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1. Angst




Mit weit aufgerissenen Augen lag ich auf meinem Bett und starrte die Tür an. Ich wartete darauf, dass sie aufging und Jayden durch kam, doch das passierte nicht. Natürlich nicht, schließlich war er tot. Mir stiegen sofort die Tränen in die Augen, doch ich wischte sie schnell weg.
Dann ging die Tür tatsächlich auf und ein junger Mann Mitte dreißig betrat den Raum.
Er ging zu mir hin und setzte sich neben mich. Ich rückte schnell von ihm weg. „Es ist alles Gut Camilla. Hier wird dir keiner was tun. Du brauchst gar keine Angst zuhaben. Ich verspreche dir, dass alles wieder Gut werden wird.
Ich bin Dr. Jason Spencer. Ich bin der für dich zuständige Psychiater.“
Dr. Spencer streckte die Hand nach mir aus. Ich fing wie eine Irre an zu schreien. Ich merkte, dass er seine Hand auf mein Handgelenk gelegt hat. Anscheinend wollte er meinen Puls messen. Doch das war mir egal ich fing an mich rum zuwerfen und zog meine Hand weg. Ich hörte wie die Tür erneut auf ging. Dann wurde ich ganz ruhig. Als ich mein Kopf zu Dr. Spencer wand, sah ich das dort noch ein andere Mann saß und ich sah das Dr. Spencer mir grad etwas spritzte. Es schien Beruhigungsmittel zu sein. Nachdem die Spritze endlich leer war, gab Dr. Spencer diese seinem Kollegen und bedanket sich schnell bei diesem, dann verschwand der andere Mann aus dem Zimmer. Ich schaute ihm lange nach.
„Camilla? Alles wieder okay? Ist dir schlecht?“
Ich schaute weiterhin geradeaus und sagte nichts. „Okay Camilla, ich geh jetzt wieder, wenn was sein sollte, drück einfach den roten Knopf, dann komm ich, ja? Es wird nachher noch eine Krankenschwester nach dir gucken kommen.“
Dann verschwand er endlich wieder aus meinem Zimmer. Ich lehnte mich zurück und schaute weiter die Decke an. Plötzlich fiel mir etwas ein.
Ich griff unter mein Bett und fand schnell meine Handtasche. Ich hatte mitbekommen, das die Polizisten, sie unters Bett gelegt hatten, als sie mich hierher gebracht hatten. Ich griff hinein und fand sofort meine Rasierklingen.
Ich ging schnell rüber ins Bad und holte noch einige Taschentücher. Dann setzte ich mich auf den Rand von der Badewanne und schnitt mir in den Arm. Immer wieder und so tief es ging. Ich vergas wieder meine ganze Traurigkeit, was mir passiert war und wenn ich alles verloren hatte. Ich schnitt noch einmal mir tief ins Fleisch, dann legte ich das Taschentuch drauf und setzte mich unters Waschbecken, wo ich anscheinend einschlief.
Als ich wieder aufwachte, stand Dr. Spencer und eine anderer Psychiaterin mir gegenüber. Die beiden unterhielten sich leise. Ich bemerkte, dass eine Krankenschwester Verbände um meine Arme wickelte. Ich zog ihr mit trotzigem Blick meinen Arm weg. Was erlaubte, die dich eigentlich einfach meinen Arm zu verbinden?
„Ah, schön das du aufgewacht bist Camilla. Ich bin Dr. Samira Francis. Ich werde mich jetzt auch noch um dich kümmern. Zu erst würde ich dich bitten, Schwester Kathy deinen Arm zurück zu geben, damit sie ihn verbinden kann.“
Ich hielt meinen Arm bei mir. Dr. Francis kam um mich herum und zog meinen Arm schnell unter meinem Körper her. Die Krankenschwester hielt ihn fest und verband ihn schnell weiter. Als sie dann endlich fertig war, verschwand sie schnell und Dr. Spencer wand sich an mich: „Was versprichst du dir davon dich zu schneiden, Camilla? Was bringt es dir? Ich kann es dir sagen: Es bringt die nichts. Es bringt dir absolut nichts. Nur das es weh tut und das du so tief geschnitten hast, das wir dich nähen mussten. Mehr hat es dir nicht gebracht, oder?“
Ich antwortete nicht. Warum sollte ich auch? Ich wollte hier einfach nur weg. „Wann kann ich hier wieder weg?“, fragte ich schüchtern. Dr. Spencer und Dr. Francis guckten sich kurz an dann sagte die zweite: „Nun das hängt von dir ab, aber mindestens drei Monate wirst du hier bleiben müssen.“ WAS? Drei Monate?, hallte es in meinem Kopf nach. Nur, weil ich mir ein paar Mal in meine Arme geschnitten habe. Das ist nicht deren Ernst, oder doch? Ich hoffte das, das alles nur ein Scherz war. Ich schloss meine Augen und als ich sie wieder öffnete, war nur noch Dr. Francis hier und eine andere Krankenschwester. Dr. Francis war grad dabei mir etwas Blut abzunehmen. Ich wehrte mich ausnahmsweise nicht.
Ich wollte wieder die Augen zumachen, doch da hörte ich die Stimme von Dr. Francis: „Camilla, es gibt jetzt Abendessen. Ich möchte, dass du mitkommst. Du musst etwas essen.“ Ich ignorierte sie, doch sie griff mir unter die Schultern hob mich schon fast unsanft aus dem Bett. Ich hatte keine andere Wahl, als mit ihr mit zum Abendessen zu kommen.
Dr. Francis führte mich zu einem Tisch, wo schon zwei andere saßen: ein Junge und ein anderes Mädchen. Ich setzte mich ein Platz von beiden entfernt. Doch dann kamen Dr. Spencer und Dr. Francis wieder und setzten sich links und rechts neben mich. Na toll, hätte ich mich doch lieber neben das Mädchen gesetzt. „So Camilla, was willst du den essen?“, fragte Dr. Spencer mich übermäßig freundlich. Ich zuckte mit den Schultern „Bist Vegetarierin?“, fragte er. „Ich bin Veganerin“, flüsterte ich. Er nickte und gab mir etwas zu essen. Gehorsam aß ich es auf, die anderen beiden taten mir dies aber nicht gleich. Sie schienen Essstörungen zuhaben. Dr. Francis und Dr. Spencer waren die ganze Zeit mit den beiden beschäftigt.
Als das Essen, endlich, fertig war verschwand ich so schnell wie möglich in meinem Zimmer. Ich wollte hier endlich mal alleine sein, ohne das mich jemand ständig nervt und mir sagt ob es mir etwas bringt mich zu ritzen. Denn ganz ehrlich, das kann ich immer noch am besten selbst entscheiden. Dieses Arschloch hatte sich doch wahrscheinlich noch nie selbst verletzt. Er wusste höchst wahrscheinlich nicht einmal, wie sehr man das Selbstverletzen brauchen konnte. Ich legte mich hin und schlief einfach ein. Am liebsten würde ich jetzt einfach sterben und zurück zu meinem Jayden kehren. Ich stellte mir vor, wie er mich in seine Arme schloss und küsste. Wieder stiegen mir Tränen in die Augen. Ich wischte sie wie immer schnell weg und schlief schnell ein.

