Cover


Prolog

Die Wände waren gelb gestrichen. Es roch nach Krankenhaus, was ja auch logisch ist, denn ich war ja im Krankenhaus. Ich saß am Bett meiner Mutter. Der Arzt hat uns angerufen und gesagt, dass es ihr schlechter ginge und dass sie bald von uns gehen würde. Es war eine schreckliche Vorstellung meine Mutter zu verlieren. Ich liebte sie doch über alles. Ich wusste gar nicht, wie ich das verkraften sollte. Ich war doch erst vierzehn. Okey eigentlich konnte man schon sagen fünfzehn, immerhin habe ich in zwei Tagen Geburtstag. Meine Mutter konnte mich da doch nicht alleine lassen. Ich brauche sie!
Ich hielt die ganze Zeit die Hand von meiner Mutter und redete mit ihr. Ich sagte ihr ständig, dass ich sie liebte, aber es nütze alles nichts. Sie war zu schwach, um irgendwas zu sagen oder zu machen. Bevor mein Vater ins Zimmer kam, hatte er noch mit dem Arzt geredet. Als er dann das Zimmer betrat und einen Blick auf Mama warf, hat er sofort angefangen zu weinen. Er tat mir so Leid. Er saß zwei Stunden neben ihrem Bett und sagte nichts. Er hielt nur ihre Hand. Dann verließ er das Zimmer und wollte sich einen Kaffee holen. Er war gerade raus, als Mama anfing zu reden. Es strengte sie an.
>Mein Schatz! Es tut mir Leid, dass ich dich bald verlassen werde, aber das ist mein Schicksal! Aber bevor ich sterbe, muss ich dir noch was sagen! Bitte glaub das, was ich dir sage! Das ist ein Geheimnis, das du niemanden weitersagen darfst! Versprich es mir!< Ich versprach es ihr sofort. Sie machte noch eine kurze Pause, bevor sie weiter sprach.
>Also, du...du bist eine Hexe, genauso wie ich, aber du hast deine vollständige Zauberkraft noch nicht erreicht! Jede Hexe bekommt eine Glaskugel, durch diese erreicht man seine volle Kraft, aber erst wenn du achtzehn bist! Aber vor längere Zeit wurde mir die Kugel von dem mächtigsten Zauberer gestohlen! Er möchte nicht, dass du deine vollständige Kraft jemals bekommst, denn dann hast du Anspruch auf den Thron in der Welt der Hexen!< Sie machte wieder eine Pause und atmete tief ein. >Aber warum bist du dann jetzt nicht die Königin der Hexenwelt?<, fragte ich sie. Ich war verwirrt. Ich konnte den Worten keinen Glauben schenken. Es hörte sich alles so komisch an. >Ich habe einen "normalen" Mann geheiratet! Du kannst nur den Thron einnehmen, wenn du einen Hexer heiratest! Aber jetzt wieder zur Kugel! Der Zauberer hat die Kugel in dreizehn Stücke zerbrochen und die dreizehn Stücke in verschiedene Welten mit verschiedenen Wesen verteilt! Keiner kann dir sagen, mit welchen Wesen du es zu tun bekommst! Sobald du achtzehn bist, hast du die Möglichkeit, in die verschiedenen Welten zu kommen! In einigen sind Wesen, die dir helfen. Es sind meine Freunde, aber pass auf, dass du nicht an die Falschen gerätst! Es gibt immer schwarze Schafe!< Sie machte wieder eine Pause. Sie nahm nun ihre letzte Kraft zusammen. >Aber Mama, wie soll ich denn in die verschiedenen Welten gelangen und die Wesen besiegen, ohne irgendwelche Kräfte oder Fähigkeiten?<
>Auf diese Frage habe ich gewartet!<, sie lachte leise,> Hör mir jetzt gut zu, bevor dein Vater wieder kommt! Du kannst dich in alles verwandeln und jeden Zauberspruch anwenden, aber das muss mit den Elementen Feuer, Wasser und Luft zu tun haben! Du kannst dich aber auch nur in Sachen verwandeln, die es wirklich gibt! In meiner Nachttischschublade liegt eine Buch, wo alles drin steht, was du wissen musst bevor du deine Reise antrittst! Trage es auch immer bei dir auf deinen Reisen! Die Türen, zu den verschiedenen Welten, öffnen sich irgendwann! Keiner weiß zu welchen Zeitpunkten das passiert! In jeder Welt hast du maximal zwei Wochen Zeit, um die Scherbe zu besorgen! Wenn sich das Portal wieder öffnet, musst du zurück gehen, sonst löst du dich auf und kannst nie wieder zurückkehren! Bitte pass auf dich auf und höre auf das, was dein Herz dir sagt! Und Bitte hole dir die Scherben der Kugel, setze sie zusammen und besiege dann den Zauberer, bevor er an die Macht kommt und die ganze Welt vernichtet! Und denk immer daran! Ich werde dich immer begleiten, aber ich kann nicht eingreifen!< Sie atmete jetzt schwer. Sie hatte wirklich all ihre Kraft zusammengenommen, um mir das zu sagen! >Schatz, holst du jetzt bitte deinen Vater?! Es ist soweit!< Ich rannte sofort raus auf den Flur und rief Papa. Er saß wie hypnotisiert auf einem Stuhl vor dem Zimmer. Was hatte Mama mit ihm gemacht? Ich rüttelte an ihn, bis sein Blick wieder klar wurde. >Papa, du musst schnell kommen! Mama geht es immer schlechter!< Er begriff sofort und bat mich schon mal vorzugehen. Ich ging rein und fragte Mama sofort, was sie mit ihm gemacht habe. Sie fing an zu grinsen. >Er durfte unser Gespräch doch nicht stören! Das hat mich aber viel Kraft gekostet!< >Aber wenn du eine vollwertige Hexe bist, warum kannst du dich dann nicht gesund zaubern?< Ich fing an zu weinen. >Schatz das geht nicht! Eine Hexe darf nicht ins Schicksal eingreifen! Mein Schicksal ist es nun mal jetzt an Krebs zu sterben! Das habe ich mir nicht ausgesucht!< Ich wollte gerade noch was sagen, aber dann kam Papa rein. Er setzte sich neben Mama und sie setzte sich mit großer Mühe auf. >Es tut mir Leid, dass ich dich jetzt verlassen muss, aber ich werde auf dich warten! Ich liebe dich, denk immer daran!< Sie umarme ihn kurz und dann wendete sie sich mir zu. Sie umarmte mich und flüsterte mir dann ins Ohr: >Das Schicksal der Welten liegt in deiner Hand! Aber erzähl deinem Vater nichts von deiner Aufgabe!<, dann sagte sie etwas lauter noch: >Ich liebe dich, vergiss das bitte nicht!< Danach legte sie sich wieder hin. Ihr Atem wurde immer schwerer und langsamer. Die Tränen liefen mir nur so übers Gesicht und mein Vater konnte sich auch nicht mehr zusammenreißen. Jeder von uns hielt eine Hand von Mama und wir warteten darauf, dass sie von uns ging, obwohl wir es nicht wollten. Wir saßen noch eine halbe Stunde so, bevor meine Mutter mit einem lächeln im Gesicht und einer Träne, die aus dem Auge kullerte, einschlief. Ich saß noch ungefähr eine halbe Stunde neben ihr und hielt ihre Hand, die immer kühler wurde. Danach rannte ich raus. Inzwischen regnete es heftig. Ich blieb mitten im Regen stehen und guckte in den Himmel. >Ich werde dich nicht enttäuschen, Mama!<, schrie ich nach oben in den Himmel. Mir war das egal, ob jemand mich gehört hatte. Das einzige was ich nur noch wollte, war den letzten Willen meiner Mutter zu erfüllen und ich hatte seitdem kein anderes Ziel mehr.


1.
>Miss Gregory, würden sie uns jetzt bitte mit ihrer Aufmerksamkeit beehren?< Mein Lehrer Herr Fanalt ermahnte mich schon zum dritten mal in den letzten fünf Minuten. Er blickte mich über seine Brille hinweg an. Dann strich er sich seine nicht vorhandenen grauen Haaren aus dem Gesicht. Er drehte sich wieder um und fuhr mit seinem Unterricht fort. Wir hatten gerade Mathe und nahmen das Thema Ableitungen durch. Es war wirklich einfach und total langweilig, weil wir es schon seit mindestens drei Wochen durchgenommen haben. Einige Leute waren echt zu doof, um nichts zu verstehen. Die fragen dann auch noch tausend mal nach. Ich verdrehte die Augen und redete weiter mit Ella. Sie war meine beste Freundin und eigentlich auch meine einzige Freundin. Seit dem Tod meiner Mutter haben sich alle von mir abgewendet und plötzlich stand Ella in der Klasse. Sie hat immer den passenden Rat parat und steht immer zu mir. Manchmal glaube ich, dass meine Mutter sie geschickt hat, weil sie gesehen hat, wie schlecht es mir ging.
>Ich verstehe gar nicht, warum der so ein Aufstand macht! Ich kann das doch eh schon!<, flüsterte ich Ella zu.
>Ich weiß es auch nicht! Die Alten mögen es halt nicht so, wenn man ihnen nicht zu hört! Und hier hört dem eh niemand zu!<, antwortete sie.
>Ja wahrscheinlich!<
>Katherine gehen sie nach draußen und kommen sie erst wieder rein, wenn sie sich beruhigt haben!< Ich guckte meinen Lehrer verwirrt an. Widerwillig stand ich auf und verließ den Raum. Vorher warf ich noch schnell einen Blick auf die Uhr. Nur noch zehn Minuten, dann war die Stunde eh um. Ich setzte mich auf die Fensterbank und blickte aus dem Fenster. Der Schulhof war groß. Vereinzelt liefen Leute durch den leichten Regen. In zwei Tagen habe ich Geburtstag und dann bin ich endlich achtzehn. Ich freute mich schon riesig darauf, denn dann kann ich endlich meine Aufgabe erfüllen. In den letzten drei Jahren habe ich mich intensiv darauf vorbereitet. Ich habe das Büchlein von Mama so oft durchgelesen, dass ich fast alles auswendig kann. Ich habe sämtliche Sprüche auswendig gelernt, die mir weiterhelfen könnten. Dadurch, dass mir nur drei Elemente gegeben wurden, bin ich dabei sehr beschränkt. Aber ich würde es trotzdem schaffen. Mir blieb ja auch nichts anderes übrig. Das Schrillen der Glocke riss mich abrupt aus meinen Gedanken. Ich zuckte richtig zusammen. Die Türen wurde aufgerissen und alle Schüler stürmten auf den Schulhof. Ella kam als letzte aus dem Raum. Der Schulhof füllte sich langsam. Langsam gingen wir die Treppe runter und Ella erzählte mir, was der Rest der Stunde noch so passiert ist.
>Katherine warten sie bitte mal!<, rief Herr Fanalt mir hinterher. Er kam die Treppe runter gestürmt, damit er mich noch einholen konnte. Ich schickte Ella schon vor, denn ich wusste genau, wohin ich jetzt musste.
>Ich weiß ja nicht, was mit Ihnen heute los war, aber Sie haben den Unterricht permanent gestört!<, fing er an und guckte mich wieder mit seinen grauen Augen über die Brille hinweg an.
>Es tut mir wirklich Leid! Aber heute vor drei Jahren ist meine Mutter gestorben und das nimmt mich alles sehr mit!<, log ich ihn an.
>Trotz allen haben sie in den letzten Stunden auch schon ziemlich viel gestört! Wenn Sie das mit ihrer Mutter nicht verkraften, sollten Sie sich mal überlegen in Therapie zu gehen! Ihre Mutter ist jetzt seit drei Jahren Tod und langsam sollten sie mal darüber hinweg sein!< Ich guckte ihn verständnislos an.
>Was? Das glaube ich jetzt nicht! Wie können sie nur so was sagen! Ich habe meine Mutter geliebt!< Ich brüllte ihn an. Mir war das egal, ob das Konsequenzen für mich hatte. Empört guckte er mich an.
>So lasse ich nicht mit mir reden! Bei Ihrer Erziehung ist einiges falsch gelaufen!< Meine Wut kochte über. Ich schubste ihn, so dass er hinfiel. Seine Brille zerbrach. Er blieb ein paar Sekunden geschockt liegen und guckte mich mit großen Augen an. Dann sprang er schnell auf und packte mich am Arm.
>Das wird Konsequenzen für Sie haben, Fräulein!<
>Wie reden Sie eigentlich mit mir? Hat Ihnen keiner Manieren beigebracht?< Ich hatte keine Schuldgefühle und ich hatte auch keine Angst vor den Konsequenzen. Ich war richtig sauer! Sein Griff verstärkte sich und mit aller Kraft zog er mich zum Direktorenzimmer. Mit einem lauten Knall schmiss er die Tür auf und die Sekretärin blickte uns erschrocken an.
>Was ist denn hier los, Herr Fanalt?<, fragte sie erstaunt. Langsam kam sie um den Schreibtisch rum.
>Dieses Mädchen ist der Teufel! Sie hat mich ohne Grund geschubst!< Er schrie diese Worte so laut, dass man es noch draußen auf den Flur hören konnte.
>Beruhigen Sie sich erstmal! Kate setz dich bitte dort hin!<, sie deutete auf einen schwarzen Ledersessel. Dann wendete sie sich wieder Herr Fanalt zu. >Sie fahren jetzt am besten zum Krankenhaus und lassen sich durchchecken! Den Rest des Tages haben sie frei!< Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand im Direktorenzimmer. Langsam ging ich auf den Ledersessel zu. >Du wirst deine gerecht Strafe noch bekommen!<, sagte Herr Fanalt zu mir, bevor er den Raum verließ. Auf dem Sessel neben mir saß ein Junge, der ungefähr in meinem Alter sein musste. Er hatte etwas längere blonde Haare und blickte die ganze Zeit auf dem Boden.
>Warum bist du denn hier?<, fragte ich ihn nach ein paar Sekunden der Stille. Ich hasse es, wenn es so still ist. Da fühle ich mich immer unwohl.
>Ich bin neu an dieser Schule und der Direktor will vorher noch mit mir sprechen! Aber wenn ich so sehen, was für idiotische Lehrer es hier an der Schule gibt, bin ich mir nicht so sicher, ob ich noch hier hin will!<, scherzte er.
>Der ist wirklich dumm! Ich finde ja, dass meine Reaktion nicht ganz richtig war, aber er hat meine Eltern beleidigt!<
>Dann hätte ich wahrscheinlich auch so reagiert! Ich heiße übrigens Will!< Er drehte sich leicht zu mir und streckte mir die Hand hin. Dennoch nahm ich sie und schüttelte sie kurz.
>Ich bin Katherine, aber nenn mich lieber Kate!< Er lächelte mich an und entblößte dabei seine perfekten, weißen Zähne. Um seine hellblauen Augen bildeten sich leichte Fältchen. Ich konnte meinen Blick gar nicht mehr von seinem Gesicht ablenken. Ich habe noch nie so einen hübschen Jungen gesehen. Plötzlich ging die Tür vom Zimmer des Direktors auf und die Sekretärin kam wieder raus. >Herr Nenn, Sie können jetzt reingehen!< Dann setzte sie sich an den Schreibtisch und unterschrieb irgendwelche Formulare. Will erhob sich langsam und schlenderte ins Büro. Bevor er das Zimmer jedoch betrat, klopfte er zaghaft an der Tür. Danach trat er ein und schloss die Tür leise hinter sich. Jetzt war es wieder still im Raum. Die einzigen Geräusche waren das Ticken der Uhr und das Kratzen des Kulis über das Papier. Es machte mich nervös. Plötzlich durchbrach das Klingeln die Stille. Erschrocken zuckte ich schon wieder zusammen. Sonst war ich doch auch nicht so Schreckhaft.
>Kate gehst du bitte kurz deinem Lehrer Bescheid sagen, dass du in dieser Stunde nicht am Unterricht teilnimmst!< Sofort stand ich auf und verließ den Raum. Ich rannte die Treppe hoch und konnte gerade noch Ella einholen.
>Kate, wo warst du?<
>Ich muss mit dem Direktor sprechen! Kannst du mich entschuldigen?< Ella blickte mich mit prüfendem Blick an.
>Was hast du gemacht?<
>Herr Fanalt hat meine Eltern beleidigt und da habe ich rot gesehen! Ich habe ihn ausersehen geschubst!<
>Du hast was? Ich fasse es nicht!< Ella war empört.
>Ich muss jetzt auch zurück! Bis später!< Ich drehte mich um und ließ Ella einfach stehen. Kopfschüttelnd drehte sie sich um und ging die Treppe nach oben. Ich ging langsam zurück zum Direktorenzimmer und setzte mich wieder auf den Ledersessel. Kurze Zeit später ging die Tür wieder auf und eine mir unbekannte Lehrerin kam in den Raum.
>Frau Tolten können sie mir bitte meine Post geben?< Mit schnellen Schritten ging die Lehrerin auf den Schreibtisch zu. Die Sekretärin suchte die Post raus und gab sie ihr. Mit schnellen Schritten verließ sie den Raum wieder. Dann war Ruhe.
>Ist er gut gelaunt?<, fragte ich nach ein paar Minuten. Erstaunt blickte sie auf.
>Er ist ein bisschen erschöpft, aber er wird dir schon nicht den Kopf abreißen!<, sagte sie, dann wendete sie sich wieder ihren Aufgaben zu. Die Stille war ja nicht auszuhalten. Was redeten die denn so lange darin? Ich fing an mit meinen Bein zu wippen.
Nach langer Zeit öffnete sich dann die Bürotür.
>Milena kannst du Herr Nenn die Formulare ausfüllen lassen und danach die Schule zeigen?<
>Ja natürlich!< Die Sekretärin stand sofort auf und suchte ein paar Formulare zusammen.
>Kate kommst du bitte!< Langsam stand ich auf und ging ins Büro. Ich ließ die Tür einfach zufallen, so dass es einen lauten Knall gab.
>Was soll ich nur mit dir machen? Du kannst doch nicht einfach einen Lehrer schubsen! Er hätte sich schwer verletzen können!<
>Aber Dad er hat schlecht über euch geredet! Ich musste euch doch verteidigen!< Mein Vater stand mit dem Rücken zu mir. Langsam drehte er sich um und kam auf mich zu.
>Trotzdem hättest du anders reagieren müssen! Er kann dich jetzt wegen Körperverletzung anzeigen!<
>Das wird er nicht tun! Dann zeige ich ihn nämlich wegen Beleidigung an!<
>Kate jetzt bleib doch wenigstens mal ernst! Seit dem Tod deiner Mutter habe ich versucht alles zu tun, damit es dir gut geht!<
>Ja, ich weiß und dafür bin ich dir auch Dankbar, aber ich kann nicht zulassen, dass jemand unsere Familie beleidigt!<
>Ich werde noch mal mit Herrn Fanalt reden, aber du musst dich auch bei ihm entschuldigen!<
>Ja mache ich! Danke!< Mein Vater zog mich zu sich ran und drückte mich fest.
>Ich liebe dich, Kate!<
>Ich dich doch auch, Dad!< Plötzlich ging die Bürotür auf.
>Dr. Gregory, hier sind die ausgefüllten Formulare!<
>Danke Milena!< Er nahm die Formulare entgegen und ließ mich dann los. Er drückte mir einen Kuss auf die Wange und guckte mich dann an.
>Vielleicht solltest du Herr Nenn die Schule zeigen. Er wird alle Fächer mit dir haben, dann hat der wenigstens schon jemand, den der kennt!<
>Ja mache ich!< Ich drehte mich um und verließ zusammen mit Milena den Raum. Will wartete vor der Tür.
>Hey, ich muss dir jetzt die Schule zeigen!<
>Warum denn das?<
>Weil du alle Fächer mit mir hast und dann kennst du wenigstens schon jemanden!<
>Ja dann!< Ich zeigte ihm sämtliche Räume und ging mit ihm über den Schulhof. Zum Schluss hatten wir noch fünf Minuten Zeit, bevor wir zum nächsten Unterricht mussten. Langsam schlenderten wir zum Klassenraum. Wir hatten nicht über Private Dinge geredet. Eigentlich hatten wir gar nicht geredet. Ich habe ihn voll gelabbert über die verschiedenen Lehrer und Schüler, mit denen er bald zu tun haben wird, aber mehr habe ich nicht gesagt. Dann klingelte es auch schon. Die Tür öffnete sich und einige Schüler verließen den Raum. Wir hatten jetzt eine Doppelstunde Englisch und unsere Lehrerin stand, wie immer schon vor der Tür. Als endlich alle Leute, die nicht in diesem Kurs waren, den Raum verlassen hatten, eilte ich zu meinem Platz neben Ella. Will ging mit der Lehrerin nach vorne und redete kurz mit ihr.
>Und hast du viel Ärger bekommen?<
>Nein, es ist gut, wenn der Vater der Direktor ist! Ich muss mich aber bei Herr Fanalt entschuldigen!<
>Das hat echt Vorteile!<, lachte Ella.
>Seid jetzt leise! Wir haben einen neuen Schüler, der sich jetzt gerne vorstellen möchte!<, sagte Frau Heckel. Sie drückte Will leicht nach vorne.
>Ja, ich heiße Will Nenn und bin achtzehn Jahre alt! Ich werde jetzt die nächsten zwei Jahre hier an die Schule gehen, um mein Abi zu machen!< Nervös wanderte sein Blick durch den Raum und blieb an meinem hängen. Er lächelte mir zu und entblößte dabei wieder seine Zähne.
>Gut Will, neben Clark ist noch ein Platz frei. Setz dich bitte hin und versuche dem Unterricht zu folgen!< Er ging zu dem einzigen freien Platz und setzte sich hin. Er drehte sich noch mal zu mir um.
>Kate, hallo Kate! Ist alles in Ordnung?< Ella stupste mich an.
