Cover


1.
„Ihr kotzt mich echt alle sowas von an!“ brüllte ich und schlug die Tür mit Wucht hinter mir zu. Dann begann ich in meinem Zimmer auf und ab zu gehen. Versuchte die Tränen zurück zu halten, aber es war fast unmöglich. Klar hatte ich gerufen und geschrienen, ich war unglaublich wütend und sauer, doch innen drin war ich einfach nur verletzt. Ich war unglaublich traurig darüber, dass sie mich nicht verstanden und dass ich es ihnen nicht erklären konnte. Und ich war auch wütend auf mich selbst. Immer musste es so einen Streit geben, jeden neuen bekloppten Tag. Ich konnte es echt nicht mehr aushalten!
Jetzt fing ich doch noch an zu weinen. Unaufhörlich, am liebsten hätte ich noch die Tür getreten. Meine Mutter klopfte an. Das hätte sie unter normalen Umständen nicht getan, daher hatte ich vorsorglich abgeschlossen. „Cloey du kommst jetzt sofort daraus“ Ich antwortete nicht, ich wollte nicht noch mehr streiten „Cloey antworte mir, dass wird sowieso noch ein Nachspiel haben.“ Rief sie sauer gegen die Tür.
In diesem Moment viel mir die Party ein. Es war Emmas Party. Meiner Meinung nach befand sich außer Egoismus nicht sonderlich viel in ihrem Hirn, doch ihre Familie ist saureich und die wildesten Partys fanden bei ihr statt. Normal ging ich nicht hin. Es war jede Menge scheiß im Umlauf und man musste cht gucken mit wem man sich dort einließ und mit wem lieber nicht. Meiner Mama hasst es außerdem wenn ich da hin gehe. Doch jetzt gab mir gerade diese Tatsache noch den letzten Anstoß zu meiner Entscheidung. Schnell zog ich mir eines meiner Kleider über, schlüpfte in meine Jacke und schon schob ich leise das Fenster auf. Es war nicht das erste Mal, dass ich diesen Fluchtweg nahm und so ließ ich das energische klopfen meiner Mutter schnell hinter mir.
Draußen nieselte es und war kalt, aber hey es war immer noch besser als die dicke Luft drinnen im Haus. Mit schnellen Schritten entfernte ich mich von unserem Grundstück. So schnell würden die mich diesmal nicht wieder sehen. Ich wischte mir die letzte Träne aus dem Gesicht und schaute nach vorne.

2.
Die Party war wie erwartet. Überfüllt und stickig, aber gerade jetzt genau das richtige. Schnell mischte ich mich unter die Leute. Die meisten waren von meiner Schule, aber es waren auch viele da, die ich nicht kannte. Es war egal, ich sprach eh mit niemandem.
Irgendwann war ich etwas angetrunken. Ziellos ging ich zwischen den Leuten umher. Ein paar Mädels aus meiner Klasse waren zu mir rüber gekommen, doch man musste ganz schön bescheuert sein um nicht zu bemerken, dass meine Stimmung im Keller war und so war unser Gespräch ziemlich schnell wieder beendet.
Ich beschloss mich irgendwo an den Rand zu stellen und beobachtete die Leute. Machte mir vielleicht auch ein paar Gedanken darüber wo ich heute Nacht schlafen würde. Es war nicht das erste Mal, dass ich abgehauen war, aber normal kam ich immer irgendwann in der Nacht zurück. Durchgefroren, etwas beruhigt und entschlossen einfach damit klarzukommen. Ich glaube meine Mutter rechnete damit, dass ich das wieder tun würde. Ich nicht. Nicht dieses Mal.
Ich nippte an meinem Drink. Und während ich so dastand und in die Menge starrte entdeckte ich ihn zum ersten Mal.
Er war relativ groß, schlicht gekleidet und mir wirren braunen Haaren. Er war schlank, doch hatte gleichzeitig einen athletischen Körper. Meiner Meinung nach sah ziemlich gut aus, doch er bewegte sich auf eine ungewöhnliche Weise. Als wüsste er überhaupt nicht richtig wo er hin wollte, bis er sich plötzlich dort befand. Fasziniert beobachtete ich ihn. Der Blick in seinen Augen war traurig. Ich wusste gar nicht, dass ich so was erkennen konnte, vor allem nicht auf diesen Abstand. Aber normal achtete ich ja auch nicht auf sowas. Normal guckte ich nicht selbst mit solchen Augen.
Er schien mich nicht zu bemerken auch wenn seine Augen wie meine immer mal wieder durch den Raum huschten. Er tanzte mit einem Blonden Mädel. Meiner Meinung nach Ziemlich eng, dafür dass sie sich nicht zu kennen schienen. Ob er auf was aus war? Da war ich ziemlich sicher, doch als ich kurz weg und wieder hin blickte war er plötzlich verschwunden. Ein bisschen enttäuscht starrte ich in die Menge. Das Mädel tanze alleine weiter. Ihr Körper bewegte sich im Rhythmus der Musik und bald wurde sie von der Menge verschluckt. Ich beschloss mich auch zu verziehen.
