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Buch 1 - „Die Nephilim“

 

 

 

 

 

 

 

„Und sie werden sich erheben,

sie werden Kämpfen,

bis der letzte von ihnen Siegt.“

 

Prolog

Es war eisig als Viktoria durch den dunklen Park in West-Berlin lief. In ihren dicken Mantel bahnte sie sich ihren Weg durch die Obdachlosen, die ihr Nachtlager aufgebaut hatten. Es war Herbst und man hörte immer mehr von dem Aufruhen aus den Ost-Bezirk. Die Menschen dort lehnten sich gegen das Regime auf und man begann über eine Vereinigung zwischen Ost und West zu reden. 

Viktoria begann es zu frösteln und sie lief schneller. Doch am Brunnen im Park blieb sie stehen. Ein Schatten erregte ihre Aufmerksamkeit. 
Eine Gestalt lag zusammengekrümmt am Brunnen. Ihre Hände krallten sich in den Steinabsatz des Brunnen, der gesamte Körper war verkrampft. Sie schien schmerzen zu haben. 
Doch plötzlich drehte die Sie, den Kopf, als hätte sie Viktoria gehört. Trotz des Verkrampften Körpers sprühten seine Augen vor Energie und Leben. Jedoch waren diese Augen eisig. Es jagte ein kalter Schauer über Viktorias Rücken, als sie hinein sah. Seine Augen waren blau, wie die Eisskulpturen im Winter und sie zogen Viktoria in ihren Bann. Sie konnte nicht weg schauen. Diese Augen faszinierten sie. Ihr Herz schlug unwillkürlich schneller bei seinem Anblick. Es fühlte sich an als würde es aus ihrer Brust springen. Ihr Blut kochte förmlich in ihrem Körper und jeder einzelne Nerv, jeder Muskel war zum Zerreißen angespannt. 
„Hilf mir…“, sagte eine brüchige Stimme. 
Er würgte und begann Blut zu spucken. 
Erst jetzt, als er sich krümmte, sah Viktoria die Verletzung auf seinen Rücken und das Blut das an seinem T-Shirt klebte. 
Langsam lief sie auf ihn zu und kniete sich neben ihn. Zeichen, Hebräische Zeichen, die aussahen wie ein Tattoo, zierten seinen Arm. 
„Ich… Kannst du laufen? Ich wohne gleich hier in der Nähe.“, sagte Viktoria leise und legte sich einen Arm über ihre Schulter und zog ihn langsam nach oben. 

Er war schwer, aber Viktoria wollte ihn nicht liegen lassen, sie musste ihm doch irgendwie helfen.
Mühsam schleppte sie ihm in ihre kleine Zweiraumwohnung und legte ihn dort zuerst auf das Sofa. Ihr Herz klopfte. Noch nie hatte sie einen Fremden mit nachhause genommen, auch nicht wenn er verletzt war. Doch bei ihm, bei diesem Fremden hatte sie ein eigenartiges Gefühl in ihrer Magengegend. So, als müsste sie ihn helfen und ihn retten, als würde sie Beide etwas Wichtiges verbinden.

Sie schaltete das Licht an und ging zu ihm zurück. 

Vorsichtig beugte sie sich über ihn.
Er lächelte sie an und strich eine Strähne ihres goldenen Haares nach hinten. 
„Ich hoffe du kannst mir verzeihen, das wegen mir Blut in deinem wunderschönen Gesicht ist.“, sagte er leise. 
Seine Stimme vibrierte in ihren Ohren und sie wurde rot. Seine Hände fühlten sich rau an auf ihrer zarten Haut. 
„Ich muss mich um deine Wunden kümmern!“, sagte Viktoria, sie hatte ihre Stimme nicht mehr unter Kontrolle. 
Ihre Hände zitterten als sie mit einer Schere begann das T-Shirt aufzuschneiden. Viktorias Atem stockte, ihr Herzschlag setzte aus als sie die zwei länglichen Wunden an seinen Rücken sah. Doch das war nicht das einzige Merkwürdige an ihm. Sein gesamter Oberkörper war gezeichnet von hebräischen Zeichen, die sich bis über seine Arme zogen.
Mit einem kalten Lappen wischte sie das getrocknete Blut von seinen Rücken und sah sich die Wunden genauer an. Sie zogen sich von den Schulterblättern bis hinunter zu seinen Hüftknochen. Sie waren länglich und schmal und das Blut war bereits verkrustet. Beim genaueren hinsehen erkannte sie eine rot schimmernde kleine Feder. Langsam zog sie diese aus der Verletzung heraus und legte sie auf ihre Hand. 
Seine Augen verengten sich als sie die winzige Feder auf ihre linke Handfläche legte. Ihr Herz schlug schneller und plötzlich fühlte sich die Feder heiß an, sie begann zu glühen. Das Brennen wurde stärker und ein heftiger Schmerz durchfuhr ihre Handfläche. Blutblasen bildeten sich und begannen zu platzen. Langsam und zäh lief das Blut ihre Hand hinab. Ihr unbekannter Gast setzte sich plötzlich auf. Griff nach ihrer Hand und wischte die Feder hektisch fort. Zurück blieb ein rotes Mal, dass der Feder sehr ähnelte. 
„Das tut mir leid!“, sagte er leise und küsste die Innenfläche ihrer Hand. 
Viktoria konnte nicht antworten. 
Sie brauchte einige Minuten bis sie wieder klar denken und atmen konnte. Ihr Herzschlag beruhigte sich wieder, wenn auch nur langsam.

Mit zitternder Stimme fragte Viktoria:„ Wer oder Was bist du?“ „Ich bin Luzifer, der Gefallene!“, und er begann zu erzählen.

Aufmerksam folgte Viktoria seiner Geschichte von Engeln, Boten und Dämonen. Sie konnte nicht glauben was er erzählte, doch seine Geschichte Klang so Wahr. Sie hatte das Gefühl als wäre sie mitten in seiner Geschichte und würde alles mit erleben.

Luzifer erzählte ihr dass Engel, Dämonen und Vampire seit Jahrhunderten unter ihnen wohnten, ohne dass man sie erkennen würde. Es gäbe nur eine kleine Gruppe von Menschen die besonderen Fähigkeiten besitzen und die, die Möglichkeit besitzen Dämonen und Vampire zu jagen, die sich nicht an die Regeln hielten.

„Was hat das Mal in meiner Hand zu bedeuten?“ „Es ist mein Zeichen, dass heißt dass du jetzt im Grunde zu mir gehörst!“, sagte Luzifer und blickte mit seinen kalten, blauen Augen in die ihren.

Viktoria war nur ein Mensch für ihn, aber ihr Anblick weckte Gefühle in ihm von denen er dachte dass diese nicht mehr existieren.

Ihre giftgrünen Augen funkelten, als strahlten tausende Sterne aus ihrem inneren. Ihr blondes langes Haar hatte noch immer einige Blutspritzer in ihren Strähnen, die ihr etwas Wildes, Einzigartiges gaben.

Langsam strich er mit seiner rauen Hand über ihr weiches Gesicht und zog sie zu sich. Der Kuss war leicht, vorsichtig und zart, wie der Flügel eines Schmetterlings, der sich auf Viktorias Haut setzte. Ein leises stöhnen drang aus ihrer Kehle, als er ihren Hals begann zu küssen. Sie hatte die Augen geschlossen und genoss das Gefühl seiner Hände und Lippen auf ihren Körper.  Ihre Körper bewegten sich im Einklang und langsam zog er sie auf sich.

Was Viktoria zu diesem Zeitpunkt nicht wusste war, dass Luzifers Wunden bereits vernarbt waren.

Ihr ganzes Sein und ihr ganzer Körper stellten sich auf ihn ein als sie nackt in die Decke gehüllt waren. Sein Atem spielte mit einer Strähne ihres Haares. Doch sie genoss das beisammen liegen nach ihrer Vereinigung. Vorsichtig presste sie ihren Körper an seinen, als sie einschlief.

Erst als er sicher war das Viktoria schlief, küsste er ihre Schultern und stand auf.

Er wusste was aus dieser Vereinigung hervor gehen würde und erst wenn die Zeit reif war würde er zurückkehren und das vollenden was er im Himmel begonnen hatte.

Als er in die Nacht hinaus trat spürte er die Anwesenheit seiner Geschöpfe. Er lächelte.

Hoch am Himmel stand der Vollmond und tausende Sternen leuchteten durch die Dunkelheit der Nacht. Mit einem rauen lachen verschwand Luzifer in der Finsternis der Schatten…

20 Jahre später

Es war Mitternacht als Hailey endlich ihr Versteck verlassen konnte. Sie hatte wieder eine Spur.

Sie streckte ihre eingeschlafen Glieder und stöhnte leise, als das kribbelnde Gefühl in ihre Finger zurück kam.

Stunden hatte sie zwischen Hecken, Sträucher und Bäumen verbracht, während sie ihrer Beute gefolgt war.

Die Sterne standen hoch am Himmel und der Vollmond spiegelten sich in dem still liegenden Wasser des Brunnen. Es war beängstigend ruhig. Es war zu ruhig, für die Straßen von New York. Obwohl sie mitten im Park stand konnte man sonst die Straßenbahnen hören und das hupen ungeduldiger Autofahrer hier sehr deutlich. Doch nichts davon schien heute Nacht zu hallen. Es war fast so als wurde sie abgekoppelt von den lauten Straßen New Yorks. Seit einigen Jahren war sie nun in der Branche der Jäger. Hailey war eine der wenigen die, die Gabe hatte Dämonen und Vampire zu spüren. Jedoch jagte sie nicht irgendwelche Dämonen oder Vampire. Es durften nur die gejagt werden die sich nicht mehr an die Regeln hielten. Die, die ihren Blutdurst nachgaben mussten getötet werden.

Den Vampir den Hailey momentan jagte zählte zu einen von denen. Vor zwei Tagen hatte ihn der Blutrausch erfasst. Er hat am hellen Tag eine junge Frau auf der Straße angegriffen. Mit seiner übermenschlichen Kraft schmiss er sie in die Scheibe eines Geschäftes, welche in tausend Splitter zerberste, die ihren Körper aufschlitzte. Die Schnitte begannen augenblicklich zu bluten und schon sprang der Vampire auf sie zu und drückte sie zu Boden um seine Reiszähne in ihre Kehle zu bohren.

Hailey kam in den Moment an, als der Vampir dem unschuldigen Opfer die Kehle herausriss. Sie wollte  ihn noch von der Frau herunter zerren, doch sie war zu spät.

Das Blut spritzte umher als er ihren Kehlkopf heraus biss. In diesem Moment nahm er ihre Witterung auf und begann lauthals zu knurren. Ihr Blut traf auch Hailey, ihr Gesicht war bespritzt von der roten Flüssigkeit und sie musste diesen salzig-metallischen Geruch einatmen, der sie fast dazu brachte sich zu übergeben.

Mit ihrer Handklinge, die sie auf der rechten Seite trug, versuchte sie den Vampir zu attackieren. Aber es hatte keinen Sinn. Er war so in Blutrausch, dass er Hailey ohne Probleme nach hinten stieß.

Eine der Scherben hatte sich daraufhin in ihre Hand gebohrt, dass würde der Vampir heute büßen.

Ein rascheln hinter sich ließ sie herum fahren, die Handklinge kampfbereit herausgefahren. Ihre Nackenhaare, als sie ein rot glühendes Augenpaar aufleuchten sah, stellten sich auf. Das Geräusch wiederholte sich. Hailey lächelte.

Von der Agentur her war sie eine Geheimwaffe, weil sie mehrere Fähigkeiten vereinte. Deshalb hatte sie auch keine Probleme den Vampir zu wittern und zu sehen, auch wenn sie die Augen geschlossen hatte.

Sie spürte ihr gegenüber eine Bewegung. Etwas kam direkt auf Hailey zu. Hailey sah das blaue Herz schlagen und wusste es war der Vampir.

Als der Vampir nah genug an Hailey heran gekommen war, fuhr sie herum. Die Klinge traf seine Schulter und er stürzte nach hinten.

Er schien gerade auf der Suche nach einem neuen Opfer zu sein, denn seine Fähigkeiten ließen nach, er war langsamer, unaufmerksamer. Hailey lächelte, denn sie wusste was geschah wenn er nicht bald Blut bekommen würde. Dann würde er immer schwächer werden und angreifbar.

Schwankend stand der Vampir auf und versuchte Hailey mit seinen Klauen zu attackieren, doch sie wich aus und griff in die Tasche ihrer Jacke.

Sie zog mit ihrer linken Hand ein kleines Fläschchen mit einer leuchtenden Flüssigkeit hervor. Als der Vampir dies sah, versuchte er zu fliehen, doch Hailey hielt ihn mit eisernen Griff zurück. Um ihn vollends bewegungsunfähig zu machen schnitt sie mit ihrer Handklinge die Sehnen in seiner Kniekehle durch. Der Schrei, den der Vampir herausbrachte, war ein Echo voller Schmerz und Pein.

Vampire waren zwar bekannt als Wesen die nicht so einfach zu töten waren, da sie auch im Licht existieren konnten, doch wenn ihre Kraft, die sie von dem Blut ihrer Opfer erhielten, nachließ, waren sie schwach und leichte Beute für einen Jäger.

Die Flüssigkeit in dem Fläschchen war eine Mischung aus Quecksilber, flüssigen Silber und künstlich hergestellten Sonnenlicht. Es gibt viele Mythen wie man einen Vampir töten kann, aber die Meisten sind nur Lügen aus alten Legenden. Man konnten einen Vampir nicht mit Sonnenlicht töten, dagegen waren sie Immun und auch wenn man sie zerstückelte konnte sie sich wieder zusammensetzten. Dies dauerte zwar eine gewisse Zeit, aber es brachte sie nicht um.

Diese spezielle Mischung jedoch brachte einen Vampir den sicheren Tod.

Nachdem Hailey den Verschluss des Fläschchens entfernt hatte, setzte sie sich auf ihre Knie vor den Vampir und griff unter sein Kinn. Er versuchte sich zu wehren, doch Hailey drückte ihn bereits die Öffnung zwischen die Lippen. Die Flüssigkeit lief zwischen seinen Zähnen hindurch, seine Kehle hinunter und sofort verätzte es seine Kehle.