2. Das Leben in der Irrenanstalt




Ich würde davon wach, das etwas an meiner Schulter rüttelte. Als ich meine Augen öffnete, sah ich, dass es Dr. Spencer war. „Guten Morgen Camilla, es ist Zeit fürs Frühstück. Zieh dich bitte an. Im Kleiderschrank, sind Klamotten für dich“, sagte er freundlich, dann ging er wieder aus dem Zimmer. Ich nahm eine Jeans und einen türkisen Pullover heraus und mir beide Sachen an. Dann öffnete ich die Tür und ging raus, in den Gang. Zwei jüngere Kinder rannten durch den Gang. Der Junge stieß mich aus versehn an. „Oh, tut mir Leid, das wollte ich nicht“, entschuldigte er sich. „Nicht schlimm. Es ist ja nichts passiert“, antwortete ich leise. Die beiden rannten weiter. Ich wusste nicht, wo ich hin gehen sollte, doch da kam Dr. Francis. „Ah, schön das du diesmal freiwillig mit zum Essen kommst. Der Essensraum ist in die Richtung“, meinte sie. Ich hasste sie schon jetzt, doch trotzdem folgte ich ihr.
Als wir den Essensraum erreicht hatten, führte sie mich wieder zu demselben Platz wie gestern. Diesmal setzte ich mich schnell neben das Mädchen und schaute zu Boden.
Wieder kamen die beiden. „Camilla? Du saßest doch gestern anders? Setzt sich wieder so hin, wie du gestern gesessen hast.“
Ich seufzte und setzte mich wider einen Platz von dem Mädchen entfernt. Ich hätte mich gestern nicht so anstellen und neben das Mädchen setzten sollen. Jetzt war’s zu spät.
Es verlief alles genau so wie gestern Abend. Die beiden waren mit dem Jungen und dem Mädchen beschäftigt und ich konnte machen, was ich wollte. Da ich eigentlich keinen Hunger hatte, nahm ich das Essen und versteckte es in einer Servierte. Ich hatte das Mal in einem Film so gesehen. Ich hoffte, dass ich keinen Ärger kriegen würde, aber schließlich war ich ja nicht magersüchtig, sondern hatte einfach keinen Hunger. Dr. Spencer entdeckte die Servierte. „Camilla, warum versteckst du das Essen in einer Servierte?“, fragte sanft, aber schon fast vorwurfsvoll.
„Ich hab kein Hunger“, murmelte ich.
„Das versteh ich, trotzdem möchte ich nicht, dass du das Essen dann versteckst. Lass es dann einfach auf dem Teller liegen und sag das du keinen Hunger hast, okay?“
Ich nickte und packte, das Essen, wieder aus der Servierte aus.
Ich wollte nach dem Essen, gleich in mein Zimmer gehen, doch etwas hielt mich vorsichtig an meiner Schulter fest. Ich drehte mich um und den oder diejenige treten, als ich merkte, dass es Dr. Spencer war. „Es ist gut, ich tue dir nichts“, beruhigte er mich.
„Du kommst jetzt mit mir in mein Büro, zu deiner ersten Therapiestunde.“
Ich folgte ihm gehorsam, wie ein Hündchen zu seinem Büro. Er schloss es auf und wir gingen rein. Dr. Spencer gab mir ein Zeichen, dass ich mich setzten sollte.
Plötzlich klopfte es und Dr. Francis kam rein. Sie lächelte mir kurz gezwungen zu und sprach dann kurz und leise mit Dr. Spencer. Ich schaute möglichst unauffällig in dem Büro um. Überall standen Bücher, Ordner und Entspannungs- CDs. In der einen Ecke stand eine große Liege. Hinter Dr. Spencers Stuhl, stand ein großer Aktenschrank, zudem er sich gerade umdrehte und eine Akte heraus holte und sie Dr. Francis gab. Diese bedankte sich und ging dann mir einem lächeln aus dem Raum.
„So jetzt habe ich Zeit für dich… Möchtest du vielleicht erzählen, wie es dir hier geht?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Hmm. Möchtest du dann vielleicht erzählen, was du hier so mag und was du nicht magst?“
Wieder schüttelte ich den Kopf.
„Nun, dann vielleicht wovor du so Angst hast?“
Ein erneutes Kopfschütteln. Alter, merkte der Typ denn einfach nicht, dass ich nicht sprechen wollte?
„Ich sehe, dir scheint nicht nach reden zu sein, aber das okay, es ist ja schließlich deine erste Therapiestunde. Ich würde vorschlagen, ich mach jetzt erst deine erst Untersuchung und dann gehst du einfach zur Gruppentherapie, okay?“
Ich nickte zur Abwechslung einfach mal, obwohl ich eigentlich überhaupt keine Lust hatte zu all dem, aber ich schien ja keine andere Wahl zu haben.
Ich folgte ihm in ein Untersuchungszimmer.
„So, jetzt ziehst du bitte erstmal ein Oderteil aus, ich möchte mir deine Arme angucken“, sagte er beiläufig, während er diverse Sachen vorbereitet. Ich rührte mich nicht. Ich wollte mein Oderteil nicht ausziehen. Dr. Spencer drehte sich zu mir.
„Ach, komm schon Camilla, zieh bitte dein Oberteil aus, was ist den daran so schlimm? Du kannst überhaupt keine neuen Schnitte haben.“ Er kam auf mich zu und reflexartig hielt ich meine Arme vor meinen Bauch.
„Camilla, da ist nichts mehr. Dein Baby ist tot“, sagte er leise und fast traurig. Für wie blöd hielt er mich? Ich wusste sehr wohl selbst, dass mein Baby tot war. Mir stiegen die Tränen in die Augen, doch ich wischte sie schnell weg.
Dr. Spencer zog mir mein Oberteil aus und legte mich hin. Er wickelte die Verbände ab und schaute sich alles genau an. „Wann werde ich die blöden Dinger wieder los?“, fragte ich vorsichtig.
„Wenn alles verheilt ist und wir sicher sein können, das du nicht wieder selber verletzt“, antwortete er nebenbei.
Na toll, also werde ich sie nie los. Außer ich wickele sie mir ab. Das werde ich heute Abend gleich probieren.
Dann tastete Dr. Spencer mich noch ab. Er fragte mich immer wieder, ob es wehtue, wenn da drückte. Ich verneinte jedes Mal, weil es wirklich wehtat.
Er machte noch eine Menge anderer, meiner Meinung nach unnötigen, Untersuchungen, aber wenn er meinte, dass das nötig war, dann würde ich ihn auch in diesen Glauben lassen und ihm diesen Gedanken rauben.
„So, es scheint ja alles soweit in Ordnung zu sein. Deine Werte sind soweit normal und wenn sind es nur kleine, unbedenkliche Abweichungen von der Norm, also nichts wirklich Besorgnis erregendes.“ Dr. Spencer lächelte mir zu. Hatten eigentlich alle Psychiater ein Kurs in der Uni gehabt, der heiß „Wie lächle ich den ganzen Tag über ohne das am Ende des Tages meine Lachmuskeln schlaf sind?“. Es konnte nicht anders sein, denn sonst könnten, die nicht den ganzen Tag über so lächeln.
„Okay, dann kannst du jetzt zur Gruppentherapie gehen. Das Zimmer ist das neben dem Essensraum. Viel Spaß.“
Ich stand auf und ging. Hatte der Mann irgendein Problem? Er wünschte mir viel Spaß bei einer Therapie?!
Ich glaube, nicht die, die hier drin sind, sind verrückt, sondern die Psychiater.
Ich ging zur Gruppentherapie und war gespannt was dort passierte.