>Was?<
>Du weißt, dass du die ganze Zeit Will anglotzt!?<
>Ich tue was?<
>Ja du starrst den Neuen an! Ich meine, er sieht wirklich gut aus, aber du musst das ja nicht so offensichtlich machen!<
>Ich war gerade in Gedanken!<
>Ella und Kate, wollt ihr euer Gespräch nicht laut fortführen?<, warf Frau Heckel ein.
>Nein, ist nicht so wichtig!<, gab ich ihr als Antwort zurück. Danach schwiegen wir und Frau Heckel fuhr mit dem Unterricht fort. Eigentlich war die Stunde richtig interessant. Wir nahmen gerade Shakespeare durch. Englisch zählte sowieso zu meinen Lieblingsfächern und ich zählte auch zu den Klassenbesten, aber diese Stunde war meine Konzentration sehr gering. Ich weiß selber nicht, was mit mir los war, aber es lag an Will. Ich konnte mein Blick einfach nicht von ihm abwenden. Ella war das auch schon aufgefallen, sie beobachtete mich die ganzen Stunden über. Nachdem beide Stunden endlich vorbei waren, hatten wir Mittagspause. Wir stürmten zur Cafeteria, damit wir noch einen guten Platz ergattern konnten. Ella und Ich waren wieder so schnell gewesen, dass wir unsere Zweiertisch bekamen. Wir mochten es beide nicht, wenn irgendwelche anderen Leute an unserem Tisch saßen und unsere Gespräche belauschten. Ella ging zuerst und holte sich was zu essen. Dann stellte ich mich an der mittlerweile langen Schlange an. Heute gab es Hamburger. Die Küchenfrau stellte mir einen Teller auf das Tablett. Ich bedankte mich kurz und ging dann weiter. Ich nahm mir noch eine Schüssel Salat und ein Joghurt mit. Ella hatte noch nicht angefangen zu essen. Wir warteten immer aufeinander. Das hatten wir uns so angewöhnt. Ich biss gerade in mein Hamburger, als es unheimlich still im Raum wurde. Sofort drehte ich mich um und suchte nach dem Grund für die Stille. Alle Schüler blickten Richtung Tür und ich folgte den Blicken. Will stand in der Tür.
>Oh mein Gott! Wer ist denn das?<, hörte ich ein anderes Mädchen am Nachbartisch fragen.
>Der ist ja richtig heiß!<, rief ein anderes Mädchen. Will musste sich ja wie ein Ausstellungsstück im Museum fühlen. Schnell wendete ich meinen Blick ab und konzentrierte mich auf mein Essen. Er sollte nur nicht zu mir kommen. Plötzlich stand Ella auf und winkte ihn zu uns rüber.
>Ella was soll das?<
>Er kennt doch keine, dann kann der sich doch mit zu uns setzen! Außerdem habe ich schon gemerkt, dass du ein Auge auf ihn geworfen hast!<, sie zwinkerte mir unauffällig zu. Will näherte sich unserem Tisch mit großen, schnellen Schritten.
>Hey Kate! Hey Ella!< Wie selbstverständlich nahm er sich einen freien Stuhl von Nachbartisch und setzte sich zu uns.
>Willst du dir nichts zu essen holen?<, fragte ich ihn genervt.
>Kann man es denn essen?<
>Ja, das Essen hier ist recht gut!<, mischte Ella sich ein. Will blieb noch ein paar Sekunden sitzen, schob dann aber seinen Stuhl zurück und holte sich was zu essen. Innerhalb ein paar Sekunden war er zurück. Wahrscheinlich hatte jedes Mädchen ihn vorgelassen. Er setzte sich wieder neben mich und fing an zu essen. Ella und Ich wendeten uns auch wieder dem Essen zu. Als wir aufgegessen hatten, standen wir auf und gingen in Richtung Toilette. Will folgte uns ohne Aufforderung.
>Da hast du ja vorhin die ganze Aufmerksamkeit auf dich gezogen!<, fing Ella an.
>Ja, aber unbeabsichtigt! Die Situation war mir irgendwie peinlich!< Genervt verdrehte ich die Augen und verschwand auf der Toilette. Ich stellte mich vor den Spiegel und guckte mich an.
>Beruhige dich Kate! Du magst ihn doch, also benimm dich mal ihn gegenüber!<, sagte ich leise zu mir selber. Ich stand noch ein paar Sekunden so und dann spritzte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht. Ich wischte es mit einem Papiertuch trocken und dann verließ ich schnell die Toilette. Ella und Will standen schweigend vor der Tür.
>Was haben wir als nächstes?<, fragte ich Ella.
>Ehm…. Tanzen!<, antwortete sie schnell.
>Achso. Was hast du denn jetzt?< Ich blickte Will mit prüfendem Blick an.
>Ich habe das Gleiche, wie du! Es war nichts anderes mehr frei, aber ich mag tanzen!< Ich stieß einen anerkennenden Pfiff aus.
>Wow. Unsere Lehrerin wird sich richtig freuen. Sie wollte schon immer mal Hebefiguren einbauen!< Langsam machten wir uns auf den Weg zum großen Tanzsaal. Wir kamen gerade rechtzeitig zum Klingeln an. Das sind jetzt die letzten beiden Stunden für mich. Danach habe ich endlich Schluss. Schnell zogen wir uns um. Als ich den Raum betrat, saß Will schon auf dem Boden. Er las in einem Buch und bemerkte meine Anwesenheit gar nicht. Leise schlich ich auf ihn zu.
>Warum liest du ein Buch über Hexen?< Erschrocken zuckte er zusammen.
>Ach, ich habe eine Wette verloren und jetzt muss ich für meine Schwester ein Referat für Hexen vorbereiten!<, stammelte er vor sich hin. Irgendwie konnte ich das nicht glauben, aber ich sagte nichts weiter dazu. Er packte das Buch schnell weg. Fünf Minuten später waren dann alle im Raum. Wir waren ein kleiner Kurs. Nur neun Leute, mit Will zehn. Mir gefiel das aber. Unsere Lehrerin nahm auf jeden Rücksicht und wenn jemand was nicht konnte, nahm sie sich so lange Zeit, bis er es konnte. Wie erwartet freute sich Frau Shepow über den Neuzugang. Zuerst wärmten wir uns in der großen Runde auf. Danach rief sie mich zu sich.
>Kate, kannst du Will vielleicht die Schritte zeigen, die wir bisher haben? Du kannst die bis jetzt am besten und wir müssen den Tanz bis am Ende des Jahres perfekt können!< Ich konnte ja schlecht nein sagen, also stimmte ich zu. Sofort rief sie Will zu uns und erklärte ihm mit großer Freude, dass ich bereit war, ihm alles beizubringen. Dann schickte sie uns in den kleinen Tanzsaal. Wir stellten uns vor die Spiegelwand und ich zeigte ihm nacheinander alle Schritte. Er hatte wirklich Talent und brauchte gar nicht lange, um die Schritte mit perfekten Bewegungen auszuführen. Ich hatte noch nie zuvor einen Jungen gesehen, der so gut Tanzen konnte, außer natürlich in Tanzfilmen. Nach der Doppelstunde hatte er die Schritte soweit drauf. Frau Shepow lobte uns beide für unsere Arbeit. Die anderen waren schon alle weg, als ich die Umkleidekabine betrat. Nicht einmal Ella hatte gewartet. Schnell zog ich mich um und rannte nach draußen. Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause.
>Kate, warte mal kurz!<, rief Will mir hinterher. Sofort blieb ich stehen und drehte mich um. Er kam mit schnellen Schritten auf mich zu.
>Wollen wir nicht noch was zusammen machen?< Ich blickte ihn erstaunt an.
>Ja klar. Gerne! Wir können ja um die Ecke ein Kaffee trinken gehen!< Er nickte zustimmend und zusammen gingen wir zu meinem Lieblingscafe. Ich bestellte mir wie immer ein Caramel-Macchiato. Will bestellte sich eine Cola. Wir quatschten über alle möglichen, aber das komische war, dass er nichts über seine Familie erzählte und mich auch nichts über meine Familie fragte. Aber vielleicht wollte er nicht darüber reden und ich wollte auch nicht unhöflich sein und nachfragen. Nachdem wir ausgetrunken und bezahlt hatten, verabschiedete ich mich. Wir mussten in verschiedene Richtungen. Langsam schlenderte ich in Richtung zu Hause. Nach ein paar Sekunden jedoch drehte ich mich noch mal um und sah noch, wie Will um die Ecke bog. Er hatte irgendwas an sich, aber ich konnte zu dem Zeitpunkt nicht sagen was. Noch nie hatte ein Junge meine Aufmerksamkeit ergattert, geschweige denn nach so kurzer Zeit. In Gedanken schloss ich die Tür auf und betrat leise die Wohnung. In der Küche lief das Radio, was darauf schließen ließ, dass mein Vater schon zu Hause war. Leise schlich ich mich nach oben und schmiss meine Schultasche einfach in die Ecke. Ich schlüpfte schnell aus meinen Klamotten und stellte mich unter die warme Dusche. Als ich fertig war, stellte ich mich vor den Spiegel und wischte so viel frei, dass ich mein Gesicht sehen konnte. Ich atmete tief ein.
>Kate, es ist nur ein ganz normaler Junge, mit dem du eh nichts anfangen darfst! Du bist eine Hexe und er ein normaler Junge! Du kannst die Hexenwelt nicht auch im Stich lassen!<, sagte ich zu meinem Spiegelbild. Damit wollte ich meiner Mutter keinen Vorwurf machen, aber sie hatte sich nun mal für ein normales Leben entschieden, aber das wollte ich nicht! Plötzlich klopfte es an der Tür und ich drehte mich erschrocken um.
>Kate? Das Essen ist fertig!<, rief mein Vater durch die geschlossene Tür.
>Ja, ich komme sofort!< Schnell schlüpfte ich in frische Klamotten und rannte die Treppe runter ins Esszimmer. Ich drückte Papa einen Kuss auf die Wange und setzte mich ihm dann gegenüber.
>Wo warst du denn eben?<, fragte mein Vater mich zwischen zwei Bissen.
>Ich habe noch was mit Will gemacht!<
>Achso! Das freut mich ja zu hören, dass er direkt Anschluss gefunden hat!<
>Ja, er ist ganz in Ordnung!<, sagte ich und hoffte, dass sich das lässig anhörte. Danach schwiegen wir. Ich schlang mein Essen schnell runter und verschwand dann wieder im Zimmer. Ich kramte meine Sachen für den nächsten Tag zusammen und fing an meine Hausaufgaben zu erledigen. Es dauerte nicht lange. Zum Glück! Gegen zehn Uhr legte ich mich dann ins Bett und schlief sofort ein. Mitten in der Nacht wachte ich auf. Sofort setzte ich mich auf und blickte mich im Zimmer um. Ich hatte das Gefühl gehabt, dass jemand an meinem Bettrand gesessen hat. Als meine Augen sich langsam an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich, dass das Fenster auf war, aber ich war mir hundert Prozentig sicher, dass ich es geschlossen hatte, bevor ich ins Bett gegangen war. Aber vielleicht hatte Papa es ja auch geöffnet. Er kam nämlich immer noch mal rein, bevor er ins Bett ging. Ich stand auf und schloss schnell das Fenster. Danach schlief ich wieder ein. Manchmal ging meine Fantasie echt mit mir durch.
Mein Wecker klingelte um kurz nach sechs. Ich hatte gar keine Lust aufzustehen. Ich war noch viel zu müde. Fünf Minuten später quälte ich mich dann aus dem Bett. Langsam ging ich ins Bad und machte mich fertig. Zurück im Zimmer öffnete ich die Tür meines begehbaren Kleiderschrankes. Auf der rechten Seite hingen meine ganzen Hosen und Röcke und auf der linken Seite meine Oberteile und Kleider. Hinten durch an der Wand stand ein großes Schuhregal und in der Mitte des Schrankes eine Kommode mit meinem Schmuck und meiner Unterwäsche. Der Schrank war eigentlich viel zu groß für mich. Ich hatte nicht so viele Klamotten. Ich war aber auch nicht so ein Mädchen, was gerne shoppen geht. Ich finde das ist reine Zeitverschwendung. Ich zog einfach irgendeine Hose vom Bügel und schlüpfte rein. Dann ging ich zur anderen Seite und suchte mir ein Oberteil aus. Dann ging ich raus und schloss die Tür hinter mir. Ich schlüpfte noch schnell in die Turnschuhe, die ich gestern vor dem ausgezogen hatte und ging dann in die Küche. Mein Vater saß am Tisch, trank Kaffee und las die Zeitung. Wie jeden morgen. Ich nahm mir eine Schüssel aus dem Schrank und füllte mir Müsli darein. Ich aß sie schnell im stehen, weil ich wie immer zu spät war. Mein Vater musste ja schon früher in der Schule sein und wenn ich ehrlich bin, war ich einfach zu faul zu Fuß zu gehen. Dann wartete ich lieber ein bisschen länger, aber zum Glück kam Ella auch immer früher wegen dem Bus. Nachdem ich gegessen hatte, stellte ich die Schüssel schnell in die Spüle und schlüpfte in meinen grauen Mantel. Mein Vater saß schon im Auto und wartete. So schnell, wie das Wetter es zu ließ, rannte ich zum Auto. Als ich die Tür öffnete, schlug mir warme Heizungsluft entgegen. Zuerst brannte sie auf meinem Gesicht, aber kurze Zeit später hatte ich mich dran gewöhnt. Langsam fuhr mein Vater zur Schule. Die Straßen waren rutschig, aber trotzdem fuhr mein Vater mir zu langsam. Nach einer viertel Stunde fuhren wir auf den Schulparkplatz.
>Hast du eigentlich heute Nacht mein Fenster aufgemacht?<
>Nein! Wie kommst du denn darauf? Als ich in dein Zimmer kam, war es zu!<
>Mmh…. Naja, vielleicht habe ich das nicht richtig zu gemacht und der Wind hat das wieder aufgeschlagen!<
Danach war es wieder still. Mein Vater parkte auf seinem gewohnten Platz, drückte mir dann schnell einen Kuss auf den Scheitel und ging auf direktem Weg zum Büro, nachdem er das Auto verriegelt hat. Ich schlenderte langsam auf eine Bank zu. Als ich jedoch da war, wollte ich mich gar nicht hinsetzen. Erstens war die Bank nass und kalt und zweitens war ich zu nervös um zu sitzen. Wenn ich daran dachte, dass morgen mein Geburtstag ist, denn dann kann ich endlich den letzten Willen meiner Mutter erfüllen. Darauf freute ich mich schon seit Jahren. Auf diesen Tag war ich bestens vorbereitet. Nur dann war die Frage, wann sich so ein Tor öffnet, geschweige denn wie ich das erkenne. Außerdem war ich schon bei dem Gedanken nervös Will wiederzusehen. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Erschrocken drehte ich mich um und blickte in die fröhlichen Augen von Ella.
>Hey!<, sang sie mir entgegen und umarmte mich.
>Hey! Wer ist dir denn begegnet?<, ich guckte sie mit schiefen Blick an.
>Ich bin einfach nur gut gelaunt!<
>Okey! Das erklärt dann alles! Wollen wir uns drinnen hinsetzen?<
>Ja komm!<, sie packte meinen Arm und zog mich zum Haupteingang. Kurz bevor wir da waren, blieb sie abrupt stehen.
>Ach, guck mal an wer da so locker über den Schulhof geschlendert kommt und die ganze Aufmerksam auf sich zieht!< Natürlich wusste ich sofort, wen Ella meinte, aber trotzdem drehte ich mich um und blickte sehnsüchtig zu Will. Als er uns entdeckte, winkte er und erhöhte sein Tempo.
>Guten morgen! Ist alles in Ordnung?<
>Hey! Ja natürlich und bei dir?<, fragte ich ihn, als ich mich einigermaßen gefangen hatte. Nebeneinander gingen wir zum Klassenraum. Will roch wirklich gut. Ich kannte diesen Geruch, aber ich konnte ihn nicht zu ordnen. Gestern hatte Will einen anderen Duft getragen, daran kann ich mich noch genau erinnern, aber woher kannte ich diese Geruch. Die letzten fünf Minuten vor Schulbeginn zerbrach ich mir den Kopf darüber. Ich hasse es, wenn mir was nicht mehr einfällt. Dann klingelte es auch schon. Heute hatten wir zum Glück nur kurz Schule. Nicht einmal bis zur große Pause mussten wir hier bleiben. Herr Fanalt hatte sich heute krank gemeldet. Deshalb hatten wir die letzten beiden Stunden frei und eine Stunde Geschichte hatten wir noch frei, weil die Lehrerin zum Arzt muss. Das heißt nach der fünften Stunde frei. Die ersten beiden Stunden hatten wir Deutsch. Dieses Fach finde ich wirklich schlimm und das ist auch mein schlechtestes. Will setzte sich auf seinen Platz neben Clark. Wie immer saß ich neben Ella. Die Lehrerin machte wirklich den langweiligsten Unterricht überhaupt. Keiner hört ihr zu, außer vielleicht die „Streber“. Ich hatte aber auch wirklich jetzt an anderes zu denken, immerhin musste ich raus finden, wo ich diesen Duft schon mal gerochen hatte. Es kann noch gar nicht so lange her sein. Dafür lag er mir noch zu gut in der Nase. Jetzt wären meine Hexenkräfte von Vorteil, aber die kann ich leider noch nicht anwenden oder besser gesagt nur beschränkt anwenden. Während meine Lehrerin vorne für sich unterricht machte, rutschte ich nervös auf meinem Stuhl hin und her.
>Kate, was ist mit dir los?<
>Der Unterricht ist so langweilig! Ich habe keine Lust mehr!<, log ich schnell. Ich konnte Ella nicht die Wahrheit sagen. Erstens würde sie sagen ich spinne und zweitens würde sie vielleicht auch sauer sein, weil ich ihr das nicht sofort erzählt habe. Manchmal konnte Ella nämlich sehr nachtragend sein und ich wollte sie nicht verlieren. Mitten in der zweiten Stunde fiel mir ein, woher ich den Geruch kannte.
>Aus meinem Zimmer!<, schrie ich laut auf. Mist! Alle Leute guckten mich an. Sofort hielt ich mir meinen Mund zu. Meine Lehrerin fuhr unbeirrt fort. Aber ich kannte den Geruch wirklich aus meinem Zimmer. Kurz nachdem ich aufgewacht war, hat es so in meinem Zimmer gerochen! Aber das konnte ja nicht sein! Als wenn Will sich nachts heimlich in mein Zimmer schleicht. Jetzt ging meine Fantasie mit mir durch. Vielleicht hatte ich den Geruch an meinen Klamotten gehabt oder so.
>Kate, was sollte das denn?<
>Ich habe mein Handy zu Hause vergessen, aber ich konnte mich nicht dran erinnern, wo ich das hingelegt hatte!< Die zweite Lüge in einer Stunde. Irgendwie hatte ich ja schon Schuldgefühle, aber ich habe Mama versprochen niemanden mein Geheimnis zu verraten. Und außerdem wollte ich nicht, dass sie merkte, wie ich für Will schwärmte. Als die Stunde dann endlich um war, stand ich so schnell, wie es ging auf und verließ den Raum. Ich musste mal total dringend auf die Toilette. Ich merkte, dass Will mir schnell folgte.
>Kate warte doch!<, rief er mir hinter her. Ich drehte mich zwar um, verlangsamte meine Schritte jedoch nicht.
>Katherine, ich muss mit dir reden! Jetzt warte doch!< Alle Mädchen, die auf der Treppe standen, waren stehen geblieben und beobachteten die Szene mit großen Augen. Ich konnte mir auch genau vorstellen, was sie dachten. Sie konnten überhaupt nicht verstehen, dass ich nicht stehen blieb. Als ich am Fuß der Treppe ankam, blieb ich stehen. Kurze Zeit später hatte Will mich angeholt.
>Warum bist du so schnell vor mir weggerannt?<
>Ich bin nicht vor dir weggerannt! Ich muss nur mal auf die Toilette!<, sagte ich. Mit schnellen Schritten ging ich weiter und verschwand in der Toilette. Schnell schloss ich mich in einer Kabine und erleichterte mich. Danach wusch ich mir schnell dir Hände und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Mir schwirrte die ganze Zeit der Gedanke mit dem Parfum im Gedanken. Ich konnte einfach nicht glauben, dass er in meinen Klamotten gehangen hat. Ich hatte ihn vorher noch nicht mal gerochen. Ich trocknete mir meine Hände ab und tupfte mir das Gesicht trocken. Danach verließ ich die Toilette. Will stand vor der Tür und wartete ungeduldig.
>Können wir jetzt reden, Kate?<
>Ja!< Ich wollte eigentlich nicht mit ihm reden, aber ich wollte auch nicht unhöflich sein. Dafür mochte ich ihn zu sehr, aber wer weiß, was er jetzt sagte. Bestimmt erklärt er mich für bekloppt. Wir gingen auf den Schulhof zu einer Bank und setzten uns hin.
>Ist alles in Ordnung mit dir?<, fing er an. Ich guckte ihn verwirrt an. Wollte er etwa nur mit mir reden, um mich das zu fragen?
>Ja, wenn du jetzt auf das anspielst, was im Unterricht passiert ist, dann gehe ich!<
>Du kommst den ganzen morgen schon verwirrt rüber!< Ich sagte nichts. Ich kämpfte gegen den Gedanken an, ihm zu sagen, warum ich so verwirrt war, aber konnte ich ihn vertrauen? Vielleicht lacht er mich dann aus oder er erzählt das in der ganzen Schule rum. Aber ich konnte mir irgendwie nicht vorstellen, dass er so ist. Er hat in dem Tag, wo er hier ist, mein volles Vertrauen gewonnen und das hat bis jetzt nur Ella geschafft. Ich täusche mich eigentlich nie in Menschen. Ich habe eine wirklich gute Menschenkenntnis. Bevor ich meinen Gedankengang zu Ende geführt hatte, platzte es aus mir raus.
