Cover

Kapitel 1 [Er]

Schwarz. Alles war schwarz. Woher kam auf einmal diese Dunkelheit? Dieses… nichts? Ich fühlte mich verloren, verschluckt vom Hier und Jetzt. Die Frage war nur: wo war "hier"? Ich konnte mich an keine Handlung vor meinem Aufwachen mehr erinnern, mein Gehirn war wie leergefegt.

Ich tastete mit meinen Händen um mich. Boden. Es waren kalte, glatte Fliesen auf denen ich saß. Doch ich spürte keine Wand in meiner Nähe. Nur die Ebene, auf der ich mich befand.  Ich traute mich nicht aufzustehen, aus Angst, dass mich meine Beine nicht tragen würden, und so krabbelte ich regelrecht aus dem Quadratmeter heraus, in dem ich aufgewacht war. Konnte man überhaupt aufwachen sagen? Ich hatte doch nicht geschlafen. Es war viel mehr eine Ohnmacht, weshalb ich viel mehr zu mir gekommen oder sogar auferstanden war. War dies eine Wiedergeburt? Wie im Buddhismus? Doch dazu musste ich in meinem früheren Leben kein guter Mensch gewesen sein.  War das eine Art Strafe? Aber wofür? Was hatte ich gemacht, woran ich mich nicht erinnern konnte?

Ich spürte, dass meine Knie schmerzten und brannten. Ich war schon etliche Meter weit gekommen und noch immer war nicht die geringste Spur von irgendeinem Objekt. Plötzlich fühlte ich mich unendlich alleine und obwohl es ein weiter Raum zu sein schien spürte ich so etwas wie Beklemmung.

Ich bekam eine Gänsehaut. Es war nicht heiß hier drin, kalt jedoch auch nicht. Trotzdem lief mir ein eisiger Schauer über den Rücken. Musste ich etwa mein restliches Leben hier verbringen? Wie lange würde ich noch leben, so ganz ohne etwas zu Essen oder Trinken? Und vor allem: konnte man das ein Leben nennen?

Kalter Schweiß lief über meinen Rücken, über die winzigen Härchen, die sich aufgerichtet hatten, rann hinunter und begann, mein T-Shirt zu durchnässen. Ich fror, begann zu zittern, kauerte mich auf dem Boden zu einem Häufchen Elend zusammen und spürte nur noch, wie heiße Tränen begannen, sich ihren Weg über mein Gesicht zu bahnen. Dann schlief ich ein.

 

Laut. Das Wort hallte in meinem Kopf. Ich hörte einen Schrei, ohrenbetäubend laut, da es erschreckend nah klang. Das Geräusch machte mir Hoffnung - war ich doch nicht alleine? Gleichzeitig war ich jedoch verängstigt. Wodurch wurde der Schrei ausgelöst, was hatte das zu bedeuten? Ich hielt es kaum noch aus, wollte mir die Ohren zuhalten.

Dann registrierte ich, dass er aus meinem Mund kam. Mein Körper bebte, meine Augen hatte ich zugekniffen, ich schrie nur noch. So sehr ich es wollte, ich konnte einfach nicht aufhören. Es war befreiend. Dann versiegte meine Stimme. Die Töne hallten noch ein wenig nach, anschließend umgab mich wieder die Stille. Meine Lungen begannen sich mit Luft zu füllen, bald darauf atmete ich sie wieder aus. Woher kam sie? Die Luft? Würde sie mir eines Tages ausgehen? Oder sorgte hier irgendjemand dafür, dass ich am Leben blieb?

Wenn ja, sollte er sich beeilen, dass er mir etwas zu trinken besorgte, denn von dem vorherigen Gebrüll fühlte sich mein Mund trocken an, irgendwie fusselig, flauschig, einfach nur unangenehm. Ich sehnte mich nach einem Glas Wasser.

Ich sah mich um. Es war unnötig, denn ich sah sowieso nichts. Nur schwarz.

 

Langsam aber sicher verlor ich den Verstand. Ich wurde paranoid. Ich spürte Wände. Wände die nicht da waren, mich aber trotzdem einengten. Ich hatte kein Zeitgefühl mehr. Gab es Zeit überhaupt noch? Wenn ja, was war Zeit überhaupt? Das Gefühl, mich ich einem Käfig, einem geschlossenen System zu befinden, machte sich in mir breit. Ich war eingeschlossen und es gab nichts, woran ich mich festhalten, was mir Trost spenden könnte. Alles was ich machte, hatte keine Bedeutung mehr. Nichts war jetzt mehr von Bedeutung.

 

Mir war schwindelig, ich war ausgetrocknet und der Geschmack in meinem Mund wollte nicht nachlassen. Es war eine Mischung aus Kotze und Blut. Ich fühlte mich schwach. Mein Kopf tat höllisch weh, als würde jemand darin sitzen und mit einem Hammer gegen meine Schädeldecke schlagen. Ich war zu müde zum wachbleiben und zu wach um zu schlafen. Es war ein Teufelskreis aus dem ich nicht aussteigen konnte.  Also musste ich mitspielen solange ich konnte.

 

War das ein Licht? Da hinten? Es war weiß, wurde heller. Immer heller. Es blendete mich. Meine Augen schmerzten von dem Glanz, tränten, dann musste ich sie schließen. Mit einem dumpfen Knall landete mein Hinterkopf auf den harten Fliesen. Ich konnte mich nicht mehr bewegen und so blieb ich einfach liegen.

 

Ich blinzelte. Das gleißende Licht, ich erinnerte mich daran. Hatte ich ein Nahtoderlebnis? War das ein Blick ins Jenseits? Wut stieg in mir auf und ich stellt mir die Frage, warum ich nicht einfach erlöst wurde. Ich setzte mich ein wenig auf und stieß mit dem Arm gegen etwas. Hoffnung. Es war komisch, wie mich ein einziger Gegenstand so freute. Ganz egal was es war, ich war froh, dass sich etwas verändert hatte. Zu meiner Freude waren es sogar zwei Sachen. Vorsichtig tastete ich die Dinge ab. Sie fühlten sich glatt und kalt an, genau wie die Fliesen. Ein Glas, ein Teller. Darauf lag etwas. Erdbeeren. Ich hob eine auf. Meine Lippen berührten die feuchte Frucht, dann biss ich hinein. Sie war saftig und süß.  Rote Erdbeeren. Ich sehnte mich nach Farbe. Ich dachte an das volle Rot der Früchte. Es erinnerte mich an Blut. Meine Fantasie schuf das Bild von blutenden Erdbeeren in meinem Gedächtnis. Speicherte es dort. Es beunruhigte mich.

 

Schmerzen in meinem Unterleib. Es stach. Meine Blase drohte zu platzen. Was sollte ich machen? Es war nur eine Frage der Zeit bis ich in meinen eigenen Exkrementen verrecken würde. Also nahm ich das Glas, ging ein Stück weiter und entleerte mich. Das Glas ließ ich stehen, dann ging ich weiter. Ich hatte den Entschluss gefasst, dieses System, oder was das hier auch immer sein mochte, zu erkunden. Meine Schritte hörten sich unnatürlich laut an, es machte mir Angst. Und doch ging ich weiter. Direkt in die Dunkelheit. Ins nichts.

 

War das ein Rauschen? Oder täuschten mich meine Ohren? Überraschend wäre es ja nicht wirklich. Trotzdem vertraute ich meinem Gehör und ging auf das Geräusch zu. Es kam näher. Es hörte sich an wie ein Wasserfall. Näher. Ich spürte Kälte, dann einen Hauch von Nieselregen, bald hatte ich kleine Wassertropfen  auf meiner Haut. Ich streckte eine Hand aus und hielt sie unter den Wasserschwall. Es fühlte sich gut an. Erfrischend.

Ich zog die Hand zurück, streifte mein T-Shirt über den Kopf, zog die Schuhe und meine Hose aus und stellte mich unter den Wasserschwall. Es war eiskalt. Weckte mich auf. Brachte das Leben in mich zurück. Ich schloss meine Augen, legte den Kopf in den Nacken und öffnete meinen Mund. Erschrak, schloss ihn, stolperte zurück. Das war kein Wasser! Geschockt und mit weit aufgerissenen Augen starrte ich auf die herabfallende Flüssigkeit. Schwer atmend versuchte ich mich zu beruhigend. Es hatte bitter geschmeckt. Irgendwie nach Alkohol. Wein. Roter Wein. Blutrot. Das Bild drängte sich in mein Gedächtnis, wie schon bei den Erdbeeren. Tod. Ein Blutbad. Ich griff nach meinen Klamotten und rannte.

 

Ich fühlte mich schmutzig, schuldig. Als wäre ich wirklich mit Blut übergossen worden. Es war ein beklemmendes Gefühl.

Ich schloss die Augen, biss die Zähne aufeinander. Mein Kiefer schmerzte. Die Beine hatte ich angezogen, den Kopf auf den Knien abgelegt. Meine Arme waren um meine Beine geschlungen. Die Hände hatte ich fest zu Fäusten geformt sodass sich meine Nägel in die Handflächen bohrten. Es tat weh. Doch der Schmerz lenkte mich ab.

 

Weiter. Einfach weiter. Einen Fuß vor den Anderen. Immer weiter. Ich durfte nicht aufhören zu laufen, sonst würde ich zusammenbrechen.

Ich hatte beschlossen, dieses Spielfeld weiter zu erkunden. Zuerst überlegen, dann handeln. Wollte auf alles Weitere vorbereitet sein. Die Gedanken, die in meinem Kopf umherschwirrten, versuchte ich auszublenden.  Versuchte zu verdrängen, was in den letzten Minuten, Stunden, vielleicht sogar Tagen passiert war. Ich hatte Angst, diesem Wahnsinn niemals entfliehen zu können.

