. Meine Mutter? Sie rief mich doch nie auf dem Handy an. Da ich sie normalerweise ignorierte beschloss ich dieses Mal direkt dran zu gehen. „Mama ist alles in Ordnung?“ fragte ich nach. Ihre Stimme hörte sich panisch an. Weinte sie etwa? Minutenlang sprach sie vollkommen durcheinander auf Italienisch. „Maria ist verschwunden“ sagte sie wimmernd und fing an zu weinen. „Seit wann?“ fragte ich nun ebenso aus der Fassung und setzte mich hin. Laut meiner Mutter war sie bereits seit Tagen nicht nach Hause gekommen. Dazu musste man wohl erwähnen, dass sie nach ihrem Bachelor Abschluss wieder zuhause einzog und eine Modelkarriere startete. „Bleibt zuhause“ sagte ich ihr mit strengen Unterton. „Ich bin in knapp zwei Stunden da. Ruf David an, er kann helfen“ sagte ich und legte auf. Ich hing mir meine Tasche um und steckte mein Handy wieder rein. „Blake kannst du mich zur Fußgängerzone fahren, mein Auto steht noch da“ fragte ich und zog noch meine Brille auf, ehe ich in seine Richtung ging. Verwirrt sah er mich an. „Könnte ich machen, aber ich will dich lieber selbst fahren. Wenn du beim Autofahren bewusstlos wirst, ist es vorbei“ sagte er und stand auf. „Das sind zwei Stun-“. „Ich weiß“ unterbrach er mich und ging auf meine Taschen zu, die er dann hochnahm. „Jetzt komm, es schien ernst zu sein“ tadelte er mich und ich folgte ihm. Wir gingen zum Hintereingang des Gebäudes, wo sich ein riesiger Parkplatz erstreckte. Natürlich musste ihm das beste Auto weit und breit gehören. Die Marke sagte mir nichts, aber ich war mir sicher, das Auto war teuer. Er drückte auf den Schlüssel seines Fahrzeuges und die Rücklichter blinkten kurz auf. Direkt im Anschluss öffnete er den Kofferraum, wo er meine Taschen reinlegte. Als ich die Beifahrertür öffnete, kam ich aus dem Staunen nicht mehr raus. Das Auto war ein Traum. Sportsitze aus weißem Leder. Es sah so unglaublich teuer aus. „Danke“ sagte ich als er neben mir Platz nahm und den Wagen startete. „Kein Thema“ sagte er und fuhr los. Ich war überrascht das Blake wusste wo meine Heimatstadt ist. Und noch überraschter war ich, als er mir sagte, dass er dort selbst mal gelebt hatte.
Ich nutzte die Autofahrt um weitere Fragen zu stellen. „Kennst du viele Vampire?“ war meine erste Frage, worauf er nur nickte. „Ich… ich glaube, dass ich mal einen Vampir in meiner Heimatstadt gesehen habe“ sagte ich und sah aus dem Fenster. Mittlerweile befanden wir uns auf der Autobahn. „Wieso glaubst du das?“. „Nun, weil ich ihn am Samstag wiedergesehen habe“. Während ich dies sagte, sah ich zu Blake, der mich für einen Bruchteil einer Sekunde überrascht ansah. „Vor vier Jahren habe ich einen Mann mit langen weißen Haaren gesehen. Damals habe ich mir noch nichts dabei gedacht, aber als ich genau diesen Mann am Samstag wieder gesehen habe… er muss ein Vampir sein, er hat mich gerettet! Ich muss ihm danken“ sagte ich und sah ihn voller Hoffnung an. Ich hoffte so sehr, dass er ihn kannte. „Du solltest ihn vergessen“ waren seine einzigen Worte. Geschockt sah ich ihn an. Es schien als würde Blake ihn kennen. „Blake bitte sag mir was du weißt“. „Eva, ich habe auch einen Vornamen“ sagte er grinsend und sah mich aus dem Augenwinkel an. Ich seufzte. „Dario bitte“. Es schien ihm zu gefallen, wenn ich nachgab. „Es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt um darüber zu reden. Ein anderes Mal, versprochen“. Die restliche Zeit der Fahrt redeten wir nur über das nötigste. Es schien mir als würde er jedem Gespräch, was in die Richtung geht, aus dem Weg gehen.
Nach fast zwei Stunden kamen wir endlich an. Ich zitterte am ganzen Leib. Zum ersten Mal seit zwei Jahren war ich wieder zuhause.
Zögernd öffnete ich die Tür und stieg aus dem Auto aus. Keine Sekunde später öffnete sich die Haustür und meine Mutter kam mir sofort entgegengerannt. Panisch riss sie mich in ihre Arme, sprach wieder auf Italienisch und strich mir über den Kopf. Ich war überrascht, wie sehr sie sich freute mich zu sein. Wenige Augenblicke später kam auch mein Vater und nahm mich leicht in die Arme. Ich sah zu Blake, der noch immer in seinem Auto saß, und deutete mit meiner Hand, dass er zu uns kommen sollte. Er schien nicht sonderlich begeistert von meiner Idee zu sein, stieg aber dennoch aus seinem Wagen aus und kam in unsere Richtung. „Kind ist das dein Freund?“ fragte sofort meine Mutter und musterte Blake. Ich lief rot an und wollte gerade mit nein antworten als mein Bruder lachend ankam. „Mutter, dieser Mann kann und wird nie im Leben der Freund von Eva sein“ sagte er und sah spöttisch zu mir runter. „Das ist Dario Blake. An seiner Stelle sollte er sich lieber mit ebenso erfolgreichen Frauen umgeben, wie er es ist. Eva ist...“ plötzlich stoppte Lorenzo und ging einige Schritte zurück. Ich drehte mich um und bemerkte Blakes wütenden Gesichtsausdruck. „Eva und ich sind gute Freunde“ sprach er mit einem bissigen Unterton und stellte sich nun neben mich. Grinsend sah ich Blake an. „Es tut mir leid“ sagte Lorenzo und ging wieder ins Haus rein. Meine Eltern, gefolgt von Blake und meiner Wenigkeit, gingen nun auch ins Haus. „Kim?“ stellte ich mit überraschen fest, als wir im Wohnzimmer ankamen. Kim war die Frau meines Bruders und im Gegensatz zu ihm ein echter Engel. Freudig nahm sie mich in die Arme. Selbst ihre gemeinsame Tochter Sophia war hier. Sie ähnelte sehr meinem Bruder. Blake setzte sich an die äußerste Ecke vom Sofa und hielt sich aus den Gesprächen raus. „Habt ihr David erreicht?“ fragte ich nun nach und alle wurden still. „Er wird nicht kommen. Er ist bei seiner Frau im Krankenhaus. Sie erwarten einen Sohn“ sagte nun mein Vater und alle sahen mich so bemitleidend an. „Er ist verheiratetet?“ murmelte ich vor mich hin und versuchte mir meine zerstreuten Gefühle nicht anmerken zu lassen. „Eva“ kam es nun von Blake, welcher mich neben sich aufs Sofa zog. „Du solltest nicht zu viel stehen, denk dran, was ich dir gesagt hatte“ sagte er nun sehr leise und musterte mich. Natürlich war ihm bereits aufgefallen, dass ich wieder sehr wackelig unterwegs war. Seufzend lehnte ich mich zurück. „Bist du krank, Liebes?“ fragte Mutter und setzte sich sofort auf die andere freie Seite neben mich. „Nein, mein Kreislauf macht nur seit ein paar Tagen Probleme“ sagte ich und lächelte. „Die Menstruation kann echt fies sein“ stellte Kim fest und ich lief rot an. Zwar war das nicht der Grund für meinen Schwindel, dennoch war es mir unangenehm über so was zu reden, während Blake anwesend war. Blake klopfte mir breit grinsend auf die Schulter. Schön, dass er sich so sehr amüsieren konnte. „Zurück zum eigentlichem Thema. Wo habt ihr Maria das letzte Mal gesehen?“ fragte ich nach und sah in die Runde. „Zuletzt war sie abends im Park für ein paar Aufnahmen“ sagte dann Kim. Wenigstens einer hier, der mir Antworten geben konnte. Lag vielleicht auch daran, dass sie und Maria beste Freundinnen waren. Wenn ich mich zurückerinnerte, konnte ich mich nicht mal daran erinnern, dass Kim mal nicht bei meiner Schwester war. Sie gehörte schon zur Familie, bevor sie meinen Bruder geheiratet hatte. „Wir sollten sie dort suchen“ kam es von Blake, der keine Sekunde später aufstand. „Komm Eva“ knurrte er und zog mich hoch. Der hatte es aber eilig. „Mama, ihr versucht noch jemanden von der Polizei zu erreichen, die können uns noch besser helfen“ rief ich ihr entgegen. Vorm Auto angekommen ließ Blake mich endlich los. „Was war dein Problem?“ fragte ich nach und stieg ein. Blake setzte sich stumm neben mich und fuhr los. „Dario!“. „Kannst du auch einmal die Klappe halten?“ fragte er auf einmal wütend und hielt an. Sein Gesichtsausdruck wirkte ziemlich panisch. Irgendwas stimmte hier wirklich ganz und gar nicht. Und dann verstand ich was er mir nicht sagen wollte. „Glaubst du ein Mutant... ich meine ein Werwolf steckt dahinter?“ fragte ich nach und sein Blick verfinsterte sich. „Es könnte nicht nur ein Werwolf sein, es gibt auch unzählige Vampire, die auf Menschenjagd gehen“ sagte er und fuhr wieder weiter. Erst als wir den kleinen Park erreicht hatten, hielt er an. Schnell stiegen wir aus und sahen uns um. Seine Augen leuchteten rot auf, während wir den Weg langliefen. Mein Handy vibrierte. Schnell holte ich es aus meiner Tasche und sah, dass Kim mir geschrieben hatte. ‚Wir sind jetzt am anderem Ende des Parks, wir sehen uns dann!‘ schrieb sie und ich atmete kurz erleichtert auf. Wenn alle von verschiedenen Seiten anfingen zu suchen, würden wir Maria bestimmt schnell finden. „Eva je mehr du über unsere Welt weißt, desto gefährlicher wird es für dich“ sagte er und sah mir wieder so tief in die Augen. Seufzend lehnte ich den Kopf leicht in den Nacken. Ich wusste es. Ich wusste, wie gefährlich das war. Aber ich wollte unbedingt alles wissen. „Mein Ziel war es nie ein Teil von deiner Welt zu werden, aber der Drang die Wahrheit heraus zu finden... ich mein, verdammt. Endlich passiert mal was Aufregendes. Ich ertrag die ganzen Promi Hochzeiten nicht mehr“ sagte ich und sah ihn wieder an. Meine Antwort schien ihn mehr als sonst zu überraschen. „Die Welt in der ich lebe, ist für dich zu düster, Eva“ hauchte er mir entgegen und strich mit seiner Hand über meine Wange. Taten wie diese überraschten mich. Ich konnte sie nicht einordnen. Fragend sah ich ihn an. Plötzlich hörten wir ein Rascheln und Dario ging sofort in Kampfstellung. Mein Atmen wurde schneller. Die Hände verschwitzt. Ich war eindeutig zu nervös. „Ganz ruhig“ kam es plötzlich aus der Richtung und vor uns stand David Collins. Mit offenem Mund sah ich zu ihm rüber. Als er mich sah schenkte er mir wieder eins seiner liebevollen Lächeln. „Ich wollte euch nicht erschrecken. Lorenzo hatte mich so oft angerufen und als er mir sagte das du hier bist… nun ja, da konnte ich nicht anders“ sagte David und kam auf mich zu. Mein Herz blieb stehen als er mich in seine Arme nahm. „Und Sie müssen Dario Blake sein. Ich hab Sie schon im Fernseher gesehen!“ David reichte Blake seine Hand. Zu dritt liefen wir durch den Park. Als ich wieder zu Blake sah bemerkte ich, dass er nun wieder seine normale Augenfarbe hatte. Erneut hörten wir ein Rascheln. Blake packte mich an der Schulter und zog mich näher an sich während David sofort seine Waffe in die Richtung hielt. Angespannt sah Blake in die Richtung. Sein rechter Arm zog mich so fest an sich, dass ich direkt an ihm stand. Sein Griff an meinem Oberarm wurde fester, als uns eine Gestalt entgegenkam. „Eva“ murmelte die Gestalt und viel zu Boden. „Oh mein Gott, Maria…“ schrie ich, befreite mich aus Blakes Griff und rannte zu ihr. Zugegeben war sie zu finden, leichter als erwartet. Sie hatte mehrere Kratzer am ganzen Körper. Ansonsten konnte ich keine Verletzungen feststellen. Sie schien eher halb verhungert zu sein. „Vermutlich hat sie sich im angrenzendem Wald verlaufen“ stellte David fest und kam auf uns zu. Erleichtert atmete ich auf, doch leider hatte ich mich zu früh gefreut. Kurz nachdem ich mich neben sie gekniet hatte, sprang ein Werwolf aus dem Gebüsch. Ohne zu zögern schoss David mehrmals auf ihn. Der Werwolf flog einige Meter weg und stand sofort wieder auf. „Wieso macht ihm das nichts aus?!“ schrie ich panisch und umklammerte meine Schwester. „Weil normale Kugeln nichts ausrichten“ zischte wütend Blake und holte nun selbst eine Waffe raus. Sie unterschied sich kaum von Davids. Er entsicherte seine Waffe und schoss ein einziges Mal auf den Werwolf. Danach stand er nicht mehr auf. „Oh Gott“ murmelte ich und stand auf. „Sind hier noch mehr?“ fragte ich und sah zu Blake der zum Glück verneinend den Kopf schüttelte. David holte sofort sein Handy raus und rief einen Rettungswagen, der nur wenige Minuten später, mit dem Rest meiner Familie, da war.
Alle auf einmal zu sehen, als Familie, es machte mich so glücklich, dass ich es kaum in Worte fassen konnte.
„Eva können wir kurz reden... unter vier Augen“ kam es aus heiterem Himmel von David. Fragend ging ich mit ihm von den ganzen Leuten, die sich hier mittlerweile versammelt hatten, weg. „Hör mal, ich weiß, dass du deine Aufnahmeprüfung nicht bestanden hast... deine Mutter kam vor ein paar Tagen an, nachdem du wohl wieder einen Anruf von ihr ignoriert hast, und ich habe ihr die Wahrheit erzählt“ sagte er und ich dachte mich erschlägt es. Wütend sah ich ihn an. Tränen hatten sich bereits in meinen Augen gesammelt. „Du hattest kein recht dazu!“ schrie ich laut und ging von ihm weg. Ich konnte nicht glauben, dass er es ihnen tatsächlich gesagt hatte. Nur deshalb bin ich zwei Jahrelang auf Abstand gegangen. „Eva deine Familie ist deswegen nicht wütend“ rief er mir noch hinterher, aber ich antwortete nicht. „Früher hätte er so was nicht gemacht“ sagte ich zu mir selbst und setzte mich auf eine Parkbank, nachdem ich keinen mehr sehen konnte. „Früher hätte er was nicht gemacht?“ kam es von Blake der wie aus dem nichts plötzlich vor mir stand. Erschrocken musterte ich ihn. „Wieso bist du immer überall?“. „Falls du dich erinnerst, war ich derjenige, der dich hergefahren hat“ sagte er grinsend und setzte sich neben mich. „Dieser David“ sprach er nun leiser. „Er war dein Freund oder?“. Ich zuckte bei dieser Frage auf. Eigentlich war mir auch nicht nach Antworten aber auf der anderen Seite, wollte ich von Blake ja auch immer alles wissen. „Ja, wir waren fast drei Jahre zusammen. Wir hatten uns dann getrennt, als ich vor zwei Jahren umgezogen bin“ gab ich zu und sah zum Himmel hoch. „Und keine zwei Jahre nach der Trennung ist er verheiratet und Vater“ ergänzte Blake und die Wut kam wieder hoch. Natürlich hatte ich keine Gefühle mehr für ihn, aber die Tatsache, dass er mich so schnell vergessen hatte und sogar eine Familie gegründet hatte, verletzte mich doch sehr. „Ich möchte nicht weiter drüber reden“ sagte ich als die ersten Tränen über meine Wangen liefen. Ich atmete tief ein und wieder aus. „Du sagtest je mehr ich über deine Welt wüsste, desto gefährlicher wird es. Aber so lange diese Werwölfe jagen und es diese bösen Vampire gibt wird es doch für jeden gefährlich“ sagte ich und sah ihn wieder an. Blake stand einfach auf und ging einige Schritte von mir weg. „Es gibt weder gute noch böse Vampire, du verwechselst da etwas“ sagte er und sah zu mir runter. Ich wischte mir die letzten Tränen weg. „Das musst du mir jetzt erklären“. Sein Blick wurde emotionslos. „Es ist ein natürlicher Trieb von uns Vampiren, Menschen zu jagen. Die meisten jedoch trinken nur ein wenig und löschen dann ihre Erinnerungen. Einige töten wie die Werwölfe“.
In den letzten Stunden hatte ich verdrängt, dass Dario Blake genauso gefährlich war, wie die Werwölfe. Dadurch, dass wir nun so persönlich miteinander sprachen, wirkte es so als sei er ein ganz normaler Mensch. Es wirkte sogar beinahe so als könnten wir wirklich Freunde werden, doch was er da nun sagte, war die kalte Wahrheit, die ich akzeptieren musste. „Als du Blut ausgespuckt hattest... und ich dich so fixiert ansah. Du dachtest ich schaue dich wegen deinem Körper so an oder?“ sagte er und ich nickte. „Nun es war wegen deinem Blut. Der Blutfleck vor dir weckte den Trieb in mir und bei dem Kuss, kam ich auf den Geschmack deines Blutes. Als ich von dir trank, hätte ich beinah die Kontrolle verloren“. Geschockt sah ich ihn an. Vermutlich sah ich ihn in den letzten Minuten oft geschockt an aber dieses Mal war es die Spitze. Er hatte mich also nur geküsst, weil ich irgendwo am Mund noch mein eigenes Blut kleben hatte. Wieso musste mich heute auch wirklich jede Kleinigkeit verletzten? Dann dachte ich wieder an den weißhaarigen Vampir. „Der weißhaarige Vampir muss aber nett sein sonst hätte er mir nicht geholfen!“ protestierte ich und Dario zuckte auf. „Du hast ja keine Ahnung“ murmelte er und kam auf mich zu. „Ich könnte deine Erinnerungen einfach löschen, aber ich schätze früher oder später würdest du wieder in meinem Büro sitzen und nach Antworten verlangen“ sagte er und ein Lächeln zierte sein Gesicht. „Außerdem ist Gold-Löckchen auch noch hinter dir her“. „Wie bitte was?“ sagte ich und stand auf. „Wieso sollte sie hinter mir her sein?!“. „Du hast sie in ihrer menschlichen Form gesehen und sie hat noch nie einen Menschen entkommen lassen“. Ich sackte zu Boden. Das war wirklich die Hölle. Ich konnte doch nicht mein Leben lang vor einem Werwolf weglaufen und wenn sie mich doch findet, wäre das mein Ende. „Jetzt zieh nicht so ein Gesicht. Irgendwie gehörst du ja jetzt dazu“ sagte er grinsend und kniete sich vor mich. „Zu was soll ich dazu gehören?“ fragte ich verwirrt. „Zu mir. Damien. Den anderen“. Überrascht und von meinen Emotionen überrollt sah ich ihm in die Augen. Es fühlte sich an als würde die Zeit stehen blieben. Wie konnte er so locker sagen, dass ich zu ihm gehören würde? Mein Herz raste. „Und noch was Eva... bekomm nicht bei jedem zweiten Wort das ich sage so einen roten Kopf“. Er zwinkerte mir noch zu eher er wieder auf stand. War ja klar, dass er mich bereits durchschaut hatte.
Gemütlich liefen wir wieder zurück zum Auto. Auch wenn ich nach wie vor Angst hatte vor dem was mich erwartete, beruhigte es mich ein wenig zu wissen, dass zwei blutrünstige Vampire hinter mir standen. Wobei ich bei Damien immer noch der Meinung war, dass er nur hinter mir stand um meinen vermutlich passierenden tot aus erster Reihe mit zu erleben. „Können wir direkt wieder nach Hause fahren, ich will meine Familie für heute nicht mehr sehen“ sagte ich und Blake nickte nur. Ich war ihm so dankbar das er mir nicht noch eine Moralpredigt hielt, wie wichtig ja Familie sei. Apropos über seine Familie wusste ich gar nichts. „Was ist eigentlich mit deiner Familie?“. Blake sah mich verwirrt an. „Nun meine Mutter jagt irgendwo vermutlich weiter Vampire und mein Vater schaut ihr dabei zu“ sagte er nach einigen Minuten des Schweigens. „Deine Mutter jagt ihre eigene Rasse?“ fragte ich nach, da ich es einfach nicht nachvollziehen konnte. „Oh nein. Mein Vater ist ein Vampir. Meine Mutter ist so ein Mischmasch aus Mensch, Totenbeschwörer und irgendeiner Dämonenart. Glaub mir ich blicke da selbst nicht durch“ sagte er und runzelte die Stirn. „Totenbeschwörer? Dämon? Und wieso ist dein Vater dann ein Vampir, wenn sie Vampire jagt?“. Und ich dachte meine Familie wäre kompliziert, aber das überstieg wirklich alles. „Nekromantie, also die Totenbeschwörung müsste ja wohl selbsterklärend sein“ sagte er lachend. „Das mit dem Dämon kann ich dir nicht erklären, ich verstehe es selbst nicht“. „Also gibt es nicht nur Vampire und Werwölfe?“ murmelte ich vor mich hin und musterte Blake. „Natürlich gibt es noch mehrere Wesen. Dämonen haben vermutlich die größte Vielzahl an Arten, aber sie leben fast ausschließlich in der Unterwelt. Nekromantie ist so weit ich weiß ziemlich selten geworden. Dann gäbe es da noch Hexen und den ganzen anderen Scheiß“. Ich zog eine Augenbraue hoch. „Wenn deine Mutter Tote beschwören konnte… kannst du das dann auch?“. Meine Frage schien ihn nicht wirklich glücklich zu machen aber er nickte trotzdem für ein ja. Aufgeregt rutschte ich auf dem Sitz hin und her. „Was kannst du noch?“ fragte ich nach und versuchte nicht ganz so aufgeregt zu klingen. „Nun abgesehen von den Fähigkeiten meiner Mutter, habe ich das meiste von meinem Vater geerbt. Unter anderem seine Fähigkeit zu manipulieren, heilen und Werwölfe zu rufen und manchmal auch zu kontrollieren. Es gibt sogar einen der mir so gehorcht, wie der Werwolf, der meinem Vater dient“. Gespannt hörte ich ihm zu. „Meine Lieblingsfähigkeit ist aber die Zeitreise“. Sein letzter Satz brach mich vollkommen aus der Verfassung. „Zeitreise, ist das dein ernst?“ fragte ich quiekend nach. „Hey Damien kann sogar die Zeit anhal-“. „Ja“ sagte ich und biss mir dabei auf die Unterlippe. „Oh du hast mit seinem Talent also schon Bekanntschaft gemacht“ sagte er lachend und musterte mich. „Hey! Konzentriere dich lieber auf die Straße“ sagte ich und er richtete sein Blick wieder nach vorn.
Freude kam auf als ich endlich mein Auto sah. Blake hielt an und stieg mit mir aus, wo er dann den Kofferraum öffnete und mir meine Taschen reichte. „Mach keine Umwege, wenn du nach Hause fährst“ sagte er, schnippte mir gegen den Kopf und fuhr wieder. Schnell stieg ich in mein Auto ein und fuhr nach Hause. Ohne zu zögern schloss ich die Haustür auf und hatte sie genauso schnell wieder geschlossen.
Mühselig tapste ich die einzelnen Treppenstufen hoch und ließ erleichtert die Taschen fallen als ich vor meiner Wohnungstür stand. Dafür das ich mir extra Urlaub genommen hatte um diesem Chaos zu entkommen, war mein Tag doch ziemlich stressig. Auf dem Weg in mein Bett ließ ich alles fallen wo ich war. Zuerst legte ich meine Brille auf einem Tischlein ab, welches in der Nähe meines Sofas stand. Danach streifte ich mir die Schuhe von den Füßen, die quer in der Wohnung landeten, gefolgt von den Overknees. Das Haargummi landete auch irgendwo auf dem Boden. Ich war mir sicher, es nie wieder zu finden. Immerhin war das ja typisch für Haargummis. Kurz darauf rutschte der Rock an meinen Beinen herab und landete samt Pulli vor meiner Schlafzimmertür, die ich sofort öffnete. Ich machte mir nicht mal mehr die Mühe mich abzuschminken. Nachdem ich auch meinen BH aus gestreift hatte, ließ ich mich in mein gemütliches Bett fallen. „Oh wie ich dich vermisst hatte“ murmelte ich und schlief sofort ein.