3. Die Gruppentherapie




Ich ging zum Gruppentherapieraum und klopfte leise an.
„Herein“, ertönte eine freundliche Stimme von innen. Oh Gott bitte, lass das nicht auch so nen Dauergrinser oder Dauergrinserin sein.
Ich öffnete die Tür und ging rein. Drinnen saßen lauter Jugendliche in einem Kreis. In der Mitte von der Kreislinie saß eine Frau, mit langem rotem Haar, einer eckigen Brille, mit durchsichtigem Rahmen in T-Shirt, Röhrenjeans und Turnschuhen. Sie lächelte mich freudig an.
„Du musst Camilla sein, hab ich recht?“, fragte sie lächelnd. Ich nickte leicht.
„Du kannst dich neben Lindsay setzten. Du bist etwas zu spät. Hat Dr. Spencer noch eine Untersuchung bei dir gemacht?“
Wieder nickte ich und setzte mich neben das Mädchen, das anscheinend Lindsay hieß. Außer ihr und mir waren noch fünf andere Jugendliche hier. Drei Jungen und zwei Mädchen.
Die Frau sprach weiter: „Ich denke wir sollten uns Camilla vorstellen. Ich fang an.
Ich bin Dr. Catlin Cooper und eine der Psychologinnen hier. Du musst mich nicht immer mir Doktor anreden, aber wir bleiben beim Siezen. Ich bin 36 Jahre alt. So Jayden, du bist der nächste“, wand sie sich nun an den Jungen neben sich.
„Ich bin Jason und ich bin hier, weil ich mich von einem Hochhaus stürzen wollte. Ich bin 17.“ Er schaute den anderen Jungen neben sich an.
„Ich bin Donald genannt Don und ich bin hier, weil ich so was habe, was sich Wasch und Kontrollzwang nennt. Ich bin 13.“
„Ich bin Catrine und dich bin hier, weil ich Drogen nehmen, genommen habe. Ich bin 17.“
„Ich bin Flora und ich bin hier, weil ich nicht esse. Ich bin 15.“ Das ist das Mädchen, das mit am selben Tisch sitzt, wie ich.
„Tja ich bin Lindsay und ich bin hier, weil ich mich verfolgt fühle und ich bin 14.“
„So Camilla, deinen Namen kennen wir ja schon und ich möchte, dass du auch etwas über dich erzählst“, meinte Catlin.
Warum wollten bloß alle immer, dass ich mit ihnen redete? Ich schaute zu Boden sagte nichts. Sprachen die Verbände um meinen Armen nicht für sich, was ich hatte?
„Camilla bitte. Alle es haben es erzählt und es wäre nicht fair den anderen gegenüber, wenn du jetzt nichts sagst.“
Versuchte sie mir jetzt etwa noch ein schlechtes Gewissen zu machen? Es war ihr soeben gelungen. Ob es wohl Ärger gab, wenn ich mich jetzt einfach hier raus schleichen würde?
Ich wollte es ausprobieren. Ich stand auf und ging raus.
Ich hörte, wie diese blöde Psychologin mir nach rief, doch ich schaltete auf stumm und ging in mein Zimmer. Dort machte ich mich daran, die Verbände abzuwickeln. Es ging ganz leicht und schnell.
Ich kratzte etwas an den alten Wunden rum, bis alle auf waren und ziemlich bluteten. Dann nahm ich mir eine Rasierklinge und schnitt mir tief ins Fleisch. Es brannte extrem, doch den Schmerz, würde ich jetzt ertragen. Ich schloss die Augen und dachte an Jayden und Caroline. So sollte unsere Tochter heißen. Caroline.
Doch sie war nun tot und ihr Vater auch. Ich weinte fürchterlich und schnitt noch einpaar mal in den Arm rein.
Plötzlich ging die Tür auf und Dr. Spencer und Dr. Francis kamen rein. Ich war immer noch so heftig am weinen, das ich mich nicht wehrte, als sie meinen Arm untersuchten und eine Trage herbrachten.
Vorsichtig wurde ich drauf gehoben und irgendwo hin gefahren. Ich merkte bald, dass es eine Art Notaufnahme war. Eine Ärztin kam mit Nadel und Faden her. Ich freute mich fast, da ich nun wieder Schmerzen haben würde.
„Es müssen nur drei besonders tiefe Schnitte genäht werden“, klärte Dr. Francis die Ärztin auf und sofort machte diese sich ans Werk. Ich sah nicht hin, wie sie mich nähte. Ich sah Dr. Francis nach, die Verbände und eine Spritze holte.
Die Spritze gab sie Dr. Spencer, der damit zu mir hinkam. Ich schaute ihn leicht ängstlich an.
Er zog meinen Pulliärmel noch ein Stück weiter hoch und stach mir dann die Nadel in den Arm. Ich zuckte kurz zusammen.
„Es ist nur eine Tetanusspritze, da wir ja nicht wissen, womit du dich selbst verletzt hast“, erklärte er während er die Spritze schnell leerte. Ich mochte ihn irgendwie mehr, als Dr. Francis.
Wenn man vom Teufel spricht. Dr. Francis kam mit einem Arm voll Verbänden und Pflastern wieder.
Die Ärztin schien fertig zu sein, denn sie stand auf und machte Dr. Francis platz. Diese gab Dr. Spencer einige Verbände und beide fingen an meine Arme zu verbinden. Ich lag stumm da und starrte die Decke an.
Noch immer hatte ich nicht aufgehört zu weinen. Dr. Spencer nähte den, meiner Meinung nach hundertsten Verband, mit den anderen zusammen. So wie ich das sah, war es jetzt unmöglich die Verbände ab zu machen.
Dr. Francis war noch immer mit verbinden beschäftigt, als Dr. Spencer anfing mich zu trösten.
Er strich mir über den Arm und redete immer wieder leise mit mir. Ich beruhigte mich immer noch nicht, doch ich ließ seine Worte auf mich wirken und schloss meine Augen.
Als sie ich sie wieder öffnete hatte ich aufgehört auf zu weinen und Dr. Spencer lächelte mich sanft an. Doch dann kam Dr. Francis.
„Camilla, was versprichst du dir davon? Erst redest du bei deiner eigenen Therapiestunde nicht und bei der Gruppentherapie sagst du auch nicht. Nein, stattdessen haust du ab und gehst in dein Zimmer.
Dort nimmst du dir irgendwas und schneidest dich. Und zwar teilweise so tief, dass du genäht werden musst!
So geht das nicht mehr weiter. Ich denke, dass du eine Sicherheitsstufe höher musst. Das heißt für dich: ständige Kameraüberwachung und tägliche Zimmerkontrollen. So müsste es weitgehend nicht möglich sein, dass du dich wieder selbst verletzt. Eine andere Lösung, sehe ich bei dir nicht mehr.
Camilla, du bist zwei Tage hier und hast dich in der Zeit schon zwei Mal selber verletzt.“
Ich schaltete die blöde Kuh auf stumm. Klasse, jetzt wurde ich mit Kameras überwacht. Das konnte ja witzig werden.
Ich merkte, wie mich jemand wieder zurück schob. Ich hatte ganz vergessen, dass ich immer noch auf der Trage lag.
Man schob mich wieder zurück auf mein Zimmer, hob mich in mein Bett und deckte mich zu. Dann wurde ich alleine gelassen. Was könnte ich nur tun, um diese blöden Verbände los zu werden?