Ich konzentrierte mich aufs Atmen. Einatmen. Ausatmen. Ein und aus. Nicht aufhören. Immer weiter.

Kapitel 2 [Sie]

Augen auf. Auf. Es ging so schwer. Meine Wimpern waren total verklebt. Offen. Dunkelheit umgab mich, totale Schwärze. Ich setzte mich auf. In diesem Raum gab es nicht viel. Außer Luft. Und Weite. Ich stellte mich hin. Schwankte. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal auf High Heels gestanden hatte. Ich wusste nicht, wo ich war oder wie viel Zeit vergangen war seit ich eingeschlafen war.

Als ich mich gefangen hatte machte ich einen Schritt. Dann noch einen. Ich lief los. Geradeaus. Ins nichts hinein.

 

Ein Licht. Sah ich wirklich ein Licht? Es war verschwommen. Ich ging darauf zu. Nur noch ein paar Meter. Ich stand vor einem Waschbecken. Darüber war ein schäbiger Spiegel befestigt. An ihm hing ein kleines, flimmerndes Licht. Ich sah keine Wand. Es irritierte mich. Es gab nirgends Wände. Es gab auch keine weiteren Gegenstände. Es gab einfach… nichts.

Dann viel mein Blick auf ein kleines, röhrenartiges, silbern schimmerndes Ding. Ich nahm es in die Hand. Machte den Deckel ab. Es war ein Lippenstift. Ich drehte den roten Stab heraus. Dann lehnte ich mich über das Waschbecken, schaute in den Spiegel und trug die Farbe auf meine Lippen auf.

Der Spiegel war schmutzig und staubig. Ich drehte den Lippenstift wieder hinein, machte den Deckel darauf und stellte ihn wieder ab. Danach streckte ich meine rechte Hand aus und fuhr über die glatte und kalte Oberfläche des Spiegels, um den Dreck zu entfernen. Ein Stich. Ich zuckte zurück. Nahm meine rechte in meine linke Hand. Vom kleinen Finger ab über die ganze Seite meiner Hand lief ein Schnitt. Es blutete. Rote Tropfen trafen auf dem schmutzigen, ehemals weißen Waschbecken auf. Meine Hand pochte und ich verzerrte das Gesicht. Dann sah ich wieder in den Spiegel. Auch von meinen Lippen tropfte rote Farbe. Ich erschrak, wollte das Blut mit meinen Fingern berühren, doch meine Lippen waren trocken. Nur ein hauchdünner Film roter Lippenstift war darauf. Ich sah den leicht schimmernden Abdruck auf meiner Fingerkuppe. Ich wollte das Spiegelbild meiner Lippen anfassen. Doch ich zog meine Hand zurück. Ich hatte zu viel Angst, den Spiegel abermals zu berühren.

Auf einmal wurde das Licht heller. Ich hatte Angst, die Glühbirne würde zerspringen. Es blendete mich. Meine Augen registrierten nur noch ein weiß.

Ich drehte mich um. Kniff die Augen fest zusammen und ging in die Hocke. Fasste mir nochmal an die Lippen, doch auch jetzt war kein Blut daran.

Ich entfernte mich vom Waschbecken. Erst langsam. Dann zügiger. Immer schneller. Bis ich schließlich davon rannte.

 

Ich keuchte. Setzte mich hin. Atmete tief durch. Hielt meine Hand, denn sie tat noch immer höllisch weh. Das Blut schien nur so aus der Wunde herauszulaufen. Also nahm ich meinen Seidenschal vom Hals und wickelte ihn um die Verletzung. Würde mir hier irgendjemand helfen? Wann kam ich zurück in mein altes Leben? Wie auch immer das ausgesehen hatte. Kam ich hier überhaupt irgendwann wieder raus? So langsam wurde ich mir meiner Situation bewusst. Ich war alleine. Ohne Hilfe. Im nirgendwo. Es passierten unheimliche Dinge, die ich nicht kontrollieren konnte. Jemand anderes musste sie steuern. Jemand anderes steuerte mich. Und es machte mir Angst.

 

Ich hatte Angst, Durst und Hunger. Obwohl ich erst vor kurzem erwacht war, wurde ich langsam aber sicher sehr müde. Auch wenn mir kalt war zog ich die Jacke aus, legte sie zusammen und deponierte sie auf dem Boden. Dann legte mich auf die kalten Fließen. Meinen Kopf bettete ich in den weichen Stoff meines provisorischen Kopfkissens. Versuchte, eine für diese Verhältnisse bequeme Position zu finden. Dann schloss ich die Augen. Schaltete mein Gehirn aus. Dachte an nichts mehr. Ließ mich einfach fallen. Loslassen.

 

Ich war wach. Ich wusste es. Doch ich wollte meine Augen nicht öffnen, wollte nicht ins hier und jetzt zurückkehren. Und  vor allem wollte ich nicht dieses dämliche Spielchen weiterspielen. Ich wollte es nicht wahr haben, kämpfte dagegen an. Schließlich holte mich die Realität doch ein. Ich seufzte. Drehte mich auf den Rücken. Ich sah keine Decke. Genau wie ich keine Wände sah. Es umgab mich nur schwarz und ich hatte keine Ahnung, wo dieser Raum hier endete. Oder ob es überhaupt ein Ende gab.

Ich setzte mich auf, hob die Jacke auf und zog sie wieder an. Ich zitterte. Die Luft war nicht kalt. Aber die Fließen waren es. Ich fand es unangenehm. Also stand ich auf. Fluchte. Setzte mich wieder hin. Zog die nervigen Schuhe aus. Stellte mich wieder hin. Dann lief ich barfuß weiter, die Schuhe in der linken Hand hin und her baumelnd.

 

Rums. Scheiße. Ich war gegen etwas gelaufen. Mein Becken schmerzte. Ich tastete das Objekt ab. Es schien ein Tisch zu sein. Er war aus Holz. Nach einiger Zeit stellte ich fest, dass darauf ein Glas Wasser und ein Teller standen. Einen Stuhl konnte ich jedoch nicht finden. Also nahm ich die zwei Sachen und setzte mich notgedrungen wieder auf den eisigen Boden. Auf dem Teller lagen Kirschen. Ich mochte diese Früchte nicht besonders. Ich war nicht sehr geschickt, was das um-den-Kern-herumessen anging. Trotzdem war es besser als gar nichts. Also nahm ich die Kugel in den Mund. Kaute auf dem Fruchtfleisch herum. Spukte den Kern wieder aus und legte ihn zurück auf den Teller.

Eine nach der anderen.

Dann stieß ich mit meiner rechten Hand gegen das Glas. Ich fluchte. Meine Wunde brannte. Ich wollte mir nicht ausmalen, wie sie aussah. Verkrustet vom vielen Blut. Rotem Blut. Rot wie die Kirschen. Plötzlich wurde mir schlecht. Mir drehte sich der Magen um und ich würgte. Verklumptes Blut. Kleine Fleischfetzen. Ich mochte diese Früchte nicht besonders. Jetzt mochte ich sie überhaupt nicht mehr. Ich trank das Wasser, dann stand ich wieder auf. Ein Schauer lief mir über den Rücken.

 

Ich ging immer weiter. Die Tränen kamen einfach. Ich wollte nicht weinen, aber ich konnte es nicht aufhalten. Und dann konnte ich einfach nicht mehr aufhören. Mit meinem Handrücken wischte ich immer wieder über meine Augen. Verunstaltete mein Make-Up. Ich musste schrecklich aussehen. Aber es war mir egal.

Es gab hier niemanden außer mir. Und wenn doch, dann könnte mich derjenige wenigstens nicht sehen.

Es war alles egal. Ich musste nur überleben.

 

Meine Zehen. Ich dachte, ich spüre meine Zehen nicht mehr. Ich ging nun schon eine ganze Weile auf den kalten Fließen. Meine Füße fühlten sich so eingefroren ein. Doch dann fühlte ich etwas Warmes und weiches. Ich stutzte. Wärme?

Ich beugte mich nach unten, tastete den Boden ab. Tatsächlich. Da lag etwas. Etwas Warmes. Ich hob es auf, entfaltete es. Die Form ließ auf ein T-Shirt schließen. Ein T-Shirt, das erst letztens getragen wurde. Das bedeutete vor nicht allzu langer Zeit war hier ein anderer Mensch gewesen. Ich war doch nicht alleine. Plötzlich hatte ich Hoffnung.

Ich presste das Kleidungsstück an meine Brust. Atmete den Geruch ein. Es stank nach Schweiß, aber das war mir egal. Es war menschlich, das war alles, was zählte.

Mit neuer Kraft, neuem Mut ging ich erneut los. Diesmal mit einem Lächeln im Gesicht. Fest entschlossen, diesen jemand, der hier sein T-Shirt verloren hatte, zu finden. Wärme durchströmte mich. Meinen ganzen Körper. Sie kam bei meinem Herzen an. Nistete sich dort ein. Blieb dort.

Kapitel 3 [Er]

Scheiße.

Ich fror erbärmlich. Mein ganzer Körper zitterte, konnte es nicht mehr kontrollieren und nicht aufhören.

Nachdem vorhin meine Fantasie mit mir durchgegangen war konnte ich nicht schnell genug fliehen. Hatte einfach auf nichts mehr geachtet. Hatte mein T-Shirt verloren. Ich war am Arsch. Ich würde hier erfrieren.