Nur wenige Stunden später war ich bereits wieder wach. Die einzelnen Sonnenstrahlen, die durch das Fenster schienen, blendeten mich. Genervt richtete ich mich auf. Sofort fiel mein Blick in den Spiegel, welcher gegenüber von meinem Bett stand. Erschrocken weiteten sich meine Augen. „Vielleicht hätte ich mich doch abschminken sollen“ stellte ich mit Bedauern fest, als ich das ganze verschmierte Make-Up betrachtete. Auf der Kommode neben meinem Bett befanden sich extra für solche Fälle Abschminktücher. Ich griff nach einem und strich es quer über mein Gesicht. Als ich dann endlich frei von dem Geschmiere war, streckte ich mich noch ein letztes Mal, ehe ich aufstand. Auf wackeligen Beinen ging ich gähnend aus meinem Schlafzimmer. Noch immer war mein Körper zu schwach von dem Blutverlust. Ich musste unbedingt etwas essen. Während ich mich an der Wand abstützte, lief ich in Richtung meiner Küche. Gerade als ich den schmalen Flur hinter mich gebracht hatte, hörte ich das Atmen einer Person. Sofort blickte ich durch den offenen, noch vom Rollladen verdunkelten, Raum. „Na da ist ja jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden“ kam es plötzlich aus der Ecke, in der mein Sofa stand. „Nein, nein, nein, nein“ sagte ich und wurde mit jedem nein lauter. „Wieso bist du hier Blake?“ fragte ich genervt und verdeckte meine Brüste. Tatsächlich wäre es mir lieber gewesen, es wäre ein Einbrecher gewesen, den ich hiernach nie wieder hätte sehen müssen. „Weil wir dringend reden müssen und ich keine Nummer von dir habe. Übrigens... schläfst du immer so lang?“. Stöhnend ging ich an ihm vorbei. Mein plötzlicher Hunger war einfach zu groß um ihm weiter zu zuhören. Ich riss meinen Kühlschrank auf und nahm gleich zwei Jogurts raus, die ich nacheinander aß. Blake, der mir mittlerweile gefolgt war, starrte die ganze Zeit an mir runter. „Jetzt schaust du wirklich auf meinen Körper“ sagte ich mahnend und sah ihm in die Augen. „Was kann ich denn auch dafür, wenn du fast nackt hier rumläufst?“. „Entschuldige aber das ist MEINE Wohnung“. Der Spruch hatte gesessen. Blake zuckte auf und drehte sich schnell von mir weg, als ich wieder an ihm vorbeilief. „Oh wird da jemand verlegen“ neckte ich ihn nun und verschränkte meine Arme. Mir war bewusst, dass diese Haltung meine Brüste, die wirklich nicht zu verachten waren, nur noch besser betonte. Ein selbstsicheres Grinsen kam mir entgegen. „Ich gebe zu, für einen Menschen hast du einen verdammt guten Körper, aber mit denen, womit ich bereits das Vergnügen hatte, kannst du wirklich nicht mithalten“ sagte er und zwinkerte mir zu. Autsch. Wenn selbst mein Körper ihn nicht beeindrucken konnte, verdammt... was für Frauen hatte er bitte schon nackt vor sich stehen? Ein Eifersüchtiges ähnliches Gefühl schoss in mir hoch und ich malte mir ständig irgendwelche viel zu unnatürliche und heiße Frauen aus, die er vögelte. Seufzend drehte ich mich von ihm weg und griff nach meinen Pulli von gestern, den ich schnell überzog.
„Also Dario Blake. Was zur Hölle ist denn so wichtig, dass du es nicht mal bis heute Abend abwarten konntest, mir davon zu berichten?“ fragte ich nach, während ich meine Klamotten einsammelte. Grinsend ging Blakes Blick mit mir mit. „Ich dachte nur es würde dich auch interessieren, wieso dein Körper mein Blut nicht verträgt“. Blitzartig drehte ich mich wieder in seine Richtung. Skeptisch sah ich zu ihm, während er sich gemütlich auf meinem Sofa zurücklehnte. „Selbst, wenn es mich interessieren würde, glaube ich nach wie vor nicht, dass ich es verstehen würde“ gab ich zu und legte die bereits eingesammelten Klamotten und Schuhe auf einen Sessel ab. „Keiner erwartet von dir, dass du alles verstehst... aber immerhin die wichtigsten Sachen solltest du wissen. Jetzt wo du Teil des Ganzen bist“. Ich hasste es, wenn er recht hatte. Und vor allem hasste ich es so unwissend zu sein. Ständig musste er mich belehren. „Habt ihr Wesen nicht irgendeinen Ratgeber, oder so was, den man kaufen kann?“. Nun lachte Blake und sah mich viel zu amüsiert an. „Glaub mir den wünsche ich mir schon seit Jahren. Alles was ich über Wesen weiß hat mir Damien beigebracht“. „Und woher weiß er das alles?“ fragte ich und setzte mich ebenfalls auf mein Sofa. „Nun er ist schon über Tausend“. Innerhalb einer Sekunde klappte mir die Kinnlade runter. Damien – wie auch immer – sah aus, als wäre er höchstens Anfang zwanzig. Also schien auch dieser Teil über Vampire zu stimmen: sie waren unsterblich. „Bevor du jetzt auch mich nach meinem Alter fragst, keine Sorge ich bin tatsächlich noch so jung wie ich aussehe“ kam es grinsend von Blake. „Aber du wirst irgendwann einmal so alt sein wie Damien... und... oh man“. Mir blieben die Wörter im Hals stecken. Ich konnte nicht anders als mir vorzustellen wie es wohl in vielen Jahren aussehen würde. Während ich als Mensch immer älter und älter werden würde, würde er für immer so aussehen.
„Eva?“. Blake rüttelte sanft an meinem Arm. „Es muss doch schrecklich sein...“ murmelte ich und ignorierte Blakes Hand. „Wenn ich mir vorstelle niemals zu altern und jeden den ich mal kennen gelernt habe sterben zu sehen... alt und schwach. Hast du davor keine Angst?“. Überrascht sah er mich an. Noch immer lag seine Hand auf meinem Arm. „Damien hatte mir, als ich ein Kind war, immer gesagt, ich soll mich mit keinem anfreunden, der kein Vampir ist, in spätestens hundert Jahren würde ich es bereuen“. Er kannte also diesen Damien bereits als Kind. „Und deine Mutter?“. Seufzend sank er den Blick. „Ich kenne sie nicht persönlich. Alles was ich über sie oder meinen Vater weiß habe ich dir bereits erzählt. Ich weiß nicht mal wie sie aussehen, geschweige denn heißen“. Obwohl ich Blake erst seit einigen Tagen kannte, hatte ich ihn noch nie so traurig gesehen. „Ich denke ich werde dennoch traurig sein, wenn meine Mutter stirbt.. aber ich hoffe sie stirbt mit grauen Haaren und einem faltigen Gesicht“. Ein schwaches Lächeln legte sich auf seinem Gesicht. „Bei dir...“ setzte er auf einmal an und ich zuckte auf. „wäre ich nur traurig, wenn du es schaffst durch Gold-Löckchen zu sterben“. Wütend stand ich auf. „Ist das jetzt dein ernst?!“. Er wollte mich doch verarschen. Wenn ich wirklich zu seiner dämlichen Gruppe dazugehören würde, müsste er doch wenigstens ein kleines bisschen traurig sein, wenn ich sterbe. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und stellte mich direkt vor ihm. „Du bist echt das Letzte Blake!“ sagte ich lauter und holte mit der Hand aus. Doch bevor ich überhaupt dazu kam ihm eine verdiente Backpfeife zu geben, holte er mit seinem Bein aus und stieß es mit voller Kraft gegen meins. Ich verlor das Gleichgewicht und drohte zu Fallen. Schnell packte Blake meine Arme und zog mich genau über sich. „Was soll das werden?“ zischte ich ihm entgegen und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. Dummerweise erreichte ich nur das Gegenteil. Denn je mehr ich versuchte mich zu befreien, desto näher zog er mich an sich. Als ich ihm beinahe so nah war, dass sich unsere Körper berührten, schlug mein Herz wieder schneller. Diese Nähe machte mich wirklich wahnsinnig. Noch immer waren meine Hände zu Fäusten geballt. „Solange du so schwach bist, wirst du nie eine Chance gegen mich haben Eva“ hauchte er mir entgegen und gab mir einen sanften Kuss auf den Hals. „Mann ist Mann“ murmelte ich und holte mit meinem Knie, welches sich zwischen seinen Beinen befand, aus. Wie ich es mir dachte, zuckte Blake zusammen und verzog schmerzvoll das Gesicht. „Haha“ sagte ich und konnte mir das Grinsen nicht mehr verkneifen. Nach ein paar Minuten hatte er sich wieder beruhigt und mich fest unter sich gezogen. Dieses Mal hatte ich keine Chance mehr ihn zu treten. Dann ließ er meine Handgelenke wieder los und setzte sich einfach auf meinen Unterleib ab. „Hast du einen Knall?! Du bist schwer!“ schrie ich und schlug die ganze Zeit gegen seinen Bauch. Er lachte nur laut auf als ich ihn ein paar Mal geschlagen hatte. „Ich gehe erst wieder von dir runter, wenn du dich bei mir entschuldigt hast“. An seinem Gesichtsausdruck konnte man deutlich sehen, dass er das nicht ernst meinte. Und dennoch stand er einfach nicht auf. Minutenlang schlug ich weiter auf ihn ein. Egal wie oft ich ihn in den Bauch schlug er zeigte einfach keine Reaktion. „Das kann doch einfach nicht wahr sein! Besteht dein Körper aus Backsteinen?“ sagte ich mit einem Seufzer. „Nein nur aus Muskeln“. Kaum hatte er das Wort Muskeln ausgesprochen, schon war er obenrum nackt. Okay DAS konnte wirklich nicht wahr sein. „Deinem Gesicht zu folge gefällt dir was du siehst“. Grinsend beugte Blake sich zu mir runter und küsste mich. Seltsamerweise erwiderte ich seinen Kuss. Irgendwann löste er sich wieder von mir und stand auf. „Wieso machst du das mit mir?“ fragte ich und versuchte meine Erregung zu verbergen. Entweder war ich Erfolgreich oder er sprach es einfach nicht an. „Ich spiele gern, das ist alles… aber um jetzt mal auf das eigentliche Thema zurück zu kommen: Wie viel denkst du über Wesen zu wissen? Welche Arten denkst du gibt es wirklich?“. Sein plötzlicher Sinneswandel kam sehr überraschend. „Nun ich weiß das es Vampire, Werwölfe, Hexen und Dämonen gibt. Wobei ich mir das mit den Hexen noch schwieriger vorstellen kann“ gab ich zu und beobachtete, wie er wieder sein Shirt anzog. „Dann zähl mir jetzt alle Wesen auf, die dir sonst noch einfallen“. Blake wirkte auf einmal so ernst. „Schwierige Frage. Mit Fantasyfilmen hatte ich es noch nie so… das Einzige was mir noch einfällt wären Meerjungfrauen, vielleicht irgendwelche Hybriden und... na ja wenn es Dämonen gibt... denke ich das es vielleicht auch Engel gibt“ sprach ich vor mich hin und bemerkte wie absurd das alles klang. Meerjungfrauen und Hybriden waren mir nur eingefallen, weil ich sie in meinen Artikel beiläufig erwähnt hatte... aber ob es sie wirklich gab? Hybriden musste es ja geben, wenn Blake einer war, aber Meerjungfrauen? Und was war mit Engeln? Wenn es wirklich eine Unterwelt gab musste es als Gegenstück doch auch einen Himmel geben. Das würde vermutlich jeden Gläubigen erfreuen zu hören. „Verdammt du solltest wirklich dich mal mehr mit Wesen beschäftigen. Aber ja, die die du genannt hast gibt es tatsächlich“ kam es von Blake der mich plötzlich fragend musterte. „Ich werde dir nun noch ein paar Bekannte nennen. Unter anderem Elfen, Feen, Ghul, Homunkulus, Nymphen…“ er holte Luft „Nephilim oder Nephilima“. Bis auf die letzten zwei kannte ich alle. Es überraschte mich, wie viele Wesen es tatsächlich gab. Und noch mehr überraschte es mich, dass mir das Wort Nephilim so vertraut vorkam. „Und jetzt will ich das du mir die einzelnen Wesen erklärst“. War er nun Lehrer? Da ich wirklich keine Nerven mehr hatte um sinnlos zu diskutieren, spielte ich sein dämliches Spiel mit. „Vampire saugen Blut, haben diverse Fähigkeiten und sind unsterblich. Werwölfe sind Hunde mit Tollwut. Hexen können zaubern. Meerjungfrauen leben unter Wasser, können dementsprechend unter Wasser atmen. Ich schätze das Nymphen auch dazugehören. Elfen leben laut Filmen in irgendwelchen vergoldeten Wäldern und Feen sind Minielfen. Ein Ghul müsste ein Menschenfressendes Wesen sein... so genau weiß ich das nicht und ein Homunkulus ist ein künstlicher Mensch (was ich im Grunde nur wegen einem Anime musste). Was die letzten zwei sind weiß ich nicht“ sagte ich so schnell wie nur möglich und holte dann tief Luft. „Hunde mit Tollwut... der war gut“ sagte Blake lachend. „Zu den letzten zwei. Beides sind Hybriden. Sie unterscheiden sich eigentlich nur in einem Punkt. Während ein Nephilim eine Kreuzung zwischen Mensch und Engel ist, ist die andere Art eine Kreuzung aus Engel und Dämon“ sprach er nun wieder ganz ernst.
Nephilim... wieso sagte mir das was? „Sind diese zwei Arten besonders?“ fragte ich nach. „Leider weiß ich nur ziemlich viel über Vampire und Werwölfe. Damien ist der Einzige, der fast alle Wesen mal gesehen hat. Wie du dir sicher vorstellen kannst, leben die meisten verborgen. Ich weiß nur, dass die meisten Nephilims gar nicht wissen, was sie sind“. Wie ein Stich in meinem Herz fühlte sich sein letzter Satz an. Fragend sah ich ihn an. „Ein Nephilim entsteht, wenn ein Engel sich mit einer Menschenfrau vermehrt. Da diese Wesen keine Flügel oder göttliche Fähigkeiten besitzen, sind sie im Grunde genommen nur bessere Menschen“. „Und wieso erzählst du mir das alles?“. Wieder sah er mich so ernst an. „Eva die Analyse von deinem Blut hat gezeigt, dass du nur zu fünfzig Prozent Mensch bist“. Mir blieb die Luft weg. Im wahrsten Sinne des Wortes. Panisch stand ich auf und lief quer durch meine Wohnung. Das konnte nur ein schlechter Traum sein. Jeden Augenblick würde ich wach werden. Natürlich war das nur ein Traum. Ansonsten hätte ich mich doch nie von Dario Blake zu einem dummen Kuss verführen lassen. Nur ein Traum. „Eva!“ schrie Blake und ich sackte zusammen. Der leichte Aufprall auf dem Boden fühlte sich zu echt an. „Wenn es dich beruhigt... die andere Hälfte besteht aus Engelsblut“. Wie sollte mich das beruhigen? Es machte mich zu einem Wesen. Und das schlimmste war, dass ich es ohne Blake vermutlich nie herausgefunden hätte. „Ich bin ein Wesen...“ murmelte ich als vor mich hin.
„Warte mein Vater müsste doch dann ein Engel sein...“ stellte ich nach meiner Verzweifelten Phase fest. „Dein leiblicher, ja. Der den du als Vater kennst ist ein ganz normaler Mensch...“ sagte er und stand nun vor mir. Ich saß noch immer auf dem Boden, unfähig aufzustehen, und jetzt wollte mir dieser Vampir ernsthaft weiß machen, dass meine Mutter vor meiner Geburt eine Affäre gehabt haben soll? Nein, einfach nur nein. Das war völlig unmöglich. Ich mein sie liebte meinen Vater. Dessen war ich mir vollkommen bewusst! „Engel können auch Manipulieren. Es könnte gut sein, dass deine Mutter nicht mal wusste, was geschehen war“. Blakes Stimme wurde immer leiser. „Geh“ sagte ich zu Blake und richtete mich wieder auf. „Ich will das du gehst und mich eine Weile in Ruhe lässt“. Die Tränen liefen bereits über meine Wangen. Ohne noch ein Wort zu sagen, verließ er, dieses Mal auf menschliche weise, meine Wohnung. Ich konnte immer noch nicht glauben, was er mir gesagt hatte. Zitternd stand ich auf und drohte sofort wieder hinzufallen. In letzter Sekunde gelang es mir halt zu finden. Als würde es nicht schon reichen, dass ein Werwolf hinter mir her war – nein, nun war ich selbst ein Wesen und dann noch eins, ohne besondere Fähigkeiten. Da konnte ich mir auch grad die Kugel geben. Seufzend ließ ich mich aufs Sofa fallen. „Wieso passiert das ausgerechnet mir?“ murmelte ich in Selbstmitleid vor mich hin und schloss die Augen.
„Eva?“ Davids raue Morgenstimme weckte mich aus meinem Schlaf. „Wenn du noch länger liegen bleibst, kommst du zu spät zur Arbeit“ mahnte er mich und zog die Decke weg. Wie ein Hund knurrte ich ihn an, ehe ich mich aufrichtete. Er wusste genau, wie sehr ich es hasste, auf diese Weise geweckt zu werden! „Jetzt steh auf. Du solltest deine Ausbildung wirklich ernster nehmen!“ schimpfte er und warf mir Klamotten entgegen. Seufzend streckte ich mich, wobei gefühlt jeder einzelne Knochen knackte, und stand auf. „Unterstelle mir nicht, ich würde die Ausbildung nicht ernst nehmen! Ich kann nur bereits alles“ rechtfertigte ich mich und zog mich an. Musternd sah er zu mir rüber. David war wirklich das krasse Gegenteil von mir. Während ich jeden Morgen mit mir selbst kämpfe, dass ich überhaupt mal aus den Federn kam, stand er da, hellwach, herausgeputzt und in seiner Uniform. Genervt verdrehte ich die Augen. Ob man diese Morgenmenschen anzeigen konnte?
Seit meinem achtzehnten Geburtstag, beziehungsweise kurz danach, lebte ich bei David. Seine Wohnung war mit hundert Quadratmetern, welche sich auf zwei Etagen verteilten, groß genug für uns beide. Mittlerweile war ich neunzehn und in weniger als einem Jahr mit meiner Ausbildung durch. Doch jedes Mal, wenn ich daran dachte, was nach all dem ist, bekam ich Angst. Ich wollte unbedingt – wie David – zur Polizei. Doch dafür müsste ich in eine größere Stadt ziehen, welche knapp zwei Stunden von hier entfernt lag. Und das alles nur, weil es hier keine Polizeischule gab. Zwei Stunden... das war nicht wirklich ein Katzensprung. Wenn ein Notfall wäre, könnte ich nicht einfach mal schnell 'rüber kommen'. Und die Garantie, dass ich dort angenommen werde, hatte ich ja auch nicht. Allein meine Größe könnte schon zum Problem werden. „Eva was ist los?“ fragte David und kam auf mich zu. Von all meinen Sorgen hatte ich ihm noch nichts erzählt. „Ach nichts. Ich bin nur noch müde“ antwortete ich und ging in schnellen Schritten ins Bad. Im Augenwinkel konnte ich noch seinen verwirrten Blick erkennen. Während ich mich fertig machte, bereitete David das Frühstück vor. Leider musste man dazu erwähnen, dass er nicht der beste Koch war, und so gab es wie fast jeden Morgen Rührei und Speck. Manchmal vermisste ich die italienische Küche meiner Mutter. Nachdem ich aufgegessen hatte und David bereits über alle Berge war, machte auch ich mich auf den Weg zur Arbeit. Da die Wohnung sehr zentral lag, hatte ich nur wenige Minuten Fußweg bis zum Hauptbahnhof, wo ich den Zug zur nächsten Stadt nahm. Die Zugfahrt dauerte keine zehn Minuten. Danach konnte ich bequem mit dem Bus weiterfahren. Ich hatte wirklich Glück, dass es eine so gute öffentliche Verkehrsbindung gab. In dem Unternehmen gab es noch zwei Azubis, wovon einer mit dem Auto kam und der andere ebenfalls auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen war. Wir hatten mal zusammen zu Mittag gegessen und er erzählte das er über einer Stunde unterwegs war. Da waren meine knapp zwanzig bis maximal dreißig Minuten kaum der Rede wert. Würde ich noch bei meinen Eltern wohnen, könnte die Sache doch anders aussehen. Völlig in Gedanken versunken blickte ich aus dem Fenster. Nur noch einige Stationen weiter und ich musste aussteigen. Meine Motivation zum Arbeiten hielt sich wie immer sehr in Grenzen. Je näher ich meinem Ausbildungsbetrieb kam, desto weniger Lust hatte ich. Seufzend lehnte ich mich noch einmal in den Sitz zurück ehe ich aufstehen musste. Als der Bus abbremste, griff ich automatisch nach einer der Stangen. Zumindest dachte ich das. In Wirklichkeit hatte sich meine Hand an einem Arm festgeklammert. Bevor ich überhaupt zu der Person neben mir hochsehen konnte, errötete ich und riss schnell die Hand weg. In schnellen Schritten ging ich aus dem Bus, welcher bereits die Türen geöffnet hatte, und lief die restlichen Meter zum Betrieb. Ein Wort hatte sich während der letzten Minuten in meinem Kopf festgesetzt: Peinlich! So was musste ja auch immer mir passieren. Als ich dann tatsächlich vor dem kleinen Gebäude stand verschwand meine Motivation komplett.
Ich setzte mir ein gezwungenes Lächeln auf und ging rein. Sofort kam mir mein Ausbilder entgegen, redete ununterbrochen von einem neuen wichtigen Kunden, und zog mich schon fast hinter sich her. Erst empfand ich es als pures Glück, dass ich ausnahmsweise mal bei solchen Meetings dabei sein durfte, aber als ich den Kunden sah, blieb mir die Luft weg. Vor mir stand der Mann mit den weißen langen Haaren, welchen ich vor über einem Jahr am Waldrand gesehen hatte! Mit weit aufgerissenen Augen sah ich zu ihm hoch. Und er war wirklich groß. Die langen Haare fielen ihm, wie ein Schleier, ins Gesicht. Nur mit Mühe konnte ich seine Gesichtszüge erkennen. Trotz des weißen Haares, sah er noch sehr jung aus. „Eva das ist Herr White“ sagte mein Ausbilder und der fremde Mann streckte mir die Hand entgegen. Ich war noch immer zu hypnotisiert von seiner Erscheinung. Unter den vielen Haaren kam mir ein schwaches Grinsen entgegen. Es kam mir so bekannt vor...
„Schon wieder?!“ rief ich entsetzt in den Raum als ich wach wurde. Obwohl mir mein Traum deutlich kürzer vorkam als die letzten, war es bereits wieder Abend. Seit der Begegnung mit dem Werwolf hatte ich in nun diese Träume. Träume die in der Vergangenheit wirklich passiert waren. Aber warum konnte ich mich erst jetzt wieder an diesen Mann erinnern? White. So stellte man ihn mir damals vor. Wenn er aber wie Blake ein Vampir war… dann war das vermutlich nicht mal sein echter Name. Wieso war ein Vampir damals bei uns in der Firma?
Wütend richtete ich mich wieder auf. Dieser Zwang Antworten zu finden war mal wieder zu stark. Gerade als ich aufstehen wollte kam mir ein Gefühl von Schwindel entgegen. Für wenige Sekunden wurde alles um mich herum schwarz, ehe ich wieder wie sonst sehen konnte. Ein pochender, stechender Schmerz breitete sich in meinem Kopf aus. „Oh verdammt“ murmelte ich als mir einfiel, wie wenig ich in der letzten Zeit gegessen hatte. In schnellen aber vorsichtigen Schritten ging ich in mein Bad, wo ich mich fertigmachte. Noch ein letzter Griff zu meiner Umhängetasche, Handy und Schlüssel und schon war ich aus der Wohnung draußen. Ich lief das Treppenhaus herunter, öffnete die Eingangstür und bog nach links ab, wo ich nach wenigen Minuten eine kleine Pizzeria erreichte. Ich bestellte mir eine große Pizza mit Schinken plus einen Salat zum Mitnehmen. Mit jeder Minute, die auf mein Essen wartete, knurrte mein Magen lauter und lauter. Mit freudigen Augen griff ich nach meinem Essen und ging noch schneller, als ich gekommen war, nachhause. Erleichtert breitete ich das Essen vor mir aus. Während ich die Pizza verschlang schaute ich noch ein bisschen Fernsehen. Plötzlich fühlte sich alles so normal an. Kein Blake, kein Damien, kein Amok laufender Werwolf, keine Wesen, nur mich. Obwohl ich die Ruhe und Normalität genoss, störte sie mich mindestens genauso sehr. Es gab wirklich noch zu vieles, was ich wissen wollte. Vor allem dieser White hatte es mir sehr angetan. Immerhin hatte er mein Leben gerettet. Wenigstens bedanken müsste ich mich bei ihm. Und irgendwas verheimlichte Blake mir ja auch noch. Wenn ich den weißhaarigen Mann ansprach, verhielt er sich mir gegenüber so komisch. Vielleicht war er sein Bruder oder Cousin, denn wenn man die beiden miteinander verglich fiel einem eine gewisse Ähnlichkeit auf. Wenn ich Blake das nächste Mal sehe, muss ich ihn auf diesen Mann ansprechen! Die Gefühle in mir wurden immer verwirrender und durcheinander. Auf der einen Seite fühlte ich mich zu Blake sehr angezogen, auch wenn mich seine Art oft nervte und ich nach wie vor Angst vor ihm hatte. Auf der anderen Seite wollte ich meinen Lebensretter endlich kennen lernen, vor allem wo ich nun wusste, dass ich ihn bereits kennen gelernt hatte. Nur wieso konnte ich mich bis vor ein paar Tagen nicht mal daran erinnern? Blake erwähnte doch das er Manipulieren kann. Wenn dieser White das auch konnte würde es auch erklären, wieso ich ihn vergessen hatte. Nach all dem, was ich die letzten Tage erfahren hatte, war dies die einzig logische Erklärung. Wissensdurstig wie ich nun mal war, holte ich mir meinen Laptop und suchte im Internet nach Information zu White. Meine Suche musste sich auf Menschen beziehungsweise Personen beschränken. Am Anfang hielt ich nur nach weißhaarigen jungen Männern Ausschau, als ich jedoch auf ein Bild von Damien, Blakes Mädchen für alles, stieß kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Damien White war sein voller Name. Ob es Zufall war oder nicht spielte keine Rolle! Damien hatte irgendwas mit dem Kerl zu tun! Immer wieder klopfte ich mit meinem Zeigefinger gegen den Laptop. Nun war ich vollkommen in meinen Gedanken versunken und brauchte Antworten. Gerade als ich wieder im Begriff war meine Wohnung zu verlassen, überkam mich meine Angst. Es war mittlerweile spät am Abend. In knapp einer Stunde würden die Straßenlaternen ausgehen und das Risiko dieser Frau zu begegnen wuchs. Zudem hatte ich nicht mal die Garantie, dass ich Damien finden würde. Allein durch diese Fakten konnte mein Verstand die Oberhand gewinnen.
Da mein Schlafrhythmus schon seit Tagen im Keller war, beschloss ich die kommenden Tage rechtzeitig ins Bett zu gehen und vor allem aus dem Bett. Gesagt, getan. Nach einer halben Stunde lag ich fix und fertig im Bett und schlief auch seltsamerweise sofort ein.