Nachdem sie es den Vampir eingeflößt hatte, drang das Gift in sein Blut und ließ ihn langsam von innen austrocknen. Es war ein grausamer Tot, aber das Richtige für so ein blutrünstiges Monster. Nach wenigen Minuten lag der Vampir ausgetrocknet auf den Boden und Haileys Auftrag war damit erledigt. Ab jetzt kümmerte sich die Agentur um die Leiche.

 Niemand wusste was mit den Leichen geschah, aber das interessierte Hailey auch nicht. Sie lief langsam Richtung Heimat. Hailey wohnte zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Zwillingsschwester Leyla in einem Apartment.

Sie und Leyla waren nicht die typischen Zwillinge, denn sie unterscheiden sich in allem.

Leyla war die Schönheit in Person. Blonde, schulterlange Haare und eisblaue Augen. Egal wo sie sich befand, sie fiel sofort durch ihre Eleganz auf.

Hailey war das genaue Gegenteil. Sie war dürr und wesentlich kleiner als Leyla, außerdem hatte sie schwarze, lange Haare und auch ihre sportliche Art führte eher dazu das sie unscheinbar wirkte. Das einzig faszinierende an Hailey war das Erbe ihrer Mutter,ihre katzengrünen Augen.

Somit war es nicht immer leicht zwischen den beiden Zwillingen.

Gerade als Hailey die Tür aufschloss hörte sie ihre Schwester lachen. Leyla hatte ein Glockenklares Lachen, das jedem durch Mark und Bein ging, wenn er es hörte und ihm automatisch in ihren Bann zog.

„Hey Schwesterchen, ich bin zuhause!“, rief Hailey, während sie ihre Waffen ablegte und in den vorgesehenen Schrank im Flur einschloss.

Leyla stand in der Tür und sah sie an.

Sie sah aus wie ein Engel mit ihren goldenen Locken, den roten Lippen und dem eng anliegenden roten Seidenkleid, dass bis knapp über ihre Knie ging. Ihre blauen Augen sahen sie jedoch kalt an.

„Wo warst du den ganzen Abend? Jone hat extra seinen besten Freund mitgebracht, damit du auch mal einen abbekommst. Wie siehst du eigentlich schon wieder aus?“ „Im Gegenteil zu dir, Prinzesschen, tue ich etwas für mein Geld. Ich hatte einen Auftrag. Es ging um einen Vampir, der gerne Barbies aussaugt, so wie du eine bist!“ „Du denkst doch auch du bist ein Superstar, nur weil du zu den wenigen gehörst die besondere Fähigkeiten haben!“ „Leyla, halt einfach die Klappe, du hast keine Ahnung…“, schrie Hailey und verließ die Wohnung wieder.

Sie lief zurück in den Park.

Solche Begrüßungen war normal zwischen den beiden.

Wie zu erwarten, war die Leiche im Park bereits verschwunden. Noch immer Kopfschüttelnd lief Hailey weiter.

Manchmal wünschte sich Hailey sie könnte Leyla die todbringende Flüssigkeit einflößen. Hailey wusste nicht genau wieso und wann das Verhältnis zwischen ihr und Leyla so auseinander brach, sie glaubte dass es nach ihrem 18. Geburtstags passierte.

Früher waren sie ein Herz und eine Seele, sie hatten alles geteilt, bis auf die Freunde. Die zwei waren früher schon verschieden gewesen, aber es gab fast nie Streit. Leyla war die erste die einen festen Freund hatte. An dem Tag als er das erste Mal mit bei ihnen war, hatte Hailey gerade an einer Armbrust gebastelt. Gerade als die zwei durch die Tür kamen, aktivierte Hailey den Mechanismus und verfehlte den Freund ihrer Schwester um Haares breite. Sie waren alle drei im ersten Augenblick erschrocken, doch schon nach wenigen Sekunden begannen die drei zu lachen.

Doch je stärker Haileys Fähigkeiten wurden, umso mehr Streit gab es zwischen den beiden Zwillingen und sie redeten kaum noch miteinander.

Nachdem Hailey endgültig in die Branche der Jäger aufgenommen wurde, lernte sie Philipp kennen.

Er wurde zu ihrem Vertrauten, Lehrer, Freund und schließlich zu ihrem Partner. Sie konnte sich immer auf ihn verlassen.

Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit Hailey.

Auf einer Feier gerieten die Beiden in eine Falle, bei der Philipp sein Leben verlor, als er Hailey verteidigte.

Sie kam über den Verlust lange Zeit nicht hinweg. Leyla verstand ihren Schmerz noch so recht, immerhin hatte sie andauernd neue Partner, aber sie war für Hailey da.

Es dauerte fast anderthalb Jahre, ehe Hailey in der Lage war wieder auf die Jagd gehen zu können, bis kurz vor ihrem 18. Geburtstag. 

Wegen diesen schmerzlichen Erinnerungen war Hailey so in Gedanken versunken, dass sie den Stein, der vor ihr auf dem Boden lag übersah und stolperte. Sie schlug mit dem Knie auf und begann zu fluchen.

Beim Aufstehen betrachtete sie die Steinplatte auf die sie gefallen war. Das eingelassene Relief war in der Dunkelheit kaum zu erkennen.

Langsam ging sie wieder auf die Knie und zog die kleine Taschenlampe aus ihrem Gürtel. Es waren Figuren darauf zu erkennen. Als Hailey genauer hinsah erkannte sie das es geflügelte Wesen waren. Vorsichtig wischte sie mit ihrer Hand den Schmutz von der Platte.

Die Wesen sahen nicht glücklich und unbeschwert aus wie auf den üblichen kirchlichen Engelsabbildungen. Sie wurden gefoltert, von Menschen.

Auf der Platte stand: Nephilim.

In Haileys Innerem zog sich etwas zusammen.

Ihre Nackenhaare stellten sich auf und ihr Herz begann wie wild zu schlagen. Dieses Wort rief etwas in ihr wach. Ein komisches Gefühl, das sich nicht beschreiben lies. Sie kannte die Bedeutung des Wortes nicht, aber es wühlte sie auf.

Schwankend stand sie auf. Sie fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Es war als würde sie es kennen. Sie wusste aber nicht woher.

Hailey lief durch die nächtlichen Straßen der Stadt New York.

Was hatte das zu Bedeuten?

Nephilim…

Woher kannte sie den Ausdruck? Wieso wurden diese Wesen einst gejagt und gefoltert?

Was hatten sie der Menschheit getan, dass sie diese Nephilim so hassten?

Sie sahen aus wie Engel und Engel waren doch eigentlich das Gute in Person…

Es gab Engel, das wusste Hailey, es gab auch Dämonen und Vampire. Engel waren reine Geschöpfe des Lichts, die gutmütig und freundlich waren. Sie halfen den Menschen und machten sie glücklich. Einige wenige Engel waren das vollkommene Gegenteil, aber diese nannte man die „gefallene Engel“ und sie durften sich den Menschen nicht nähern.

Waren sie das auf dem Bild, die dort gequält wurden? Wurden die gefallenen Engel Nephilim genannt?

Es war irgendwie verwirrend denn Haileys Herz sagte ihr sie kennt diesen Ausdruck, doch sie verstand nicht von wo sie dies kannte. Das war untypisch für sie. Hailey hatte ein gutes Gedächtnis, sie konnte sich immer an alles Erinnern.

Wieso nur diesmal nicht?

In ihr tobte es, wie in einem Orkan. Während sie nachdachte kaute sie auf ihrer Lippe, eine Eigenart das sie früh entwickelt hatte.

Hailey lief noch eine Weile ziellos durch die Gegend, bis sie bemerkte das in der Straße in welche sie eingebogen war keine Passanten mehr waren.

Sie sah auf und stellte fest dass sie in einer Sackgasse gelandet war. Hailey hatte die Orientierung verloren und keine Waffe dabei.

In ihr tobte es. Sie spürte drei Vampire in ihrer Nähe und diese kamen schnell auf sie zu.

Wieso hatte sie sich nur wieder mit Leyla streiten müssen? Wäre das nicht passiert würde sie jetzt in ihrem Bett liegen und schlafen.

In dem Moment als sie sich umdrehte sah sie die Vampire. Sie sahen heruntergekommen und verlottert aus. Die drei lächelten.

„Was ist uns denn hier für ein Vögelchen zugeflogen?“ „So alleine Kleine? Hab keine Angst wir wollen nur Spielen!“, sagten sie zu Hailey.

Haileys Sinne waren auf Kampf eingestellt. Sie hatte nur noch einen kleinen Schluck in der Phiole, nicht ausreichend um drei Vampire im Blutrausch zu töten. Unterstützung konnte sie auch nicht anfordern, denn der Pieper war in ihre Handklinge eingelassen.

Scheiße…, dachte Hailey. Jetzt hatte sie wirklich ein Problem. Jetzt konnte sie nur hoffen dass ihre Energie noch reichte.

Hailey schaute den dreien in die Augen und atmete tief ein, um sich zu konzentrieren. Doch der Angriff kam zu unerwartet für Hailey. Einer der Vampire griff an ihre Kehle und drückte sie an die Steinwand, an der sie stand, nach oben. Ihrer Geschwindigkeit zu urteilen, hatten die Vampire eben erst Blut getrunken. Man musste das Opfern finden. Die Vampire waren sich ihrer Sache zu sicher und das war das Glück von Hailey.

Ihre Füße stemmte sie gegen die Mauer hinter sich und winkelte die Knie an. Diese Haltung gab ihr genügend Spannung im Körper  sodass sie die Knie als Bolzen benutzen konnte um den Vampir von sich zu stoßen zu können.

Der Vampir war so überrascht dass er Hailey los ließ, als diese sein Magendreieck traf und er nach hinten stürzte. Hailey schlug hart auf dem Boden auf.

Mit einer Hand griff sie an ihren Hals und spürte dass er leicht angeschwollen war, mit der anderen Hand griff sie nach einem relativ scharfkantig Stein am Boden. Die Überraschung über den Gegenangriff hielt nicht lange an, den die Vampire setzten zu einem neuerlichen angriff.

Einen der drei konnte Hailey noch rechtzeitig abwehren, doch die anderen beiden waren bereit sich auf sie zu stürzen. Doch ein gleißendes Licht, dass plötzlich um sie herum erschien, ließ die zwei anderen Vampire stoppen und sie zogen sich zurück.

Hailey presste ihre Augen zusammen. Sie spürte eine ihr unbekannte Kraft.

Sie war rein und mächtig, sehr mächtig. Diese Energie hatte sie noch nie gespürt. Es war unglaublich.

Langsam öffnete sie die Augen. Der Anblick der sich ihr bot ließ sie an ihren Verstand zweifeln. Sie sah Azurblaue Flügel vor sich. Jede der einzelnen Feder war mit einer feinen silbernen Umrandung verziert. Die Flügel glänzten und verloren ein feines, helles Pulver, das sich auf ihrer Haut niederlegte.

Hailey hatte einige Geschichten über den Engel mit den blauen Flügeln gehört. Er sollte angeblich unglaublich charmant und attraktiv sein und nur denen zur Hilfe eilen, welche in ernsthafter Gefahr schwebte. Nicht jeder konnte sagen dass er je einen Engel gesehen hatte und Hailey hätte nie gedacht, dass ihr ein solches Glück je vergönnt sein würde.

Haileys Herz raste wie wild und ihr Puls wurde immer schneller. Sie hatte das Gefühl zu Hyperventilieren, ihr Bewusstsein zu verlieren. In ihren Ohren rauschte das Blut. Ihre Gedanken überschlugen sich. Unwillkürliche Bilder von einen Mann mit blauen Augen und dunklem Haar spielten sich vor ihren inneren Auge ab. Ihre Lunge brande bei jedem Atemzug wie Feuer. Es fühlte sich an als würde sie Rauch einatmen. Die Welt um sie schien Karussell zu fahren, denn sie verlor das Bewusstsein.

Das erste was sie nach ihrer Ohnmacht wahrnahm war ihre Mutter Viktoria. Sie roch ihr schweres Parfüm und vernahm ihre Schreie.

Hailey wollte schreien, ihr zurufen das alles in Ordnung war, doch sie keuchte nur. Der scharfkantige Stein bohrte sich durch ihre Haut. Hailey spürte ihr Blut warm und zähflüssig ihrem Arm hinunter rinnen.

Wenn die Vampire es rochen, würde der Engel noch eine Chance haben?

Sie musste endlich wieder klar denken können.

Durch den Nebenlschleier, der sich um ihre Sinne gelegt hatte hörte sie die unglaublich sanfte, aber auch raue Stimme eines Mannes.

„Hailey… Hailey, du darfst dich nicht aufgeben. Kämpf dagegen an! Drück meine Hand wenn du mich verstehst!“, sagte er.

Mit letzter Kraft drückte Hailey die Hand, die ihre vollkommen verdeckte und begann zu husten. Ihr Magen zog sich zusammen und sie dachte sie müsse sich übergeben… aber auf einmal war alles verschwunden. Sie spürte wie eine unbekannte wärme sie umgab und durch sie hindurch strömte.

Ihre Panik ging zurück und der Schleier vor ihren Augen verblasste langsam. Sie begann tief ein und aus zu Atmen. 

„Wieder alles in Ordnung Hailey?“, fragte der Engel besorgt.

„Ja… Ja, ich glaube schon. Ich danke dir, ich glaube ohne dich, hätte ich jetzt ein kleines Problem.“ „Es ist meine Aufgabe auf hübsche Frauen in Not zu retten.“, antwortete der Engel mit den Azurblauenflügeln schelmisch.

Doch Hailey war misstrauisch.

„Woher weißt du wer ich bin?“, fragte sie und beobachtete ihn misstrauisch.

Mit dieser Frage schien er jedoch gerechnet zu haben, denn er antwortete mit einer ruhigen und klaren Stimme:„ Das wirst du sehr bald erfahren, Kleines. Ich bin übrigens Komaru.“ „Ich glaube nicht das dies die Antwort ist auf die ich warte!“, antwortete Hailey leicht gereizt, doch der Engel, Komaru antwortete gelassen: „Geh jetzt besser nachhause. Du brauchst Ruhe und der Abend war sehr anstrengend für dich.“

Komaru lächelte ihr noch einmal zu, breitete seine Schwingen aus und flog gen Himmel. Zurück blieb eine Feder die Hailey in ihren Händen fing und hielt. Sie folge Komaru mit ihren Augen.

Ihr Puls hatte sich wieder beruhigt. Langsam erhob sie sich und kehrte auf die Hauptstraße zurück. Erst jetzt stellte sie fest dass sie nicht mal eine Minute von ihrem Apartment entfernt war.