Als ich drinnen keine einzige ruhige Ecke fand in der nicht schon irgendwelche Pärchen wild am knutschen waren, begab ich mich nach draußen. Eine kalte Brise umfing mich und bibbernd setzte ich mich auf einen der Liegestühle vor dem Pool. Schnell kippte ich meinen Drink runter und schon bald spürte ich die Kälte nicht mehr. Keine Ahnung wie lange ich dort so saß, als plötzlich eine Stimme hinter mir erklang. „Na süße, was machst du denn so alleine hier draußen?“ fragte sie. Mir war alles egal und ich sagte nichts. Jemand setzte sich neben mich. Ich ging davon aus, dass es der Sprecher war. Bier Atem traf meine Wange. Seine Stimme war betrunken und rau als er fragte: „Soll ich dich ein bisschen Wärmen?“ ich schüttelte schwach den Kopf und rückte weg, doch er packte mich mit seinen trotz allem muskulösen Armen. Ich beschloss mich vorerst nicht zu wehren. Vielleicht würde er ja einfach wieder abziehen, wenn er bemerkte, dass ich null Interesse hatte. Eine ziemliche scheiß Idee wie sich herausstellte. Denn kaum einen Moment später zog er mich hoch und schob mich zur dichtesten Hauswand. Sein Körper presste mich an die raue, kalte Mauer. Ich wollte mich wehren doch seine Starken arme hielten mich fest. Das war mir zu viel, augenblicklich bekam ich panik: „Lass mich los du Penner“ brüllte ich ihm ins Gesicht. Doch sein Griff wurde bloß fester und er drückte seine Lippen auf meine. Panik ergriff mich. Er schmeckte unglaublich eklig und ich fühlte seine Hand an meiner Brust. Übelkeit stieg in mir auf. Verzweifelt versuchte ich ihn zu treten. „Lass mich los“ quetschte ich zwischen den Zähnen hervor. Wieder berührte er mich. Ließ nicht ab. Ich schloss die Augen und versuchte meine Tränen zurückzuhalten. Wollte einfach nur weg. Wieder mal.
„Hast du nicht gehört was sie gesagt hat?“ fragte da plötzlich eine bedrohliche Stimme „Lass sie los“ und ein anderer Arm packte den Typen und Zog ihn von mir weg. Es war wie im Traum oder einem dieser blöden Teenie filme in denen das völlig naive Mädchen vom heldenhaften Typen gerettet wurde. Im echten Leben hatte ich das jedoch noch nie erlebt.
Der Typ, der mich begrapscht hatte, wollte sich wehren, da traf ihn eine gezielte Faust ins Gesicht. Ich schnappte nach Luft. Zitternd stand ich an der Wand. Dann schaute ich hoch und entdeckte meinen Retter. Wie in Trance schaute ich ihn an. Es war der Typ von eben. Der Typ mit den braunen Haaren. Und der Blick seiner traurigen Augen traf die meinen. „komm“ sagte er „Wir verschwinden besser von hier.“ Das brauchte er mir nicht zweimal sagen und so lief ich hinter ihm her, immer weiter, die Straße entlang.

3.
Wie liefen nicht besonders Weit. Erst war noch die wütende Stimme hinter uns zu hören, doch sobald sie verklang verlangsamten wir unseren Schritt. „Ich hoffe du hast nicht so großen Wert darauf gelegt noch bei der Party zu bleiben, “ sagte er entschuldigend. Er schaute mich dabei nicht an, ging einfach weiter geradeaus. Ich ging automatisch neben ihm her. „Um ehrlich zu sein überhaupt nicht“, gab ich zu. „Aber was ist mit dir, ich meine ich bin dir dankbar für die Rettung, aber du hättest das nicht tun müssen…“ Er zuckte mit den Schultern „Ich finde solche Partys eh scheiße, “ meinte er dann. Ich lachte leise. Jetzt blickte er doch fragend zu mir rüber. „Ich auch“ sagte ich und wir lachten beide.
Es war schon komisch. Ich guckte einem Wildfremden Typen dabei zu wie er sich an ein irgendein Mädel ran warf. Kurz danach rettete er mich von einem Betrunkenen und jetzt liefen wir hier neben einander her und lachten zusammen.
„Warum warst du dann überhaupt da?“ fragte er. „Wo?“ fragte ich automatisch. „Na auf der Party“ sagte er und lachte leise weiter. Ich genoss es sein Lachen zuhören. Es hatte so lange keiner mehr wegen mir gelacht. Einen Augenblick lang überlegte ich ob ich lügen sollte, man erzählte ja nicht jedem einfach von seinem Privatleben und familiären Beweggründen, doch ich entschied mich aus irgendwelchen Gründen dagegen. „Ich musste dringend mal wieder raus von zuhause“ antwortete ich. Er nickte als verstünde er genau was ich meine. Das wunderte mich. „Und was mit dir?“ fragte ich. „Ich kann immer einfach von zuhause weggehen“ sagte er und seine Stimme wurde etwas leiser „ich hoffe wohl immer noch dass meine Eltern es irgendwann bemerken wenn ich nicht da bin.“ Es war eindeutig das er wirklich Ehrlich war und ich war ihm unglaublich dankbar dafür. Hatte ich mich noch so oft darüber aufgeregt, dass meine Eltern mich irgendwo nicht hin gehen ließen, irgendwie konnte ich auch seine traurigen Augen verstehen.
Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander her. Doch dann wurde das Schweigen irgendwie unangenehm. Ich meine wo gingen wir überhaupt hin? Und gingen wir da zusammen hin?