Die Tage vergingen und mein Urlaub neigte sich dem Ende zu. Weder Träume aus der Vergangenheit noch Blake hatten mich in letzter Zeit besucht. Generell liefen die letzten Tage ziemlich gut. Ich hatte meinen Schlafrhythmus wieder im Griff, konnte mich erholen und wieder genug essen und trinken. Ich fühlte mich schon lange nicht mehr so erholt. Bevor ich ins Bett ging, nahm ich noch ein Schaumbad. Die Zeit verging wie im Flug und ehe ich mich versah, sah ich wie eine verschrumpelte Rosine aus. Nachdem ich wieder vollkommen Trocken war, ging ich ins Bett. Die Müdigkeit kam mit der ersten Sekunde des Liegens. Und dennoch wollte ich nicht einschlafen. Plötzlich kam alles der letzten zwei Wochen hoch. Der erste „Mutanten“ Angriff, die Frau die mich beinah getötet hatte, der weißhaarige Mann, meine Familie und Dario Blake. Zugegeben war er wirklich toll. Er wusste wie er alles bekam was er wollte. Und er scheuchte sich auch nicht diverse Mittel einzusetzen. Vom Aussehen her war er eigentlich wirklich mein Typ. Groß, gutgebaut, dunkle Haare, dunkel blaue Augen. Alles was mein Herz begehrte. Doch er war auch sehr launisch, was man bei meinem ersten Treffen mit ihm gemerkt hatte. Zudem war er ein Vampir und hatte mich bereits gebissen. Er setzte seine Macht wo er konnte ein. Spielte mit Frauen wie es ihm lieb war. Und er war ziemlich eingebildet. Vom Charakter her war er eher weniger mein Fall, auch wenn er mir nun mehrmals geholfen hatte. Vermutlich tat er dies auch nur um sicher zu stellen, dass ich ja meine Klappe hielt. Ich würde ihm locker zutrauen, dass er mich schneller beseitigt als ich schauen kann, wenn ich nur ein falsches Wort von mir gebe. Das war es was mir am meisten angst machte. Zu wissen das der Einzige, auf den ich mich momentan verlassen konnte, derjenige war, welche ohne zu zögern mich umbringen würde. Wobei er es bestimmt auch Damien auftragen würde. Blake, der feine Herr, würde sich mit meinem tot bestimmt nicht die Hände schmutzig machen.
Verdammt wieso musste ich jetzt darüber nachdenken? Ich blickte noch einmal zum Wecker. Es war bereits eine Stunde vergangen, seitdem ich hier in meinem Bett lag und noch immer war ich wach. Blake hier, Blake da. „Ah verdammt geh aus meinem Kopf raus du eingebildeter Dreckskerl!“ stöhnte ich vor mich hin und schrie in mein Kissen. Wenn das so weiterging, würden sich die Leute unter mir noch wegen Ruhestörung beschweren. Erneut schloss ich die Augen. Doch auch dieses Mal konnte ich nicht einschlafen. Stattdessen kam immer wieder ein und das selbe Bild hoch. Dario Blake wie er über mir gebeugt hing und mich mit diesen roten Augen ansah. An seinem Mundwinkel klebte noch ein wenig von meinem Blut. Eine lange nicht mehr gespürte Hitze breitete sich in mir aus. Gänsehaut verteilte sich über meinen Körper. Wütend biss ich mir auf den unteren Teil meiner Lippe. Wieso konnte Blake nicht einfach scheiße aussehen?! Das Gesicht voller Pickel und ein paar unnötige Pfunde mehr auf der Hüfte. Vielleicht noch eine unvorteilhafte Frisur und einen furchtbaren Modegeschmack. Aber selbst dann würde Blake bestimmt noch gut aussehen. „Raus aus meinem Kopf!“ murmelte ich nur noch vor mich hin und schlief Gott sei Dank endlich ein.
„Eva“ rief mir überglücklich Gina entgegen. Gähnend begrüßte ich sie. „Seit wir zusammen weg waren haben wir uns ja gar nicht mehr gesehen!“ stellte sie fest. Tatsächlich hatte ich sie vollkommen vergessen. „Du hast recht“ sagte ich leise und setzte mich auf meinen Platz. Ich konnte nicht glauben, wie schnell die ganzen Tage vergingen. Es kam mir vor als wäre erst gestern der Abend gewesen, wo ich von diesem Mutanten... Werwolf angegriffen wurde. „Und was hab ich alles verpasst?“ erkundigte ich mich, während ich auf den Stapel liegen gebliebener Arbeit starrte. „Hm, ein paar Trennungen, die ersten Umfragen zu Blakes Kandidatur… oh und wir haben eine neue Mitarbeiterin!“ sagte sie und musterte mich. „Man hast du wieder Augenringe, konntest du nicht gut schlafen?“. Ich schüttelte nur verneinend den Kopf und durchblätterte die Dokumente vor mir. Blakes Kandidatur überraschte mich immer wieder aufs Neue. Laut der Umfrage lag er tatsächlich ziemlich weit vorne und über sechzig Prozent der Teilnehmer waren weiblich. Klasse, der Fangirl Club gewinnt.
Die Stunden vergingen und ich hatte noch immer nichts auf die Beine bekommen. Es fühlte sich an als wäre ich in einem falschen Film. Eher als würde ich hier nicht mehr hingehören. Nach all dem was ich wusste konnte ich nicht einfach weitermachen wie bisher. Und doch musste ich es. Selbst wenn ich jemandem erzählen würde, was es für Wesen gibt, würde man mich ohne zu zögern einsperren. „Eva? Alles okay?“ kam es von Gina, welche mit zwei Tassen Kaffee wiederkam. „Du bist schon die ganze Zeit so abwesend“. Bemerkte sie, stellte eine Tasse vor mir ab und ging zu ihrem Platz. „Ehrlich gesagt ist in letzter Zeit so viel passiert. Ich bin nur ein wenig überfordert“ gab ich zu und nahm die Tasse. „Vielleicht solltest du mit Yoga anfangen, das entspannt dich sicher“ sagte sie grinsend. „Ich und Yoga? Da ist mir Sport lieber“ sagte ich lachend und lehnte mich zurück. Rückblickend betrachtet sollte ich wirklich wieder mit Sport anfangen. Nachdem ich die Tasse leer getrunken hatte, arbeitete ich so schnell ich konnte den Stapel vor mir weg. Gina hatte heute schon früher Feierabend, weshalb ich die Meter zum Auto alleine lief. Gerade als ich durch die Eingangstür gegangen war und freien Blick zum Parkplatz hatte stieß ich mit jemanden zusammen. „Entschul-“ kam es aus mir heraus ehe ich mein Gegenüber erkannte. „Lang nicht gesehen, Eva Milani“. Schnell blickte ich mich um und atmete erleichtert auf als ich die ganzen Menschen um mich herum erkannte. Ich konnte nicht glauben das diese Frau mich gefunden hatte. Und sie wusste nun wie ich heiße. „Ich hatte mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Beatrice Oz“ stellte sie sich vor. „Aber du kannst mich auch gerne Bea nennen, wenn du das nächste Mal um dein Leben rennst“ zwinkerte sie mir zu und ging einfach weg. In schnellen Schritten ging ich zum Auto. Meine Hände waren beinah zu verschwitzt um den Schlüssel in die Hand zu nehmen. Als ich dann endlich im Auto saß schloss ich die Türen ab und fuhr los. Wieso wusste sie wer ich war und wo ich arbeitete? Was war wenn sie auch meine Adresse wusste? „OH MEIN GOTT“ schrie ich im Auto und bemerkte wie ein Fußgänger in meine Richtung sah. Hatte ich tatsächlich so laut geschrien? Immer wieder atmete ich tief ein und aus und überlegte was ich machen sollte. Ich war schon beinah zuhause als ich die Richtung änderte und zu Blakes Polizei fuhr. Hoffentlich war er da. Gerade als ich ankamen gingen die Straßenlaternen an. Überrascht sah ich zum Himmel. Mir war gar nicht aufgefallen, wie schnell die Zeit verging. Zitternd ging ich ins Gebäude. Die Frau an der Rezeption winkte mir lächelnd zu und zeigte in die Richtung von Blakes Büro. Ich zwang mir ein Lächeln auf und ging sofort in die Richtung. Vor der riesigen Tür blieb ich dann stehen. Noch einmal atmete ich tief ein ehe ich die Tür aufriss. Und da war er, der zweite Schock. „Auch du heilige“ stammte ich vor mich hin und hielt mir die Hand geschockt vor den Mund. Mein Gesicht lief knall rot an als ich Blakes nackten Hintern umrandet von zwei Beinen sah. Eine blonde Frau blickte hinter ihm hervor. Ihr Kopf war leicht zur Seite geneigt wodurch man ihren Hals sah wo sich Bissspuren und etwas Blut befand. Nun schaute auch Blake über die Schulter. Für ein paar Sekunden blieb sein Gesicht emotionslos, doch dann fing er an zu Grinsen. „Eva willst du mitmachen?“ fragte er, entfernte sich von der Blondine und drehte sich in meine Richtung. Wieso konnte er sich nicht vorher die Hose hochziehen. „Eva? Alles in Ordnung?“ fragte er und kam grinsend auf mich zu. „K-kannst du dich bitte wieder untenrum anziehen? Ich muss mit dir reden!“ Sein Grinsen verschwand und innerhalb einer Sekunde war er wieder angezogen und die Blondine von seinem Schreibtisch verschwunden. „Was ist denn so wichtig, dass du mir nicht mal meinen Spaß gönnst?“ fragte er nach und ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen. „Beatrice!“ sagte ich laut und bemerkte das ich immer noch am zittern war. „Hm? Wer?“ verwirrt musterte er mich. „Diese Werwolf Frau heißt so“. Seine Augen weiteten sich. „Woher weißt du wie sie heißt?!“ fragte er schnell und stand wieder auf. Er beugte sich nach vorne und stützte seine Hände auf der Tischplatte ab. Sofort musste ich wieder daran denken, dass er keine fünf Minuten vorher dort mit dieser Frau Sex hatte. Zugegeben etwas eifersüchtig war ich doch. „Nun ja sie hat sich mir vorhin vorgestellt...“ sagte ich nun leise und zupfte an meinem Oberteil. „Sie weiß wo ich arbeite und wie ich heiße“ ergänzte ich und fing an zu weinen. Wieso musste ich jetzt anfangen zu weinen?! Und vor allem vor Blake?! Blake kam auf mich zu und streckte seine Hand aus, doch bevor sie mich erreichte stand wie aus dem nichts plötzlich Damien neben mir und legte seine Hand auf meinem Kopf. Fragend sah ich zu ihm hoch. „Cerberus, wenn sie das schon weiß, weiß sie bestimmt auch die Adresse“ stellte er fest. „Hat sie sonst noch etwas gesagt?“ fragte Blake. „Nur das ich sie Bea nennen soll, wenn ich das nächste Mal um mein Leben renne“. Plötzlich fing Damien laut an zu lachen. „Was ist daran so lustig?“ fragten Blake und ich beinah zu synchron. „Ich musste nur gerade an ein Video denken wo ein Mörder sich telefonisch angekündigt hatte“. Fragend musterte ich Damien. Auch wenn er sehr bedrohlich wirkte und es auch war, schien er nichts gegen Humor zu haben. Seufzend setzte sich Blake wieder hin. „Damien du bist hier der Älteste, was sollen wir machen?“. Während Blake dies fragte, schaute er leicht verlegen zur Seite. Anscheinend war es ihm peinlich zuzugeben, dass auch er dieses Mal überfordert war. „Also wir hätten mehrere Möglichkeiten“ begann Damien und nahm endlich seine Hand von meinem Kopf. „Plan A und der einfachste: Wir überlassen Menschlein ihr Schicksal“. „Wie bitte was?!“ schrie ich wütend und trat so fest ich konnte gegen sein Bein. Er zuckte kurz auf, ehe er anfing zu grinsen. „Plan B: Menschlein bleibt bei uns bis wir Beawolf gefunden haben oder Plan C: Einer von uns ist immer in Evas Nähe bis Wolfie wiederkommt und wir sie dann endlich ausschalten“. „Wenn ich kurz anmerken darf: Plan A kommt auf keinen Fall in Frage! Vorher kette ich mich an euch fest!“ schrie ich laut und sah beide wütend an. Blake fing wieder an zu grinsen. Langsam aber sicher kann ich dieses Grinsen wirklich nicht mehr sehen. „Dann Plan C“ kam es nach mehreren Minuten des Schweigens von Blake. „Damien du wohnst ab sofort bei Eva bis sich die Sache geklärt hat“. Damien und ich sahen erst uns an und dann zu Blake. Das konnte er doch nicht ernst meinen. „Cerberus!“ schrie er wütend und packte Blake am Kragen. „Ach ihr müsst euch doch meinetwegen nicht streiten“ neckte ich die beiden und bekam sofort wütende Blicke als Antwort.
White. Damien White! Das wäre die Gelegenheit! „Damien ich fände es ehrlich gesagt ziemlich nett von dir, wenn du bei mir bleiben würdest“ heuchelte ich dann vor und machte ihm schöne Augen. Verwirrt sah er zu mir rüber. „Ist das jetzt dein Ernst?“ fragte er mich und ließ Blake los. „Ja. Blake würde das sowieso nicht ernst nehmen und lieber alles was bei drei nicht auf dem Baum ist vögeln“ sagte ich, ging auf Damien zu und klammerte mich an seinen Arm. „Was zur..“ murmelte Blake und sah mich fassungslos an. Dieses Mal war ich es die bis über beide Ohren grinste. Seufzend sah Damien an mir runter. „Wenn es sein muss“ murmelte er während ich ihn hinter mir herzog. Als wir aus Blakes Büro draußen waren ließ ich ihn wieder los. „Eva du bist ne miserable Lügnerin“ sagte er lachend als wir vor meinem Auto standen. „Und Blake ist extrem dämlich das er dir das abkauft“ ergänzter er nun etwas leiser. „Damien i-“ fing ich gerade an zu sagen als er mir auf einmal den Mund zu hielt. „Blake ist uns gefolgt wir reden bei dir weiter“ sagte er und nahm dann seine Hand weg.
Bevor wir zu mir nach Hause fuhren, machten wir noch einen Stopp bei Damien und Blakes zuhause. Ich war überrascht das die beiden zusammen wohnten aber noch überraschter war ich über die Größe das Hauses. Allein das Wohnzimmer in dem ich mich aktuell befand war vermutlich größer als meine Wohnung. Einige Minuten später kam er mit einer Reisetasche wieder. „Wie könnt ihr euch so ein Haus leisten?“. „Vampire können sehr überzeugend sein“ kam es von meinem Begleiter Damien der mich schelmisch angrinste. „Das ist jetzt nicht dein ernst!“. Fassungslos sah ich zu ihm rauf. Während ich hart für mein Geld arbeiten gehe, blinzeln die einmal mit den Augen und bekommen eine Villa geschenkt. Das Leben konnte wirklich unfair sein. Vampire waren im Grunde genommen wie Promis. Einmal lächeln und sofort liebt dich jeder – abgesehen von meiner Wenigkeit. „Damien dein Nachname...“ kam es ohne, dass ich es wollte aus mir raus. „Darum geht es also“. Seufzend streckte er sich. „Cerberus hatte mich schon gewarnt“ murmelte er vor sich hin, sah kurz zu mir runter, und ging dann aus dem Haus raus. Schnell folgte ich ihm. Neugier und Angst verbreiteten sich in mir. „Also ist dein Nachname wirklich White!“ stellte ich fest und hielt ihm am Ärmel fest. „Woher weißt du das überhaupt“ fragte er und riss sich ohne Probleme aus meinem Griff los. Bevor ich ihn ein zweites Mal packen konnte saß er schon in meinem Auto. Wütend setzte ich mich neben ihm. Es machte mich wahnsinnig, dass keiner in der Lage war über meinen Lebensretter zu reden. „Männer“ zischte ich vor mich hin und fuhr los. „Du solltest das was wir für dich machen nicht falsch verstehen. Wir benutzen dich nur um an diese verdammte Frau ran zu kommen. Mit Freundschaft hat das herzlich wenig zu tun. Je weniger du weißt, desto besser ist es für dich!“. Damiens Worte fühlten sich wie ein Schlag in den Magen an. Er erinnerte mich an das, was ich ständig verdrängte: Sie waren Vampire. Ebenfalls meine Feinde. Und nichts und niemand auf dieser Welt konnte mich vor ihnen beschützen. Zumindest niemand den ich kannte. Immerhin konnte ich ja schlecht herumlaufen und nach einem Bodyguard fragen, der es mit Vampiren, Werwölfen, Hexen und anderen diversen Wesen aufnehmen konnte. Verdammt, über diese Wesen sollte es wirklich einen 'Wie beschütze ich mich am besten' Ratgeber geben. Nicht das es wirklich viel ändern würde. Menschen wären nach wie vor zu schwach. Sowieso glaubte ich nicht, dass Menschen und Wesen zusammenleben konnten. Spätestens wenn sich die Menschen von den Wesen unterdrückt fühlen würden, würde der nächste Krieg losgehen. Und bei all den unnötigen Kriegen die es bereits gab, bräuchte das keiner. „Du solltest mich gleich vorgehen lassen“ kam es plötzlich von Damien. Mal wieder war ich so in meinen eigenen Gedanken versunken, dass ich ganz vergessen hatte, dass neben mir noch jemand saß. Kaum waren wir vor dem Familienhaus angekommen, stieg Damien schnell aus und sah sich konzentriert um. Zum ersten Mal sah ich seine roten Augen. Ich hatte den Eindruck das sie sogar noch intensiver leuchteten als Blakes Augen. Wie hypnotisiert starrte ich ihn an. „Also hier ist weit und breit kein Werwolf“ stellte er fest und ging in Richtung der Haustür. Erleichtert atmete ich auf und schloss die Tür auf. Gemeinsam liefen wir die Treppen rauf bis wir meine Wohnungstür erreichten. Drin angekommen ließ ich mich auf mein Sofa fallen. Gemütlich streckte ich mich und gähnte unüberhörbar. „Eva, warum bist du so besessen den weißhaarigen Vampir zu finden?“. Damien setzte sich neben mich aufs Sofa und musterte mich. „Erst wollte ich mich nur bedanken, aber jetzt… jetzt muss ich wissen, wer er ist. Ich bin ihm vor einigen Jahren schon öfters begegnet“ gab ich zu und lehnte mich zurück. Erneut musste ich gähnen. Verdammt der heutige Tag war wirklich viel zu lang geworden. „Okay das ist mir neu…“ murmelte er und tippte plötzlich auf seinem Handy herum. „Er hatte sich mir damals als White vorgestellt. Leider ist das auch alles was ich noch weiß. Ich vermute mal, da ich mich bis vor kurzem nicht mehr erinnern konnte, dass man mir mein Gedächtnis und dann habe ich ein bisschen im Internet recherchiert bis ich auf dich gestoßen bin“. Damiens Augen weiteten sich. „Wo hat er sich dir als White vorgestellt?“.
Und so erzählte ich Damien von meinen Träumen. Ich erzählte ihm alles ins Detail und er hörte aufmerksam zu. Irgendwann gab er zu diesen White zu kennen. Doch egal wie oft ich fragte, wer er nun wirklich war, die Antwort blieb mir verwehrt.
Je mehr Zeit ich mich Damien verbrachte, desto toller fand ich ihn. Natürlich würde ich das niemals zugeben und solange er keine Gedanken lesen kann, würde er das niemals herausfinden. Während unserer gemeinsamen Zeit hatten wir uns schnell angefreundet. Ich zeigte ihm die wundervolle Welt der Videospiele und er schaffte er tatsächlich mich für Fantasy Filme zu begeistern. Zudem rundete sein abartiger Humor das Ganze gut ab. So oft wie in der letzten Zeit hatte ich lange nicht mehr gelacht. Es hieß ja immer Männer und Frauen können keine Freunde sein, aber ich glaube das, dass was wir hatten allen Kritikern das Gegenteil beweisen konnte.
Mittlerweile waren schon mehrere Wochen vergangen. Es stellte sich heraus, dass Beatrice Oz, auch genannt Bea, Beawolf oder Goldlöckchen meine neue Arbeitskollegin war. Anscheinend legte sie es nicht darauf an, mich vor versammelter Mannschaft zu enthaupten. Zudem saß sie auch in einer anderen Abteilung, was das Aufeinandertreffen stark reduzierte. Dennoch machte mich ihre Anwesenheit sehr nervös. Meine Arbeitsleistung wurde Tag für Tag schlechter und die Male in denen ich zu meinem Chef ins Büro geordert wurde, wuchsen. Mein einziges Glück war meine Beziehung mit Blake. Er bestand darauf, dass nur ich in interviewen durfte und da er momentan neben dem ‚Mutant‘ das Thema schlecht hin war, rettete er mir so meinen Job. Vor allem hatte ich mich endlich mit diesem Beruf abgefunden.
Sobald ich mit der Arbeit durch war, traf ich mich wieder mit Damien. Zusammen gingen wir in ein Fitnessstudio, wo er mir versuchte die Selbstverteidigung gegen ein Wesen beizubringen. Außerdem musste ich ständig Ausdauerlauf trainieren. Es nervte mich, da ich wusste, dass ich allein sowieso keine Chancen gegen einen Werwolf oder Vampir hatte. In Momenten wie diesen, wünschte ich mir ein coolerer Hybrid zu sein. Was nützte mir mein Engelblut, wenn ich trotzdem jeden Augenblick von einem tollwütigen Hund zerfleischt werden konnte? Damien und Blake würden nicht für immer auf mich aufpassen. Vermutlich würden sie nachdem wir unser Ziel erreicht haben mein Gedächtnis löschen. Dann wäre ich nicht nur wieder allein, sondern hätte auch keine Ahnung, wie gefährlich unsere Welt wirklich ist. Früher oder später würde mich meine Langeweile und Neugier sowieso wieder in die Fänge des Bösen treiben. Ich war verkorkst.
Insgeheim hatte ich mir all dies doch nur gewünscht. Die Langeweile des alltäglichen normalen Lebens hatte mich so oft zum ausrasten gebracht. Selbst als Jugendliche war mein Leben interessanter gewesen – bis jetzt! Manchmal sehnte ich mich zurück in die Zeit wo ich mit Leichtigkeit an Geld kam. Hacken und Einbrüche waren nun mal das was ich wirklich gut konnte. Dazu kam, dass ich damals noch sportlicher war als jetzt. Über irgendwelche Mauern oder Bäume klettern war ein Kinderspiel.
Und da kam mir die Idee.
Wenn ich mit körperlicher Kraft nicht gegen Beatrice ankommen konnte, musste es mein Verstand wieder gut machen. Insofern ihre persönlichen Angaben nicht erfunden waren, musste ich nur in der Personalabteilung herausfinden wo sie wohnt. Gesagt – getan! In meiner Mittagspause lief ich zur Personalabteilung und durchforstete das leere Büro. Endlich hatte ich die Akte in der alle Angaben über sie standen gefunden. Gerade als ich die erste Seite am Lesen war, hörte ich wie die Kollegen aus ihrer Pause wiederkamen. Schnell stopfte ich die schmale Akte unter mein Oberteil und verschränkte meine Arme leicht. Verwundert sahen mich die zwei Herren an. „Können wir helfen?“ fragten sie und musterten mich von Kopf bis Fuß. „Ich wollte eigentlich nur nach Fragen, wie viele Urlaubstage ich noch habe. Aber ich kann auch später wiederkommen, Sie kommen ja grad erst aus der Pause“ sagte ich und ging auf die Tür zu. „Miss Milani, richtig?“ fragte der eine und ich nickte. „Ich schicke Ihnen die Daten per Email Laufe des Tages“ versicherte er mir, worauf ich mich bedankte und schnell wieder ging. Ohne Umwege ging ich schnell zu meinem Arbeitsplatz, sah mich mehrmals um, ehe ich die Akte in meiner Tasche verstaute. Fakt ist, wenn ich hierbei erwischt werde, bin ich meinen Job auch mit Blakes Hilfe los.
Am späten Nachmittag neigte sich mein Arbeitstag endlich dem Ende zu. Nervös lief ich zu meinem Auto wo mich Damien bereits erwartete. „Blake wartet auf uns“ rief er mir entgegen und wedelte mit seiner Hand. „Dann wartet er halt, ich muss noch mal in die Stadt“. Skeptisch zog Damien eine Augenbraue hoch. „Falls du es nicht vergessen hast, da draußen will jemand deinen Kopf rollen sehen und du willst trotzdem shoppen?“. Seufzend schloss ich mein Auto auf. „Es dauert nicht lange“ versicherte ich ihm und er stieg endlich ein.
In der Stadt kaufte ich ein paar Überwachungskameras und weiteren Technik Kram den man zur Spionage brauchte. Damiens Blick wurde immer fragender. Bevor ich ihn jedoch in meine Pläne einweihen konnte, fuhren wir zu Blake. Wie immer war er bei seiner heiß geliebten Spezial Polizei. Es war ein seltsames Gefühl nach so langer Zeit wieder hier zu sein. Seit dem Damien bei mir wohnte hatte ich Blake nicht mehr gesehen.