Während sie lief versuchte sie sich die Bilder der letzten Minuten wieder ins Gedächtnis zu rufen. Doch sie erinnerte sich nur an einen Mann und an ihre Mutter, die sie entsetzt angesehen hatte.

Als sie den Schlüssel ins das Schlüsselloch steckte hörte sie aufgebrachte Stimmen aus der Wohnung .

Leise schloss sie die Tür hinter sich und blieb im Flur stehen.

„… Ich kann dir nicht sagen wer eurer Vaters ist, geschweige denn was du für ein Vermächtnis meinst, weil ich es nicht weiß.“ „Willst du etwa dass Hailey es zuerst erfährt?“ „Leyla, ich warne dich. Kümmere dich selbst darum wenn du es wissen willst!“, schrie Viktoria und lief in Richtung Wohnstube.

Hailey hatte noch Rechtzeitig die Türklinge in der Hand.

„He Mom.“ „Hailey, schön das du endlich da bist! Wo hast du die Feder her?“ „Die… habe ich auf der Straße gefunden und fand sie irgendwie schön.“, antwortete Hailey und lächelte dabei in sich hinein.

Die Augen ihrer Mutter blitzten kurz auf, doch dann ging sie in ihr Zimmer.

Erleichtert öffnete Hailey ihre Zimmertür. Das Zimmer, dass sich dahinter verbarg, bestand aus drei Glasfronten, welche einen herrlichen Blick auf den Park frei gab. Eigentlich war dieses Zimmer eine Art Wintergarten der Wohnung, doch Hailey hatte sich in diesen Raum verliebt und hatte hier ihr Zimmer eingerichtet. Wenn es draußen dunkel war, saß Hailey oft an den großen Fenstern und beobachtete die Sterne. Sie hatten etwas Natürliches und Beruhigendes.

Nachdem sie sich hinter einer Trennwand umgezogen hatte, schaute sie auf ihren Schreibtisch.

Sie war sich sicher, dort nur die Feder angelegt zu haben, doch als sie nun hinsah, lag dort zu ihrer Überraschung ein ihr unbekanntes Buch. Langsam lief Hailey darauf zu, sah sich aber die ganze Zeit in ihrem Zimmer um. Es war ihr nicht geheuer. Vorsichtig nahm sie das Buch nach oben und sah sich den Einband an. Der Titel war:„ Nephilim.

Hailey setzte sich auf ihr Sofa und begann zu lesen.

Gleich auf der ersten Seite fand sie eine alte Legende:

In einem Jahrhundert, das von Zerstörung heimgesucht wird,

werden Sie geboren,

die Zwillinge,

einer verkörpert das Licht, der andere den Schatten,

Nur sie entscheiden über das Schicksal der Welt.

Werden Sie sich vereinen, wird das Chaos beginnen zu Regieren.

Werden Sie sich für je eine andere Seite entscheiden,

werden Sie kämpfen und nur der Stärkere kann über

das Leben der Menschen und Welt bestimmen.

Das Leben aller liegt in den Händen der Nephilim

Hailey blätterte weiter.

Es waren geflügelte Wesen die Nephilim. Geboren aus einer Vereinigung von Engeln und menschlichen Frau. Jedoch erfuhren die Nephilim erst nach ihrem 18. Geburtstag von ihrem Erbe. Früher wie heute werden sie gejagt, weil sie als gefährlich gelten.

Sie wurden gefoltert und ermordet.

Nur ein kleiner Teil der Nephilim hatte überlebt, weil sie unter dem Schutz der Erzengel standen…

In diesen Moment sah Hailey aus dem Fenster. Ein Paar weiß-goldene Flügel glitt an ihrem Fenster vorbei und plötzlich fühlte sie sich ruhiger und schläfriger.

Langsam schloss sie die Augen und glitt hinab in einen tiefen Schlaf und begann zu träumen.

Hailey fragt sich ob es ein Traum war oder Realität.

Sie fühlte sich schwerelos.

Goldener Staub legte sich um ihren schwebenden Körper und hüllte ihn ein, er gab sie nicht mehr frei. Sie hatte das Gefühl, sie würde den Verstand verlieren, sie schien zu fliegen, in der Luft zu tanzen. Die Luft um sie herum schien zu vibrieren und sie fühlte sich geborgen. Es war, als wäre sie in einem Kokon gefangen, in dem sie sich verpuppen soll und da spürte sie es auf einmal.

0hr Traum änderte sich plötzlich…

Sie bekam keine Luft mehr, sie hatte das Gefühl sie würde ersticken. Ihr Körper zuckte unter der plötzlichen Anspannung. Dazu kam dieser unerträgliche Schmerz. Es fühlte sich an als würde man ihr jeden einzelnen Knochen in ihren Rücken brechen. Sie schrie vor Schmerzen, es solle endlich aufhören. Doch es wurde nur schlimmer. Es fühlte sich an als würden sich Finger, Hände, in ihr Fleisch bohren, um sich dann um ihren Knochen zu legen und sie erneut zu brechen, um sie anschließend aus ihren Körper herausreißen. Sie hörte das zerbersten ihrer Knochen, ein hohles, tiefes knacken und jedes dieser Geräusche durchfuhr sie wie ein Blitz.

Doch so plötzlich wie es begonnen hat hörte es auch wieder auf.

Der goldene Staub, der sich noch immer um ihren geschundenen Körper legte, lies sie langsam auf den Boden gleiten und um sie herum wurde es schwarz.

Eine honigsüße Stimme in ihren Kopf weckte sie, sie war erheitert, aber auch gefährlich.

Diese Gefahr ließ sie aufhorchen. All ihre Sinne schärften sich, sie schlug die Augen auf und ihr Körper spannte sich an. Sie griff nach dem kleinen Messer in ihrem Stiefel und sprang auf. Mit ihrem inneren Auge versuchte sie etwas zu erkennen, aber es war nichts zu sehen.

Erneut hörte sie die Stimme in ihrem Kopf, sie solle sich anschauen. Es war aber noch immer niemand zu sehen. Der Sturz war scheinbar schlimmer gewesen als sie gedacht hatte, bildete sie sich ein. Aber sie wusste nicht mehr wieso sie gefallen war. Am Himmel stand der Vollmond, klar und schön und er hüllte die Umgebung in zartes Licht. Vor ihr erhellten die einen kleinen Brunnen. Das Wasser in ihm glänzte wie ein einziger Kristall. Langsam ging sie auf ihn zu.

Doch was sie sah, war nicht sie.

An ihrem Gesicht hatte sich nichts geändert. Jedoch trug sie plötzlich Flügel auf ihren Rücken. Die Federn färbten sich von einen tiefen blau bis hin zu Pech schwarz. Die Spitzen waren rot. Rot wie Blut und sie besaßen eine leichte silbernen Schimmer.

Was war mit ihr geschehen?

Es war doch nur ein Traum…

Aber es fühlte sich so Real an…

 

Schweißgebadet erwachte Hailey auf ihrem Sofa. Sie vergrub ihren Kopf in den Händen und konzentrierte sich darauf wieder ruhiger zu atmen.

Was war das für ein Traum und wie lange hatte sie gelesen?

Hailey konnte sich daran Erinnern, als sie das letzte mal aus ihren Fenstern geschaut hatte, hatte sich der Himmel über New York bereits rot gefärbt.

Aber wann war sie eingeschlafen? Sie konnte sich nicht erinnern. Das einzige was sie noch wusste war, wie sie die weißgoldenen Schwingen an ihrem Fenster vorbeiziehen gesehen hatte und dann verschwamm ihre Erinnerung in Dunkelheit.

Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie jemand zugedeckt hatte.

Leyla würde nie ohne ihre Erlaubnis in ihr Zimmer gehen und ihre Mutter hätte sie geweckt und gebeten ins Bett zu gehen und nicht auf dem Sofa zu schlafen. Wer also war diese Nacht hier gewesen?

Langsam stand sie auf und sah sich um. Die Tür und alle Fenster waren geschlossen. Auch sonst schien das Zimmer unverändert. Komarus Feder lag neben dem Buch auf dem Sofa.

Durch Zufall sah Hailey eine Spiegelung im Fenster.

Ihr stockte der Atem, ihr Herz schlug schneller und sie drehte sich unwillkürlich um die eigene Achse. Doch niemand war zu sehen.

Wie hätte jemand unbemerkt hereinkommen können?

„Verdammte scheiße… Wenn ich dich in die Finger bekomme bist du sowas von dran!“, sagte Hailey leise und wütend.

Noch immer schlug ihr Herz hart gegen ihre Brust.

Als Hailey sich in der Fensterscheibe spiegelte, entdeckte sie auch das blauglänzende Pulver, dass ihre Schultern und Haare einhüllte. Ihr sonst nachtschwarzes Haar glänzte in vielen verschiedenen Facetten von blauen Farbtönen.

Hailey fluchte leise vor sich hin.

Wie konnte so etwas ihr passieren? Ihr?

Wie hatte sie jemand unbemerkt im Schlaf überraschen können?

Sie, die Übervorsichtige, die für gewöhnlich auf alles Achtet?

Wie hatte er es geschafft in ihr Zimmer zu kommen?

Leise verließ Hailey ihr Zimmer und ging ins Bad zum Duschen, nicht ohne sich noch einmal umzuschauen. Selbst während sie duschte sprach sie etliche Verwünschungen aus, die ihr gerade in den Kopf kamen.

Nachdem sie etwas ruhiger aus der Dusche kam und sich abtrocknen wollte, schaute sie in den Spiegel.

Die zwei langen gegenüber liegenden Seiten des Bades waren mit großen Spiegeln versehen. Hailey sah durch sie auch die seltsamen Schatten auf ihrer Wirbelsäule. Sie waren nur auf dem zweiten Blick zu sehen und wirkten als habe sie dort jemand mit feiner Asche geschrieben. Sie ließen sich jedoch auch nach mehreren Versuchen nicht wegwischen.

Vielleicht sind das auch nur kursiv blaue Flecken von gestern!, dachte Hailey und zuckte mit den Achseln. 

 Als sie wieder in ihrem Zimmer war, griff sie nach dem Buch und schlug es an einer beliebigen Stelle auf. Langsam, wie in Zeitlupe, fiel ein Brief heraus und segelte sachte zu Boden und hinterließ eine feine goldene Spur.

Vorsichtig hob Hailey den Brief auf und öffnete das Sigel, mit dem er verschlossen war. Auf dem Siegel war ein Flügel abgebildet mit einem Stern im Hintergrund. Eine fein geschwungene Handschrift war zu erkennen.

Sehr geehrte Hailey,

Ich möchte mich heute Abend mit Ihnen auf dem Empire State Building treffen.

Ich werde Sie dort um acht erwarten..

Hochachtungsvoll,

Raphael

Ihr Herz begann wie wild zu schlagen. Sie musste sofort in die Agentur. Hailey sprang auf und lief aus ihrem Zimmer.

Gerade als sie an ihren Schrank ging, um ihre Handklinge herauszunehmen hörte sie ihre Mutter in der Küche.

„Hailey, Liebes, willst du nicht Frühstücken? Wieso Fluchst du eigentlich schon am frühen Morgen?“, fragte Viktoria lächelnd.

Sie strahlte selbst jetzt wie ein Diamant.

Viktoria war, als sie erfuhr das sie mit Leyla und Hailey schwanger war, nach Amerika ausgewandert. In New York hatte sie sich innerhalb von kürzester Zeit einen Ruf als Model gemacht. Viktoria war einzigartig. Langes, glattes, goldblondes Haar und katzengrüne Augen. Sie war ein Juwel für die Agenturen gewesen.

Heute modelte sie seltener, sie leitete inzwischen ihre eigene Agentur.

Sie war damals mit nichts nach Amerika gekommen. Heute zählte sie dagegen zu den bekanntesten, beliebtesten und schönsten Frauen dieser Stadt.

„Ach, ich habe nur ein paar blaue Flecken von gestern davongetragen!“ „Also nichts Neues!“, antwortete Viktoria lächelnd und verdrehte dabei die Augen.

Von Leyla war keine Spur.

„Wenn du deine Schwester suchst, die ist einkaufen. Sie hat heute Abend ein Treffen.“ „Wäre ja mal was Neues wenn es nicht so wäre. Hast du noch eine Kaffee für mich?“, fragte Hailey und folgte ihrer Mutter in die Küche.

Lachend reichte Viktoria ihrer Tochter den Kaffee.

„Mutter…“, begann Hailey zögerlich. „Ich habe gestern den Streit zwischen dir und Leyla über unseren Vater mitbekommen. Was hat das zu bedeuten?“ „Hailey… Ich kann dir nur das gleiche sagen wie Leyla. Ich kenne das Erbe eures Vaters nicht. Ihr müsst den Spuren und Zeichen folgen, mehr weiß ich auch nicht. Ich muss auch langsam los, bis später mein Spatz!“, sagte Viktoria, küsste Hailey auf die Stirn und ließ sie verwirrt zurück.

Seit ihrem 18. Geburtstag, vor fast 2Jahren, wollte Leyla wissen was ihr Erbe war. Sie verstand einfach nicht das Viktoria nichts wusste.

In Gedanken versunken befestigte Hailey ihre Handklinge und zog den Ring über ihren Mittelfinger, mit dem sie die Waffe aktivierte. Zwei kleine Säbel steckten in ihren Gürtel und ein Dolch in ihrem Stiefel.

Dann machte sie sich auf den Weg zur Agentur. Sie musste mit Ash reden und sie zu den jüngsten Ereignissen befragen.

Die Agentur lag nur 2 Blöcke weiter, sodass Hailey keine 5min Weg vor sich hatte.

Sie war in einem einfachen Backsteinhaus untergebracht, mitten in New York. Die Backsteine hatten schon lange kein leuchtendes Rot mehr. Durch die Witterung und Abgase hatten sie durch die Jahre braun und teilweise auch schwarz werden lassen und das Moos zog sich langsam von der Grünanlage die Mauern hinauf.

Als Hailey Richtung Rezeption ging wurde sie bereits angelächelt.

„Ist Ash schon im Haus?“ „Sie hat gerade eine Besprechung! Aber sie meinte heute früh wir sollen dich trotzdem zu ihr schicken wenn du da bist.“ „Alles klar!“ „Ach und Hailey, James hat etwas Neues für dich, irgendeine Miniwaffe die du testen sollst. Er macht wieder ein riesiges Geheimnis draus!“ „Na dann lass ich mich mal überraschen!“, antwortete Hailey lachen und zwinkerte ihrem gegenüber zu und ging zum Fahrstuhl.