Er schien sich nicht zu trauen zu fragen, was ich wirklich merkwürdig fand. Warum war so ein gutaussehender typ so, ja so schüchtern? „Mmm, wo gehen wir hin“ fragte ich also und fühlte mich etwas unangenehm dabei. Er schaute zu mir rüber, wie um herauszufinden ob wir zum gleichen Ort gehen würden. „Du gehst nicht nachhause oder?“ fragte er. Ich nickte. „Ich auch nicht“ sagte er und es klang als wollte er sich damit gerade selbst von seiner Entscheidung überzeugen. „Wo sollen wir dann hin gehen?“ fragte ich und rechnete fast damit eine Antwort zu bekommen wie ist mir doch egal wo du hin gehst. Doch so schien dieser Typ irgendwie nicht zu sein. „Ich weiß nicht, hast du einen Vorschlag?“ fragte er. „Wir könnten da rein gehen“ sagte ich und nickte in Richtung von so einer alten Bar die noch geöffnet hatte. „Okay“ sagte er und kurz darauf stießen wie die alte Holztür auf.
Drinnen war es etwas schummrig und verraucht. Es waren kaum noch Menschen im Lokal. Ein älterer Mann stand hinter der Bar und lächelte uns schräg an. Er war irgendwie unheimlich und ich war froh, dass ich in Männlicher Begleitung war, die grade schon bewiesen hatte, dass sie mich beschützen würde wenn es so weit kam. Wir setzten uns in eine der hintersten ecken und lehnten uns mit den Rücken an die Wand. „Wie heißt du eigentlich?“ fragte ich ihn dann. Es würde ja doch nur peinlicher werden, wenn ich jetzt nicht bald fragte. „Daniel“ sagte er und schaute kurz zu mir auf „und du?“. „Cloey“ sagte ich und es war gar nicht so peinlich, wie ich gedacht hatte. Klar war das ganze hier irgendwie komisch, aber es fühlte sich nicht so an als würde er deswegen über mich lachen oder ähnliches. „Möchtest du was trinken?“ fragte er. Es wirkte fast als würde er ein bisschen auftauen, doch es verwirrte mich das er so anders war. Ich war es gewohnt das Jungen sich immer an alles Weibliche ranmachten. Und wenn nicht, dann hatten sie meist andere Hintergedanken.
Ich schüttelte den Kopf. „Wir müssen eh etwas kaufen“, sagte er und deutet mit dem Kopf in Richtung des Mannes der hinter der Bar gestanden hatte als wir rein kamen. Er kam jetzt auf uns zu. „Er wird uns rausschmeißen, wenn wir nichts kaufen“ sagte Daniel. „Ich hätte gerne eine Cola, aber ich weiß nicht mal ob ich genug Geld dafür habe“ sagte ich. „Er lachte ein unerfreutes Lachen. „keine Sorge“ sagte er „Wenn ich von etwas genug habe dann ist es Geld. Ich bezahl gerne.“ Also bestellte er zwei Colas für uns und wir saßen und wärmten uns erst mal weiter auf.
Ich überlegte ihn zu fragen warum er so viel Geld hatte, aber ich war mir nicht sicher ob das zu persönlich war. Ich fragte ihn trotzdem. Er wirkte nicht verlegen, eher frustriert, doch ich war mir ziemlich sicher, dass nicht daran lag, dass ich gefragt hatte, sondern eher an der Antwort auf diese Frage. „Meine Eltern sind ziemlich erfolgreich“ sagte er. Ich hatte mir immer gewünscht meine Eltern wären etwas erfolgreicher. Ich war immer überzeugt davon gewesen, dass das auf jeden Fall was Positives war. Er schien das nicht so zu sehen. Er bemerkte meinen Blick und fügte erst zögernd, doch dann mit fester Stimme hinzu: „Alles worauf sie sich konzentrieren ist ihr Geschäft, ihre Anzahl an Aktien und ihr Ruf. Ich steuere noch das „und neben der Arbeit führen wir noch ein harmonisches Familienleben“ bei. Von wegen! Alles was sie mir geben ist ihr scheiß Geld. Ich weiß nicht, vielleicht glauben sie ja ich wäre Glücklich, ich meine alle jugendlich wollen doch schließlich Geld oder nicht?“ Er machte eine kleine Atempause. Irgendetwas hatte ausgelöst das er zu sprechen begonnen hatte und ich lauschte seinen Worten gespannt. „Noch bevor ich geboren war hatten sie ein Kindermädchen für mich organisiert“, fuhr er fort. „Sie passte rund um die Uhr auf mich auf. Meine Mutter stillte mich die ersten drei Monate, dann meinte sie es wäre wichtiger wieder ins Geschäft über zu gehen und ich bekam Milch aus der Flasche. Doch nicht genug damit, dass ich keine richtigen Eltern hatte, ich hatte auch keine Bezugsperson oder so was. Dauernd wechselten sie die Kindermädchen aus, mit einem was sie für geeigneter hielten oder was günstiger war. Als ob sie das nötig hätten!“ Er stütze den Kopf in die Hände und schien vertieft in die Gedanken die er schon etliche Male gehabt hatte, doch nie ausgesprochen hatte. „Als ich in die Schule kam durfte ich nicht mit den anderen Kindern im dem Schulbus fahren. Ich wurde von einem fetten Mercedes hingebracht. Klar dass die anderen Kinder mich da gleich aussonderten. Sie dachten ich würde mich für was Besseres halten. Dabei wollte ich nur dazugehören. Ich war das absolute Klischee. Später kam ich dann auf irgend so eine Schule für reiche Kids. Und ich mein klar hab ich meine Freunde dort und so weiter, aber manchmal wünschte ich, ich hätte auch eine Familie…“
„Und du gibst dem Geld die Schuld daran dass du sie nicht hast“ schloss ich leise daraus. Er schaute auf, der Blick seiner Augen traf meinen, und nickte.

