Verlegen sah ich zu ihm hoch. Sein intensiver Blick fesselte mich. Ich spürte seinen Atem auf meiner leicht rosa gehauchten Wange. Seine Nähe brachte mein Herz um den Verstand und ich verfiel einem gefährlichen Rausch der Sinne. Mit einer ungeheuren Menge an Zärtlichkeit streichelte er meinen flachen Bauch. Begann meine vor Anspannung leicht geöffneten Lippen zu liebkosen. Ich versuchte die Augen zu schließen. Wollte mich den Gefühlen die er in mir hervorrief ergeben. Doch vor Erstaunen sah ich in die Schwärze der Nacht die uns umgab. Zuckersüß waren sein Küsse. Er schmeckte nach Minze. Und er roch nach einem milden Wintermorgen. Der in mir Bilder von Schnee und Tannenbäumen heraufbeschwor. Als er sich einen unendlichen Augeblick von mir löste um mir ins erhitzte Gesicht zu sehen gewann ich etwas von meiner Fassung wieder. Aber die Freude darüber blieb nur Sekunden. Denn seine plötzliche Zuneigung traf mich erneut unvorbereitet. In seinen Augen spiegelten sich Verwirrung und Leidenschaft in großem Kontrast wieder. Elektrisiert beobachtete ich ihn. Ich stand mit dem Rücken zur Hauswand. Wäre sein Körper dem meinen nicht so dicht, hätte ich vor beißender Kälte zusammengezuckt. Aber in mir tobte ein Kampf zwischen Verlangen und Vernunft. Da spürte ich seine Hand auf meinen Schenkel gleiten, er ging in die Hocke. Eine Wärme die von der Mitte in jeden Winkel meines Körpers strömte, überkam mich so überraschend wie die Sehnsucht in seinem durstigen Blick. Meine veilchenblauen Augen folgten seinen suchenden Fingern. Der Stoff meines Abendkleides wölbte sich in seiner Hand. Bedächtig zog er das samtrote Kleid langsam an meinen Beinen hoch. Vor Aufregung wurde mir schwindlig. Ich wollte mich aufs Denken konzentrieren, wollte mich davon überzeugen, dass unser Tun falsch war. Stattdessen seufzte ich. Das schien ihn in seinem Tun noch zu bekräftigen, denn er hielt nicht inne. Mit flüssigen Bewegungen suchte er sich einen Weg zu meinen schwarzen halterlosen Strümpfen. Ich schluckte und benetzte meine Lippen mit der Zunge. Da hatte ich den Malibugeschmack meines Labellos im Mund. Für kurze Zeit hing ich meinem Gedanken nach, im nächsten Moment vergaß ich vor lauter Begierde allerdings alle Bedenken. Mein Gehirn hatte aufgehört die Pro und Contras abzuwägen. Mein Atem ging stoßweise und bildete kleine Rauchwolken in der winterlichen Nachtluft. Meine Hände schwitzten in den roten Samthandschuhen. Um Halt zu finden vergrub ich meine Hände in seinem dichten dunklen Haar. Da ließ er, so unerwartet wie er angefangen hatte, von mir ab. Ich schluckte und versuchte meine Sprachlosigkeit herunterzuwürgen. Obwohl meine braunen Locken, welche ich anlässlich des Balls hatte machen lassen, bereits ein wenig zerzaust waren, glaubte ich meine Frisur nicht auffallend ruiniert zu wissen. Daher schnappte ich kurzatmig nach Luft und strich mein Kleid wieder glatt. Ich musste mich selbst zur Ruhe rufen. Er hatte sich in der Zwischenzeit wieder aufgerichtet. Seine warmen Handflächen lagen auf meinen nackten Armen. Er war meinem Gesicht nur einige wenige Zentimeter entfernt. Auch er atmete ruckartig. Wie beiläufig berührte sein Mund mein Ohrläppchen.
„Ist dir kalt?“ In seiner Stimme schwelgte ein verführerischer Unterton mit. Sein Gesicht vergrub er in meinem Haar. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Mein Kopfschütteln ging in einem kläglichen Versuch unter.
„Wieso hast du aufgehört?“ Endlich hatte ich meine Stimme wieder gefunden. Obgleich mir auffiel das sie sich etwas zittrig anhörte. Ich wusste, dass man mir die Enttäuschung über seine plötzlich errungene Selbstbeherrschung anmerkte. Da begann er sanft mit seinen Händen meine Arme zu reiben.