Sie fuhr direkt in den letzten Stock, Etage 13.

Dieser Stock bestand zum größten Teil nur aus einen langgezogenen Flur, der direkt zu Ashs Büro führte.

Ash war nicht nur die Leiterin der Agentur, sondern auch die beste Freundin von Viktoria. Sie hatten früher gemeinsam gemodelt und das obwohl Ash eine der Auserwählten war. Ash hatte die Gabe der Schnelligkeit. Sie war den Vampiren und Dämonen immer einen Schritt voraus. So war auch Hailey letzten Endes hier gelandet, durch Ash, die Hailey jahrelang beobachtet hatte und schließlich beschloss sie zu unterrichten.

Hailey klopfte und betrat das Zimmer. Ash diskutierte gerade mit ihren Sohn. Noel war ein halbes Jahr älter als Hailey, aber sehr sehr kindisch.

Wegen ihm hatte sich Hailey einmal mit ihren damaligen Partner in die Haare bekommen. Denn der hatte Noel in Schutz genommen als es um einen verpatzten Auftrag ging. Hailey konnte ihn damals nicht verstehen. Sie war wütend gewesen, denn es war ein wichtiger Auftrag gewesen. Am Ende hatten sie den Vampir zwar bekommen, aber erst Monate später.

„Ähm… Ash … es ist wichtig, könntet ihr das bitte später klären?“, fragte Hailey zögerlich, da keiner der beiden sie mitbekommen hatte.

Ash brauchte nur eine Sekunde um sich zu beruhigen, was Hailey immer an ihr bewunderte, und sagte:„ Hailey, meine Liebe! Ich hoffe Noel stört nicht?“ „Nein!“, antwortete Hailey und legte Ash die Feder und den Brief auf den Schreibtisch.

Ash Augen weiteten sich, vor Überraschung.

„Ich habe ein ähnliches Schreiben erhalten. Sie wollen nur dich, keinen anderen!“ „Das dachte ich mir bereits. … Soll ich das annehmen?“ „Hailey… du musst dich mit ihm treffen, sonst zwingen sie dich! Du kannst dich schlecht gegenüber einen Erzengel wiedersetzten, ich glaube der würde das nicht so lustig finden!“, sagte Ash.

Das war das problem. Hailey hatte keine Entscheidungskraft gegenüber einem Erzengel. Sie musste zu dem treffen. Auch wenn sie noch nicht verstand was sie von einer einfachen Jägerin wie ihr wollten.

Hailey hatte Angst davor.

Ash ging um den Schreibtisch herum und legte ihr die Hände auf die Schulter. Es sollte Hailey zeigen dass sie keine Furcht haben braucht und das sie nicht alleine war.

„Du schaffst das mein Kind! Wenn nicht du, dann keiner!“, sagte Ash zuversichtlich.

Hailey nickte. Sie durfte keine Angst empfinden. Niemals. Keine Minute, denn es könnte ihren Tod bedeuten. Sie durfte nicht zögern.

 „Gut, dann muss ich mich wohl vorbereiten!“, antwortete Hailey und als Ash nickte verließ sie das Büro.

Noel eilte ihr nach.

„Brauchst du Hilfe?“ „Nein!“ „Mhm. Informationen? Oder besser, ein wenig Ablenkung?“, fragte er, sehr von sich selbst überzeugt.

Statt einer Antwort drehte sich Hailey zu ihm, packte ihm am Kragen und drückte ihn gegen die Wand. Dicht an seinem Ohr und mit zusammengepressten Zähnen zischte sie:„ Noel, nerve mich nicht! Ich habe keine Zeit und keine Lust dein Babysitter zu sein. Ich bin nicht Philipp. Also hau ab und lass mich in Ruhe!“, dann ging sie weiter zum Fahrstuhl und ließ einen verwirrten Noel zurück, der noch immer wie angewurzelt an der Wand stand.

Die Aufruhe die von Hailey Besitz ergriffen hatte ließ sich nicht abschütteln.

Den restlichen Tag verbrachte Hailey in der Agentur. Sie schärfte ihre Klingeln, versuchte zu Meditieren, um etwas ruhiger zu werden und machte einige Übungen.

Um sieben machte sie sich auf den Weg.

In der Zeit wie sie zum Empire State lief fragte sie sich, warum die Engel gerade sie ausgesucht hatten.

Es gab wesentlich bessere, erfahrenere Jäger als sie es war.

Hailey war so in Gedanken versunken das sie nicht bemerkte, dass sie jemand verfolgte.

Erst als eine raue Stimme neben ihr sagte:„ Buh Hailey…“, zuckte sie zusammen und sprang zur Seite.  

„Komaru… Mit dir habe ich noch ein Huhn zu rupfen,… Nein, besser! Ein paar Federn!“, fauchte Hailey.

Komaru schmunzelte nur und sagte:„ So aufgebracht meine Liebe?“ „Aufgebracht… Wieso hast du mich mit deinem Pulver verziert und vor allem, wie bist du in mein Zimmer gekommen?“ „Ich bin ein Engel, Liebes. Und das Pulver habe ich nur benutzt weil du einen schlechten Traum hattest und ich nicht zusehen konnte wie du dich da Quälst!“, sagte Komaru bedauernd.

Hailey erinnerte sich wieder an die Schmerzen, die sie in den Traum gehabt hatte und schloss kurz die Augen, um ihren Puls wieder zu beruhigen und ihre Atmung.

„Danke!“ „Kein Problem. Du solltest dich aber beeilen, mein Chef mag es nicht wenn jemand zu spät kommt!“, sagte Komaru und flog lachend davon.

Hailey beeilte sich nun auf das Dach des Gebäudes zu kommen.

Oben angekommen war es ruhig und friedlich. Die Stadt mit ihrem pulsierenden Leben war hier kaum noch zu spüren. Sie ging zu der Brüstung und sah gerade die letzten Strahlen der Sonne untergehen, die hinter den Hochhäusern der Stadt verschwanden.

Ein leichtes lächeln umspielte das sonst so strenge Gesicht der jungen Jägerin.

Sie spürte die leichte Brise, die mit ihrem Haar spielte und es in sanften wogen tanzte es um Körper.

Wann war sie das letzte Mal hier oben gewesen?

Mit Leyla. Aber das war schon Jahre her.

Nein, es war kurz vor dem Angriff, der ihr Leben verändert hatte. Sie war mit Philipp hier gewesen.

Heute könnte sie sich selbst in den Hintern beißen dafür, wie dumm sie damals gewesen war. Sie konnte Philipps lachen noch immer hören, als hätte es die Zeit hier oben gefangen gehalten. Es war so klar und fröhlich. Es versprühte die Wärme alter Zeiten…

Das Schlagen von Flügeln ließ sie herumfahren.

Hailey stockte der Atem. Sie sah in graublaue Augen.

Vor ihr schwebte Erzengel Raphael.

Er stellte sicher für jede Frau eine Versuchung dar. Raphael schien nicht besonders groß zu sein, aber dafür war er sehr athletisch, man konnte es fast schon durchtrainiert nennen. Er hatte starke Oberarme und muskulöse Beine und sein Sixpack zeichnete sich unter bei dem enganliegenden T-Shirt ab. Dazu trug er eine schwarze Hose. Seine dunklen, kurzen Haare waren das passende Gegenteil zu seinen Augen. Hailey hatte das Gefühl sie hätte sich in ihnen verloren. Als ihre Blicke weiter zu seinen Flügeln glitt, wusste sie was sie gestern Abend vor ihrem Fenster gesehen hatte.

Seine Flügel bestanden aus einem strahlenden weiß und jede einzelne Feder besaß eine goldene Umrandung. Sie waren so schön wie die Sterne in einer klaren Nacht.

Jedoch spürte Hailey auch die Gefahr die von ihm ausging.

„Hailey?“, fragte er kühl.

„Ja, die bin ich, Erzengel!“ „Raphael reicht, Jäger!“, antwortete er.

In seiner Stimme war ein Unterton, bei dem Hailey alles anspannte.

„Ich fliege dich nun zu Palast der Engel. Dort war noch nie ein Mensch, Jäger, aber wir brauchen deine Gabe!“ „Fliegen? Wie fliegen?“, sagte Hailey mit zitternder und brüchiger Stimme.

Die Panik stieg wieder in ihr hoch. Hailey versuchte jedoch diesmal dagegen anzukämpfen, damit sie nicht wieder die Oberhand gewinnt, so wie am vergangenen Abend.

Raphael reichte ihr seine Hand.

Hailey legte nur zögerlich ihre hinein. Sie war sich nicht sicher ob sie ihm vertrauen könnte. Als sie jedoch die Wärme seiner Haut spürte und in seine Augen blickte, sah sie, dass man sie wirklich brauchte. Trotzdem fiel es ihr schwer ihm auch die zweite Hand zu reichen.

Raphael legte ihre Hände um seinen Hals, dann legte er einen Arm um ihre Hüfte und zog sie eng an sich. Ohne auch einmal zu zögern sprang er in die Tiefe.

Hailey spürte den Luftzug, der vom Boden nach oben blies. Sie widerstand jedoch den Versuch zu schreien. Sie wollte keine Schwäche zeigen, also biss sie sich auf die Lippe und schloss die Augen.

Als Raphael wieder hinaufstieg verschwand auch langsam das Gefühl der Übelkeit, dass sie bei seinem Sprung verspürte hatte und sie hörte das Rhythmische schlagen seiner Flügel . Verwundert stellte sie fest, dass sein Herzen genauso wild und ungleichmäßig klopfte wie das ihre. Er ließ sich jedoch nichts anmerken, denn sein Atem ging ruhig und gleichmäßig.

Langsam öffnete Hailey die Augen und sah ihn an. Seine Gesichtszüge waren ernst, sehr markant, er schien selten zu lachen oder zu lächeln, denn er hatte kaum Lachfalten, seine Augen waren wachsam.

Hailey sah sich um, so gut sie konnte. Sie waren bereits über den Wolken. Dies war dann auch der Grund warum es so kalt geworden war.

Sie sah die Sterne so nah, als könne sie nach ihnen greifen. Sie glänzten so hell wie tausend Diamanten, in dem Schein der Sonne. Sie waren so unnahbar wie ein Engel.

Hailey begann zu zittern. Hätte sie gewusst was das sie heute quer durch den Nachthimmel brausen würde, hätte sie sich noch eine Jacke drüber gezogen.

„Ist dir kalt?“ „Nein, noch geht es noch!“, antwortete sie mit einer festen Stimme.

Raphael lächelte.

Hailey hatte gelernt keine Schwäche zu zeigen. Das war die erste Lektion der Agentur.

Zeig keine Schwäche, das könnte man ausnutzen! - war Regel Nummer eins.

Regel Nummer zwei war: Zeig keine Angst, dadurch wirst du unsicher und kannst leichter überrascht werden von dem Feind.

„Du solltest die Augen schließen, damit dir nicht schlecht wird. Ich fliege jetzt nach unten!“, sagte Raphael ernst.

Sofort schloss Hailey die Augen und legte ihr Gesicht an seine Schultern. So fühlte sie sich sicherer, denn ihre Hände hatten mehr Bewegungsfreiheit Würde er auch nur versuchen sie fallen zu lassen, würde sie mit ihrer Handklinge seine Flügel zerschneiden. Auf diese Weise würde nicht nur sie sondern auch er zu Boden stützen. Eine Handbewegung wenn er sie fallen lassen will und er fällt mit, denn dann nutzt sie ihre Handklinge und zerstückelt seine Flügel und da wird auch er fallen.

Raphael flog nach unten. Sofort zog sich Haileys Magen zusammen. Sie widerstand der Versuchung sich zu übergeben. Wieder lauschte sie den Schlagen seiner Flügel, den Pochen seines Herzens und seinem regelmäßigen atmete. Es beruhigte sie.

„Wir sind da!“, sagte er und stellte sie vorsichtig ab.

Als er sie absetzte, ließ er sie jedoch nicht gleich los. Auch Hailey nahm ihre Arme noch nicht von seinem Hals, sie lehnte sich leicht gegen ihn.

Wie lange waren sie geflogen?

Eine Stunde oder zwei…

Hailey spürten das schnelle Schlagen seines Herzens an ihrer Brust. Dieser Intime Moment schien Stunden zu dauern, dabei waren es nur Sekunden, bis sich Hailey von ihm löste. Eine ihr bekannte Stimme schreckte sie aus ihrer Starre.

„Mein Herr, die anderen erwarten Sie bereits!“, sagte Komaru und verbeugte sich vor Raphael, dabei lächelte er Hailey an.

„Darf ich der Dame meinen Arm anbieten?“ „Sehr gerne, Komaru.“, antwortete Hailey lachend.

Sie mochte diesen Engel, er könnte ihr Freund sein. Raphael schwieg. Doch Hailey sah in seinen Augen Zorn aufblitzen. Er sah kurz zu Komaru und ging voraus. Lächelnd folgte dieser.

„Ich glaube mein Herr ist etwas eifersüchtig!“ „Wieso das?“ „Er hat mich gerade gewarnt, ich solle ja nicht zu weit gehen bei dir!“, antwortete Komaru glucksend.

Die zwei tuschelten so die ganze Zeit.

Raphael führte sie von dem kleinen Vorgarten in einen langgezogenen Flur.

Der Teppich war weich und rot, die Wände waren in einem dunklen braun gehalten, das von goldener Verzierungen durchsetzt war und sich farblich sehr gut anpasste.

Als sie vor einer großen Eichentür standen drehte sich Raphael um.

„Komaru, du weist das du nicht mit in diesen Raum kannst!“ „Ja, Meister. Hailey, ich wünsche dir viel Spaß und Erfolg und wenn etwas ist, ruf mich einfach. Ich bereite in der Zeit etwas zu essen zu.“, sagte Komaru lächelnd.

Er schien sein Lachen nie zu verlieren.

Bevor er ging, küsste er Hailey leicht die Hand und zwinkerte ihr zu.

Raphael schien vor Eifersucht zu platzen. Sein Gesicht war rot vor Zorn. Hailey sah ihn erwartungsvoll an. Es vergingen einige Minuten bis er sich wieder gefangen hatte und er öffnete die Tür.

Was Hailey sah, ließ ihr den Atem stocken.