Wir liefen gerade den Flur entlang als uns Blake bereits entgegenkam und in die Richtung aus der wir kamen zeigte. Damien blieb automatisch stehen und ließ Blake die Führung. Stumm folgte ich den Beiden zum Eingangsbereich, wo es dann wieder in den Keller ging. Ich schluckte. Die Erinnerungen an diesen Ort hatte ich bereits verdrängt gehabt und jetzt hatte ich das Gefühl als würden sie mich ertränken. Je weiter wir liefen, desto dunkler wurde und enger wurde der Flur. Vor einer schwarzen Tür blieb Blake dann endlich stehen. Er öffnete sie und schaltete im gleichen Stepp das Licht an. „Hier können wir ungestört reden“ sagte Blake und ging ins Zimmer rein. Es erschreckte mich wie riesig dieser Keller war und vor alle wie viele Zimmer es hier gab. Damien schien den Raum zu kennen. Ich dagegen war hier völlig fremd und musterte erst mal alles. Der Raum war relativ klein im Verhältnis zu den meisten anderen Räumen. Die Belichtung war schwach, was durch das fehlende Tageslicht erst recht auffiel, und die Möbel sichtbar alt. Im Allgemeinen sah dies wirklich wie ein klischeehafter Vampir Raum aus den ganzen Filmen aus. Alles war dunkel und alt. Das einzige was etwas moderner aussah, war das Ecksofa, welches den meisten Platz wegnahm. „Willst du noch lange darumstehen und den Raum begutachten?“ neckte mich Blake und deutete mit seiner Hand, dass ich mich setzten soll. Verlegen nahm ich Platz. Mir war gar nicht aufgefallen, wie sehr ich mal wieder in Gedanken versunken war. „Also dann berichtet mal von den letzten Wochen“. Blake musterte Damien und mich, während wir beide uns perplex anstarrten. „Nun was soll man da erzählen. Es war ruhig. Es ist nichts vorgefallen“ kam es dann schließlich von Damien. „Außer als du gegen mich verloren hast und ausgerastet bist“ ergänzte ich fies grinsend. „Und das musstest du jetzt erwähnen, weil?“. „Weil zu Siegen noch schöner ist, wenn es jeder weiß“. Ich spürte wie mein Grinsen immer breiter wurde. Plötzlich zog Damien mich näher an sich und starrte mich bedrohlich an. „Der Zug ist abgefahren, Kollege“. „Ich konnte dich besser Leiden, als du noch Angst vor mir hattest“ knurrte er und ließ mich endlich los. Blake, der gegenüber von uns beiden saß, sah sehr verwirrt aus. „Also eigentlich hatte ich euch hier hergerufen, damit wir dieses verdammte Werwolf Problem lösen und nicht um mir euer geturtelt anzusehen“ hörte ich da etwa ein Hauch von Eifersucht aus seiner Stimme? „Hört zu, es tauchen immer mehr Werwolf Angriffe auf. Diese Beatrice scheint irgendwas zu planen und mir gefällt es ganz und gar nicht, dass sie sich wie ein Mensch verhält. Zudem haben wir morgen Vollmond und ich habe keine Ahnung was uns erwarten wird“. „Im schlimmsten Fall haben wir eine Stadt voller Amoklaufender Welpen“ kam es von Damien. Ein Amoklauf. Soweit hatte ich noch nicht gedacht. Sollte dies wirklich passieren... ich will mir das gar nicht vorstellen. „Deine Spezial Polizei wird das doch hinkriegen oder nicht?“ fragte ich nach. „Insofern wir es nicht mit einer zu großen Anzahl von Werwölfen zu tun haben, ja“. Ich hasse diese Ja-aber Antworten. Umso wichtiger war es, dass ich meinen eigenen Plan in die Tat umsetzte. Vor allem wenn diese wahnsinnige Frau wirklich mit anderen unter einer Decke steckte und ich, wohlgemerkt ohne irgendwelche diversen Superkräfte, das Böse aufhalte... wie cool wäre das denn?! „Na an was denken wir denn jetzt schon wieder?“ fragte Damien und musterte mich. Ein Nachteil, wenn man Wochenlang unter einem Dach wohnt: Man erkennt, wenn der andere was plant! Statt ihm die Wahrheit zu erzählen, grinste ich wie ein Depp nur vor mich hin.
Endlich war es so weit, Samstagabend, Vollmond. Damien ließ mich in meiner Wohnung allein um mit Blake und den anderen Vampiren auf Werwolf Jagd zu gehen. Ich nutzte die Zeit und bereitete einiges vor. Ich hatte bereits die komplette letzte Nacht an einem Trojaner gearbeitet, mit dem ich vollen Zugriff auf ihren Computer haben sollte. Natürlich ging der Plan auch nur auf, wenn sie einen hatte, aber da wir ja im 21. Jahrhundert leben, kann man stark davon ausgehen. Zudem hatte ich noch zwei Überwachungskameras und mehrere Wanzen fertig gestellt. Um das Spionage Feeling zu vervollständigen zog ich mich komplett in schwarz an. Meine Haare machte ich mir zu einem Pferdeschwanz zusammen und zog noch schnell die Brille auf. Dann nahm ich meine Tasche, in der ich alles Bruchsicher verstaut hatte, und machte mich auf den Weg.
Vor der Haustür blieb ich dann noch einmal stehen. Ich atmete tief ein. Entweder ging das in die Richtung Erfolg oder es endete damit, dass mein Kopf dem Gehweg entlang rollt. Na super. Obwohl es stockfinster draußen war, konnte man selbst als Mensch oder Hybrid ohne besondere Fähigkeiten alles ohne Probleme erkennen. Um nicht unnötig das Risiko auf Beatrice zu stoßen zu erhöhen, blieb ich immer in der Nähe der Hauptstraßen. Zwar dauerte der Weg deutlich länger, aber Sicherheit ging nun mal vor. Ich hoffte nur, dass sie dort wirklich wohnte. Als ich dann ihr Haus erreicht hatte blieb ich kurz stehen, ehe ich mich nach möglichen Zeugen oder Feinden umsah, aber weit und breit war niemand zu sehen. So schnell und leise wie ich nur konnte, kletterte ich über die Mauer, welche das alte Haus verbarg. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hier war, aber alle Häuser sahen so herabgekommen und alt aus. Auf der anderen Seite versteckte ich mich noch mal hinter Büschen und beobachtete mit einem Nachtfernglas, ja auch so was hatte ich mit, das Haus. Nirgendwo war Licht an oder eine Person zu sehen. „Jetzt oder nie“ murmelte ich zu mir selbst und ging zur Terassentür, welche ich binnen weniger Sekunden ausgebrochen hatte. Das war bisher wirklich viel zu einfach. War wirklich niemand da? Mit meinem Handy Licht leuchtete ich den Raum ab. Ich befand mich also im Wohnzimmer und ich konnte nirgends einen Computer entdecken. Eine der Kameras, sowie eine Wanze versteckte ich in diesem Raum. Danach ging meine Suche weiter. Mein Ziel war ein Arbeitszimmer oder zumindest etwas was dem nahekam. Erst im Obergeschoss wurde ich fündig.
Mit Blickwinkel auf den Computer deponierte ich eine weitere Kamera plus Wanze. Nachdem das erledigt war, machte ich mich am Computer zu gang. Gerade als ich fertig war hörte ich plötzlich Wölfe aufheulen. Ich schrak. Beinahe hätte ich noch was umgeschmissen. Schnell ging ich zum Fenster und konnte im Mondlicht erkennen, wie sich mehrere Gestalten dem Haus näherten. Unter ihnen auch Beatrice. Würde ich mich hier verstecken, würden sie mich bestimmt finden. Wenn man der Mythologie Glauben schenken darf, war ich Geruchssinn perfekt. Im Grunde genommen, wird sie vermutlich auch riechen, dass ich hier war. Verdammt, soweit hatte ich nicht gedacht. „Fuck“ murmelte ich wütend vor mich hin, hing mir meine Tasche um und lief schnell aus dem Haus raus. Als ich wieder im Garten war, schienen sie noch weit genug weg zu sein. Panisch sah ich mich um. Den Weg den ich kam, konnte ich nicht zurück. Erst in letzter Minute erkannte ich einen weiteren Ausgang. Anscheinend konnte man von zwei Straßenseiten zum Haus. Nachdem ich von dieser Seite keine Stimmen hören konnte, sprang ich die Mauer hoch und sofort wieder runter. Zum Glück hatte ich Recht behalten und es war wirklich niemand hier.
„Hey Bea, hier war jemand! Die Terassentür wurde aufgebrochen!“ schrie auf einmal eine Männerstimme so laut, dass selbst ich es hörte und zusammenzuckte. „Ja ich rieche es!“ schrie sie ebenso laut und wütend. Das war mein Zeichen. Ich rannte so schnell ich konnte Richtung Hauptstraße. Hinter mir versammelten sich immer mehr Geräusche. Überwiegend vernahm ich nur noch das Schnaufen und laute Schritte. Um sein Leben rennen, bekam gerade eine ganz neue Bedeutung. Weit und breit konnte ich keine Menschenseele sehen. Vermutlich hielten sich alle an diese Ausgangssperre. Nur ich war mal wieder dumm genug gewesen um trotzdem vor die Tür zu gehen, allein, nachts, Vollmond, Werwölfe... ja ich war blöd. Die Schritte kamen immer näher. Ich bekam kaum noch Luft. Keuchend rannte ich die Straße weiter entlang. Alles wurde ganz verschwommen von den Tränen, die sich mittlerweile gebildet hatten. Ich wollte noch nicht sterben, nicht hier, nicht allein. Mein ganzes Leben schoss wieder an mir vorbei. Wenn alle Vampire mit jagen beschäftigt waren, würde sogar der weißhaarige Vampir nicht kommen. Alles bebte. Zitternd brach ich zusammen. Beatrice und ihr Gefolge hatten mich fast eingeholt. Verdammter Mist. Obwohl ich keine Kraft mehr hatte, schaffte ich es wieder aufzustehen und weiter zu rennen. Vor mir erkannte ich verschwommen die Lichter der vorbeifahrenden Autos. Die Häuser um mich herum wurden moderner und höher. Ich hatte es beinahe geschafft. Ein letztes Mal blickte ich über meine Schulter um den Abstand besser einschätzen zu können. Meine Augen weiteten sich. Ich schrie laut auf. „Nein!“ hallte meine Stimme durch die Gasse. Beatrice holte mit ihrer Klaue aus und ich drohte erneut zu stürzen. Noch einen zweiten Angriff würde ich nicht überleben. Nein. Nein. Nein! Ich muss weiter rennen! Ich muss schneller rennen! Ein letztes Mal sammelte ich meine Kraft. Mit zusammengekniffenen Augen rannte ich noch schneller. Plötzlich wurde ich von einem starken Windstoß umgehauen. „Was zur..“ murmelte ich vor mich hin und öffnete die Augen. Beatrice und alle anderen Werwölfe waren verschwunden. Nein, nicht sie waren verschwunden, sondern ich! Noch bis vor wenigen Sekunden rannte ich in einer Gasse um mein Leben und jetzt befinde ich mich auf einem Dach. Wie ist das möglich? War das Magie? Hat Blake irgendwelche Zauberer als Ass im Ärmel versteckt gehabt? Oder war es Damien? Vielleicht sogar mein Lebensretter? Egal was es war, es hatte mir meine letzte Kraft geraubt. Egal wie oft ich versuchte aufzustehen, es ging einfach nicht. Meine Beine gehorchten mir nicht mehr. Meine Atmung war noch immer sehr schnell und ungleichmäßig. Ständig schnappte ich nach Luft.
Da lag ich nun. Auf irgendeinem Dach unfähig von selbst aufzustehen. Der Mond strahlte in mein Gesicht und ich schloss die Augen. Ich war entkommen. Ohne die Hilfe von irgendeinem Vampir. Reine Willenskraft und Menschensstärke machten dies möglich. Obwohl das Dach extrem unbequem war, schlief ich vor lauter Erschöpfung ein.
„Hey Eva beeil dich, wir kommen noch zu spät!“ rief mir David entgegen. Genervt verdrehte ich die Augen. Immer musste er mich so hetzen. Da stolperte ich nun in diesen verdammt unbequemen Stöckelschuhen vor mich hin. Qualvoll versuchte ich sein Tempo zu halten. Ohne Erfolg. Ich wurde langsamer. Und dann war es mir auch egal, ob wir zu spät kamen oder nicht. Besser spät als nie oder?
Endlich waren wir da. Ein schickes Resteraunt in dem meine gesamte Familie bereits auf uns wartete. Wäre Davids Auto nicht kaputt wäre das alles nie passiert.
„Eva, Herzlichen Glückwunsch zur bestandenen Prüfung“ riefen sie mir alle entgegen. Ja, ich kam auf meiner eigenen Feier zu spät. Willkommen in meinem Leben. Das einzig Positive an dem heutigen Tag war, dass ich endlich mit meiner Ausbildung abschließen konnte. Ernsthaft, die Jahre haben sich so gezogen. Vor allem am Ende hatte ich nur noch das Gefühl als ginge das nie vorbei. „Hat Eva euch schon erzählt, dass sie zur Prüfung an der Polizei Schule zugelassen wurde?“ platze David auf einmal raus. Verdammt David! „David“ sagte ich leise wütend und stieß im in die Seite. „Wirklich? Wie schön, wir freuen uns so für dich!“ sagten meine Eltern und nahmen mich sofort in die Arme. „Wir haben auch eine Überraschung für dich. Eigentlich gibt es mehrere!“ platze es nun aus ihnen heraus. „Zu aller erst dein Geschenk“ sagte mein Vater und überreichte mir eine kleine Schachtel. Als ich die öffnete, war da ein Schlüssel drin. Ein Autoschlüssel, um genauer zu sein. „Ehm“ stotterte ich Minutenlang vor mich hin. „Das kann ich nicht annehmen!“. „Doch du kannst Eva“ kam es dann schließlich von meinem Vater. „Ich wurde befördert und nachdem wir dir nie wirklich was bieten konnten, ist das das mindeste! Außerdem ist es ein Gebrauchtwagen“. Und das war so ein typischer mein-Vater-Spruch. Ich hätte vermutlich noch Stunden weiter diskutieren können, aber ausnahmsweise nahm ich mein Geschenk einfach an. Sowie die Tatsache, dass meine Eltern für mich, David und meine Geschwister plus deren Anhang alles Essen bezahlten. Also entweder verdient mein Vater wirklich jetzt viel mehr oder es war so unmöglich zu glauben, dass ich was aus meinem Leben mache.
Wenn ich schon mal zum Essen eingeladen werde, kann ich es auch genießen.
Später am Abend gingen David und ich noch alleine aus. Immerhin gab es zwischen uns viel zu bereden. Keiner von uns wusste, wie es mit uns weitergehen würde, wenn ich erst mal umgezogen war. Natürlich wären zwei Stunden kein Weltuntergang, aber wir beide waren der Typ Mensch, der in einer Beziehung rund um die Uhr zusammenhängt. Eigentlich war es ein Wunder, dass wir uns noch nie wirklich gestritten hatten.
„Jetzt wirst du doch keine Kassiererin“ sagte er schmollend grinsend als wir durch den Park liefen. „Und das alles nur dank dir“. Wirklich alles. Wo würde ich jetzt wohl stehen, wenn er damals nicht Babysitter gespielt hätte. Kaum zu glauben, wie sich mein Leben geändert hatte. Ich hatte einen tollen Realschulabschluss und eine abgeschlossene Ausbildung. Zusätzlich wurde meine Akte bei der Polizei verändert. Meine negativen ‚Bemühungen‘ wurden mit schwerer Kindheit und familiären Problemen begründet. Dann folgten aber die Positiven Einträge. Der Chef der Polizeistation hat dann noch ein gutes Wort bei der Polizei Schule eingelegt und schon war meine Zukunft gesichert.
Und doch hatte ich wirklich Angst davor, wie sich alles am verändern war. Ich konnte noch nie gut mit Veränderungen umgehen. Und ein Umzug in eine zwei Stunden entfernte Stadt machte es auch nicht einfacher. Dort wäre ich vollkommen auf mich allein gestellt. Es gab dort keine Familie und auch keine Freunde. Zugegeben, Freunde hatte ich jetzt auch nicht wirklich. Was das angeht, war ich schon immer eher der Einzelwolf. Dennoch wäre es schön zu wissen, dass da jemand ist, auf den ich mich verlassen kann. Eigentlich fände ich es schön, wenn David mit mir kommen würde. Als Polizist hätte er ja auch dort arbeiten können. „Eva einer von uns muss das unvermeidliche aussprechen und da du es nicht machst, muss ich es ja wohl“ riss es mich aus meinen Gedanken. So war David schon immer. Direkt und ohne Samthandschuhe. Mein Mund wurde trocken und meine Augen fingen an zu brennen. Ich durfte jetzt ja nicht weinen. „Ich glaube nicht, dass das mit uns weiter funktionieren wird. Du denkst es bestimmt auch, hab ich Recht?“. Ich nickte nur. Jegliche Kraft war weg. Ich fühlte mich leer und komplett auf mich allein gestellt. Meine Ängste von eben verstärkten sich binnen einer Sekunde. Die Luft zum Atmen wurde dünner. „Eva sag doch auch mal was dazu“ befahl er in einem sanften Ton, aber ich konnte es einfach nicht. Minutenlang liefen wir schweigend nebeneinander her. Der kühle Abendwind zerstörte meine Frisur und die verdammten Schuhe meine Füße. Gerade fühlte sich alles scheiße an und der Drang einfach nur drauf los zu weinen wurde nur noch größer. Dennoch blieb ich stark. Einer meiner größten Schwächen war meine größte Stärke. Ich hasste nichts mehr als meine Schwäche vor anderen zu zeigen.
Mittlerweile waren wir fast zuhause. Konnte ich seine Wohnung denn jetzt noch überhaupt zuhause nennen? „Bis du umziehst, kannst du gerne noch hier wohnen“ kam es dann wieder von David. Seine Bemühungen eine Konversation zu starten nervten mich. „Nein“ brachte ich dann letzten Endes heraus. „Ich habe nach wie vor ein Zimmer bei meinen Eltern und außer Klamotten, Schuhen und meinen Videospielen besitze ich nichts“. Und das war auch mein Glück. Hätte ein Teil der Möbel mir gehört, hätte ich schon wieder nicht gewusst, wohin damit, aber so, mit leichtem Handgepäck, sah die Sache doch schon viel gemütlicher aus. David sagte daraufhin kein Wort. Stattdessen schloss er die Wohnungstür auf und holte ein paar leere Kartons, die ich bereits die letzten Tage besorgt hatte. Nur hatte ich nicht geplant, bereits heute Abend hier auszuziehen. Während ich im Schlafzimmer meine Klamotten und Schuhe verpackte, was tatsächlich alles in einen größeren Karton gepasst hatte, packte David meinen anderen Kram in Kartons. Typisch Mann bestand er darauf alles zum Auto zu tragen. Ein letztes Mal sah ich mich in der Wohnung, wo ich beinahe zwei Jahre verbrachte, um. Alles würde mir fehlen, abgesehen vom Frühstück. „Hey Eva, wenn du sonst noch irgendwas brauchst, melde dich bei mir“. Das war sie also, seine Verabschiedung? Kein ‚es war eine schöne Zeit mit dir‘ oder ‚bleib doch noch etwas länger‘? Wie erbärmlich war das denn bitte? Ich passte mich seiner Kürze an und antwortete nur mit einem ja. Dann stieg ich auch schon ins Auto ein, trat die Kupplung durch, drehte den Schlüssel im Zündschloss um und schon startete der Motor und ich fuhr los. Je länger ich fuhr, desto verschwommener wurde alles. Die Tränen liefen meine geröteten Wangen herab, den Hals entlang, bis sie an meinem Kleid stoppten. Das war selbst für mich zu viel des guten. Zitternd hielt ich auf einem leeren Parkplatz an und schaltete den Wagen aus. Viel zu klischeehaft fing es dann auch noch an zu regnen. Da saß ich nun, allein, in meinem Auto, während es regnet, und heulte mir die Seele aus dem Leib.
Plötzlich hörte ich wie etwas vibrierte und alles wurde immer düsterer um mich herum.
Die Vibration wurde stärker. Was war das? Mein Handy vielleicht? Verdammt alles schmerzte. Ich öffnete die Augen und befand mich auf einmal in einer mir völlig fremden Umgebung wieder. Wieso war ich auf einem Dach? Wieso schlief ich auf einem Dach? Es war kalt und nass. Ich zitterte am ganzen Leib. Was war nur passiert? Beim Versuch meine Beine zum Aufstehen zu bewegen, scheiterte ich komplett. Selbst meine Arme fühlten sich zu schwer zum Bewegen an. Man konnte mir erzählen was man wollte, aber das war definitiv nicht normal. „Entschuldigen Sie, Miss?“ ertönte plötzliche eine alte, raue Männerstimme neben mir. Ich erschrak und schrie laut auf. „Beruhigen Sie sich“ kam es wieder von dem Mann, der nun in meinem Sichtfeld stand. „Was machen sie hier oben?“ fragte er mich. Das fragte ich mich auch. Ich überlegte an gestern Abend. Ich konnte mich noch dran erinnern, dass es Vollmond war und die Vampire alle auf Jagd waren. Aber was habe ich gemacht, vor allem allein, hier draußen? Dann wanderte mein Blick an mir runter. Ich hatte eine schwarze Leggings und einen schwarzen dünnen Pullover an. Zudem meine Sportschuhe und neben mir lag eine Tasche. War ich joggen? Mitten in der Nacht? Ungeduldig sah der Mann zu mir runter. „Ich war laufen“ sagte ich dann leicht verwirrt und versuchte wieder aufzustehen, wieder ohne Erfolg. „Nun das würde Ihre Kleidung erklären, aber was machen Sie hier oben?“ hakte er nach. Wieder überlegte ich. „Ich kann mich daran erinnern, wie ich lief. Ich bin so schnell wie noch nie zuvor in meinem ganzen Leben gelaufen. Ich glaube ich bin vor irgendwas weggelaufen. Ich weiß es nicht mehr“ gab ich zu. „Können Sie sich wenigstens noch daran erinnern, wie Sie hier rauf gekommen sind?“. „Ich kann mich nur dran erinnern, wie ich gerannt bin und... ich war erschöpft. Irgendwann war ich einfach hier“. Seufzend holte der alte Mann sein Handy aus der Hosentasche und rief einen Krankenwagen. Dann half er mir auf und brachte mich vom Dach runter. Wie sich herausstellte gab es für Menschen nur einen Weg zum Dach: das Treppenhaus und eine verschlossene Tür, welche nur der Hausmeister, seine Wenigkeit, aufschließen konnte. Kein Wunder das er so verwundert war. Aber wie kam ich denn dann bitte hier hin?
Unten angekommen ließ der Krankenwagen nicht lang auf sich warten. Nur wenige Augenblicke später war er bereits da. Sofort stellten die Sanitäter fest, dass ich unterkühlt war. Für mich hieß das, dass ich mit ins Krankenhaus musste. Dort stellte man mir dann ähnliche Fragen wie der Hausmeister. Mein Glück, dass er mich nicht wegen Hausfriedensbruch oder Betreten von unbefugten Boden, wenn das überhaupt so hieß, angezeigt hatte. Nachdem ich wieder eine normale Körpertemperatur und was gegessen hatte, durfte ich wieder gehen. Obwohl ich bereits seit Stunden wach war fühlte sich alles wie ein Filmriss an. Ziellos lief ich auf dem Gehweg entlang. Plötzlich breitete sich ein schmerz in meinem Kopf aus. Hatte ich irgendwas getrunken? Verdammt was war nur passiert? Auf einmal vibrierte es wieder. Es war meine Tasche. Mit meinen wackeligen Beinen blieb ich stehen. Die Vibration wurde erneut stärker und stärker. Ich öffnete die Tasche und nahm mein Handy in die Hand. Ich wurde angerufen. Von Damien. Zögernd ging ich dran. „Eva!“ schrie er wütend, doch ein Hauch von Erleichterung war zu hören. „Hi“ sagte ich leise und setzte meinen Lauf fort. „Wo zur Hölle warst oder viel mehr bist du?“ fragte er nach. Wenn ich das mal selbst wüsste. „Also gerade bin ich in der Nähe vom Krankenhaus“. „Gut dann treffen wir uns bei Blake, komm dahin, ohne Umwege“ befahl er und legte auf. Na super. Ich wollte einfach nur nach Hause und wenn ich jetzt nicht dorthin gehe, gab es das nächste Problem. Seufzend packte ich mein Handy wieder ein und ging nun in die andere Richtung. Wieder vorbei am Krankenhaus, Richtung dem Stadtpark und dem daraus angrenzendem Gebäude Blakes Spezialpolizei. Am Eingang konnte ich schon von weiten Damien erkennen, welcher mich natürlich sofort erkannte und mir dann entgegen gelaufen kam. „Eva?“. Er sah mich schockiert an. Ich hatte kaum mehr Kraft zum Laufen, Stehen, geschweige denn zum Antworten. Anscheinend erkannte er dies und hatte mich keine Sekunde später in seinen Armen. Wie eine Prinzessin trug er mich die Stufen zum Eingang hoch, ging dann hindurch, wo wir von Blicken verfolgt wurden, bis er die Kellertreppe erreichte. „Ich will da nicht schon wieder runter“ murmelte ich vor mich hin. „Ich aber“ kam es grinsend von meinem Prinz Charming und er ging die Treppe herunter. Mit jedem Schritt den er ging wurde mein Bewusstsein schwächer. Alles um mich herum wurde dunkler und verschwommener. Verdammt ich musste wirklich was getrunken haben, aber wieso haben die Ärzte dann nichts gesagt? Nach einer gefühlten Ewigkeit blieb er endlich stehen. „Tiana, kannst du mal die Tür öffnen?“ fragte er und eine junge, hübsche Frau kam sofort zu uns. Sie musterte mich kurz, ehe sie die vor uns liegende Tür öffnete. Vor uns befand sich jenes Zimmer, in das Blake mich bereits gebracht hatte. Damien setzte mich auf dem Bett ab und nahm dann auf dem Stuhl Platz. „So kleiner Mensch, ich warte auf eine gute Geschichte“. Sein Blick wurde etwas finsterer. „Ich auch“ konterte ich, was, so wie ich Damiens Blick einschätzte, ein großer Fehler war. Meine Augen weiteten sich. Es war nicht nur Wut, sondern Sorge, die sich in seinem ganzen Gesicht, seinem Körper, niederzeichnete. „Was ich eigentlich sagen wollte“ korrigierte ich mich, „ich weiß nicht mehr genau was passiert ist“ gab ich zu und ließ mich einfach ins Bett fallen. Es war so bequem. Perfekt wäre gewesen, wenn ich frische Klamotten anhätte. Aber fürs erste gab ich mich hiermit zufrieden. Erst als die Tür erneut aufging richtete ich mich wieder auf. Dieses Mal war es Blake. Ich hatte mich schon gewundert wo er war. Immerhin waren wir doch jetzt ein gutes Team. Oder irgendwas in der Art. „Hast du ihre Erinnerungen gelöscht?“ fragte auf einmal Damien und stand schützend vor mir. „Was?“ kam es fragend von Blake. Sein Blick zu urteilen, wusste er wirklich nicht was los war. Und ich war zu müde um ihrem Gespräch richtig zu folgen. Immer wieder verstand ich nur einzelne Wörter heraus.