So hatte ich mir meinen Tod nicht ausgemalt. Ich wollte so nicht sterben. Hatte immer gedacht, ich würde ins Gras beißen, weil ich zu alt würde. Aber so etwas ist grausam.

Könnte man mich nicht erschießen? Von einer Brücke, Klippe oder ähnlichem runterschmeißen? Warum so scheußlich? Ich wollte nicht leiden. Konnte nicht mehr. Begann zu weisen und leise zu schluchzen.

 

Sonnenstrahlen schienen auf mein Gesicht. Das Gras kitzelte meine Haut. Ich lag auf einer Wiese. Über mir zogen die Wolken vorüber, sie erinnerten mich an eine Schafherde. Sie gaben Geräusche von sich. Mäh. Noch einmal.

Häh. Schon wieder.

Hey. Sie klangen so nah.

Hey. Sie klangen menschlich.

Hey. Ich schlug die Augen auf. Dunkelheit empfing mich. Ich vermisste die Sonne, das Licht.

"Hey, wer bist du?"

"Was?"

Hatte ich Halluzinationen? Oder sprach gerade wirklich jemand mit mir?

"Wer du bist?"

Ich konnte nicht beschreiben, wie sehr mir die Stimme eines anderen Lebewesens, eines anderen Menschen gefehlt hatte.

"Ich weiß es nicht."

Das klang komisch. Aber es war die Wahrheit. Ich wusste nicht, wie ich hieß.

"Und wer bist du?"

"Ähm…"

Offenbar konnte sie sich auch nicht an ihren Namen erinnern.

"Ich denke, ich habe etwas, das dir gehört. Vermutlich hast du es verloren."

Ich spürte den Stoff meines T-Shirts an meiner Schulter. Ich griff danach und zog es an.

"Danke."

Sie sagte nichts. Atmete ein und aus. Ich spürte, dass sie ein wenig lächelte. Ich lächelte auch. Ich war nicht mehr allein. Das Gefühl der Einsamkeit ließ nach. Hoffnung begann in mir zu wachsen. Wie eine  Pflanze. Doch diese Pflanze brauchte Licht. Und zwar schnell.

Kapitel 4 [Sie]

Was hatte ich verbrochen, dass mir so etwas schreckliches wiederfuhr?

Die Frage geisterte in meinem Kopf herum. Ich drehte und wendete sie. Doch egal, wie ich sie betrachtete, ich fand keine Antwort.

 

Ich hörte Tränen. Es war eigentlich unmöglich, aber ich hörte sie. Jemand weinte. Es klang unheimlich weit weg. Und doch so nah. So vertraut.

Ich ging  darauf zu. Immer weiter. Nach und nach versiegte das Geräusch. Ich bekam Panik. Schaute in der Gegend herum. Ging schneller. Wollte dieses kleine Fünkchen Hoffnung nicht loslassen. Noch nicht.

 

Ich hörte Atem. Es war eigentlich unmöglich, aber ich hörte ihn. Jemand atmete. Es klang so nah.

Ich verlangsamte meine Schritte. Dann spürte ich in meiner Nähe einen Körper. Ich kniete mich hin und streckte meine Hand aus. Vorsichtig berührte ich die Haut. Sie war eiskalt. Aber menschlich. Und dieser Mensch atmete. Ich war erleichtert.

"Hey."

Nochmal.

"Hey."

Keine Reaktion.

"Hey."

Immer noch nicht.

"Hey."

Lebte er wirklich noch?

"Hey."

Die Augen öffneten sich. Ich sah leuchtende, weiße Punkte. Sie schienen übermenschlich.

"Hey, wer bist du?"

"Was?"

Er war wohl noch verschlafen.

"Wer du bist?"

"Ich weiß es nicht."

Seine Antwort überraschte mich. Ich wollte doch nur seinen Namen wissen. Umso schmerzlicher war es, als er mich dasselbe fragte.

"Und wer bist du?"

"Ähm…"

Ich hatte keine bessere Antwort. Ich wusste es nicht. Ich wurde traurig. Ablenkung.

"Ich denke, ich habe etwas, das dir gehört. Vermutlich hast du es verloren."

Ich sah nicht viel. Also nahm ich die Hand in der ich das T-Shirt hielt und streckte sie vorsichtig aus. Dann traf ich auf Widerstand, berührte wieder seine Haut. Er griff danach und streifte es über seinen Kopf

"Danke."

Ich wollte etwas sagen - "Bitte" - aber ich bekam meinen Mund nicht mehr auf. Ich atmete. War erleichtert. Dann formte sich mein Mund zu einem Lächeln.

Gemeinsam. Zusammen.

Die Worte gefielen mir. Ich war nicht mehr alleine. Ein Stein viel von meinem Herzen und die Wärme, die darin gespeichert war, begann sich weiter auszubreiten.  

Kapitel 5 [Er]

Wir gingen schweigend nebeneinander her. Ich wusste nicht, was sie dachte. Aber ich wusste, was ich dachte. Und ich dachte über die Zukunft nach. Was sie wohl bringen würde. Wo sie uns hinführte.

 

Bis jetzt hatte ich immer nur meine eigenen Schritte gehört. Es war beruhigend, jemand anderen bei mir zu wissen. Unsere Schritte hallten gemeinsam. Durchbrachen die Stille. Sie lenkten mich ab.

Links. Rechts. Links. Rechts.

Links. Rechts.

Links.

Rechts.

"Kannst du dich an dein Leben vor dieser Scheiße hier erinnern?"

Ich zuckte zusammen. War nicht gefasst darauf, dass sie etwas sagen würde.

"Nein."

Schweigen.

"Und du?"

Sie klang traurig.

"Nein. Aber ich wünschte, ich könnte. Ich würde alles dafür geben, meinen Namen zu wissen.

"Kendra."

Ein Schauer lief mir über den Rücken. Sie blieb stehen. Ich blieb stehen. Sie hatte nicht gesprochen und ich ebenfalls nicht. Die Stimme kam aus dem nirgendwo. Sie war überall, es schien, als würde sie den ganzen Raum ausfüllen. Obwohl es keine Grenze gab. Dieser Raum war unendlich.

 

Wir lauschten. Stille. Bewegten uns nicht. Stille.

Noch einmal:

„Kendra."

Dann:

"Du heißt Kendra.“

Die Stimme klang wie von einem Roboter. Elektrisch, nicht menschlich.

„Kendra.“

Das kam von ihr. Von Kendra. Sie sagte es leise. Ihre Stimme zitterte ein wenig. Kendra. Es war ein schöner Name. Ich wollte meinen auch wissen.

„Und wie ist mein Name?“

Stille. Es veränderte sich nichts. Er antwortete mir nicht. Es antwortete mir nicht. Ich war enttäuscht.

„Versuch es nochmal.“

„Wie heiße ich?“

Erneut Stille. Schade. Zu gerne hätte ich es gewusst.

„Warum antwortet es mir nicht? Was hast du gemacht, das ich nicht gemacht habe?“

„Ich weiß es nicht.“

„Was genau hast du gesagt?“

„Keine Ahnung … so etwas wie ich würde alles geben, um meinen Namen zu erfahren.“

„Du würdest alles geben?“

„Tja… nicht wirklich. Aber was kann ich hier schon verlieren?“

Darauf wusste ich nicht wirklich eine Antwort.

„Dein Leben vielleicht?“

„Aber das ist doch nur so eine Floskel. Eine Redensart.“

„Hier ist nichts nur. Ich denke, das hier ist ernst. Wir müssen aufpassen.“

„Jetzt mach nicht so ein Theater. Willst du jetzt deinen Namen wissen, oder nicht?“

Wollte ich.

„Hör zu. Ich würde alles geben, um zu wissen, wie ich heiße.“

Ich wartete.

„Louis.“

Louis. Ich hieß Louis. Und ich, Louis, hatte ein flaues Gefühl im Magen.

Mir war unwohl bei der ganzen Sache. Ich hatte so eine Ahnung, dass ich – und auch Kendra – noch dafür bezahlen mussten.

Ich wusste nur noch nicht, wie.

Kapitel 6 [Sie]

Ein Brummen. Ein Bär? Nein. Es gab hier doch sicherlich keine Bären. Ich hatte geschlafen, jetzt schlug ich die Augen auf. Louis lag neben mir. Er schien wach zu sein. Lag auf dem Rücken und starrte nach oben. An die nicht vorhandene Decke.

Das Brummen. Schon wieder. Diesmal wusste ich, dass es von seinem Bauch kam. Er hatte Hunger. Und auch bei mir konnte man nicht von satt reden. Ausgetrocknet fühlte ich mich auch. Mir wurde klar, dass wir möglichst bald etwas zu trinken brauchen würden. Und etwas zu essen.

Die Stimme dränge sich zurück in meine Gedanken.

Gehörte dazu auch ein Körper? Ein Mensch mit einem Kopf? Der uns mit seinen Augen beobachtete, mit seinen Ohren hörte, was wir sagten?

Es war unheimlich.

„Wir haben Hunger. Und Durst.“

Louis drehte sich zu mir. Blickte mich an. Starrte zu mir herüber. Fragend.

"Ich bin überzeugt davon, dass uns hier jemand beobachtet. Uns überwacht. Offensichtlich kann er uns hören."

Jetzt betrachtete er mich abschätzig.

"Man kann's ja mal versuchen."

Trotzig. Beleidigt. Ich verschränkte meine Arme und schmollte wie ein kleines Kind.

Ich spürte, wie Louis sich aufsetzte.

"Ich würde dieses Monster nicht als er bezeichnen. Ich bevorzuge es."

Damit stand er auf und ließ mich allein.