In dem Raum vor ihr schwebten drei weitere Engel. Sie waren alle vollkommen verschieden. Hailey folgte Raphael vorsichtig in den Raum.

Sollte sie jemand versuchen anzugreifen, würde sie sich zu Wehr setzten, denn ihre Finger, die auf ihrer Hüfte lag hatten den Dolch schon erfühlt. Sie könnte ihn jeder Zeit ziehen.

Raphael räusperte sich um ihre Aufmerksamkeit zu erhalten.

„Das ist Uriel!“, sagte er und stellte den ersten der drei Erzengel vor.

Uriel war wesentlich größer als Raphael, aber auch muskulöser. Seine Flügel waren rein weiß, wie die Raphaels, die Umrandungen der Federn jedoch hatten einen strahlendes, helles grün. Auch seine Augen hatten einen leichten mintgrünen Ton mit einem Stich gelb. Uriels lächeln war warm und liebevoll.

„Dies ist Gabriel!“, sagte Raphael und zeigte auf den zweiten Engel dessen weiße Flügel ebenfalls eine einzigartige Umrandung besaßen. Die Federn hatten abwechselnd eine Umrandung aus blau und grün. Er besaß braune, buschige Haare.

Denn letzten Namen konnte sie sich denken.

Michael...

Sein Blick war durchdringen und kalt. Er besaß dieselbe graublaue Augenfarbe wie Raphael. Seine Haare waren sehr kurz und so schwarz wie die Nacht, sternlos und finster. Die Umrandung seiner Feder passten sich dieser Farbe an, sie bestanden von einen dunklen blau bis hin zu schwarz.

Sein Blick ließ sie nicht kalt. Er jagte ihr einen eiskalten Schauer durch den Körper. Hailey hatte das Gefühl das sie sich vor ihm am meisten in acht nehmen sollte.

„…Das ist Hailey, die Jägerin!“, sagte Raphael nun.

Diese Ansprache holte Hailey zurück in die Realität.

„Ja, die bin ich! Kann ich jetzt erfahren warum ich hier bin?“, fragte Hailey.

Sie hatte eine bequeme Haltung eingenommen. Die Arme hingen vor ihrer Körper und sie hielt die Hände leicht ineinander verschränkt. Diese Haltung war für sie sehr praktisch, denn so konnte sie schneller in eine Kampfposition übergehen.

Michael ergriff das Wort:„ Wir möchten das Sie jemanden für uns finden! Er nennt sich Luzifer, der Gefallene. Ich hoffe der Name sagt Ihnen etwas!“ „Ich kenne die Legende um den gefallenen Engel.“ „Eine der Legenden wird bald wahr werden, wenn die Zwillinge oder er nicht gefunden werden.“, sagte nun Uriel leicht nervös.

Hailey wurde ruhiger.

Zwillinge… Engel… Luzifer… Nephilim…

Wirre Bilder erschienen in ihrem Kopf. Ihr Rücken begann zu schmerzen, so wie in ihren Traum. Ihr Kopf schien zu explodieren.

Sie sah einen Mann mit gelocktem, Schulterlangem Haar und eisblauen Augen. Neben ihm stand eine Frau, mit blonden Haar und rot-schwarzen Flügeln. Hailey konnte das Gesicht nicht erkennen. Er lächelte sie an. Es war ein boshaftes, hinterhältiges Lachen.

Der Schmerz auf ihren Rücken, auf ihrer Wirbelsäule wurde unerträglich. Hailey begann zu fallen. Zu fallen in einen Abgrund aus Schwärze und Nichts.

Hailey erwachte mit einem Schrei. Neben ihr saß Raphael. Komaru stand am Fenster und sah sie besorgt an.

„Was ist passiert?“, fragte Hailey verwirrt. Sie konnte sich nur an die Schmerzen erinnern.

Keiner der beiden antwortete und so stand Hailey auf und ging zu Komaru. Um genauer zu sein, sie versuchte zu ihm zu laufen.

Nach den ersten Schritten gaben ihre Beine nach, als wäre sie ihr Gewicht nicht gewohnt und sie verlor das Gleichgewicht. Hätte Raphael sie nicht aufgefangen, wäre sie gestürzt. Ihr Körper fühlte sich geschunden und schwach an. Sie war so hilflos. Es war ein Gefühl das sie nicht kannte und eigentlich nie hatte kennenlernen wollen.

„Jetzt sagt mir endlich was hier vor sich geht!“, fuhr Hailey Raphael an.

Raphael reagierte nicht. Auch seine Augen ließen keinerlei Gefühlsregungen erkennen. Seiner statt war es Komaru der ihr antwortete:„ Du hast auf einmal begonnen wirres Zeug zu reden, von roten Flügeln und einen Mann, mit eisblauen Augen. Es war, als wärst du ein Medium.“ „Deshalb werden die anderen jetzt darüber beraten ob du für diese Mission die Richtige bist!“, sprach Raphael und sah sie ernst an.

„Ich übernehme diesen Auftrag! Es klingt nach der Richtigen Prüfung für meine Fähigkeiten. So kann ich sie wirklich einmal ganz nutzen und austesten!“ „Was wenn dir so etwas wieder passiert?“ „Ich denke, ich bin fähig darauf zu achten das mir so etwas nicht noch einmal widerfährt !“, sagte Hailey sehr überzeugend an Komaru gewandt.

Komaru nickte, als wolle er die ihr zustimmen.

Zwischen den beiden hatte sich eine tiefe Verbunding entwickelt, Hailey spürte, sie konnten aufeinander zählen. Es war eine Freundschaft, die schnell aufgebaut wurde und sie jetzt schon sehr stark verband.

Ohne ein weiteres Wort ließ Raphael sie auf das Bett fallen und verließ den Raum.

„Das geht auch Vorsichtiger!“, beschwerte sich Hailey und rieb sich die schmerzende Wirbelsäule.

„Meinst du ich habe den Auftrag noch?“ „Ich glaube ja! Raphael scheint beeindruckt von dir zu sein.“ „Wie kommst du darauf?“ „Siehst du noch. Aber ich glaube, du solltest erst mal was essen!“, sagte Komaru lächelnd und reichte ihr seine Hand.

Langsam führte Komaru sie in den nächsten Raum.

 

„Sie will den Auftrag!“ „Bist du dir sicher dass Sie ihn annehmen kann?“ „Michael, ich bin mir mehr als sicher dass sie ihn ausführen kann!“, antwortete Raphael bestimmend.

Die beiden Erzengel standen sich gegenüber. Man konnte in der Luft die Anspannung sehen, die, die zwei ergriffen hatten.

„Ich denke sie steckt tiefer in der Sache drinnen als wir denken. Sonst hätte sie nicht gewusst wie Luzifer aussieht!“ „Du hast doch aber auch gesehen, dass sie wie in Trance war.“ „Es schienen eher nach Erinnerungen, Raphael!“, antwortete ihn Gabriel.

Keiner der Engel hatte sich gerührt.

Leise sagte Michael:„ Gut, sie bekommt den Auftrag. Jemand sollte jedoch auf sie achten.“ „Das wird Komaru übernehmen!“ „Komaru ist verliebt… Vielleicht ist er dadurch wirklich der beste Aufpasser für sie!“, sagte Michael und verließ den Raum.

Raphael spannte seine Muskeln an. Dieser kleine S atz hatte ihn herausgefordert, sehr sogar.

Was war nur los mit ihm?

Er machte sich langsam auf den Weg in den Speisesaal.

Raphael hörte Haileys lachen schon von der Tür aus. Es klang wunderschön wenn sie lachte, so rein und klar und ohne Lügen.

„…du bist unmöglich!“ „Aber wenn ich es dir sage. Die Zofe von Marie Antoinette war ein Vampir und sie war eine sehr, sehr gute Liebhaberin!“, sagte Komaru und zwinkerte Hailey kichernd zu, als Raphael den Raum betrat. 

Beide verstummten, als sie Raphael sahen.

„Komaru, lass uns alleine!“, forderte Raphael.

Komaru verbeugte sich vor seinem Meister und verließ den Raum. Er hatte das leichte knurren in Raphaels Stimme gehört und wollte ihn nicht noch mehr reizen.

Nun waren Raphael und Hailey alleine. Die Anspannung, die sich zwischen Raphael und Hailey bereits aufgestaut hatte, wurde nun unerträglich.

Eine unangenehme Stille hatte sich zwischen ihnen ausgebreitet.

„Wie wurde entschieden?“, fragte sie um die unangenehme Situation zu beenden.

„Du hast den Auftrag!“ „Gut, dann bring mich am besten Nachhause, dann beginne ich mit meiner Arbeit!“ „Du solltest etwas schlafen!“ „Schlafen kann ich wenn ich Tod bin. Außerdem schlafe ich prinzipiell auch nur Zuhause!“ „Hast du etwa Angst, kleine Hailey?“, fragte Raphael leise.

Seine Augen blickten über das Weinglas, das er gerade zum trinken ansetzte. Hailey hatte einen Kloß im Hals.

Was war das den für eine Frage?

Sie und Angst… Angst würde sie das nicht nennen, eher Respekt, aber wenn es sein musste würde sie gegen ihn Kämpfen!

„Würdest du mir denn gefährlich werden?“, forderte Hailey ihn heraus.

„Weiß ich nicht! Aber wenn ich es werden sollte, wird es anders sein, als du denkst!“, sagte er und trank erneut einen Schluck. Er ließ Hailey nicht aus den Augen.

Hailey schluckte. Ihr Herz schlug wie verrückt gegen ihren Brustkorb.

Bevor er sie erneut ansprechen konnte stand Hailey auf und lief Richtung Tür. Im laufen sagte sie:„ Ich werde Komaru bitten mich zurück zu bringen!“

Doch bevor sie den Türgriff nach unten drücken konnte, spürte sie ihn dicht hinter sich. Zu dicht für ihren Geschmack!

Danach geschah alles wie in Zeitlupe.

Noch während Hailey sich duckte und ihre Handklinge aktivierte, versuchte Raphael nach ihr zu greifen, doch Hailey hieb ihm die Klinge ins rechte Bein. Im selben Moment griff Hailey mit der linken Hand nach den Türgriff, drückte ihn nach unten und begann zu rennen.

Hinter sich hörte sie Raphaels stöhnen und fluchen.

Durch die Hektik und den schnellen Sprint, verfing sich jedoch Haileys Fuß im Teppich und sie verlor das Gleichgewicht und fiel nach vorne.

Intuitiv griff sie mit ihrer linken Hand an ihren Gürtel, um erneut eine Waffe zu ziehen. Raphael war bereits hinter ihr und so zog sie einen ihrer Säbel aus der Scheide. Hailey drehte sich auf den Rücken, in dem Moment wo Raphael auf ihren Beinen saß und ihren rechten Arm am Boden fest drückte, hielt sie ihm die Klinge an den Hals.

„Das nenne ich eine Patt Situation!“, sagte Hailey.

Raphael lachte leicht.

„Mädchen, überlege dir was du tust, früher oder später könnte es tödlich für dich enden!“, sagte Raphael und beugte sich soweit vor, wie Hailey es zuließ.

Haileys Herz schlug wild, ungleichmäßig und ihr Atem ging stoßweise. Sie war alles andere als ruhig.

Dann sagte Raphael:„ Vertraue niemanden, niemanden außer deinem Komaru, nicht einmal mir. Falls du dies doch tun solltest, kann ich dir nicht sagen was passieren wird!“, dann stand er auf und ging.

Hailey schaute ihm verstört hinterher.

Was sollte das heißen, sie solle nicht einmal ihm vertrauen?

Komaru stand, vom Lärm alarmiert, bereits bei ihr und half ihr auf.

Keiner der beiden wollte etwas sagte und so kam es, dass Komaru sie nahm und wortlos nachhause flog.

Hailey hing während des Fluges ihren Gedanken nach und schwand immer mehr in ihre Träumereien.

Ihre Träume waren verwirrend.

Sie träumte von Engeln und Monstern und vor allen von Raphael.

„Vertraue niemanden… Nicht einmal mir…“, waren seine Worte, immer und immer wieder.

Sein Gesicht war unscharf, es war verschwommen, doch seine Augen...

Diese graublauen stechenden Augen sahen sie unentwegt an. Er schaute nicht eine Minute weg. Er schien nicht einmal zwinkern zu müssen.

Schweißgebadet und mit Herzklopfen erwachte Hailey in ihrem Bett.

Wie und wann war sie eingeschlafen und in ihr Bett gekommen?

Hailey wusste nur noch, dass Komaru sie nachhause geflogen hatte.

Anscheinend war sie bereits in Komarus Arme eingeschlafen.

Seufzend ließ sie sich zurück in die Kissen fallen. Sie dachte an Raphael, wie er sie festgehalten hatte und anschaute dabei, gestern, bei ihren kleinen Kräftemessen. Ein kalter Schauer lief, bei dem Gedanken daran, über ihren Rücken und es schüttelte sie.

Während sie auf ihren Kissen lag, lauschte sie nach einem Geräusch in der Wohnung.

Es war still. Anscheinend war niemand daheim. Leyla war sicher wieder einkaufen und ihre Mutter hatte etwas von einem Shooting erzählt. Sie war also alleine.

Sie griff nach ihrem Handy und wählte die Nummer der Agentur.

„Hailey, endlich! Ich dachte schon du meldest dich nicht mehr. Also, erzähl was gestern los war!“, sagte Ash.

Sie war erleichtert, mehr als erleichtert.

Ash war sofort nach dem ersten Klingeln am Handy gewesen und Hailey hörte förmlich wie ihr der Stein vom Herzen fiel.

Hailey holte tief Luft und erzählte ihr dann von den verwirrenden Erlebnissen des vergangenen abends.

„…Komaru hat mich dann nachhause gebracht und da bin ich wohl eingeschlafen, denn ab da weiß ich nichts mehr.“ „Willst du den Auftrag wirklich annehmen?“ „Ja!“, antwortete Hailey überzeugt.

„Ok. Dann müssen wir das Beste draus machen! Ich sage James Bescheid, dass er sich ein paar ordentliche Waffen einfallen lassen soll!“, antwortete Ash, irgendwie enttäuscht.

Sie hatte scheinbar gehofft, Hailey würde den Auftrag nicht annehmen.

Nachdem sie fertig waren mit ihrem Gespräch verabschiedete sich Hailey von Ash.

Sie musste nachdenken.