Wie aus dem nichts kamen dann diese Höllen Kopfschmerzen wieder. Aus Reflex hielt ich mir die Hände an den Kopf und schrie vor Schmerz auf. Tränen liefen meine Wangen herunter, während zwei vollkommen überforderten Vampire an mir herabsahen. „Macht das es aufhört“ schrie ich die beiden an. Ich konnte einfach nicht mehr. Blake setzte sich auf einmal dicht neben mich und legte seine Hand auf meine Stirn. Der Schmerz ließ auf einmal nach, aber dafür kam etwas ganz anderes wieder hoch. Lauter wirre Gedanken schossen durch meinen Kopf und ich konnte sie nicht zuordnen. „Eva?“ Blakes Stimme, aber ich konnte nicht antworten. Als wäre ich eingefroren. „Verdammt was geht in deinem Kopf vor?“ sagte nun Blake seufzend und drückte mich ohne Vorwarnung unter sich an die Matratze. Noch immer liefen die Tränen meinem Gesicht herab. Ich erkannte wie Blake schluckte. „Tu es“ ermutigte Damien ihn. Was ging hier vor sich? Was soll er tun? Verdammt wieso sagt mir keiner was hier abgeht? Auf einmal hatte ich nur noch das starke Bedürfnis von hier weg zu rennen. „Egal was er tun soll, ich will es nicht“ schluchzte ich unter Blake und hielt mir schützend die Arme vors Gesicht. Insgeheim wusste ich natürlich, dass mich sowas vor einem Vampir nicht schützen würde. Nun mischte sich auch Damien ins Geschehen ein. „Ich halte ihre Arme fest Cerberus“ sagte er und packte meine Handgelenke, welche er dann über meinen Kopf an die Matratze presste. War Blake etwa doch ein perverser Vergewaltiger und Damien sein Komplize? Blake näherte sich meinen Kopf, stoppte aber als die Tür aufgerissen wurde. „Ich habe Schreie gehör…“ kam es von dieser Tiana, die ihren Satz beinah schneller abgebrochen als sie angefangen hatte. Mit offenem Mund verließ sie rückwärts den Raum und machte schnell die Tür zu. Ich hörte nur noch wie ihre Schritte sich entfernten. Das konnte doch nicht ihr Erst sein? Hier ging irgendwas Kriminelles vor sich und sie sah einfach weg! Und das aller schlimmste war: eine Etage weiter oben befindet sich eine Polizei. Wenn das mal nicht die Ironie schlecht hin war.
Nachdem man keine Schritte mehr hören konnte, näherte Blake sich mir wieder. Sein Blick fixierte mein verängstigtes Gesicht. Was war hier nur los? Er atmete tief ein und dann streckte er seine Arme nach meinem Gesicht aus. Seine Hände waren geformt, als wöllte er mich erwürgen. Stattdessen presste er seine Daumen fest auf meine Stirn, während der Rest seiner Finger sich um meinen Kopf legten. „Blake?“ wimmerte ich erneut unter ihm, doch er antwortete nicht. Sein Griff wurde immer fester und meine Schmerzen kamen wieder. Erneut schrie ich auf. Statt das Blake aufhört machte er weiter. Je fester sein Griff wurde, desto mehr schrie ich. Dieses Mal war ich mir sicher, dass mich irgendwer hören musste. Es konnte doch nicht sein, dass dieses Geschreie unhörbar war. Doch ehe ich mich versah war der Schmerz weg und ich hörte endlich wieder auf zu schreien. Dennoch stimmte irgendwas nicht. Alles war wieder verschwommen, sogar noch stärker als vorher. In meinen Ohren war ein entsetzliches Piepen und Rauschen. Anhand der Lippenbewegungen von Damien und Blake konnte ich sehen, dass sie miteinander redeten. Damien beugte sich dicht über mein Gesicht und musterte mich fragend, dann redete er wieder mit Blake. Pluspunkt für mich: anscheinend wollten sie mich nicht vergewaltigen oder umbringen. Minuspunkt: ich war immer noch nicht in Freiheit, was mit anderen Worten hieß, was noch nicht ist, kann noch werden. Wieder versuchte ich mich zu befreien, aber mein Körper bewegte sich kein Millimeter. Blake hob mein Gesicht ein wenig an und zwang mich so in direkt anzusehen.
Als ich ihm dann direkt in die Augen sah, schaltete sich mein Gehirn einfach ab.
Panisch sah ich mich um. Den Weg den ich kam, konnte ich nicht zurück. Erst in letzter Minute erkannte ich einen weiteren Ausgang … „Hey Bea, hier war jemand! Die Terassentür wurde aufgebrochen!“ schrie auf einmal eine Männerstimme so laut, dass selbst ich es hörte und zusammenzuckte. „Ja ich rieche es!“ … schrie sie ebenso laut und wütend … Ich rannte so schnell ich konnte Richtung Hauptstraße. Hinter mir versammelten sich immer mehr … Ich bekam kaum noch Luft. Keuchend rannte ich die Straße weiter entlang … Wenn alle Vampire mit jagen beschäftigt waren, würde sogar der weißhaarige Vampir nicht kommen … Beatrice und ihr Gefolge hatten mich fast eingeholt. Obwohl ich keine Kraft mehr hatte, schaffte ich es wieder aufzustehen und weiter zu rennen … Meine Augen weiteten sich. Ich schrie laut auf … Beatrice holte mit ihrer Klaue aus und ich drohte erneut zu stürzen … Ein letztes Mal sammelte ich meine Kraft. Mit zusammengekniffenen Augen rannte ich noch schneller. Plötzlich wurde ich von einem starken Windstoß umgehauen. „Was zur..“ murmelte ich vor mich hin und öffnete die Augen. Beatrice und alle anderen Werwölfe waren verschwunden. Nein, nicht sie waren verschwunden, sondern ich! Noch bis vor wenigen Sekunden rannte ich in einer Gasse um mein Leben und jetzt befinde ich mich auf einem Dach. Wie ist das möglich? War das Magie? Hat Blake irgendwelche Zauberer als Ass im Ärmel versteckt gehabt? Oder war es Damien? Vielleicht sogar mein Lebensretter? Egal was es war, es hatte mir meine letzte Kraft geraubt …
„Dieses dumme Weib!“ schrie auf einmal Blake so wütend, dass ich unter ihm zusammenzuckte. „Cer, beruhige dich!“ mahnte Damien Blake und zog ihn schnell von mir runter. Verwirrt beobachtete ich die beiden. „Was ist denn los?“. „Was los ist? Damien sie hat sich ihr eigenes Gedächtnis zerschossen!“ Blake schrie so laut als er dies sagte. Aber was meinte er mit Gedächtnis zerschossen? Als ich mich aufrichten wollte, bemerkte ich freudig, dass mein Körper endlich wieder machte was ich wollte. Diese Chance konnte ich mir nicht entgehen lassen! Ich sammelte meinen ganzen Mut und die bisschen Kraft die ich hatte und sprang in einem Stepp vom Bett runter, fiel beinahe um, und rannte zur Tür los. Doch bevor ich diese überhaupt erreicht hatte, stand vor mir Damien, Arme verschränkt, und ein Blick der sagte ‚hier kommst du nicht durch‘. Gegen meinen Willen setzte ich mich also wieder aufs Bett. „So Eva, wie wärs, wenn du Damien und mir mal erzählst, was du wirklich gestern gemacht hast“ befahl Blake und setzte sich auf den Stuhl, wo zuvor Damien saß. Damien dagegen stand noch immer bei der Tür. „Ich hatte doch bereits gesagt, dass ich es nicht weiß!“ rechtfertigte ich mich, doch noch beim Reden fiel mir wieder alles ein. Oh mein Gott. Mit offenem Mund starrte ich zu Blake, während ich meine Gedanken endlich zuordnen konnte. „Ich war bei Beatrice…“. „Du warst was?!“ schrie nun Damien, kam in schnellen Schritten ans Bett und rüttelte wütend an mir. „Bist du Lebensmüde?!“.
Lebensmüde. Ja das war ich anscheinend. „Aber wenn ihr beide mir gestern Abend nicht das Leben gerettet habt, muss es ja der Vampir mit den weißen Haaren gewesen sein!“ stellte ich nach nur wenigen Sekunden fest. „Nein“ kam es prompt von Blake. „Er kann weder sich, noch einen anderen teleportieren“. Damien klappte die Kinnlade herunter. Teleportieren? Er sprach nicht wirklich von Teleportieren? „Und ich dachte Zeitanhalten wäre cool“ jammerte gespielt Damien und setzte sich schmollend aufs Bett. „Hätte ich gestern Abend die Zeit anhalten können, hätte ich das lieber getan. Dann hätte ich mir in aller Seelen Ruhe einen sicheren Platz gesucht, von dem ich deren verwunderte Gesichter betrachten könnte“ sagte ich und schmollte ebenfalls. „Ich weiß ja nicht ob ihr beiden den Ernst der Lage nicht kapiert aber, EVA KANN SICH TELEPORTIEREN!“ Blakes wütende Stimme riss und beide aus den Gedanken. „Und wieso kann Menschlein das? Soweit ich weiß können nur Engel sich teleportieren. Wobei es das Gerücht gibt, das nur mächtige und überaus starke Nephilim ebenfalls diese Fähigkeiten besitzen“ beantwortete Damien nun seine eigene Frage. Das hieß für mich also, dass ich doch nicht so ein unnötiger Hybrid war, wie ich es dachte. Ich könnte mir ein Grinsen nicht mehr verkneifen. „Eva du solltest dich lieber nicht zu früh freuen. Engel bleiben lieber unter ihres Gleichen. Wenn ein Nephilim von ihnen erkannt wurde, wird er mitgenommen. Deshalb wissen die meisten Wesen nicht mal das es welche gibt“. „Du nimmst mich doch auf den Arm“ sagte ich und stand auf. Mehrmals lief ich auf und ab durch den gesamten Raum. „Seh’s positiv, wenn die Engel dich finden und mitnehmen, bist du Beawolf los“ sagte nun grinsend Blake, der sich anscheinend wieder beruhigt hatte. Wütend war er mir lieber, dann musste ich sein verdammtes Grinsen nicht sehen. „Aber was, wenn ich nicht mit ihnen mit will?“ fragte ich in die Runde und blieb stehen. „Soweit ich weiß, hat man da kein Mitspracherecht“ sagte Damien und Schmerz breitete sich in seinem Gesicht aus. Und was das angeht, da kannte ich mich aus. Es war jenes Gesicht, welches man machte, wenn man an etwas Schmerzvolles dachte. Eher an einen Geliebten von dem man verlassen wurde. „Damien?“ hakte ich nach.
„Früher, vor Jahrtausenden kamen die Engel noch öfter auf die Erde um dort Kinder mit Menschenfrauen zu zeugen. Damals war es den Engel noch nicht untersagt. Nachdem es aber mehr Nephilim als Engel gab, musste man Grenzen setzen. So verbot man den Engeln Kinder zu zeugen. Vereinzelnd gab es aber immer wieder Engel die sich nicht an die Gebote hielten. Wurden sie erwischt verbannte man sie“ begann Damien zu erzählen. Neugierig lauschte ich jedem seiner Worte. „Die Kinder der gefallenen Engel werden meistens Wahnsinnig, weswegen die Engel sich nur um einen Bruchteil ihrer Nachfahren kümmern“ er machte eine kurze Pause, ehe er wieder weitersprach. „Nephilim wie dich, Eva“. „Hast du so was mal erlebt?“ fragte nun Blake. „Ja vor mehreren Hundert Jahren. Eine gute Freundin von mir war ein Nephilim und bereits Jahrelang auf der Flucht als ich sie kennen lernte. Da ich alles über Wesen versuche zu lernen, habe ich sie eine Zeitlang auf ihrer ‚Reise‘ begleitet. Von ihr weiß ich auch, dass Nephilim ab ihrem achtzehnten Lebensjahr aufgespürt werden, insofern sie vorher nicht schon dem Wahnsinn verfallen sind“. Seine Worte trafen mich wie eine Klinge im Herzen. Diese Frau von der er sprach, war also jahrelang auf der Flucht. Ehrlich gesagt wollte ich nun den Rest der Geschichte gar nicht mehr Wissen. „Damien erzähl weiter die Geschichte!“ forderte Blake, der wie ein kleines Kind auf dem Stuhl ungeduldig hin und her rutschte. „Lepha war seit ihrem achtzehnten Lebensjahr auf der Flucht. Als ich sie kennen lernte, war sie bereits dreißig und doch sah sie kaum älter als ein Teenager aus. Sie erklärte mir, dass das daran lag, das Nephilim sehr langsam altern sobald sich ihr Wesen manifestiert hat“. Damien stoppte erneut. Es machte ihm anscheinend schwer zu schaffen, darüber zu reden. „Du musst nicht weiter reden“ erklärte ich ihm. „Doch, damit du weißt was auf dich zu kommen wird. Eva, als wir herausgefunden haben, dass du ein Nephilim bist habe ich mich sehr gewundert. Du bist nicht nur bereits über zwanzig, du sieht auch so aus. Aus irgendeinem Grund haben die Engel dich noch nicht gefunden. Wenn du wirklich gestern Abend eine Engel Fähigkeit nutzen konntest, bist du ab jetzt in größerer Gefahr als vorher“.
Engel. Lichtwesen, die verbotener Weise Kinder mit Menschenfrauen zeugen und riskieren in die Hölle verbannt zu werden. Halbengel, die Nephilim, die von den Engeln gejagt werden, da diese ihre Existenz nicht dulden. Und ausgerechnet ich bin so etwas? Wie soll ich jetzt darauf reagieren? Soll ich mich freuen, weil das die Garantie für ein aufregendes, vermutlich sehr kurzes, Leben ist oder soll ich weinen, weil ich vermutlich nie die Chance auf ein normales Leben haben werde? Noch vor einigen Wochen dachte ich ja, dass ein Werwolf mein größtes Problem ist, aber wenn jetzt sogar der Himmel hinter mir her ist. Verdammt, in was bin ich da nur hereingeraten? Und wieso konnte ich den gestern auf einmal diese Fähigkeiten benutzen und bei meinem ersten zusammen treffe mit Beatrice nicht? War es die Erkenntnis über den Ernst der Lage? Der verzweifelte Wunsch nicht zu sterben? Was war es nur?
„Damien was ist mit deiner Freundin passiert?“ fragte ich nun die alles entscheidende Frage. „Wir beide sind jahrelang zusammen herumgereist. Oft vergaßen wir, in was für einer Situation Lepha war. Wir genossen jede Sekunde. Und wenn Lepha doch mal in Schwierigkeiten steckte, hielt ich für sie die Welt an. Im wahrsten Sinne des Wortes“ Damiens lächeln verriet nicht nur mir seine wahren Gefühle, auch Dario Blake hatte nun endlich kapiert, dass es hier nicht um eine Freundin ging, sondern die Freundin. Vermutlich hatte er ein schlechtes Gewissen, weil er ihn immerhin zum weitererzählen gedrängt hatte. „Leider waren meine Fähigkeiten lang noch nicht so gut, wie sie es heute sind. Ich war schneller erschöpft, wenn ich die Zeit anhielt und wir mussten uns dann verstecken. Dumm nur wenn man ein unzerstörbares GPS mit sich mitträgt. Lepha war mittlerweile schon über vierzig. Zu ihrer Verteidigung, sie sah immer noch jung aus. Die Engel wurden immer aggressiver was ihre Jagd anging. Ihre Fangversuche passierten in immer kürzeren Abständen. An dem Tag hatte ich bereits mehrmals die Zeit angehalten. Ich war so erschöpft, dass ich nicht mal mehr vampirisch laufen konnte. Also rannten wir wie zwei Menschen um unser Leben. Sie umkreisten uns und drohten damit uns zu töten. Lepha dagegen akzeptierte ihr Schicksal nicht. Das hatte sie nie. Sie stand auf und kämpfte. Sie konnte locker mit einem Engel mithalten. Ihre Fähigkeiten waren unglaublich. Ich dagegen hatte mehr mit mir selbst zu kämpfen. Ich war beinah zu schwach um auf meinen eigenen Beinen zu stehen“ erzählte Damien und holte Luft. Es rückte dieses verrückten Uralten Vampir in ein Licht das man nicht für möglich halten konnte. „Der Kampf dauerte eine Ewigkeit, da Lepha über eine sehr nützliche Fähigkeit verfügte. Sie konnte um sich herum ein Schutzschild errichten. Sie schütze uns beide bestimmt Stundenlang. Aber wie bei uns Vampiren werden auch Nephilim nach einer Zeit kraftlos. Das Schutzschild fiel und so auch Lepha. Ich weiß noch wie ich mich über sie gebeugt habe. Die Engel hätten erst mich töten müssen. Freiwillig hätte ich sie nie hergegeben. Einer der Engel packte mich an meinen Haaren und zog mich hoch. Er meinte noch zu mir, es wäre schon eine Schande das ein Engel mit einem Menschen zusammen war, aber ein Halbengel und ein Vampir würde er niemals zu lassen. Gesagt getan. Er warf mich mit Leichtigkeit gegen einen Baum. Alles um mich herum wurde schwarz. Als ich zu mir kam waren die Engel mit Lepha verschwunden“.
Ich fing an zu weinen. Ich schluchzte. Diese Geschichte hatte mich zu tiefst gerührt. Sie war über zwei Jahrzehnte auf der Flucht und dann Endet einfach alles. Und das schlimmste ist, dass Damien nie herausfinden wird, ob sie Lepha wirklich getötet haben. Natürlich wäre sie mittlerweile auch gestorben, aber ich stelle es mir trotzdem so schrecklich vor. Dann erinnerte ich mich daran was Blake Wochen zuvor zu mir sagte. Damien hatte ihm immer eingetrichtert keine sterblichen Freunde zu haben. Vermutlich allein wegen diesem Erlebnis. Wer hätte gedacht, dass Engel so grausam sein konnten. „Eva das ist kein Grund zum Weinen. Außerdem haben die Engel dich bis jetzt ja gar nicht aufgesucht. Vielleicht gibt es mittlerweile so wenige Nephilim, dass sie gar nicht mehr jagen“ versuchte Damien mich zu beruhigen. Dummerweise weinte ich nicht meinetwegen. „Ich weine wegen dir, du Vollidiot!“ schrie ich und stürmte aus dem Zimmer raus. Dieses Mal sah es keiner der beiden für Notwendig mir den Weg zu versperren. So schnell ich konnte rannte ich den schmalen Flur entlang, die Treppe hoch, durch den Empfangsbereich, stürmte durch die Eingangstür und lief ohne anzuhalten nach Hause.
Es war zwar eine Erleichterung endlich zuhause, gebadet und mit frischen Klamotten angekleidet, zu sein und dennoch konnte ich mal wieder nicht abschalten. Musste ich mich jetzt etwa jeden Tag fragen, ob Engel nun hinter mir her waren? Plötzlich klingelte es an meiner Tür. Genervt ging ich zu der Sprechanlage. „Blake ich habe jetzt wirklich keine Nerven für einen deiner Besuche“ kam es ohne Nachzudenken aus mir heraus. „Blake? Dario Blake?“ quietschte es am anderen Ende. Oh nein! Tatsächlich war es Gina, die mir einen Überraschungsbesuch abstattete. Schnell entschuldigte ich mich bei ihr und ließ sie herein. „Eva warum stehen hier Männerschuhe?!“. Verdammt ich hatte ganz vergessen, dass theoretisch Damien noch hier mit wohnte. Jetzt musste ich mir was Gutes einfallen lassen. Immerhin hatte ich wirklich keine Lust Gina noch in diesen Wesen Kram mit reinzuziehen. „Ein guter Freund von mir wohnt für eine Weile hier, bis er eine Bleibe hat“ log ich so ernst ich konnte. „Nur ein guuuuter Freund?“ kam es sofort von ihr. „Ja, wirklich“ sagte ich ernst, immerhin war das ja auch die Wahrheit. „Los zieh dir was an, wir zwei gehen zusammen Essen. Ich fahr auch“ platze es aus ihr raus. Normalerweise hätte ich jetzt wieder rum diskutiert, aber ganz ehrlich nach den letzten Wochen konnte ein bisschen Ablenkung echt nicht schaden. Schnell ging ich in mein Schlafzimmer, zog mir eine schwarze Lederhose, ein bordeauxrotes Top und eine schwarze Lederjacke an. Danach ging ich noch mal schnell ins Bad, Haare und Make up machen. Wobei ich mich für einen dezenten Look entschied und anschließend zog ich mir noch schwarze Schuhe an. Im Grunde sah ich aus wie immer, nur etwas schöner. Als ich Handys, Schlüssel und Geldbeutel eingepackt hatte, zog ich noch meine Brille auf und los ging es.
„Weißt du in letzter Zeit warst du so abgelenkt und überhaupt nicht mehr du selbst, da hab ich mich gefragt, ob nicht irgendwas passiert ist?“ sagte Gina während wir auf unser Essen warteten. Ihre Führsorge um mich rührte mich. Lächelnd sah ich sie an. Ich hatte das erste Mal seit langem das Gefühl einem anderen Menschen vertrauen zu können. „Wenn ich zurück überlege hatte ich nie wirklich Freunde, mit denen ich über Probleme reden konnte. Ich war schon immer ein Einzelgänger. Mein Exfreund dagegen war das krasse Gegenteil. Und irgendwie hatte er es dann auch geschafft, dass ich anfing mich Menschen anzuvertrauen. Nach der Trennung war dann alles Vertrauen weg. Und als ich dann hier her gezogen bin, bin ich zu einem echten Stubenhocker mutiert. Es gibt nur mich, meine Wohnung und ab und an die dämliche Arbeit. Manchmal realisiere ich deswegen auch nicht, wenn ich mich distanziere“ sprudelte es nur aus mir heraus. Es tat plötzlich so gut über alles reden zu können. „Das ist doch vollkommen in Ordnung, wenn man wo wohnt, wo man niemanden kennt, aber dafür hast du doch mich. Du solltest anfangen mehr mit mir weg zu gehen. Beim nächsten Mal stelle ich dir einfach mal meine ganzen Freunde vor. Wie zum Beispiel auf meiner Geburtstagsfeier nächste Woche“ sagte sie dann und zwinkerte mir zu. „An deinen Geburtstag hätte ich schon wieder gar nicht gedacht“ gab ich zu. „Ich weiß“ lächelte sie und endlich kam unser Essen. Gina war tatsächlich eine gute Freundin. Beim Essen musste ich mich schwer zusammen reisen nicht alles auf einmal in mich rein zu schaufeln. Mit dem bisschen, was ich heute im Krankenhaus gegessen hatte konnte man das immerhin nicht ansatzweise vergleichen. Und ansonsten gab es heute nur gähnende Leere als Essen. Diese Wesen-Sache brachte mein Leben so durcheinander, dass ich sogar Essen ausfallen ließ.
Als wir mit dem Essen durch waren und bezahlt hatten, kam Gina noch mal mit zu mir in die Wohnung, wo zu meiner Überraschung Damien bereits auf mich wartete. Skeptisch zog er eine Augenbraue hoch, als er mich mit Gina sah. „Ich dachte du hast außer mir keine Freunde?“ kam es grinsend von ihm. „So das ist also der gute Freund der ne Weile bei dir wohnt. Was macht die Wohnungssuche?“. Damien erkannte sofort, dass ich ihr etwas erzählt hatte. „Die guten sind zu teuer und die billigen zu hässlich“ sagte er und irgendwie hatte ich das Gefühl das wir hier nicht mehr über Wohnungen redeten. Gina dagegen schien seine Bemerkung amüsant zu finden und setzte sich sofort zu ihm aufs Sofa.
