Der Henker bin immer noch ich
Heute sehe ich zum ersten Mal, seit langem durch mein Fenster. Ich habe es geputzt, extra für diesen Tag. Sehr ordentlich, schön den kleinen Couchtisch gedeckt, auf dem sonst unzählige Dinge lagen. Meine Wände knarren zufrieden. Warum glaubt mir niemand, dass ich euch verstehen kann.
Das Haus ist mein Eigentum. Die Wände machten die Zimmer von Jahr zu Jahr kleiner, denn mein Liebster war Raucher. Nein, ich strich nicht gerne.
Irgendwann waren meine Taten doch nicht genug. So oft ich mich an dich schmiegte, so kulinarisch ich doch kochen konnte. Er liebte mich plötzlich nicht mehr.
Nur mein Haus liebt mich.
Es ist das schönste in meinem Ort. Mein Haus mit meinem verwuchertem Garten. Träumt nicht jeder von einem Haus mitten in der Stahlprärie. In einer Gegend, wo die Leute aus Glas, Stahlseilen und Profitdenken bestehen. Oh mein Liebster. Du wurdest bekehrt.
Mein Eigentum, zwischen Company and Company. Sicher, alles Anglizismen. So sprechen die Geschäftsmänner von heute.
Ich kaufe Blumen. Bioblumen vom Bauernhof. Einen Frischen Strauß Löwenzahn für 2 Euro.
Heute schmücke ich dich mein Haus. Du bist so voll von Dingen die ich liebe.
Nun stelle ich euch in eine Vase mit handbemalten Ornamenten darauf.
Meine Stadt ist ein Alptraum, seht, mein Haus ist eure Rettung.
Schreite in den Bombenkeller wo einst Oma und Opa sich versteckten. Hole mein bestes Geschirr, aus alter Zeit. Halte einen Teller mit wunderschönen Rosen Verzierungen an meine Brust.
Hier bist du sicher.
Ich esse mein Leibgericht. Ich nenne es die Henkersmahlzeit. Aber nur Heute, nur Heute.
Du mein Herz bist so schwer, meine Kehle trocken. Ich weine nicht, ich esse nur und schweige.
Nachmittag ist es soweit. So vermisse ich auch die gaffenden Nachbarn von früher. Doch keiner Schaut, keiner reißt das Maul auf. Keiner flüstert.
Es klopft.
Soll ich aufmachen? Weiß, dass der Henker da ist.
Was soll man machen in einer Stadt wie dieser. Die Schatulle der Pandora ist weit offen. Doch die Hoffnung wird jetzt verschlungen.
Ein Geschäftsmann, sicherlich. Fühle mich doch wie die kleine Momo. Was sie wohl in so einer Stunde
gedacht hat…
Ich öffne nicht. Ich hasse sie. Sie und ihr Tabellen lesendes Pack!
„Was wollt ihr hier hinbauen, wenn ihr mein schönes Haus abgerissen habt???“, schreie ich.
„Einen Supermarkt? Eine Bank?? Oder gar ein Hotel???“
Die Tür wird aufgetreten und man entfernt mich zwanghaft von meinem Grundstück.
Es ist wie ein Fabelwesen. Noch einmal schaute ich mir diesen Kontrast an.
Mein kleines konservatives Haus, mit all den Erinnerungen.
„Geh in dein Märchenland.“
Man zieht mir eine Jacke an. Natürlich! Natürlich wehr ich mich.
Mein kleines Haus.
Und man schwingt die riesige Kugel ihm entgegen. Sie zerspringt in tausend Teile.
Splitter landen in der „Nachtbarschaft“. Das Haus bleibt unberührt. So irrt ihr euch, ihr Makler, meine Wände sind nicht alt, sie knarren nur, um mir zuzustimmen. Also bin ich keine Irre, wie ihr immer dachtet.
In diesem Haus sind Geister. In euren, Monotonie und statische Luftzüge, die nur von links nach rechts Ziehen, nur weil der Wind es so will.
Schmeiße eure Kugel ins Gesicht. So wie einst der Kämpfer es mit dem Handschuh tat.
Nun streicht meine Stadt, weil ich so faszinierend schauspielere, wird jeder mir folgen und ich werde mich ausruhen. Wie Tom Sawyer.
Zerstört euren Meister, den Profit. Wie einst Krabats Liebste ihn mit Liebe tötete.
Tag der Veröffentlichung: 17.04.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Meinem späterem Traum, von dem einsamen Haus am Waldesrand, welches meine Gallerie werden soll, gewidmet.