Ich war nun schon seit 3 Wochen in der neuen Schule und fühlte mich unwohl, ausgegrenzt, anders. Meine neuen Mitschüler akzeptierten mich nicht, ich hatte keine Markenklamotten, verbrachte meine Zeit draußen und hatte mich noch nicht von meinen Puppen verabschiedet. Ich war gerade mal 11 Jahre alt und verstand nicht warum von mir erwartet wurde mein Leben komplett zu verändern. Die Mädchen schminkten sich, trugen knappe Klamotten und hohe Schuhe. Ich fand das einfach nur lächerlich, konnte nicht verstehen warum diese Mädchen das taten. Ich bekam den vollen Hass der ganzen Klasse zu spüren und wünschte mich zurück in die Grundschule, weit weg von diesen komischen Mädchen. Dort kannte ich Alle, hier waren mir Alle unbekannt. Untereinander kannten sie sich und das machte es mir noch schwerer Anschluss zu finden. Ich fing an zu beobachten da niemand mit mir reden wollte außer sie gaben wieder ein blödes Kommentar zu meinem Aussehen ab. Eines der Mädchen schaute ununterbrochen auf ihr Handy, streifte mit dem Finger darüber, las leise vor. Ein anderes Mädchen unterhielt sich mit einem Jungen und fing alle 5 Minuten an zu lachen. Sie wollte ihm höchstwahrscheinlich imponieren. Ich blieb an einem Jungen hängen der malte, die ganze Zeit nur malte. Irgendwann fasste ich den Entschluss zu ihm zu gehen und ihn zu fragen was er da tue. Kühl bekam ich eine Antwort, er malte einfach nur. Doch ich lies nicht locker, aus irgendeinem Grund war er mir sehr sympathisch. Irgendwann gab er sich geschlagen und begann mit mir zu sprechen. Er erzählte mir von seiner Schwester, sie war 4 Jahre und schien mir sehr lebensfreudig zu sein. Beiläufig bekam ich in einer seiner Geschichten mit, dass er Oliver hieß. Es freute mich als ich nach langer Beobachtung feststellte, dass er lächelte während er von ihr erzählte. Ich war angetan von seiner Reaktion und hörte ihm gerne zu. Dieser Moment schien nie zu enden bis plötzlich die Schulglocke läutete und die Stunde begann. Ich setzte mich zurück auf meinen Platz und sah wie der Junge weiter zeichnete. Die Deutschstunde, die gerade begonnen hatte war kaum zu ertragen, ich wollte zurück zu Oliver, seiner beruhigenden Stimme lauschen und die lustigen Geschichten vor meinem inneren Auge wie einen Film vorbeiziehen lassen. Endlich ertönte das erlösende Klingeln der Schulglocke, die Schule war vorbei, Alle konnten nach Hause gehen. Ich packte meine Schulsachen zusammen und begab mich zurück zu meinem Mitschüler. Er sah mich ausdruckslos an, packte seine Hefte in seine Schultasche und stand auf. Danach sah er mich an und fragte ob ich ihn begleiten wolle. Natürlich willigte ich ein und begleitet ihn auf dem Weg nach unten. Er begann wieder zu reden und ich hörte ihm aufmerksam zu. Er schien Spaß daran zu haben mir all seine Geschichten zu erzählen und wir lachten eine Menge. Plötzlich hatten wir sein Haus erreicht. Ich wohnte keine 5 Häuser von ihm entfernt und trotzdem hatte ich ihn noch nie zuvor gesehen. Er verabschiedete sich von mir mit einer Umarmung die sich sanft und herzlich anfühlte und ging in sein Haus. Ich sah ihm noch nach und als er die Tür hinter sich schloss machte ich mich auf den Weg zu meinem Haus. Es roch nach Tomatensoße und Nudeln, mein Lieblingsessen. Als ich die Küche betrat lächelte mich meine Mutter an und bat mich zu Tisch. Sie schöpfte mir Nudeln und Soße auf den bereitgestellten Teller und ich begann zu essen. Ich musste aufpassen, dass mein langes Haar nicht in der Soße landete und so musste ich eine Pause einlegen um meine Mütze ab zu setzen und meine Haare zusammen zu binden. Danach aß ich genussvoll weiter und nahm mir sogar noch einen Nachschlag. Nachdem ich mein Mittagessen beendet hatte lief ich die Treppe hoch und machte