„So wie habt ihr zwei euch kennen gelernt? Ich weiß ja am besten wie schwierig es ist Eva als Freundin zu gewinnen“. Auch wenn Gina recht hatte, der Spruch hatte gesessen. „Eva, jetzt hörst du es endlich mal von einer anderen Person, du musst lernen offener zu werden“ neckte mich Damien, während er sich grinsend zurücklehnte. Dabei betonte sein Shirt, wie muskulös er eigentlich war. Vom Körper her sah er eigentlich sogar noch besser aus wie Blake. Verdammt wieso fing ich schon an die beiden miteinander zu vergleichen?! „Ich hol uns was zu trinken“ schrie ich schon beinah aus mir raus und rannte in die Küche. Mit Wein und drei Gläsern kam ich dann wieder. „Also Eva und ich haben uns vor ein paar Monaten, kurz nachdem Mutanten Angriff bei Dario kennen gelernt“. Oh man, dieser Idiot konnte doch nicht Blake bei Eva erwähnen. „Dario Blake?!“ quietschte sie. „Da fällt mir ein… Eva, an der Freisprechanlage hast du auch Blake erwähnt!“. Aus dem Schuh kam ich nun nicht mehr heraus. „Ich kann Dario anrufen, dann kann er sich ja zu uns gesellen“ sagte grinsend Damien und hatte bereits das Handy in der Hand. „Oh mein Gott…“ murmelte ich noch zwischen den beiden. Zu meinem Verwundern sagte Blake tatsächlich zu. Wieso? Eine halbe Stunde später klingelte es dann erneut. Herzlichen Glückwunsch – dieses Mal war es wirklich Blake. „Ich hab gehört hier wird gefeiert und das ohne mich“ sagte grinsend Blake, während er sich zwischen mir und der Tür vorbei quetschte und zu Damien und Gina ging. Zudem hatte er auch noch irgendeinen Schnaps oder ähnliches mitgebracht. Ich holte noch ein Glas und setzte mich dann neben Gina. Da saßen wir nun. Zu viert, in meiner Wohnung, als wären wir alle Freunde. Dabei mied ich so oft ich konnte das direkte Gespräch mit Blake. So wie ich Gina mittlerweile kenne, würde ihr sofort auffallen, dass wir nicht wie Bekannte reden. „Eva, war sie nicht die Freundin mit der du in dem Nachtclub warst?“ fragte nach wenigen Minuten Blake. „Oh mein Gott Dario Blake erinnert sich an mich!“. Wieso musste ich mir Gina jetzt als Leiterin des offiziellen Dario Blake Fangirl Clubs vorstellen? „Ach nenn mich doch nur Dario, Gina. Dann bist du wenigstens einen Schritt weiter als Eva“ sagte er lachend und grinste mich dann schelmisch an. „Blake du bist so ein Idiot“ sagte ich und streckte ihm die Zunge raus. Sofort klappte Gina die Kinnlade runter. Sie sah aus als wöllte sie was sagen, doch dann packte sie mich am Arm und zog mich hinter sich mit in mein Schlafzimmer. „Eva? Ich muss alles wissen! Seit wann bist du mit Dario Blake befreundet und die Art wie ihr mit einander redet und euch anseht… Oh heilige Scheiße! Habt ihr mit einander gevögelt?!“ mit jedem Wort wurde sie lauter. „Nein!“ sagte ich prompt, wurde aber dennoch rot im Gesicht, wie ich dank meines Spiegels erkennen konnte, als ich Blake unten nackt wieder vor Augen hatte. Verdammt sollst du sein Blake, verdammt! Da Gina unbedingt mehr Zeit mit den Beiden verbringen wollte, beließ sie es dabei und ging sofort zurück. Ich für meinen Teil sah noch einmal zu meinem Spiegel. Die Röte war noch immer vorhanden. Mein Herz schlug schneller. Und plötzlich kam alles hoch. Ich drückte mir meine Hände gegen die Brust. Irgendwie hatte ich gehofft, mein Herz würde sich wieder beruhigen. Aber Fehlanzeige. Stattdessen blieb ich immer länger in meinem Zimmer. Ich lehnte mich an der Wand zurück und schloss die Augen. Wieso ausgerechnet jetzt? Konnte ich nicht an so was denken, wenn ich allein bin und nicht das Wohnzimmer voll mit meinen einzigen Freunden habe? „Eva?“ Blakes Stimme ertönte plötzlich neben mir. Ich zuckte auf und öffnete die Augen. „Alles okay?“ fragte er nach und kam einen Schritt auf mich zu. Ich hatte ganz vergessen wie gut er in normalen Klamotten aussah. Mein Blick huschte noch mal zum Spiegel. Verdammt, mein Gesicht war noch immer rot. Blakes musternder Blick machte es nicht besser, eher schlimmer, denn mein Herz schlug gegen meinen Willen wieder schneller. Seufzend sah Blake mich an. Natürlich hatte er mich durchschaut. Er hatte mich ja bereits in der ersten Sekunde die wir uns kannten durchschaut. Wie aus dem nichts stand er auf einmal direkt vor mir. Unserer Körper waren so nah einander, dass sie sich beinah berührten. Er stützte seine linke Hand neben meinem Gesicht ab, während die rechte mein Kinn anhob. „Nach all dem was ich dir bereits gesagt habe, empfindest du dennoch so?“ hauchte er mir entgegen und setzte sein verboten scharfes Grinsen auf. Aber nicht nur sein Grinsen sollte verboten werden. Sein Blick, sein Gesicht, sein Körper und diese Hitze, die sich in mir ausbreitete. Viel zu langsam näherte er sich meinem Gesicht. Ich war wie gelähmt von dieser Lust. Wie konnte so was nur möglich sein? Seine Lippen streiften über meine und doch war es kein Kuss. Stattdessen beugte er sich zu meinem Hals, den er dann küsste. Eine nie gekannte Lust durchfuhr mich. Und ich hasste mich dafür. Denn das letzte was mein Verstand wollte war Dario Blake. Leider sah mein Körper das anders. Als Blake aus heiterem Himmel seine rechte Hand an meinen Kehlkopf legte und meinen Kopf so zwang nach oben zu schauen, verspürte ich keine Angst sondern pure Lust. Sein Griff wurde etwas fester, während er die andere Hand an meine Taille legte und meinen Körper ganz an seinen presste. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Diese Hitze drohte mich um zu bringen. Und dann biss er zu. Diese Art wie er mich biss war kaum auszuhalten. Es erregte mich viel zu sehr. Wie konnte ein Biss einen nur so erregen? Mein Herz schlug noch schneller. Jede einzelne Faser meines Körpers sehnte sich nach mehr. Blake stoppte und richtete sich wieder auf. An seinem Mund tropfte noch Blut runter. Seine Augen waren leuchtend rot. Die schwarzen langen Haare fielen im vereinzelnd ins Gesicht. Und ich drohte bei diesem Anblick zu ersticken. Mein Verstand sagte mir als ich sollte abhauen, so lange ich noch konnte, aber hinter mir war nur die Wand und vor mir ein Vampir. Ein ziemlich gutaussehender Vampir. Ein ziemlich gutaussehender Vampir, der mir bereits gesagt hat, wie gerne er spielt. Und ich war doch nur eine artige junge Frau, die noch nie einen One Night Stand hatte und in ihrem ganzen Leben nur mit einem typen Sex hatte. Und wieso musste ich jetzt daran denken? Blakes Grinsen riss mich aus den Gedanken. „Willst du dich vielleicht doch dem Dario Blake Fanclub anschließen?“. Diese verdammte selbstgefällige Art. „Niemals“ zischte ich und versuchte mich aus seinem Bann zu befreien. „Schade“ hauchte er, ehe er sich wieder ganz über mich gebeugt hatte. Seine Größe war wirklich beeindruckend und beängstigend zu gleich. Ruckartig hob er mich an meinen Beinen hoch und drückte mich, samt seinem Gewicht, gegen die Wand. „Da…rio Blake, du verdammter“ kam es nur noch aus mir raus, ehe er mich mit einem Kuss zum schweigen brachte. Seine kalte Hand streifte unter meinem Top entlang. Überall wo er mich berührte kribbelte mein Körper. Wieso mussten wir beide eigentlich noch Klamotten anhaben. Plötzlich bemerkte ich einen Druck zwischen meinen Beinen. Es war er, sein bestes Stück. Schnell streifte er mir mein Top vom Körper und warf es quer durch den Raum. Er löste sich von meinem Mund und neigte sich zu meinem Dekolleté. Keine Sekunde Später flog auch mein BH durch den Raum. Seine Berührungen brannten wie Feuer auf meiner Haut.
„Also Gina ist nach Hause“ kam es plötzlich von Damien, der am Türrahmen angelehnt uns beobachtete. Blake lies mich sofort los. „Wie lange bist du schon da?“ fragte ich voller Scharm. „Keine Sorge noch nicht lang. Aber falls du es noch nicht wusstest, Vampire hören besser als Menschen. Ich musste nicht anwesend sein um zu wissen was hier vor sich geht“. Oh mein Gott. Auf einmal realisierte ich was beinahe passiert wäre und Damien hatte es erfolgreich verhindert. Überglücklich rannte ich Damien in die Arme. „Danke“ sagte ich mehrmals ehe ich ihn wieder losließ. Doch dann zog er mich an meinem Arm zurück, mit dem ich noch immer meine Brüste bedeckte. „Cerberus du hast von ihr getrunken? Also wirklich“ sagte er tadelnd und ließ mich dann auch schon wieder los. Schnell zog ich mir meinen BH und mein Top wieder an. „Damien du hättest ihren Blick sehen müssen ich konnte nicht anders“ rechtfertigte sich nun Blake und verließ mein Zimmer. Damien und ich folgten ihm ins Wohnzimmer, wo wir uns dann noch mal über das Werwolf Problem unterhielten. Auch wenn ich wirklich den Worten folgen wollte, war ich gedanklich noch bei eben. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass das wirklich passiert war.
Keine halbe Stunde später war Blake wieder verschwunden. „Eva, Blake hat dich manipuliert, damit du bei so einer Aktion mit machst“ kam es schlagartig von Damien. „Sicher? Wenn ich ehrlich bin hatte ich es schon bevor er kam in Erwägung gezogen…“. „Aber du hättest es nie unter solchen Umständen gemacht. Außerdem kam noch dazu das er extrem hungrig war. Du musst wissen, dass sie Jagd uns auch viel Energie gekostet hat und nachdem du verschwunden warst haben wir dich die halbe Nacht gesucht, statt uns selbst auszuruhen“. Das war der Stimmungskiller den ich brauchte. Ein schlechtes Gewissen, perfekt. „Und was ist mit dir?“ fragte ich nach und stellte bereits durch seinen Blick fest, dass eine mündliche Antwort nicht nötig war. Ein müdes Lächeln zierte sein Gesicht. „Eva, denk nicht mal an so was!“ mahnte er mich als könnte er meine Gedanken lesen. Vermutlich hatte aber mein Blick wieder mal mehr gesagt als notwendig. „Aber so könnte ich mich revanchieren“ rechtfertigte ich mich, stand auf und beugte mich über ihn. Er hatte auf jeden Fall mehr Selbstbeherrschung als Blake. Seufzend blickte er an mir hoch. Noch immer tropfte ein Wenig Blut an meinem Hals entlang. Nicht viel aber genug um Damien zu überzeugen. „Du bist wirklich ein dummes Weib“ sagte er noch grinsend, ehe er mich zu sich runterzog und keine Sekunde später zu biss.
Am nächsten Tag wurde ich von Ginas Fragen durchbohrt. Gott sei Dank war sie nicht wütend. Dennoch hätte es soweit nicht kommen dürfen. „Eva Milani?“ rief plötzlich ein Mitarbeiter aus einer anderen Abteilung. Ich zuckte kurz auf und drehte mich dann in seine Richtung. „Ja?“. „Könnten Sie vielleicht Frau Oz kurz unter die Arme packen?“ fragte er und verschwand blitzschnell. Scheiße.
Gegen meinen Willen ging ich zu Beatrice Oz, die mich noch am Samstag töten wollte. „Eva, Liebes“ rief sie mir entgegen und nahm mich in die Arme. Ganz ehrlich, ich hatte noch nie in meinem Leben so eine Angst. „Komm doch mal bitte kurz mit“ sagte sie, hakte sich bei mir ein und riss mich mit sich mit. Erst im Fahrstuhl ließ sie mich los. Prompt klickte sie auf den Knopf der zum Stillstand führte. Ich nehme alle Gedanken von vorhin zurück. Jetzt hatte ich die Angst meines Lebens. „Du riechst aber ganz schön nach Vampir, Liebes. Oh und dieser blaue Fleck an deinem Hals. Trägst du deswegen heute die Haare offen?“. Ihre Stimme klang klar und doch so bedrohlich. „Was willst du von mir?“. Überrascht musterte sie mich. Vermutlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass ich zur Gegenfrage ausholte. „Wissen was du bist. Meine Jungs und ich haben weit und breit keinen deiner Unterstützer gewittert. Wie konnte ein Mensch sich in Luft auflösen?“.
Ah. Darum ging es ihr also. „Ein Mischwesen“ sagte ich dann Brottrocken. Wütend kam sie einen Schritt näher. „Und welches Wesen steckt zur Hälfte in dir?!“. „Engel“. Ich musste ehrlich sagen, dass es mir spaß machte so gleichgültig auf die Fragen zu antworten. Geschockt wisch sie einige Schritte zurück. „Es gibt Engel also wirklich?“ fragte sie sich mehr selbst als mich und wirkte sehr nachdenklich. „Anscheinend, hab aber auch noch nie einen gesehen“. „Gut, Frage Nummer zwei. Was hast du in meinem Haus gemacht?“. „Hinweise für dein Vorhaben gesucht, wurde aber nicht fündig“. Verdammt, ich hatte ganz vergessen, dass ich ja auch bei ihr im Haus war. „Du bist aber Lebensmüde“ stellte sie fest und klickte wieder auf den Knopf. Endlich bewegte sich der Fahrstuhl wieder. „Und du scheinst es spektakulär zu mögen oder? Ich mein du hättest mit Leichtigkeit mir grade das Genick brechen können“ sagte ich und hasste mich zugleich dafür, dass ich das laut ausgesprochen hatte. „Stimmt, aber wo bleibt der Spaß, wenn man der Beute nicht hinterherrennen kann?“ konterte sie und stieg wieder aus dem Fahrstuhl aus. Kurz zögerte ich, stiegt dann aber auch aus. „Wäre es nicht sinnvoller, wenn du dich nicht auf ein unwichtiges Detail stürzt, sondern auf das wahre Problem?“ rief ich ihr noch hinterher. Grinsend drehte sie sich um. „Kind, ich liebe deine Denkweise. Und die Art wie du es dich traust offen zu sagen, was du denkst. Aber ist es nicht lobenswert von mir, dass ich nach all der Zeit immer noch am Ball bleibe? Die meisten hätten doch schon längst das Handtuch geworfen“. Jeder andere würde vermutlich jetzt denken, dass wir über irgendeine Sportart oder sonstiges redeten. Und keiner, dass es um Werwölfe und Vampire geht. Das Leben konnte schon ganz schön lustig sein. „Und nenn mich ruhig Bea“ sagte sie noch, kurz bevor sie in einen anderen Gang abbog. Schade das sie auf der falschen Seite stand. Ansonsten hätte ich mir sie sogar als Freundin vorstellen können.
Die Tage vergingen und Ginas Geburtstag stand an. Ich hatte ihr eine silberne Kette mit einem kleinen Anhänger, sowie passenden Ohrringen besorgt. Im Gegensatz zu mir liebte sie Schmuck über alles. Auf ihren Wunsch hin fragte ich auch Damien und dieser für mich Blake, ob sie zu Feier mitkommen. Damien sagte zu, Blake ab. Ich hatte den Eindruck, dass er mir seit Sonntagabend aus dem Weg ging. Zugegeben, ich war jetzt auch nicht wild darauf ihn wieder zu sehen. Aber Gina hätte sich bestimmt gefreut.
Zusammen mit Damien kreuzte ich dann vor ihrer Haustür auf. Sie hatte es so gut ein eigenes Haus zu besitzen. Anscheinend konnte man sich in einer festen Partnerschaft so einen Luxus ohne Probleme leisten. Das Haus war klein, hatte aber dennoch für alles genug Platz. Die Einrichtung war schlicht und modern. Alles passte perfekt zusammen. Sogar ein kleiner Garten mit Terrasse war vorhanden. Dort befanden sich auch die meisten ihrer Gäste. Kaum zu glauben wie Groß ihr Freundeskreis war. Es schien so als würden sich hier alle bereits kennen.
„Du musst Eva Milani sein, stimmt’s?“ kam ein Mann auf mich zu und reichte mir die Hand. „Ich bin Elias, Ginas baldiger Exfreund“. Mit offenem Mund sah ich ihn an. In seiner freien Hand spielte er mit einer kleinen schwarzen Schachtel. „Haha, du hättest dein Gesicht grade sehen müssen Eva“ sagte lachend Damien und reichte seine Hand Elias entgegen. „Ich bin Damien, neben Gina, Evas einziger Freund“. Das hatte er nicht wirklich gesagt. Eva kam aus dem Haus raus und direkt zu uns. Elias umklammerte die Schachtel noch etwas mehr, sodass man sie kaum sah. „Den Spruch hab ich gehört, Damien“ sagte sie lachend und warf sich mir um den Hals. „Schau mal, ich hab grad den Schmuck von dir angezogen. Danke“ glücklich gab sie mir einen Kuss auf die Wange.
Gina und Elias passten wirklich gut zusammen. Gespannt wartete ich darauf das Elias ihr endlich den Antrag machte. So wie es aussah wusste hier, bis auf Gina, auch jeder Bescheid. Wahrscheinlich hatte er den Spruch bei jedem gebracht. Je später es wurde, desto besser wurde die Feierlaune. Nach dem Essen gab es dann ein Programm. Alle saßen an den Tischen und hörten aufmerksam zu. Auf einer improvisierten Minibühne präsentierte Elias eine Diashow von sich und Gina. Unglaublich das die beiden bereits seit sechs Jahren zusammen waren. Am Ende der Diashow sah man beide glücklich zusammen im letzten gemeinsamen Urlaub. Im Hintergrund war das Meer und der darauf spiegelnde Sonnenuntergang zu sehen. Plötzlich ertönte aus allen Ecken Elton John’s Can you feel the love tonight. Es war unbeschreiblich, wie perfekt das Lied zum Bild und der daraus entstandenen Stimmung passte. Gina sah verwirrt zu Elias, doch als er vor versammelter Mannschaft auf die Knie ging, wusste auch sie was hier los war. Zitternd holte er das Kästchen hervor. „Gina Sophie Berg willst du meine Frau werden?“ während er dies sagte, öffnete er die Schachtel und ein wunderschöner silberner Ring mit einem kleinem Diamanten kam hervor. Gina kreischte Minutenlang ja. Alle Applaudierten und gratulierten dem frisch verlobten Paar. Obwohl es mich sehr für Gina freute überkam mich ein kleiner Schmerz als ich sie so glücklich und unbekümmert sah. „Der Traum eines jeden Mädchen, was?“ kam es dann von Damien, der sich neben mich setzte. Wir saßen etwas abseits von den anderen, sodass man unser Gespräch kaum hören konnte. „Wünschst du dir das nicht?“ fragte ich nach und starrte weiter auf den Ring an ihrer Hand. „Was? Nein, ich bin doch kein Mädchen!“ sagte er lachend und klopfte mir mehrmals leicht auf die Schulter. Ohne wirklich nachzudenken, eher wie in Trance, sagte ich dann: „Und wenn es Lepha wäre?“. Er verstummte kurz. „Sie war ein Nephilim, sie wäre vor mir gealtert und gestorben“ war seine Antwort. „Was wenn nicht? Und sie wäre nie gejagt worden? Hättest du sie dann geheiratet?“. „Ja“ kam es ohne zu zögern von ihm. Ich war überrascht. Er liebte sie nach all den Jahren also immer noch. „Behalt es für dich“ mahnte er mich noch grinsend. „Klar, wir sind doch jetzt Freunde“ neckte ich ihn und stach ihm mit meinem Ellenbogen leicht in die Seite. „Da du mir eine unangenehme Frage gestellt hast, darf ich jetzt auch“. Ich ahnte schon in welche Richtung das ging. „Was empfindest du für Cerberus? Ich mein, er ist wie ein kleiner Bruder für mich. Da hab ich doch bestimmt Mitspracherecht!“. Seufzend lehnte ich mich zurück. „Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Ich mein er sieht gut aus und ist auch hilfsbereit. Ich werde es ihm niemals vergessen, wie er für mich und meine Familie da war, aber auf der anderen Seite ist er so.. ah so. Na du weißt schon. So Blake-Haft halt“ gab ich zu und sah zum Himmel empor. Das wunderschöne Abendrot und die paar Wolken, ich liebte solche Abende. „Cerberus, besser gesagt Dario war schon immer etwas eigen. Du musst eines über ihn wissen. Neben mir bist du auch sein einziger Freund. Naja Freundin. Er hat ebenfalls Schwierigkeiten sich anderen zu öffnen. Dabei kommt er überall gut an“ sagte Damien und es riss mich aus meiner Bewunderung für die Natur. „Das ist jetzt nicht wahr?!“. „Doch, doch. Er, nun er würde es nie zugeben, aber er sehnt sich nach seinen Eltern. Nach elterliche Führsorge. Wenn er jedoch wüsste, wie seine Eltern sind, wöllte er sie vermutlich nicht mal kennen lernen. Bei uns Vampiren ist es nicht gern gesehen, wenn man sich mit anderen Wesen vermehrt. Natürlich würden wir unser Gleichen nie jagen. Aber wenn du die Vampir Jägerin, die wirklich von allen gefürchtet wird, heiratest und ein Kind kriegst und sie beim Jagen unterstützt, glaub mir das kommt nicht gut“. Bei seinem letzten Satz musste ich lachen. „Verdammt und ich dachte meine Familie wäre verkorkst“ sagte ich und fing an zu lachen. Ich wusste ja bereits, was für Wesen Blakes Eltern waren, dennoch hatte ich über diesen Aspekt nie nachgedacht. Damiens Grinsen wurde breiter.
„Und was ist mit dem weißhaarigen Vampir? Sind sie auch verwandt? Ich mein, Ähnlichkeiten gab es da ja schon“. Und schon war das Grinsen weg. „Wieso interessiert er dich nur so sehr?“. „Erst wollte ich mich nur bedanken, weil er mir das Leben gerettet hat, aber nachdem er in mehreren meiner Träume auftauchte glaube ich das wir eine Vergangenheit hatten. Vielleicht ein gemeinsames Gespräch. Irgendetwas musste da doch vorgefallen sein, weswegen mein Gedächtnis gelöscht werden musste. Irgendwie fühle ich mich zu ihm angezogen. Und ich kann es noch nicht mal erklären“. „Oh…oh“ stammte Damien vor sich hin. „Was?“. „Nichts mir ist nur eingefallen, dass ich den Herd angelassen habe!“ und da rannte er davon, mit der mit Abstand schlimmsten Ausrede, die ihm hätte einfallen können. „Eva komm gesell dich zu uns!“ rief Gina und ich gehorchte ihr.
Als ich wieder nach Hause kam, waren Damiens Sachen komplett verschwunden. Hier stimmte irgendwas nicht. Und ich werde auch rausfinden, was es war.
Zuerst dachte ich, ich würde mich freuen, sobald ich wieder meine Ruhe hätte, aber es fühlte sich so leer und einsam an. Ehrlich gesagt, fehlte es mir diesen Vollidioten, der mein Urururur-was-auch-immer-Vater sein könnte, bei mir zu haben. Wieso musste er so überstürzt gehen? Es konnten ja schlecht die Fragen über den weißhaarigen Vampir gewesen sein. Zumindest nicht allein. Seufzend ließ ich mich auf mein Sofa fallen. Was wenn Beatrice herausfindet, dass ich nicht mehr rund um die Uhr beschützt werde? Vielleicht würde sie sich dann hier her trauen.
Apropos Beatrice. Schnell sprang ich vom Sofa auf und holte meinen Laptop. „Wollen wir doch mal sehen, was sie ausbrütet“. Neugierig schaute ich mir die Überwachung seit Samstag an. Zuerst passierte nichts Ungewöhnliches, doch ab Sonntagabend passierte es dann. Beatrice Haus war voll mit anderen Leuten. Ich konnte noch nicht zuordnen, ob sie alle Werwölfe waren oder nicht, aber sie schienen verwandt zu sein. Ein alter Mann wurde ständig mit ehrenwerter Mister angesprochen. Manche sagten den Namen Oz noch dazu. Er schien ihr Oberhaupt zu sein. Also lebten diese Werwölfe in einem Rudel? Wie Tiere? Naja irgendwie waren sie das auch. Als ich dann den Ton aktivierte, blieb mir der Atem weg.
„Großvater bist du sicher, dass wir sie schon angreifen können?“ fragte Beatrice den alten Mann. „Aus irgendeinem Grund ist Cerberus besonders abgelenkt in letzter Zeit, Das ist unsere Chance. Wenn wir erst mal ihn und sein Gefolge erledigt haben… die Vampire werden noch in diesem Jahr ausgerottet. Alle“ seine alte Stimme versagte bei manchen Wörtern. „Und was ist mit dem Reinblüter und der Nephilim?“. „Alles unwichtig. Vor allem was sollte uns ein Nephilim anhaben?“. Voller Spott lachten sie in ihrer Runde. Ein noch relativ jung aussehender Mann, vermutlich in meinem Alter, trat hervor. „Ganz im Notfall, droht sie mit den Zeugen Jehovas“. Beatrice liefen die Tränen vor lauter Lachen und selbst ich kugelte vor mich hin. Wer auch immer er war, ich liebte seinen Humor.
Den Spruch sollte ich, wenn ich das nächste Mal um mein Leben renne, bringen. Mal sehen wie sie dann reagieren.
Bis auf diese Familienzusammenkunft gab nichts Außergewöhnliches.