4.
Ich weiß nicht wie lange wir danach noch einfach so dasaßen, doch irgendwann fühlte auch ich mich bereit dazu mich zu öffnen. Das klingt so blöd, doch eigentlich ist es genau das was passiert.
„Bei mir ist es fast umgekehrt“ begann ich und fühlte mich ein bisschen Schlecht dabei, weil ich fast all das hatte oder gehabt hatte, was er sich so sehr wünschte.
„Ich war das erste Kind meiner Eltern und manchmal habe ich mich Gefühlt wie ihr gemeinsames Projekt, was auf jeden Fall etwas werden sollte. Doch ich durfte kaum aus der Tür gehen. Dauernd hatten sie Angst mir würde irgendwas zustoßen. Sie haben auch kaum Geld gehabt. Meine Mutter hat oft meine Kleider selbst genäht. All ihre Freundinnen meinten ich würde so goldig darin aussehen und so hat sie gedacht, es würde mir auch gefallen. Ich wollte sie auf keinen Fall traurig machen, ich war doch ihr ein und alles und so hab ich immer brav angezogen was sie mir gab. Ich gewöhnte mich daran, dass die anderen Kinder über mich lachten. Manchmal kam ich unglaublich traurig von der Schule. Aber ich habe es nie gezeigt oder jemandem davon erzählt. Wenn sie wie jeden Tag gefragt haben: „Und, wie war es in der Schule?“ habe ich immer nur „gut“ geantwortet. Ich wollte sie doch nicht enttäuschen.
Später haben meine Eltern sich dann doch getrennt. Ich weiß, dass sie es schon früher getan hätten wäre ich nicht gewesen und doch fühle ich manchmal, dass ich die Schuld daran trage. Mein Vater denkt das auch. Er versucht es vor mir zu verbergen, doch ich weiß es.
Er denkt, es ist passiert weil ich mich irgendwann gegen meine Mutter aufstemmte. Das hat sie traurig gemacht und sie hat eingesehen, dass sie ihr Leben nicht erfühlte, wie Mütter das so sagen. Sie beschloss also, dass eine Veränderung dran war, ein neuer Anfang. Sie konnte sich ja kaum von mir trennen, also beendete sie ihre Beziehung zu meinem Vater und reichte innerhalb weniger Tage die Scheidung ein.
Ich hatte sie um Geld gebeten und mir eigene Klamotten gekauft. Plötzlich gab es Schüler die mich mochten und ich versuchte mich auch anderswertig von meiner Mutter zu befreien. Kaum einer bleibt lange beliebt, wenn er nicht zu Geburtstagen und festen kommen darf. Wenn man abends nicht ausgehen darf und fast das ganze Wochenende zuhause sitzen muss. Irgendwann war ich zu alt für ihre alten reden warum ich nicht wegdurfte. Da hat sie eine andere Ausrede gehabt. Sie hatte mit ihrem neuen Mann noch drei Kinder bekommen und wusste genau dass sie nebenbei keine Zeit mehr für einen Job hatte. Doch plötzlich fing sie mit diesem „ich muss mich selbst verwirkliche“ Gerede an. Da musste ich halt andauernd auf die Kleinen aufpassen. Die Kleinen lieben mich und ich liebe sie. Sie sind so ziemlich das Beste in meinem Leben, aber oft wünsche ich mir doch, dass wäre alles anders gelaufen.“
„Und der neue Mann von deine Mutter, was macht der?“ fragte Daniel mitfühlend. „Er ist ganz okay“ sagte ich „aber er arbeitet viel und sieht all diese Dinge nicht.“
Eine Weile saßen wir schweigend da. Es war als würde es keine Worte brauchen um uns zu zeigen, dass wir einander verstanden. Es war so lange her, dass ich das gefühlt hatte, dass ich von meinen Gefühlen überrascht wurde. Es fühlte sich gut an.
Verstanden zu werden.

Irgendwann gab der Besitzer bescheid, dass sie bald schließen würden. „Was machen wir jetzt?“ fragte Daniel unsicher. „Was ich mache weiß ich nicht“ sagte ich „aber du hast doch so viel Geld, warum suchst du dir nicht einfach ein Hotel oder so?“ „Hotel?“ fragte er. „Ja“ sagte ich als wäre es das logischste auf der Welt. „Warum bist du überhaupt bis jetzt noch nicht abgehauen?“ „Da hab ich ehrlich gesagt noch nie drüber nachgedacht“ gestand er. „Echt nicht“ fragte ich „Wahnsinn! Wenn ich so viel Geld hätte, wäre ich doch schon lange abgezogen. Irgendwohin wo es schön ist und den ganzen Tag die Sonne scheint.“ „Aber alleine?“ sagte er „Das ist doch scheiße. Und was soll ich denn dann?“ „Keine Ahnung“ gab ich zurück „machen worauf du Lust hast, ich meine wenn du so viel Geld hast wie du sagst, könntest du ein ganz neues Leben anfangen wenn du wolltest.“
„Ein ganz neues Leben“ murmelte er vor sich hin „das wär schon Geil“ Er schaute zu mir rüber. In diesem Moment schien etwas in seinen Augen aufzublitzen. „Was?“ fragte ich sofort. „Was hast du vor?“

5.
Bei sich selber einzubrechen war ein komisches Gefühl. Ziemlich komisch sogar.