>Dein Parfum! Heute Nacht bin ich aufgewacht, weil ich gedacht habe, jemand sitzt auf meiner Bettkante! Und da hing dein Parfum in der Luft! Außerdem war das Fenster auf, obwohl ich genau weiß, dass ich es feste zu gemacht habe! Warst du in meinem Zimmer?< Während ich das sagte, holte ich kein einziges mal Luft. Danach guckte ich ihn an. Will guckte mich nicht an, als wenn ich bekloppt wäre. Er senkte seinen Blick und starrte auf den Boden. Nach ein paar Sekunden rutschte er näher zu mir heran und nahm meine Hand. Dann guckte er mir in meine Augen. Sofort konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen. Langsam bewegte ich mein Gesicht in seine Richtung und sein Gesicht näherte sich meinem. Ich konnte nichts dagegen machen. Es fühlte sich an, als wäre er magnetisch. Dann legte er vorsichtig seine Lippen auf meine. Ich war wie versteinert. In mir drin explodierte ein Feuerwerk. So was habe ich noch nie gefühlt. Nach ein paar Sekunden trennten wir uns. Ich spürte die neidischen Blicke der um uns stehenden Mädchen. Sofort merkte ich, wie die röte mir ins Gesicht stieg.
>Wow!<, stieß ich leise hervor.
>Das wollte ich schon machen, als ich dich das erste mal gesehen habe!<, gab Will leise zu. Sofort lag ein Lächeln auf meinem Gesicht. Dann schwiegen wir uns beide an.
>Ich konnte nicht länger warten damit! Ich musste einfach wissen, wie es ist, dich zu küssen! Schon als ich dich das erste mal gesehen habe, wusste ich du bist das Mädchen, das ich haben will!<, sagte Will nach ein paar Minuten. Ich strahlte ihn an. Alles um mich rum war vergessen, wirklich alles. Mir waren die Menschen egal und mir war meine Aufgabe egal. Warum sollte ich mir meine Kugel holen, wenn ich sowieso nicht die Königin der Hexenwelt werden will? Mitten im Gedankengang spürte ich wieder Wills weiche Lippen auf meinen. Er war immer noch vorsichtig, aber nicht so vorsichtig, wie beim ersten Kuss. Kurz nach dem Klingeln, trennten sich unsere Lippen und wir machten uns Hand in Hand auf dem Weg zum Klassenzimmer.
>Ich habe dir deine Frage noch gar nicht beantwortet!< Ich guckte ihn verdutzt an.
>Welche Frage denn?<
>Die, ob ich in dein Zimmer war!<
>Achso, da habe ich mir bestimmt nur was eingebildet! Wie sollst du denn in mein Zimmer kommen?<, lachte ich.
>Ich war in deinem Zimmer!<, sofort verschwand mein Lachen. Ich war ein bisschen geschockt, konnte, aber nicht sauer auf ihn sein.
>Ich kann dir, aber nicht sagen, wie ich rein gekommen bin!<
>Vertraust du mir nicht?<
>Doch, sogar sehr, aber nicht hier! Bist du jetzt sauer?<
>Eigentlich sollte ich ja sauer sein, aber ich kann nicht!< Vor der Tür zog er mich noch mal zu sich ran und küsste mich wieder. Danach ließ er mich los und schlenderte zu seinem Platz neben Clark. Langsam schlich ich zu meinem Platz neben Ella.
>Jetzt bist du mir aber eine Erklärung schuldig!<, sagte sie mit ernster Miene.
>Es tut mir Leid, dass ich nicht gewartet habe, aber ich musste mal ganz dringend auf die Toilette!<
>Das meine ich nicht!< Ich guckte sie fragend an.
>Kate! Du weißt genau was ich meine!<
>Achso! Will hat mich geküsst und ich glaube, wir sind jetzt zusammen!<
>Das freut mich ja für dich, aber ist es nicht noch ein bisschen früh? Du kennst ihn ja nicht mal richtig!<, warnte Ella mich.
>Es fühlt sich richtig an!< Dann startete der Lehrer den Unterricht. Ich musste die ganze Zeit auf Will gucken. Manchmal drehte er sich um und warf mir ein Lächeln zu. Dadurch vergingen die Unterrichtsstunden schnell. In der Pause zog Will mich nach draußen hinter einen Baum. Er drückte mich leicht dagegen und küsste mich. Seine Hand glitt über mein Rücken und fasste mein langes, braunes Haar. Die Schmetterlinge in meinem Bauch schlugen Saltos. Ich war so glücklich, wie lange schon nicht mehr. Die Pause war leider zu schnell zu Ende. Schnell gingen wir zum Unterricht. Die Lehrerin war schon da. Zum Glück machte sie heute nur dreißig Minuten Unterricht. Nach dem Unterricht packte ich langsam meine Sachen ein.
>Bis morgen Kate!<, verabschiedete sich Ella und verließ dann als letzte den Raum. Jetzt waren Will und Ich alleine. Langsam kam er mich zu.
>Machen wir jetzt noch was zusammen?<, fragte er, während er sich auf den Tisch setzte.
>Ja, wenn du willst!<
>Natürlich will ich!<
>Wohin gehen wir denn?<
>Wollen wir zu dir?<
>Mir ist das egal! Wir können auch zu dir!<
>Das ist keine gute Idee! Mein Vater mag es nicht, wenn ich fremde Leute einfach ohne Ankündigung mitbringe!<
>Achso! Dann gehen wir zu mir!< Ich schnappte mir meine Schultasche und machte mich mit Will auf den Weg zu mir. Wills Vater muss ja sehr komisch sein, aber mir ist das egal. Wir haben bei mir immerhin noch vier Stunden sturmfrei. Der Weg war nicht so lange. Vor der Haustür kramte ich mein Schlüssel raus und schloss schnell die Tür auf. Schnell gingen wir rein und schlossen vorsichtig die Tür hinter uns. Wir gingen sofort nach oben ins Zimmer. Will guckte sich genau um.
>Im hellen gefällt dein Zimmer mir sehr gut!<, scherzte er. Ich lachte mit ihm und setzte mich aufs Bett. Will setzte sich neben mich und küsste mich lange. Völlig außer Atem trennten wir uns.
>Hast du eigentlich Hunger?<, fragte ich ihn. Er nickte kurz und drückte mir dann einen Kuss auf die Stirn.
>Wollen wir was kochen oder was Essen gehen?<
>Nichts ist romantischer, als zusammen zu kochen!<, sagte er und setzte wieder sein unheimlich süßes Lächeln auf. Ich packte seine Hand und zog ihn in die Küche.
>Auf was hast du denn Hunger?<
>Mir ist das egal! Ich esse alles!<
>Also wir können Nudeln machen oder Pfannkuchen oder Pizza!<
>Dann will ich Pizza!< Ich suchte alle Zutaten zusammen und fing dann an den Teig zuzubereiten. Will schneidete währenddessen schon mal Paprika, Pilze, Schinken, Salami und Zwiebeln klein. Es dauerte nicht lange, da hatte ich den Teig fertig und rollte ihn aus. Als Will alles klein geschnitten hatte, kam er leise auf mich zu und schmiss mir Mehl ins Gesicht. Empört guckte ich ihn an.
>Jetzt siehst du aus, wie ein richtiger Koch!< Das ließ ich mir nicht gefallen und tat das Gleiche bei ihm.
>Danke du jetzt auch! Jetzt ist aber gut! Machen wir erstmal die Pizza fertig!<
>Bekomme ich denn vorher noch einen Kuss?< Ich küsste ihn schnell und wendete mich dann wieder der Pizza zu. Ich verteilte Tomatensoße drauf und dann verteilten wir den Belag nach Lust und Laune. Zum Schluss noch schnell den Käse drauf und dann in den Ofen. Ich klopfte meine Hände aus und dann ging ich zu Will und ließ mich erschöpft gegen ihn fallen. Er fing mich auf und nutzte die Situation, um mich zu küssen. Er war fast einen Kopf größer, als ich und ich musste mich strecken, um an seine Lippen zu kommen. Er musste seinen Kopf immer nach unten beugen. Hoffentlich tut ihm nicht der Nacken bald davon weh.
Als die Pizza endlich fertig war, schnitt ich ein paar Stücke für Papa ab und den Rest vertilgten Will und Ich. Wir hatten echt richtig Hunger und Will verschlang richtig viel. Daran merkte ich wenigstens, dass es ihm schmeckte. Innerhalb kurzer Zeit war die Pizza aufgegessen. Schnell guckte ich mich um und bemerkte, dass die Küche aussah wie ein Schweinestall. Ich hatte aber noch keine Lust aufzuräumen, also verschwand ich mit Will wieder in mein Zimmer. Wir saßen uns gegenüber auf dem Bett und erzählten uns Geschichten aus der Kindheit. Dabei lachten wir uns die ganze Zeit kaputt. Dann wollte Will ein paar Kinderfotos sehen. Zuerst sträubte ich mich ihn welche zu zeigen, aber ich ließ mich überreden. Immerhin kann ich ihm nichts ausschlagen. Vor allem nicht, wenn er mich so anlächelt. Ich kramte ein paar Fotos raus und zeigte sie ihm. Er hatte sich neben mich gesetzt und seine Hand berührte leicht meinen Po. Diese Berührung jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Manche Fotos waren mir sehr peinlich und ich lief rot an, aber er gab mir sofort einen Kuss und sagte, wie süß ich doch wäre. Ich hatte ihn gerade knapp dreißig Fotos gezeigt, als plötzlich sein Handy klingelte. Geschickt zog er es aus der Tasche und ging dran. Das Gespräch dauerte nicht lange, aber danach guckte er mich entschuldigend an. Ich warf ihm einen fragenden Blick zurück.
>Ich muss jetzt leider nach Hause! Es war mein Vater!<
>Jetzt schon?<
>Ja, leider, aber wir können ja morgen wieder was machen!<
>Ja okay!< Zusammen gingen wir nach unten zur Tür. Er schnappte sich seine Tasche und zog ihn auf den Rücken. Zum Abschied küssten wir uns lange. Bevor er ging, zog ich schnell den Reißverschluss seines Rucksacks zu, bevor er unterwegs noch etwas verlor. Mit schnellen Schritten verließ er unser Grundstück. Bevor er um die Ecke verschwand, drehte er sich noch mal um und winkte. Ich schloss die Tür erst, als ich ihn schon lange nicht mehr sehen konnte. Ich lehnte mich gegen die geschlossene Tür und ließ schnell den Tag Revue passieren. Ich konnte es gar nicht glauben, dass ich mit dem heißesten Typen der Schule zusammen bin. Es kann doch nur ein Traum sein. Ich machte mich auf den Weg zur Küche. Ich hatte nur noch zwanzig Minuten Zeit bis mein Vater zurückkam und bis dahin musste die Küche wieder glänzen. Plötzlich erblickte ich auf den Boden ein kleines, rotes Büchlein. Es musste von Will sein. Wahrscheinlich war es aus seiner Schultasche gerutscht. Ich hob es auf und steckte es in meinen Hosenbund. Ich musste das auf jeden Fall einpacken und Will morgen geben. Vielleicht ist es wichtig für ihn. So schnell ich konnte, räumte ich die Küche auf und war gerade noch rechtzeitig fertig geworden. Mein Vater freute sich, dass er nicht mehr kochen musste. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand im Zimmer. Ich machte meine Hausaufgaben, obwohl meine Konzentration nicht besonders gut war. Danach packte ich meine Schultasche. Das Buch von Will legte ich erstmal auf den Schreibtisch und ging mich dann duschen. Ich ließ das heiße Wasser für ein paar Minuten einfach auf meinem Körper prasseln. Es tat wirklich gut. Danach wickelte ich mich in ein dickes Handtuch ein und ging in mein Zimmer. Ich öffnete das Fenster und verschwand dann in meinem Kleiderschrank, um mir Sachen zum schlafen rauszusuchen. Als ich wieder ins Zimmer kam, blickte ich mich um und suchte etwas, womit ich mich beschäftigen konnte. Mein Blick blieb an den roten Büchlein hängen. Ich war schon immer neugierig und ich wollte unbedingt wissen, was er dort rein schrieb. Ich vertrieb den Gedanken aber sofort wieder. Ich konnte doch nicht einfach in privaten Sachen rumschnüffeln. Vielleicht war es ja ein Tagebuch oder so. Ich setzte mich aufs Bett und schlug die Englischlektüre auf. Ich las ein paar Seiten hatte dann aber keine Lust mehr. Ich rutschte vom Bett runter und ging zum Schreibtisch. Ich nahm mir die Wasserflasche und trank einen großen Schluck. Danach nahm ich das Buch mit zu meinem Bett. Ich legte es vor mich hin und überlegte, ob ich einen Blick rein werfen sollte. Meine Neugier war manchmal echt groß, aber ich konnte nicht dagegen ankämpfen. Plötzlich rief mein Vater mich. Erschrocken sprang ich vom Bett runter und zog das Buch dabei mit. Es schlug sich auf, aber ich beachtete es nicht. Schnell rannte ich runter zu meinem Vater. Er saß auf der Couch. Ich setzte mich neben ihn.
>Was war denn heute in der Schule?<, fragte meine Vater, nachdem er den Fernseher ausgeschaltet hatte.
>Nichts besonderes!<
>Milena hat dich mit dem neuen Jungen gesehen!< Er warf mir einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte.
>Ja, wir sind jetzt zusammen!< Ich lief rot an.
>Das freut mich total für dich!<, er nahm mich in den Arm. >Aber ist es nicht ein bisschen zu früh?<, fuhr er fort.
>Du hörst dich an, wie Ella! Es fühlt sich richtig an!<
>Ja dann! Wann stellst du ihn mit offiziell vor?<
>Morgen!< Es hörte sich eher an, wie eine Frage, aber meinen Vater beruhigte das. Ich blieb noch kurz sitzen, aber als Papa nichts mehr sagte, ging ich nach oben. Mittlerweile war es ziemlich kalt in meinem Zimmer. Schnell schloss ich das Fenster und kontrollierte, ob es fest zu war. Dann kuschelte ich mich in meine Decke ein. Das Buch lag immer noch offen auf den Boden und vom Bett aus konnte ich in roten, dicken Buchstaben meinen Namen lesen. Jetzt konnte ich meine Neugier nicht zurück halten und ich hob das Buch auf. Der Eintrag war erst vor zwei Tagen gemacht worden.


"Mein Vater spinnt langsam. Ich muss jetzt dieses Mädchen ausfindig machen und mich mit ihr anfreunden, um ihre Schwachstellen rauszufinden, nur damit er den Kampf gewinnt! Ich habe gar keine Lust auf diese normale Schule zu gehen. Dort laufen nur normale Leute rum und ich darf meine Kräfte nicht anwenden! Ich durfte immer zaubern und jetzt soll ich es auf einmal sein lassen? Das ist Unvorstellbar für mich! Ich weiß auch gar nicht, warum ich die Drecksarbeit für ihn machen muss! Er kann sich doch verwandeln! Aber wenn ich dieses Mädchen gefunden habe, dann habe ich Ruhe. Mein Vater macht mich zum neuen König und nur deswegen erfülle ich seine Aufgabe. Ich war schon immer darauf bedacht den Thron einzunehmen. Deswegen mache ich bei diesen Spielen mit. Mit meinen eigenen Händen werde ich zur Not dieses Mädchen umbringen. Katherine Gregory darf nie an den Thron kommen!"

Mit diesen Worten endete der Eintrag. Mir stiegen die Tränen in die Augen. Wie konnte man sich in Menschen nur so täuschen? Ich blätterte um. Es stand noch ein kurzer Eintrag drin, den ich auch schnell las.

„Jetzt bin ich erst ein Tag in der Schule und habe schon jemanden wundervolles kennengelernt. Ihr Name ist Katherine. Mit ihrer Art hat sie mich verzaubert. Ich bin so froh, dass ich diese Aufgabe für meinen Vater erledigen soll. Es ist schon komisch, dass sie den gleichen Namen trägt, wie die Person, die ich eigentlich ausfindig machen soll, aber ich bin mir eigentlich sicher, dass sie nicht Katherine Susan Gregory ist. Immerhin musste sie zum Direktor und welche Tochter muss schon zum Direktor, wenn dieser ihr Vater ist? Ich will am liebsten gar nicht mehr weg von hier, aber wenn ich Gregory nicht finde, dann muss ich hier schneller weg, als gedacht, aber ich will Katherine nicht alleine lassen. Sie macht mich so glücklich. Vielleicht kann ich sie ja irgendwann mit in die Hexenwelt nehmen. Vielleicht kann sie sogar die Königin an meiner Seite werden. Mein Vater kann bestimmt was machen. Wofür trägt er sonst den Namen des größten Zauberers der Welt? Katherine ist jetzt das wichtigste in mein Leben! Ich liebe sie!“

Oh mein Gott! Er durfte niemals raus finden, dass ich seine gesuchte Person bin. Er ist der Sohn, des Zauberers, der meine Kugel gestohlen hat und er will mich töten, nur weil er den Thron haben will! Ich hatte mich richtig in ihn getäuscht, aber ich durfte ihn ja nicht zeigen, dass ich von seinem Geheimnis wusste. Ich musste ja meine Zeit noch ausnutzen, die ich mit ihm haben kann. Wenn er raus findet, dass ich Katherine Susan Gregory bin, dann hasst er mich, aber ich mochte ihn wirklich und er mochte mich auch, aber sein Vater wird das nicht zu lassen und ihn erpressen. Unsere Beziehung hatte keine Chance. Das war mir jetzt klar, wie Kloßbrühe. Schnell schlug ich das Buch zu und steckte es in meine Schultasche. Traurig legte ich mich ins Bett und schlief ein. Meine Nacht war traumlos.
Am Morgen weckte mich mein Vater.
>Kate, du musst langsam mal aufstehen, sonst kommst du zu spät!<
Erschöpft schlug ich meine Augen auf. Mein Blick wanderte zur Uhr. Mist schon halb sieben! Ich sprang aus dem Bett und bereute es sofort. Mir wurde schwindelig und langsam sank ich zurück aufs Bett.
>Vorsichtig Schatz! Alles Gute zum Geburtstag!<, sagte mein Vater zu mir und nahm mich in den Arm. Kurze Zeit später verschwand ich dann ins Bad. Innerhalb kurzer Zeit putzte ich mir die Zähne, wusch mich und schlüpfte in meine Klamotten. Dann machte ich mich mit Daddy auf den Weg zur Schule. Wir kamen später an, als sonst. Ella wartete schon. Als sie mich sah, kam sie freudig auf mich zugeraunt.
>Alles Gute zum Geburtstag, Süße!< Sie umarmte mich und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Sie zog ein kleines Päckchen aus der Tasche und überreichte es mir.
>Das war doch nicht nötig! Ich habe doch gesagt ich will nichts!<
>Tja, ich habe dir aber was besorgt und jetzt nimm es!<
>Danke! Ach übrigens, kannst du bitte Will nicht sagen, dass ich Geburtstag habe?<
>Hast du ihm das etwa nicht gesagt?< Sie guckte mich empört an.
>Nein, wir sind nicht auf dieses Thema zu sprechen gekommen und ich wollte ihm das nicht unter die Nase reiben!<
>Achso, kann ich verstehen! Du kannst auf mich zählen! Und jetzt pack dein Geschenk aus!< Vorsichtig riss ich das Papier auf. Das, was ich sah, verschlug mir die Sprache. Sie hatte mir eine Glaskugel anfertigen lassen, wo ein Foto von uns drin war. In der Mitte schwebte eine kleine Hexe.
>Ich wusste doch, dass du Hexen total super findest!<
>Wow. Danke, das ist echt…. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich umarmte sie schnell und verstaute ihr Geschenk dann in meiner Tasche, ganz darauf bedacht, es nicht zu zerstören. Kruzte Zeit später erschien Will hinter mir. Er hielt mir die Augen zu und drückte mir einen Kuss in den Nacken.
>Guten morgen, meine Süße!<, hauchte er mir ins Ohr.
>Hey! Ich glaube du hast gestern was bei uns verloren!< Geschickt kramte ich das Buch heraus. Plötzlich weiteten sich Wills Augen. Schnell nahm er es mir ab und stopfte es in seine Tasche.
>Ich habe gar nicht gemerkt, dass es weg ist!<
>Ja, zum Glück habe ich es gefunden!< Vorsichtig drückte ich ihm einen Kuss auf den Mund.
>Du hast es aber nicht gelesen oder?<
>Quatsch, wie kommst du denn darauf?<
>Ich weiß nicht! Mädchen sind doch immer so neugierig!<
>Ok, du hast mich durchschaut!< Seine Augen weiteten sich sofort. >Aber ich habe meine Neugier gezügelt! Ich konnte gerade noch widerstehen!<, fuhr ich fort. Sofort entspannte sich sein Gesicht.
>Das wäre mir sehr peinlich gewesen, wenn du es gelesen hättest!<
>Echt? Gibst du mir das noch mal wieder?<
>Nein und jetzt müssen wir zum Unterricht, sonst bekommt Herrn Fanalt noch einen Anfall!< Er küsste mich noch mal und zog mich dann zur Klasse. Alle Leute saßen schon auf ihren Plätzen und Herrn Fanalt stand vorne. Schnell ging ich zu ihm.
>Ich wollte mich noch mal bei ihnen entschuldigen! Ich habe ein bisschen überreagiert!<
>Ist ja schon gut! Ich habe auch was gemeines gesagt! Und jetzt setz dich hin und stör den Unterricht nicht!< Zum Glück hat er die Entschuldigung angenommen. Schnell setzte ich mich auf meinem Platz. Schon wieder eine Doppelstunde Mathe. Total ätzend. Die ganze Stunde über verhielt ich mich ruhig. Ich war darauf bedacht, dass keiner meinen Nachname sagte und Herrn Fanalt Siezt uns immer, obwohl wir ihn schon tausend mal gesagt haben, dass wir das nicht wollen. Ich musste jetzt nur noch eine Stunde durchhalten.
>Möchtest du heute was mit mir unternehmen?<, fragte mich Ella nach einer halben Stunde. Da der Lehrer nicht hinguckte, antwortete ich.