 

Ich war wieder alleine. Schon eine ganze Weile. Die Angst begann, in mich zurückzukehren. Die Wärme, die ich noch vor kurzem gespürt hatte zog sich zurück und machte wieder einer grausamen Kälte Platz.

"Louis?"

Keine Antwort. Lauter.

"Louis?"

Immer noch nichts. Panik.

Ich stand auf, begann zu Laufen.

Begann zu Rennen. Schrie.

"Louis!"

"Louis!"

Ich begann zu Weinen. Meine Augen fühlten sich verklebt an. Ich wischte mir die mittlerweile sicher schwarz gewordenen Tränen weg.

"Louis."

Ich schluchzte nur noch.

"Louis."

Ich fing an bitterlich zu heulen. Sank zusammen. Immer mehr Tränen traten aus meinen verquollen Augen. Ganze Sturzbäche flossen über meine Wangen. Ich legte mich auf den Boden. Kalte Fließen. Ich fror. Weinte. Und schlief schließlich ein.

 

Ein Schmatzen. Langsam öffnete ich meine Augen. Sie waren noch ganz verquollen vom vielen Heulen. Neben mir saß Louis und schmatzte. Ich konnte es nicht fassen. Dieser Mistkerl!

"Wo warst du?"

Meine Stimme klang verschlafen, kratzig, rau.

"Essen holen."

Er tat so als wäre nichts gewesen. Lässig. Hatte er mich etwa nicht schreien hören?

"Hast du mich nicht schreien gehört?"

"Schreien? Nein. Was ich gehört hab, war Stille. Aber das war ja nichts Neues für mich."

"Echt nicht?"

Dann:

"Was isst du da?"

"Torte."

"Torte? Welche Torte?"

"Na, diese hier."

Er schmunzelte.

Ich schnaubte verächtlich. Mir war nicht nach Scherzen.

"Welche Art von Torte?"

Ich klang nervig. Mit Absicht.

Es schien ihn nicht zu stören.

"Sahnetorte."

Na also.

Dann stutzte ich. Durchforstete mein Gehirn. Stellte mich auf diese Situation ein. Hatte keine Lust auf böse Überraschungen, also überlegte ich schon vorher, womit ich Sahnetorte möglicherweise in Verbindung bringen könnte. Doch alles was mir einfiel war: nicht rot.

Cremig.

Fett.

Harmlos.

Nicht weiter schockierend.

Ich beschloss, diese Situation so hinzunehmen und begann auch mit dieser komischen Mahlzeit.

 

Durch den Zuckerschub fühlte ich mich lebendiger. Aufgeweckter.

Ich hatte den Drang, etwas zu tun, mich zu bewegen. Also stand ich auf.

"Gehen wir weiter."

Voller Tatendrang machte ich Anstalten, zu gehen.

"Warte."

"Was ist?"

"Nimm dein Glas mit."

Häh?

"Wie bitte? Was? Warum?"

Louis seufzte.

"Frag lieber nicht. Mach einfach."

Immer noch verwundert griff ich nach meinem Glas. Dann setzen wir unseren Weg endlich fort.

Kapitel 7 [Sie]

"Decisions, what I want it all, so I get it all. I wanna eat the whole cake."

Ein Lied, in meinem Kopf. Ich hatte es noch nie gehört.

"I'm not sharin', I'm not sharin'."

Ein Ohrwurm. Es ging offensichtlich um Kuchen. Doch ich hatte ihn geteilt.

"You shoulda learnt bitches love cake."

Jetzt war ich wach.

Ich war alles, aber sicher keine Bitch!

Das kam mir so eigenartig vor. Woher kam dieses Lied auf einmal? Ohrwürmer bekam man eigentlich von Liedern, die man den lieben langen Tag rauf und runter hörte. Doch dieser Song war mir fremd.

Wahrscheinlich war es wieder so ein mieser Zug vom Spielleiter höchstpersönlich. Als Auswirkung dessen, dass wir über die Torte hergefallen waren.

Nichts blieb ohne Folge.

Mir gingen die vier Sätze jetzt schon auf die Nerven.

Und mein Gefühl sagte mir, dass sie mich sicher nicht mehr so schnell loslassen würden.

 

Neben mir regte sich auf einmal etwas. Louis war auch aufgewacht. Er schüttelte sich so komisch. Kratzte sich. Es war ein scheußliches Geräusch.

Plötzlich schrie er auf. 

"Kleine Viecher. Ich hab überall auf meiner Haut so kleine Viecher. Es juckt so schrecklich."

Scheiße.

Konnte ich ihm vertrauen, stimmte das?

Ich streckte meine Hand zu ihm herüber.

Tatsächlich. Überall waren kleine Insekten. Angeekelt zog ich meinen Arm zurück.

Bis ich auf einmal darauf kam.

Ich fasste mir ans Ohr. Kleine Tiere krabbelten aus ihm heraus.

Aus mir kamen die kleinen Ungeheuer!

Mir wurde schlecht.

Manipulation.

Er … es hatte ihn mir in den Kopf gepflanzt. Diesen Ohrwurm. Echte Würmer. Ich sprang auf und übergab mich. Ich konnte es nicht zurückhalten. Keuchte. Hustete.

Wünschte mir ein Glas Wasser. Es war ein ekelhaftes Gefühl, das sich in meinem Mund ausbreitete.

"Kendra? Alles ok bei dir?"

Louis hatte es mitbekommen. Und er klang echt besorgt.

"Ja, es geht schon. Und bei dir?"

"Sie sind weg, denke ich. Es juckt nicht mehr."

Ich fasste mir ans Ohr. Tatsächlich: Es kamen keine Würmer mehr aus meinem Ohr. Ich war erleichtert. Atmete tief durch.

 

Absicht.

Alles war Absicht.

Es wollte uns verwirren, verschrecken.

Indem es dafür sorgte, dass so grausame Sachen passierten.

 

Es wollte uns verwirren, verschrecken.

Alles war Absicht.

Absicht.

Kapitel 8 [Es]

Macht. Ich liebe dieses Gefühl. Ich bin stark, habe die Kontrolle über andere. Sie machen was ich will. Sie haben keine andere Wahl.

Setze sie mit allen Mitteln unter Druck. Ich habe genug Möglichkeit, denn ich bin mächtiger als sie.

Sie sind labil, unsicher, verstört. Ich sitze am längeren Hebel und steuere sie.

 

"Kendra."

Verdammt, warum reagierte sie nicht?

"Kendra!"

Das Mädchen rührte sich. Endlich.

Ich hatte vor, zu sehen, wie sehr sie mir vertraute. Ob sie wirklich das machte, was ich ihr sagte. Sozusagen ein Art Vertrauenstest.

"Kendra, ich habe eine Aufgabe für dich."

"Aha."

Sie klang eingeschüchtert.

Gut.

Sehr gut.

Hervorragend.

"Ich habe etwas für dich. Nur für dich. Du darfst niemandem davon erzählen. Es ist ein besonderer Gegenstand.

"Aha, ok."

Sie sträubte sich nicht. Das war schon einmal positiv.

"Wo finde ich diesen besonderen Gegenstand?"

Eine gute Frage. Sie hatte angebissen, das Experiment konnte beginnen.

 

Es war nicht weiter verwunderlich. In so einer Situation würde jeder alles machen, um zu überleben.

"Er liegt in einer Tasche. Eine braune Ledertasche."

Ich hatte erst das Gefühl, sie verstand nicht so recht.

Es schien, als würde sie überlegen.

Dann sprach sie wieder.

"Ob sie braun ist, oder nicht, macht keinen Unterschied. Ich sehe sowieso nichts."

Mein "Fehler".

Absicht.

Ich wollte sie ärgern.

Wollte sie meine Macht spüren lassen.

Also reagierte ich nicht auf ihre Bemerkung.

"Wo finde ich die Tasche denn jetzt?"

Schwang da etwa ein leicht angepisster Unterton mit? Das konnte ich nicht durchgehen lassen.

"Such!"

Meine Stimme klang scharf. Wie ein Messer. Die Klinge glatt poliert, bereit, zuzustechen.

"Wie - such? Es ist stockfinster hier, schon mal bemerkt?"

Nein, hatte ich nicht. Ich verdrehte die Augen. Natürlich, das war Absicht.

Alles war Absicht.

Ich überließ nichts dem Zufall.

Alles war geplant und sorgfältig vorbereitet.

"Vertraust du mir?"

"Habe ich eine andere Wahl?"

Ich wurde wütend. Ließ es mir aber nicht weiter anmerken. Schluckte den Ärger hinunter.

"Dann werde ich dir jetzt sagen wo sie ist. Ich werde dich zu ihr führen."

"Alles klar, dann mal los. Spielen wir Topfschlagen."

Sie hielt mich für blöd.

Wollte mich für dumm verkaufen.

Nun gut, wenn sie meinte.

Ihr Leben lag in meinen Händen.

Ob sie es behielt oder nicht hing am seidenen Faden.

 

"Drehe dich um ca. 73 Grad. Nach links."

Sie stutze.

"Bitte, was?!"

Tja, das Spiel konnte ich auch spielen.

"Dreh dich einfach nach links, ich sage stopp."

Sie gehorchte.

"Stopp. So, nun gehe geradeaus."

Sie ging. Sie machte kleine, vorsichtige Schritte.

"Ok, das reicht.

Dreh dich wieder nach links.

Weitergehen.

Halt.

Nach rechts drehen.

Noch ein Stück weiter.

Gut, weitergehen.

Das reicht."

Wir waren am Ziel angekommen.