4. Leiden




Ich zog an den Verbänden, doch sie gingen nicht ab. Ich gab auf und fing an mit den Händen gegen die Wand zu schlagen. Nach einer Weile hatte ich mich abreagiert und setzte mich auf mein Bett. Da ging die Tür auf und drei Männer kamen rein. Sie waren allesamt groß und muskulös. Ich hatte verdammt großen Respekt vor ihnen.
„Sie sind Camilla, richtig? Wir sollen Sie in Ihr neues Zimmer bringen“, meinte einer der Männer freundlich. Es war noch ungewohnt für mich, gesiezt zu werden, von Leuten die mich nicht kannten. Dr. Spencer und Dr. Francis siezten mich wahrscheinlich nicht, weil meine Eltern mit ihnen gesprochen haben und gesagt haben, dass ich das nicht mag. Ich ahnte, dass meine Eltern hier gewesen sind, da das, soviel wie ich über Klapsmühlen, Pflicht ist, die Eltern der „Patienten“ zuinformieren.
Ich stand auf und folgte den drein. Warum eigentlich gleich drei? Glaubten die hier etwa, wenn sie nur einen von diesen Männern schickten, ich würde ihn zusammen schlagen und dann abhauen würde?
Alter, so blöd konnten die doch nicht sein. Als würde ich, ein neunzehnjähriges, spindeldünnes, zierliches Mädchen, diese 1,98m großen, breiten, kräftige Männer zusammen schlagen.
Naja die Vorstellung ist irgendwie schon witzig.
Sie brachten mich in ein kleineres Zimmer. In der jeder Ecke hing eine Kamera.
Ich setzte mich seufzten aufs Bett und starrte Löcher in die Wand.
Plötzlich hörte ich ein räuspern hinter mir. Ich drehte mich ruckartig um, weil ich mich erschrocken hatte.
Hinter mir stand Dr. Francis. „Einmal die Arme zeigen Fräulein“, befahl sie.
„Warum?“, fragte ich se zickig. Erschrocken hielt ich mir die Hand vor dem Mund. Ich hatte tatsächlich mal wieder laut gesprochen und dazu auch noch zickig.
„Was weiß ich. Dir ist zuzutrauen, dass du dir schon wieder alles aufgekratzt hast.
Also herzeigen, jetzt, bitte!“, antwortete sie streng.
Die kann mich mal. Ich werde ihr meine Arme jedenfalls nicht zeigen. Ich hab zwar nichts gemacht, aber der Vorteil ist, wenn ich dann wirklich mal was gemacht hab und sie dann fragt und dich dann nicht zeige, dann wird sie denken es ist wieder nichts.
„Camilla, zeig mir deine Arme!“
Als ich immer noch nicht reagierte, rief sie einen der Männer. Dieser ging um mich herum und packte mich von hinten. Ich wusste nicht, was er vorhatte, weshalb ich anfing zu schrein wie eine Irre.
Dr. Francis zog schnell beide Ärmel hoch und nickte dann dem Mann zu. Er ließ mich los. Trotzdem schrie ich weiter. Ich konnte mich einfach nicht beruhigen.
„Camilla, du hast doch gar nichts an deine Armen. Warum machst du dann so ein Theater?
Beruhig dich jetzt!“
Ich atmete langsam ruhiger, aber nur weil Dr. Francis mich total böse anguckte.
Ganz runter kam ich jedoch nicht, denn immer noch spürte ich, dass mein Herz zu schnell schlug und dich zu schnell atmete. Dr. Francis wand sich an den Mann: „Bleiben Sie bitte bei ihr. Ich hab noch anderes zu tun. Dr. Spencer wird in ein paar Minuten kommen, nur so lange soll sie nicht alleine sein.“ Der Mann nickte und dann ging sie.
„Zicke“, murmelte der Mann. Ich drehte mich um und guckte ihn verwundert an.
„Finden Sie etwa nicht?“, fragte er verwunderte.
„Doch, sie ist eine Zicke“, antwortete ich leise. Er musste lachen.
„Wie heißen Sie?“, fragte ich vorsichtig. Ich mochte diesen Mann, obwohl ich ihn nicht kannte.
„Oh ich heiße Samuel Close. Sie dürfen mich aber gerne Sammy nennen. Ich bin Ihr Wächter und Krankenpfleger.“
„Nicht Siezen, bitte. Ich hasse das“, flüsterte ich. Er nickte.
Ich lehnte mich in meine Kissen und versuchte immer noch ganz runter zu kommen. Sammy lächelte, doch ich sah, wie wachsam seine Augen waren. Man sah, dass er jede meine Bewegungen beobachtete und abschätze, was ich wohl als nächstes tun würde.
Ich schloss kurz die Augen und als ich sie wieder öffnete stand Dr. Spencer neben mir. Sammy redete leise mir ihm.
„Sie hat jedenfalls nichts an ihren Armen und sonst was. War aber ziemlich panisch und hat geschrieen. Dann haben wir uns kurz unterhalten und dann ist sie eingedöst“, erstatte Sammy, Dr. Spencer Bericht. Dieser nickte und wand sich zu mir: „Ich muss ganz kurz deinen Puls messen um zu gucken, ob alles wieder okay ist.“
Er guckte mich fragend an. Er schien wissen zu wollen, ob es okay für mich ist, wenn er meinen Puls misst. Ich lächelte leicht und nickte.
Er maß meinen Puls an meinem Hals, da es an meinem Handgelenk nicht ging.
„So, ist ja alles wieder im Lot. Wenn du möchtest kannst du weiter schlafen“, meinte Dr. Spencer lächelnd. Ich lächelte leicht zurück.
„Ich muss dann auch weiter. Sammy, bleibst du noch…?“
„Ja, klar wenn es Camilla nicht stört?“
Ich schüttelte den Kopf. In dem Fall störte es mich nicht wenn jemand bei mir war, schließlich konnte ich eh nichts mehr machen, da ich ja von Kameras überwacht würde.
Dr. Spencer nickte und ging dann wieder. Ich merkte, dass ich noch immer total müde war und schlief ein.
Es war ein unruhiger Schlaf, da ich Alpträume hatte. Ich träumte von der Nacht, als die Leute in Jaydens und meine Wohnung kamen und uns weg schleppten…
Ich wachte schreiend auf und merkte, dass niemand mehr neben meinem Bett saß. Ich schaute auf die Uhr, die neben auf dem Nachtisch stand. 4:25, stand da.
Hatte ich so lange geschlafen?
Hatte mich keiner zum Abendessen geholt?
Das war merkwürdig, aber vielleicht wollten sie mir auch einfach mal etwas Ruhe gönnen.
Ich lehnte mich zurück und schlief weiter.

5. Zickenkrieg




„Camilla, wach jetzt auf!“, hörte ich eine unfreundliche Stimme neben meinem Ohr sagen. Aus Trotz öffnete ich meine Augen an. Eine Hand rüttelte an meiner Schulter.
Erschrocken schlug ich dann doch meine Augen auf.
„Geht doch“, meinte Dr. Francis gehässig. „Komm du hast verschlafen, es gibt Frühstück.“ Ich schaute sie mit großen Augen an und guckte dann auf den Wecker neben mich: 9:23. Dr. Francis hatte Recht, ich hatte verschlafen.
Hektisch sprang ich auf und flitzte ins Bad, wo ich mir schnell was anzog und ging dann wieder ins Zimmer.
Dr. Francis stand dort aber nicht mehr, stattdessen Sammy. „Guten Morgen, kommst du zum Frühstück?“ Ich nickte und folgte ihm.
„Wo ist sie?“, fragte ich Sammy auf dem Gang. Vorher hatte ich mich allerdings fünfmal Räuspern müssen.
„Die Zicke?“, fragte er nach und ich nickte.
„Die ist schon im Speisesaal und macht der armen Flora das Leben schwer.“
Wieder nickte ich und ging mit Sammy zum Speisesaal. Er brachte mich noch zum Tisch, verabschiedete sich dann von mir und begrüßte Dr. Spencer, der grad kam.
„Oh Guten Morgen Camilla. Wie ich gehört hab, hast du verschlafen. Ist aber nicht schlimm. Setz dich doch und iss.“ Er lächelte mir zu und ich setzte mich hin. Dann nahm ich mir ein Messer und machte mir ein Brötchen mit Himbeermarmelade. Während ich es aß, beobachtete ich heimlich Dr. Francis und Flora. Flora konnte einem schon echt Leid tun.
Ich war früh fertig, dufte aber noch nicht aufstehen.
„Ach ja, Camilla, bevor ich es vergesse“, begann Dr. Spencer „du hast heute Therapie bei Dr. Francis, weil ich viel zu tun hab.“ Er lächelte mir zu.
Oh Gott, das war hoffentlich ein Scherz.
Doch so wie Dr. Spencer guckte, war es kein Scherz. Ich seufzte und lehnte mich in meinem Stuhl zurück und schaute allen anderen zu, wie sie aßen. Naja denjenigen, die auch verschlafen hatten oder einfach noch nicht fertig waren.
Dr. Francis kam zu mir und sagte: „Na dann komm Camilla. Wir gehen in eins der Therapiezimmer.“
Ich stand auf und folgte ihr, merkwürdiger Weise, wie ein Hündchen. Ich fragte mich, warum wir nicht in ihr Büro gingen. War dort etwa etwas oder jemand, was oder den ich nicht sehen durfte?
Sie schloss dir Tür auf und wir gingen rein. Überall hangen Bilder. Irgendwelche Poster mit der Aufschrift: „Keine Macht den Drogen!“ oder „Rauchfrei leben!“ Wollte die Zicke mir damit etwas sagen?
Dr. Francis legte ihre Tasche ab und nickte dann zu zwei Stühlen. Wohl um mir sagen, dass ich mich setzen sollte. Ich tat wir mir befohlen und starrte die Wand an.
„So Camilla, erstmal würde ich gerne deine Arme sehen. Tut mir Leid, aber Kontrolle muss sein.“ Natürlich tat es ihr nicht Leid. Ich streckte ihr meine Arme hin. Mir fiel auf, dass ich DR. Farncis noch nie direkt angeguckt hab.
„Okay, ist ja alles gut.
Dann fangen wir mal mit der heutigen Therapie an.“
Wow, gewählter konnte sie sich nicht mehr ausdrücken.
„Warum verletzt du dich den eigentlich selbst?“, fragte sie sanft.
Alter, wollte die mich für dumm verkaufen?
Sie hatte mich grad ehrlich gefragt, warum ich das machte.
Das erste Mal, seit ich hier war schaute ich ihr ins Gesicht. Sie hatte schulterlange, Blondgefärbte Haare, grüne Augen, war relativ klein und trug eine schwarze, eckige Brille. Ich war geschockt als ich alles zusammen sah.
Sie war damals dabei gewesen.
Es war sie.
Ich stand auf und rannte aus dem Raum. Einfach weg von ihr.
„Camilla! Bleib stehen!“, hörte ich sie schreien, doch ich konnte nicht mir dieser Frau so lange in einen Raum bleiben.
Ich rannte, bis ich irgendwann vor einer Glastür stand.
Ich rüttelte daran doch sie ging nicht auf. Ich versuchte es noch einige Male doch irgendwann gab ich auf und lies mich erschöpft auf den Boden gleiten.
Ich glitt mit meinen Fingern unter die oberste Verbandsschicht und versuchte den Faden durch zu reißen. Es ging nicht.
Ich stand auf und ging in mein Zimmer.
Ich kramte in meiner Handtasche und endlich mein Nagelset. Ich wusste, dass darin auch eine Nagelschere war.
Ich nahm sie raus und schnitt die Fäden durch.
Plötzlich ging die Tür auf und Dr. Francis und Sammy kamen rein.
Ich ließ vor Schreck die Nagelschere fallen. Sammy hob sie auf und gab sie Dr. Francis. Ich guckte keinen beiden an.
„Ich frage nicht, was das soll. Du sagst es ja eh nicht Camilla, aber eins sag ich dir noch, wenn du noch einmal so was machst kommst du auf die Geschlossene. Hast du das verstanden?“
Sie guckte mich fordernd an und ich nickte.
„Gut, immerhin etwas verstehst du.“ Endlich verschwand sie wieder und Sammy wollte auch gehen, doch ich hielt ihn an seinem T-Shirt fest.
„Nicht gehen“, flüsterte ich.
Sammy sah mich erst fragend an, setzt sich dann aber doch auf mein Bett und ich setzte mich neben ihn.
„Was ist den los?“, fragte mich Sammy besorgt. Er sah mich an doch ich wich seinem Blick aus. Ich würde es ihm schon gerne sagen, aber das geht nicht so einfach.
„Ich weiß ich bin kein Psychologe, aber ich möchte dir trotzdem gerne helfen.“
„Ich kann nicht darüber reden“, flüsterte ich und er nickte verständnisvoll.
Ich drehte meinen Kopf weg und spürte einen leichten Luftzug. Ich sah hin und sah das Dr. Spencer rein gekommen war.
Sammy war sofort aufgestanden und zu ihm hingegangen.
Dr. Spencer nickte kurz, lächelte mir zu und ging dann wieder.
„Ich muss jetzt auch gehen, aber ich hol dich nachher zum Essen ab, okay?“ Ich nickte und sah wie auch Sammy verschwand.
Ich ging wieder zu meiner Handtasche und fand noch eine Bastelschere, die ich in irgendeiner Geistigen Umnachtung da mal rein getan hatte.
Ich schnitt weiter die Fäden auf und wickelte die Verbände ab. Ich stellte mich mit dem Rücken zur Kamera, so, das ich nicht gefilmt werden konnte.
Schnell packte ich die Verbände in meine Handtasche und holte eine Rasierklinge raus. Hoffentlich war nicht noch in irgendeiner anderen Ecke in diesem Zimmer eine Kamera.
Sollte ich das wirklich tun wirklich?


6. Wie es der Zufall will




Ich stand hier. Zitternd mit einer Rasierklinge in der Hand. Ich sah nach draußen aus dem Fenster und sah einen Vogel.
Ich war so hingerissen, dass ich die Rasierklinge fallen ließ und zum Fenster rannte.
Jaydon hatte Vögel immer gemocht. Ich begann zu weinen und sackte unter dem Fenster zusammen. Ich krallte mich im Teppichboden fest und schluchzte laut und am liebsten hätte ich geschrieen.
Ich wusste nicht wie lange ich hier saß, doch als ich nach langer Zeit wieder hoch guckte, saß Sammy vor mir und strich mir über meine Schulter. „Was ist denn los?“, fragte er mich leise und besorgt. Ich guckte ihn nur an und wischte mir die Tränen aus den Augen.
„Dr. Spencer und Dr. Francis werden gleich kommen“, versuchte er mich zu trösten, doch ich wollte das nicht. Ich wollte nicht, dass die beiden kommen.
Vor allem nicht Dr. Francis.
„Ich will nicht, dass sie kommen“, wimmerte ich und krallte mich in Sammys Shirt und schaute ihn mit großen Augen an. Weiterhin strich er mir über die Schulter, als plötzlich Dr. Francis und Dr. Spencer neben ihm auftauchten. Die beiden knieten sich neben mich, doch ich rückte weg.
„Psch, wir tun dir doch nichts“, sagte Dr. Francis beruhigend und zuckersüß und unschuldig, doch ich glaubte ihr nicht.
Ich wusste zu was sie im Stande war.
Ich drehte meinen Kopf weg und Sammy guckte mich immer noch besorgt an. Ich spürte wie jemand nach meinem Arm griff. Ich wollte ihn weg ziehen doch zu spät.
„Du hast es ja doch noch aufgeschnitten.
Camilla es reicht!
Du kommst auf die Geschlossene!“ Dr. Francis wollte aufstehen und gehen, doch Dr. Spencer meinte: „Samira, guck doch. Sie hat sich zwar die Verbände abgeschnitten, aber sie hat sich nicht selbst verletzt. Ich denke nicht das sie deshalb auf die Geschlossene muss.“ Ich sah Dr. Francis, dass sie anfing ihre Entscheidung zu überdenken.
„Nun gut, aber noch einmal Fräulein und du bist auf der Geschlossenen“, zischte sie und verschwand aus dem Zimmer. „Danke“, flüsterte Dr. Spencer zu und dieser lächelte mich an. „Aber sie hat recht Camilla. Wenn du dich noch einmal selbst verletzt, musst du in die Geschlossene.
Jetzt werden wir dir aber erstmal deine Arme wieder verbinden. Sammy hilfst du mir?“, fragte er Sammy lächelnd.
„Klar, Dad“, antwortete dieser grinsend. Mir fiel die Kinnlade runter.
Sammy war Dr. Spencer’s Sohn. Sammy half mir aufzustehen und ich setzte mich aufs Bett. „Ich wusste gar nicht, dass du Dr. Spencers Sohn bist“, murmelte ich und er musste lachen.
„Naja, ich bin auch verheiratet und hab den Namen von meinem Ehemann angenommen und eigentlich sollte es auch niemand wissen, aber ich denke du kannst es für dich behalten, oder?“ Er grinste mich an und ich nickte leicht. Ich hätte nie gedacht, dass er schwul sei.
Bevor ich weiter nachdenken konnte kam Dr. Spencer mit den neuen Verbänden wieder rein.
„Es wird etwas länger dauern, da ich die Verbände erst wieder zusammen nähen muss, aber ich denke das wird schon“, meinte Dr. Spencer grinsend und begann meinen Arm zu verbinden. Noch immer waren meine Arme vol mit wunden und teilweise sah man auch schon Narben. Ich fand es schön, denn ich hatte mir Muster auf die Arme geschnitten. Zum Beispiel standen da die Namen von meinem Freund und meiner Tochter.
Ich versank in Gedanken, während Dr. Spencer meinen Arm verband.
Ich hatte angefangen mich selbst zu verletzen als wir entführt worden waren. In der Hütte hatte ein spitzes Messer gelegen und ich hatte es genommen und einfach geschnitten. Jayden war draußen gewesen und hatte arbeiten müssen.
Es hatte so unendlich gut getan und dann, immer wenn Jayden weg gewesen war, hatte ich geschnitten.
„So fertig“, riss mich Dr. Spencers Stimme aus meinen Gedanken. Ich schaute kurz irritiert und nickte dann.
„Ich muss weiter, aber Sammy bleibt noch etwas hier und bringt dich dann zum Essen, okay?“ Ich nickte und Sammy strich mir sanft über den Rücken. Als Dr. Spencer dann, endlich, aus dem Zimmer war fragte Sammy: „Eine Frage: Warum hast du dich grad eben nicht selbst verletzt? Wolltest du nicht oder?“
„Oder was?
Naja ich hatte vorm Fenster einen Vogel gesehen und davon war ich zu abgelenkt gewesen…“
„Warum von einem Vogel?“
„Mein Freund mochte Vögel sehr“, flüsterte ich traurig.
„Oh… Camilla, die Traurigkeit wird vergehen und du wirst auch wieder fröhlich werden, nur dafür musst du auch etwas tun.“
Ich nickte und wollte aufstehen und mir eine Rasierklinge holen, doch Sammy zu merken was vorhatte und hielt mich fest.
„Nein, Camilla. Bitte.“
Ich gab auf, weil ich wusste, dass ich gegen ihn keine Chance hatte.
„Komm es gibt Essen.“ Sammy stand auf und gab mir seine Hand, damit ich besser aufstehen konnte.
Als wir im Speisesaal waren sah ich, dass an unserem Tisch ein neues Mädchen war. Sie unterhielt sich mit Flora. Sammy verabschiedete sich und ich setzte mich neben sie.
„Hey ich bin Keely“, begrüßte mich das Mädchen überschwänglich.
„Ich bin Camilla“, flüsterte ich und der magersüchtige Junge am Tisch guckte mich mit großen Augen an.
Da erinnerte ich mich: Ich hatte bisher nur selten am Tisch gesprochen und meinen Namen kannte er auch nicht. Flora kannte ihn auch nur wegen der Gruppentherapie.
Ich musterte Keely.
Sie war nicht sonderlich dünn aber auch nicht dick. Eigentlich sah sie sogar ziemlich normal aus. Lange, blonde Haare und etwas geschminkt. Sie hatte leuchtend blaue Augen und lange Wimpern. Auf ihrem Gesicht lang ein relativ breites Lächeln.
„Ich bin übrigens Clay“, stellte der Junge sich vor. Keely lächelte auch ich an.
Ich fragte mich was sie hatte, wenn sie doch so fröhlich war, geradezu überdreht.
„Wie alt bist du?“, fragte ich sie leise.
„Ich bin 10 und du?“
„Ich bin 19.“
Entsetzt guckten mich alle drei. Für wie alten hatten sie mich denn gehalten. Für 30?
Dr. Spencer und Dr. Francis kamen und gaben uns unsere Teller. Wir begannen zu essen. Naja Keely und ich begannen zu essen. Flora und Clay machten nicht mal Anstallten ihren Teller überhaupt anzurühren.
Keely laberte mich die ganze Zeit über ihre Freunde und so voll und ich nickte immer mal wieder um ihr zuzeigen, dass ich zuhörte.
Nach dem Essen durchfuhr Keely eine ganz plötzliche Wendung. Sie saß ganz still da und regte sich nicht mehr. Dr. Francis ging zu ihr und legte ihr ein Arm um die Schulter und versuchte sie dazu zu bringen noch etwas zu essen, doch Keely lehnte ab.
„Camilla und Keely, wenn ihr wollt könnt ihr gehen“, meinte Dr. Francis dann und Keely und ich standen auf.
Als wir aus dem Raum draußen waren fing Keely plötzlich an zu weinen.
Ich nahm sie in den Arm, doch sie beruhigte sich nicht. Eine Schwester sah uns und nahm mir Keely ab. Ich sah sie noch kurz an, dann rannte ich wieder in mein Zimmer.
Ich nahm eine Rasierklinge und schnitt mir in meine Wade. Es tat einfach nur gut und ich genoss es.
Ich legte mich in mein Bett und schlief sehr schnell ein.