„Wir halten fest: Die Werwölfe versuchen nicht nur die Vampire hier umzubringen, sie wollen die gesamte Welt von Vampiren befreien“ sammelte ich noch mal meine Erkenntnis und ging zu meinem Auto. Sofort fuhr ich zu Blakes Polizei. In Windes eile stürmte ich durch den Eingang, wurde aber am Empfang abgebremst. „Miss Milani, Mister Blake ist zurzeit nicht da“ rief mir die Empfangsdame entgegen. „Aber er ist immer da?“. „Er ist zuhause. Wenn es so wichtig ist, sollten sie dort hin“. Da mir seine Adresse noch bekannt war, fuhr ich sofort weiter. Mittlerweile war es draußen wieder dunkel. Die Straßenlaternen gingen alle nacheinander an. Ich vermisste ehrlich gesagt, die Zeit in der man abends ohne Bedenken vor die Tür gehen konnte. Durch den Feierabendverkehr dauerte es beinah eine halbe Ewigkeit bis ich das riesige Haus erreicht hatte. Mehrmals klingelte ich, doch niemand öffnete mir die Tür. Also entweder war doch keiner da oder ich war nicht willkommen. Irgendwas an der Sache gefiel mir überhaupt nicht. Seufzend lief ich auf und ab, während ich alle zwei Sekunden weiter auf die Klingel drückte. Doch selbst nach über zehn Minuten gab es keine Veränderung. Was war nur los? Verdammt sie waren doch Vampire? Sie mussten mich doch hören. „Männer“ zischte ich dann wütend vor mich hin und lief ums Haus herum. Vor meinen Augen erstreckte sich ein riesiger Garten. Unglaublich in was für einem Luxus diese zwei lebten. Als ich über die Terrasse schlenderte, erkannte ich im ersten Stock ein offenes Fenster. „Spätestens, wenn ich beim Versuch da hoch zu klettern abstürze und sich unter mir eine Blutlache bildet werden sie schon raus kommen“ sprach ich zu mir selbst, ehe ich mein Glück versuchte. Ich nahm noch einmal Anlauf und dann sprang ich an der Hauswand hoch und erreichte mit ach und Krach eine Vorrichtung, an der ich mich festhalten konnte. Es kostete mich viel Mühe, mein eigenes Gewicht hoch zu drücken. Vor allem, da ich keine Stütze unter meinen Füßen hatte. Eine falsche Bewegung und ich stürzte mindestens zwei Meter in die Tiefe. Ich würde es überleben, dennoch wollte ich es auf jeden Fall vermeiden. Knapp einen Meter über mir befand sich das Fenster. Noch immer hielt ich mich mit beiden Händen an dem einzigen Fest, dass mir in dieser Höhe halt bot. Selbst wenn ich nur mit einem Arm los ließ um nach dem Fenster zu greifen, könnte ich es riskieren abzustürzen. Kurz gesagt, ich war wirklich aus der Übung was Einbrüche anging. Ich atmete tief ein und streckte mich so gut ich konnte. Kurz bevor ich den Halt verlor, erreichte ich die Fensterbank. Erstaunlicherweise war sie robuster als sie zunächst aussah. Mühselig zog ich mich hoch und kletterte durch das Fenster, wo ich dann auch noch fast stecken blieb. War das etwa ein Zeichen für eine Diät? Kurz sammelte ich mich, ehe ich weiterging. Leider stellte sich das als äußerst nervig und teilweise schwierig heraus. Draußen hatte ich immerhin noch das Laternenlicht, sowie die schwachen Strahlen des Mondes. Hier drin dagegen war keines der Beiden vorhanden. Nachdem ich gegen etwas stieß, holte ich mein Handy heraus. „Das kann doch nicht wahr sein“ zischte ich wütend vor mich hin, als ich feststellen musste, dass das Akku leer war. Seufzend tastete ich mich voran. Endlich erreichte ich die Tür. Noch bevor ich sie öffnete, tastete ich neben dem Rahmen die Wand ab, in der Hoffnung einen Lichtschalter zu finden. Tatsächlich wurde ich fündig. Als das grelle Licht dem Raum erleuchtete, fand ich mich in einem Badezimmer wieder. Überrascht musterte ich das Bad. Vermutlich war dieser kleine Raum teurer als meine gesamte Wohnungseinrichtung. Aber was hätte man denn bitte anderes von dem reichsten Junggesellen der Stadt erwartet? Immerhin war die Spezialpolizei nur eins seiner ganzen Projekte. Zugegeben auch sein Bekanntestes, aber soweit ich wusste gehörten ihm mehrere Unternehmen auf der Welt verteilt. Überall kannte man ihn, während ich nur ein unbedeutender Mensch war. Schluckend öffnete ich schließlich die Tür. Durch das Badezimmerlicht konnte ich vor mir einen Flur erkennen. Bevor ich mich nach einem neuen Weg umsah, ehe entschied, suchte ich weitere Lichtschalter. Nachdem auch der Flur komplett beleuchtet war, sah ich mich weiter um. Dieses Haus war noch größer als ich dachte. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie klein ich mich im Wohnzimmer fühlte, als ich mit Damien hier war.
Verzweifelt lehnte ich mich an der Wand an. Ich hatte nun die ganze obere Etage und das meiste des Erdgeschosses nach den beiden abgesucht, aber keinen von ihnen oder wenigstens einen Hinweis wo sie sein könnten gefunden. Geistesabwesend tapste ich vor mich hin. Irgendwann befand ich mich in der Küche. Sie befand sich auf der hinteren Seite des Hauses. Eine riesige Fensterfront ermöglichte den Blick in den Garten. Ich konnte nicht anders als mir vorzustellen, morgens gemütlich am Tisch zu sitzen, meinen Kaffee zu schlürfen und die wundervolle Aussicht auf den Garten zu genießen.
Wie aus dem Nichts stieg die Einsamkeit und Trauer in mir hoch. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Mir wurde schlecht. Alles fühlte sich seltsam an. Wieso musste ich jetzt so empfinden? Oft hatte ich bereits mit Selbstzweifeln und anderen ähnlichen Gefühlen zu kämpfen, doch so schlimm wie in diesem Moment waren sie lange nicht mehr. Ich sehnte mich nach Familie. Nach einer Familie mit der man solch einen Ausblick, die Ruhe, die Geborgenheit, genießen konnte. Vielleicht waren solche Bedürfnisse und Sehnsüchte für eine zweiundzwanzig Jährige vollkommen normal. Immerhin war man nicht ewig jung und fast alle Frauen sehnten sich nach einem Ehemann und Kindern. Vollkommen in Gedanken versunken stellte ich mir vor, wie ich wohl als Mutter wäre. Vermutlich würde ich an genauso einem Tisch sitzen, müde und erschöpft, da mein jüngstes und drittes Kind mich die ganze Nacht wachgehalten hatte. Mein ältestes Kind war ein lebensfroher, aktiver Junge, der den ganzen Tag wild durch den Garten rannte. Mein zweites Kind wäre ein Mädchen. Ruhig aber dennoch für jeden Spaß zu haben. Sie würde ihren Bruder aus der Ferne beobachten. Mein Mann würde noch schlafen. Aber wenn er wach wurde, waren die Kinder immer an erster Stelle für ihn. Etwas das ich sehr an ihm lieben würde. Plötzlich hatte ich mehrere Bilder vor Augen. Ich sah Kinder, die meine sein könnten. Sie standen vor dem riesigen Fenster und lächelten. Hinter ihnen kam ein Mann. Er kam immer näher. Ich sah ein Lächeln in seinem Gesicht, als er sie in seine Arme schlang. Voller Neugier fixierte ich sein Gesicht. Doch bis auf das Lächeln konnte ich nichts erkennen. „Mama wo bist du?“ hörte ich auf einmal eins der Kinder sagen. Ich erschrak. Panisch schnappte ich nach Luft. Schnell rieb ich mir die Augen. Als ich sie wieder öffnete waren die Kinder und der Mann verschwunden. „Wie ist das nur möglich?“ fragte ich mich selbst und lief verzweifelt im Kreis. Ich war mir sicher, dass ich sie wirklich gesehen hatte. Und diese Stimme. Das konnte doch unmöglich alles Einbildung gewesen sein!
Als ich mich dann endlich wieder beruhigt hatte, bemerkte ich durch die noch offene Tür im Flur einen Raum wo ich noch nicht war. Neugierig ging in dessen Richtung. Vor mir befand sich ein wundervoll eingerichteter Solon. Im Gegensatz zum Wohnzimmer, war dieser relativ klein. Eine Bar aus dunklem Holz verleite dem Raum einen gewissen Touch. Fasziniert ging ich weiter. Doch dann stockte mir erneut der Atem. Zwei Beine blickten hinter der Bar hervor. Egal wer da lag, bitte lass ihn nicht tot sein. Zitternd näherte ich mich der Person. „Damien!“ schrie ich laut auf als ich ihn erkannte. Sofort kniete ich mich zu ihm. Er atmete, war aber Bewusstlos. Nun hatte sich mein ungutes Gefühl bestätigt. Irgendwas war hier vorgefallen. Mehrmals rüttelte ich so fest ich konnte an seinem Körper, doch er blieb regungslos. Selbst als ich ihm mehrere Backpfeifen verpasste, tat sich nichts. Seufzend blickte ich mich um und erkannte den nächsten Schock. Hinter einem der schwarzen Sofas lag Blake. Ebenfalls bewusstlos. „Was zur…“ murmelte ich und versuchte auch ihn wach zu kriegen. Wieder ergebnislos.
Neben der Bar befand sich noch ein Türbogen der zu einem angrenzendem Raum führte. Dort erkannte ich die nächsten Beine. Dieses Mal eine Frau. Es war diese Tiana, die ich bereits bei Blakes Polizei sah. Dennoch wirkte sie anders. Eher wie ein Buttler. Auch an ihr rüttelte ich. Aber wie man es sich schon denken konnte, war auch sie nicht zum Wach kriegen. Wer um alles in der Welt war in der Lage drei Vampire auszuschalten ohne Spuren eines Kampfes zu hinterlassen? In meinem ganzen Leben war ich noch nie so überfordert gewesen. Was sollte ich nur tun? Wieder fing ich an zu weinen. Ich hasse was aus mir geworden war. Ständig weinte ich. Als würden Tränen irgendetwas hier dran besser machen. Im Grunde machten sie alles nur noch schlimmer. Je mehr ich weinte, desto schrecklicher fühlte ich mich. Wieso war ich so nutzlos?
Auf einmal hörte ich mehrere Autos. Ich hörte wie die Handbremsen angezogen wurden. Erwartete Blake etwa Besuch? Erleichtert lief ich zu einem Fenster auf der Vorderseite, doch beim Anblick des Besuches verließ mich meine Erleichterung. Nun war ich wirklich am Ende. Ich sackte zu Boden. Natürlich waren sie alle Bewusstlos. Es war der Plan der Werwölfe. „Ich will das nicht“ heulte ich vor mich hin und zog die Beine zusammen.
Immer lauter wurden die Schritte. Noch einmal sah ich aus dem Fenster. Beatrice war mit mehreren ihres Rudels hier. Angeführt von dem alten Mann. Auf einen Schlag zählte ich sieben von ihnen. Ich atmete tief ein. Mein Verstand sagte mir ständig, dass ich mich verstecken soll. Ich soll fliehen. Doch wohin? Sie würden mich doch vermutlich sowieso riechen. Vermutlich wussten sie das ich hier bin. Zumindest Beatrice. Du kannst mich ruhig Bea nennen, wenn du das nächste Mal um dein Leben rennst, schoss es in meinem Kopf hoch. Soll ich wirklich um mein Leben rennen? Soll ich mein restliches Leben davonrennen? Das konnte doch nicht wirklich mein Schicksal sein. Das war alles nur ein schlechter Traum und wenn ich wieder aufwachen würde, wäre alles wieder in Ordnung. Nur ein Traum. Und in einem Traum war man so stark wie man sein wollte. Langsam richtete ich mich auf und sah mich im Empfangsbereich des Hauses um. Verzweifelt suchte ich den Raum nach einer Waffe ab. Aber natürlich hatten Vampire nicht einfach Waffen rumliegen. Sie waren ja immerhin eine Waffe. Das Einzige, was vielleicht nützlich sein könnte, war der Besen.
Als ich vor Jahren Selbstverteidigungskurse besucht hatte, habe ich auch den Umgang mit dem Langstock gelernt. Bo Jutsu – eine Technik die kaum einer mehr lernte. Ich dagegen liebte es. Denn wenn man erst mal wusste wie, konnte man alle Langstöcke zur Waffe machen. Man hatte fast überall Waffen zur Verfügung. Schnell schlug ich den Kopf des Besens ab und ging Richtung Haustür. Damien hatte mir beigebracht, dass ich nur eine Chance gegen einen stärkeren Gegner habe, wenn ich den Überraschungsmoment auf meiner Seite habe. Zudem war nicht die körperliche Stärke von Wichtigkeit, sondern die Geistliche. Wochenlang hatten wir trainiert. Das durfte nicht alles umsonst gewesen sein.
Ein letztes Mal atmete ich tief ein, dann riss ich die Haustür auf. Beatrice stand die Überraschung tatsächlich ins Gesicht geschrieben. Auch der Rest der Sippe sah überrascht aus. „Eva was machst du hier?“ fragte sie mich und kam in meine Richtung. Ruhig und gelassen kam sie mir immer näher. Sofort begab ich mich in Kampfstellung. Sie blieb stehen. Musternd ging ihr Blick auf und ab. Ihre Augen weiteten sich ein wenig als sie den Besen in meinen Händen sah. „Hat dir der Dreck hier draußen weh getan?“ lachte sie spöttisch auf. „Meinst du dich oder den Staub unter deinen Füßen?“ konterte ich. Wütend zischte sie irgendwas vor sich hin. „Bea brauchst du Hilfe?“ fragte einer und sie lachte erneut auf. „Das ist der Nephilim von dem ich euch erzählt habe. Das schaffe ich auch allein“. Ich versuchte mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. „Weil du es bist, verwandle ich mich auch nicht“. Grinsend und Selbstsicher stand sie da. Sie hatte ja keine Ahnung das sie gerade ihre Niederlage unterschrieben hatte. „Aber den Vortritt lass ich dir trotzdem nicht“ sagte sie und rannte sofort auf mich zu. Perfekt. Der typische Fall von: Großer Klappe und nichts dahinter. Ein richtiger Schlag. Nur ein einziger. Sie hatte mich beinah erreicht. Wütend holte sie mit der Faust aus. Kurz bevor ihre Hand mein Gesicht erreicht hatte holte ich mit dem Besenstab aus. Ich drehte ihn blitzschnell und schlug ihr von der Seite so fest ich konnte gegen den Hals. Wie erwartet erschrak sie und kippte um. Keuchend schnappte sie nach Luft. Man konnte deutlich sehen wie sie gegen die Schmerzen ankämpfte ehe sie dann das Bewusstsein verlor.
„Schlampe“ schrie ein junger Mann und rannte auf mich los. Erneut ging ich in Kampfstellung. Sein Körper war deutlich muskulöser als der einer durchschnittlichen Frau. Bevor er jedoch in meiner Nähe war fiel ein Schuss. Um genau zu sein, direkt vor seinen Füßen. Er blieb sofort stehen und ging dann einige Schritte zurück. Überrascht erkannte ich hinter mir Tiana. Keuchend stellte sie sich vor mich. Sie wirkte sehr schwach. Ihr Gesicht war Kreideweiß und ihr ganzer Körper zitterte. Dennoch strahlte sie Stärke aus. Noch immer war ihre Waffe auf unser Gegenüber gerichtet. „Ich zähle bis drei. Entweder seid ihr dann alle Verschwunden oder ich darf die Nacht Löcher graben“ zischte Tiana. Ihre Wut und Hass war nicht zu überhören. „Eins“ fing sie an zu zählen. Der alte Mann verzog wütend das Gesicht. „Zwei“. Noch immer tat sich nichts. „Dr-…“. „Dieses Mal habt ihr gewonnen“ sagte der Mann schließlich und ging zu einem der Autos, während seine Welpen Beatrice packten und ihm dann folgten. Erleichtert sackte ich zu Boden. „Oh mein Gott“ murmelte ich vor mich hin. Tiana musterte mich. Als die Werwölfe außer Reichweite waren setzte sie sich schließlich zu mir auf den Boden. „Danke“ sagte sie und ein Lächeln zierte ihr Gesicht. Fragend sah ich zu ihr. „Wäre ich an deiner Stelle gewesen, wäre ich schneller weg als du gucken kannst“. Ich war überrascht als sie dies sagte. „Komm wir sollten reingehen. Denen traue ich zu, dass sie wiederkommen. Ich kann sie immer noch riechen“ sagte sie dann und stand auf, wobei sie mich mit sich hochzog. „Du riechst sie? Ich dachte nur Werwölfe können das?“. „Ich bin ein Hybrid. Halb Vampir, halb Werwolf“ kam es dann von ihr. Überrascht folgte ich ihr in den Salon, wo sie eben noch bewusstlos lag. Blake und Damien lagen dort noch immer. „Wieso sind sie bewusstlos?“ fragte ich dann, als wir uns eins der Sofas gesetzt hatten. „Ich vermute das die Werwölfe uns irgendwie ein Gift oder etwas Ähnliches mit einer betäubenden Wirkung untergejubelt haben“. Während sie dies sagte fiel ihr Blick auf Blake. Damien schien sie gar nicht zu beachten. Das Klingeln des Telefons riss uns schließlich beide aus den Gedanken. Tiana verschwendete keine Sekunde und nahm den Hörer ab. „Ich bin es, Tiana“ meldete sie sich und lauschte der anderen Person am Hörer. „Hm, ja, ich verstehe. Das ergibt Sinn. Hm. Ich mach mich auf den Weg“ und schon legte Tiana auf. „Alle Vampirwesen in dieser Stadt sind betroffen“ erklärte sie mir, während sie Blake und Damien über die Schulter warf. Mit offenem Mund musterte ich sie. Diese Frau, Tiana, sie war ein Hulk. „Wo bringst du sie hin?“ fragte ich und lief ihr sofort nach. „Alle nicht Vampirwesen oder die, die wieder wach sind, sammeln unsere Gefährten ein und bringen sie zur Polizei. Im Keller sind sie geschützter als wenn sie jeder für sich allein irgendwo liegen“. Das ergab wirklich Sinn. „Ich komme auch dort hin“ sagte ich zu ihr als wir bereits wieder draußen bei den Autos waren.
Vollkommendes Chaos spielte sich vor meinen Augen ab. Zum ersten Mal konnte jeder Blakes Polizei in Aktion erleben. Neugierige Passanten hatten sich in Reichweite versammelt. Überall waren Pressemitglieder. Das Blitzlicht der Kameras hörte nicht mehr auf. Es war die Hölle auf Erden. Im mitten des Tumultes erkannte ich Tiana, welche sich durch die ganzen Leute kämpfte. Ohne zu zögern rannte ich zu ihr. „Warte, ich helfe dir“ sagte ich und packte Damien an den Beinen um sie von der Last ein wenig zu befreien. Verflucht war mein menschlicher Körper. Wäre ich stärker, hätte ich Damien auch allein nehmen können. Kurz vorm Eingang kamen uns dann zwei Männer entgegen, die uns die beiden sofort abnahmen. „Tiana ich finde dich wirklich unglaublich“ sagte ich schnaufend und sah an ihr hoch. „Dito“ sagte sie grinsend und holte tief Luft. Noch einmal ließ ich meinen Blick durch die Gegend streifen. Mittlerweile war wirklich die halbe Stadt anwesend. „Schon eine Idee wie ihr den Menschen erklärt was hier vor sich geht?“ fragte ich die anderen als wir uns in einem großen Raum im Obergeschoss versammelt hatten. „Du bist hier doch der Mensch“ kam es plötzlich aus einer Ecke. Es war die Frau, die sonst am Empfang saß. „Als Mensch. Was würden Sie am liebsten hören?“. Alle sahen mich an. Wieso war ich denn jetzt gefragt? „Nun die Menschen glauben immer noch es handelt sich um Mutanten. Irgendein Virus. Eine Biowaffe vielleicht? Irgendwas in der Richtung würde ich an eurer Stelle erzählen“ kam es dann aus mir heraus. Ich war von mir selbst sehr überrascht, wie gut ich in solchen Situationen funktionierte. „Die Idee ist gut“ kam es dann von Tiana. „Du könntest doch einen Artikel schreiben. Immerhin weiß die ganze Stadt mittlerweile, dass du mit Blake kontakt hast“ ergänzte sie.
Ich steckte mal wieder tiefer in der Klemme, als ich es zunächst angenommen hatte. „Gut ich werde mir was einfallen lassen und es euch, bevor meine Redaktion das liest, schicken. Immerhin müsst ihr alle dann die Geschichte verkörpern“ sagte ich und beobachte weiter das Geschehen. Man hatte sie mitten ins Herz getroffen. Nicht nur der Anführer war außer Gefecht, auch sein Vertreter. Blake und Damien. „Entschuldigt bitte die Frage, aber da ihr hier hellwach steht… was seid ihr dann?“. Ich konnte mir die Frage einfach nicht verkneifen. Ihre Blicke gingen unsicher durch den Raum. Anscheinend wollte keiner von ihnen seine Identität preisgeben. Irgendwo war es auch verständlich. Durcheinander fingen die Ersten an zu reden. „Leute“ rief auf einmal Tiana. „Eva Milani ist ein Mischwesen. Ein Nephilim“ rief sie in die kleine Runde und es wurde wieder still. „Was? Ich dachte sie wäre nur ein Mensch, der am falschen Ort zur falschen Zeit war“ kam es von einem älteren Mann, dessen Gesicht mehrere Narben aufwiesen. Tianas Mund öffnete sich für eine Antwort, doch ich war schneller. „Ich weiß ehrlich gesagt nur durch Blake was ich wirklich bin. Ich versuche hier irgendwie durchzusteigen. Ich mein eigentlich bin ich nach wie vor ein Mensch. Ihr könnt wenigstens alle irgendwas cooles“ sagte ich und bemitleidende Blicke kamen mir entgegen. Soeben hatte ich das ausgesprochen, was sowieso jeder dachte. „Ihr hättet Eva kämpfen sehen müssen. Sie hat einen Werwolf bewusstlos geschlagen. Mit einem Schlag!“ rief auf einmal Tiana und konnte ihre Begeisterung nicht mehr unterdrücken. „Mach dich selbst nicht schlechter als du bist“. Sie hatte recht. Wer hätte gedacht, dass Tiana eigentlich so nett ist. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie ich sie das erste Mal vor einer Woche gesehen hatte. „Also mein Bruder und ich“ ein Mann trat hervor und zeigte auf einen jünger aussehenden Mann. „Wir sind Werwölfe. Wir haben uns Blake angeschlossen, da wir der Meinung sind, dass Menschen von Wesen nichts erfahren dürfen. Wenn der Schandfleck unserer Spezies weiter auf Menschen und andere Wesen losgeht, wird es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis man von uns erfährt und uns wie wilde Tiere jagen wird“. Verwirrt sah ich die beiden an. „Blake sagte das es bei euch Wesen kein Gut und Böse gibt. Er meinte es sei euer natürlicher Trieb auf Menschen los zu gehen“. „Hm, das stimmt. Vergleich es mit Farmtieren. Eine Kuh kannst du melken und schlachten. Melkst du sie, hast du länger was von ihr. Schlachtest du sie ab, schmeckt es im Moment besser, aber du hast danach nichts mehr“ sagte dann einer. Einige fingen an zu lachen. „Sag einem Menschen, dass er für uns Wesen nur ein Nutztier ist… wie dumm bist du eigentlich?“ kam es dann von der Empfangsdame. „Vergiss das Beispiel wieder. Eva Milani, nicht alle Wesen stehen drauf anderen die Gedärme heraus zu reisen“. Vermutlich sollte dies mich aufmuntern, aber es bewirkte das genaue Gegenteil. „Ich brauch ‘ne Pause“ sagte ich und ging einfach aus dem Raum raus. Auf der einen Seite war es beruhigend zu wissen, dass es noch mehr von ihnen gab, die sich im Notfall auch ohne Blakes Anweisung vor mich stellten, aber ohne Blake oder Damien fühlte ich mich so verloren. „Eva Milani warte“ rief mir Tiana auf einmal hinterher. „Hier hast du meine Nummer. Meld dich bitte zwischendurch. Auch wenn Meister Blake zurzeit nicht bei Bewusstsein ist, wäre es sein Wunsch, dass dir nichts passiert“. Nannte sie Blake gerade wirklich Meister? Sie war doch nicht wirklich. Das konnte nicht wahr sein. „Tiana, bist du Blakes Butler?“ fragte ich dann schließlich nach. „Nun ja. Als Butler würde ich mich nicht bezeichnen. Eher bin ich so etwas wie ein Bodyguard“ gab sie dann zu. „Dario Blake lässt sich von einer Frau beschützen“. Mit jedem Wort, dass ich sagte, zuckten meine Mundwinkel unkontrollierbarer. „Okay ich melde mich später“. Ich nahm den kleinen Zettel aus ihrer Hand entgegen und verließ das Gebäude. Noch immer standen überall die Journalisten. Seufzend suchte ich mir einen Weg durch die Menge. „Eva?“ Sven kam aus einer der Menschenmengen hervor. „Wie hast du es darein geschafft?“ fragte er dann. „Kontakte“ sagte ich fies grinsend und ging weiter. „Jetzt mal ernsthaft, weißt du was hier los ist? Ich mein es ist mittlerweile mitten in der Nacht und irgendwas Schlimmes muss ja passiert sein, wenn sich die halbe Stadt hier versammelt!“. Eins musste man Sven lassen, auf den Kopf war er schon mal nicht gefallen. „Lange Geschichte und ich darf sie schreiben. Wir sehen uns die Tage im Büro. Ich bin wirklich hundemüde“ gähnte ich vor mich hin, ehe ich wieder zu meinem Auto ging. Es stellte sich als relativ schwierig heraus überhaupt vom Parkplatz zu kommen. Überall waren Menschen, die hofften Antworten zu bekommen. Fast eine Stunde brauchte ich, bis ich zuhause war. Wütend warf ich meine Schuhe beim Ausziehen gegen die Wand. Wieso hatte ich mir nicht früher die Überwachungsvideos angesehen? Vielleicht hätte ich sie dann noch warnen können. Verdammt wieso war ich nur so ein Hoffnungsloser Fall?!
Am nächsten Tag wusste dann jeder darüber Bescheid, was letzte Nacht passiert war. Mir blieb nicht mehr viel Zeit um einen erklärenden Bericht zu verfassen. Obwohl ich bereits wusste, was ich zu schreiben hatte, war mein Kopf leerer als sonst. Immer wieder spielte sich das gestrige Ereignis vor meinen Augen ab. Zudem hörte ich ständig diese Kinderstimme, die nach mir rief. „Eva?“ Ginas Stimme riss mich aus den Gedanken. „Du siehst echt fertig aus. Wie geht es Damien und Dario?“. „Keine Ahnung. Die beiden hat es ziemlich erwischt. Immerhin sind sie sozusagen das Herz der Spezialpolizei“ sagte ich und lehnte mich zurück. Wieso musste mein Kopf so leer sein? „Gina ich habe keine Idee wie ich den Artikel schreiben soll“. Verzweifelt sah ich zu ihr. „Verständlich, immerhin bist du die Einzige, die weiß, was passiert ist. Bisher hat sich die Spezialpolizei noch nicht geäußert. Seit letzter Nacht stehen massenweiße Reporter vor dem Eingang und warten auf eine Erklärung“. Die Lage war tatsächlich schlimmer als erwartet. Ich durchforstete das Internet nach dem Ereignis von letzter Nacht. Überall tauchten verschiedene Bilder auf, die im Grunde alle das Gleiche zeigten: geschwächte Polizisten, die andere geschwächte oder gar bewusstlose Polizisten zur Wache trugen. Sogar Bilder von Tiana und mir, wie wir Blake und Damien in Sicherheit brachten, tauchten auf. Mit nur einem Bericht wird sich die Welt nicht zufrieden geben. So aufgebracht, wie die ganzen Menschen, überwiegend Reporter, vor Blakes Polizei Gebäude standen, konnte man davon ausgehen, dass nur eine Rechtfertigung von Blake sie milde stimmen würde. Plötzlich kam mir die Idee. Bei unserer Redaktion gab es nicht nur Artikel in der gewohnten Schriftform sondern auch Videos, welche man auf unserer Homepage finden konnte. Sie waren nicht nur aktueller, sondern auch für jeden zu sehen und hatten somit ein noch größeres Publikum mit Reichweite. Blitzartig sprang ich von meinem Stuhl auf und lief in das Büro meines Chefs, welchen ich in meinen Plan einweihte, und seine Erlaubnis bekam. Ich hätte viel früher auf diese Idee kommen müssen. Bevor ich das Gebäude verließ, machte ich noch einen Abstecher bei Sven. Nach wie vor, konnte ich ihn nicht besonders gut leiden, aber sein Geschick für die Kamera machten dann doch wieder die Pluspunkte. Dann sammelten wir noch Gina ein und los ging es.