>Eigentlich bin ich schon mit Will verabredet, aber wir können was zu dritt machen!<
>Ich habe Ihnen doch gerade was gesagt, Miss Gregory!<, mischte sich Herrn Fanalt ein. Erschrocken wanderte mein Blick zu Will. Langsam drehte er sein Kopf in meine Richtung. Ich habe noch nie so viel Hass in einem Blick gesehen. Sein Blick durchbohrte mich. Schnell wendete ich mein Blick ab und ließ meine Haare ins Gesicht fallen. Warum musste Ella mich was fragen? Und warum war ich so blöd und habe geantwortet? Ich versuchte die Tränen zu unterdrücken. Nach der Stunde verließ Will sehr schnell den Raum. Ich beeilte mich und wollte ihn einholen, aber er war schon verschwunden. Ich musste doch mit ihm reden! Er hatte mir immerhin noch was zu erklären! Mit schnellen Schritten ging ich zur Toilette und sperrte mich in einer Kabine ein. Meinen Tränen ließ ich freien Lauf. Ich versuchte leise zu schluchzen, aber es klappte nicht wirklich. Plötzlich wurde die Tür aufgeschlagen und jemand rief meinen Namen. An der Stimme erkannte ich, dass es Ella war.
>Kate, was ist denn los?<
>Hau ab, lass mich in Ruhe!<
>Komm raus und rede mit mir! Ich kann dir doch helfen!<
>Du kannst überhaupt nichts! Dir habe ich die ganze Scheiße nämlich zu verdanken!<
>Was?<
>Ja, du hast mich doch angequatscht!<
>Was hat das denn damit zu tun?< Sie stand direkt vor meiner Kabine. Ich riss die Tür auf und guckte Ella wütend an. Die anderen Leute, die sich im Raum befanden starrten uns neugierig an. Ich packte Ella am Arm und zog sie nach draußen auf den Schulhof, wo keiner mehr war, weil es angefangen hatte in Strömen zu regnen, aber das war mir egal. Hier hatten wir wenigstens keine Zuschauer.
>Was habe ich kaputt gemacht? Ich verstehe nicht, was du meinst!<
>Meine Beziehung mit Will! Hättest du mich nicht angequatscht, hätte mich Herrn Fanalt nicht ermahnt!<
>Aber ich weiß nicht, was das mit eurer Beziehung zu tun hat!< Sie blickte mich verwirrt an.
>Wills Vater hasst die Familie Gregory und er hat Will erpresst!<
>Ich verstehe immer noch nicht so ganz!<
>Ella! Will und sein Vater sind Hexer! Und sein Vater hat ihm gesagt, er muss Katherine Gregory finden und die Schwachstellen raus finden, damit er sie besiegen kann!<
>Was erzählst du da für einen Müll? Erstens gibt es keine Hexen und Hexer und zweitens, warum sollte er dich hassen? Er kennt dich doch nicht mal!< Sie guckte mich an, als wäre ich durchgeknallt.
>Jetzt glaub mir doch einfach mal! Ich erzähle hier doch keine Scheiße!<
>Aber warum sollte er dich hassen, ohne dass er dich kennt!<
>Weil…. Weil ich eine Hexe bin und mir das Recht auf den Thron in der Hexenwelt zusteht, aber nur wenn ich meine Kugel wieder bekommen, die Wills Vater mir geklaut hat! Und er hat Angst, dass ich ihn besiegen könnte und dann hat er Will erpresst, dass er meine Schwachstellen raus finden soll, damit er auf den Thron kommt! Aber Will kannte meinen Nachnamen nicht und wusste nicht, dass ich die gesuchte Person war!< Ellas Augen hatten sich geweitet.
>Das hört sich an, wie ein Märchen!<
>Ich wusste, dass du mir nicht glaubst, deswegen habe ich es dir auch nicht erzählt und eigentlich wollte ich es dir auch nie sagen!<
>Stell dir mal vor ich würde dir so was erzählen, dann würdest du mich auch für verrückt halten!<
Ich nahm meine ganze Kraft zusammen und zauberte vor Ellas Augen eine riesige Flamme, die uns umschloss. Sofort wurde aus ihrem abschätzendem Blick, ein erstaunter Blick.
>Siehst du! Wäre das etwa möglich, trotz des Regens?<
>Oh mein Gott! Du bist eine Hexe!<
>Habe ich dir doch gesagt!< Schnell löschte ich das Feuer wieder.
>Es tut mir Leid, dass ich dir nicht geglaubt habe! Aber jetzt erzähl mir doch mal bitte ganz langsam die Geschichte, damit ich das auch verstehe!<
>Okay, also Wills Vater ist der mächtigste Zauberer der Hexenwelt und regiert dort, aber er wusste genau, dass wenn ich meine volle Zauberkraft habe, den Anspruch auf den Thron habe! Dies wusste er zu verhindern, indem er meiner Mutter meine Zauberkugel stahl und sie in dreizehn Stücke zerspringen ließ! Diese Scherben hat er in verschiedene Welten versteckt und ich muss sie mir zurück holen, bevor der Zauberer die Welten zerstört! Er hat Will in unsere Schule eingeschleust, damit er meine Schwachstellen raus findet, aber er hat sich wirklich in mich verliebt, ohne zu wissen, dass ich seine gesuchte Person bin! Jetzt kennt er natürlich meine Schwachstelle! Er ist es nämlich! Ich könnte ihm nie was antun und wenn sein Vater das erfährt….!<, ich beendete den Satz nicht, sonder senkte meinen Kopf.
>Aber er liebt dich doch! Er wird dich bestimmt nicht verraten!<, versuchte Ella mich aufzuheitern.
>Doch wird er! Er ist Machtbesessen! Ich habe mich richtig in ihm getäuscht!<
>Oh nein! Aber woher weißt du das überhaupt?<
>Ich habe ihm doch heute morgen dieses Buch gegeben! Ich war zu neugierig und habe die letzten beiden Einträge gelesen. Da stand das alles drin! Und jetzt habe ich das Versprechen, was ich meiner Mutter gegeben habe, gebrochen!< Vorsichtig trat Ella auf mich zu und nahm mich in den Arm.
>Bei mir ist dein Geheimnis gut aufgehoben! Soll ich vielleicht mal mit Will reden?<
>Nein, auf keinen Fall! Ich habe gesagt, ich habe nicht rein geguckt!<
>Du bist mir eine! Guckst einfach in private Sachen rein und dann sagst du es nicht mal! Aber was sagst du deinem Vater? Er wird dich bestimmt nicht gehen lassen!<
>Aber jetzt weiß ich wenigstens, was der vor hat und er weiß nicht, dass ich Bescheid weiß! Ich bin zwei Wochen in jeder Welt, höchstens, und hier sind das ein paar Stunden!<
>Damit hast du Recht! Dann klappt das ja! Vielleicht sollten wir jetzt mal zum Unterricht gehen!<
>Die letzte viertel Stunde können wir nun auch draußen bleiben! Ärger bekommen ich eh von meinem Vater!<
>Wahrscheinlich nicht nur du!<, scherzte Ella.
>Aber ich weiß jetzt gar nicht, was ich machen soll! Er wird sein Vater alles erzählen und sein Vater wird ihn auf mich ansetzen, aber ich kann ihn nicht angreifen und verletzen! Dafür bedeutet er mir zu viel!<
>Das wird schwierig, aber ich weiß, dass du das schaffst!< Sie hob ihre Hände und zog ihre Kette aus, die sie jeden Tag trug. Dann gab sie mir die.
>Nein, das kann ich nicht annehmen! Das ist doch dein Glücksbringer!<
>Du kannst jetzt mehr Glück, als ich gebrauchen!< Dankend nahm ich die Kette an und legte sie mir vorsichtig um den Hals. Dann schellte es auch schon zur nächsten Stunde und wir stürmten zur Klasse. Unser Lehrer war zum Glück schon weg, so dass wir uns nicht rechtfertigen musste. Jetzt hatten wir Pädagogik. Das Fach an sich war ganz gut, aber die Lehrerin war echt der Horror. Zum Glück mussten wir heute Gruppenarbeit machen. Dann setzt die Lehrerin sich wenigstens vorne hin und wir müssen ihre ätzende Stimme nicht ertragen.
Nach dieser Stunde machte ich mich auf den Weg nach Hause. Ich hatte keine Lust mehr und wenn ich meinem Vater sage, dass mir schlecht war, dann entschuldigt der mich schon. Es regnete immer noch und als ich zu Hause war, war ich klatsch nass. Schnell schlüpfte ich aus meinen Klamotten und stellte mich unter die warme Dusche. Ich stand ziemlich lange darunter. Als ich fertig war, schlüpfte ich in einen Bademantel und ging in mein Zimmer. Sofort ging ich in meinem Kleiderschrank und suchte mir neue Klamotten raus. Als ich fertig war, hatte ich das Gefühl, dass ich nicht mehr alleine war.
>Hallo, ist da jemand?<, rief ich in die Stille hinein, aber natürlich antwortete niemand. Vorsichtig setzte ich mich aufs Bett und fing mit meinen Hausaufgaben an. Ich war gerade fertig, als mein Vater kam. Er übergab mir ein kleines Päckchen und einen Umschlag. Dankend nahm ich ihn an.
>Achso Papa! Ich bin heute früher nach Hause gegangen! Mir gings nicht so gut! Kannst du mir die letzten Stunden entschuldigen?<
>Ja mache ich, aber was ist denn passiert? Milena hat gesagt du und Ella standet lange nach Unterrichtsbeginn noch auf dem Schulhof!?< Er warf mir einen mitleidigen Blick zu.
>Ja, Will hat Schluss gemacht!<
>Warum?<
>Ach ist nicht so wichtig! Ich habe mich einfach in ihm getäuscht!< Dazu sagte mein Vater nichts mehr. Er nahm mich noch kurz in den Arm und ließ mich dann alleine. Ich packte langsam das Geschenk aus. Plötzlich kam ein Licht aus meinen Kleiderschrank. Vorsichtig stand ich auf und ging langsam zur Tür. Ich umfasste mit großer Angst den Türknauf und zog vorsichtig die Tür auf. Was ich dort sah, verschlug mir die Sprache. Ich hatte sofort erkannt, dass es das erste Tor war. Es sah aus, als wären tausend Diamanten zusammengesetzt. Ich trat noch einen Schritt drauf zu. Soll ich es wagen oder soll ich es einfach so lassen, wie es ist? Vorsichtig trat ich noch ein Schritt drauf zu und streckte meinen Arm aus. Meine Hand berührte ein Teil der Kristalle. Ich schloss meine Augen und machte einen großen Schritt in das Kristallnetz rein.


2.
Ich öffnete meine linkes Auge ein Stück, als mir warme Luft entgegen stieß. Ich stand auf einem langen gepflasterten Weg, der sich Kilometer weit schlängelte. Ich öffnete mein anderes Auge auch noch und blickte mich erstmal richtig um. Der Weg war von wunderschönen Blumen und Büschen gesäumt. Wenn man geradeaus guckte, konnte man schon eine kleine Stadt erkennen. Nachdem ich mein Staunen einigermaßen zurückhalten konnte, machte ich mich mit schnellen Schritten auf den Weg. Nach ein paar Minuten laufen, war ich nass geschwitzt. Es war wirklich richtig warm hier. Die Sonne prallte die ganze Zeit auf mich drauf. Ich meine ist ja klar, dass mir so extrem warm ist, wenn ich mit dicken Pullover hier rum renne. Immerhin konnte ich ja nicht wissen, wie die Wetterverhältnisse sind. Vielleicht sollte ich mir zu Hause eine Tasche mit Wechselsachen packen, die ich dann immer mitnehmen konnte. Ich wischte mir mit meinen Handrücken über die Stirn und ging dann langsam weiter. Ich hoffte, dass ich die Stadt heute noch erreichen könnte. Hier lief aber auch niemand rum, so dass ich erkennen konnte, mit welchen Wesen ich es zu tun bekommen würde. Ich ging weiter und freute mich, als der Weg endlich von Bäumen gesäumt wurden. Endlich Schatten. Ich war schon ein ganzes Stück gegangen, als mir einfiel, dass ich ja zaubern konnte. Sofort verzauberte ich mich in einen Vogel und flog in Richtung Stadt. In einem kleinen Waldstück verwandelte ich mich zurück. Es sollte ja nicht unbedingt jeder wissen, was ich bin. Die meisten würden dann wahrscheinlich eins und eins zusammenzählen und mich verraten oder sogar direkt angreifen. Ich glaube aber, wenn ich in dieser Situation wäre und der Zauberer mich oder mein Volk bedrohen würde, dann würde ich auch alles verraten, was der Zauberer wissen möchte. Ich trat hinter dem Baum hervor und strich meine Klamotten glatt. Es war schon ein bisschen kühler geworden, aber der Pullover war trotzdem noch zu warm. Ich ging ein paar Schritte, als plötzlich eine Gestalt vor mir sanft auf dem Boden landete. Erschrocken blickte ich diese an. Da sie Brüste hatte, konnte ich darauf schließen, dass es sich um ein Mädchen handelte. Ihre Haut war hellblau und ihre Augen leuchteten in türkis. Sie trug ein grünes, bauchfreies Oberteil. Obwohl ich nicht glaubte, dass man es bauchfrei nannte, weil es eigentlich nur ihre Brüste bedeckte. Außerdem trug sie noch eine Unterhose in der selben Farbe. Sie war wirklich hübsch und die Klamotten standen ihr wirklich gut. Wenn zu Hause jemand so rumlaufen würde, dann würde er direkt als Schlampe betitelt werden, aber hier schien es normal zu sein.
>Hey! Ich bin Juro! Und du bist wahrscheinlich Kate, die Hexe!<, stellte sie sich vor. Ihre Stimme hörte sich an, wie ein Windspiel. Ich war wirklich sprachlos, aber nicht nur wegen ihrer Erscheinung, sondern auch, dass sie sofort erkannte, wer ich war.
>Wo….. Woher wei….. weißt du da…. das?<, stotterte ich vor mich hin. Sie lächelte und entblößte dabei eine Reihe weiße Zähne.
>Ich habe gesehen, wie du dich zurückverwandelt hast Außerdem warten wir hier schon auf dich! Meinte Mutter war eine gute Freundin von deiner! Komm mit!< Sie packte mich an meinen Arm und zog mich mit in Richtung Stadt. Als sie sich umdrehte, sah ich ihre dunkelblauen Flügel. Sie sahen aus, wie von einem Schmetterling.
>Wunderschön!<, flüsterte ich vor mich hin. Sofort drehte Juro sich um.
>Hast du was gesagt?< Sie musste richtig gute Ohren haben, denn ich war der Meinung, dass ich das sehr leise gesagt hätte.
>Guck mich nicht so an! Wir Elfen haben nun mal gute Ohren!< Sie lachte und ging schnell weiter. Es wurde langsam dunkel, aber die Hitze verging nicht. Ich musste fast laufen, dass ich Schritt mit ihr halten konnte. Nach zehn Minuten hatten wir dann eine kleine Hütte erreicht. Bevor wir rein gingen, blicke Juro sich noch mal um. Weit und breit war niemand zu sehen.
>Ich habe gedacht, dass Elfen in Baumkronen wohnen!<, sagte ich beiläufig, als Juro die Tür schloss.
>Du musst nicht immer alles glauben, was dir erzählt wird!<
>Ist es hier eigentlich immer so leise?<
>Nein, erst seit heute! Jeder hier weiß über dein Geburtstag Bescheid und jeder hier weiß, dass du hier zuerst hinkommen müsstest! Sie haben alle Angst vor dem Zauberer! Er erpresst die Leute hier! Deswegen habe ich mich vor der Tür auch noch mal umgeguckt! Hier könnten überall Spitzel sein, denn der Zauberer hat versprochen, den, der die Hexe verrät, jeden Wunsch zu erfüllen! Falls keiner sie verrät, wird er die Stadt zerstören und uns Elfen gleich mit!<
>Aber warum verrätst du mich nicht? Du musst doch dein Volk retten!<
>Nein! Wenn ich sterbe, dann sterbe ich für einen Freund! Meine Mutter wartet, also komm!<
Sie ging durch ein kleines Wohnzimmer in die Küche. Es duftete köstlich. In der Mitte der Küche stand eine weitere Elfe und schnitt gerade ein bisschen Gemüse auf der Kochinsel klein. Als sie merkte, dass jemand eingetreten war, hob sie ihren Kopf und lächelte uns freudig an. Sie sah genauso aus, wie Juro.
>Kate, wir haben dich schon erwartet!< Sie kam um die Kochinsel rum und umarmte mich. Nun konnte ich sie vom nahen sehen. Es gab wirklich keinen Unterschied zwischen Juro und ihr.
>Das Essen ist gleich fertig! Du musst ja ganz ausgehungert sein!< Sie drehte sich um und ging wieder zur Kochinsel. Ihre Flügel waren auch so geformt, wie die von Juro, aber ihre Flügel waren nicht dunkelblau, sondern gelb. Das war aber auch wirklich der einzige Unterschied.
>Ach Juro, gib Kate bitte ein paar Klamotten! Ihr muss ja unheimlich warm sein!< Jetzt wendete sich ihre Mutter wieder ganz dem Essen zu. Juro lotste mich aus der Küche in einen weiteren Raum. Darin hingen zwei Riesengroße Blätter, die wahrscheinlich als Betten dienten. Außerdem standen in dem Zimmer noch ein Schreibtisch und ein kleiner Schrank. Juro war direkt zum Schrank gegangen und öffnete ihn, während ich noch in der Tür stand und das kleine Zimmer bewunderte. Es war wirklich schön, trotz dieser Schlichtheit.
>Ich nehme mal an, die Blätter dienen als Betten, aber warum hast du zwei?< Juro wühlte im Schrank rum, während ich fragte.
>Ich habe noch eine Schwester!< Sie zog zwei Teile aus ihrem Schrank und übergab sie mir. >Ich hoffe es gefällt dir! Du kannst dich im Badezimmer umziehen!<, fuhr sie fort. Dann verließ sie das Zimmer und ging eine kleine Treppe hoch, die im Badezimmer endete.
>Wenn du fertig bist, komm bitte in die Küche!< Mit diesen Worten verließ sie den Raum und schloss die Tür. Ich fand das Haus wirklich schon, trotz dieser ordinären Bauweise. Ich hatte noch nie ein Haus gesehen, dass ein Badezimmer direkt am Ende der Treppe hatte. Schnell schlüpfte ich aus meinen warmen Klamotten und zog mir die Sachen an, die Juro mir gegeben hatte. Ich war froh, dass Juro mir nicht die Gleichen Sachen gegeben hatte, wie sie trug. Sie hatte mir ein Oberteil gegeben, das mir bis zum Bauchnabel ging. Es sah aus, wie aus Blättern gemacht, aber es fühlte sich nicht an, als wären es Blätter. Das wäre ja auch viel zu unsicher. Wahrscheinlich würde es sofort reißen, wenn man sich bewegt, wenn es nur aus Blättern wäre. Außerdem hatte sie mir noch einen Rock gegeben. Dieser ging mir nur knapp über den Hintern, aber wenn alle hier so rum liefen, könnte ich es ja auch tun. Als ich fertig war, packte ich meine Klamotten und ging in die Küche. Juro nahm mir meine alte Sachen sofort ab und legte sie zur Seite.
>Setz dich doch! Das Essen ist in zwei Minuten fertig! Ach übrigens ich bin übrigens Halale!<
Ausgefallene Namen waren wohl keine Seltenheit, aber sie gefielen mir wirklich. Als das Essen fertig war, stellte Halale jeden einen Teller hin. Juro setzte sich auf den Stuhl gegenüber und ihre Mutter neben mich. Gemeinsam fingen wir an zu essen.
>Also Kate, du musst dich morgen direkt auf den Weg zum Turm machen! Dort wartet der Zauberer auf dich!<, fing Halale an.
>Warum nennen ihn alle nur „Zauberer“? Hat er keinen richtigen Namen?<
>Doch schon, aber keiner weiß ihn!<
>Keiner außer sein Sohn!<, flüsterte ich vor mich hin. Natürlich hatte ich vergessen, dass die Elfen sehr gute Ohren hatten.
>Du kennst den Sohn vom Zauberer?<, kreischte Juro entsetzt.
>Ja, warum?< Nun war ich misstrauisch.
>Das ist nicht gut! Er hat dich hundert Prozentig verraten! Immerhin soll er doch König werden!<, antwortete Juro mir zwischen zwei Gabeln vom Gemüse.
>Woher wisst ihr davon, dass er König werden soll?< Die Sache wurde immer komischer.
>Er ist einen Tag mal hier runter gekommen und hat „Werbung“ für sich gemacht! Er hat jedem erzählt, dass alles besser wird, wenn er erstmal König wäre!<
>Er wird mir nicht weh tun! Er hat gesagt er liebt mich!< Beide ließen ihre Gabel fallen und guckte mich entsetzt an. >Natürlich bevor er wusste, wer ich bin!<, fügte ich schnell hinzu. Sie nahmen wieder ihre Gabeln und aßen weiter.
>Jetzt weiß er aber wer du bist oder immer noch nicht?<, hakte Halale nach.
>Doch natürlich! Er ist sofort abgehauen!<
>Siehst du! Er ist einfach nur Machtgeil! Aber wie dem auch sei! Morgen in aller Frühe werde ich dich wecken! Keiner darf dich sehen, wenn du zum Turm gehst! Ich packe dir ein Rucksack mit den wichtigsten Sachen! Du brauchst mindestens drei Tage bis dahin! An deiner Stelle würde ich mich auch nicht verwandeln! Es gibt Elfen, die den Himmel überwachen! Juro wird dir den Weg weisen!<, sagte Halale. Ich nickte ihr zu. Kurze Zeit später hatten alle aufgegessen. Ich wollte beim abräumen helfen, aber Halale lehnte ab und schickte mich mit Juro ins Zimmer. Sie deutete auf ein Bett. Ich blickte sie verdutzt an. Immerhin hingen sie an der Decke und keine Leiter war in Sicht. Und wenn ich mich verzaubern würde und mich dann aufs Bett setzen würde, müsste ich mich ja zurückverwandeln, sonst könnte ich mich ja nicht mit Juro unterhalten. Beim zurückverwandeln würde ich wahrscheinlich wieder runterfallen. Juro verstand meinen Blick sofort und besorgte eine Leiter. Während sie ihre Flügel benutzte, um auf das Bett zu kommen, kletterte ich langsam die Leiter hoch. Mit großer Vorsicht setzte ich mich auf das Bett. Ich hatte Angst, dass es entweder reißt oder dass es wackelt und ich dann runterfalle. Als ich einigermaßen sicher saß, legte ich mich hin.