"Du stehst jetzt direkt vor der braunen Tasche -"

"Es ist mir scheißegal ob sie braun, schwarz oder pink ist. Ich. Sehe. Es. Nicht."

Sie schien rasend vor Wut.

Ich lachte leise.

Diese Genugtuung wollte ich mir nicht entgehen lassen.

"Beug dich nach unten, heb sie auf und nimm den Gegenstand in die Hand. Finde heraus, was es ist."

Sie gehorchte. Bald darauf hatte sie das Objekt in der Hand.

"Es ist kalt, glatt. Aus Glas? Es fühlt sich wie eine Schüssel an."

Sie war auf dem richtigen Weg.

Ich hatte sie immer für dumm gehalten. Umso überraschter war ich, als sie schon nach wenigen Augenblicken die Antwort wusste.

"Ein Aschenbecher?"

"Ja."

"Warum zu Teufel gibst du mir einen Aschenbecher?"

Es hatte einen Grund. Doch es war zu früh, um diesen zu erkennen. Die Zeit würde kommen und noch wollte ich sie in dem Glauben lassen, es sei etwas Besonderes. Als sei es wichtig.

"Geduld. Behalte ihn. Sprich nicht mit Louis darüber."

Pause, dann:

"Behüte ihn wie einen Schatz."

 

Keine Wiederworte.

 

Operation Vertrauen konnte hiermit beginnen.

Kapitel 9 [Er]

Heimweh machte sich in mir breit. Heimweh nach einem Ort, an den ich mich nicht erinnern kann. Es fühlte sich falsch an und doch konnte ich dieses Gefühl nicht unterdrücken.

Ich würde gerne mehr von mir wissen als nur meinen Namen.

 

Kendra war mir mit der Zeit immer mehr ans Herz gewachsen. Auch wenn sie sich manchmal etwas komisch aufführte - ein Leben ohne ihr könnte ich mir nicht mehr vorstellen. Denn sie verstand mich, teilte diese Erfahrung, dieses Leid mit mir.

 

Sie war unerschrocken, das beeindruckte mich. Sie schrie nicht rum, beschwerte sich nicht gleich, wenn ihr einmal etwas nicht passte.

Ich wäre froh, wenn wie beide hier heil herauskommen würden. Zusammen.

Kapitel 10 [Er]

Es war ein komisches Gefühl, so schweigend nebeneinander herzulaufen. Sie war doch sonst nicht so still. Im Gegenteil - kurz bevor ich eingeschlafen war, war Kendra sogar sehr aufgeweckt. Und jetzt? Nichts.

Komisch, dieses Wort schien sich durch unser gesamtes Leben zu ziehen. Wenigstens an das Leben, an das welches wir uns erinnern konnten. Unser trostloses Dasein.

 

 

"Kendra?"

Sie drehte ihren Kopf zu mir.

"Mmh?"

"Was ist los?"

Sie reagierte nicht und wendete ihren Blick wieder starr geradeaus.

Scheiße.

 

"Du verschweigst mir doch etwas."

Zweiter Versuch.

Sie atmete tief durch. Seufzte.

"Ja, kann schon sein."

Was war das denn bitte für eine Antwort?!

"Also...ja oder nein?"

"Ja."

Herrgott, musste man ihr denn alles aus der Nase ziehen?

“Und was, wenn ich fragen darf?”

„Nein, du darfst nicht fragen!“

Hä? Also jetzt verstand ich gar nichts mehr.

„Und warum nicht Miss Ach-ich-bin-so-toll-ich-verschweige-dir-alles?“

Sie, genervt.

„Weil ich sonst Schwierigkeiten bekomme.“

„Schwierigkeiten bekommen? Willst du mich verarschen? Also wenn das nicht schon Schwierigkeiten sind, dann weiß ich auch nicht mehr.“

Pause. Dann:

„Was soll denn noch passieren? Du kannst es mir sagen, echt.“

„Er hat mit mir geredet.“

„Er?“

„Es.“

„Es? Echt jetzt?“

„Seh‘ ich so aus als hätte ich irgendeinen Grund zum Lügen?“

Nein, sah sie nicht. Aber ich war fassungslos. Und das sagte sie mir erst jetzt?

"Und was hat es gesagt?"

Sie zögerte, überlegte.

"Es hat mir etwas gegeben."

"Und was?"

"Es hat mich angewiesen dir unter keinen Umständen davon zu erzählen."

Jetzt wurde es interessant.

"Bitte."

Schon wieder eine Schweigepause. Sie kam mir unendlich lang vor.

"Einen Aschenbecher."

"Einen Aschenbecher? Warum einen Aschenbecher?"

Wohl etwas zu laut.

Sie schrie zurück, wütend, genervt.

"Ich weiß es nicht. Woher auch? Es hat mir nicht gesagt, warum. Ist doch auch egal. Wenn wir Pech haben werden wir es noch früh genug erfahren."

Sie war rasend vor Wut. Außer Atem. Es tat mir ehrlich leid.

"Es tut -"

"Kendra!"

Scheiße, es hatte es mitbekommen. Ich war überrascht, obwohl ich inzwischen wissen müsste, dass es uns überwacht.

"Du hast es ihm erzählt. Du hast mein Vertrauen gebrochen."

Kendra schien geschockt. Geschockt und ängstlich.

"'tschuldigung."

Sie murmelte nur noch, als wäre sie eingeschüchtert.

"Das wird noch Konsequenzen haben."

Sie erstarrte. Ihre Zähne klapperten, als wäre ihr ein kalter Schauer über dem Rücken gelaufen.

"Welche?"

Sie flüsterte, hauchte die Frage. Beinahe hätte man sie nicht verstanden.

"Geduld."

Tja, Geduld war gut.

"Nun, da er es weiß… gib ihm den Gegenstand."

Kendra zögerte. Dann griff sie in eine Tasche. Ich hatte nicht gemerkt, dass sie da war.

 

Ich nahm das Objekt entgegen. Es war kalt und glatt.

"Und jetzt?"

Meine Stimme zitterte auch.

"Wirf ihn."

Bitte, was?

"Ähm… ich verstehe nicht ganz."

"Wirf ihn. Nach vorne."

Ich stand weiterhin still.

"Mach jetzt!"

Die Stimme klang wütend.

Ich traute mich noch immer nicht.

Die Stimme verwandelte sich in ein Zischen. Als würde jemand mit zusammengebissenen Zähnen reden, sich beherrschen, nicht auszuflippen.

"Du dummer Junge. Du machst jetzt, was ich dir sage, sonst…"

Nein, kein sonst.

Ich kniff die Augen zusammen, holte aus und schleuderte den Aschenbecher nach vorne.

Kapitel 11 [Sie]

Ein Knall, nein, eher ein Klirren.

Ohrenbetäubend laut.

Plötzlich erhellte sich der ganze Raum. Ich erschrak.

Auf einmal sah ich. Ich sah alles.

Vor uns stand eine Glaswand. Besser gesagt hatte gestanden, denn der Aschenbecher knallte dagegen und die Wand zerbarst in tausend Splitter.

Sie flogen durch die Luft. Sie waren überall. Kamen auf uns zu.

Ich hatte Angst und doch konnte ich die Augen nicht schließen. Ich wollte meine Arme schützend vors Gesicht halten, doch ich konnte mich nicht bewegen. Ich stand einfach nur da. Bereit, Splitter zu spüren, die sich jeden Moment in meine Haut graben könnten.

Doch es passierte nichts. Ich fühlte nichts.

Die Splitter flogen um uns herum. Es war wie Magie. Ich sah alles schärfer. Die spitzen Ecken der Glasteile funkelten in dem gleißenden Licht und flogen haarscharf an meinen Augen vorbei.

 

Doch die Magie verschwand genauso schnell, wie sie gekommen war. Nach und nach fielen die Teile auf den Boden. Das Licht ebbte ab, die Magie war weg. Sie hatte sich in hässliche Zauberei verwandelt. Denn in dem schwachen Dämmerlicht erkannte ich, dass Rauch vom Boden aufstieg. Ich konnte nicht mehr so viel sehen, und doch realisierte ich, dass der Rauch von den Scherben kam. Sie verwandelten sich. Das Glas löste sich auf und wurde zu Rauch. Schwarzem Rauch.

Er züngelte nach oben, wie aus einer ausgedrückten Zigarette.

Ich starrte wie gebannt darauf. Er schien uns einzuhüllen, stieg immer höher. Immer mehr Scherben verschwanden, genauso wie das Licht, dass von den dunklen Dämpfen verschluckt wurde.

 

Ich bekam Atemnot. Ich konnte nicht mehr atmen, meine Lungen funktionierten nicht mehr. Der Rauch, er war schuld, davon war ich überzeugt. Mein Gehirn schaltete sich aus, meine Augen begannen sich zu schließen und ich bekam noch mit, wie Louis schlaffer Körper mit einem dumpfen Knall auf den Fließen aufschlug.

Dann sank auch ich auf den Boden. Mich überkam ein tiefer Schlaf.

Kapitel 12 [Es]

Sie vertraute mir nicht. Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Sie hatte mir nicht gehorcht, hatte mich gedemütigt. Rache. Ich würde sie auch demütigen. Sie würde vor mir auf dem Knien herumrutschen. Das hatte ich mir geschworen.

Es war an der Zeit, meinen Plan in die Tat umzusetzen.

 

Ich hatte sie ausgeschaltet. Sie waren nicht schädlich. Tot aber auch nicht. Sie schliefen, waren in eine Ohnmacht gefallen. Louis war mir im Moment noch egal. Ich wollte Kendra. Ich weckte sie auf, indem ich einen Luftzug ihren Körper umkreisen ließ. Immer schneller, immer kälter.