Das Fenster war noch offen gewesen und so kletterte ich leise hinein. Im Dunkeln versuchte ich mich zu orientieren und suchte meine Sachen zusammen. Daniel sagte ich würde nicht viel brauchen. Wir würden einfach alles kaufen was wir nicht hatten. Die Vorstellung war für mich unglaublich und so stopfte ich alles möglich in meine Reisetasche. Er konnte ja auch nicht alles bezahlen. Ich meine wie lange kannten wir uns? 2,3 Stunden?
Ich zuckte bei dem leisesten Geräusch zusammen und war froh als ich endlich wieder draußen war. Ich schob das Fenster ran und langsam entfernten wir und vom Grundstück. Ich hatte fast alles mitgenommen was mir wichtig war, und doch war es ein komisches Gefühl. Über dir Schulter warf ich einen Blick zurück. Im Dunkeln konnte ich die Schatten des Hauses erkennen in dem ich so lange gewohnt hatte. Ich schüttelte den Kopf über mich selbst. Ich wohne da immer noch, dachte ich. Und doch, wer wusste was passieren würde? Als wer und vor allem wann ich wieder zurückkommen würde.
Daniel öffnete die Taxi Tür. „Ein Taxi?“ fragte ich. Er musste es gerufen haben als ich im Haus gewesen war. „Na so nah wohne ich dann auch wieder nicht“ meinte er. Ich nickte und stieg ein. Der Taxifahrer musterte uns einen kurzen Augenblick stellte jedoch weiter keine Fragen. Die Fahrt kam mir unglaublich kurz vor. Nervös schaute ich immer wieder aus dem Fenster, als könnte jeden Moment irgendetwas Unerwartetes passieren.
Bald standen wir vor Daniels Haus. Alter Schwede war das groß. Ich staunte nicht schlecht. Daniel zuckte nur kurz mit den Schultern, schloss das große Tor auf und verschwand auf dem Grundstück. Ich wusste nicht ob ich ihm folgen sollte und so blieb ich einfach stehen und wartete. Es dauerte nicht lange bis er zurück war, doch es war lang genug gewesen, dass ich dastand und bibberte. Er winkte mir zu und ich folgte ihm. „Nur ein Rucksack“ fragte ich als ich ihn eingeholt hatte. „Ich will so wenig mitnehmen wie möglich“ sagte er. Na wenn er meinte.
Wir fuhren mit einem weiteren Taxi zum Flughafen. Es begann schon fast hell zu werde, als wir dort ankamen. Die ersten Menschen warum unterwegs. Träge überquerten wir die Flughalle. „Findest du das alles nicht total komisch“ fragte ich. Daniel hatte seine Tasche mit der Hand umklammert und schaute Schnur geradeaus. Dumme Frage, dachte ich. „Das ist mit Abstand das verrückteste was ich je gemacht habe, “ sagte er als Antwort. Ich grinste in mich hinein. Ja, es war verrückt. Absolut Verrückt! Aber es war auch mit Abstand das spannendste und aufregendste was ich je in meine kurzen Leben gemacht hatte.

Als wir am Schalter ankamen fragte er selbstbewusst nach dem nächstbesten Flieger der weit weg fliegen würde. Die Frau ihm gegenüber guckte verwirrt „wohin denn?“ fragte sie. „Das ist wie Urlaub ins Blaue“ sagte er „suchen sie uns einfach was Schönes aus.“ Er lächelte mich an. Ich versuchte zurück zu lächeln doch irgendwie klappte es nicht so gut. „Wie wär es mit Hawaii?“ fragte die recht streng gekleidete Dame „Der Flieger geht in eine dreiviertel Stunde.“ Daniel schaute zu mir „Hawaii?“ fragte er. „Kannst du so viel bezahlen?“ fragte ich unsicher. Daniel lachte unerfreut „den nehmen wir“ sagte er.
Ich erinnere noch so gerade, dass ich in die Maschine eingestiegen bin, dass es kurz ruckte als wir den festen Boden verließen. Doch danach ist alles weg. Ich hab den ganzen Flug über geschlafen wie ein Stein. Ich glaube Daniel auch, denn als ich viele Stunden später aufwachte sah auch er noch ziemlich verpennt aus.
Nachdem wir uns müde zugeblinzelt hatten, mussten wir schon bald umsteigen. Ich versuchte wieder zu schlafen, doch lehnte nur halbmüde am Fenster. Die Zeit ging unglaublich langsam und doch viel zu schnell. Ich konnte mich nicht entscheiden ob ich für immer einfach weiter fliegen wollte oder am liebsten gleich da sein wollte. Egal für was ich mich entschied, irgendwann erreichten wir den Flughafen auf der anderen Seite. Geschockt starrte ich auf die Uhr, als wir das Flugzeug verlassen hatten. Wer denkt denn auch an Zeitverschiebung? Und so war es wieder morgens als wir das große Gebäude verließen. Draußen prallte uns die Sonne ins Gesicht. Klar, es war noch morgens, doch zu den Heimtemperaturen ein großer Unterschied. Plötzlich standen wir am anderen Ende der Welt. So kam es mir auf jeden Fall vor, und das war es ja auch fast. Die Farben dieser Welt Leuchteten grell und einen Augenblick musste ich innehalten um zu verstehen was passierte.