>Ich habe gedacht das Bett gehört deiner Schwester!<, fragte ich nach ein paar Minuten der Stille.
>Gehört es auch, aber sie kommt nicht mehr nach Hause!<, antwortete Juro nach kurzem zögern.
>Warum?< Ich war wirklich neugierig.
>Sie dient jetzt dem Zauberer! Als er hier war, hat sie sich in ihn verliebt! Ich kann das gar nicht nachvollziehen! Wir können froh sein, dass sie nicht wusste, dass deine Mutter eine gute Freundin von meiner Mutter war! Auf jeden Fall ist sie dann mit ihm zum Turm gegangen! Er hat ihr versprochen, dass sie Königin an der Seite von seinem Sohn werden wird, wenn sie ihm hilft! Ich glaube ja, dass das alles nur eine große Lüge war, aber meine Schwester ist einfach nur blind! Auf jeden Fall ist mein Vater jetzt los gezogen und will sie zurück holen!<
>Aber ist das nicht gefährlich?<
>Solange sie meinem Vater zuhört und nicht verrät, dass er sie überreden möchte, zurück zu kommen, kann er es schaffen! Meine Mutter betet jeden Tag für ihn!<
>Wie lange ist er denn schon weg?<
>Seit fünf Tagen! Deswegen begleite ich dich auch! Ich will ihn finden und zurückholen! Mit meiner Schwester kann man nicht verhandeln! Sie ist richtig stur! Ich will nicht, dass ihm was passiert!< Juro hörte sich traurig an.
>Das kann ich verstehen! Es ist schwer jemanden zu verlieren, den man sehr gerne hat!<
>Aber jetzt erzähl mir mal, wie du an den Sohn vom Zauberer gekommen bist!< Sofort trat in Juros Stimme große Neugierde und ich musste lächeln.
>Er saß neben mir im Sekretariat! Er war mir von Anfang an sympathisch, aber natürlich habe ich das nicht zugegeben! Im Tanzunterricht musste ich ihm die Schritte zeigen und ich muss dir sagen, dass er wirklich ein guter Tänzer ist! Nach der Schule habe ich was mit ihm gemacht! Am nächsten Tag hat er mir dann gebeichtet, dass er mehr für mich empfindet und hat mich dann auch geküsst! Ich war der glücklichste Mensch überhaupt! Er war mit bei mir! Als er dann nach Hause musste, verlor er ein kleines Büchlein! Es fiel mir runter und schlug natürlich auf! So neugierig wie ich bin, habe ich das natürlich gelesen und rausgefunden, dass er der Sohn von dem Zauberer ist und nur an unsere Schule gekommen ist, um mich zu finden! Im nächsten Eintrag stand dann, dass er dieses Mädchen noch nicht gefunden hat, aber dass er sich verliebt hat in mich!< Juro hörte aufmerksam zu.
>Aber wie hat er dann rausgefunden, dass du die gesuchte Person bist?<, hakte sie nach.
>Ein Lehrer auf meiner Schule siezt uns immer und als meine Freundin mich angesprochen hat und ich antwortete, nannte er meinen Nachnamen! Will guckte mich sofort an! Sein Blick war voller Trauer, aber auch Hass! Nach der Stunde haute er sofort ab und ich habe ihn nicht mehr gesehen!<
>Deiner Stimme nach zu urteilen musst der dir wirklich viel bedeuten!< Ich musste wirklich traurig klingen.
>Ja natürlich! Ich habe mich richtig in ihn verliebt! Wahrscheinlich ist er direkt zu seinem Vater gerannt und hat, wie aus dem Nähkästchen geplaudert! Am meisten habe ich Angst davor, dass der Zauberer mich gegen Will kämpfen lässt! Ich kann ihn nicht weh tun!< Ich musste mir meine Tränen mit Mühe zurückhalten.
>Das wird er nicht getan haben! Er hat wahrscheinlich erzählt, dass er keine Katherine gefunden hat!<
>Warum glaubst du eigentlich immer an das Gute in den Menschen? Er ist Machtbesessen!<
>So sind wir Elfen halt! Solange uns niemand vom Gegenteil überzeugt, sehen wir nur das Gute! Und jetzt sollten wir schlafen! Es ist schon spät und wir müssen morgen früh raus!<
Kurze Zeit später hörte man nur noch tiefes Atmen von Juro. Sie war wirklich schnell eingeschlafen. Ich hingegen lag noch lange wach und schweifte in Erinnerungen. Es war noch gar nicht so lange her, dass Will rausgefunden hat, wer ich bin. Irgendwann bin ich dann aber doch eingeschlafen und als Halale uns wecken kam, war ich natürlich nicht ausgeschlafen.
>Wie viel Uhr haben wir es?<
>Wir haben keine Uhrzeiten, aber es ist noch vor dem Morgengrauen! Beeilt euch!< Mit diesen Worten verließ sie wieder das Zimmer. Juro war schon aufgesprungen und wühlte in ihrem Kleiderschrank. Währenddessen kletterte ich vorsichtig die Leiter runter. Ich wollte mir ja nicht unbedingt irgendwas brechen. Wie sollte ich das dann meinem Vater erklären? Außerdem könnte ich dann auch nicht meine Reise weiter machen. Als ich endlich unten ankam, war Juro schon ins Bad verschwunden. Es dauerte nicht lange, da war sie wieder zurück im Zimmer.
>Wie kann man morgens nur so fröhlich sein?<, fragte ich sie.
>Das gibt es ein einfaches Rezept gegen! Viel schlafen!<, scherzte sie. Ich warf ihr einen vielsagenden Blick zu und verschwand dann ins Badezimmer. Ich machte mich frisch und benutzte die Toilette. Wer weiß, ob ich unterwegs so ein Luxus finde. Ein paar Minuten später saßen wir dann alle am Küchentisch und frühstückten Schnell. Halale hatte uns Rucksäcke mit Essen voll gepackt und anderen Sachen, die uns behilflich sein könnten. Bevor wir losgingen, bekamen Juro und Ich noch blaue Umhänge.
>Du mit deinen dunklen Augen und deiner hellen Haut fällst sofort auf. Der Mantel verdeckt das ein bisschen!<, erklärte Halale mir, während sie mir den Umhang zuband. Wenn ich meine volle Zauberkraft hätte, könnte ich mich ja in eine Elfe verwandeln, aber dann brauchte ich das wahrscheinlich nicht mehr. Juro verabschiedete sich von ihrer Mutter. Als wir dann endlich los gehen konnten, ging die Sonne schon langsam auf. Wir mussten ungefähr eine halbe Stunde gehen, als wir in einen Wals kamen. Ängstlich blieb ich davor stehen.
>Was hast du denn jetzt?<, fragte meine Begleiterin und musterte mich spöttisch.
>Bist du sicher, dass es keinen anderen Weg gibt? Der Wald sieht gefährlich aus!<
>Er sieht nur so aus! Jeder der hier reingegangen ist, ist auch wieder rausgekommen! Vielleicht sieht er auch nur so gefährlich aus, weil er verzaubert ist!< Mit diesen Worten setzte sich Juro in Bewegung. Ich zögerte noch eine Sekunde, ging dann aber weiter.
>Wie meinst du das mit der ist verzaubert?<
>Er ist so verzaubert, dass man in dem Wald nicht zaubern kann und nicht fliegen kann! Hier sind keine Fallen oder so!< Ich blickte nach oben. Die Baumkronen ragten über unsere Köpfe. Es sah bedrohlich aus, als würden sie uns jeden Moment erdrücken. Aber wenn Juro sagt, dass nicht schlimmes passieren kann, dann wird nichts schlimmes passieren. Wir liefen stunden lang schweigend nebeneinander her. Juro hatte viel längere Beine, als ich, also lief sie immer zwei Schritte vor mir und für sie war es nicht so anstrengend, wie für mich. Wenn ich in Normaltempo gehen würde, würde ich wahrscheinlich mehrere Meter zurückliegen. An einem kleinen Baumstumpf blieb Juro abrupt stehen. Ich war so in Gedankenversunken, dass ich sie beinahe umgerannt wäre.
>Was machst du?<, fragte ich sie verwirrt. Sie blickte, wie in Trance in die Richtung, in die wir eigentlich weiter gehen sollten.
>Setz dich hier hin und sag nichts! Da kommt jemand! Hebe niemals deinen Kopf, denn an deinen Augen würden sie sofort erkennen, dass du keine von uns bist! Und versteck deine Haut!< Sie sagte es in so einem ernsten Befehlston, dass ich sofort gehorchte. Ich setzte mich mit den Rücken zu Juro hin und stellte meine Tasche auf den Schoß. Gut darauf bedacht nichts von meiner Haut zu zeigen, tat ich so, als wenn ich was in meinem Rucksack suchen würde. Ich lauschte, aber ich hörte niemanden kommen.
>Juro, ich glaube da kommt niemand!<
>Pssst! Ich höre sie! Sie brauchen noch fünf Minuten!< Ich vergaß auch ständig, dass diese Elfen gute Ohren hatten. Genau nach fünf Minuten hielten Reiter bei uns an.
>Was machen sie hier?<, fragte ein Junge, dessen Stimme mir sehr bekannt vorkam. Ich dachte nach, während ich weiter so tat, als würde ich was bestimmtes in meinem Rucksack suchen.
>Meine Freundin und Ich wollen zu meiner Schwester!<, log Juro.
>Wohin müsst ihr?<
>In Richtung Turm!<
>Was willst du von deiner Schwester?<
>Ich möchte ihre Hilfe! Ich will dieses Hexenmädchen finden! In den nächsten Tagen muss sie ja kommen! Meine Schwester will das Gleiche und zu zweit ist man stärker!<
>Ja, damit hast du wohl recht! Wir können euch mitnehmen!< Jetzt fiel mir ein, warum mir die Stimme so bekannt vorkam. Sie gehörte zu Will. Erschrocken ließ ich meinen Rucksack fallen und der Inhalt verteilte sich auf den Boden. Sofort ließ ich mich auf die Knie fallen und fing an, die Sachen einzusammeln. Dabei verrutschte natürlich mein Umhang ein bisschen. Sofort zog ich ihn gerade. Ich spürte natürlich, dass alle mich anguckten.
>Oh, meine Freundin ist ein bisschen ungeschickt! Und nein Danke, aber meine Freundin und Ich wollen daraus direkt einen mehrtägigen Ausflug machen!< Juro log wirklich gut, aber diese Lüge klang unglaubwürdig. Ich hörte, wie jemand vom Pferd sprang. Ich hörte, wie Schritte sich mir näherten und plötzlich kniete er vor mir. Will half mir dabei, meine Sachen aufzusammeln. Ich zog meine Kapuze ein bisschen weiter ins Gesicht, aber nur so weit, dass ich ihn noch ein bisschen beobachten konnte. Er sah immer noch richtig gut aus und am liebsten würde ich ihm sofort um den Hals fallen und ihm alles erklären, aber damit würde ich nicht nur mich in Gefahr bringen. Als wir alles eingesammelt hatten, hielt Will mir die Hand hin und wollte mir hoch helfen. Ich überlegte kurz, stand dann aber schnell auf. Sofort guckte ich nach, ob mein Umhang verrutscht war.
>Ist deine Freundin stumm?<, fragte er, während er wieder zu seinem Pferd ging.
>Nein, aber sehr schüchtern! Danke für deine Hilfe! Wir müssen jetzt weiter!< Schnell packte Juro mein Arm und zog mich weiter. Als Will auf sein Pferd stieg, konnte ich nicht anders und warf ihm noch einen Blick zu. In dem Moment drehte er seinen Kopf auch noch ein kleines Stück zu mir. Schnell wendete ich meinen Blick ab und versuchte Juro einzuholen. Hoffentlich hatte er mich nicht erkannt! Aber er konnte mich gar nicht erkannt haben, dafür habe ich viel zu schnell weggeguckt!
>Kannst du mir mal sagen, was das sollte? Du hast mich in Gefahr gebracht!<
>Es tut mir Leid! Aber ich bin wirklich ein bisschen ungeschickt! Vor allem in Gegenwart von Will!<, versuchte ich sie zu beruhigen. Juro war wirklich aufgebracht.
>Will? Dieser gutaussehende Typ war Will?<
>Ja, das war er!<
>Wie dem auch sei, aber du kannst froh sein, dass er dich nicht aufgefordert hat zu sprechen oder deinen Umhang auszuziehen! Das machen die normalerweise!<
>Da hatte ich wohl noch mal Glück, aber es tut mir wirklich Leid!<
>Ist ja schon gut, aber jetzt sei aufmerksamer! Zum Glück sind sie in die andere Richtung weitergeritten! So schnell wird Will uns nicht mehr begegnen!< Danach gingen wir schweigend weiter. Mein Blick schweifte über den Himmel oder besser gesagt über die Baumkronen. Nur manchmal blitzte die Sonne durch die Baumkronen hindurch. Nun war ich richtig froh, dass wir Schatten hatten.
An einem kleinen Bach machten wir Pause. Juro kramte eine Decke aus ihren Rucksack und breitete sie so aus, dass wir beim sitzen unsere Füße ins Wasser stellen konnten. Sofort schlüpfte ich aus meinen Schuhen und stellte die Füße in das klare, kalte Wasser. Sie schmerzten vom ganzen gehen. Dann kramte ich mir was zu essen aus der Tasche. Wir saßen ziemlich lange da, aßen und redeten viel.
>Wir sollten wieder los! Wir haben schon viel zu lange Pause gemacht!< Juro stand schon auf und zog ihre Klamotten zurecht. Langsam erhob ich mich. Ich hatte eigentlich keine Lust weiter zu gehen. Meine Füße taten immer noch sehr weh. Meine Schuhe ließ ich aus. Als wir alles wieder eingepackt hatten, gingen wir weiter. Ich konnte gar nicht nachvollziehen, wie Juro immer noch so locker gehen konnte. Über mich hätte man sich wahrscheinlich kaputt gelacht. Der Weg schlängelte sich vor uns hin. Hätte ich gewusst, dass das alles so anstrengend sein würde, hätte ich mich von Will mitnehmen lassen. Dann wäre ich sofort im Turm gewesen.
>Juro, wie weit müssen wir noch gehen?<, fing ich an rum zu quängeln. Abrupt blieb sie stehen und ich rannte ihr gegen den Rücken.
>Das hat weh getan! Und warum fragst du?<
>Tut mir Leid, du musst ja nicht plötzlich stehen bleiben!<, zickte ich sie an. >Ich kann nicht mehr! Meine Füße tun so weh! Ich spüre die schon fast nicht mehr!<, fuhr ich dann im normalen Ton fort. Juro fing sofort an zu lachen.
>Wir müssen noch ein Stück gehen und dann schlagen wir unser Lager auf!< Ich stöhnte laut auf.
>Müssen wir morgen auch so viel gehen?<
>Wir haben heute den größten Teil geschafft! Morgen gehen wir ein bisschen weniger!< Dann ging sie direkt weiter. Langsam folgte ich ihr. Der Weg schien gar kein Ende zu haben. Nach weiteren geschätzten zehn Kilometern, vielleicht auch mehr, verließ Juro den Weg und ging in den Wald rein. Ich bekam ein bisschen Angst, immerhin war der Wald sehr gruselig.
>Warum gehst du hier lang?<, fragte ich verängstigt.
>Du willst doch nicht weiter gehen oder?< Sie blieb immer noch ganz ruhig, obwohl ich sie bestimmt schon nervte.
>Nein, aber ich hatte auch nicht vor, weiter in den Wald reinzugehen! Er macht mir Angst!<
>Der Wald ist sicher! Uns wird schon nichts passieren! Der Schein trügt!<
>Ich vertraue dir jetzt mal, aber wenn irgendwas passiert, dann hast du Schuld!<
>Ist ja schon gut du Angsthase!< Mittlerweile waren wir stehen geblieben und Juro legte ihre Tasche auf den Boden. Sie fing an darin rumzuwühlen und zog ein kleines Paket raus. Sie legte es auf den Boden und fing an die Schleife zu öffnen. Ich beobachtete sie gespannt dabei. Kurze Zeit später stand ein Zelt dort, wo das Paket gelegen hatte.
>Wow, wie bekommt man denn ein Zelt in so ein Paket?<
>Zauberei! Damit musst du dich doch auskennen!<, scherzte sie. >Man muss nur wissen wie, dann funktioniert das!<, fuhr sie fort. Juro öffnete den Reißverschluss und kletterte ins Zelt rein. Als sie drin war, streckte sie noch mal ihren Kopf raus.
>Kommst du? Es regnet gleich!< Dann verschwand sie nach drinnen. Ich eilte sofort hinterher. Es war geräumiger, als es aussah. Ich schmiss meinen Rucksack in die Ecke und setzte mich hin.
>Kannst du mir noch kurz helfen lange Stöcke zu suchen?<
>Wofür brauchst du die denn?<
>Ich glaube nicht, dass das Zelt den Regen lange aushält, also schützen wir es mit einer Schicht Stöcke!< Widerwillig stand ich auf und kletterte wieder nach draußen. Sofort fing ich an, nach langen Stöcken zu suchen. Juro folgte mir kurz danach. Als wir einige zusammen hatten, stellte Juro sie so auf, dass es sozusagen ein Überzelt war. Juros Einfallstalent musste man wirklich mal loben.
>So müsste es klappen! Da dürfte nichts mehr durchkommen und auffallen tun wir jetzt auch noch weniger!< Juro klopfte sich die Hände ab und ging dann wieder ins Zelt. Ich bewunderte noch kurz ihr Werk und folgte ihr dann schnell. Zuerst zogen wir die Umhänge aus. Dann packten wir uns etwas zu essen aus und aßen gemütlich. Kurz darauf hörte man eine leises Plätschern. Es regnete. Ich war immer wieder erstaunt über das Talent der Elfen für so Sachen ein Gespür zu haben. Als wir aufgegessen hatten, legte wir uns auch sofort schlafen. Ich war wirklich müde, aber mir schwirrte die ganze Zeit Will im Kopf rum. Ich konnte die Begegnung mit ihm einfach nicht vergessen. Es konnte ja nicht lange her sein, dass ich ihn zum letzten mal gesehen hatte, aber es kam mir vor, wie eine Ewigkeit. Und den Moment, wo er vor mir gekniet hat, habe ich sehr genossen. Das Gefühl einfach nur in seiner Nähe zu sein, war unbeschreiblich. Ich wünschte, es wäre alles leichter! Lange nachdem Juro eingeschlafen war, sank ich auch ins Land der Träume, aber meine Nacht war traumlos.
Am nächsten morgen wurde ich sanft wach gerüttelt. Juro hockte neben mir. Erschrocken blinzelte ich sie an.
>Hey du Schlafmütze! Wir sollten uns langsam auf den Weg machen!< Sie stand auf und verließ das Zelt. Ich musste erstmal meine Gedanken sortieren. Als ich einigermaßen klar denken konnte, sprang ich auf und packte meine Sachen ein. Ich hatte es mir echt ungemütlicher vorgestellt auf dem Boden zu schlafen, aber es war fast so gut, wie ein Bett. Juro hatte schon die Stöcke beiseite geräumt und wartete, dass sie endlich das Zelt einpacken konnte. Ich wollte ihr meine Hilfe anbieten, aber ich würde ihr eh nur im Weg stehen. Ich stellte meinen Rucksack ab und verschwand in einem Busch. Ich musste schon lange auf die Toilette, aber in der Nacht und beim Regen wollte ich nicht alleine raus. Als ich fertig war und zurückgegangen war, hatte sie schon alles abgebaut. Gab es eigentlich irgendwas, was Elfen nicht konnten? Sie sind unglaublich hübsch, haben eine wundervolle Stimme, können sehr gut hören und hatten sehr flinke Hände. Davon kann ein Normalsterblicher nur träumen. Ich schnallte mir gerade meine Rucksack auf den Rücken, als Juro mich empört anblickte.
>Du musst deinen Umhang noch anziehen! Schnell, bevor noch jemand zufällig hier vorbeikommt!< Sie schmiss ihn mir rüber und ich zog ihn schnell an.
>Sieht man irgendwas, was unentdeckt bleiben soll?<, fragt ich vorsichtshalber. Juro schüttelte nur den Kopf. Ein paar Minuten später befanden wir uns wieder auf dem Weg und gingen mit schnellem Schritt weiter. Ich war sehr in Gedanken versunken. Wie viel Zeit war wohl schon zu Hause vergangen? Hatte mein Vater meine Abwesenheit schon bemerkt? Was macht Will wohl gerade? Bereitet er sich auf seinen Kampf gegen mich vor? Diese und noch mehr Fragen schossen mir durch den Kopf. Aber auf keine Frage würde ich eine Antwort bekommen. Vielleicht sollte ich mir eine Uhr anschaffen, dann wüsste ich wenigstens die Zeit.
>Woran denkst du gerade?<, unterbrach Juro meinen Gedankenfluss.
>An vieles!<, antwortete ich verträumt.
>Was heißt vieles?<, hakte sie nach.
>An zu Hause, an meinen Vater, meine Freundin und Will!< Sofort wurde Juros Blick aufmerksam und sie verringerte ihre Geschwindigkeit, so dass sie neben mir ging.
>Erzähl mir was von deiner Freundin!<, sagte sie fröhlich.