Sie schlug die Augen auf, rollte sich zusammen, zitterte.

Zeit, sie wieder in die Realität zurückzuholen.

"Kendra."

Sofort war sie hellwach.

"Ja?"

"Du hast nicht das gemacht, was ich dir befohlen hatte!"

Sie schwieg.

"Du weißt, dass das Konsequenzen hat; dass ich dich dafür bestrafen muss?"

Sie antwortete immer noch nicht.

"Es war alles ein Test. Du bist ein dummes Mädchen und hast ihn nicht bestanden. Du erinnerst dich doch an das, was passiert ist, bevor ihr eingeschlafen seid, oder?"

Sie zögerte. Aber letztendlich antwortete sie doch. Damit hatte ich wohl gewonnen.

"Ja."

Sie sollte mit mir reden. Mehr.

"Und was ist passiert? Erzähl es mir!"

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Mir war bewusst, dass sie es an meiner Stimme erkennen würde, doch das sollte mir nur Recht sein.

"D-der Aschenbecher…", begann sie mit zitternder Stimme.

Ich wartete.

"Louis hat ihn nach vorne geschmissen. In eine Glaswand."

Sie atmete tief durch. Dann fuhr sie fort. Schnell, ungeduldig mit wimmernder Stimme.

"Es wurde ganz hell, die Wand ist zersprungen und die Glassplitter kamen direkt auf uns zugeflogen, haben uns aber nicht getroffen. Sie sind uns einfach...ausgewichen. Bis sie auf den Boden gefallen sind. Aber nach einiger Zeit haben sie sich in Nebel verwandelt, der uns eingehüllt hat. Dann sind wir in Ohnmacht gefallen."

Sie schloss die Augen und senkte ihren Kopf.

"Ja", antwortete ich.

"Jedoch nicht alle. Ein Splitter hat sich nicht verwandelt."

Tränen quollen aus ihren Augen.

"Na und?"

Laut, sie schrie mich fast an.

Ich wurde noch wütender, als ich eh schon war.

"Such ihn."

"Was?!"

"Ich habe gesagt: Such. Ihn. Ich will, dass du diesen einen, unversehrten Splitter in deinen kleinen, kalten Händen hältst. Runter, auf den Boden."

Sie rührte sich nicht.

"Muss ich alles zweimal sagen? Runter mit dir auf die Knie. Und fang verdammt noch mal an zu suchen. Wenn du ihn hast, steck ihn in deine Tasche."

Endlich, sie ließ sich auf den Boden fallen und schluchzte. Dann strich sie mit ihrer rechten Hand vor sich über den Boden. Fand nichts. Bewegte sich ein Stück weiter nach vorne und taste wieder. Dann wieder nach vorne. Suchen. Kriechen. Suchen. Immer weiter.

Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und faltete meine Hände hinter meinem Kopf zusammen.

Na also.

Kapitel 13 [Sie]

Meine Knie brannten, meine Handgelenke ebenso. Mir war eiskalt, ich zitterte am ganzen Körper. Meine Lippe zitterte unaufhörlich und ich spürte, wie heiße Tränen über meine Wange liefen.

Ich fühlte mich so klein in dieser Unendlichkeit.

Und ich fühlte mich machtlos.

Es zwang mich auf die Knie, zwang mich, diesen Splitter zu suchen.

Ich hatte keine Wahl. Dieses ganze Spiel artete allmählich aus und es schien als wäre der einzige Weg hier raus einfach mitzuspielen.

Also kroch ich weiter. Und immer weiter.

Ich wusste nicht einmal mehr wo Louis war, geschweige denn, wie weit ich mich von ihm entfernt hatte.

War er wach? Würde er mich überhaupt vermissen?

 

Auf einmal stieß meine Handfläche gegen etwas. Kalt, glatt, scharfe Kanten.

Endlich.

Ich atmete auf, nahm den Splitter in die Hand und stellte mich hin.

Mein Rücken schmerzte.

Ich drehte mich in die Richtung aus der ich gekommen war.

"Louis?", rief ich zaghaft in die Dunkelheit.

"Louis!", nun etwas lauter.

Doch es kam immer noch keine Antwort.

Also ging ich ein paar Schritte in die Richtung in der ich dachte, dass er sein musste.

Nach einiger Zeit rief ich wieder nach ihm.

Nichts.

Was, wenn ich ihn verloren hatte? Dann war ich alleine. Aber ich wollte, konnte jetzt nicht alleine sein.

Das würde ich nicht überleben, dessen war ich mir sicher.

Meine Atmung beschleunigte sich und ich spürte, wie Panik in mir aufstieg.

Nun schrie ich - fast schon hysterisch - in die Dunkelheit hinein.

Nach einiger Zeit fühlte ich ein Kratzen im Hals. Ich schluckte mehrmals, doch es war nach wie vor da.

Gerade als sich meine Augen wieder mit Wasser füllen wollte, hörte ich eine vertraute Stimme.

Und sie rief meinen Namen!

"Louis?", krächzte ich.

"Kendra?"

Nun etwas lauter.

"Wo bist du?"

Jetzt schien es so, als würde er ganz in der Nähe sein.

"Hier", flüsterte ich.

Auf einmal konnte ich fast seinen Atem in meinem Gesicht spüren.

Ich nahm die Berührung seiner Finger auf meinem Arm wahr.

"Gott sei Dank", hörte ich ihn sagen.

Dann umarmte er mich.

Es tat gut, ihn in meiner Nähe zu fühlen. Er war mein einziger Halt.

Alles andere schien einfach nur aussichtslos.

Kapitel 14 [Er]

Wir waren inzwischen mit unseren Nerven total am Ende und erschöpft, sodass wir uns nach etwas anderem sehnten. Etwas anderem als die Dunkelheit, die Stille, die Trostlosigkeit.

Wir waren müde, aber nicht müde genug, um zu schlafen. Also spazierten wir ausgelaugt herum. Ohne Ziel. Ohne Ahnung, wohin das alles führte.

 

Hin und wieder sprach die Stimme mit uns. Gab uns gnädig etwas zu Trinken oder zu Essen. So wie gerade. Kendra und ich saßen auf dem Boden, einen Teller vor uns. Wir wussten nicht, was darauf lag, doch wir konnten es uns in unserer Situation nicht leisten, zu hinterfragen.

Also nahmen wir das Unbekannte in unsere Finger, führten es zum Mund und aßen. Es waren Teigröllchen, gefüllt mit Gemüse - anscheinend so etwas wie Frühlingsrollen. Es schmeckte. Also aßen wir schweigend und versuchten unser Gehirn abzuschalten. Einfach an nichts zu denken, so gut es ging.

Wir wollten nicht wissen, was die möglichen Folgen sein könnten.

Lebten einfach nur im Hier und Jetzt.

Auf einmal vernahm ich ein lautes Knacken.

In der Stille hörte es sich erschreckend laut an, sodass ich zusammenzuckte.

Ich blickte hinüber zu Kendra.

Ich konnte sie nicht deutlich sehen.

Aber da sich meine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnt hatten konnte ich schemenhaft ihr Gesicht ausmachen.

Ich bemerkte, wie sich ihre Züge zu einem angewiderten Ausdruck verzogen.

"Was ist los?"

Sie steckte sich ihren Daumen und Zeigefinger in den Mund und zog ein kleines Ding hervor.

"Ich habe auf etwas Hartes draufgebissen."

Angestrengt starrte sie darauf, doch ich konnte sehen, dass sie nicht erkannte, was es ist.

"Glaubst du, das ist Absicht?", fragte ich sie.

Langsam drehte sie sich zu mir und fixierte mich mit ihren leuchtenden Augen.

Dann schüttelte sie energisch den Kopf.

"Nein. Sicher nicht. Nichts geschieht hier ohne einen Grund. Ich bin überzeugt davon, dass auch das zu dem perfiden Plan gehört."

Tief in mir drin wusste ich das selber. Doch ich wollte es einfach nicht glauben.

 

"Ja, ganz recht", rief plötzlich eine laute Stimme.

Ich verdrehte die Augen.

Wenn man vom Teufel sprach…

"Ich freue mich, dass ihr an mich denkt."

Insgeheim bettelte ich, es würde zum Punkt kommen. Einfach sagen, was wir machen sollen, damit es schnell vorbei war.

"Kendra? Du hast dein heutiges Geschenk schon gefunden. Doch du Louis, ich bitte dich: iss doch noch ein bisschen was. Auch für dich habe ich eine Überraschung."

Ich musste lachen. Leise, abfällig.

Dann griff ich nach der letzten Teigrolle. Doch anstatt sie zu essen, pulte ich mit den Fingern in ihr herum, bis ich das kleine Metallteil fand.

"Nicht ganz das, was ich wollte. Aber nun gut."

Ich freute mich über meinen kleinen Triumpf. Wäre ja noch schöner wenn ich mir hier die Zähne ausschlagen würde.

 

"Dann lasst uns doch mit eurer Aufgabe beginnen. Als erstes empfehle ich euch, die Metallplättchen in euren Wassergläsern abzuwaschen."

Eine Empfehlung? War das wirklich ernst gemeint? Konnte diesem Monster glauben?

Doch bevor ich irgendetwas erwidern konnte sah ich im Augenwinkel, wie Kendra das Ding in ihrem Glas versenkte. Also tat ich es ihr gleich.

Als die Metallteile gereinigt waren und wir die Essensreste entfernt hatten, sprach die Stimme weiter:

"Kendra, du erinnerst dich sicher noch an die Glasscherbe, nicht wahr?"

"Ja", antwortete sie.