Hier herrschte ein völlig anderes Leben. Ein eigenes Leben. Ich hoffte, dass es auch meins sein könnte und Daniels natürlich. Oder war es das schon seit unsere Füße den Hawaiianischen Boden betreten hatten? Ich zuckte mit den Schultern. Was machte das schon? Eine angenehme Brise streifte mein Gesicht. Ich blinzelte in die Sonne.

6.
Noch bevor wir überhaupt das Hotel betreten hatten, traf mich das gegenspiel meiner Gefühle. Die erfrischende Luft der Ventilatoren Kühlte meinen erhitzten Körper. Ich wurde unheimlich freudig und aufgeregt während ich gleichzeitig sagte:“ Alter, das kannst du nicht machen.“ Daniel schaute mich schief an und lächelte. „Na klar kann ich“ sagte er und zückte lässig eine Kreditkarte. Ich schüttelte energisch den Kopf. „Nein“ sagte ich „das kann ich nicht annehmen.“ Abrupt blieb ich in der riesigen Eingangshalle des Hotels stehen. Glänzende Bodenfliesen befanden sich unter meinen Füßen, teure Möbelstücke und fein gekleidete Leute wo auch immer ich den Blick hingleiten ließ. Daniel dreht sich zu mir um „Jetzt hörst du mir mal zu“ sagte er bestimmt. Seine Hände fanden einen festen griff um meine Arme. Fest aber nicht zu fest. „Alleine hätte ich mich das alles hier nie getraut. Ohne dich würde ich immer noch zuhause hocken. Das mindeste was ich überhaupt tun kann ist es dir zurückzuzahlen mit dem Geld was ich sowieso im Überschuss habe. Mach es nicht Kaputt Okay?“ Er schaute mir zum ersten Mal tief in die Augen. „Lass es uns machen wie im Film“ sagte er „Lass uns von allem nehmen was uns gefällt und das Leben voll und ganz genießen. Wer weiß wie lange wir die Möglichkeit dazu haben…“ Ich tat so als würde ich einen Augenblick wirklich überlegen. „Okay, einverstanden“ sagte ich dann. Wer hätte ein solches Angebot auch abgelehnt?
Im Hotelzimmer sprang ich als erstes auf das riesige Bett. Ich weiß, es ist kindisch, aber für jemanden der sein Leben lang in der Unteretage eines Reihenhauses gewohnt hat, ist ein Hotelzimmer Wahnsinn. Nicht, das ich vorher nie im Urlaub gewesen war. Doch ich war es gewohnt im Zelt oder viel zu kleinen Hüten zu übernachten. Und nur weil man den Nieselregen, der aufs Zeltdach rieselt liebt, heißt das nicht, dass man keine Himmelbetten, große Bäder und Pools im Vorgarten mag. Oder vielleicht wusste ich es auch gerade deswegen sehr zu schätzen.
Daniel schaute sich bloß aufmerksam im Raum um. Ich ließ mich aufs Bett fallen und folgte seinen Blicken. Plötzlich viel mir etwas auf. „mmh“ begann ich „schlafen wir im gleichen Bett?“ Oh je, das wäre dann doch etwas komisch. „ach quatsch“ sagte er zu meiner Erleichterung. „Ich dachte nur es wäre netter wenn wir im gleichen Zimmer wohnen. Ich werde auf dem Sofa schlafen.“ Mit diesem Worten nahm er eine der Bettdecken und das dazugehörige Kissen vom Bett und breitete sie auf dem Sofa aus. Ich nickte und bot an:“Ich kann sonst auch auf dem Sofa schlafen, oder wir können tauschen, “ er winkte ab „du sollst das Bett haben, für dich ist es etwas besonderes.“ „für dich nicht?“ fragte ich nach „Ich habe schon gefüllte tausendmal in solchen Betten geschlafen“ sagt er und damit ist das Thema beendet. Ich schwinge die Arme nach oben und strecke mich behaglich aus. Daniel sieht mich dabei an. Plötzlich ist mir mein Freudenausbruch etwas peinlich. Ich setzte mich auf „und jetzt?“ frage ich. Daniel zuckt mit den Schultern „keine Ahnung, wir können machen wozu du Lust hast.“ „Wir“ berichtige ich ihn. Er lächelt.

7.
Hawaii ist Wahnsinn. Ach quatsch, was rede ich denn da? Das alles hier ist Wahnsinn. Aber wenn Wahnsinn sich so anfühlt, hab ich absolut kein Problem mit ihm.
Wir schlendern durch alle Straßen und ich schaue mich um, als würde ich die Welt zum ersten Mal sehen. Klar bin ich nicht dumm. Ich weiß dass es viele verschiedene Länder gibt und wie unterschiedlich es in den verschiedenen Teilen der Welt ist. Doch es ist das erste Mal das ich richtig weit weg von zuhause bin, da ist das ja wohl verständlich, oder nicht? Daniel schaut mir auf jeden Fall ziemlich amüsiert zu. „Hey, grins nicht so doof“, sage ich und
stoße ihm leicht in die Schulter. „Das versuche ich ja“ sagt er „aber du müsstest dich mal sehen.“ Er beginnt zu lachen. In diesem Moment kommen wir auf einen großen Platz, in dessen Mitte steht ein riesiger Springbrunnen. „Wahnsinn“ kommt es aus meinem Mund. Daniel kriegt sich wieder ein. Er legt den Arm um meine Schulter und beugt sich zu mir runter. „Cloey, das ist der Springbrunnen“ flüstert er feierlich, „Springbrunnen, das ist Cloey.“ Ich brauche einen Augenblick um zu kapieren, dass er mich verarscht. Zugegeben, manchmal bin ich nicht sonderlich schnell was das denken an geht. „Du Arschloch“ schimpfe ich dann und stoße ihn von mir weg. Ihn vollständig ignorierend gehe ich weiter. Er geht neben mir her. Als ich nach einigen Minuten immer noch nichts gesagt habe kriegt er schiss. Er kennt mich ja nicht. Wir kennen uns ja beide noch nicht wirklich. Woher also sollte er wissen, dass ich wegen so etwas niemals sauer sein würde? „Cloey“ fragt er also, als er es nicht mehr aushalten kann. Er hält mich an und stellt sich vor mich. Mit einem umwerfendem leicht übertreibendem hundeblick schaut er mich an „bist du Böse?“ „Ach quatsch“ sage ich „ich wollte dir nur etwas Angst einjagen. „komm, gehen wir Eis essen.“ Mit diesen Worten ziehe ich ihn in Richtung eines Eismanns.