„Hier ist ja immer noch die Hölle los“ stammte ich vor mich hin, während wir die Menge betrachteten. Mit offenem Mund nickte Gina zustimmend. „Willst du wirklich für Dario eine Rede halten?“. Fragte Gina, nachdem wir uns durch die Menge gekämpft hatten. Nein, nein das wollte ich eigentlich nicht, aber was blieb mir übrig? Schweiß bildete sich auf meiner Stirn. Mein Herz pochte. Für so was wurde ich wirklich nicht geschaffen. Aber wofür dann? Verdammt was war nur mit meinem Kopf los? Wieso kamen ständig diese Selbstzweifel? Wieso kamen solche Gedanken nur immer wieder hoch? Auf meinen Verstand schien kein Verlass mehr zu sein. Zitternd ging ich auf den Eingang der Wache zu. Tiana winkte mir fröhlich entgegen. „Eva ich wusste ja gar nicht, dass du immer mehr Freunde findest!“ sagte Gina und klopfte mir auf den Rücken. „Wieso finden du und Damien das eigentlich so witzig?“. Die beiden konnten von Glück reden, dass ich kein gewalttätiger Mensch war. „Hast du den Bericht schon fertig?“. „Nicht wirklich…“. Mit hochgezogener Augenbraue musterte Tiana mich. „Bis ich einen Bericht geschrieben habe und der veröffentlicht wurde, sind bestimmt zwei Tage vorbei und die ganzen Menschen erwarten hier und jetzt eine Rechtfertigung. Und… es wäre doch gut wenn wir ihnen geben was sie verlangen“. Mit jedem Wort wurde ich unsicherer. Sollte ich dies wirklich durchziehen? „Gehören die zwei zu dir? Dann kommt noch mal mit rein“. Drinnen angekommen sah es kein Stückchen besser aus. Noch immer liefen alle kreuz und quer durch die Gegend. Es schien als hätte keiner eine wirkliche Ahnung was er machen sollte. „Eva wir sollten vielleicht noch mal unter vier Augen sprechen“ kam es von Tiana, die mich keine Sekunde später hinter sich in Blakes Büro zog. Für einen kurzen Augenblick hoffte ich das Blake und Damien wie gewohnt dort waren, doch als Tiana die schwere Tür öffnete kam uns nur Leere entgegen. Hätte nicht viel gefehlt, dass uns noch Wüstengras entgegen geflogen gekommen wäre. Seufzend ließ ich mich auf einem Sessel nieder. „Tiana ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich den Leuten erzählen soll“. „Wir sind alle damit überfordert. Du musst wissen, dass Damien normalerweise solche Angelegenheiten übernimmt und Meister Blake dies dann an die Leute bringt. Der Rest von uns meidet den Kontakt mit Außenstehenden“. Tiana ließ sich nun ebenfalls in einen Sessel nieder. „Letzte Nacht erwähntest du, dass man eine Biowaffe als möglichen Grund nennen könnte… wäre das immer noch machbar?“ fragte Tiana und sah mich viel zu erwartungsvoll an. „Naja… schon… aber was wenn man mich dann fragt, um was für eine es sich handelt?“. „Das wissen wir dann nicht. Wir wissen dann nur, dass Polizisten die damit in Kontakt kamen betroffen sind und von Mann zu Mann keine Ansteckungsgefahr ausgeht. Das müsste doch erst mal reichen oder nicht?“. Sie hatte Recht. An sich wussten wir schon seit letzter Nacht, was wir den Menschen erzählen müssen. Und im Notfall konnte ich ja auch noch improvisieren.
Da stand ich nun. Alle Augen auf mich gerichtet. Ein Gewitter aus Blitzlichtern, welches mich seit Sekunden umschlungen hatte. Eine Wilde Menschenmenge vor mir. Gesichter konnte ich nicht erkennen. Ich holte tief Luft. Meine Lippen bewegten sich aber Ton kam nicht heraus. Gina nickte mir aufmunternd zu. Sven filmte. Noch einmal versuchte ich mein Glück und es gelang mir endlich einen Laut von mir zu geben, doch die Menge vor mir wurde Lauter. Beinahe so unkontrolliert das man befürchten musste, jeden Augenblick überrannt zu werden. Ein Schatten hinter mir. Ein warmer Atem der an meinem Hals vorbei hauchte. Ich musste mich nicht umdrehen um zu wissen wer hinter mir erschienen war. Bis auf Dario Blake gab es niemanden der sich so an mich heranschleichen würde und Ginas sichtbar überrascht und dennoch erfreuter Blick verschaffte mir Gewissheit. „Ich hoffe für dich das du einen guten Plan hast“ kam es mit zittriger, schwacher Stimme hinter mir. Ich nickte. Meine Haltung wurde gerader und steifer. Ich räusperte mich. „Ich bitte um Ruhe“ sprach ich nun Laut. Die Menge wurde Still. Unglaublich das mal wieder nur Blakes Anwesenheit genug Autorität hervorbrachte um ernst genommen zu werden. Statt wie üblich meinen Hass auf dieses so widerliche menschliche Verhalten in freien Lauf zu lassen, geschweige denn anmerken zu lassen, fing ich an die Lügengeschichte der Menschheit aufzutischen. Je mehr ich sagte desto besser wurde ich. Immer selbstsicherer und lauter, dennoch ruhig, erzählte ich von den Ereignissen. Für das Erste wurde die Lüge geschluckt. Am Ende stellte ich noch klar, dass es vorerst keine weiteren Informationen geschweige Interwies geben wird.
„Na gut geschlafen?“ fragte ich den wandelten Tod neben mir. Ein Blick seinerseits beantwortete auch ohne Worte meine sarkastische Frage. „Eva“ kam es von Gina, welche in meine Richtung gelaufen kam. „Sven und ich gehen schon einmal vor, immerhin muss das Video ja noch schnellstmöglich hochgeladen werden“ sie hielt kurz inne, zog mich zur Seite und sprach weiter, „ich bin mir sicher, dass du und Dario noch so einiges zu bereden habt. Außerdem solltest du bei ihm sein, wenn es ihn so schlecht geht“. Am Ende zwinkerte sie mir nur noch zu. Das Grinsen, welches zur selben Zeit auf ihren Lippen lag, verriet jedoch die wahren Absichten dieser Botschaft. Normalerweise hätte ich das natürlich auch wieder versucht zu leugnen, jedoch war tatsächlich meine Sorge gerade um einiges Größer als ich zugeben konnte. Direkt vor dem Eingang trennten sich unsere Wege. Blake hielt mir die Tür auf. Mit großen Schritten ging ich an ihm vorbei. Keine Sekunde später hatte er bereits die Führung übernommen. Wir gingen wieder in sein Büro, wo er erschöpft auf dem Sofa zusammenbrach. So leidend hatte ich ihn noch nie gesehen. Und doch fühlte sich sein Leid so vertraut an. „Blake.. Dario. Ich muss die Wahrheit endlich wissen. Ich bin nicht dumm. All diese Träume die mich meine Vergangenheit erneut durchleben lassen und all diese Gefühle die sich so vertraut anfühlen. Als wir im Keller waren und Damien davon sprach das du meine Erinnerungen gelöscht hättest.. es wirkte vertraut, beinahe als wäre das tatsächlich mal der Fall gewesen. Irgendetwas stimmt nicht. Und es reicht mir“. Seufzend lehnte er sich zurück. Auch er hatte keine Nerven mehr irgendeine Lüge aufrecht zu erhalten. „Du bist zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen“ er holte Luft, „zweimal“. Ich setzte mich auf einen Sessel gegenüber von ihm und gab keine Antwort. Kurz schloss er die Augen. Wieder holte er Luft. Seine Atmung war so ruhig und gleichmäßig. Langsam gingen die Augen wieder auf. Wunderschöne rote Augen sahen mich an, umrandet von weißen Haarsträhnen. Mir blieb der Atmen weg. Meine Augen geweitet und doch war ich nicht sonderlich überrascht von der Antwort auf die ich so lange gewartet hatte. „Wir kannten uns also schön.. was ist geschehen, dass du mein Gedächtnis auslöschen musstest?“. Blake streckte sich kurz ehe er wieder wie sonst auch aussah. „Wie gesagt du warst zur falschen Zeit am falschen Ort. Und damit meine ich nicht unsere erste richtige Begegnung.“
Unsere erste richtige Begegnung. War es das mal wo ich ihn auf der anderen Straßenseite sah oder das eine mal in meinem Ausbildungsbetrieb? Mein Kopf schmerzte beim Versuch mich an ihn zu erinnern. Wie eine Mauer, welche sich quer durch mein Gehirn zog und je mehr Steine ich versuchte zu entfernen, desto schmerzhafter wurde es. „Eva vergiss es. Mit ein bisschen Gehirnzellen anstrengen funktioniert das nicht“ sagte er beinahe zu amüsiert. Nun schmerzte nicht nur mein Kopf sondern auch mein Herz, zumindest empfand ich das so. Ohne wirklich darüber nachzudenken stand ich auf, ging zu ihm und beugte mich über ihn. Wir waren so nah das sich beinahe unsere Lippen berührten. „Was machst du da?“. Ich wusste es nicht. Ich ließ mich von meinem Körper treiben und schon passierte es. Unsere Lippen berührten sich. Mein Herz pochte. Meine Brust schmerzte. Sehnsucht breitete sich auf. Die gefühlte Ewigkeit an Einsamkeit machte sich nun bemerkbar. Oder war es die Sehnsucht nach etwas lang gekannten und genauso lang verschollenem? Es spielte keine Rolle. Zumindest in diesem Augenblick nicht. Je länger der Kuss dauerte desto intensiver fühlte er sich an. Blake zog mich zu sich runter. Ich saß auf seinen Beinen fest in seinem Griff. Keine Möglichkeit zu entkommen. Selbst wenn ich konnte, wollte ich nicht. Unsere Lippen trennten sich kurz. Mein Atem so schnell. Vollkommen ausgepowert. „Du hast keine Ahnung wie schwer mir das fällt. Auf der einen Seite ist es so schwer sich zurück zu halten und auf der anderen Seite dir überhaupt wieder so nahe zu kommen. Jedes Mal wenn ich dich sehe ist es als würden tausend Klingen mein Leib durchbohren“. Blake schien wirklich zu Leiden. Seine Worte verletzten mich zu tiefst. Ich bekam kaum noch Luft. „Es stimmt, wir haben uns zum ersten Mal an dieser Straße beim Wald gesehen und ja ich war es auch der in deinem Betrieb war, aber unser erstes Treffen war vor zwei Jahren. Du warst noch nicht lange hier. Ich konnte es kaum fassen, dass die junge Frau, welche fast noch ein Kind bei unserem letzten Treffen war, in meiner Stadt war. Noch dazu dauerhaft. Du wusstest nicht mal wer ich war als ich dich offen und direkt angesprochen hatte. Ich hatte dich direkt mit zu mir genommen. Wir saßen Stundenlang da, im Garten, haben über alles geredet. Über die Vergangenheit, über die Träume aber auch über das hier und jetzt. Ich habe dir auch am ersten Tag an dem wir uns kennenlernten meine wahre Identität verraten. Du wusstest seitdem, dass ich der mysteriöse weißhaarige Mann war. Eva wir waren zusammen..“ seine Stimme klang so verbittert. Dario Blake war mit mir zusammen? Ich schluchzte. Mein Körper sackte in sich zusammen. Ich vergrub mein Gesicht in sein langes Haar. Blake strich behutsam über meinen Rücken. „Ich war so unglaublich Glücklich. Du auch. Vor allem warst du so ausgeglichen. Frei von all deinen Sorgen. Es kümmerten dich endlich deine Misserfolge nicht mehr und sahst das positive in dem was du hattest.. ich kann nicht weiter reden“. Die Tränen liefen mir die Wange herunter. Obwohl ich mich an nichts erinnern konnte, war es, als könne ich dennoch alles empfinden. „Damien komm her“ rief er nun etwas lauter und es dauerte nicht lang bis dieser nun eintraf. Ich saß nun neben Blake und musterte mit meinen brennenden Augen Damien, welcher genauso aussah wie ich mich fühlte. „Ich lass euch beiden nun alleine. Erzähl ihr alles was sie wissen will. Ich brauche eine Pause“ kam es von Blake, der darauf hin den Raum verließ. Seufzend kam Damien auf mich zu. „Oh Eva bist du sicher das du das alles wissen willst?“. Ich nickte. Ich war mir sicher, dass ich es vermutlich im Nachhinein bereuen würde, jedoch wollte ich Blakes Schmerz nachempfinden. „Gut, dann erzähle ich dir alles was ich weiß. Fürs Protokoll, ich wusste von euch erst nach dem er dein Gedächtnis ausgelöscht hatte“. Tatsächlich wunderte es mich, dass anscheinend keiner von uns wusste. Nicht mal Damien. „Cerberus hatte mir erzählt, dass ihr beiden bereits einige Monate zusammen wart bevor er dein Gedächtnis löschen musste. Ein feindlich gesinnter Vampir hatte von der Beziehung Wind bekommen und wollte dich töten um Cer zu verwunden. Es passierte als du auf dem nach Hause weg warst. Du wurdest niedergeschlagen und beinah bis zum Tode ausgesaugt. Cer roch dein Blut und eilte zu dir. Du hast wohl kaum noch geatmet. Er hat dich sofort zu einem Krankenhaus gebracht. Mehrere Tage bahnte er um dein Leben bis es endlich Entwarnung gab, jedoch hatte das einen Preis. Du warst schwanger und hast bei der Tour das ungeborene Kind verloren. Du wolltest nur noch sterben und Cer hat dich nicht ertragen so leiden zu sehen.. so kam das eine zum anderen“. „Bitte was“ kam es nur noch aus mir heraus. „Ich muss zu ihm. Wo ist er?“ sagte ich hektisch und sprang auf. „Eva beruhige dich!“. Aber das konnte ich nicht, ich stürmte heraus und rannte den Flur entlang bis mir Blake entgegen kam. Der sonst immer so gut gelaunte junge Mann stand da wie angewurzelt. Die Augen leer und kalt. Ein trauriges gezwungenes Lächeln zierte das blasse Gesicht. „Bevor du anfängst.. lass uns bitte an einen Ort gehen, wo wir komplett für uns sind“ sagte er und nahm meine Hand. Ich hatte keine Kraft mich dagegen zu wehren, geschweige denn darauf zu antworten. Blake führte mich zu seinem Auto, wo er mir die Beifahrertür öffnete. Zitternd stieg ich ein.
Minuten lang fuhren wir nun teilweise sinnlos durch die Gegend. Es wurde immer später und später. „Blake?“. „Bitte, bitte nenn mich Dario. Ich bringe es kaum über das Herz offen mit dir über alles zu sprechen. Ich.. nun fang du am besten einfach an“ sprach er und fuhr nun in die Richtung seines Hauses. „Lass uns vielleicht doch erst mal bei dir zuhause ankommen“ antwortete ich und verstummte wieder. Es dauerte nicht lang und wir hatten sein Haus erreicht. Da standen wir nun im Eingangsbereich und starrten beide in die Leere, unfähig ein Wort raus zu bringen. Blake sah noch immer ziemlich müde aus. „Lass uns ins Bett gehen“ schlug ich vor. Überrascht sah er zu mir runter. „Du siehst müde aus und ich bin ehrlich gesagt auch ziemlich kaputt.. ich weiß es ist noch hell aber“. Er unterbrach mich. „Nein, die Idee ist ganz gut. Ich zeig dir mein Schlafzimmer“. Stumm lief ich wie ein kleiner Hund hinterher. Durch meine Einbruch Aktion kannte ich bereits das obere Stockwerk weitestgehend aber Schlafzimmer und Umgebung war mir noch Fremd. Zumindest meinem heutigen Ich. Blakes Schlafzimmer sah wunderschön aus. Ein heller Holzparkettboden mit etwas dunkleren Akzenten, was beinahe schon zerkratzt aus sah. Eine dunklere, schlichte Tapete und dunkle Holzmöbel. Zudem hatte das Schlafzimmer ein eigenes kleines Bad und ein Ankleideraum, welcher ebenfalls so gestaltet war. Ich hoffe es würden Erinnerungen hoch kommen von unserer gemeinsamen Zeit, doch nichts. Ich fühlte mich hier fremd. „Komm, ich gebe dir ein T-Shirt“ sagte Blake und riss mich aus meinen Gedanken. Er reichte mir ein schwarzes Shirt und ging dann mit mir zusammen ins kleine Bad, wo er mir eine noch verschweißte Zahnbürste gab und mir seine restlichen Hygieneartikel bereitstellte. Irgendwie war es wirklich so vertraut sich hier in seinem Bad fertig zu machen und doch so fremd. Ich konnte gar nicht beschreiben wie ich mich fühlte. Während ich mich in seinem Bad fertig machte ging Blake in das Bad, in welches ich zuvor eingestiegen war. Ich brauchte beinahe eine Ewigkeit bis ich mich frisch gemacht hatte und in sein Shirt geschlüpft war. An mir sah es eher aus wie ein kurzes Kleid, da es mir beinahe bis zu den Knies ging. Als ich dann endlich so weit war und das Bad verlassen hatte, saß Blake am Bettrand. Er hatte nur noch eine kurze Hose an und sah leicht zu mir hoch. „Bist du dir sicher, dass du hier mit mir in einem Bett schlafen willst?“. Ich nickte zustimmend und setzte mich neben ihn. „ich möchte zwar nur ungern das Thema wechseln aber wie geht es dir sonst? Ich meine ihr wurdet ja immerhin vergiftet..“ fragte ich und machte es mir nun auf dem Bett bequemer. „Glaub ma nur das Gift ist mein geringstes Problem“. „Das glaube ich aber nicht. Du kannst dich ja kaum noch auf den Beinen halten.. Brauchst du Blut?“. Geschockt sah er zu mir. „Eva. Du solltes..“ er hörte auf zu sprechen. Er sah mich einfach nur noch an. „Es tut mir so Leid“. Ehe ich mich versah lag er über mir und seine Zähne durchbohrten mein Fleisch. Dieses Mal war es nicht erregend. Es war beinahe schmerzhaft und doch störte es mich nicht. So schnell wie er sich zu mir gebeugt hatte, so schnell hatte er aufgehört von mir zu trinken. „Mich stört das nicht“ versicherte ich ihm. Doch es schien ihn zu stören. Er leckte sich das Blut von den Lippen weg und legte sich neben mich. Seine Hand strich über meinen Arm und im Anschluss über mein Bein bis er die Decke packte und langsam über uns zog. „Ich will mich wieder an alles erinnern Dario“ murmelte ich als ich mich an ihn kuschelte. Blake schluckte. „Und dieses Mal löschst du nicht meine Erinnerungen aus“ fügte ich hinzu. „Dann versprich mir das du mich nicht verlässt..“ war seine Antwort und seine wundervollen Lippen berührten die meine. Doch ehe ich mich versah presste er seine Hände an meinen Kopf, die Daumen fest auf der Stirn. Es war wie zuvor auch als er meine Erinnerungen gelesen hatte nur dieses mal war es viel schmerzhafter. Der Schmerz überkam mich. Ich biss so fest auf die Lippe, dass sie zu bluten anfing. Alles brannte und plötzlich wurde es schwarz.
„Eva, ich liebe dich“ kam es von Dario. „Ich dich auch“. Ich liebte ihn so sehr. Ich konnte es gar nicht in Worte fassen. Endlich habe ich den Richtigen kennen gelernt. „Dario.. mach mich zu einem deines Gleichen“. Überrascht sah er mich an. „Aber, Eva, wie kannst du das wollen? Wir kennen uns doch erst seit einigen Wochen. Was wenn ich dich in einen Vampir mache und zwei Wochen später trennen wir uns. So etwas kann nicht ungeschehen gemacht werden. Du müsstest zusehen wie alles und jeder den du kennst und liebst alt wird und vor dir stirbt. Das kannst du nicht wirklich wollen“ kam es von ihm. Ich drehte mich von der Seite auf den Rücken und starte die Decke des Schlafzimmers an. Ich liebte die verschnörkelten Muster an der Decke. „Natürlich würde es mich verletzten meine Familie sterben zu sehen, aber der Tod gehört für Menschen nun mal dazu. Außerdem will ich nicht zusehen wie die Liebe meines Lebens und mein Kind immer jung bleiben, während ich alt und grau zurückbleibe“. „Warte Kind?“ sagte er prompt und richtete sich ein wenig auf. Einige seiner Haare fielen sofort vor sein Gesicht. „Ich weiß es erst seit heute morgen..“. Ich konnte es ja kaum aussprechen. „Du bist Schwanger?“. Ich nickte. Er reagierte nicht. Ein Alptraum. Meine Augen brannten wie Feuer. „Ich fürchte mich ehrlich gesagt davor. Das heißt aber nicht das ich mich nicht freue.. es ist nur so ungeplant“ kam es nun von ihm. Auch ich richtete mich nun auf. Ich schaute aus dem Fenster. Wir hatten eine wundervolle Sternennacht. „Ich habe auch davor Angst. Ich bin ja auch erst zwanzig.. ich weiß ja noch nicht mal ob ich bereit bin Mutter zu werden“ gestand ich und fing an zu weinen. Den ganzen Tag lang hatte ich versucht einen perfekten Augenblick zu erwischen um ihm von der Schwangerschaft zu erzählen. Die Wahrheit aber war, dass es keinen perfekten Augenblick für ungeplante Schwangerschaften gab. Das musste zwar nicht unbedingt was Schlechtes bedeuten, dennoch empfand ich es als schwierig. Dario nahm mich fest in die Arme. „Eva alles wird gut wir beide stehen alles zusammen durch!“. Ich glaubte ihm jedes einzelne Wort. Zusammen konnten wir alles schaffen.
Die Wochen vergingen und man konnte mir mit Vorahnung die Schwangerschaft ansehen. Mittlerweile verbrachte ich beinahe jede Sekunde in Darios Haus. Dadurch das einige Zimmer leer standen war es kein Problem in einigen Monaten ein Kind unterzubringen. Ich saß gerade an der Küche, sah zum Garten heraus und stellte mir vor, wie Dario mit unserem Kind zusammen im Garten fangen spielte. Es erfüllte mich mit Freude mir über mein zukünftiges Familienleben solche Gedanken zu machen, vor allem jetzt, wo ich wusste, dass diese Zukunft passieren würde.
Mittlerweile wurde es immer schwieriger die Schwangerschaft geheim zu halten. Obwohl es sich wundervoll anfühlte und ich mich immer mehr auf mein ungeborenes Kind freute, war ich auch beängstigt. Ich konnte kaum noch schlafen und wurde immer unruhiger. Deshalb beschloss ich einen kleinen abendlichen Sparziergang zu machen. Die frische Luft tat so gut. „Kennst du einen Dario Blake?“ ertönte plötzlich hinter mir eine Stimme. Ich drehte mich und sah einen Mann mittleren Alters vor mir stehen. Sein Gesicht war kaum zu erkennen. „Ja, er wohnt gleich da vorne. Möchten Sie zu ihm?“ fragte ich höfflich nach und ging einen Schritt in seine Richtung. „Nein, es reicht wenn du meine Botschaft überbringst!“. Ich dachte mir nichts dabei. Und fragte nach was ich Dario übermitteln sollte, doch soweit kam es nicht. Mein Gegenüber packte mich am Hals und hob mich in die Luft. Meine Füße berührten nicht mehr den Boden. Ich bekam keine Luft mehr. Keuchend schlug ich um mich. Ohne mühe warf er mich zu Boden, wobei ich mit dem Hinterkopf gegen etwas schlug. Alles wurde schwarz.
„Eva? Eva!“ rief Dario besorgt. Langsam öffnete ich die Augen. Ich blinzelte mehrmals und rieb mir die Augen bis ich mich endlich an das Licht gewöhnt hatte. „Endlich bist du wieder wach, ich hatte solch eine Angst dich zu verlieren“. Tränen liefen ihm die Wange herunter. Ich erinnerte mich. „Da war dieser Mann..“ begann ich. Dario nickte. „Ich weiß ich habe mich bereits um ihn gekümmert. Eva er hat dich beinahe umgebracht. Du liegst seit Tagen hier im Krankenhaus“. Geschockt sah ich ihn an. Und dann bemerkte ich den Schmerz in meinem Bauch. Wobei auch der Rest meines Körpers fürchterlich schmerzte. Er musste mir nichts sagen. Ich wusste es bereits. Ich spürte das ich unser Kind verloren hatte. Alles ging so schnell. Ich krümmte mich zusammen. Wie eine Kugel saß ich auf dem Bett. Beinahe unfähig zu atmen. Ich fühlte mich so leer und verloren. „Es tut mir leid. Ich wünschte ich hätte es verhindern können“ sagte Dario und nahm mich in die Arme. Seine Nähe machte mich wahnsinnig. Ich stieß ihn von mir weg und verkroch mich unter die Decke. Als wäre es nicht schon schlimm genug das ich nun zur Zielscheibe geworden war, nein unser Kind starb weil irgendwer mit Dario ein Problem hatte. Ich hasste mich dafür, dass ich nun Dario mitverantwortlich machte. Im Grunde konnte er nichts dafür und doch fühlte es sich so an. Hätte er mich zu einem Vampir gemacht, hätte ich mich selbst verteidigen können, stattdessen war ich immer das kleine dumme Menschlein, welches durchgehend beschützt werden muss. „Ich lasse dich erst mal alleine Eva“ hörte ich Dario sagen kurz bevor die Tür zu ging. Was sollte ich denn jetzt nur machen?
Tag der Veröffentlichung: 22.02.2017
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