Raphael…

Dieser Erzengel ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Noch immer sah sie seine Augen vor sich und spürte seine Hände, an ihrem Arm.

Ein kalter Schauer lief über ihren Rücken.

Abwesend schüttelte Hailey den Kopf. Irgendwie musste sie wieder klar darüber denken können. Sie durfte nicht an diesen Erzengel denken, er konnte sie mit einen Finger schnipsen zerstören oder gar umbringen. Doch es gelang ihr nicht den Gedanken an ihn abzuschütteln.

Ihr Herz schlug schneller je länger sie an Raphael dachte.

Langsam schwang sie ihre Beine aus dem Bett und streckte sich. Sie bereute diese Bewegung jedoch im selben Augenblick. Ihre angespannte Rückenmuskulatur rächte sich schmerzhafter weise für Raphaels ungebührliche Behandlung. Hailey erinnerte sich wie er sie gestern Nacht zu Boden gedrückt hatte. Scheinbar hatte er mehr Kraft angewendet als ihr vorher bewusst gewesen war. Es war ihr vorher nicht so schmerzhaft vorgekommen.

Hailey ging geradewegs ins Bad und zog ihr T-Shirt aus, um ihre Schulter besser sehen zu können. Die linke Seite war wirklich leicht blau und man konnte an ihrem Arm erkennen wo Raphael ihn festgehalten hatte. Doch aus den Augenwinkeln sah sie noch etwas anderes.

Haileys Augen weiteten sich vor Schock. Ihr war, als würde sich eine kalte Hand um ihre Kehle legen und zudrücken.

Das was Hailey am vergangenen Tag für blaue Flecken gehalten hatte, hatte sich weiter herausgebildet. Es waren keine blauen Flecken. Zeichen in einer anderen Sprache schlängelten sich an Haileys Wirbelsäule herunter.

Es schienen hebräische Buchstaben zu sein.

Seit sie mit diesem Engel, Komaru, in Kontakt gekommen war, geriet ihr Leben immer mehr aus den Fugen

Ihr Körper zitterte vor Anspannung.

Was ging hier vor?

Mit unsicheren Schritten ging sie zur Dusche und stellte das kalte Wasser ein. Das kühle Nass erfrischte ihren zitterigen Körper und schien ihren Geist neu zu beleben.

Doch die Schmerzen, die sich durch ihre Schulter zogen, ließen einfach nicht nach.

Ihre Muskeln schienen hart zu sein, verkrampft, wie bei einem Muskelkater. Sie konnte sich jedoch an kein Ereignis in den letzten Tagen erinnern was sie derart angestrengt hatte.

Als sie sich wieder angezogen hatte und in ihrem Zimmer stand, sah sie einen der Erzengel. Er schwebte vor ihrem Fenster und sah ihr direkt in die Augen.

Haileys Herz begann vor Aufregung wie wild zu schlagen. Ihre Knie wurden weich und sie hatte das Gefühl sie würden jeden Moment nachgeben.

Alleine sein Anblick reichte aus und Hailey wurde heiß. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. Das Gefühl von Sehnsucht und Furcht ergriff sie wieder, dass sie den gesamten Morgen über begleitet hatte. Sein Blick schien sich in den ihren zu bohren. Er nahm ihr gesamtes Blickfeld ein. Haileys Herz raste. Sie bewunderte es, wie er ohne Hilfsmittel vor ihrem Fenster schwebte. Jeder konnte ihn von der Straße oder von den Häusern und Dächern der Umgebung sehen. Was ihn jedoch nicht im mindesten zu stören schien.

Ohne einen Ton von sich zu geben, formte sie mit den Lippen seinen Namen:„ Raphael…“

Er starrte sie an, als hätte er sie gehört. Doch er rührte sich nicht. Er flog weder davon, noch kam er näher.

Nur langsam wagte sich Hailey nach vorne, an die Scheibe, auf ihn zu. Auch jetzt regte er sich nicht. Er verfolgte jede Bewegung Haileys mit den Augen.

Wie bei ihrem ersten Treffen, bewunderte Hailey nicht nur seine Flügel, sondern seine ganze Ausstrahlung. Vorsichtig, als könnte sie mit samt Raphael zerspringen, legte Hailey ihre Handflächen auf die Fensterscheiben. Sie konnte ihn jetzt fast körperlich spüren, so nah waren sie sich.

Doch gerade als sie ihn fragen wollte was er hier suchte hörte sie ein dumpfes Geräusch hinter sich.

Fluchend fuhr Hailey herum und konnte gerade noch einen Schatten wahrnehmen. Sie hatte das Entsetzen in Raphaels Gesicht gesehen und war sehr beunruhigt.

Was hatte ihn so erschreckt?

Geduckt lief Hailey zu ihrem Bett, wo ihre Handklinge lag und schnallte sie sich um.

Der Dolch unter ihrem Kissen, so wie die kleine Pistole steckte sie an ihren Gürtel. Auf Zehenspitzen schlich sie zur Tür.

Es war aber niemand zu sehen.

Vorsichtig tastet sie sich weiter vor, noch immer war niemand zu entdecken.

Als sie in der Wohnstube ankam, sah sie das alles durchwühlt worden war. Schubfächer waren aufgerissen worden, Dokumente und Bücher lagen zerstreut auf dem Boden.

Erneut war ein Geräusch zu hören. Es kam aus dem Zimmer ihrer Mutter.

Leise schlich sie weiter. Sie achten darauf mit ihren nackten Füßen keinen laut zu erzeugen und unbemerkt zu bleiben.

Was Hailey dann aus dem Augenwinkel heraus sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Sie spürte dass ES ein Vampir war, aber es hatte keinerlei Ähnlichkeiten mit einem.

Sein Gesicht war von Blasen und Geschwüren übersät. Das, was einmal seine Nase gewesen war, wirkte wie ein angenähter Fleischblock. Seine Augen wirkten wie kleine Knöpfen, die rot leuchteten, aber sie besaßen keinerlei Pupillen. Seine Körperhaltung zeigte einen unnormalen Buckel, der seine gesamte Körperhaltung dominierte. Sein Gang schien abgehackt, als hätte er ein steifes Bein, dass ihn behinderte. Das schleifende Geräusch seines lahmenden Beines verursachte bei Hailey eine Gänsehaut, die sich über ihren gesamten Körper zog.

Es stank überwältigend nach Verwesung, je näher Hailey der Kreatur kam.

Sie wollte versuchen ihn zu überwältigen, denn sie wusste nicht wie Stark dieser Vampir trotz seiner körperlichen Einschränkung war.

Hailey verlagerte ihr Gewicht auf den rechten Fuß um für einen Sprung Schwung zu nehmen. Sie landete mit einem Satz direkt hinter dem Vampire. Sie legte ihren Dolch um seine Kehle oder das, was sie für eine Kehle hielt.

„Gib einen Mucks von dir und ich werde dich töten!“, zischte Hailey in sein verkümmertes Ohr.

Der Vampir atmete schwer und sein Gestank trieb Hailey die Tränen in die Augen. So etwas Widerliches hatte sie noch nie erlebt.

„Wer bist du und was suchst du in meiner Wohnung?“, fragte Hailey.

Sie drückte die Klinge noch etwas mehr an seine Kehle. Er schluckte schwer.

Mit einer rauen Stimme antwortete er:„ Ich bin Marbas, ein Diener des Teufels!“

Noch bevor Hailey reagieren konnte, hatte er sich aus ihren Griff befreit und drehte sich zu ihr. Hailey begann zu würgen. Der Vampir oder was auch immer es war, stank nicht nur bestialisch nach Verwesung, sondern auch nach Tod und alten Blut.

Panik stieg in ihr auf. Ihr Atem ging stoßweise und sie musste gegen die Tränen ankämpfen, die der Gestank ihr in die Augen trieb. Mit einen Ruck löste sie sich aus ihrer Starre.

Wo war denn dieser blöde Engel, wenn man ihn wirklich mal brauchte?

Hailey ließ sich in die Hocke fallen und trat ihn das verkrüppelte Bein. Sie setzte nach und trat besonders hart vor das nicht schleifende Bein. Er knurrte und versuchte nach Hailey zu greifen, als er auf sein Knie fiel, doch Hailey drehte sich weg und sprang auf. Sie nahm Schwung und schlug ihm die Klinge in den Buckel. In dem Moment, als sie den Boden berührte, zog sie ihre Pistole und zielte auf Marbas.

Doch Hailey schoss nicht.

Sie konnte nicht.

Ein Mann mit schwarzen Haaren und eiskalten blauen Augen starrte sie an. Er lächelte ihr boshaft zu. Haileys Herz schlug, als sie in ihm den Mann aus ihrer Vision im Schloss der Engel erkannte wie wild. Ein langsam anschwellender Pfeifton dröhnte durch ihren Kopf. Hailey hatte das Gefühl, ihr Kopf würde zerspringen und ein bohrender Kopfschmerz zwang sie in die Knie. Doch Hailey kämpfte dagegen an. Das Pfeifen wurde schlimmer, doch als Hailey sich mit beiden Händen an ihren Revolver klammerte, kehrte ihr Mut zurück.

Sie zielte auf den Mann, doch trotz der offensichtlichen Bedrohung, veränderten sich seine Gesichtszüge nicht.

Auch als Hailey schoss, lächelte er ruhig weiter. Hailey hörte die Patrone neben sich auf den

Boden fallen und mit einem hellen Schein, flog die Kugel auf den Fremden zu und bohrte sich in seinen Körper.

Doch im selben Moment hörte sie wie das Projektile in der Wand einschlug.

Der Fremde blutete stark, doch er lächelte nach wie vor.

Plötzlich erstarb sein Lächeln und er machte eine Handbewegung, als würde er jemanden grüßen.

Hailey spürte wie ihr schwindlig wurde. Sie hörte das Blut in ihren Ohren rauschen und es wurde schwarz um sie herum. Hailey spürte wie sie zu Boden fiel.

 

„Hailey… mein Gott, Hailey, wach auf!“, sagte eine aufgeregte Stimme, dich neben ihrem Ohr. Jemand schüttelte sie leicht.

 Als Hailey blinzelnd aufsah, sah sie die besorgten Augen von Komaru. Sein dunkles Haar hing in Strähnen vor seinem Gesicht. Seine Augen schimmerten feucht.

„Komaru…“, flüsterte Hailey leise und richtete sich auf. Ihr Kopf schmerzte.

Sie griff sich mit der Hand an die Schläfe und stellte fest das dort getrocknetes Blut klebte.

„…Was machst du hier?“ „Raphael hat mich geschickt! Ich dachte erst ihr hättet wieder ein kleines Kräftemessen. Als ich aber in deiner Nähe war habe ich gemerkt das etwas nicht stimmt“, sagte er besorgt.

Er hatte gespürt was los ist?

Hailey erinnerte sich kurz an ihn gedacht zu haben, als die Kugel in die Wand einschlug.

Als Hailey versuchte aufzustehen, legte Komaru vorsichtig seinen Arm um ihre Schultern und stützte sie.

„Ich habe ihn wieder gesehen, Komaru!“ „Wen hast du gesehen?“, fragte Komaru verwirrt.

Hailey begann bei der Erinnerung an ihn zu zittern wie Espenlaub.

„Ihn, denn Mann mit den schwarzen Haaren und diesen eiskalten blauen Augen…“, klärte sie Komaru auf. „Ich habe ihn gesehen, dass erste Mal, als ich bei euch war… und dann heute wieder. Und ich habe ihm im Traum gesehen. Wer ist er? Ich habe das Gefühl, er verfolgt mich…“, sagte Hailey leise.

An Komarus Schulter fühlte sie sich geborgen und sicher. Er strahlte eine Ruhe aus, die Hailey allmählich zu lieben begann.

„Das ist durch den Stress denn du dir selber machst. Als ich hier ankam habe ich nur den Dämon verschwinden gesehen!“, beruhigte Komaru sie. „Was hatte er gesucht?“ „Ich weiß es nicht! Er hatte das Buch mit einem Ledereinband in den Fingern. Das ist glaube ich, Mutters alte Tagebuch gewesen.“, sagte Hailey leise.

Auf Komaru gestützt, lief Hailey zu dem Buch das der Dämon achtlos auf den Boden geworfen hatte. Liebevoll hob sie es. In den dem Moment, wo sie es an den Einband hielt, rutschte eine Zeichnung zwischen den Seiten hervor. Was Hailey auf diesem Blatt sah traf sie wie ein Schlag.

„Hailey...“, sagte Komaru und schaute sie an.

Der Mann auf der Zeichnung war der Mann auf dem sie vor wenigen Minuten geschossen hatte.

Ihr Brustkorb hob und senkte sich vor Aufregung.

Komaru stand hinter ihr und schaute sich die Zeichnung an, die Hailey auf ihre Beine gelegt hatte, nachdem sie auf dem Boden saß. Haileys Hände zitterden noch immer, doch sie sagte mit fester Stimme:„ Lass uns in mein Zimmer gehen!“.

Langsam und mit Komarus Hilfe schaffte sie es aufzustehen. Sie fühlte sich als wäre sie einen Marathon gelaufen. Ihre Beine zitterten wie Wackelpudding.

Als sie in Haileys Zimmer ankamen, nach einer gefühlten Ewigkeit, ließ sie sich, mit Komarus Hilfe, auf dem Sofa nieder. Besorgt sah er sie noch einmal an, eh er sich zu ihrem Bett drehte, die Decke nahm und sie Hailey über die Beine legte.

Hailey strich sanft über den abgegriffenen Ledereinband. Sie schämte sich, die Privatsphäre ihrer Mutter so zu verletzten, doch sie musste es lesen. Sie musste erfahren was Viktoria über diesem Mysteriösen Mann wusste.Es war beruhigend für sie das Komaru neben ihr saß und sie hielt.

Mit klopfendem Herz schlug sie das Buch auf und begann zu lesen.

„15.Oktober 1989 – Er war verschwunden. Er war nur diese eine Nacht mein Gefährte gewesen. Seine Verletzungen waren sehr schlimm, da man ihm die Flügel genommen hatte. Er war ein Gefallener und sein Name war Luzifer. Er hat mir seine Geschichte erzählt, alles, und ich möchte sie für ihn niederschreiben!“, las Hailey.

Komaru zog hörbar die Luft ein. Hailey sah ihn überrascht an.