"Gut. Folgendes muss erledigt werden:

Ihr schneidet euch mit dieser Scherbe den Arm auf, drückt das Metallplättchen in euer Fleisch und näht die Wunde wieder zu. Nadel und Faden befinden sich auf der Unterseite des Tellers.

Die Zeit läuft. Tik-tak, tik-tak.

Viel Erfolg."

Kapitel 15 [Er]

Völlig perplex blieben wir erst mal eine Weile ruhig sitzen. Dachten über das nach, was wir gerade gehört hatten. Doch egal wie ich es drehte und wendete, es hörte sich immer noch grausam an. Es war grausam. Das konnte es nicht von uns verlangen.

 

Kendra fasste sich schneller als ich. Sie bewegte sich und drehte sich zu dem Teller. Nahm ihn in die Hand und drehte ihn um. Dann tastete sie mit den Fingern über den Boden.

"Nadel und Faden."

Tonlos kamen die drei Wörter aus ihrem Mund.

"Natürlich. Was hast du denn gedacht?"

Beinahe lachte ich. Es kam mir alles so unwirklich vor. Als wäre es nur ein Traum, aus dem ich jede Sekunde aufwachen könnte. Doch ich wachte nicht auf. Das war das Problem.

Und so standen wir vor der Aufgabe, und zu operieren. Ohne Narkose, ohne Betäubung. Einfach so.

 

Ich hörte, wie Kendra das Nähzeug von dem Porzellan löste. Und als hätte dies einen Schalter betätigt, ging surrend ein Licht an. Die Stelle, an der wir saßen wurde erhellt. Zwar nur leicht, aber besser als gar nichts.

Ich sah Kendra an.

Sie sah mich an.

Dann begann sie, den Faden abzuwickeln, riss ihn nach einer Weile durch und fädelte ihn in das Nadelöhr ein. Dann machte sie ans andere Ende mehrere Knoten.

"Was machst du da?"

"Das, was wir machen müssen. Das siehst du doch."

Ich begriff nicht. Ich konnte nicht fassen, dass sie ernsthaft vorhatte, das zu tun.

"Kendra, bitte", flüsterte ich und schüttelte den Kopf.

"Wir haben keine Wahl."

Ich hörte das Flehen in ihrer Stimme. Ich begriff, dass auch sie das alles schnellst möglichst hinter sich bringen wollte. Damit wir hier raus konnten.

Nach Hause. Wo auch immer das war.

Es klang dämlich, doch in den letzten Tagen war dieser Ort hier mein Zuhause gewesen. Und Kendra meine Familie. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es ohne sie wäre. Der Gedanke, dass sie auf einmal weg sein könnte, machte mir Angst. Und es schien, als wäre der einzige Weg um das zu erreichen der, dass wir den Anweisungen Folge leisteten.

"Du hast Recht. Pflanzen wir es uns gegenseitig ein?"

Sie nickte.

Dann nahm sie die Tasche und zog einen Splitter hervor. Ich schloss die Augen und atmete tief durch.

"Du zuerst?", fragte sie.

"Ja."

"Bereit?"

"Nein."

Nein, das war ich ganz und gar nicht. Wie konnte man schon auf so etwas bereit sein?

Und so saßen wir noch eine Weile. Schweigend. Ich hörte, wie Kendra anfing zu schluchzen.

Doch dann wurde diese Stille abermals durchbrochen.

 

"Jetzt macht schon ihr dummen Kinder", zischte es mit zusammengebissenen Zähnen, "oder ich bringe euch auf der Stelle um."

"Vielleicht wäre das sogar die bessere Wahl", brüllte Kendra plötzlich.

Hysterisch, unter Tränen.

Dann flüsterte sie nur noch: "Dann hätte dieser ganze Wahnsinn hier endlich ein Ende."

"Nein."

Meine Stimme zitterte ein wenig.

"Wir dürfen die Hoffnung noch nicht aufgeben. Vielleicht gibt es ja doch noch die Chance, dass wir hier lebend rauskommen. Wir müssen es einfach versuchen."

Wir schauten uns tief in die Augen.

"Also ... fang an. Tu es einfach."

Kapitel 16 [Es]

Blut. Überall Blut.

Vielen Leuten wurde davon schlecht. Sie fielen sogar in Ohnmacht.

Doch ich war anders.

Ich liebte Blut.

Diese rote, zähe Flüssigkeit.

Und der Arm von Louis sah aus, als wäre er in einen Eimer voll davon eingetunkt worden.

Er hatte Schmerzen. Das sah man ihm an.

Ich verstand das.

Und doch war es mir egal. Solange ich diese Schmerzen nicht hatte, genoss ich das Schauspiel, das sich mir dort bot.

Diese zwei kleinen, verstörten Kinder, die sich gegenseitig ihre Unterarme aufschlitzten und anschließend wieder zunähten.

Ich musste schon sagen: Louis war tapfer. Er biss die Zähne zusammen. Sein Gesicht hatte er zu einer hässlich Grimasse verzogen, aber saß ganz ruhig da. Verkrampft, versteinert. Er gab keinen Laut von sich. Wartete einfach, bis Kendra ihm den Arm wieder zugenäht hatte.

 

Doch dann war sie dran. Es war sicherlich nicht leicht für Louis ihr so etwas Grausames anzutun. Doch er musste es machen. Dafür war ich verantwortlich und ich liebte es.

 

Dieses kleine Gör schrie. Sie schrie so laut, dass es mir in den Ohren wehtat. Wie musste es da erst dem Jungen ergehen? Er war nur wenige Zentimeter von ihr entfernt.

Ich grinste hämisch.

Das ist nicht meine Sorge.

Damit musste er wohl oder übel leben.

Die Prozedur dauerte bei ihr wesentlich länger.

Kendra wimmerte, zuckte immer wieder zurück.

Zögerte. Wieder und wieder.

Und stellte damit meine Geduld auf eine harte Probe.

Doch der Grund, warum ich sie nicht mehr dränge war der, dass sie die Initiative ergriffen hatte.

Sie überzeugte Louis, nahm das Steuer in die Hand.

 

Gefühle des Glücks und des Stolzes breiteten sich in mir aus.

Ich hatte ihr ein Stück Gehorsam beigebracht.

Inzwischen machte sie, was man von ihr verlangte. Zwar zögernd und etwas widerspenstig, doch letztendlich schien sie sich immer wieder darauf zu besinnen, dass sie eigentlich keine andere Wahl hatte.

Und das war auch gut so.

 

Noch während ich dem Spektakel meiner zwei Experimente zusah, freute ich mich insgeheim schon auf meinen nächsten Angriff.

Kapitel 17 [Sie]

Die Schmerzen waren kaum auszuhalten. Ich hatte das Gefühl zu sterben.

Ich war darauf gefasst, jeden Moment einfach einzuschlafen und nie wieder aufzuwachen.

Diese Vorstellung gefiel mir.

Mittlerweile kam mir der Tod wie das Paradies vor. Ich war überzeugt davon, dass alles besser war als das hier.

 

Meinen rechten Arm konnte ich kaum noch bewegen. Der Schnitt am kleinen Finger, den ich mir am Anfang zugezogen hatte, war inzwischen ein wenig verheilt, doch aus meinem Unterarm sickerte noch immer unaufhaltsam das Blut.

Louis erging es nicht besser. Auch sein Schnitt sah unerträglich aus.

 

Ich hatte Angst vor dem, was als nächstes kommen würde. Ich wusste, es würde keinen Deut besser werden als die Sachen, die wir bis jetzt erlebt hatten.

Doch unerklärlicherweise ich war bereit dafür. Jetzt war es auch schon egal. Es war alles unbedeutend.

In mir drin loderte zwar immer noch eine kleine Flamme der Hoffnung, dass wir hier lebend rauskamen. Doch wenn ich ehrlich war fühlte ich mich wie ein Experiment. Hilflos. Verkrüppelt. Für das Leben gezeichnet. Denn die Narben die bleiben würden waren nicht nur die Äußerlichen. Die, die man sehen konnte.

Sie gingen noch viel tiefer.

Das alles hatte sich in mein Gedächtnis gebrannt, ich würde es nie wieder vergessen können.

 

Da wir uns von unseren höllischen Schmerzen ablenken wollten, hatten wir beschlossen weiterzugehen.

Einfach geradeaus. So wie immer halt.

Schweigend. Auch wie immer.

Wir hatten nichts, worüber wir uns unterhalten konnten.

Alles, woran wir uns erinnern konnten, hatten wir gemeinsam erlebt.

Wir hatten schon so viel zusammen durchgestanden.

Bis vor einer Weile wusste ich nicht mal wie er aussah, und doch hatte ich ihn in mein Herz geschlossen.

In dem Licht vorhin hatte ich ihn zum ersten Mal gesehen.

Ich konnte in seine glänzenden, haselnussbraunen Augen blicken. Auch in ihnen hatte ich Hoffnung gesehen.

Er sah nett aus, freundlich.

Gab mir mit jeder Minute mehr und mehr das Gefühl, nicht allein zu sein, beschützt zu werden.

Meine Gefühle für ihn überwältigten mich.

Es kam mir lächerlich vor in Anbetracht der Umstände, unter denen wir uns kennengelernt hatten, doch da war etwas, tief in meinem Herzen. Es war Liebe.

Dessen war ich mir sicher.

Ich ertappte mich dabei, wie ich die ganze Zeit auf Louis geschaut hatte.

Ich beobachtete ihn.

Es war lächerlich, da ich ihn sowieso nicht wirklich sehen konnte. Trotzdem konnte ich mich erst jetzt von ihm losreißen und blickte nach vorne.