>Sie ist echt toll! Sie ist meine einzige Freundin. Kurz nach dem Tod meiner Mutter tauchte sie auf. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Ich bin so glücklich, dass ich sie habe. Vor ihr hatte ich fast keine Freunde. Vielleicht vereinzelt mal eine, aber wenn nur für kurze Zeit. Sie hat mich immer unterstützt und stand hinter mir, selbst wenn ich mal Scheiße gebaut hatte.<, schwärmte ich.
>Das klingt echt schön!<
>Was ist denn mit dir? Hast du eine gute Freundin?< Juros Blick wanderte auf dem Boden. Er zeigte Wut, aber auch große Trauer.
>Naja, ich hatte eine gute Freundin! Seitdem sie weiß, dass meine Mutter gut mit deiner Mutter befreundet war und dir helfen möchte, wollte sie nichts mehr mit mir zu tun haben! Sie fand, dass die Gefahr zu groß ist! Von dem einen auf den anderen Tag kam sie nicht mehr zur Schule und war untergetaucht! Ich habe alles dran gesetzt, sie zu finden, aber die komplette Familie ist weg!< Man merkte, dass es Juro schwer fiel darüber zu reden.
>Oh, wie gemein! Aber sie wird schon wieder kommen!<
>Hoffentlich! Ich habe nämlich auch keine anderen Freunde! Ich weiß gar nicht, warum die anderen aus der Klasse mich nicht leiden können! Das konnten sie noch nie und werden es auch nie tun, dabei habe ich ihn nicht mal was getan!<
>So sind die Leute eben! Meistens beruht das auf Eifersucht, weil du vielleicht hübscher oder schlauer bist, als die anderen! Mach dir nichts raus! Ich werde dir helfen, deine Freundin zu finden, wenn ich meine Scherbe habe! Ich denke mal, dass ich noch Zeit habe!<
>Das ist lieb von dir, aber musst du wirklich nicht!<
>Ich weiß, aber ich will! Keine Widerrede!< Damit war das Thema für mich abgeschlossen. Eine Hand wäscht die andere. Sie hilft mir, ich helfe ihr. Danach ging sie wieder in ihrem normalen Tempo weiter. Ich hinkte wie immer hinterher. Es sah so aus, als würde der Weg immer länger werden. Überall sah man nur Bäume. Keiner war zu sehen. Der Weg war verlassen und das machte mir Angst. Gestern sind uns ja die Reiter begegnet, aber je tiefer wir in den Wald rein gingen, desto stiller wurde es und diese Stille machte mir Angst. Gestern hat man noch das Piepen der Vögel gehört, aber jetzt nichts mehr.
>Juro, bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?<
>Natürlich! Es gibt nur einen Weg, der durch den Wald führt!<
>Aber hier ist es so still!<
>Ich weiß! Je näher wir an den Turm rankommen, desto düsterer wird der Wald! Wie gesagt, du brauchst aber keine Angst haben!< Ich war wirklich ein Angsthase, aber wer hätte keine Angst in einem Wald, der immer dunkler wurde? Wenn nicht ab und zu ein bisschen Licht durch die Baumkronen schimmern würde, könnte man denken, es wäre schon wieder Nacht. Ich versuchte mein Schritttempo zu steigern, aber es klappte nur für kurze Zeit. Schweißgebadet bat ich Juro um eine Pause. Sie stimmte zu. Sofort plumpste ich auf den Boden und zog meine Schuhe aus. So eine Wanderung war wirklich scheiße. Meine Füße würden sich wahrscheinlich nie wieder entspannen. Nach einer wirklichen kurzen Pause gingen wir weiter. Juro machte Stress, weil wir noch ein ganzes Stück zu gehen hatten und sie wollte nicht den ganzen Tag mit Pause machen verplempern. Ich biss die Zähne zusammen und ging trotz meinen schmerzenden Füßen schnell, damit ich Juro nicht verlor. Stunden später hielten wir endlich an und Juro packte das Zelt aus. Ich war heilfroh darüber, weil ich total dringend mal musste und weil meine Füße wahrscheinlich nicht mehr lange mitgemacht hätte. Während sie das Zelt aufbaute, sammelte ich schon mal Stöcke. Plötzlich fing es wieder an zu tröpfeln. Schnell vollendete Juro ihr Werk und dann setzten wir uns ins Zelt.
>Regnet es eigentlich immer nur abends?<
>Nein!<
>Wie weit müssen wir morgen gehen?<
>Nur ganz wenig, aber dieser Abschnitt ist der anstrengendste!< Wir aßen schnell was und legten uns dann wieder schlafen. Hoffentlich hatte Juro mich nur verarscht. Meine Füße taten sowieso schon total weh.
Erschrocken riss ich meine Augen auf. Da draußen war etwas und es machte sich an unserem Reißverschluss zu schaffen. Erschrocken setzte ich mich auf und wollte Juro weg, aber stellte dann fest, dass ihr Platz leer war. Wahrscheinlich war sie kurz rausgegangen, aus welchem Grund auch immer und kommt jetzt wieder rein. Ich sank wieder zurück und schloss die Augen. Plötzlich spürte ich einen warmen Atem direkt neben meinem Gesicht. Ich riss die Augen auf und wollte sofort schreien, aber mir wurde der Mund zu gehalten.
>Pscht! Du darfst niemanden auf uns aufmerksam machen!<, flüsterte mir eine Männerstimme zu. Mittlerweile hatten sich meine Augen einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt und sofort erkannte ich, dass die Person, die vor mir kniete Will war. Ich setzte mich auf und umarmte ihn.
>Ich habe dich so vermisst!<, flüsterte ich ihm immer wieder zu.
>Ich dich auch!<, unterbrach er mich und drückte seine Lippen schnell auf meine. Ich genoss den Kuss sehr und ich wollte Will nie wieder los lassen. Wir saßen lange Arm in Arm dort und lachten, erzählten und küssten uns. Es war wunderschön, fast so wie früher und doch war mir sofort klar, dass es nur ein Traum war.
Als Juro mich am nächsten morgen weckte, war ich mir wirklich sicher. Trotz, dass es sich so echt angefühlt hat, war alles nur ein Traum. Eine Einbildung. Soweit würde es nie wieder kommen. Will wollte Macht und ich stellte mich gegen ihn.
>Kate, was hast du? Du siehst so verwirrt aus!< Juros Gesicht war jetzt nah an meinem. Sie beobachtete jeden Winkel genau.
>Nichts! Ich habe nur geträumt, glaube ich!< Ich blinzelte sie verschlafen an.
>Das muss aber ein schöner Traum gewesen sein!<
>Ja war es auch. Ich habe geträumt Will wäre hier gewesen und alles war wie früher, bevor er wusste, dass ich Katherine Gregory bin!<
>Oh, das war wohl wirklich nur ein Traum!< Juros Gesichtsausdruck zeigte, dass sie geschockt war.
>Wie meinst du das?< Ich wurde langsam misstrauisch. Vielleicht war das alles doch kein Traum immerhin hat es sich so echt angefühlt. Mittlerweile waren wir aus dem Zelt geklettert und Juro baute es mit geschickten Handgriffen ab.
>Ich glaube, wenn du dir so Gedanken machst, lenkt es dich von deiner Mission ab! Es geht immerhin nicht nur um dich! Wenn du versagst, könnten alle verloren sein!< Sie klang ernst. Vielleicht hatte sie recht damit. Immer wenn ich an Will dachte, wollte ich alles hinschmeißen. Damit brachte ich alle in Gefahr. Wenn man das so betrachtete, war ich egoistisch. Richtig egoistisch! Ich habe wirklich nur an mich gedacht und an mein Glück, aber warum sollte ich nicht auf mein Glück verzichten, wenn ich tausend andere Menschen glücklich machen kann? Ich meine was ist schlimmer? Ein unglücklicher Mensch oder tausend unglückliche Menschen oder besser gesagt Lebewesen?
>Du hast Recht!<, gab ich zu, als wir schon wieder los gegangen waren. >Es lenkt mich zu sehr ab. Mit seiner Aktion hat er mir doch gezeigt, dass er nichts mehr von mir wissen will!<, fuhr ich fort.
>Jungs bringen alle nur Unglück!<
>Hat das einen bestimmten, dass du das so selbstverständlich sagst?< Juro lachte verbittert.
>Ja, hat es. Bei uns Elfen läuft das so. Sobald wir einen Jungen sehen, der uns gefällt, verlieben wir uns. Wenn wir einmal verliebt sind, bleibt es so. Wir werden sozusagen auf den Jungen geprägt. Ich wurde auf einen Jungen geprägt, der Fando heißt. Aber ich werde nie eine Chance bei ihm haben!<
>Kann es denn passieren, dass du auf jemanden geprägt wirst, aber er nicht auf dich? Oder zwei Personen auf den Gleichen?<
>Nein, wenn man geprägt wurde, bekommt man automatisch so ein Zeichen! Jedes Paar bekommt ein individuelles!< Sie entblößte ihren unter dem Umhang versteckten Arm. Darauf war ein Herz zu sehen. Es war klein, aber doch sehr auffällig. Komisch, dass es mir noch nicht vorher aufgefallen war.
>Wo hast du diesen Jungen kennengelernt?<
>Er ist mir begegnet, als der Zauberer meine Schwester abgeholt hat. Er blickte mich gequält an, fast so als würde er es nicht wollen! Ich wusste sofort, dass er der Richtige ist, aber ich werde leider nie raus finden, was er über mich denkt!<
>Sobald ich meine Aufgabe erledigt habe, verschwindet der Zauberer und lässt alle Sklaven frei! Das verspreche ich dir!< Danach sagten wir wieder nichts. Mir war bis jetzt gar nicht aufgefallen, wie bergig der Weg geworden war. Langsam wurde es richtig anstrengend immer hoch und wieder runter zu gehen, aber nach ein paar Stunden sah ich endlich den Turm. Ich freute mich total darüber.
>Bevor wir jetzt ganz zum Turm gehen, können wir noch eine Pause machen?<
>Ja natürlich!< Sofort sank Juro zu Boden. >Es war doch anstrengender als gedacht!, gab sie kurze Zeit später zu.
>Ach! Du hast aber wenigstens längere Beine, als ich!< Wir beiden fingen an zu lachen. Ich plünderte den Rest aus meinem Rucksack und legte mich danach satt auf dem Boden. Ich blickte in den Himmel. Zum Glück war der Wald fast zu Ende. Nur noch vereinzelnd sah man ein paar Bäume, aber man konnte endlich die Sonne wieder sehen. Nachdem sich unsere Füße einigermaßen erholt hatten gingen wir weiter. Je näher wir dem Turm kamen, desto unruhiger wurde ich. Ich bekam Angst, hatte Angst, dass ich versagen würde. Wenn ich es nicht schaffe, die Scherbe zu bekommen, vernichte ich das Leben aller Wesen. Wer weiß, was der Zauberer dann machen würde. Nun standen wir vor dem großen Holztor, das in den Turm führt. Ich blickte ängstlich nach oben. Der Turm war hoch und bestand aus dunklen Backsteinen. Er war fensterlos, was darauf schließen ließ, dass es drinnen wahrscheinlich dunkel sein würde. Juro klopfte laut an das Tor. Ich zuckte leicht zusammen. Langsam wurde das Tor geöffnet. Mit einen lauten Knall stießen die Flügel gegen die Wand. Zu unserem Glück standen keine Wachen hinter dem Tor. Juro ging sofort los.
>Juro, warte mal! Du wolltest doch gar nicht mitkommen! Du bringst dich damit in Gefahr!<
>Ich kann dich jetzt nicht alleine lassen! Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich hier Fando treffe und ich muss ihn einfach noch mal sehen! Vielleicht wird noch alles gut!< Sie wartete bis ich bei ihr war. Dann nahm ich kurz ihre Hand, drückte sie und hackte ihr Danke entgegen. Ich war froh, dass sie mich unterstützte. Sobald wir im Innenhof standen, schloss sich das Tor automatisch. Wir blickten uns um. Der Innenhof war leer. Keine einzige Pflanze, nicht einmal Unkraut war zu sehen. Der Hof war auch gepflastert, mit den gleichen Steinen, aus denen der Turm war. Wir gingen ein bisschen weiter und entdeckten drei Türen.
>Welche Tür sollen wir nehmen?<, fragte ich Juro.
>Mir egal, wir können ja erstmal in alle Türen gucken und dann entscheiden!<, schlug sie vor.
Wir näherten uns der ersten Holztür und öffneten sie mit großer Vorsicht. In diesem Raum standen ein paar Stühle um einen großen alten Tisch. Es sah aus wie ein unmoderner Konferenzraum. Wir schlossen die Tür wieder und gingen dir vier Schritte bis zum nächsten Raum. Die Tür klemmte ein wenig, aber letztendlich bekamen wir sie zusammen auf. Ein Gang ging nach rechts weiter. Er war dunkel. Keine einzige Lampe, nicht mal eine Fackel war zusehen. Diesmal ließen wir die Tür auf und gingen zur letzten Tür. Sie war nicht so, wie die anderen Türen aus Holz, sonder aus Metall. Sie klemmte zwar nicht, war aber ziemlich schwer. Wir bekamen sie nur mit gemeinsamer Kraft auf. Hinter dieser Tür verbarg sich eine Wendeltreppe. Der Gang war auch dunkel.
>Sollen wir erstmal in die anderen Tür gucken gehen?<, schlug Juro vor. In ihrem Blick sah man zum ersten mal Angst. Ich nickte nur und dann gingen wir zurück zur zweiten Tür. Wir gingen rein, zogen die Tür aber hinter uns nicht zu. Wir versuchten uns zu orientieren, aber ohne Licht war es schwierig.
>Kannst du uns nicht Licht zaubern?<, fragte Juro mich und blickte sich dabei um.
>Natürlich! Warum bin ich denn nicht darauf gekommen?<Vor lauter Nervosität hatte ich ganz vergessen, dass ich zaubern konnte. Sofort hob ich meinen Finger und eine Flamme entzündete sich über meinen Zeigefinger. Es reichte zwar nicht, aber man konnte wenigstens mehr sehen. Zum Glück hatte Juro alles unter Kontrolle. Mit der einen Hand an der Wand und an der anderen die Flamme gingen wir langsam den Gang entlang. Er zog sich in die Länge. Irgendwann mündete der Gang in einen großen, viereckigen Raum.
>Sackgasse!<, stöhnte ich laut. Ich ging ein bisschen weiter in den Raum rein. Dicht hinter mir war Juro. Ich durchleuchtete den Raum und entdeckte etwas in der Ecke. Langsam ging ich näher ran und erkannte, dass es eine Elfe war, die zusammengekauert auf dem Boden lag. Mit schnellen Schritten ging ich zu ihr und kniete mich neben sie. Ihre Hände waren mit einem Seil zusammengebunden, genauso, wie ihre Füße. Ich drehte sie leicht zur Seite. Ihr Mund war mit Klebeband verschlossen. Juro war mittlerweile näher gekommen.
>Nilla?< Sie kniete sich neben sie und zog mit einer schnellen Bewegung den Klebestreifen ab.
>Danke, dass ihr mich befreit habt!<
>Was machst du hier?<
>Der Zauberer hat mich entführt, nachdem ich nicht sagen wollte, wer der Hexe helfen wird!<
>Aber wo sind denn deine Eltern?<
>Ich weiß es nicht! Der Zauberer hat sie auch mitgenommen, aber er hat nur mich hier eingesperrt! Aber wir müssen jetzt weg hier! Bald kommt wieder eine Wache und kontrolliert meinen Zustand!< Sofort fing Juro an die Seile zu lösen.
>Wie meinst du das mit dem Zustand kontrollieren?<, hakte ich nach.
>Sie geben mir nichts zu essen und zu trinken, bis ich rausrücke, wer die Verräterin ist!< Endlich hatte Juro die Seile gelöst und schnell rannten wir zum Ausgang. Die Tür stand zum Glück noch offen.
>Vielleicht solltet ihr hie bleiben und euch schon mal auf den Rückweg machen!<, sagte ich zu den anderen beiden.
>Nein, ich komme mit!<, antwortete Juro. Sie hatte sich echt was in den Kopf gesetzt.
>Ich schaffe das nicht mitzugehen! Ich halte euch nur auf!<, sagte Nilla. Wir mussten sie stützen, weil sie zu schwach war. Ich blickte mich um und überlegte, wo wir sie hinsetzen könnten, damit niemand sie entdecken könnte. Ich entdeckte eine dunkle Ecke. Sofort gingen wir dort hin und setzten Nilla ab.
>Wir beeilen uns versprach ich ihr!< Dann gingen wir wieder zur dritten Tür und zogen sie auf. Leise gingen wir rein und lauschten erstmal. Juro hatte aber die Metalltür losgelassen. Mit einem lauten Knall fiel die Tür ins Schloss und ein Echo hallte durch das hohe Gebäude.
>Spätestens jetzt wissen sie, dass wir hier sind!<, sagte ich in einem sauerem Ton.
>Tut mir Leid!< In Juros Stimme hörte man wirklich ihre Reue, außerdem konnte ich nie lange auf Leute sauer sein, die ich wirklich mochte. Wir lauschten noch ein bisschen, aber es näherten sich keine Schritte. Wir gingen die Treppe hoch. Die Stufen knarrten unter meinen Schritten. Ich hatte richtig Angst, dass sie durchbrechen würden. Als wir endlich oben waren, war ich richtig froh. Wir standen in einen kleinen Flur, von dem drei weitere Gänge abgingen, aber nur bei einem stand die Tür auf. Leise schlichen wir weiter. Zum Glück hingen hier einige Fackeln, die den Weg erhellten. Plötzlich näherte sich uns Schritte. Sofort hob Juro ab und blieb still an der Decke hängen. Ich verwandelte mich in eine Fliege. Eine männliche Elfe lief schnell unter uns vorbei in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
>Fando?<, rief Juro plötzlich laut und schwebte sofort nach unten.
>Was machst du hier?<, fragte Fando.
>Ich wollte dich sehen! Wir können jetzt gehen! Draußen sitzt meine beste Freundin! Wir müssen sie in Sicherheit bringen!<
>Zu der wollte ich gerade!<
>Bitte komm mit mir! Alles wird gut!<
>Ich werde umgebracht, wenn der Zauberer das raus findet!<
>Kate ist hier! Die regelt das! Jetzt lass uns erstmal weg hier!< Gemeinsam gingen sie zurück. Nach ein paar Minuten hörte ich, wie die Tür zu knallte. Ich machte mir nicht die Mühe, mich zurück zu verwandeln, sonder flog als Fliege weiter, bis in einem großen Raum. Ich blickte mich um und entdeckte meine Scherbe auf einen kleinen goldenen Tisch in der Mitte. Sofort flog ich hin und verwandelte mich zurück. Ich wollte gerade die Scherbe nehmen, als mich jemand ansprach.
>Wir haben schon auf dich gewartet!< Ich drehte mich um und erblickte einen älteren, aber immer noch attraktiven Mann. Er hatte die gleichen Augen, wie Will, was mich darauf schließen ließ, dass es sein Vater sein muss, also der Zauberer. Rechts und Links neben ihm standen zwei Wachen.
>Ihr habt mich wohl erwischt!< Ich nahm all meine Kraft zusammen und zauberte eine große Welle, die ich auf die drei Leute schoss. Sofort flogen sie zurück gegen die Wand. Damit hatten sie nicht gerechnet. Ich drehte mich um, schnappte mir die Scherbe und wollte wegrennen, aber zu spät, der Zauberer war schon wieder auf den Beinen. Er wendete sich mir zu und streckte mir seine Hände entgegen. Sofort flog ich nach hinten und knallte mit den Rücken auf dem Boden. Das war unfair, er hatte viel mehr Kraft als ich. Ich war so fest auf den Boden geknallt, dass ich für ein paar Sekunden keine Luft bekommen habe. Der Zauberer kam schnell auf mich zu.
>Gib mir die Scherbe oder ich hole sie mir mit Gewalt!<
>Nein! Sie gehört mir!< Ich überlegte, was ich jetzt noch machen könnte. Mir fiel ein, dass meine Mutter einen Spruch hatte, der das Tor in die anderen Welt früher öffnet, aber mir fiel er nicht auf Anhieb ein. Ich dachte angestrengt nach, aber es war, als wäre mein Gehirn mit Vakuum gefüllt. Was war nur auf einmal los.
>Nicht mehr lange!< Er lachte siegessicher.
>Vater! Die Elfe ist weg!< Ich erkannte sofort, dass es die Stimme von Will war. Der Zauberer drehte sich um. Das war meine Chance. Leise sprang ich auf.
>Du siehst doch, dass ich gerade beschäftig bin!< Ich blickte Will an und schenkte ihm ein Lächeln. Dann fiel mir der Zauberspruch ein. „Porta hiat“, rief ich laut und sofort öffnete sich das Tor. Der Zauberer drehte sich erschrocken um. Sofort ging ich einen Schritt nach vorne und das Tor schloss sich. Nun stand ich wieder in meinem Zimmer. Ich blickte auf die Scherbe, die ich immer noch in der Hand hielt. Die erste Aufgabe hatte ich nun erledigt und ich war richtig glücklich. Ich ging auf meinem Nachttisch zu und zog die Schublade auf. Vorsichtig legte ich die Scherbe dort rein und schloss sie behutsam wieder. Plötzlich wurde die Tür meines Zimmers aufgerissen.
>Lust auf Kino?< Ella blickte mich erwartungsvoll an. Ich nickte ihr zu und schnappte mir meine Tasche.
