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Weihnachtsengel.

Zur Zeit beschäftige ich mich mit einem ganz besonders kompliziertem Fall. Ein fünf Jähriges Mädchen, was seine Mutter vor einem Jahr verloren hat, sollte einen Wunsch erfüllt bekommen.
Sie lebte derzeitig bei einer netten Pflegefamilie, weil ihr Vater nicht auffindbar ist. Die Familie kam aber leider nicht an sie ran. Die kleine aß kaum noch was, redete nicht und ans lächeln war gar nicht zu denken.
Ihr einzig offensichtlicher Wunsch war es, ihre Mama wiederzusehen. Ich hatte diesen Antrag zwar schon gestellt und auch mit dem großem Boss darüber geredet, aber da war nichts zu machen. Er wurde einstimmig abgelehnt.
Also hatte ich die Erlaubnis beantragt auf die Erde zu kommen, welche zum Glück angenommen wurde. Der Haken war jedoch, dass ich nur einen Tag Zeit hatte.
Dies war mein allererster erster Auftrag. Ich war erst seid einem halben Jahr dabei und diese Zeit habe ich dazu genutzt zu trainieren, meine Ausbildung zu beenden und mich außerdem zu spezialisieren, ich bin nämlich nur für die Weihnachtszeit zuständig. Meine Aufgabe war jedoch nichts für Neulinge. In der Ausbildung hatte ich gelernt, dass die neuen bloß einfache von dem Hauptquartier zu erledigende Aufgaben bekommen.
Dennoch war ich recht stolz auf diese Aufgabe. Das war schon fast wie eine Auszeichnung, zum zumindest sah mein Chef Potential in mir und versuchte mich zu testen. Und ich wollte ihn garantiert nicht enttäuschen.
Beflügelt durch diesen Gedanken klingelte ich an ihrer Haustür. Bei den Eltern stellte ich mich als Diplom Psychologin vor, die helfen würde die kleine Lisa wieder zum lachen zu bringen und bat darum mit ihr sprechen zu dürfen. Auf Grund meiner praktisch hypnotisierenden Ausstrahlung konnten sie da gar nicht widersprechen.
Lisa saß an einem kleinem Schreibtisch und zeichnete. Ihre hellbraunen Locken lagen auf ihren Schultern. Sie sah so schwach aus, so verletzlich.
Die Mutter klopfte vorsichtig an der Tür. „Lisa? Du hast Besuch.“
Lisa reagierte nicht. Die Frau guckte mich entschuldigend an. „Gehen Sie einfach rein. Und wenn sie was brauchen rufen Sie mich, okay?“
Ich nickte und ging ins Zimmer.
Lisa zeichnete zwei Strichmännchen. Eines sollte sie und das andere ihre Mama sein. Doch die Mama hatte einen Heiligenschein auf den Kopf und Flügel.
Ich hab keine Ahnung, wie ihr Menschen überhaupt darauf kommt, wir würden Flügel haben. Okay, wir können zwar fliegen, aber ich bitte euch. Das würde doch total auffallen. Wie sollten wir denn auf die Erde kommen? Die Flügel verschwinden lassen? Na, klar! Ihr könnt ja auch einfach eines eurer Beine weg machen.
„Das ist ein schönes Bild.“, lobte ich sie, die Flügel einfach ignorierend.
„Das ist meine Mümü.“, erklärte sie. In ihren Unterlagen stand, dass sie ihre Mutter nicht Mama sondern Mümü rief, deswegen überraschte mich der Begriff nicht wirklich, das einzigste was mich überraschte war das Gefühl Geborgenheit, das dieses Wort in mir auslöste.
„Achja? Es ist wirklich sehr hübsch gezeichnet.“
Sie zuckte mit den Schultern.
Ich fing an sie auszufragen, was ja auch so in einem Lehrbuch steht. Einfache, leicht zu verstehende fragen, die keinen Hintergedanken andeuten. „Wünschst du dir irgendetwas zu Weihnachten?“ War zum Beispiel eine beliebte Frage für Weihnachtsengel, also versuchte ich es mit dieser.
„Meine Mümü.“, antwortete sie prompt und ohne aufzublicken
„Noch irgendetwas?“
„Nein, nur meine Mümü.“
„Keine Spielzeuge? Wie wär's mit einem Hüpfpferd, einem Püppchen oder einem Stoff Löwen?“, schlug ich vor, das stand nämlich auch im Lehrbuch.
Sie schüttelte den Kopf.
„Magst du keine Spielzeuge? Was wäre denn mit einem Haustier? Einem Hündchen zum Beispiel?“
„Nein.“
„Was ist mit Süßigkeiten? Möchtest du so was?“
„Mhmh.“
Ich gab es auf mit den vorschlagen. Die kleine wollte wirklich nur ihre Mama. Als nächster Schritt wurde eine Befragung nach der Begründung vorgeschlagen. „Warum möchtest du denn nichts anderes als deine Mama?“
Lisa blickte auf. Das erste mal guckte sie mir ins Gesicht. Ihre hell braunen, großen Augen kamen wir irgendwie bekannt vor. Nur der Schmerz war neu. „Weil der Weihnachtsmann nicht mehre Wünsche erfüllen kann, weil ihn das sonst überfordern würde . Wenn ich mir noch was anderes Wünschen würde, dann werde ich Mümü nie wiedersehen.“, erklärte sie und zeichnete weiter. Mir kullerte eine Träne über mein Gesicht.
„Was vermisst du denn an deiner Mümü ganz besonders?“, fragte ich sie. Das stand zwar nicht im Handbuch, dafür aber das Wort Improvisieren, vielleicht bekam ich auf diesen Weg etwas raus.
„Ich vermisse ihren Geruch.“, antwortete sie. Hm, ich glaube nicht, dass ein einfaches Parfüm die Sache verbessern würde.
„Und noch was?“, hakte ich nach.
„Ich vermisse ihre Stimme.“ Es gab zwar Stimmenaufnahmen von ihr, aber diese zu hören würde Lisa auch nicht glücklich machen.
„Gibt es noch eine Sache, die du an ihr vermisst?“
„Ich vermisse es von ihr umarmt zu werden.“ Eine Umarmung. Ich bezweifle, dass eine einfache Umarmung alles wieder gut machen würde. Doch ich versuchte es. Ich schlang meine Arme um sie und legte meine Wange auf ihren Kopf. Eine weile sagten wir gar nichts. Lisa hörte auf zu zeichnen und legt ihre kleine Hand auf meinen Arm
„Bist du ein Engel?“, fragte sie mich nach ein paar Minuten. Sie war so warm und weich. Da fiel mir ein, dass ich mich nicht dran erinnern konnte, wann ich das letzte mal jemanden umarmt hatte.
„Ja.“, antwortete ich unter tränen und ohne mir im klaren zu sein, was ich da überhaupt sagte.
„Kennst du meine Mama?“
„Ja.“, bestätigte ich ihr. Und ich merkte, dass ich ihr ihren Wunsch schon bei unserer ersten Begegnung erfüllt hatte.

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Tag der Veröffentlichung: 28.07.2010

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