„Was ist los?“ „Ließ erst fertig, es scheint nur diesen Eintrag zu diesem Thema zu geben!“ „Ok…“, mit zittrigen Händen las Hailey weiter:„ Er war eins ein mächtiger Engel, doch seine Macht reichte ihm nicht. Luzifer wurde gestürzt von Raphael und Michael. Michael nahm daraufhin seinen Platz ein. Man verbannte ihn auf die Erde, Luzifer, wo er für immer Leben sollte und sie nahmen ihm seine Flügel.

Es war die Nacht in der ich ihn fand, mit ihm schlief und meine zwei kleinen Wunder geschenkt bekam…

Hailey sah ihn an.

Was sollte das bedeuten?

Komarus Gesicht, das sonst so rein und freundlich war, schien wie versteinert.

Vorsichtig drehte Komaru sich zu ihr und sah Hailey in die Augen. Es schien, als müsse er überlegen was er als nächstes tat. Hailey folgte mit ihren Augen seinen Händen, als er nach ihren griff und sanft über ihre Knöchel strich.

„Ein Teil dessen, was heute ans Licht kam, sollte unter uns bleiben.“ „Komaru?“ „Du bist eine Nephilim.“, sagte Komaru sanft.

Haileys Augen weiteten sich.

Sie gehörte zu den gejagten… Ihr Atem ging zu schnell und sie hatte das Gefühl sie würde jeden Moment den halt verlieren. Es war als würde die Welt über ihr zusammenschlagen. Ihr Herz schlug zu schnell, zu wild und das Blut in ihren Ohren rauschte. Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Hailey wusste nicht ob sie weinen, schreien oder lachen sollte.

Komaru, der inzwischen sehr nah bei Hailey saß, löste seine Hände von ihr und zog sie in seine Arme. Beruhigend strich er über ihren Rücken.

Nur sehr langsam beruhigte sich Hailey wieder. Sie war sich der Nähe Komarus bewusst und sie war ihr nicht unangenehm. Langsam drückte Komaru sie wieder ein Stück zurück und sah sie an, eh er sagte:„ Hailey… Ein Nephilim ist ein Engel. Er ist kein Gefallener, sondern ein halber Engel. Im Grunde bist du besser als jeder von uns. Du hast die Menschlichkeit deiner Mutter und die Macht der Engel und deren Unsterblichkeit. Die Menschen wussten nicht was ihr seid. Sie hielten euch für Monster, weil es vor 100rten Jahren einen Zwischenfall gab. Luzifer wird alle 100 Jahre aufs Neue für sein Vergehen bestraft. Immer dann wählt er eine Frau um mit ihr Zwillinge zu zeugen. Er hat es oft versucht, doch nur einmal vor dir und Leyla geschafft. Eure beiden Vorgängerinnen führten einen Krieg in England und Frankreich. Das Licht verkörperte eine junge Frau aus Frankreich!“ „Der 100jährige Krieg…“ „Genau. Jeanne kämpfte gegen den Mann ihrer Schwester. Sie siegte über ihn und Luzifer wurde zurückgedrängt… Doch Jeanne wurde verbrannt, da man ihre Flügel für einen kurzen Moment gesehen hatte, als sie ihre Heimat verteidigte. Die Rüstung hatten sie nicht verdecken können.“ „Wer ist Luzifer?“, fragte Hailey leise.

„Luzifer war der erste Engel Gottes und sein ganzer Stolz. Seine Macht war unermesslich. Aber ihm reichte diese Macht nicht aus. Er bildete sich auf seine Stellung viel ein und lehnte sich gegen Gott auf. Luzifer zog viele der Engel durch seine honigsüße Stimme und seinen Versprechen auf seine Seite.

Es dauerte auch nicht lange und der erste Angriff erfolgte, von Luzifer und seinen Scharen.

Raphael stellte jedoch seine eigene Armee auf, zusammen mit Michael, Gabriel und Uriel.

Sie bekriegten sich einander, über Jahrtausende und es war kein Ende in Sicht. Bis Raphael es schaffte, Luzifer seine Flügel und somit seine Ehre als Engel zu nehmen. Aber man verbannte ihn und seine Jünger zur Strafe auf die Erde.

So kam es, dass Nephilim geboren werden konnten.“, erklärte Komaru.

Seine Augen waren trüb und zeigten Trauer. Etwas beschäftigte ihn.

Vorsichtig drehte Hailey ihr Gesicht, bis sie ihn genau anschauen konnte. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihren Lippen und ein kalter Schauer glitt ihren Rücken hinunter.

„Komaru, was beschäftigt dich noch?“, fragte Hailey leise.

Die Wärme in seinen Augen kehrte zurück und er schüttelte den Kopf.

Vertrauensvoll legte Hailey ihren Kopf an seine Schulter und schloss die Augen.

Der Kampf, die Geschichten und Enthüllungen hatten den gesamten Tag gedauert und noch immer war niemand zuhause.

Mit der Zeit wurde Haileys Atem immer ruhiger und sie konnte ihre Augen nicht länger offen halten. Sie war eingeschlafen. Leicht küsste Komaru ihre Stirn und genoss es, diesen kleinen, einzigartigen Nephilim in seinen Armen halten zu können.

Keiner der beiden hatte Raphael bemerkt, der von einem der Fenster zu ihnen herüber sah.

Doch Raphael schwebte nicht länger als nötig vor dem Fenster, eh er sich auf dem Weg zurück zum Engelsturm machte.

Als Raphael den Engelsturm betrat wartete Damien bereits auf ihn.

„Was ist denn mit dir los? Du siehst aus als würde etwas nicht nach deiner Nase gehen!“, stellte Damien kichernd fest.

Der Vampir war nicht nur Raphaels Untergebener sondern auch sein Freund. Er war einer der wenigen der Raphael schon sehr lange kannte und aus diesem Grund nahm Raphael ihn und seine Sticheleien nicht zu ernst.

„Diese Frau… Das Mädchen, sie macht mich wahnsinnig!“ „Welche von den vielen?“ „Damien… übertreib es nicht! Hailey… Sie fasziniert mich. Sie ist die erste Frau die sich mir gegenüber sträubt, die nicht sofort in Ohnmacht fällt wenn sie mich sieht!“ „Naja, so wie du sie bei eurem ersten Treffe behandelt hast…“, erinnerte Damien ihn.

Langsam löste sich der Vampir aus dem Schatten und trat auf ihn zu. Sein fast kahl geschorener Kopf war sein Markenzeichen. Damien war vor seiner Wandlung zum Vampir der Armee, als Trainer. Heute machte er alles für Raphael, dem sein logisches Denken und seine schnell entwickelten Strategien sehr oft von nutzen waren. Aber auch in Herzensangelegenheiten, war er sehr hilfreich. Scheinbar würde er Raphael auch heute wieder mit seinem Wisssen zur Seite stehen.

Damien war das, was nach menschlichem Ermessen als schön gelten könnte. Er war schlank, groß gewachsen und leicht muskulös. Seine Haare waren rabenschwarz und seine Augen schimmerten wie flüssiges Silber in dem man ein Farbtupfer violett verloren hatte. Keine Frau konnte ihm widerstehen, jede verfiel seinen Charme.

Der schwarze Anzug stand ihm ausgezeichnet und betonte seine schlanke Figur. Er war das was Raphael unter einen attraktiv Mann verstand, nichts überhebliches, sondern schlicht und einfach.

„Komaru verbringt die meiste Zeit mit ihr!“ „Er ist ja auch verliebt Raphael…“ „Das weiß ich selber…“, knurrte Raphael.

Langsam lief Damien zu Raphael und sagte:„ Hailey wird sich absetzten. Sie meinte zu Komaru, sie muss das alles erst mal verarbeiten.“ „Was muss sie verarbeiten?“ „Ich weiß es nicht. Dass musst du Komaru fragen.“, antwortete Damien gelassen.

Er hatte noch nie erlebt das eine Frau es geschafft hatte Raphael derart aus der Ruhe zu bringen. Sie musste etwas besonderes sein. Im Stillen nahm er sich vor sie bei der nächsten Gelegenheit selbst unter Augenschein zu nehmen. Damien wusste das Komaru wie ein treuer Hund über sie wachte. Nur sollte Raphael dies lieber nicht erfahren.

Damien war sich sicher das Komaru niemanden verraten würde wo Hailey sich aufhalten würde. Die beiden verband etwas besonderes, ein Band das man nicht mehr trennen konnte. Komaru spürte es, wenn es Hailey nicht gut ging, wenn sie Angst hatte, sich alleine fühlte oder sie sich freute. Es war ein Band zwischen ihnen, dass keiner erklären konnte und wahrscheinlich auch keiner so recht verstand. Komaru schien Haileys Schutzengel zu sein, seit dem Moment, als er sie das erste Mal gesehen hatte.

Doch schien dies noch lange nicht alles zu sein. Manchmal hatte Damien das Gefühl, das Raphael ihm etwas verheimlichte.

„Raphael, warte doch bis sie zurück ist und rede dann mit ihr!“, sagte Damien ruhig.

Erst jetzt spürte er das noch jemand im Raum war.

Yersina…

Sie hatte die Unterhaltung verfolgt und Damien spürte ihren aufflammenden Hass für Hailey.

Yersina war einst Raphaels Geliebte gewesen. Doch er hatte sehr schnell das Interesse an ihr verloren. Sie war zu gefügig gewesen.

Yersina trat aus den Schatten und sah Raphael an. Ihr langes, blondes, gelocktes Haar lag als Zopf zusammengebunden auf ihrem Rücken. Ihre Schultern waren gestrafft. Sie trug nur ein schwarzes Negligee aus Seide.

„Meister… Ihr seid noch wach? Soll ich Euch in euer Zimmer begleiten? Ihr seht erschöpft aus.“, fragte sie mit einer honigsüßen Stimme und einem verführerischen Blick durch ihre langen schwarzen Wimpern. Damiens Augen streiften sie kurz kalt und erbarmungslos, ehe er sich Raphael wieder zuwandte. Er hielt nicht viel von ihr.

„Meister?“, fragte er amüsiert.

„Lasst mich doch einfach in Ruhe. Alle beide!“, fluchte Raphael, drehte sich um und ließ das ungleiche Paar allein zurück.

Es war alles zu viel für ihn. Die Sache mit Hailey, ihr Auftrag und jetzt die beiden Nervensägen. Raphael brauchte Abstand und so verließ er den Turm wieder.

Es vergingen etliche Stunden, bis er wieder zum Engelsturm zurückkehrte und während er durch die einsamen Hallen lief spürte er das einer seiner Engel meditierte. Es war Komaru. Unweigerlich musste er an ihn und Hailey denken.

Er hatte durch Zufall erfahren das sich Hailey abgesetzt hatte und nur Komaru wusste wo sie war. Aber Raphael konnte sich denken das Komaru ihm niemals ihren Aufenthaltsort preisgeben würde.

Er musste unbedingt mit Komaru reden.

Was wäre wenn Hailey plötzlich etwas passieren sollte? Es könnte niemand eingreifen.

Als er vor der Tür zum Meditationsraum stand, hörte er Komaru.

„…Solange du entspannen kannst… Naja, je nachdem was noch alles erledigt werden muss… Kann ich dir mitbringen! Alles klar, bis dann!“, hörte er Komaru sagen, bevor seine Stimme verstummte.

„Lauscht du immer bei den Telefonaten von anderen?“, fragte Komaru Raphael, der noch immer still vor der Tür stand.

Ohne auf die Frage zu achten betrat dieser den Raum.

Was interessierte es ihn eigentlich was zwischen den beiden war. Er war mächtiger und klüger als jeder andere. Er Raphael war einer der vier Erzengel.

„Wo ist sie?“ „Das darf ich nicht sagen, ich habe es ihr versprochen!“, antwortete Komaru knapp.

Raphael biss sich auf die Lippe.

„Sollte ihr irgendwas passieren, während sie verschwunden ist, wirst du dafür gerade stehen müssen!“ „Ihr wird nichts geschehen. Niemand außer mir weis wo sie sich aufhält und so wird es bleiben!“, sagte er. Komarus Stimmer war hart und zeigte Raphael, egal was er sagen würde, er würde seine Meinung nicht ändern.

Er ballte die Fäuste und versuchte sich zu beruhigen. Die Dreistigkeit Komarus sich ihm zu widersetzen, ließ ihn kochen vor Wut.

Stumm verließ er den Raum, doch vor der Tür wartete er und lauschte.

Mehrere Minuten vergingen, doch es geschah nichts. Komaru rief sie nicht noch einmal an.

 

„Ich finde das hier langsam nicht mehr lustig! Mir ist Langweilig! ... Ja toll, wann soll das sein? Nächstes Jahr?“, fragte Hailey sarkastisch.

Sie hörte Komaru lachen.

„…Na dann ist ja gut! Ich gehe heute Nachmittag ein Stück laufen und dann werde ich etwas trainieren… Naja, sicher ist sicher, sagt Ash immer… Natürlich! Sieh nur zu das du bald hier bist, ich gehe sonst ein… Ok. Bis dann!“, sagte sie und legte auf.

Langsam streckte sie ihre steifen Gliedmaßen und stand auf.

Dafür dass dies nur ein Waldhäuschen war, war es sehr komfortabel eingerichtet. Sie hatte hier ein riesiges Bad, mit Dusche und einer Wanne.

Wenn man das Haus verließ, hatte man einen zweiten Eingang, zu einem Trainingsraum, den Hailey nur zu gerne nutzte.

Ihr erster morgendlicher Gang führte sie jedoch ins Bad, sie musste ihre Wirbelsäule kontrollieren. Zuerst waren die Zeichen nur leichte Schatten gewesen doch inzwischen waren sie fast schwarz. Es schien als würden sie von Stunde zu Stunde dunkler werden.

Es war ein seltsames Gefühl, wenn sie sich diese merkwürdigen Zeichen betrachtete.

Ohne weiter darüber nachzudenken zog sie sich ihre Trainingskleidung an und befestigte ihre Waffen an dem Gürtel und ihrem Handgelenk.

Als sie im Trainingsraum stand begann sie zu meditieren.

Was machten ihre Mutter und Leyla? Passt jemand auf sie auf, wenn sie nicht bei ihnen war? Sie fühlte sich schuldig, dass sie sie einfach alleine gelassen hatte. Aber es ging momentan nicht anders

Immer wieder kam ihr der Gedanke: Vielleicht wären die zwei besser dran ohne sie. Dann müsste sie keine Angst mehr haben das man die zwei einmal angreifen würde, weil man sich an ihr rächen wollte. Leyla und ihre Mutter hätten ein ruhigeres Leben.