 

Ich erschrak: ich war mir nicht mehr sicher, ob ich meinen Augen noch trauen konnte, doch da waren zwei kleine gelbe Punkte. Dicht nebeneinander. Sie glühten.

Ich tastete nach Louis. Sorgsam darauf bedacht, nicht seinen linken Arm oder gar die Wunde zu berühren, tippte ich ihn an.

"Was ist?"

"Da vorne. Siehst du das auch?"

Er blieb stehen. Ich ebenfalls.

Nach einer Weile sagte er: "Ja."

Wir bewegten uns nicht von der Stelle. Blickten einfach nur geradeaus.

"Die Punkte, sie werden größer", bemerkte ich.

Und das rasend schnell.

Auf einmal spürte ich einen kleinen Windhauch. Dann noch einen. Meine inzwischen verklebten und verfilzten Haare, begannen, sich zu bewegen. Auf und ab. Im Takt der Flügelschläge.

Moment.

Flügelschläge?

Ein Vogel?

Als hätte Louis meine Gedanken gelesen, meinte er: "Ich glaube, das ist ein Vogel."

"Mit den Augen?", lenkte ich ein.

"Mmh. Vielleicht kein normaler, sondern ein manipulierter Vogel. Ein Versuchskaninchen, so wie wir."

Das klang in Anbetracht der Umstände logisch.

Man konnte nicht viel von dem … Tier erkennen. Es flog die ganze Zeit um unsere Köpfe.

Doch die Augen waren wie Taschenlampen. Sie hüllten unsere Köpfe in gelbliches Licht.

Ich wusste nicht, warum ich das tat, doch mein linker, unversehrter Arm hob sich. Ich streckte ihn aus.

Nach einer Weile kam der Vogel zu mir, setzte sich darauf.

Ich konnte hören, wie Louis scharf die Luft einzog. Fast, als hätte er Angst um mich.

Der Vogel legte seine Flügel an, wurde ruhig.

Dann beäugte er uns abwechselnd, im Gegenzug dazu betrachteten wir auch ihn.

 

Eigentlich sah bis auf die Augen alles an ihm tierisch aus.

Doch ich fragte mich, welch unheilvolle Bedrohung er wohl mit sich brachte.

Denn eins war sicher: er war nicht einfach nur hier.

Als hätte er nur auf dieses Zeichen, meine Gedanken, gewartet, wurde er unruhig.

Er plusterte sich auf.

Louis und ich schreckten zurück.

Dann breitete der Vogel seine Flügel aus und begann, sie vor und zurück zu schwingen.

Doch anstatt loszufliegen, krallte er sich mit seinen dünnen, spitzen, aber kraftvollen Zehen in meinen Arm hinein.

Noch bevor wir begreifen konnten, was überhaupt los war, zerfiel der Vogel plötzlich.

Fassungslos sah ich dabei zu, wie die schwarzen Federn sanft auf den Boden glitten.

Als würde ihm es unfassbare Schmerzen bereiten, schrie der Rabe.

Am liebsten hätte ich mit eingestimmt, da auch noch mein linker Arm drohte, stark verletzt zu werden. Aber ich bekam wieder meinen Mund auf, noch irgendeinen Laut aus mir heraus.

Nach ein paar Sekunden war das Spektakel jedoch wieder vorbei. Auf meinem Arm saß nur noch ein lebloses erscheinendes Skelett, die schwarzen Federn hatten der Schwerkraft nachgegeben, lagen auf dem Boden direkt vor meinen Füßen.

Die Augen schienen zwar immer noch hell, jedoch war das freundliche gelb einem bedrohlichen rot gewichen.

Mir lief es eiskalt den Rücken runter.

Dann ging alles ganz schnell: das Vogelskelett löste sich von einer zur anderen Sekunde einfach in Luft auf und auch die rot glühenden Punkte waren verschwunden.

Allerdings nicht für meine Augen, denn ich sah sie immer noch.

Sie hatten sich noch für ein Weilchen in der Dunkelheit festgekrallt.

Anschließend erfüllte erneutes Vogelgeschrei den Platz.

Doch diesmal war es nicht nur einer.

Nein.

Es waren tausende.

Die gleißenden, gelben Augen auf uns gerichtet kamen sie alle direkt auf uns zugeflogen.

Kapitel 18 [Es]

Es klappte.

Vor Freude klatschte ich in die Hände.

Die Chips, die Metallplättchen taten ihren Dienst. Sie lockten die Vögel an.

Ohne diesen Sensor wären sie in der Dunkelheit, der Unendlichkeit in der sich die zwei Kinder befanden, verloren gewesen.

Doch dank meines geistreichen Einfalls fanden sie ihren Weg zu ihnen problemlos.

Ich war zufrieden.

Es war immer schön, wenn alles nach Plan lief.

Wenn ich die Kontrolle hatte.

Kapitel 19 [Er]

Ich konnte meinen Blick nicht von dem Unheil richten, das da auf uns zugeflogen kam.

Ich tastete vorsichtig nach Kendras Hand.

Ich brauchte Halt und ich wusste, dass sie das auch brauchte.

Also halfen wir uns gegenseitig.

Warteten Seite an Seite auf unser nächstes Beinahe-Verderben.

 

Doch überraschenderweise schienen die Vögel nicht die Absicht zu haben uns anzugreifen oder zu verletzen.

Sie flogen um uns herum.

Immer im Kreis.

Hoch und runter, in Spiralen.

Bis sie es dem Vorboten gleichtaten.

Nacheinander ließen sie alle ihre Federn fallen.

Diese schwebten sanft zu Boden oder blieben auf ihrem Weg auf uns liegen.

Anschließend verfärbten sich ihre Augen. Von gelb zu rot.

Kendra und ich standen inmitten von vielen kleinen, leuchtenden Punkten. Ein Gemisch aus rot und gelb.

Dann lösten sich die vielen Vogelskelette wie durch Geisterhand vor unseren Augen einfach auf.

 

Dieses Schauspiel beobachtete ich wieder und wieder. Tausende Vögel taten es ihren Vorgängern gleich.

Es schien kein Ende zu nehmen.

Ich hatte sowieso schon jegliches Gefühl für Zeit verloren, doch ich konnte beim besten Willen nicht sagen, wie lange wir hier schon standen und gebannt die Vögel beobachteten.

Das Lärmen der Vögel umgab uns wie eine Mauer. Es war ohrenbetäubend laut.

Und ich zitterte.

Der Wind war überraschend stark.

Er fegte durch meine Haare, drang durch meine Kleidung.

Es war eiskalt.

Und dieses Gefühl verschwand nicht.

Nicht einmal, als ohne Vorwarnung plötzlich alle Vögel weg waren.

Die Stille senkte sich wieder auf uns herab.

Genauso wie die Dunkelheit.

Doch die Kälte blieb.

Meine Beine gaben nach und ich sackte auf den Boden. Nach einer Weile musste Kendra dies mitbekommen haben, denn sie setzte sich neben mich.

Sie sagte nichts.

Ich war dankbar dafür, denn ich hätte jetzt nicht antworten können.

Stattdessen umarmte sie mich.

Ich fühlte ihr Herz an meiner Brust. Es klopfte stark.

Fast bildete ich mir ein, es hören zu können. Oder war das mein eigenes?

Wir standen beide unter Schock.

Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter und ich schlang langsam und vorsichtig meine Arme um ihren kleinen, abgemagerten Körper.

 

So saßen wir sehr lange. Stunden? Minuten? Vielleicht waren es aber auch nur Sekunden, ich wusste es nicht mehr.

Aber ich wusste, dass die Zeit gekommen war.

Ich zwang meinen Mund sich zu öffnen, meine Zunge sich zu bewegen.

Es waren nur drei Wörter. Drei Wörter, die alles veränderten, die jetzt so unpassend waren. Für die es aber wahrscheinlich keine andere Gelegenheit mehr geben würde, gesagt zu werden.

Ich musste es jetzt machen.

Jetzt oder nie.

Ich schloss die Augen.

"Ich. Liebe. Dich."

Ich flüsterte nur. War überzeugt davon, dass Kendra sie nicht gehört hatte.

Doch ich hatte nicht die Kraft, es noch einmal zu sagen.

 

Es war nicht nötig.

Ich konnte erkennen, dass Kendra mich anschaute. Lange.

Bis sie sich nach vorne beugte und mich küsste.

Ihre Lippen waren rau, spröde, trocken.

Doch es war mir egal.

Das einzige was jetzt zählte waren wir.

Hier, auf einem Bett aus weichen, schwarzen Federn.

Und so ließen wir uns fallen.

Dachten über nichts mehr nach und gaben uns einfach nur unseren Gefühlen hin.

Ließen uns von ihnen überwältigen.

Kapitel 20 [Es]

Es widerte mich an. Einfach nur ekelerregend diese zwei kleinen, verletzen und geschundenen Experimente.

Sie trieben es miteinander. Vor meinen Augen.

Allein um sie damit zu demütigen sollte ich sie weiterleben lassen. Und dann wieder in ihre vertraute Umgebung, in ihr altes Leben aussetzen.

Doch das war nicht mein Plan. Das war es nie und ich wusste, dass es das auch nie sein wird.

 

Und so wartete ich.

Bis sie erschöpf nebeneinander lagen.

Die Augen schlossen.

Einschliefen, gebettet auf den Rabenfedern.

Ich hatte immer noch ihr Schicksal in der Hand.

Und so beschloss ich, dass sie nun für immer schlafen würden.

 

 

Operation "Lost" abgeschlossen.

Game over.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 15.09.2013

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /