Cover


blackiii


Können Träume Wirklichkeit werden?



,,Jede Erinnerung birgt eine Geschichte. Aber nicht immer ein Happy- End.''


Für meine aller beste Freundin Aileen <3


Prolog:



Tropf…
Tropf…
Meine Hand zitterte, fest umschlungen hielt ich das Messer in der rechten Hand. Die scharfe Klinge schimmerte leicht rötlich und die ebenfalls roten Tropfen schmiegten sich um diese. Sie fielen langsam zu Boden.
Tropf…
Ich hörte das leise Plätschern, es war in einem geregelten Abstand. Ich wusste nicht was geschehen war, denn mein Verstand schien ausgesetzt zu haben. Alles war leer in meinem Kopf, kein Funken Verstand. Ich stand mit den nackten Füßen in dem warmen Blutteich. Es war ein herrliches Gefühl, so schön warm… So schön entspannend. Der Wahnsinn hat mich eingesperrt und meine, bis vor einigen Minuten heile Welt verzerrt. Mein Kopf schrie nur noch. Ich wusste nicht was, ich konnte es nicht einordnen. Immer wieder wuselten Worte in meinem Kopf herum, Worte die ich nicht verstand. Es sollte aufhören… bitte… es sollte aufhören!
„Bitte… hört auf… wer auch immer ihr seid… BITTE!“, flehte und schrie ich.
Ich flehte, ich flehte nie! Immer habe ich alles in mich selber gefressen, hab mich nie beschwert, alles mir gefallen lassen. Selbst in der Schule, wenn sie mir Spinnen in den Turnbeutel taten oder Ameisen in die Butterbrotdose. Selbst dann als sie meinen Pullover klauten und ich in BH nach Hause musste, zu Fuß.

„Mama…“, hauchte ich leise, bis ich auf die Knie sank und das Messer fallen ließ. Meine Hände begrub ich in das warme Blut in dem ich mich langsam, aber sicher hinein gleiten ließ.
Was war mit mir geschehen?
Wieso habe ich plötzlich die Besinnung verloren?
Wo befand ich mich?
Es ist so dunkel… so dunkel… schwarz…
Ich sehe nichts außer dass Blut vor meinen Augen. Und die leblose Leiche, dessen Gesicht ich vor mir sehe, da ich ungünstig lag.
Sie hatte die Augen weit geöffnet, ich sah nur noch weiß, die Pupillen waren weg. Sie sah aus wie ein Teufel. Ja, es war ein Mädchen.

=1=



Die Abendluft war eine angenehme, frische Brise, die endlich die Hitze des Tages aus den Zimmern vertrieb. Der Sommer neigte sich dem Ende zu und wieder war ein Tag vorbei. Vögel stimmten ihren Abendgesang an und in den Fenstern entzündeten die ersten Menschen ihre Lampen. In orangen, gelben und roten Streifen färbte sich der Horizont, als die Sonne langsam dahinter verschwand. Es zauberte ein überirdisches Licht an die junge Frau, die barfuß auf dem Balkon stand. Das hellblonde Haar fiel ihr offen über die Schultern und lockte und wellte sich, während die letzten Strahlen des Tageslichts es trockneten. Nach dem ausgiebigen Bad hatte sie sich nur ein knöchellanges weißes Kleid angezogen, das unter der Brust abgenäht war.
Es fiel locker herab und kaschierte die Figur der jungen Frau ein wenig.
Spielerisch zupfte der laue Abendwind daran herum, doch nichts von dem Treiben auf den Straßen oder das klingeln des Telefons interessierte die junge Frau.
Ihr Blick war ganz allein auf den Horizont gerichtet, wo die Sonne das Meer küsste.
Nur die Meeresluft füllte ihre Lungen und gab ihr das Gefühl zurück, dass sie so liebte. Wenn sie nur aufs Meer sah und tief einatmete, konnte sie für einen Moment glauben, es wäre wie früher. Damals… alles noch so vieles anders war.

Die junge Frau starrte wie hypnotisiert auf das weite Meer hinaus. Wie gerne würde sie jetzt dort draußen sein. Einfach von dem allem hier abschalten und sich treiben lassen. Früher war sie mit ihren Vater oft dort draußen gewesen. Sind einfach durch die Gegend gefahren und haben alles um sich herum vergessen. Ihr gefiel es jedes mal und sie freute sich immer, wenn ihr Vater sie mit aufs Meer nahm. Doch vor 10 Jahren veränderte sich einfach alles. Nichts war wie früher! Ihr Vater kam eines Tages nicht von seiner gewohnten Arbeit nach Hause. Wochenlang suchte die Polizisten nach dem Vermissten. Doch sie fanden ihn nicht. Tagelang hatte Emily und ihre Mutter geweint und gehofft das sie ihn finden würden! Nur hier sollte der Gott gnade zeigen und sie wieder zu einer normalen, glücklichen Familie zusammenführen. Eines Tages kam eine etwas ältere Dame sie besuchen und diese erklärte ihnen, sie habe den Vater gefunden. Draußen im Wald bei der kleinen Holzhütte. Ihre Mutter rief natürlich sofort die Polizei an und berichtete einen Polizisten am Telefon von dem Vorfall mit der etwas älteren Frau. Als ihre Mutter kurz Wasser holen war, starrte Emily diese Frau Minuten lang an. Bis diese sie anschrie, sie sollte aufhören, sonst würde es was setzten! Vor Angst, sie könnte sie wirklich schlagen, wich sie ihren Blick ab und konzentrierte sie wieder auf ihre Puppen. Als die Polizei an der Holzhütte ankam und dort auch den Vermissten fanden, freuten sich im ersten Moment alle. Doch dieses Glück sollte nur kurz anhalten. Die Polizei sagte ihnen, dass er schon einige Tage dort lag und das sie davon ausgehen, dass er ermordet wurde. Erstochen hatten sie gesagt. Für Emily und ihre Mutter brach in diesen Augenblick die Welt zusammen.

Der Verlust ihres Vaters machte der jungen Frau ziemlich zu schaffen. Sie dachte oft an die alten Zeiten zurück.

Eine Träne rollte über ihr hübsches zierliches Gesicht.
Die junge Frau, die dort oben auf dem Balkon stand und sehnsüchtig zum Meer sah… sie hatte ein ermüdendes Leben. Das fand sie jedenfalls. Obwohl sie -mit 18 Jahre- schon eine eigene Wohnung hatte, ein Dienstmädchen und einen kleinen eigenen Job, war sie dennoch kein Stück glücklich. „My Lady, ihr solltet vielleicht hineinkommen, es wird etwas frisch… nicht, dass ihr euch erkältet.“ Langsam drehte sich die Angesprochene herum und sah das junge Dienstmädchen an. „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mich Emily nennen darfst. Danke jedenfalls Claire. Nur einen Moment noch… der Sonnenuntergang ist so schön.“ ,,Ich muss gestehen‘‘, fing sie an. ,,Der Sonnenuntergang ist wirklich… wunderschön. Dennoch wird es sehr schnell dunkel und kalt. Sie werden sich sicher erkälten.‘‘ Mit diesen Worten verließ Claire den Balkon und ging in Richtung Emily‘s Zimmer. Das Zimmer war in einen hellen Gelbton angestrichen, was für eine ruhige und entspannende Atmosphäre sorgte.
Claire, die Emily für dieses Zimmer beneidete, war hier am liebsten. Ihr gefiel das Zimmer einfach so sehr, dass sie gerne denn ganzen Tag hier drin verbringen würde.
Aber sie hatte andere Verpflichtungen, die sie zu erledigten hatte.

Mit einem letzten Blick auf die Sonne wandte sich Emily um und trat in ihr Gemach, in welchem Claire eilig ein paar Kerzen entzündete, um die aufkommende Dunkelheit fernzuhalten. Mit Schimmer der Flammen glitzerten wieder ein paar Tränen auf den Wangen der jungen Frau. „Wünscht ihr noch einen Tee? Kann ich euch etwas von dem süßen Gebäck bringen?“, bot das Mädchen an und seine Herrin sah es dankend an. „Nein, ich danke dir. Du kannst gehen, ich brauche keine Hilfe mehr. Danke.“
Mit einem Knicks verabschiedete sich das Dienstmädchen und verließ das Gemach.
Die junge Frau in dem langen weißen Kleid blieb allein zurück. Sie stand barfuß mitten auf dem blankpolierten Parkett und schloss die Augen. Dieser Boden fühlte sich so anders an. Und es war viel zu ruhig hier, fand sie. Aber es war auch nicht anders zu erwarten.

Claire hatte ihre Herrin dann durch die verschlossene Tür schluchzen gehört und besorgt um die hübsche Frau, hatte das besorgte Dienstmädchen durch das Schlüsselloch gespäht und gesehen, wie sie am Fenster stand und aussah, als wenn im nächsten Herzschlag alles Schöne für immer vorbei und vergessen wäre. Das Dienstmädchen wusste nicht, warum ihre Herrin so oft weinte und sie wagte nicht, danach zu fragen. ,,Aber es musste etwas schreckliches sein!‘‘, dachte sie sich und machte für diese Nacht das Licht aus.


=2=



Wie jeden Morgen krähte der Hahn um Punkt 6 Uhr. Zaghaft klopfte es an der schön verzierten Holztür. ,,Herein‘‘, sagte Emily noch im halb Schlaf. Ihr Gesicht war in ihrem weißen Seidenkissen vergruben und ihre Decke war halb auf dem Boden gerutscht. Das störte Emily jedoch kaum. Die Nacht war ziemlich warm gewesen und eine Decke brauchte sie nicht. Ihr weißen Kleid hing zerknittert über ihren warmen und noch so müden Körper. Er bewegte sich kaum- außer das heben und senken bei ihren gleichmäßigen Atmen. ,,Guten Morgen‘‘, erklang eine warme und sanfte Stimme. ,,Guten Morgen Claire‘‘ Emily erhob sich aus dem Kissen. Ihre Haare standen in allen Richtungen ab. ,,Wie war Ihre Nacht?‘‘, fragte Claire und nahm die Decke. Sie schüttelte diese kräftig aus. Dadurch entstand ein kalter Windzug. Emily schüttelte ihren Kopf, wodurch ihre Haare wild durch die Gegend geschleudert wurden. ,,Ganz gut, danke. Und wie war Ihre Nacht?‘‘, gab sie als Antwort wieder.
Nervös fuhr sich Emily durch ihre Haare und versuchte sie einigermaßen ordentlich hinzulegen. ,,Das ist sehr schön‘‘, sie lächelte. ,,meine war wie jede Nacht, angenehm.‘‘ Claire lachte auf, jedoch verklang ihr lachen so schnell wie es gekommen war. Emily stand aus ihrem Bett auf. Langsam ging sie zu ihren Kleiderschrank, der sich gleich neben ihrem Bett befand, und holte sich frische Kleidung heraus. Für heute hatte sie sich für ein etwas luftigeres Outfit entschieden.
Ein schulterlanges hellblaues T-Shirt, einen dazu passende kurzen schwarzen Rock und einfache Turnschuhe hatte sie sich für den heutigen Tag ausgesucht. Ihr standen solche Sachen fantastisch und sie zog diese auch recht gerne an. Und für ihren Job waren diese -etwas luftigeren- Sachen auch recht praktisch. Als Journalistin muss sie ziemlich oft irgendwo hinfahren oder gar laufen. Und in engen Sachen macht sich das, wie sie fand, nicht sehr Praktisch. ,,Haben Sie was bestimmtes für Heute vor?‘‘, fragte Claire heiser und legte behutsam die nun ausgeschüttelte Decke auf dem Bett ab. ,,Ach, Arbeit halt. Und danach‘‘ Sie stoppte und atmete tief durch. ,,weiß ich noch nicht so recht.‘‘ Sie lächelte verlegen und räusperte sich. ,,Dann werde ich Sie nicht weiter aufhalten.‘‘ Emily verabschiedete sich von ihren Dienstmädchen, drehte sich um und machte sich für den heutigen Tag fertig.

Ca. 30 Minuten vergingen, als Emily sich in ihren Wagen setzte und langsam vom Hof fuhr. Auf Arbeit hatte sie heute überhaupt keine Lust. So wenig Lust, wie sie jeden Morgen beim Aufstehen hatte. Ihr Job machte ihr doch Spaß, doch heute hatte sie ein komisches Gefühl im Magen. Es war ein solch schreckliches Gefühl, als ob sie hunderte von Fußbällen in denn Magen treffen würden. Schweißperlen rannten ihre Stirn hinunter. In Gedanken versunken fuhr sie die üblichen Straßen entlang, bog hier und dort mal ab. Als sie an der vorletzten Ampel stand und auf grün wartete, durchzog ihr ein stechender Schmerz die rechte Schulter entlang. ,,Scheiße!‘‘, schrie sie laut auf und krümmte sich vor Schmerz. ,,Was‘n jetzt mit mir los?‘‘, dachte sie sich und riss ihre Autotür wutentbrannt auf. Langsam ließ sie sich auf die Straße fallen. Dieser Schmerz machte sie noch ganz verrückt. Es sollte aufhören! Ihr wurde schwindlig, obwohl sie lag. Sie klimperte mit ihren Augenlidern. Um nicht ganz den Verstand zu verlieren, schüttelte sie ihren Kopf und sagte sich immer wieder: ,,Es wird bald vorbei sein. Hier müssen unzählige Autos lang fahren. Eines wird anhalten.‘‘ Doch dem war nicht so. Kein Auto fuhr entlang, dort wo die junge Frau vergebens wartete. Noch nicht. Ihr Schicksal sollte sich schneller verändern als es ihr lieb war.

Sie wusste nicht, wie lange sie dort schon lag. Doch ihre Gefühle sagte ihr, dass es schon längst nach Neun sein müsse. Ihr Arm schmerzte immer noch und Tränen rollten hin und wieder über ihr Gesicht. Emily weinte nicht wegen dem Schmerz in ihren -nun vollständigen- Arm. Nein, sie hatte Angst, das sie hier für immer alleine sein würde, sterben würde. Was natürlich völliger Schwachsinn war, dass wusste sie selbst. Dennoch wollte dieser Gedanke nicht aus ihren Kopf. Sie befand sich unmittelbar auf einer Landstraße und das machte die Sache nicht grade leichter. Ein Blick fiel auf ihren rechten Arm. Als sie ihn sah, blieb ihr Herz fast stehen. Der Puls wurde nun schneller und Angst breitete sich immer mehr aus. Ihr Arm… ihr wunderschöner Arm war blau angelaufen. ,,Was soll die ganze Scheiße hier? Ist hier denn keiner? Ich brauche dringend Hilfe!‘‘, schrie sie ängstlich. Verzweiflung lag in ihrer Stimme. Sie versuchte aufzustehen, doch es klappte einfach nicht. Sie war schon viel zu schwach. Hunger hatte sie. Schrecklichen Hunger. Ein wohl bekanntes Geräusch ließ sie einen kurzen Augenblick aus ihren Gedanken fahren. Es war ein Motor zu hören. Ein Automotor. Trotz den Schmerzen lächelte sie. Endlich, nach dem langen warten würde sie nun jemand retten kommen. ,,Hilfe, Hilfe!‘‘, schrie sie so laut sie konnte und versuchte immer und immer wieder aufzustehen. Das Autogeräusch kam immer näher. Sie konnte das Auto nicht sehen, da ihr Bäume die Sicht versperrten, doch sie konnte es deutlich hören. Das Geräusch wurde immer lauter. Ihr Herz raste. Voller Erschöpfung rief sie noch einmal um Hilfe. Das Auto hielt genau vor ihr. Eine Person stieg aus, kniete sich vor ihr hin und fragte sie etwas. Etwas was sie längst nicht mehr wahrnahm. Nicht mal das Gesicht erkannte sie mehr. ,,Danke lieber Gott!‘‘, murmelte sie kurz, dann wurde ihr schwarz vor den Augen.


=3=



Emily öffnete behutsam ihre Augen. Sie sah im ersten Augenblick alles verschwommen, doch auf dem darauffolgendem war alles wieder klar. Ein grelles weißen Licht schoss ihr ins Gesicht, in ihre Augen. Schnell kniff sie diese wieder zusammen. Was war das? Besser gesagt, wo war sie? Jedenfalls lag sie auf etwas. Etwas weichem, was eine Matratze oder Watte sein konnte. Doch sie tippte auf eine Matratze. Ihr Kopf schmerzte und ihr Herz schlug schnell. Ihr Pulsschlag riss an ihren Adern. Wo befand sie sich bloß? Ein immer wiederholendes Piepen machte sie nervös. Sie öffnete ihre Augen und versuchte sich auf die Seite zu legen. Was nach einigen gescheiterten Versuchen auch klappte. Emily hatte Kabel bemerkt, als sie sich auf die Seite legte. Diese Kabel waren mit ihren Körper und einer Maschine -die sie oft in Filmen und Krankenhäuser gesehen hatte, jedoch sich den Namen nicht merken konnte- verbunden. ,,Krankenhäuser hatten diese Maschinen.‘‘, dachte sie sich. Also muss das hier ja ein Krankenhaus sein. Erleichterung stieg in ihr auf. Nun glaubte sie zu wissen, wo sie sich befand.

,,Im Krankenhaus bin ich also. Gut. Was mache ich nun?‘‘ Ob sie es dachte, oder gar laut gesagt hatte, wusste sie nicht ganz. In ihren Kopf hatten sich viele Gedanken verbreitet, doch ordnen konnte sie sie nicht. Alles in ihren Kopf drehte sich. Emily schlug sich ihre beiden Hände über denn Kopf. Was machte sie hier im Krankenhaus? Warum war sie hier? Krampfhaft versuchte sich die junge Frau zu erinnern. Versuchte so weit ihre Gedanken es zulasten sich an Einzelheiten zu erinnern. Vergebens. Womöglich musste es doch eine Schwestern wissen. ,,Hier müsste doch eigentlich…‘‘ Sie suchte rechts auf ihrer Seite. Nichts. Außer diese Bettkante, nichts weiter. Vorsichtig drehte sie sich auf links. ,,Wo ist denn diese dumme Fernbedienung für die Schwesternhilfe?‘‘ Verzweifelt seufzte sie auf. Das kann doch alles nicht wahr sein!

Ihre Augen waren rot und angeschwollen. Sie wollte weinen, einfach nur nach Hause wollte sie. Zögernd setzte sie sich aufrecht. Ihr Rücken brannte und ihr wurde für ein paar Sekunden schwarz vor den Augen. Genau in diesen Augenblick erinnerte sie sich, warum sie hier war. Ich saß im Auto. Meinen Auto. Ich fuhr die fast üblichen Straßen entlang. Doch bei der einer Landstraße… Moment mal, Landstraße? Wieso fuhr ich auf einer Landstraße? Hmm… okay ich hielt an einer Ampel und auf einmal schmerzte meine rechte Schulter. Ich machte die Tür auf und ließ mich auf die Schmutzige und unangenehme Straße gleiten. Ich versuchte dadurch den Schmerz zu lindern.

Emily atmete tief in den Bauch in der Hoffnung, damit einer ihren Körper beherrschenden Panikattacken entgegenzuarbeiten. Ich schrie nach Hilfe. Lange lag ich dort auf dem Boden bis ich mir meinen Arm anschaute und feststellten musste, dass mein ganzer Arm blau angelaufen war.

Emily schrie auf. Hielt danach aber sofort die Luft an. Mein Arm.

Sie sah sich ihren Arm an. Nichts! Er sah so aus wie immer. Blass und dennoch, wie sie ihn fand, wunderschön. Erleichtert atmete sie auf. Aber warum war er blau gewesen?

Gänzehaut legte sich über ihre Haut. Um auf andere Gedanken zu kommen, suchte Emily nach auffälligen Hinweisen, die vielleicht darauf hindeuten könnten, wo dieses Krankenhaus stand und wie sie eine Schwester herbeirufen könnte. Doch es wies nichts auf ihren Fragen hin. Interessiert sah sie sich im Zimmer um. Die Wände waren weiß angestrichen, es hing kein einzigstes Bild an der Wand. Im Zimmer war nur ein Bett, eine Holzplatte -die wahrscheinlich als Tisch dienen sollte- und 4 Stühle standen dort. 2 Lampen gab es in diesen Zimmer. Eine davon hing genau über ihrem Bett und die andere befand sich über der Holzplatte. Doch momentan war nur die über dem Bett an. Es war ein ungewohntes, grelles Licht. Emily war froh, dass nur eine dieser Lampen brannte und nicht beide. Sie schaute sich weiter um. Ein Fenster gab es nicht, was Emily ziemlich komisch fand. Jedoch machte sie sich darüber momentan keine Gedanken. ,,Na toll. Mein eigenes kleines Grab.‘‘ Kichernd legte sie sich wieder hin. Beide Hände legte sie nun auf die Augen und versuchte sich zu entspannen. Was in diesen Raum einfach unmöglich war. Jedenfalls bei diesen Voraussetzungen. Ein lächeln war in dem Gesicht der blonden Frau aufgetaucht. Kurz darauf verschwand Emily in ihrer eigenen Traumwelt, wo sie sich immer noch am wohlsten fühlte. Sie war vor Erschöpfung eingeschlafen

,,Emily Bones… Emily? Können Sie mich hören?‘‘ Eine hektisch säuselnde Stimme ließ Emily aus ihren Schlaf erwachen. Panisch setzte sie sich aufrecht hin. Ihr Herz schlug wie verrückt, als komme sie grade vom Joggen wieder. Sie kratze sich den Hinterkopf. ,,Ich entschuldige mich, dass ich Ihnen solch einen Schrecken eingejagt habe!‘‘ ,,Nein, nein ist schon okay.‘‘, zischte Emily energisch. Ein Mann, denn Emily höchstens auf 25 Jahre schätze, stand vor ihr.
Sein Kopf hatte er ein wenig schräg gelegt und betrachtete die junge Frau faszinierend.
Er hatte einen weißen Kittel an. Ein Namensschild, dass ihn als Dr. James O‘Conner auswies, hing an seiner Brusttasche. ,,Geht es Ihnen einigermaßen gut?'', fragte er die junge Frau die dort im Bett vor ihm saß. Ein lächeln lag in seinem Gesicht. Emily starrte ihn nur an, ohne ein Ton von sich zu geben. Etwas war an ihm, was sie faszinierte. Seine Meeresblauen Augen, sein verführerisches Lächeln, sein doch so makelloses Gesicht. Einfach alles zog sie in einen Bann, in dem sie nur schwer wieder heraus kam. ,,Emily? Geht es Ihnen gut?‘‘, wiederholte er noch einmal in einer Stimme, die sanft und gleichzeitig kühl klang. Sie zuckte zusammen.
,,Was ist auf einmal mit mir los?‘‘, fragte sie sich selbst in Gedanken.
Als Dr. O‘Conner ansetzte, seine Frage noch einmal zu stellen, fiel Emily ihm ins Wort. ,, Ja, mir geht es gut. Danke. Doch sagen Sie‘‘, sie hielt kurz inne. ,,wo bin ich hier?‘‘ ,,Ich entschuldige mich zutiefst. Ich hatte mich Ihnen noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Dr. James O‘Conner.‘‘ Er hielt ihr nun seine rechte Hand hin. Sollte sie diese nun schütteln? Sie kämpfte mit sich selbst. Er hatte ihre Frage nicht beantwortet, warum also sollte sie ihm jetzt die Hand schütteln? Dennoch hatte er recht. Vorgestellt hatte er sich nicht bei ihr.
Sie schluckte einmal und Sekunden später schüttelte sie sanft seine Hand. ,,Nett Sie kenne zu lernen. Meinen Namen kennen Sie ja bereits.‘‘ Diese Hand. Sie war so weich und gepflegt. Dann diese Augen, die einen wie hypnotisiert anstarrten und man sich nicht von diese losreißen konnte.

Emily räusperte sich und ließ die Hand von James los. ,,Und, wo bin ich nun?‘‘ Sarkasmus lag in ihrer Stimme. ,,In einen Krankenhaus. Ein Mann hatte sie hierher gebracht. Wie Er uns sagte, lagen sie bewusstlos auf der Kappelstraße. Ihr Puls war zu dieser Zeit schwach gewesen und er rief dieses Krankenhaus an‘‘ Doch bevor er weiter reden konnte, unterbrach sie ihn hastig. ,,Wer war dieser Mann? Und warum war mein Arm blau?‘‘ Fragend sah er sie an. ,,Ähm‘‘ Er fuhr sich mir seiner Zunge über seine Lippen. Emily betrachtete das Schauspiel interessiert. Er fuhr fort: ,,der Mann nannte uns keinen Namen. Er verschwand gleich nachdem er Sie uns überreicht hatte. Und… ich versichere Ihnen, dass sie keinen blauen Arm hatten. Das einzige was sie hatten, war eine leichte Gehirnerschütterung, Fieber und sie bekamen kaum Luft.‘‘ Auch er schluckte nun und sah, dass Emily in Gedanken versunken war. Ein Mann, der keinen Namen nannte? Nun gut, mal davon abgesehen hat mich dieser Mann gerettet. Aber was ich nicht ganz verstehe…

,,Moment mal‘‘, fuhr sie ihn an. ,,ich weiß ganz genau, dass ich einen blauen Arm hatte! Ich war auf dem Weg zur Arbeit, als meine rechte Schulter anfing zu schmerzen. Mein Arm war blau!‘‘ Sie schluchzte. Sie stand kurz davor in Tränen auszubrechen. Doch irgendetwas hinderte sie daran.

Sie wusste, dass er ihr nicht glaubte. Das erkannte Emily in seinem Blick. Doch insgeheim hoffte sie, dass sie sich irrte. Kurze Zeit später erfuhr die junge Frau jedoch, dass dem nicht so war. ,,Scheiße. Sie glauben mir nicht, oder?‘‘, Verzweiflung lag in ihrer Stimme. ,,Emily‘‘ Er hielt inne, trat dicht zu ihr heran und legte seine Hand auf ihren Arm. ,,sie haben sich das sicherlich nur eingebildet. Ihr Fieber war ziemlich hoch. Legen Sie sich noch ein wenig hin.‘‘ Mit diesen Worten drehte er sich um und wollte den Raum verlassen.
,,Doktor… in welchen Krankenhaus befinde ich mich?‘‘ James zögerte mühsam. Dennoch fand er es unhöflich nicht zu Antworten. Ohne sie anzusehen antwortete er ihr: ,,Das kann- und darf ich Ihnen leider nicht sagen.‘‘ Mit diesen Worten verließ er den Raum und schloss die Tür hinter sich zu.

Das soll echt ein Krankenhaus sein? Nie im Leben!

Zweifel kamen in Emily auf. Wenn das ein Krankenhaus sein soll, warum hat dann dieser Doktor nicht gesagt wie es heißt und warum hat er hinter sich die Tür abgeschlossen?

Fragen über Fragen hatte sie im Kopf und keine davon konnte sie beantworten. Was war das für ein komisches Haus, in dem sie sich befand? Bei der blühenden Phantasie die sie hatte, kamen einige schlimme Ideen heraus, wo sie sofort den Kopf schütteln musste. Sie zitterte am ganzen Körper- jedoch war ihr nicht kalt. Sogar Schweißperlen rannten über ihren Gesicht. Einige davon wischte sie mit ihren Handflächen weg. Ich muss hier raus. Einfach raus!

Sie riss ihre Augen weit auf. Aber wie sollte sie hier rauskommen? Die Tür war verschlossen und ein Fenster gab es hier nicht.


=4=



Einige Tage vergingen. Doch Emily kamen es wie Monate- nein, gar Jahre vor. Qualvolle Monate. Sie dürfte nichts! Nicht raus aus diesem Raum- ihr ‘‘eigenes kleines Grab‘‘, wie sie es getauft hatte. Hatte keine Verbindung mehr mit der Außenwelt. Nur noch James. Er berichtete ihr auf Wunsch, was hinter diesen vier Wänden passierte. Wie die Welt sich veränderte. Tag für Tag.

Jeden Tag denn sie hier verbrachte, bekam sie immer die gleichen Tabletten, welche, die ihr überhaupt nicht schmeckten, die sie jedoch nehmen musste. Jeden Tag! Als sie einmal nachfragte, was das denn für Tabletten seien und welche Wirkung sie hätten, hatte sie zu Ohren bekomme: ,,Das ist leider streng Geheim! So gerne ich es Ihnen auch sagen möchte, ich darf es nicht. Jedoch kann ich Ihnen versichern, dass sie diese nur zur Sicherheit dienen!‘‘ Danach hatte sie nie wieder danach gefragt. Hat sie einfach runtergeschluckt, so sehr sie sich auch wünschte, dass sie diese nur in die Ecke spucken könnte, dass alles hier hinter sich lassen kann und nach Hause fahren könnte. Zu Claire. Claire

Emily versank wie so oft hier drin in Gedanken.
//Ihr geht es gut, glaub uns!//

Da waren sie wieder, zischten laut, und doch so leise in ihren Gedanken. Diese Stimmen im Kopf! Sie klangen so real, jedoch waren sie nur in ihrer Fantasie. Sie machten ihr Angst, doch sie waren ihre einzigen Freunde hier. Abgesehen von James. Den sie mittlerweile als ‘’Freund’’ sah.

Wie jeden Tag, brachte James ihr etwas zum Essen. Jeden Tag gab es das Selbe.
Diese graue, undefinierbare Pampe, die vermutlich noch vom Vortag stammte.
,,Guten Morgen!’’, begrüßte er sie. Emily reagierte nicht. Wie immer. Ihr war es leid hier drin gefangen zu sein. ,,Warum so nachdenklich?’’ James stellt den vor wärme qualmenden Teller auf die Holzplatte und trat dicht an Emily heran. Sie junge Frau merkte den warmen Atem und genoss es. Das soll nicht heißen, dass sie diesen Atem möchte. Nein, viel mehr genoss sie die wärme eines Menschen.
,,Sie können mir doch sagen, wenn Ihnen etwas bedrückt!’’ Immer dieses Sie. Wieso kann er mich nicht einfach duzen? Wir kennen uns doch nun eine Weile.

,,Nein, es ist nichts.’’, murmelte sie leise und schaute auf dem Boden. Natürlich war das gelogen. Sie war es leid, hier drin zu sein. ,,Soll ich Ihnen etwas erzählen, Emily?’’
Doch bevor Emily antworten konnte, redete James schon los. ,,Das müssen Sie jedoch für sich behalten. Verstehen Sie? Wenn das jemand mitkriegen würde, wäre ich und auch sie dran.’’ Emily nickte rasch. Sie war neugierig geworden. //Lass ihn nicht erzählen! Hörst du?//

Doch Emily versuchte die Stimmen so sehr es ging zu ignorieren. Jedenfalls in diesem Augenblick. ,,Bald werden Sie hier rauskommen. Und ich werde Ihnen dabei helfen! Doch das muss unter uns bleiben. Haben Sie verstanden?’’ Wieder nickte sie rasch. Hoffnung, die sie eigentlich schon längst verloren hatte, kam wieder in ihr auf. Meinte er es wirklich ernst? Sie hoffte, dass sie in diesen Augenblick nicht träumte. Wiederum war es zu schön um Wahr zu sein.
,,Meinen Sie es ernst, Dr. O’Conner?’’, fragte sie schüchtern nach.
//Hör nicht auf ihn. Er will dich doch bloß reinlegen!//

,,Ja, ich meine es ernst. Ich sehe, wie sehr sie das hier alles belastet. Und ich denke nicht, dass sie so ein… nun sagen wir “Sonderfall” sind!’’ Was meint er denn nun mit “Sonderfall”?

,,Was meinen Sie bitte mit “Sonderfall”?” ,,Nun ja, dass… das werden Sie bald erfahren. Wie gesagt, ich werde sie hier raus holen. Doch vorerst möchte ich von Ihnen wissen, ob bei Ihnen etwas komisches Aufgetreten ist und ob es in Ihrer Vergangenheit irgendeinen Vorfall gab, der Ihnen noch sehr nahe liegt?’’ Doch den letzten Rest bekam Emily nicht mit! Zu sehr nervten diese Stimmen und machten sie ganz verrückt. //Er trickst dich aus… so wie alle anderen auf dieser Welt. Er will dich töten! Hörst du, ER WILL DICH TÖTEN!//

,,Verdammt noch mal, hört endlich auf!’’, schrie Emily und zog so sehr an ihre Haare, in der Hoffnung, der Schmerz könnte sie auf andere Gedanken bringen. Vergebens. ,,Emily… Emily!’’ James versuchte Fräulein Bones zu beruhigen. Doch ohne Erfolg! Sie schrie und schlug um sich, wie ein kleines Kind was unbedingt etwas haben will, es jedoch nicht bekommt. //Er will dich töten. ER WILL DICH TÖTEN//

, schrien die Stimmen. Immer und immer wieder. Die Stimmen schienen Spaß daran zu haben, Emily so zu quälen. Verdammt noch mal, sie sollen einfach aufhören! Das alles soll einfach aufhören! Ich will und kann einfach nicht mehr!

Sie fing an zu weinen. Doch kurze Zeit später merkte sie, wie sie an einem warmen Körper gepresst und festgehalten wurde.

James hatte sie sich geschnappt und fest an sich gedrückt. Wenn er eines in seinem Beruf gelernt hatte dann, dass körperliche Nähe einfach alles verändern kann. Auch Situationen. Es schien zu wirken. Emily beruhigte sich ein wenig. Er merkte, wie ihr Herz schlug. Viel zu schnell. Das schluchzen bedeutete, dass sie aufgehört hatte zu weinen und sie schlug nicht mehr um sich. Sie erwiderte die Umarmung. Sie schlang ihre Arme um James und drückte ihn fest an sich.

Die Zeit drängte. James stieß Emily leicht von sich, ohne sie einen Blick zu würdigen.
Leicht beschämt sah sie zu Boden. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Er räusperte sich halblaut und schüttelte sanft seinen Kopf. Beim richten seines Arbeitskittels sagte er mit ruhiger und gleichzeitig nervösen Stimme: ,,Geht es Ihnen gut? Was hatten Sie da grade?’’ Sein Blick war starr auf Emily gerichtet.
,,Nein, nein. Es ist nichts. Nur…‘‘, ihr fehlten die Richtigen Worte.
//Erzähl ihm ja nicht, wer wir sind. Erzähl ihm nicht die Wahrheit!//

Diese Stimmen waren an allem Schuld. Diese machten sie noch ganz verrückt im Kopf. ,,Es sind die Stimmen. Ja, diese richten alles an.‘‘ //Wir haben gesagt, erzähl ihm NICHT die Wahrheit!//

Das Wort NICHT hatten die Stimmen so laut geschriehen und in solch einer Tonlage, dass Emily sich verzweifelt die Ohren zu hielt. ,,Die Stimmen? Emily, was meinen Sie mit ‘‘die Stimmen‘‘?‘‘ James war irritiert. Er zog seine Augenbrauen hoch und sein Gesicht wurde zur ernsten Miene.
Jetzt hält er mich sicher für verrückt! Aber nun muss ich es ihm erzählen… ich habe einfach keine andere Wahl.

,,Die Stimmen in meinem Kopf! Sie hören sie nicht, dafür ich nur zu gut. Und ich sage Ihnen‘‘, sie hielt kurz inne, um ihre Worte im Kopf zu ordnen und keinen unsinnigen Satz von sich zu geben. Er hielt sie ja schon für verrückt und ein unsinniger Satz würde alles nur noch bestätigen. ,,es ist gut, dass sie diese nicht hören. Sie lügen nur und machen mich verrückt im Kopf.‘‘ //Emily, lüg nicht! Wir sind doch deine Freunde. Deine einzigen Freunde.//

,,Da haben die Stimmen jedoch recht.‘‘, dachte sich Emily. Freunde hatte sie wirklich nicht mehr.
,,Emily, hören Sie mir gut zu…‘‘ Doch das machte sie längst nicht mehr. Wie so oft, fiel sie in Gedanken. //Töte ihn. Töte sie alle. Du kannst das… du bist doch eine Mörderin!//

Das war zu viel. ,,Was fällt euch ein, mich Mörderin zu nennen? Das stimmt alles nicht! Lasst mich einfach in Ruhe. Hört ihr? Verschwindet einfach!‘‘, sagte Emily mit zittriger Stimme. Doch bevor sie etwas weiteres sagen konnte, fiel James ihr ins Wort: ,,Warum nennen diese Stimmen Sie Mörderin?‘‘ Glaubte nun auch er, dass sie eine Mörderin war? Emily stand kurz davor zusammenzubrechen. Das machte sie nicht mehr mit. Womit hatte sie das alles hier verdient? ,,Ich war das nicht… die Stimmen waren das. Ich war zu naiv und hatte auf sie gehört. Verstehen Sie?‘‘ Nun war es soweit. Sie setzte ihr Dackelblick ein. Auch wenn das nicht viel ändern würde, ein Versuch war es wert. Und es schien zu wirken. ,,Nein, dass glaube ich nicht. Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass sie zu so etwas nicht in der Lage wären!‘‘ ,,Also denken Sie, ich wäre zu weich? Oder wie soll ich das jetzt bitte schön verstehen?‘‘ Er hatte es geschafft- sie verfiel in Angriffslust. Das geschah ziemlich oft bei Emily, dass sie sich angegriffen fühlte und dann zum Gegenangriff wechselte. ,,Sie verstehen das völlig falsch. Nein, sie sind nicht weich. Aber zu einem Mord sind Sie doch ehrlich gesagt nicht im Stande, oder?‘‘ Emily, beruhig dich. Er weiß gar nicht, wozu du alles im Stande bist. Also…

,,Soll ich Ihnen die Geschichte erzählen, warum die Stimmen mich eine ''Mörderin'' nennen?‘‘ Ein schmunzeln lag in ihren Gesicht. Warum sie schmunzeln musste, wusste sie selbst nicht. Jedoch war ihr grade danach. ,,Klar. Erzählen Sie. Dann mache ich mir ein neues Bild von Ihnen.‘‘ //Töte ihn jetzt! Nimm deinen ganzen Mut zusammen, fass seinen Hals und du bist deinem Traum näher als je zuvor.//

Emily betrachtete ihre Hände und merkte, wie diese anfingen zu zittern. Sollte sie es wirklich tun? Er dachte eh schon, dass sie eine Verrückte sei. Sie blickte ihm ins Gesicht. Einige Sekunden dauerte es- dann hatte sie sich entschieden!


=5=



~Flashback~


Die Sonne schien sanft auf ein weites Feld.
Ich, gerade 13 Jahre alt, lief fröhlich mit meinem Hund Chucky umher. Einen erst zwei Jahre alten Mischlingswelpen.
Sein Fell war braun, wie eine reife Haselnuss, seine Augen treu, wie man sie von sonst keinem Wesen kannte.
Er war mein Hund, mein ganzer Stolz.
Doch dann hörte ich sie, mit einem Mal, wie aus dem Nichts...
//Emily, komm zu uns!//


„Wer ist da?“, verwirrt sah ich mich um, suchte den Ursprung der Stimmen.
//Wir sind deine Freunde, komm zu uns!//


„Wo seid ihr denn?“, wieder sah ich mich um, doch blieb meine Suche erfolglos.
//Hier hinten, bei den Schienen!//


„Aber ich darf da nicht hin! Mama und Papa haben es mir verboten.“, Chucky kam zu mir gelaufen, sah mich freudig an.
//Komm ruhig her, es wird dir nichts passieren, wir sorgen uns um dich.//


Zögerlich lief ich voran, zu den eisernen Schienen, stoppte vor ihnen.
Sollte ich wirklich weiter?
Ehrfürchtig, mir aber doch zugleich ängstlichen Blick sah ich zu ihnen hinab.
Ja, ich hatte Angst.
//Los, komm her, dir passiert nichts.//


Ich blickte mich um, entdeckte nur in der Ferne einen Zug, der sich langsam näherte, doch hatte er keinen Grund zum Stoppen und auch nicht die Zeit dazu.
//Er ist noch weit weg, du kannst zu uns kommen!//


Zitternd tat ich den ersten Schritt, stemmte mein Gewicht auf die knarrenden Schienen.
Leise war schon das Knattern des Zuges zu hören.
//Weiter, komm zu uns!//


Mit einem schweren Schlucken wurde auch der letzte Schritt von mir überwunden.
Ich hatte die andere Seite erreicht.
Und hinter mir hörte ich das leise Trappeln von Chuckys Pfoten auf dem dunklen Kies.
Ich wandte mich um, sah, wie mein kleiner Hund auf die Schienen sprang.
Er wollte zu mir.
Doch zugleich sah ich auch aus dem Augenwinkel den rasenden Zug, der nur noch ein paar Augenblicke entfernt war.
Mein Hund, der das rasende Monstrum nun auch sah, stoppte.
„Chucky, weg da!“ Doch es war zu spät.
Meine Zeit war ausgekostet.
Der kleine Welpe wurde vom Zug erfasst.
Mit einem lauten, schrillen jaulen wurde das Tier mitgerissen, von seinen Beinen gerissen, und voran getrieben.
Spritzendes Blut traf mein Gesicht, warm, und stechend, wie Nadeln.
Der Zug zog an mir vorbei, wie auch das Leben meines Hundes.
Unter dem ratternden Gefährt hatte sich eine kleine lache gebildet.
Dort hatte er gestanden.
Hatte mich angesehen.
Hatte mit seinem Schweif gewedelt.
War voller Lebensfreude gewesen.
Und wurde überfahren.
„Ihr habt gesagt, es passiert nichts!“, meine Augen füllten sich mit Tränen.
Wut stieg in mir auf. Wut auf die Stimmen, Wut auf meine Dummheit!
//Nein, wir sagten, DIR passiert nichts.//


~Flashback Ende~



Als Emily James diese Geschichte erzählte, glaubte sie, mitleid oder doch Verwirrung im Gesicht von ihm gesehen zu haben. Sie wusste, dass er es sicher nicht glauben würde, wobei sie ja nur die Wahrheit sagte. An diesem Tag hatte sie die Stimmen das erste mal gehört. Tränen rollten ihr Gesicht hinunter. Es hatte sie Überwindung gekostet, es ihm zu erzählen. Und was machte er? Er saß nur da, schaute sie flehend an. Sicher wartete er darauf, dass Emily ihm nun sagte, dass diese Geschichte nur ein dummer Scherz von ihr gewesen sei- sie wollte ihn nur abschrecken, um ihm zu beweisen, wie hart sie doch sein könnte. Wobei diese Geschichte mit härte nichts zu tun hatte. Doch nichts dergleichen passierte. Es war wie ein Schlag ins Gesicht für ihn gewesen. So etwas hatte er zuvor nie gehört. Er gestand sich ein, so etwas wollte er auch nie hören. ,,Miss Bones’’, er trat dich an sie heran. Was konnte er jetzt tun? Er musste sie aufheitern. Nur wie? ,,Ist schon okay.’’, sagte sie und wandte sich von ihm ab. Warum war sie früher nur so dumm gewesen? Ihre Eltern hatten es ihr doch verboten. Doch das so eine Katastrophe passieren würde, damit hatte keiner von ihnen gedacht. Ihre Mutter hatte sie früher dafür angeschrien. Ihr eine Predigt darüber gehalten, was passieren hätte können. Und das sie froh sein konnte, dass ihr nichts passiert ist. Dann hatte ihre Mutter sie umarmt und geküsst. Es tat ihr so unendlich leid. ,,Emily. Wir müssen los!’’ James wischte sich sein Schweißfilm von der Stirn und fasste nach Emilys Arm. Erschrocken von ihrer Reaktion, wich er zurück.
,,Nein. Vielleicht wollten es alle so, dass ich für das büsse, was ich früher getan habe!’’ Die ersten Zweifel kamen auf. Nicht nur bei James. Sondern auch bei Emily.
War es das Ende vom Anfang gewesen?

//Emily… jetzt gib dir einen Ruck!//

Die Stimmen klangen recht nett. Im Gegensatz wie sonst immer. Leise schlich Emily mit ihrem Gefährten die Gänge entlang. Die Gänge waren von einem hellen, grellen Licht erhellt, es waren einheitliche, triste Neonlampen, die hier wirklich alles beleuchteten. James hatte ihr vor ein paar Stunden erzählt, wo sie sich befanden. In einer Irrenanstalt. Aber warum sie sich dort befand, wollte er ihr nicht erzählen. In der rechten Hand hielt sie ein kleinen, scharfes Messer, was James ihr in die Hand gedrückt hatte. ,,Alles nur zur Sicherheit.‘‘, war sein Satz dazu gewesen. Nervös spielte sie mit diesem nun herum. Ob sie es jemals brauchen würde? Mit einem Ruck stieß sie gegen James, als dieser plötzlich stehen blieb. ,,Was ist?‘‘, zischte sie murmelnd, doch verständlich. ,,Ich habe etwas vergessen. Tut mir leid! Ich muss noch mal zurück. Bleiben Sie hier Emily. Ich bin im nu wieder da.‘‘ Ein nicken gab ihm zu verstehen, dass sie ihn verstanden hatte. Schnell drehte er sich um und verschwand. Er hatte sie wirklich hier stehen gelassen. Hier wo die Gefahr nur auf sie lauerte. Es war so leise. Sie hatte Angst, dass jemand sie entdecken könnte. Ihr Herz schlug schnell, ihre ganzer Körper schien wie ausgeschaltet. Betäubende Angst. Emily fand keine besseren Worte, die den Zustand besser beschrieben, indem man sich befindet, wenn man nachts in seiner dunklen Wohnung von einem unbekannten Geräusch aus dem Tiefschlaf gerissen wird. Der Puls reißt einen an den Adern, das Herz klopft wie ein kranker Schiffsmotor und alle übrigen Sinne versuchen die nachtblinden Augen wachzurütteln. Betäubende Angst.
//Okay, dass ist deine Chance Schätzchen. Verschwinde von hier! Du schaffst das auch ohne diesen Loser. Wir sind bei dir und beschützen dich//


Emily lachte leise auf. ,,Wie wollt ihr mich den Beschützen?‘‘ Sie merkte erst Sekunden später, dass sie sich in Bewegung gesetzt hatte.

Ihr Puls raste. Vor Emily erstreckte sich die Tür, welche in die Cafeteria führte.
War es schon immer solch ein weiter Weg gewesen?
Oder war sie schlicht und ergreifend einfach durch die Gänge geirrt?
Kurz schüttelte, die vor angst zitternde Emily, ihren Kopf.
Das tat nun auch nichts zur Sache.
Nun war sie hier und konnte auch hier weiter machen.
Noch einmal fuhr sie sich eilig mit den Händen durch die Haare, ehe Emily die große Doppeltür vor sich öffnete. So oft war sie in der Cafeteria noch nicht gewesen. Aber hier aß sie ab und zu, genauer gesagt immer Dienstags- und Freitags. Und heute war es Freitag gewesen. Die große Speisehalle war leer, nur ein paar Mitarbeiter, Putzfrauen, ein oder zwei Köchinnen waren noch in dem gefliesten Raum, und säuberten ihn. Die Wände strahlten in einem pastellzarten Weiß, die langen Bänke und Tische waren abgewischt worden.
„Hey du, was machst du hier?“, eine etwas korpulentere Frau sah von ihrer Arbeit auf. „Hast du schon wieder Hunger?“ Die Frau winke zielstrebig Emily zu sich.
,,Nein… ich habe mich bloß im Raum geirrt.‘‘, gab sie kleinlaut bei und trat etwas näher. „Wenn das so ist.“ Schnell wischte die Putzfrau einen perlweißen Teller ab. „Was machst du überhaupt?“
„Ich spiele ein Spiel.“, vermutlich verwirrte sie das Lächeln, welches Emilys Lippen zierte. Blutrünstig und verbittert.
„Ich hätte schon viel früher auf die anderen hören sollen, es macht wirklich Spaß.“
Ein paar Schritte tat sie zurück.
„Na dann, noch viel Spaß.“, auf diesen Wünsche hin nickte Emily, und verließ den Raum. Kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, bildete sich ein breites Lächeln auf ihren Lippen. Diese leichtgläubigen Menschen!


//Du hättest sie töten sollen!//


„Sie mussten nicht sterben, sie war keine Bedrohung. Nicht einmal ansatzweise.“, außerdem hatte sie heute noch vieles zu tun.
Und zu viel Aufmerksamkeit konnte dabei nicht gut tun.
Ganz bestimmt nicht...

Weiter rannte sie die Gänge entlang. Doch auf einmal blieb sie stehen. Das konnte nicht sein! Wieso jetzt? Wo doch alles so gut klappt. Wenige Meter vor ihr, stand ein Wärter. Ein großer Mann, wandte ihr den Rücken zu.
//Los! Stich zu, nutze deine Gelegenheit!//


Stumm nahm Emily das Messer zur Hand -was sie sich in der Cafeteria in die Pullovertasche gesteckt hatte-, und zögerte.
//Los! Er wird dich töten, wenn du es ihm nicht gleichtust!//


Das gab ihr den letzten Ruck, und sie nahm das scharfe Metall nun völlig heraus, ehe sie auf den Mann zu stürmte.
Es war nur ein kleiner Abstand, doch wollte sie es nicht ganz ohne „Schwung“ vollbringen. Was für ein naiver Kerl, wie dumm er doch ist, beachtete mich einfach nicht.
Aber dieser Fehler wurde ihm erst bewusst, als Emily ihm die stumpfe Klinge in den Nacken rammte. Ein gequälter, gedämpfter Aufschrei entkam seiner Kehle, während ein Schwall Blut aus seiner entstandenen Wunde seinen Rücken hinab lief.
Schnell nahm sie Abstand zu dem bewusstlosen Mann, der kaum noch Anzeichen des Lebens in sich trug. Sein Atem war schwach, nicht einen Zentimeter bewegte er sich.
Eine große Lache bildete sich um ihn, doch was kümmerte es sie?
Ihre Aufmerksamkeit ruhte nicht auf ihm, sondern auf ihre blutbesudelten Händen, von denen die zähflüssige Substanz tropfte- wie Wasser.
Das Messer ragte noch knapp aus dem Hals des Opfers.
Plötzlich musste Emily lächeln.
Warum sie dazu nach solch einer tat im Stande war, das wusste sie nicht genau.
Vielleicht lag es an dieser Macht, die sie verspürte?
Ihre Bedenken waren nämlich völlig verflogen.
Das Töten anderer war nicht schlimm, es war aber etwas, das sie nicht oft tun sollte. Doch stand ihr nun nichts mehr im Weg, außer ein paar Menschenleben.
Aber auch diese nur, wenn andere sie aufhalten wollten.
Und das würde sie keinem raten...


Fortsetztung folgt :)





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Tag der Veröffentlichung: 13.09.2010

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