>So willst du aber nicht gehen oder?< Ich blickte an mir runter. Ich trug immer noch die Klamotten aus der Elfenwelt. Sofort verschwand ich in mein Kleiderschrank und schlüpfte in warme Sachen. Dann machten Ella und Ich uns auf den Weg. Unterwegs erzählte ich ihr, was alles in der Elfenwelt passiert ist. Sie glaubte natürlich sofort, dass Will mit Absicht seinen Vater abgelenkt hatte, aber ich glaubte da nicht dran. Warum sollte er das machen? Immerhin will er doch auf den Thron. Wenn man so Machtgeil ist, dann ist ihnen doch alles andere egal oder? Aber Ella dachte halt immer an das Gute in Menschen, aber ich weiß, dass es anders ist, als man es will. Wir kauften und zwei Tickets, Popcorn und Cola. Die Werbung hatte schon begonnen. Die Leute stöhnten auf, als wir uns zu unseren Plätzen durchschlängeln. Erschöpft ließ ich mich in den Sessel fallen. Mitten im Film bin ich dann eingeschlafen. Die Scherbe zu besorgen, war anstrengender, als gedacht. Ella rüttelte mich wach, als das Licht schon an war und die Leute das Kino verließen. Ellas Augen waren rot.
>Hast du geheult?<
>Wenn du nicht geschlafen hättest, hättest du bestimmt auch geheult!<, verteidigte sie sich.
Verschlafen stand ich auf und streckte mich erstmal. Dann verließen wir das Kino. Ella schwärmte die ganze Zeit von dem Film. Vor der Tür verabschiedete sie sich und ging weiter. Ich schloss die Tür auf. Mir schwang der Geruch von Essen entgegen. Sofort ging ich in die Küche. Mein Vater hatte was bestellt. Für mich hatte er Tortellini mit Käsesahnesoße bestellt. Mein Lieblingsessen. Ich schlang es schnell runter. Ich hatte total Hunger, was mein Vater auch bemerkte. Nach dem Essen ging ich dann ins Zimmer und ließ mich aufs Bett fallen. So erschöpft war ich noch nie. Bevor ich mich schlafen legen wollte, ging ich aber noch schnell duschen. Danach legte ich mich ins Bett und wollte schlafen, aber ich konnte nicht. Ich kramte die Scherbe raus und begutachtete sie von allen Seiten. Das erste Stück meines neuen Lebens habe ich schon mal. Ich werde nicht aufgeben, bis ich alle Scherben gefunden habe. Will sollte nie an den Thron kommen, dafür würde ich persönlich sorgen. Was er mir angetan hat ist Unentschuldbar. Ich legte die Scherbe zurück und fiel in einen tiefen Schlaf. Ich träumte davon, dass ich alle Scherben schon gesammelt und zusammengeführt hätte. Ich habe den Thron eingenommen und meinem Vater alles erzählt. Er freute sich für mich. Außerdem habe ich geheiratet, aber nicht irgendeine Person, sondern Will.
Ich wachte auf und dachte über meinen Traum nach. Es wäre so schön, wenn es so kommen würde, aber es ist unmöglich! Vielleicht könnte ich Will ja überreden oder besser gesagt erpressen, dass er auf den Thron kommt wenn er mir hilft. Aber dann muss er sich gegen seinen Vater stellen und wer macht das schon. Jeder hat eine Beziehung zu seinen Eltern und nur wenige würden diese aufgeben. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Kurz nach drei zeigte mein Wecker. Ich rollte mich auf die andere Seite und schlief wieder ein. Diesmal träumte ich jedoch nichts.


3.
Mein Wecker klingelte, wie an jedem Schultag um kurz nach sechs. Ich sprang sofort auf. Leider etwas zu schnell, denn mir wurde schwindelig und ich sank zurück in mein Bett. Ich blieb ein paar Sekunden sitzen und hievte mich wieder hoch. Langsam ging ich ins Badezimmer. Mir kam alles ein bisschen komisch vor. Der Flur war dunkel. Normalerweise brannte zumindest schon unten Licht, aber auch dort war es düster. Hatte mein Vater etwa verschlafen? Ich knipste das Licht an und verschwand ins Badezimmer. Ich putzte mir die Zähne und wusch mich. Als ich mein Gesicht abgetrocknet hatte und wieder in den Spiegel guckte, erschrak ich. Hinter mir stand jemand. Sofort drehte ich mich um und wollte fragen, was er hier wollte, aber da war niemand mehr. Hatte ich mir das etwa nur eingebildet? Aber es war doch so real! Ich hatte doch den Atem in meinen Nacken gespürt. Vielleicht war ich einfach nur zu übermüdet. Nackt schlürfte ich in mein Zimmer zurück und öffnete die Tür meines Kleiderschranks. Ich ging rein und suchte mir Unterwäsche raus. Dann zog ich mir eine schwarze Röhrenjeans vom Bügel und schlüpfte hinein. Dann ging ich zur anderen Seite, wo meine T-shirts lagen und zog mir ein gelben Pullover raus. Er war zwar nicht mehr in Mode, aber das war mir egal. Er gehörte meiner Mutter und es war eines der letzten Andenken an sie. Außerdem bin ich bis jetzt noch nie mit der Mode gegangen. Ich habe immer das angezogen, was mir gefiel. Hauptsache es ist gemütlich. Danach ging ich noch mal kurz ins Bad und kämmte mir die Haare durch. Ich hatte mittlerweile überall das Licht angeschaltet, weil ich doch ein bisschen Schiss hatte. Vielleicht war das eben keine Einbildung und es schlich wirklich jemand durchs Haus. Als ich fertig war, ging ich die Treppe runter. Die Stille im Haus beunruhigte mich. Normalerweise hörte man meinen Vater die Zeitung umblättern, aber nichts. Einfach nur Stille. Ich schaltete überall das Licht an.
>Papa?<, rief ich in die Stille hinein. Keine Antwort kam zurück. Ich schlich durch die Küche zur Tür seines Schlafzimmers. Leise öffnete ich die Tür. Meine Augen mussten sich erstmal an die Dunkelheit gewöhnen, aber nach kurzer Zeit erkannte ich den Umriss meines Vaters im Bett. Ich knallte das Licht an. Mein Vater drehte sich sofort um und blinzelte mich müde an.
>Was ist denn mit dir los?<, fragte er.
>Du hast verschlafen, wir müssen in die Schule!< Ich ging ein paar Schritte näher zu meinem Vater.
>Da kannst du heute alleine hingehen!<
>Was? Du hast nicht mehr viel Zeit!<
>Katherine, heute ist Samstag! Es ist heute keine Schule! Was ist nur los mit dir?< Ich guckte ihn verdutzt an. Ich hatte wirklich mein Zeitgefühl verloren.
>Oh! Aber mein Wecker hat doch geklingelt!<
>Vielleicht hast du den nicht ausgestellt oder so! Geh jetzt wieder schlafen!< Ein bisschen verwirrt drehte ich mich um und ging wieder raus. Vorher schaltete ich aber noch das Licht aus. Durch die Küche ging ich wieder zurück in mein Zimmer. Ich zog meine Klamotten schnell aus und schmiss sie auf den Boden. Zum Glück hatten wir Wochenende. Die Reise hatte wirklich Spuren hinterlassen. Erschöpft schloss ich meine Augen. Als ich wieder aufwachte, lag Will neben mir. Ich lächelte ihn an und er lächelte bezaubernd zurück.
>Träume ich?<, fragte ich leise.
>Tust du!<, antwortete er ernst.
>Das heißt, wenn ich meine Augen schließe und dann wieder öffne bist du weg?< Er nickte darauf nur mit dem Kopf.
>Warum bist du überhaupt hier?<
>Es ist dein Traum!< Sein Gesicht näherte sich meinem und er drückte mir einen Kuss auf die Lippen. Ich genoss dieses Gefühl sehr, seine weichen Lippen auf meinen zu spüren. Wir lösten uns voneinander und ich kuschelte mich an seine Brust. Die Berührung fühlte sich so echt an. So einen realen Traum hatte ich noch nie gehabt. Ich lag längere Zeit einfach nur so dort, aber dann fielen mir für ein paar Sekunden die Augen zu. Als ich sie dann wieder erschrocken aufriss, war Will schon wieder weg. Ich setzte mich auf und rieb mir meine Augen. Das wäre echt schön, wenn es so einfach wäre. Ich wünschte Will könnte jeden morgen neben mir liegen. Dann würde der Tag wirklich gut anfangen und jeden Abend sollte er neben mir wieder einschlafen. Ich sollte vielleicht langsam mal aufhören mit meiner Träumerei. Will kommt niemals mehr zu mir zurück. Ihm ist das egal, was mit mir passiert, Hauptsache er kommt auf den Thron! Warum ist das alles so kompliziert? Langsam kletterte ich aus dem Bett und machte mich erneut fertig. Mein Vater saß schon am Tisch, als ich runter kam und trank eine Tasse Kaffee. Sein Brötchen lag noch unberührt auf seinen Teller. Fröhlich drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange und setzte mich ihm gegenüber. Ich zog mir ein Croissant aus der Brötchentüte und biss genüsslich rein. Mein Vater schob mir die Marmelade rüber. Ich bedankte mich und versenkte mein Messer darin. Ich aß mein Croissant immer mit viel Marmelade. Nur die Spitze biss ich ohne Marmelade ab. Das habe ich schon immer so gemacht.
>Ist das okay, wenn ich gleich zu Ella gehe?<
>Ja natürlich!<
>Was machst du denn heute?<
>Ich muss noch ein paar Arbeiten korrigieren! Wann kommst du denn heute Abend wieder?<
>Das weiß ich noch nicht so genau! Wann soll ich denn wiederkommen?<
>Nicht zu spät. Ich wollte heute Abend mit dir Essen gehen! Ella kann natürlich auch mitkommen!<
>Ich frag sie mal! Ist das okay so gegen sechs?<
>Ja natürlich!< Mein Vater fing an sein Brötchen zu essen. Danach erhob er sich und räumte seine Tasse und sein Teller weg. Ich nippte meine Tasse Kakao leer. Danach räumte ich meine Sachen weg und schlüpfte in meine Stiefel und meinen Mantel. Ich zog den Gürtel fest um meine Taille und verließ das Haus. Es war kalt und sehr windig. Hinter mir schloss ich das Gartentor und ging den Bürgersteig entlang in Richtung Ellas Haus. Sie wusste nicht, dass ich komme würde, aber das fand sie nicht so schlimm. Die Straße wurde von großen Eichen gesäumt, die sich im Wind wiegten. Der Wind pfiff durch die blätterlosen Äste. In der Elfenwelt fand ich es viel schöner. Da war es wenigstens warm und die Blätter hingen noch auf den Bäumen. Plötzlich bekam ich das komische Gefühl, dass mich jemand verfolgte. Ich blickte nach hinten, aber da war keiner. Bildete ich mir da etwa wieder was ein? Nein das kann ja nicht. Viele Menschen bemerken es, wenn jemand sie verfolgt und bei diesem Gefühl hatte ich mich noch nie getäuscht. Schnell ging ich weiter. Nach ein paar Metern blickte ich immer wieder zurück, aber die Straße war leer. Nicht einmal ein Auto fuhr, was schon ganz komisch war, denn normalerweise ist diese Straße immer voll befahren. Immerhin ist es eine Hauptstraße. Ich war froh, als ich endlich vor Ellas Haus stand. Sie öffnete mir nach ein paar Sekunden die Tür. Zuerst guckte sie mich ein bisschen verdutzt an, dann aber trat ein Lächeln auf ihr Gesicht.
>Hey! Ich habe dich gar nicht erwartet! Komm schnell rein, es ist ziemlich kalt!<
>Ja, ich brauche ein bisschen Ablenkung!< Schnell trat ich ein und schloss die Tür hinter mir. Ella nahm mir meinen Mantel ab und ich schlüpfte aus den Schuhe. Zusammen gingen wir in die Küche und machten uns Kakao.
>Was ist denn los?<
>Ich hatte so einen komischen Traum! Er hat sich so real angefühlt, aber es war nicht so! Meine Gedanken drehen sich seit dem nur noch um…..<
>Will!<, vollendete sie meinen Satz. >Das muss ziemlich schwer für dich sein, ihn zu vergessen!<, fuhr sie fort.
>Ja sehr! Ich will es so sehr, aber meine Träume handeln nur von ihm!<
>Das hat bestimmt was zu bedeuten! Was genau hast du denn geträumt?<
>Will lag neben mir im Bett! Ich habe ihn dann gefragt, ob das echt ist, aber er meinte, dass es ein Traum ist!<
>Und du sagst, das hat sich so echt angefühlt?<
>Ja ich habe richtig gespürt, dass er mich berührt hat! Meine Phantasie ist wohl richtig groß!<
>Entweder das oder er kann auch nicht ohne dich und sorgt dann dafür, dass er in deinen Träumen erscheint und das sich alles so echt anfühlt! Ich meine er kann doch zaubern!<
>Nein, das glaube ich nicht! Können wir jetzt bitte das Thema wechseln?<
>Okey!<
>Ach ich soll dich fragen, ob du heute Abend mit Essen gehen möchtest?<
>Mit dir und deinem Vater?< Ich nickte.
>Ja gut, dann sag ich meiner Mutter später Bescheid!< Wir nahmen uns unsere Tasse Kakao und ging in Ellas Zimmer. Dort schaltete sie ihren CD-Player an. Ella stand nicht so auf die neuere Musik. Sie hörte lieber Lieder von früher. Teilweise waren sie auch wirklich schön. Im Moment lief „High“ von der Lighthouse family. Das war Ellas Lieblingslied. Wenn sie schlecht gelaunt war, was selten vorkam, summte sie immer diese Lied vor sich hin. Sie sagte immer, dass es eine beruhigende Wirkung auf sie hat. Dann sank sie neben mir aufs Bett. Still tranken wir unseren Kakao.
>Hast du eigentlich Hunger?<, fragte Ella nach ein paar Minuten der Stille.
>Nein, ich habe eben erst gefrühstückt, aber wenn du was Essen willst, können wir das gerne machen!<
>Nene, ich habe auch schon was gegessen!< Ella war immer so freundlich. Sie sorgte sich total um das Wohl anderer. Mit ihren Eltern stritt sie nie und auch so habe ich sie noch nie meckern gehört. Ihre Selbstbeherrschung ist wirklich bewundernswert. Wenn mich jemand nervt, dann kann ich nicht ruhig bleiben. Ich frage mich, wer das überhaupt kann, außer Ella?
>Du machst dir echt immer zu viele Sorgen um deine Gäste! Ich glaube, sie würden sich melden, wenn ihnen irgendetwas fehlt. Vor allem ich!< Fast zeitgleich fingen wir an zu kichern. Endlich wurde die Stimmung ein bisschen lockerer. Nun fingen wir auch an über sämtliche Sachen zu reden. Die Zeit verging ziemlich schnell und eh man sich versah, war es schon Zeit zu uns zu gehen. Ella rief noch schnell ihre Mutter auf der Arbeit an. Währenddessen schlüpfte ich in meine Stiefel und in meinen Mantel, den ich wieder fest zusammen zog. Es dauerte nicht lange, da war Ella auch schon fertig. Wir verließen das Haus und schlürften zu unserem Haus. Es war kühler geworden und kleine Schneeflocken fielen vom Himmel. Schon lange war kein Schnee mehr gefallen. Ella freute sich sofort darüber. Es kam mir so vor, als hätte sie noch nie in ihrem ganzen Leben Schnee gesehen, aber ich sagte nichts dazu.
Von weitem sah man schon das Licht im Flur brennen. Mein Vater machte sich wahrscheinlich gerade fertig, denn sonst war das Licht nie an, wenn ich nicht zu Hause bin. Ich vergrößerte meine Schritte. Langsam bekam ich nämlich wirklich Hunger und das dauert nach Bestellung ja noch, eh das Essen fertig ist. Ich wollte gerade die Haustüre aufschließen, als mein Vater sie öffnete.
>Da seid ihr ja. Dann können wir ja direkt los!< Ich drehte mich um und ging zum Auto. Ich setzte mich mit Ella nach hinten. Mein Vater fuhr sehr vorsichtig. Meiner Meinung nach ein bisschen zu vorsichtig. Er hatte einen Tisch in seinem Lieblingsrestaurant bestellt. Die Kellnerin kannte ihn schon. Sie begrüßte uns und führte uns zu dem Tisch. Höflich bedankten wir uns. Ich schnappte mir eine Karte und warf einen schnellen Blick rein. Dann hatte ich mich schon entschieden. Mein Vater nahm immer das selbe, also brauchte er die Karte gar nicht. Nur Ella musste ein bisschen länger gucken, aber als die Kellnerin wiederkam, war sie fertig. Zuerst bestellten wir die Getränke und dann direkt das Essen. Meinen Vater fragte man eigentlich schon gar nicht mehr. Man hatte ihm oft was anderes empfohlen, aber er blieb bei seinem Stammessen. Nach einer halben Stunde kam dann schon unser Essen. Es roch köstlich. Sofort fing ich an zu essen. Ich schlang es richtig runter. Nach zehn Minuten war mein Teller leer und ich spülte mit einem Glas Ginger Ale nach. Mein Vater guckte mich erstaunt an, genauso wie Ella. Sie hatten nicht mal die Hälfte gegessen. Während sie weiteraßen, rutschte ich nervös auf meinem Stuhl rum. Ich hasste es zu warten. Darin war ich noch nie gut. Zwanzig Minuten später waren wir dann fertig und mein Vater bezahlte die Rechnung. Ella und Ich waren schon mal zum Auto gegangen. Der Parkplatz war dunkel und von Büschen umgeben. Plötzlich hörten wir ein Knacken und drehten uns erschrocken und ängstlich um. Niemand war zusehen.
>Was war das?<
>Ich habe keine Ahnung, aber so was höre ich schon den ganzen Tag! Ich glaube ich werde verfolgt!< Ellas Augen weiteten sich.
>Hoffentlich kommt dein Vater bald. Ich will hier nicht entführt werden!< In dem Moment kam mein Vater auch schon um die Ecke. Ella riss sofort die Tür auf und kletterte rein. Ich blickte noch mal zum Gebüsch. Mein Vater hatte schon das Auto gestartet, als ich endlich einstieg.
>War irgendwas?<, fragte er misstrauisch, während er langsam sein Auto ausparkte.
>Nein nein, alles in Ordnung!<, log ich. Nichts war in Ordnung. Langsam bekam ich sogar richtig Angst. Es kann nicht sein, dass ich mir das nur einbildete. Irgendjemand musste mich einfach verfolgen anders konnte ich mir dieses Gefühl nicht erklären. Ich habe mich in meinem Gefühl noch nie getäuscht. Vielleicht war das irgendjemand, den Will oder sein Vater mir auf den Hals gehetzt hat und der mich jetzt umbringen möchte oder so. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und plötzlich klopfte auch noch jemand gegen die Fensterscheibe. Erschrocken fuhr ich zusammen und drehte meinen Kopf langsam zur Seite. Ich ließ mein Leben noch mal durch meinen Kopf schießen. Mit dem schlimmsten rechnete ich, aber dann blickte ich nur in Ellas Gesicht. Ich war so in Gedanken, dass ich gar nicht bemerkt hatte, dass wir vor Ellas Haus standen. Sie winkte mir zu und drehte sich dann um. Sie trat die kleine Treppe hoch und schloss die Tür auf. Als sie drin war, fuhr mein Vater weiter. Er hatte ein großes Verantwortungsbewusstsein. Zu Hause angekommen, sagte ich meinem Vater „Gute Nacht“ und ging, eher gesagt, eilte ich in mein Zimmer. Ich schmiss mich aufs Bett und versuchte runterzukommen. Wahrscheinlich bildete ich mir alles nur ein. Warum sollte mich jemand umbringen wollen? Ich schüttelte meinen Kopf, um die Gedanken zu vertreiben.
Ein lauter Knall schallte durch mein Zimmer, als das Fenster gegen das Regal knallte. Abrupt sprang ich auf und erhaschte einen Blick auf eine schwarz gekleidete Person. An der Hose nach zu urteilen war es ein Typ. Die schwarze Hose umschlang die Waden, aber je weiter es nach oben ging, desto lockerer wurde es. Er trug ein Kapuzenshirt. Die Kapuze natürlich bis ins Gesicht gezogen. Ich war wie versteinert. So große Angst hatte ich noch nie. Kurz bevor ich mich einigermaßen gefangen hatte, stand er schon vor mir. Er war sehr groß, fast zwei Köpfe größer, als ich, dennoch konnte ich nicht unter die Kapuze spähen. Ich fasste allen Mut zusammen und fing an zu schreien, aber eh ich einen Laut raus bringen konnte, den mein Vater gehört hätte, hielt er mir mit seiner großen Hand den Mund zu. Mit der anderen Hand hielt er mich fest und lauschte. Ich versuchte mich zu befreien, aber er hatte einfach mehr Kraft, als ich. Nach ein paar Minuten, als er sich sicher war, dass niemand kam, flüsterte er mir was zu.
>Ich lasse dich jetzt los! Bitte schrei nicht, ich habe eine Nachricht für dich!< Seine Stimme war rau. Er zögerte noch ein paar Sekunden, ließ mich dann aber los. Ich entfernte mich zwei Schritte von ihm und blickte ihn ernst an.
>Bist du mir heute den ganzen Tag gefolgt?< Meine Stimme zitterte leicht. Er hatte mir einen ziemlich großen Schrecken eingejagt.