7. Pech gehabt




„Was sollen wir tun?“
„Ich weiß nicht, aber ich glaub es gibt nur noch eine Lösung…“
„Samira bitte nicht!“
„Es geht nicht mehr anders…“
Von diesen Worten wurde ich wach und guckte mich verwirrt im Zimmer um. An meiner Bettkante saß Sammy und hielt meine Hand. Dr Spencer saß am Fußende und drückte ein Tuch auf meine Wade und drückte ein Tuch drauf und Dr Francis stand verschränkten Armen neben mir.
„Camilla, es reicht jetzt. Die Leute von der Geschlossenen werden in etwa einer Stunde hier sein um dich abzuholen.“ Mit diesen Worten stolzierte sie aus dem Raum und schloss die Tür hinter sich.
Ich schaute Sammy traurig an und dieser schaute zu Boden. Dr Spencer sagte auch nichts.
„Diesmal kann ich es nicht verhindern Camilla. Mir wäre es auch lieber wenn du hier bleiben könntest und einfach Dr Francis gehen könnte, aber das geht leider nicht“, sagte Dr Spencer traurig.
Er nahm das Tuch von meiner Wade und wand sich dann an Sammy: „Kannst du bitte Verbände, Desinfektionsspray und eine Kompresse holen?“ Sammy nickte und ging aus dem Raum.
Nach wenigen Minuten kam er mit den ganzen Sachen zurück. Dr Spencer nahm sich direkt das Desinfektionsspray und sprühte es auf die Schnitte an meiner Wade.
Es brannte.
Ich zuckte zusammen und Sammy strich mir über die Schulter. Dann fing Dr Spencer an mein Bein zu verbinden, vorher hatte er noch eine Kompresse drauf gelegt.
„Du solltest vielleicht noch anziehen. Sammy hilft dir dann dabei deine Sachen zu packen.“
„Okay“, sagte ich. Beide schauten mich verwundert an und Dr Spencer ging mit verwirrtem Blick raus.
„Ich ähm geh auch kurz raus bis du dich angezogen hast“, meinte Sammy peinlich berührt und blickte zu Boden.
„Okay, aber du kannst auch drinnen bleiben…“
„Nene passt schon.“
Ich ging zum Kleiderschrank und holte ein Top und eine lange Hose raus und zog mir beides an dann rief ich: „Du kannst rein kommen.“
Sammy öffnete die Tür, schloss sie wieder und kam zu mir. „Ich helfe dir dann beim Sachen packen“, sagte er, nahm eine Tasche und begann die Sachen rein zu packen die im Schrank waren. „Ich kann das auch machen…“, begann ich als Sammy sich plötzlich umdrehte und etwas säuerlich meinte: „Warum sprichst du jetzt auf einmal? Erst sprichst du gar nicht, verletzt dich andauernd selbst und blockst nur ab. Kaum weißt du, dass du in die Geschlossene musst sprichst du wie ein Wasserfall.
Camilla, das hilft dir jetzt auch nicht mehr. Jetzt musst du in die Geschlossene das du da nicht hin willst hättest du dir überlegen müssen bevor du dich geritzt hast.“
„Ich muss gestern in eine Art Trance gewesen sein, als ich das gemacht hab. Ich hab es gar nicht mitbekommen. Ich hab erst gemerkt was ich gemacht hab als ich aufgewacht bin und ihr alle um mich herum ward.“
„Warum hast du es überhaupt gemacht?“
„Ich weiß nicht genau, ich glaub wegen Keely weil ich ihr nicht helfen konnte, als sie so geweint hat…“
„Achso“, beschämt guckte Sammy zu Boden und packte abwesend weiter meine Sachen.
„Mein Dad ist auch Psychiater für die Geschlossene Psychiatrie. Er wird auch dort dein Psychiater sein und ich kann wahrscheinlich auch mitkommen, aber nur wenn das für dich okay ist…“, meinte Sammy und guckte dabei immer noch beschämt in meine Tasche.
„Klar.“
„Und Keely wird auch mitkommen. Dr Francis meint sie wäre dort besser aufgehoben mit ihren manischen Depressionen.
Absoluter Schwachsinn.
Wenn sie sich ein bisschen mehr mit der Kleinen beschäftigen würde, würde sie feststellen das es auch auf der halbgeschlossenen gehen würde…“
Ich nickte und setze mich aufs Bett und guckte zum Fenster raus.
„Du hast mir noch immer nicht die Frage beantwortet warum du auf einmal sprichst.“
„Mir ist danach mal etwas zu reden und nicht zu schweigen. Ich spreche aber allgemein nur mit Leuten die ich etwas länger kenne und vor denen ich keine Angst hab.“
Sammy nickte nachdenklich und machte die Tasche zu. „So, es müsste alles drinnen sein. Fehlt noch was?“
„Meine Handtasche nehme ich gleich selber.“
„Okay, es wird eh alles durchsucht…“
„WAS?!“, kreischte ich.
„Nur zur Sicherheit.“
Ich seufzte.
Rasierklingen ade.
„Krieg ich eigentlich meine Nagelschere zurück?“
„Nein, auch wenn du aus der Psychiatrie raus bist, bekommst du sie noch nicht wieder.“
„Also muss ich mir dann ein neue Nagelschere kaufen?“, fragte ich verzweifelt. So dumm es auch klingen musste, das war meine einzige Nagelschere.
Sammy musste schallend anfangen zu lachen: „Naja bei einer Nagelschere kann man ja vielleicht eine Ausnahme machen.“ Ich musste grinsen und Sammy schien sich vor sich Lachen nicht mehr richtig halten zu können.
Da ging die Tür auf und zwei junge Männer die ähnlich aussahen wie Sammy kamen rein. Es waren genau dieselben die mich hier ins Zimmer gebracht hatten. Sammy stand auf und begrüßte die beiden mit einem Handschlag
Dann stellte er uns vor: „Camilla, das sind Steve und Henry. Henry, Steve das ist Camilla.“ Die beiden lächelten mir zu und ich lächelte etwas gezwungen zurück. Um ehrlich zu sein: Ich hatte riesige Angst vor den beiden.
„Jeremy und Benjamin holen grad die Kleine. Wie heißt sie noch mal… ach ja Keely.“
„Okay, sollen wir dann schon mal los?“, fragte Sammy und nahm meine Tasche.
„Ja, das ist eine gute Idee. Warte, ich nehme schon die Tasche.“ Den Mann, denn Sammy mir als Steve vorgestellt hat, nahm meine Tasche und wir gingen raus. Bevor wir raus gingen aus dem Zimmer schnappte ich mir jedoch noch meine Handtasche bevor wir raus gingen.
„Es ist kalt draußen, vielleicht sollte sie sich eine Jacke anziehen“, meinte Henry und warf mir einen besorgten Blick zu. Sammy zog sich seine Jacke aus und legte sie mir über die Schultern.
Henry lachte und sagte: „So kann man’s auch machen.“
Aufm Flur sahen wir denn Keely, die eingekuschelt war in ihre warme Jacke.
„Dann können wir los“, sagte der Mann, der Keelys Tasche trug. Hinter Keely stand Dr Spencer und hielt mehr oder weniger Keelys Hand. Wir gingen vor die Tür und stiegen in ein relativ großes Auto ein. Als wir alle drinnen warn fuhren wir los. Keely hatte sich neben mich gesetzt und sich an mich angelehnt und ich strich ihr über die Schulter.
Ich machte das nicht nur um sie, sondern auch um mich, zu beruhigen. Denn ich hatte fürchterliche Angst vor der Geschlossenen. Ich hatte einmal Clay und Flora darüber reden hören wie schrecklich es dort sein soll.
Als wir endlich da waren stiegen Keely und ich zitternd aus und gingen rein, doch was drinnen war, sah gar nicht so schlimm aus. Uns wurden unseren Taschen abgenommen. Ich versteckte meine Handtasche unter Sammys Jacke und ging schnell rein. Eine Schwester führte uns zu unseren Zimmern.
Keelys und mein Zimmer waren genau nebeneinander, jedoch hieß das nichts, denn wie uns erzählt wurde, würden wir nur zwei Mal am Tag Ausgang haben und Ausgang hieß: Wir durften in den Aufenthaltsraum.
Ich legte mich aufs Bett und guckte mir die Decke an. Ich hörte zwar, dass die Tür aufging doch ich ignorierte es. Bis eine strenge Stimme sagte: „Camilla, ich weiß das du mich hörst und ich weiß das du wach bist und deswegen möchte ich das du jetzt mitkommst, so das ich dich untersuchen kann, um sicher zu gehen das alles okay ist.
Also steh jetzt bitte auf und komm mit.“
Ich guckte hin. Dort stand eine junge Schwester, mit verschränkten Armen. Ich stand seufzend auf und folgte ihr.