Doch sie schweifte ab.

Ihre Gedanken wanderten weiter durch die Erlebnisse der letzten Wochen. Unwillkürlich musste sie an Raphael und Komaru denken

Komaru, ihr Komaru, er war im wahrsten Sinne des Wortes ihr Schutzengel. In seiner Nähe konnte sie sich fallen lassen, sie musste sich keine Sorgen mehr machen und sie brauchte über nichts nachdenken. Seine Augen, die so hell leuchteten wie flüssiger Bernstein erfüllten sie mit so viel Wärme, dass Hailey sich bei ihm einfach wohlfühlen musste.

Raphael hingegen war für sie nicht zu greifen. Auf der einen Seite war er ihr gegenüber grob, brutal und kalt, aber an dem Tag wo sie ihn vor ihrem Fenster gesehen hatte, schien er gelassen zu sein. Fast schon entspannt. Seine graugrünen Augen strahlte so viel Freundlichkeit aus das sie kaum glauben konnte ein und die selbe Person vor sich zu sehen.

Der Erzengel nervte sie gewaltig.

Vorsichtig stand Hailey auf und begann ihre Muskeln zu dehnen. Es war wie ein Tanz, ein Tanz mit sich selbst. Ein Tanz voller Kraft und Energie. Sie bewegte sich wie eine Katze. Schnell, leise, elegant… Hailey wusste wie ihr Körper funktionierte und wusste wann sie was einzusetzen hatte.

Es war seltsam. Bis jetzt hatte sie ihr Kräfte nie wirklich einsetzten müssen. Bis jetzt hatte sie es immer geschafft die Vampire auch ohne großen Kampf zu vernichten. Meist ging es auch nur darum einen Vampir wieder einzufangen und zurückzubringen, doch jetzt wurde es gefährlicher.

Es war als wüsste sie das Vampire ab jetzt ihr kleinstes Problem waren.

Ein Geräusch ließ sie auffahren. Es war leise, leicht und sie konnte das schlagen von Flügeln herausfiltern.

„Komaru!“, rief Hailey lachend und rannte nach draußen.

Sie konnte nicht erklären woher sie wusste das er es war, aber sie hatte es auf irgendeine weise gefühlt.

Hailey rannte durch die Trainingshalle und öffnete hastig die Tür. Komarus feines braunes Haar war durch den Flug zerwühlt und lag strähnig um sein kantiges Gesicht. Hailey fand er wirkte dadurch noch attraktiver als er erst schon war. Sein warmes lächeln hatte wie immer etwas sehr spitzbübisches, als hätte er heimlich einen Streich geplant und doch schien er erleichtert sie wohl auf zu sehen.

Hailey lief auf ihn zu und umarmte ihn stürmisch.

„Ich bin so froh dass du endlich da bist!“, sagte sie, als Komaru die Umarmung erwiderte.

Die Glücksgefühle die sie in diesem Moment durchfluten waren unbeschreiblich.

Zärtlich strich er über ihren Nacken, als er eine Erhebung wahrnahm. Die Zeichen wurden langsam immer deutlicher.

„Lass uns rein gehen, bevor dich jemand sieht. Ich glaube die Leute hier sehen nicht jeden Tag einen Engel!“, sagte Hailey leise.

Es fiel ihr unglaublich schwer ihn loszulassen, aber sie musste es vermeiden das andere ihn sahen.

Gemeinsam liefen sie in das kleinen Häuschen und machten es sich auf dem Sofa gemütlich. Vorsichtig lehnte sich Hailey an Komaru Schulter.

„Deine Zeichen werden immer deutlicher!“ „Ich weiß, sie werden von Tag zu Tag dunkler.“, sagte Hailey, mehr zu sich selbst als zu Komaru. Sie hatte die Augen geschlossen und wollte am liebsten alles vergessen… Dieses seltsame Erbe, die Zeichen… Alles.

Eine unangenehme Stille machte sich zwischen ihnen breit. Keiner der beiden schien zu wissen was er sagen sollte.

Immer wieder setzte Komaru dazu an etwas zu erzählen oder zu fragen, aber nie kamen die Worte über seine Lippen.

Doch hatte die Ruhe, die eingekehrt war zwischen ihnen auch etwas gutes. Denn Hailey war sich Komarus Nähe bewusst. Als Komaru seinen Arm um ihre Schultern legte spürte sie den schnellen schlag seines Herzen. Zusammen, mit Hailey im Arm, lehnte er sich zurück und langsam legte sie ihre Wange an seine Schulter.

Seine Nähe überwältigte sie.

Schon lange hatte sie mit keinen Mann mehr so vertraut zusammen gesessen. Nach Philipp war es ihr unendlich schwer gefallen wieder zu einen Mann Vertrauen zu schöpfen. Es war ungewohnt, aber es tat auch unsagbar gut.

Hailey hatte schon vor langer Zeit vergessen wie es war jemanden zu vertrauen. Dieses Gefühl konnte sie bis vor kurzen für niemanden wirklich aufbringen. Bis Komaru kam.

Es war so einfach ihm zu vertrauen.

Sie spürte wie ihr Herz bei dem Gedanken schneller schlug und versuchte es mit tiefen atmen unter Kontrolle zu bringen. Es funktionierte aber nicht besonders gut, denn Hailey spürte Komarus Hand, die auf ihren Bein lag. Langsam bewegten sich seine Finger und strichen über den Stoff ihrer Hose. Jedoch hatte diese Berührung etwas vertrautes. Es war als würden sie sich seit Jahren kennen.

„Komaru?“, „Ja?“, antwortete er mit ruhiger Stimme. Er hatte die Augen geschlossen.

„…Ich habe Angst!“ „Wieso das?“ „Was ist wenn ich versage, wenn ich die Prophezeiung nicht erfüllen kann?“ „Du wirst es schaffen. Immerhin bist du die stärkste und klügste Kriegerin die ich bis jetzt kennenlernen durfte. Wenn du es lernst mit deinem Erbe umzugehen, dann kannst du gewinnen!“ „Wie viele Kriegerinnen kanntest du?“ „Einige und nicht eine war auch nur annähernd so wie du. Im Grunde waren sie nur ein paar gute Liebhaberinnen!“, antwortete er und zwinkerte Hailey schelmisch zu.

Lachend warf sie ein Kissen nach ihm.„ Du bist unmöglich!“ „Das heißt Krieg!“, antwortete Komaru lachend und warf ebenfalls ein Kissen.

Es entwickelte sich eine ausgedehnte Kissenschlacht. Außer Atem ließ sich Komaru auf die lachende Hailey fallen und begrub sie unter sich.

Die zwei landeten in einem Berg von Kissen und Federn.

Hailey atmete schwer ein, als Komaru auf ihr lag. Ihr Herz klopfte wie verrückt und das Blut rauschte in ihren Ohren. Erst jetzt sah sie wie nahe sie und Komaru sich waren.

Sie spürte wie auch sein Herzschlag sich beschleunigte.

Hailey und Komaru sahen sich tief in die Augen.

Mit ihrer rechten Hand hielt Hailey sich an seinem schwarzen Hemd fest, als wolle sie ihn noch näher an sich ziehen. Alles um sie herum schien vergessen. Sie waren gefangen im hier und jetzt, in diesem Augenblick. Er stützte sich mit seinen Händen zu beiden Seiten ihres Kopfes ab.

Seine großen Flügel hüllten die beiden vollständig in eine Woge von azurblauen Federn ein. Immer wieder streifte er ihre Hände, mit denen sie sich an Komaru klammerte, als habe sie Angst in dem Meer von Federn zu ertrinken.

Langsam löste sie eine Hand und sie strich damit sanft über Komarus Gesicht. Sie konnte spüren, wie er seine Wange in ihre Handfläche drückte. Sie hoffte dieser kleine Augenblick würde nie vergehen.

Es war ein komisches Gefühl. Pure Aufregung und kindliche Neugier.

Zu einer anderen Zeit hatte sie keine Sekunde gehabt um Nachzudenken. Aber die kindliche Neugier die damals von ihr Besitz ergriffen hatte, füllte sie auch heute aus.

Doch auch ein anderes Gefühl ergriff sie, was sie noch nicht greifen konnte. Sie war zu sehr auf Komaru konzentriert.

Vorsichtig beugte sich Komaru zu ihr hinunter, Millimeter um Millimeter.

Zärtlich legten sich seine Lippen auf die ihre und die erste Berührung war wie der Schlag eines Blitzes. Seine Lippen waren sanft, vorsichtig und nicht drängend. Keiner der beiden hatte damit gerechnet dass sie sich jemals so nahe kommen würden. Die Gefühle die durch Hailey strömten waren unbegreiflich. Glück, Zufriedenheit, Vollkommenheit und irgendwie auch Unsicherheit.

Langsam öffnete sie ihre Lippen und erwiderte seine Berührung. Sie spürte wie seine Zunge langsam ihren Mund erkundete. Es war wie der Tanz eines Schmetterlings, als sich ihre Zungen berührten. Der Kuss war zart, unschuldig und rein. Seine Flügel legten sich fester um sie, als wolle er sie vor ungewollten Blicken schützen.

Der Kuss schien eine halbe Ewigkeit zu dauern und die Hitze die durch Hailey wallte, schien von ihr Besitz zu ergreifen. Elena fühlte sich mit einen mal lebendiger, lebendiger als die letzten Jahre, Monate vorher.

Als sich Komaru von ihr löste, schauten er sie forschend an. Seine Augen glänzten wie der Himmel zum Sonnenuntergang und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, der schwer zu deuten war. Verwunderung, Überraschung…

Hailey bekam Angst einen Fehler begannen zu haben. Sie schluckte schwer. Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, beugte sich Komaru erneut zu ihr herunter. Er spielte mit ihrer Zunge und strich ihr Liebevoll durchs Haar, eh er seine Hand an ihre Wange legte.

Doch plötzlich musste Hailey lachen, weil er sie mit den Federn seiner Flügeln kitzelte.

„Hat dir mal einer gesagt, dass so was unfair ist?“, fragte Hailey lachend und erwiderte einen erneuten Kuss.

Vertrauensvoll kuschelte sich Hailey an seine Seite und Komaru strich ihr mit seinen Fingerspitzen über ihre Schultern.

Keiner der beiden sagte etwas. Sie schwiegen und genossen die Nähe des anderen.

Hailey schossen 1000 Gedanken durch den Kopf.

Was war das? Wieso? Es war unglaublich…

Langsam begann sich ihr Gewissen zu regen und ihre Gedanken schweiften kurz zu einen Namen, an den sie schon lange nicht mehr gedacht hatte.

War das der Moment an dem sie sich eingestehen konnte das sie über ihn hinweg war? Aber ging das überhaupt?

Hailey hatte schon lange nicht mehr an ihn gedacht, warum schlich er sich jetzt hinein?

War das alles richtig so?

Es dauerte eine ganze Weile bis sie innerlich zur Ruhe kam und einschlief.

Lächelnd schloss auch Komaru seine Augen und dachte an dieses wunderbare Gefühl, als er ihre Lippen berührt hatte. Er hatte nicht daran geglaubt sie jemals küssen zu dürfen. Sie war so einzigartig, dass er zuweilen glaubte, ihrer nicht wert zu sein.

Komaru hatte das Gefühl, sein Herz sei bei dem Kuss verloren gegangen.

Wenn er genauer darüber nachdachte, war es nicht nur ein Gefühl, er hatte tatsächlich sein Herz verloren, an eine Kriegerin, nein, an die schönste und wunderbarste Frau, die er je kennen gelernt hatte.

Unweit der beiden saß Raphael auf einen Felsen. Er hatte die ganze Szene mit wachsendem Unmut durch die Fenster beobachtet.

Zu gerne hätte er gewusste was sich unter Komarus Flügel abgespielt hatte und noch viel lieber wäre er dazwischen gegangen, doch ihm war einfach kein guter Vorwand eingefallen. Raphael kochte innerlich vor Wut.

Es war ihm unbegreiflich, dass ausgerechnet Hailey Komaru mehr mochte als ihn. Es war das erste mal das ein einfacher Engel ihm vorgezogen wurde. Er wollte sie mehr als alles andere.

Doch plötzlich hörte er ein Geräusch.

„Was willst du hier?“, fragte Raphael forsch.

Eine weibliche Gestalt trat neben ihn. Ihr zarter Körper schien viel zu zerbrechlich für ihre riesigen, weißen Flügel. Ihr Gesicht war rundlich und ihre roten Lippen glänzten im Schein des Mondes. Ihr kurzes Haar hatte sie frech nach oben gekämmt doch in ihren grauen Augen spiegelte sich Trauer.

Bei diesem Anblick tat es Raphael fast leid sie so angefahren zu haben.

„Ich hatte Komaru gesucht da habe ich dich entdeckt… Naja und somit ihn wohl gefunden!“, antwortete sie mit zitternder Stimme.

Als Raphael sich zu ihr umwandte, sah er die Tränen in ihren Augen glänzen. Sie so zu sehen zerriss ihn fast das Herz.

Ohne nachzudenken nahm er sie in den Arm.

„Ich wusste schon immer das wir nur Freunde sind… Aber dennoch tut es weh eine andere Frau in seinen Armen zu sehen.“, schluchzte sie.

Raphael vergaß alles, was er eben noch Gefühlt hatte. Sie teilten das selbe Gefühl.

„Fairy…. Das wird wieder. Beruhige dich. Du bist der Engel der Liebe. Wer wenn nicht du würde seine wahre Liebe finden!“, sagte er einfühlsam.

Raphael konnte es auf eine gewissen Art und Weise nachvollziehen wie es Fairy ging. Doch weinen weil eine Frau in den Armen eines anderen lag?

Niemals würde er sich die Blöße geben.

„Wieso hast du Komaru eigentlich gesucht?“ „Die Kleine, die er unterrichtet wollte etwas!“, antwortete sie.

Raphael durchschaute ihre Ausrede sofort, doch er sagte nichts.

Seit Komaru bei ihnen war, war Fairy bekannt als sein Schatten. Sie war immer an seiner Seite und folgte ihm überall hin.

Es dauerte noch eine Weile, dann entzog sie sich Raphael.

„Naja, dann werde ich ihn mal holen!“, sagte sie tapfer und lief Richtung Tür.

Raphael konnte beobachten wie Hailey durch das klingeln erwachte und verschlafen zur Tür schlurfte.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 31.08.2015

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