meine Hausaufgaben. Deutsch hatte ich schnell fertig gestellt aber Mathematik bereitete mir Probleme. Irgendwann hatte ich aus dies beendet und konnte endlich raus spielen gehen. Mit mittlerweile wieder offenen Haaren und meiner Mütze auf dem Kopf verließ ich den Garten und ging zu Olivers Haus. Ich klingelte und wartete bis mir Jemand öffnen würde. Plötzlich stand eine schmale, blonde Frau vor mir. Sie machte einen sportlichen Eindruck, hatte leicht muskulöse Arme und lange schmale Beine. Sie lächelte mich an und fragte nach dem Grund meines Besuches. Ich stammelte anfangs doch dann verständigte ich mich klar und deutlich. Ich wollte zu Oliver. Sie nickte mir zu und bat mich um einen Moment. Ich sah mich im Garten um, alles war gepflegt und jede Hecke war akkurat geschnitten. Es war ein heißer Tag, die Sonne schien hell, der Himmel war klar. Plötzlich stand Oliver vor mir und musterte mich intensiv. Ich fing an zu kichern, er fing an zu kichern. Er stürmte aus dem Haus, packte mich an der Hand und zog mich in Richtung Spielplatz. Ich warf einen Blick zurück und sah wie seine Mutter uns fröhlich hinterher sah. Ich lächelte. Wir kamen schnell am Spielplatz an, doch er ließ erst Minuten später meine Hand los. Ich fragte ihn was wir nun tun sollten und ohne mir zu antworten lief er auf die riesige Schaukel zu und wippte hin und her. Ich lief im hinterher und sprang ebenfalls hinauf. Die Schaukel schaukelte immer höher und wir begann lautstark an zu lachen. Ich war mir sicher in Oliver einen Verbündeten gefunden zu haben. Die kleinen Glöckchen an meinem Armband klingelten im Wind lieblich vor sich hin und meine Mütze wurde immer loser, bis sie schließlich auf den Boden fiel. Meine Haare flogen wild umher, in mein Gesicht, in Olivers Gesicht. Wir fingen an noch lauter an zu lachen. Während wir so vor uns hin schaukelten begann ich Oliver zu mustern. Er hatte kurzes, dunkles Haar und leuchtend grüne Augen. Er war schmal und seine Statur glich der eines Mädchens. Er sah mich an und ich warf ihm ein herzliches Lächeln zu. Er lächelte zurück. Wir schaukelten immer langsamer und ich fragte ihn was wir nun machen sollten. Er zuckte mit den Schultern und stoppte die Schaukel endgültig mit den Füßen. Wir sahen uns an. Ich legte meinen Kopf zur Seite und wartete auf einen Vorschlag seiner Seits. Nach minutenlanger Stille öffnete er seinen Mund und sprach. Im ersten Moment konnte ich kaum glauben was er da von sich gab. Ich bekam vor Schock nur noch Bruchstücke mit. Er sagte irgendwas von "Du hälst auch Nichts von dem Verhalten unserer Mitschüler" oder "Ich bin deiner Meinung" und "Du und ich, wir sind noch normal". Er war der selben Ansicht wie ich? Ich konnte es kaum glauben. Es war als hätte ich mitten im Ozean eine rettende Insel gefunden. Ich konnte nicht anders als ihn zu umarmen und zu lächeln. Er erwiderte meine Umarmung sanft. Langsam löste ich mich von ihm und sah ihm in die Augen. Wieder fragte ich ihn was wir nun machen sollten. Ohne zu zögern antwortete er mir: "Lass uns etwas total kindisches machen! Etwas das in den Augen der anderen viel zu unpassend für unser Alter ist!". Ich musste lachen. "Und was stellst du dir vor?" Wieder packte er mich an der Hand und zog mich weiter. Wir stoppten an einem großen, weißen Haus. Es erinnerte an einen Palast aber ich mochte nicht wie es aussah. So kalt und steril. Ich fragte ihn was wir hier sollten und er gab mir die einzige Antwort die ich nicht erwartet hatt: "Hier wohnt Amanda, das Mädchen mit den schwarzen Haaren. Die, die sich immer die Lippen rot anmalt. Lass sie uns fragen ob sie mit uns spielen will!" Missbillig willigte ich ein.
Tag der Veröffentlichung: 13.11.2012
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