>Ja, ich wollt dich in einem ruhigen Moment treffen, aber es war immer jemand bei dir oder zu viele Leute waren um dich rum!<
>Wo ich zu Ella gegangen bin, war ich alleine! Du hast mir wirklich einen großen Schrecken eingejagt!<
>Das war noch nicht der richtige Moment! Sorry, das wollte ich wirklich nicht, aber ich habe hier einen Zettel für dich!<
>Von wem?<
>Von einer alten Dame!< Er drückte mir den kleinen Zettel in die Hand. Vorsichtig faltete ich ihn auf und las ihn mir durch. Dort stand drauf, dass ich als nächstes in die Feenwelt gehen würde. Ich hob meinen Blick wieder und wollte mich bedanken, aber der Typ war schon weg. Ich blickte mich im Zimmer um, vielleicht hatte er ja was interessantes entdeckt, aber er war nicht zu sehen. Ich eilte zum Fenster und lehnte mich über die Fensterbank. Es war zu dunkel um irgendwas zu erkennen, also schloss ich schnell das Fenster. Wer war diese alte Frau, die mir den Tipp gegeben hat? Vielleicht eine Freundin von Mama? Ich musste das auf jeden Fall raus finden, aber jetzt müsste ich mich auf meine nächste Reise vorbereiten. Ich wusste zwar nicht, wann es soweit war, aber es könnte jeden Moment sein. Ich wühlte meine Schubladen durch und fand das Buch von meiner Mutter. Eigentlich hatte ich das schon so oft durchgelesen, dass ich es auswendig kannte und eigentlich bin ich mir sicher, dass sie keine Leute genauer beschrieben hat, aber vielleicht habe ich irgendwas überlesen, eine Seite überschlagen oder sonst irgendwas. Jede Seite las ich mit großer Sorgfalt und fühlte, ob eine vielleicht dicker war, als die anderen. Es hätten ja aus irgendeinem Grund Seiten zusammen kleben können. Aber ich fand nichts. Kurz bevor ich dann einschlief, warf ich einen Blick auf meinen Wecker. Er zeigte kurz nach zwei an. Zwar war ich müde, aber ich konnte noch nicht schlafen. Zu sehr war ich von der Sache besessen, rauszufinden, wer die Frau ist.

Das Buch lag auf meinem Bauch, als ich gegen elf Uhr aufwachte. Ich musste wohl schneller eingeschlafen sein, als gedacht. Ich legte das Buch auf mein Nachtisch und rollte mich vom Bett runter. Langsam schlenderte ich ins Bad und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Mit meinem rosa Handtuch wischte ich es trocken. Als ich wieder in den Spiegel blickte, hatte sich ein Tor geöffnet. Ich trat einen Schritt zurück und konnte noch im Spiegel beobachten, wie ich in dem Kristallnetz verschwand. Diesmal war meine Ankunft ein bisschen schmerzhafter. Ich landete nämlich auf meinem Hintern. Mit schmerzverzerrtem Gesicht stand ich auf und rieb mir meinen Po. Mist! Jetzt hatte ich schon wieder meinen Rucksack vergessen und das, was ich jetzt trug, war echt peinlich. Ich zog mein T-shirt ein bisschen weiter runter und blickte mich um. Nirgendwo war eine Stadt oder sonst was zu sehen, aber weiter weg erkannte ich einen schmalen Pfad auf dem viele Personen gingen, besser gesagt Feen schwebten. Ich ging los, aber der Weg war weiter weg als gedacht, also verwandelte ich mich in einen Schmetterling. Um mich herum flogen viele. Mit vielen Flügelschlägen kam ich am Weg an, aber ich konnte mich ja schlecht vor allen Leuten zurückverwandeln. Ich flog in die selbe Richtung, wie sie gingen, weiter. Es dauerte sehr lange bis ich in die Stadt kam. Als ich da war, flog ich hinter einen Baum und verwandelte mich zurück. Leider konnte ich mir noch immer nicht meine Klamotten verändern. Vorsichtig und darauf bedacht, dass mich keiner in diesem Outfit sieht schlich ich hinter dem Baum hervor. Ich ging ein Stückchen weiter und blickte mich wieder um. Alle Leute waren nun verschwunden. Ein bisschen ängstlich ging ich weiter. Woher sollte ich wissen, wo ich jetzt hin musste? Immerhin gab es ja gute und böse Feen und ich wollte nicht unbedingt jemanden in die Arme laufen, der mich dann fest nimmt. Ich blickte auf die kleinen, bunten Häuschen. Sie schwebten ein bisschen in der Luft auf riesengroßen Blättern. Es war schöner als in jedem Märchen. Aus einigen Fenstern leuchtete schwaches Licht. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht merkte, dass sich jemand angeschlichen hatte. Diese freche Fee piekte mir mit ihren Zeigefingern in die Seite. Erschrocken drehte ich mich um und guckt sie wütend an. Wenn es was gab, was ich wirklich hasste, war es, wenn man mir in die Seite piekt.
>Guck nicht so böse!<, sagte sie.
>Ich gucke so, wie es mir gefällt!<, ich war richtig pampig.
>Hey, sei nicht so pampig. Ohne mich bist du hier aufgeschmissen!< Die Fee drehte sich leicht zur Seite, verschränkte die Arme und schmollte.
>Es tut mir Leid, aber ich hasse es, wenn mir jemand in die Seite piekst!< Sofort drehte sich die Elfe wieder zu mir und grinste.
>Kann ich ja nicht wissen!<, sagte sie. >Und jetzt komm mit, bevor uns jemand sieht!< Sie ergriff meinen Arm und zog mich mit ihr. Als ich so neben ihr herging begutachtete ich sie genau. Ihre Haut hatte die gleiche Farbe, wie Menschen. Ihre Augen leuchteten hellgrün. Von der Seite sahen sie aus, wie kleine Glitzersteine. Im Gesicht sah man keine Lachfältchen oder ähnliches. Das Gesicht war, wie aus Stein gemeißelt. Ihre Flügel waren klein und in der kleinen Tasche an ihrer linken Hüfte hing ein Zauberstab. Die Elfe sah einfach perfekt aus und ich wurde ein bisschen eifersüchtig. Könnte ich doch so perfekt aussehen!
>Wie heißt du eigentlich?<, fragte ich nach ein paar Minuten voller Stille. Ich mochte es gar nicht, wenn es so still war. Dann bekam ich immer ein komisches Gefühl im Magen.
>Keylo! Wir sind jetzt da Katherine!< Keylo blieb abrupt stehen. >Wie bekommen wir dich jetzt da hoch?<, flüsterte sie vor sich hin.
>Ich kann mich auch verwandeln und hoch fliegen!<, schlug ich vor.
>Gut, wir sehen uns dann oben!< Ich verwandelte mich schnell und flog in Vogelform nach oben. Keylo war schon oben und hatte die Tür aufgemacht. Sie lotste mich rein und dort verwandelte ich mich zurück.
Ich war überwältigt von der Aura, die das kleine Haus ausstrahlte. Alle Möbel waren aus Blättern und Stöcken gebaut. Es war echt der Hammer, dass so was halten kann. Mit offenem Mund blickte ich mich um. Plötzlich vernahm ich eine weitere Stimme, die weiter entfernt war.
>Keylo, bist du endlich zurück?< Die Stimme war schrill und schmerzte leicht in den Ohren. Aus der Küche kann ein weitere Fee geschwebt. Als sie mich erblickte, versuchte sie ein Lächeln zustande zu bringen, aber es sah eher aus, wie eine Grimasse. Ich merkte sofort, dass ich unerwünscht war. Die Blicke von der zweiten Elfe durchbohrten mich und ich wünschte, ich wäre am liebsten überall nur nicht hier.
>Mama! Ich bin sofort wieder weg!<, antwortete Keylo schnippisch.
>So redest du nicht mit mir! Ich bin deine Mutter! Und du gehst nicht mit der kleinen Hexe! Du weißt, dass ich davon nichts halte!< Die Mutter wurde laut. Keylo drehte sich einfach um und schwebte in einen anderen Raum. Nun war ich alleine mit ihrer Mutter. Diese musterte mich von oben bis unten mit abwertenden Blicken. Mir wurde immer mulmiger und wollte am liebsten wegrennen, aber ich wusste ja nicht wo ich hin musste. Nach gefühlten 2 Stunden kam Keylo endlich wieder mit einem Rucksack in der Hand. Meine Erleichterung merkte man bestimmt sofort. Mein Körper, der vor kurzem noch angespannt war, entspannte sich und ich holte tief Luft. Keylo kam auf mich zu und packte meinen Arm, dann zog sie mich zur Tür.
>Keylo, du bleibst hier! Wenn du jetzt gehst, brauchst du gar nicht mehr wiederzukommen!<, meckerte ihre Mutter. Keylo nickte nur, öffnete die Tür und zog mich raus.
>Bleib lieber hier! Erklär mir einfach den Weg und dann geh wieder zurück! Ich schaffe das auch alleine!<, sagte ich zu Keylo.
>Ach quatsch! Meine Mutter kriegt sich schon wieder ein! Außerdem habe ich es deiner Mutter versprochen!< An der Aussagekraft dieser Worte merkte man, dass es endgültig war und niemand sie hindern könnte. Mit einer Leichtigkeit sprang sie vom Blatt runter und landete weich auf ihren Füßen. Ich trat ganz an den Rand und blickte runter. Es sah von oben irgendwie höher aus.
>Komm, spring schon Kate!<, drängelte Keylo. Ich schloss die Augen und nahm allen Mut zusammen. Dann sprang ich runter und landete zum Glück auch auf meinen Füßen. Zwar hörte es sich nicht so elegant an, aber wenigstens stand ich. Keylo war schon losgeschritten. Wir redeten erstmal nicht, sondern gingen einfach nur den Feldweg entlang. Plötzlich blieb Keylo stehen und drehte sich zu mir. Sie zog ihren Rucksack runter und kramte darin rum.
>Hier, zieh dir mal was ordentliches an!<, scherzte sie. Sie reichte mir eine enge Stoffhose und ein Oberteil mit kurzen Ärmeln. Zuerst schlüpfte ich in die Hose. Danach blickte ich mich um und hielt nach einem Baum ausschau. Aber nichts war zu sehen. Weit und breit waren nur Felder zu sehen.
>Du kannst dir dein Oberteil hier wechseln! Es gibt hier keine Jungs! Nur weibliche Feen!<, erzählte Keylo.
Zuerst zögerte ich noch ein bisschen, aber dann zog ich mein Schlafshirt aus und schlüpfte in das neue Oberteil, welches zwei Löcher am Rücken hatte, wo eigentlich die Flügel durch sollten. Das alte gab ich Keylo, die es einfach in den Rucksack stopfte. Dann ging sie mit schnellen Schritten weiter.
>Wie meinst du das denn, dass es hier keine Männer gibt?<, fragte ich nach.
>Hier gab es noch nie Männer! Wir sind eine reine Frauengemeinschaft!<
>Aber wie könnte ihr dann Nachfolger bekommen?<
>Das passiert ähnlich wie bei den Pflanzen! Es fliegen so kleine Tierchen durch die Luft. In der Nacht legen die sich dann auf deinen Bauch und transpirieren durch die Haut hindurch. Am nächsten Tag sieht man schon eine kleine Rundung am Bauch. Fünf Wochen später kommt dann eine kleine Elfe zu Welt und schon 5 Monate später ist diese erwachsen!<
>Wenn das alles so schnell geht, wann sterbt ihr denn dann?<
>Wir leben dann noch circa 20 Jahre! Irgendwann kippen wir einfach um und zerfallen zu staub!<
>Wie alt bist du denn jetzt?<
>19!<
Das war irgendwie alles ganz komisch. Es war, wie in einem Fantasybuch. Diese Lebensweisen der verschiedenen Wesen sind echt interessant. Am liebsten hätte ich noch weitergefragt, aber vor uns erschien eine kleine Hütte aus Holz.
>Wir sind da!<, sagte Keylo knapp. Ich nickte nur.
>Kommst du ab jetzt alleine klar?<, fragte sie kurz. Sie hatte plötzlich etwas kaltes in ihrer Stimme. Ob sie Angst vor etwas hatte? Ich nickte erneut mit dem Kopf. Kurze Zeit später stand ich alleine vor der Hütte. Keylo war verschwunden. Ich trat zur Tür der Hütte und stieß sie mit einem leichten Stoß auf. Die Tür quietschte und dieses Quietschen zerriss die Stille. Langsam fing ich an zu zittern. Mit kleinen Schritten ging ich weiter. Ich wusste immerhin nicht was mich erwartete. Die Holzlatten knackten bei jedem Schritt unter meinen Füßen. Ich versuchte irgendetwas zu erkennen, aber es war einfach zu dunkel. Ich hob meinen Finger nach oben und zauberte eine kleine Flamme auf die Spitze. Es war zwar nicht die beste Möglichkeit, aber wenigstens sah ich ein bisschen mehr. Ich musste einen langen Flur entlang gehen ehe ich in einen etwas größeren Raum kam. Dort stand einsam und alleine ein Tisch mit der Scherbe drauf. Mit schnellen Schritten ging ich auf diesen zu und schnappte mir die Scherbe. Ich wunderte mich darüber, dass niemand hier war und mir auch keine Falle gestellt worden war. Bevor ich aber weiter darüber nachdachte verließ ich das Haus. Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause, aber ich war zu müde, um mich zurückzuzaubern. Also suchte ich mir ein schönes, geheimes Plätzchen in einem Blumenfeld und legte mich hin. Innerhalb ein paar Minuten war ich eingeschlafen. Ich träumte wieder von Will. Es gab keine Nacht mehr, wo ich nicht mehr von ihm träumte. Jede Nacht ein Traum, wo einfach alles perfekt war. Wo will und Ich eine echte Chance haben und keiner zwischen uns steht. Und jede Nacht wache ich auf und habe das Gefühl, dass Will wirklich neben mir liegt. Für ein paar Stunden kuscheln wir und reden wir, aber es ist alles nur ein Traum, denn sobald ich aufwache ist niemand bei mir. Es gibt nicht mal irgendwelche Anzeichen, dass jemand da war. Keine platt gelegenen Blumen oder sonst was. Alles war so, wie es schon war bevor ich eingeschlafen bin. Jeden morgen wachte ich von neuem traurig auf und wollte einfach ein normales Mädchen sein. Ich wollte einfach nur zu Will. Bevor ich aufstand, kontrollierte ich, ob die Scherbe noch da war. Als ich mir ganz sicher war stand ich auf und schaute ob ich irgendwo was zu essen erblickte. Mein Magen knurrte schon. Ein bisschen weiter unten, erblickte ich ein Erdbeerfeld. Ich marschierte hin und pflückte mir ein paar Erdbeeren. Sie schmeckten köstlich. Voller neuer Energie wendete ich den Zauberspruch an, der das Tor öffnete. Sofort erschien das Glitzernetz. Mit einem großen Schritt trat ich hinein. Ich war voller Vorfreude auf mein schönes, gemütliches Bett.


4.
Irgendwie war diese Reise nach Hause anders, als die letzte. Erstens dauerte diese Reise viel länger und zweitens fühlte sich mein Körper bei dieser Reise komisch an. Fast so als gehörte er nicht mehr zu mir. Irgendwas an meinen Beinen veränderte sich. Ich konnte sie nicht mehr bewegen. Ich bekam sie keinen Zentimeter mehr auseinander. Langsam ergriff mich die Panik. Was passierte mit mir? Hatte der Zauberer etwa etwas damit zu tun? Mit aller Kraft versuchte ich meine Beine auseinander zu reißen, aber es klappte einfach nicht. Ich rechnete mit dem schlimmsten. Ich rechnete damit, dass ich nun sterben würde. Ich machte mir Sorgen darüber, was die Leute mich für eine Verliererin halten würden, wenn ich nicht mal im Stande bin diese Aufgabe zu lösen. Was würde mein Vater über mich denken? Er wusste nicht mal wo ich war!
Mitten in meinen ganzen Gedanken löste sich das Kristallnetz um mich herum auf und ich fiel runter. Alles war so komisch. Der Fall dauerte ziemlich lange. Irgendwann merkte ich, wie mein Körper nass wurde. Der Aufprall tat höllisch weh. Ich war in ein großes Meer gefallen. Ich schloss darauf, dass das wahrscheinlich die dritte Welt war. Anders konnte ich mir das alles nicht erklären können. Nachdem der Schmerz ein bisschen nachgelassen hatte, blickte ich an mir runter. Dort sah ich was das komische Gefühl ausgelöst hatte. Ich hatte Flossen bekommen, wie eine Meerjungfrau. Ob ich wohl auch so atmen kann ohne an die Oberfläche zu müssen?, fragte ich mich. Bis gerade eben hatte ich den Atem noch angehalten, dann atmete ich einfach aus und dann wieder ein. Alles klappte super. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich jeden Moment ertrinken würde, weil mir die Luft fehlt. Ich blickte nach oben zur Wasseroberfläche. Durch den Sturz war ich ziemlich weit nach unten gestoßen wurden, aber ich schwamm trotzdem nach oben um mir einen Überblick zu verschaffen. Weit und breit war nichts zu sehen. Ich überlegte kurz, tauchte dann aber wieder unter und schwamm ein bisschen durch die Gegend. Wie sollte ich nur hier irgendetwas finden in diesem großen Ozean? Und warum war ich überhaupt sofort hier gelandet? Ich änderte ziemlich häufig meine Richtung jedoch traf ich nie auf einen Anhaltspunkt, dass irgendwo ein Schloss oder sonst was war. Irgendwann blieb ich einfach auf der Stelle stehen. Das hatte so doch keinen Sinn. Was sollte der Scheiß hier? So würde ich die Scherbe nie finden. Ich ließ mich bis auf den Grund sinken und setzte mich auf einen großen alten Kasten. Irgendein Schiff musste ihn wohl verloren haben. Warum war hier denn keiner, der mir hilft? Meine Mutter hatte doch gesagt in jeder Welt hat sie Freunde. Warum denn hier nicht? Oder hat der Zauberer alle umgebracht oder eingesperrt? Ich hatte auch nach Stunden immer noch keine Idee, wie es weitergehen sollte. Mein Kopf hatte ich in meine Hände gelegt, als ich das Gefühl hatte, dass mich jemand angestupst hätte. Ich drehte mich schnell um, aber da war keiner. Als ich mich wieder nach vorne drehte, waren Pfeile auf dem Boden. Vor mir stand etwas im Sand geschrieben. „Folge den Pfeilen, dann kommst du schnell zu deiner Scherbe, aber beeile dich bevor der Zauberer zurückkommt!“ Unter der Nachricht stand jedoch kein Namen oder ähnliches. Wer hatte mir denn die Nachricht hinterlassen und warum führte er mich nicht selber dahin? Zwischen meinen ganzen Überlegungen schwamm ich jedoch schon los. Ich achtete genau auf die Pfeile und nach einigen Minuten war ich vor einer Höhle angekommen. Hier endeten die Pfeile. Ich hatte aber das Gefühl gehabt, dass ich jemanden in die Höhle hätte rein schwimmen gesehen, aber warum wartete er nicht auf mich, wenn er mir sowieso den Weg zeigt? War es vielleicht Will, der ir half? Vielleicht war das auch alles nur eine Falle, aber wenn ich nichts riskierte, würde ich meine Reise nie beenden und eine vollwertige Zauberin werden. Warum bildete ich mir eigentlich immer wieder ein Will möchte mir helfe. Er steht auf der Seite seines Vaters. Wahrscheinlich habe ich ihm nie was bedeutet.
Ich schwamm mit viel Angst und großem Misstrauen in die Höhle. Der Gang war nicht beleuchtet, aber ich konnte am Ende schon einen größeren Raum sehen, der leuchtete. Ich schwamm langsam in diesen Raum hinein und begutachtete jede einzelne Ecke. Vielleicht hatte sich ja jemand versteckt, aber ich erblickte nichts und niemanden. Mitten im Raum drin stand das Podest mit der Scherbe drauf. Jeweils an der rechten und linken Seite war eine Tür. Wenn wirklich noch jemand hier gewesen wäre, hätte er keine Chance gehabt zu fliehen. Jedoch konnte ich jetzt nicht so viel riskieren. Ich schwamm schnell auf die Scherbe zu und schnappte sie mir, als plötzlich jemand an die rechte Tür klopfte und rief, dass ich ihnen helfen sollte. Ich wusste nicht was ich jetzt machen sollte. Vielleicht waren das ja die Einwohner, die mir helfen sollten, aber es konnte genauso gut eine Falle sein. Nach längere Überlegung und ein paar weiter Bitten entschied ich mich, das Tor zu öffnen und dann schnell die Tür zu öffnen. Dann Bestand die Möglichkeit zur Flucht falls das eine Falle war. Ich zauberte kurz das Glitzernetz her und öffnete langsam die Tür. Dann schwamm ich ein Stück zurück. So wie es aussah war es keine Falle, denn die Insassen der Zelle hinter der Tür kamen freudig auf mich zugestürzt. >Danke, dass du uns befreit hast! Wir sitzen schon seit Tagen hier fest!<, sagte eine von ihnen. Eine andere umarmte mich herzlich. Ich dachte noch einen Moment nach und entschloss mich, während der ganzen Danksagungen, auch die andere Tür zu öffnen. Ich wollte auf jeden Fall erfahren wer da vor mir geschwommen war. Doch hinter der Tür war nichts, lediglich ein leerer Raum ohne Fluchtmöglichkeiten. Wie war er oder sie hier rausgekommen? Oder hatte ich einfach nur eine Halluzination? Drehte ich etwa durch? Plötzlich kam der Zauberer in die Höhle. >Was machst du hier?<, schrie er mit donnernder Stimme. Ich antwortete nichts, sonder näherte mich dem Tor. >Du dürftest noch gar nicht hier sein!<, brüllte er weiter. Ich sagte immer noch nichts, jedoch bewegte ich mich langsam auf das Netz zu. Nun stand ich aber direkt vor dem Netz, sodass ich jederzeit fliehen konnte. >Wer hat dir geholfen?<, war seine dritte Frage. Ich fühlte kurz nach der Scherbe und ertastete sie. >Niemand!<, sagte ich kurz und verschwand dann im Glitzernetz. Das letzte was ich hörte, war der laute Schrei. Dieses mal landete ich zum Glück direkt zu Hause auf meinem Bett. Ich war wirklich ausgehungert und müde. Ich zog mir schnell ein paar ordentliche Klamotten an und ging in die Küche. Mein Vater bügelte gerade ein paar Hemden. Ich schmierte mir ein Brot und schnappte mir noch einen Apfel. Danach ging ich wieder in mein Zimmer, schlang das Brot und den Apfel runter und spülte mit einem Schluck Wasser aus der Flasche, die neben meinem Bett stand, nach. Sofort danach kroch ich unter meine Decke und schlief schnell wieder ein.


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Tag der Veröffentlichung: 04.08.2011

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