Irgendwann wird der Kopf ganz schwer von all der Sonne. Wir hatten uns ein bisschen verlaufen und schon alleine der Gedanken daran wie weit wir noch zurück laufen müssen lässt auch meine Füße schmerzen. „Ich kann nicht mehr“ stöhne ich leicht übertrieben. „Komm ich trag dich“ bietet Daniel an. „Du spinnst wohl“ erwidere ich lachend „weißt du wie schwer ich bin?“ „Doch im ernst“ sagt er „komm, ich nehm dich huckepack.“ „Bist du sicher dass du nicht zusammen brichst?“ frage ich nicht ganz ohne Hintergedanken. „Sicher“ sagt er und ich nehme ordentlich Anlauf. „Achtung ich komme“ rufe ich noch. Dann spring ich ab und lande volle Kanne auf seinem Rücken. „Wooh“ lacht er „bist du ein Walross oder was“. „Und du ein Waschlappen oder was?“ necke ich zurück.
Hinter der nächsten Ecke taucht das Meer endlich wieder auf. Langsam geht darüber die Sonne unter. Der Himmel ist ganz rot. Es sieht wunderschön aus. Ich fühle mich so frei wie schon lange nicht mehr.

Zurück im Hotel genieße ich ein langes Bad. Danach lass ich mich erschöpft aufs Sofa sinken. Im einfachem Tank top und Jogginghosen schalte ich den Fernseher an während auch Daniel im Bad verschwindet. Es ist komisch wie still es plötzlich ist. Ich lehne den Kopf zurück und schließe einen Moment die Augen. Ich denke an zuhause. Das hätte ich nicht erwartet. Daniel kommt aus dem Bad und struppelt sich mit einem der weißen Hotelhandtücher durch die Haare. „Heimweh?“ fragt er als er mich sieht. „Ne“ sage ich „nicht richtig.“ Und es ist die Wahrheit. „Aber du denkst an zuhause oder?“ fragt er. „Woher weißt du das?“ frage ich jetzt doch überrascht. „Es ist doch ein großer unterschied sich immer wieder weit weg von Zuhause zu wünschen und sich plötzlich wirklich am anderen Ende der Welt zu befinden“, stellt er recht sachlich fest. Er lässt sich neben mir auf Sofa sinken. „Vermisst du deine Familie“ frage ich ihn leise. „Nein, aber ich frage mich ob sie mich vermissen“, erwidert er. Ich schlucke, weiß nicht richtig was ich sagen soll. Ich weiß dass meine Familie mich vermisst. Ich kann ihm ja kaum sagen, dass das auch nicht immer gerade viel besser ist. „Wir bleiben erst mal hier, oder?“ frage ich ihn. „Na klar“, sagt er und legt genüsslich die Füße hoch.
Zum Abendbrot essen wir Pizza. Die Pizzeria liegt ziemlich direkt neben unserem Hotel. Sie ist recht groß doch wir sitzen in einer lauschigen Ecke. Irgendwie kommen wir auf das Thema Fernsehen und verbringen damit fast den gesamten Abend. Reden darüber was für ein scheiß im Fernsehen kommt, was wir gerne sehen und es wirkt vielleicht komisch doch vor allem was wir als Kinder gerne gesehen haben und das uns nie erlaubt wurde es zu sehen. „Fernsehen schadet Kindern“ witzelt Daniel im übertriebenen Ton seiner Mutter. Es ist recht spät geworden als wir zurück aufs Zimmer gehen. Daniel geht raus auf den Balkon und schaut in die Nacht. Eine kühle Brise streift mich. Ich verschwinde ins Bad. Ich würde es nie zugeben aber ich finde es komisch meine normalen Schlafsachen anzuziehen und mit ihnen vor Daniel herumzulaufen. Egal wie gut wir uns verstehen, wir kennen uns doch erst seit zwei Tagen. Also entschließe ich mich einfach meine Jeans abzustreifen und stattdessen ein Paar meine Schlafboxershorts überzuziehen. So komme ich zurück ins Zimmer und murmel mich ins Bett. Daniel kommt rein und wünscht mir eine gute Nacht. „Gute Nacht“ murmel ich zurück. Ich glaube Aufregung macht einen auch kaputt und Müde. Denn ich höre noch wie er leise die Balkontür schließt. Dann schlafe ich auch schon.

8.