„Du friest“, flüsterte er an meiner Halsbeuge wie zur Erklärung. Wieder nahmen seine Küsse meine Wahrnehmung für sich allein ein. Diesmal verteilte er sie auf meinem Hals und meinem Dekollete. Überall wo sein weicher Mund meine Haut berührte hinterließ er Schauder der Erregung. Auf jenen Stellen entbrannten kleine Flammen des Verlangens. Ich hatte das Gefühl in Brand gesteckt worden zu sein und innerlich zu zerbersten. Seine Berührungen waren erstaunlich routiniert während ich mir zu gegenwärtigen versuchte, dass ich einen kühlen Kopf bewahren musste. Meine innere Unruhe zog seine äußerliche Gelassenheit in einen Strudel der Gegensätze. Im Schatten der Laterne lösten wir im jeweils anderen eine quälende Gier nach Vergnügen und Wonne aus. Langsam kamen seine Küsse fordernder. Mit dem Finger zeichnete er im Dunkeln die Konturen meines Mundes nach, ehe er mit seiner Zunge eindrang. Im Dunst der Gefühle vergaßen wir die riesige beleuchtete Halle mit den unzähligen Ballbesuchern. Wir klammerten uns wie Ertrinkende aneinander. Und eng umschlungen versanken wir im Taumel der Empfindungen und Gelüste. Unter meinen Händen spürte ich das Spiel seiner Muskeln. Meine Knie drohten einzuknicken, aber sein athletischer Körper und die kühle Wandmauer stützten mich. Es lag ein Zauber einem Bann gleich über uns, denn auf einmal zog ich unweigerlich den Saum meines weinroten Kleides hoch und zwang ihn damit sein rechtes Bein zwischen meinen Schenkeln anzuwinkeln. Dabei ließ er kein einziges Mal von meinen Lippen ab. Um der anhaltenden bittersüßen Trance keinen Dämpfer zu verpassen, streichelte ich über seine Brust und ertastete die nachwachsenden Bartstoppeln auf seiner eisigen Wange. Dies führte dazu, dass er sich noch mehr an mich drängte und mir mit einer ungestümen Bewegung durch die Locken griff. Ich taumelte. Meine Sinne waren in Aufruhr. Jede Faser meines Körpers kam seinen Forderungen vorbehaltlos nach.
„Ich kann nicht mehr warten.“ Zwischen zusammengebissenen Zähnen presste er den Satz hervor. Wie aus weiter Ferne drang allmählich die Bedeutung seiner Worte in mein Bewusstsein. Nach einer unabsehbaren Zeit hatte er mir das erste Mal die Möglichkeit gegeben einen tiefen Atemzug zu nehmen.
„Nicht hier!“ Als ich ihm schüchtern antwortete hätte ich schwören können, dass meine Lippen um das doppelte ihrer gewöhnlichen Größe angeschwollen sind. Um seine azurblauen Augen begannen sich merklich Lachfältchen zu bilden. Meine Augen hatten sich offensichtlich an die Dunkelheit gewöhnt, sodass ich sogar erkennen konnte, wie sich seine Mundwinkel zu einem spitzbübischen Lächeln verzogen.
„Sollen wir verschwinden?“ Nur ein Nicken stand einem seligen Abschluss dieses Abends im Weg. Er fixierte mich mit einem fast flehenden Blick. Deshalb senkte ich den meinen. Da entdeckte ich, dass sein Reißverschluss zu raffen angefangen hatte. Ein Schmunzeln verzog meine leblosen Gesichtszüge.
„Man wird mich vermissen, wenn ich mich nicht verabschiede“, murmelte ich und wurde zum Ende hin immer unverständlicher. Mario stieß einen langen Seufzer aus.
„Ich kann so nicht zurück“, wisperte er nach Sekunden der Stille. Fast hätte ich es mir anders überlegt, so atemberaubend schön sah er aus als er aus dem Schatten ins Licht der Straßenbeleuchtung ging. Ich wusste, dass er Abstand von mir brauchte, daher blieb ich wie angewurzelt an die Wand gelehnt stehen. Verzweifelt ignorierte ich die starke Anziehungskraft zwischen uns und beobachtete aufmerksam den schwarzen Asphalt, als würde ich nach einem verlorenen Ohrring am Boden suchen.
„Ich kann nicht …“ Sein Tonfall brachte mich dazu ihn wieder anzusehen. Er raufte sich gerade das schwarze Haar. Sein Anzug war an gewissen eindeutigen Stellen zerknittert. Das weiße Hemd hing lose über seine schwarze Hose und die rote Krawatte war wie zum Beweis unserer Schamlosigkeit anzüglich gelockert. Die Ausstrahlung die er auf mich ausübte wurde mit seinem erotischen Erscheinungsbild maßgeblich gesteigert.
„Ich kann nicht mehr stehen“, stellte ich abrupt fest. Mich in Marios Arme zu kuscheln war eine dermaßen große Verlockung, sodass ich mir mein Vorhaben abermals ins Gedächtnis rief. Dieses zügellose Bedürfnis mich ihm hinzugeben rührte nicht von seiner unheimlich attraktiven Gestalt her, sondern von der Leere in meinem Herzen. Schlagartig fühlte ich mich schäbig. Mario fungierte als Ersatz für den Menschen, den ich in Wirklichkeit liebte.
„Lass uns Heim fahren“, hörte ich mich selbst sagen. Blitzartig stand er still. „Bist du dir sicher, dass du das willst?“ Ich schüttelte den Kopf. Meine Locken wippten dabei von links nach rechts und fielen letztendlich wie Federn auf meinen nackten Rücken.
„Ich will nur vergessen.“ – Vergessen wem mein Herz gehört
Tag der Veröffentlichung: 31.10.2009
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