Morgens schlafen wir aus. Wir bestellen uns Frühstück aufs Zimmer und essen in Schlafsachen. Wir Baden im Pool oder im Meer, wonach auch immer uns gerade ist. Wir lassen uns hinfahren wo wir hinwollen und kaufen alles was wir gerne hätten. Jeden Abend essen wir in einem anderen Restaurant und genießen es in vollen Zügen. Es gibt nur weniges was an diesen Tagen was nicht perfekt ist.
Nur weniges. Und doch taucht es immer wieder in meinem Kopf auf, sobald die Welt drum herum einen Moment lang still zu stehen scheint.
Einmal habe ich gewagt mein Handy anzuschalten. Es waren so viele Nachrichten darauf, dass ich es sofort wieder ausgeschaltet habe. Ich möchte am liebsten alles außer dem was jetzt ist vergessen. Ich weiß, dass das nicht geht. Man kann nicht einfach sein komplettes vorheriges Leben auslöschen. Doch ich würde es so gerne. Und dann sind da noch all die anderen Gedanken. Wie lange wird das hier so bleiben? Ja wohl kaum für ewig. Irgendwann muss es zu Ende sein und wir müssen wieder ein normales Leben beginnen. Ich verschließe die Augen vor diesen Gedanken, auch wenn ich weiß dass sie da sind.
Ich weiß, dass auch Daniel sich Gedanken macht. Aber nur wenn er denkt, dass ich es nicht bemerke. Wir sind ziemlich gute Freunde geworden in den letzten zweieinhalb Wochen. Ich mag Daniel unheimlich gerne. Manchmal hätte ich Lust noch einen Schritt weiter zu gehen, doch ich bin mir nicht sicher ob er das auch will. Ich meine meiner Meinung nach könnte er fast jede haben wenn er wirklich wollte. Vor allem möchte ich unsere Freundschaft nicht riskieren.
Wie es scheint hätte ich mir diese Gedanken nicht machen müssen.
Daniel weckt mich mit einem leisen flüstern in mein Ohr. Verpennt und überrascht schlage ich die Augen auf. „Was ist los?“ frage ich, nachdem ich bemerkt habe, dass es ca. 3 Uhr nachts ist. „Was hältst du von Nachtbaden?“ fragt er aufgeregt. „Jetzt?“ frage ich verblüfft. „Naja, jetzt ist es Nacht“ sagt er schmunzelnd. Ich nicke und setzte mich langsam auf. Meine Augen beginnen sich an das schwache Licht zu gewöhnen. „Was ist?“ fragt er „kommst du mit?“ „Na klar“ sage ich leicht überrumpelt, obwohl ich mir gar nicht so sicher bin. Etwas wacher streiche ich mir dann das Haar aus dem Gesicht und überlege wo ich am Vortag meine Badesachen abgelegt habe.
Kurz danach bin ich bereit. Ich habe meinen Bikini untergezogen und ein großen Handtuch um meine Schultern gelegt. „Gehen wir“ frage ich, jetzt auch ziemlich aufgeregt. Daniel lacht amüsiert. Langsam schleichen wir uns nach unten. Ein bisschen unheimlich ist es schon. In der Ferne hört man, dass einige Feste noch in gange sind, doch sonst ist es ganz still. „Hauptsache wir wecken niemanden“ flüstert Daniel und es krippelt leicht an meinem Ohr. Draußen ist es etwas kühler als ich erwartet habe und ich schlinge das weiche Handtuch etwas dichter um mich. Dann schleichen wir zum Pool. Einige Lampen leuchten auch zu dieser Stunde noch und offenbaren die Spiegelglatte Oberfläche des Wassers. „Darf man das?“ frage ich. „keine Ahnung“ sagt er „aber das ist ja gerade das spannende.“ „Und was machen wir wenn sie uns erwischen?“ frage ich zögernd. „Wir beschweren uns, dass hier kein Schild steht mir der Aufschrift: Baden im Pool nur tagsüber erlaubt!“ sagt er mit einem grinsen im Gesicht.
Das Wasser hat eine angenehme Temperatur. Langsam lassen wir uns hinein gleiten. Ich schwimme ein Stück. Meine Bewegungen erzeugen Ringe. Langsam ziehen sie sich durchs ganze Wasser. Es ist wunderbar. Daniel taucht neben mir auf. Er sieht glücklich aus und ich frage mich ob ich genauso aussehe. Am liebsten würde ich den Moment einpacken und mitnehmen. Dann könnte ich ihn immer auspacken wenn es mir mal wieder schlecht geht.
Dann drückt Daniel mich unter die Wasseroberfläche. Prustend tauche ich wieder auf und setze ihm nach. Eine wilde Wasserschlacht beginnt in der nichts trocken bleibt. Doch plötzlich höre ich ein Geräusch. Ich zucke zusammen und halte inne. Daniel zieht mich zu Beckenrand und hält einen Finger über seine Lippen als Zeichen, dass ich ganz still sein soll. Eng neben einander warten wir bis es wieder still ist. Als alles wieder ruhig ist bemerke ich wir dicht wir bei einander stehen. Ich fröstele und er legt behutsam die arme um mich. Plötzlich ist die Stimmung um geschwungen. Ich merke seinen Atem an meiner Haut und schaue zu ihm hoch. Als unsere Blicke sich treffen lächelt er prüfend. Ich lächel zurück und es ist als hätte ich nur auf diesen Moment gewartet. Eng umschlungen stehen wir im Pool und küssen uns und es ist mir, als ob diese Nacht keiner auf dem Sofa schlafen wird…


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Tag der Veröffentlichung: 04.07.2011

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