8. Dummheit der Leute




Ich stellte mich gehorsam auf die Waage und ließ mich auch ohne meckern messen und mir Blutdruck messen und Blut abnehmen. „Ich müsste nur noch deine Arme sehen“, meinte die Schwester beiläufig und ich kramte irgendwas zusammen.
Ich rührte mich nicht und guckte sie stumm an. „Das sollte dir sagen, dass du dich bitte dort auf den Stuhl setzt und kurz wartest“, sagte sie nun mit etwas Nachdruck und einem Drohen in der Stimme.
Ich rührte mich immer noch nicht, weil ich nicht wusste was sie vorhatte. Wenn Sammy oder Dr Spencer im Raum wären würde ich es machen oder sonst irgendjemand den ich kannte, aber ganz allein mit dieser verdammt unfreundlichen Schwester: Nee, danke. Sie drehte sich erneut um und sah, dass ich mich immer noch nicht gerührt hatte. Sie sagte nichts, sondern griff um meine Handgelenk und zog mich zu dem Stuhl und schupste mich quasi drauf. Clay und Flora hatten recht gehabt, als sie gesagt hatten, dass es hier schrecklich sein.
Die Schwester kam wieder mit etwas in der Hand, was aussah wie eine Schere aber bei weitem schärfer. Theoretisch waren mir solche Sachen ja sympathisch, aber nicht wenn andere Leute sie in der Hand hatten und damit auf mich zukamen.
Ich sprang auf rannte zur Tür, die aber abgeschlossen war. „Camilla, hier werden alle Türen immer abgeschlossen. Die Geschlossene hat nur zwei Ausgänge und einer ist der Notausgang und ich bitte dich jetzt das du dich wieder hinsetzt, damit mir deine Arme angucken kann.“ Ich dachte gar nicht daran mich da wieder hinzusetzten.
Sie ging wieder zu mir und schleifte mich dahin. Ich zog die Knie an und umschlang sie.
Ich wollte nur noch hier weg.
„Das ist eine Arbeit mit dir Camilla. Jetzt gib mir dein Arm“, stöhnte die Schwester entnervt auf.
Ich rührte mich immer noch nicht.
Es schien ihr zu reichen, denn sie griff zum Mikrofon und verlangte nach Verstärkung.
Mir fiel auf, dass ich noch gar nicht ihren Namen kannte.
Die Verstärkung kam relativ schnell. Denn schon nach ungefähr einer Minute kam Sammy rein.
„Was ist denn das Problem?“, fragte er lässig und ging zu mir hin.
„Sie will mir ihren Arm nicht geben, denn ich mir angucken soll.“
„Haben Sie Camilla darum gebeten?“
„Ja, natürlich.“
„Wie oft?“
„Ein Mal.“
„Nur ein Mal Dann wird sie Ihnen den Arm auch nicht geben… Was haben Sie denn vorher gemacht?“
„Ich habe sie zum Stuhl gezogen, sie drauf gesetzt und ihr gesagt sie soll mir ihren Arm geben. Nachdem sie das nicht gemacht hat, hab ich schon mal die Schere geholt und als sie die gesehen hat ist sie aufgesprungen, dann hab ich sie wieder zum Stuhl gezerrt ähm gezogen und dann hat sie sich dahin gesetzt wie sie da jetzt auch sitzt. Dann hab sie gebeten mir einen Arm zu geben, nachdem sie das jetzt nicht gemacht hat hab ich Sie gerufen.“
„Hören Sie mir mal ganz kurz zu, ja? Camilla wurde vergewaltigt und geschlagen, ja? Und SIE zerren sie zum Stuhl und zwingen sie dazu Ihnen ihren Arm zu geben. Ganz ehrlich, wenn ich Camilla wäre würde ich Ihnen auch nicht den Arm geben“, schrie Sammy. Ich zucke etwas zusammen.
„Das konnte ich doch nicht wissen“, versuchte sich die Schwester zu verteidigen.
Sammy deutet auf eine Akte, die auf einer Ablage lag. „So etwas nennt man Akte und da steht so etwas drinnen und bevor man jemanden das erste Mal untersucht ließt man sich durch, was da drin steht.“
Die Schwester schaute beschämt zu Boden. „Das bringt uns jetzt auch nichts. Ich versuch jetzt erstmal Camilla wieder in Ordnung zu kriegen und Sie holen bitte das Verbandsmaterial und alles andere was Sie gebracht hätten und holen dann bitte meinen Vater, Dr Jason Spencer. Sagen Sie ihm es geht um Camilla, dann wird er schon kommen“, meinte Sammy kühl und wand sich dann zu mir. Ich sah aus dem Augenwinkel wie die Schwester verschwand.
Sammy setzte mich auf seinen Schoss und wippte mich hin und her, wie ein kleines Kind, doch er wusste, dass mich das beruhigt. Ich atmete wieder normal und lehnte mich etwas an ihn. „Dumme Leute gibt es immer und sie gehört eindeutig dazu, aber keine Angst es sind nicht alle hier so wie sie.“
Ich nickte, obwohl ich ihm nicht so ganz glaubte.
Ich schloss die Augen öffnete sie wieder als ich schritte hörte, die auf uns zukamen. Es war, wie konnte es auch anders sein, Dr Spencer. „Was war denn los?“, fragte er sanft und nahm die Schale mit dem Verbandszeug und kam zu uns hin. Sammy klärte ihn kurz auf und er nickte. „Na dann wollen wir mal. Du kennst das ja schon, Camilla. Das tut gar nicht weh.
Auch wenn es dir wahrscheinlich lieber wäre wenn es wehtue.“
Dr Spencer begann mit seiner Arbeit und ich schaute stumm zu und nickte immer wenn er mir etwas sagte.
„Fertig. Ich denke du kannst wieder in dein Zimmer.
Ich werde gleich mit deiner Physiotherapeutin kommen. Warum wird sie dir dann erklären.“
Ich stand auf und Sammy führte mich in mein Zimmer. „Ist wieder alles okay?“, fragte er besorgt, als ich zugedeckt in meinem Bett lag. „Ja, geht schon wieder“, sagte ich seufzend.
„Ich hatte vorhin echt Angst um dich, also du nichts mehr gesagt hast und so schnell geatmet hast.“
Ich schaute aus dem Fenster als ich hörte wie die Tür aufging und Dr Spencer mit einer schon etwas älteren Frau rein kam. „Sammy“, wand sich Dr Spencer an ihn, „gehst du bitte zu Keely und bleibst bitte bei ihr. Sie ist wieder ganz unten.“
„Ja, klar“, Sammy sprang auf, lächelte mir noch mal zu und verschwand dann.
„Hallo Camilla, ich bin Emilia, die Physiotherapeutin. Ich werde gleich dich etwas bewegen.“
Ich wand mich zu Dr Spencer, weil ich mit Emilia nicht sprechen wollte. „Warum darf ich mich nicht selbst machen?“, fragte ich.
Dr Spencer kniete sich neben mich und begann zu sprechen: „Du wirst bald an deinem Bett festgemacht, um zu verhindern, dass du dich weiter selbst verletzt, somit kannst du dich auch nicht mehr selber bewegen.
Es war nicht meine Idee.“
Ich starrte die Wand an und sprach mit keinen von beiden mehr.


9. Das ist Freiheitsberaubung




Ich lag da und starrte die Decke an. Sie hatten mir tatsächlich die Arme festgebunden und dazu auch noch die Beine.
Am Anfang hatte ich mich dagegen geworfen bis meine Knöchel und meine Handgelenke wund waren, doch das hatten sie gemerkt, mir das ganze eingecremt und dann andere Schlaufen genommen. Es war einfach nur schrecklich hier.
Nachdem ich mit der Physiotherapeutin nicht gesprochen hatte, kam sie jetzt jeden Tag und dehnte meine Beine.
Ich redete weiterhin nicht mit ihr.
Ich fand es einfach nur absolute Freiheitsberaubung, mich an mein Bett festzumachen, aber anscheinend war das hier in der Psycho-Station erlaubt.
Die Schwester die meine Arme verbinden wollte kommt jeden Tag und guckt nach mir und bringt mir etwas zu essen und füttert mich, weil man mich ja nicht losmachen kann. Sammy kam auch oft und redete mit mir und er war auch einer der wenigen mit denen ich hier redete. Das waren nur Dr Spencer und Sammy und sonst niemand. Ich würde auch nicht mit den Leuten reden, die mich hier festgemacht hatten. Ich hasste sie und deshalb würde ich auch nicht mit ihnen reden, auch wenn sie jeden Tag kamen und mich fragten, wie es mir den ginge und ob ich mit ihnen reden wollte.
Ich legte meinen Kopf zur Seite und schmiss mich mal wieder gegen die dummen Schlaufen. Ich versuchte sie immer noch abzureißen, doch es ging nicht.
Die Tür ging auf und Sammy kam rein. Er hielt sanft meine eine Hand fest, guckte mich an und sagte: „Camilla bitte, es bringt dir gar nichts. Hör auf. Je eher du aufhörst dich dagegen zu schmeißen, desto eher sind sie wieder weg.“
„Na toll, dann kann ich in meinem Zimmer rum laufen, denn raus darf ich ja sowieso nicht.“ Sammy strich mir die Haare aus der Stirn. „Ja, aber immerhin kannst du dich selbstständig bewegen.“
„Und ritzen kann ich mich, wenn es mir scheiße geht, auch nicht“, murmelte ich.
Vor einigen Tagen, hatten sie meine Handtasche gefunden und sie mitgenommen. Ich hab sie immer noch nicht wieder, also hab ich auch Rasierklingen mehr.
„Du sollst dich nicht ritzen und das weißt du. Du musst lernen anders mit deinem Schmerz umzugehen, aber da musst du selber herausfinden was sich für dich da am besten eignet.“
Ich guckte ihn mit großen Augen an. Ich hätte nicht gedacht, dass es alternativen dazu gibt.
„Wenn du willst, dann sag ich es meinem Dad, das du das nicht mehr machen willst. Denn warum du dich ritzt wissen wir ja schon lange.“ Er seufzte traurig. Ich guckte traurig zu Boden und schwieg.
„Das ist normal der erste Schritt, aber der hat sich ja schon erledigt, also können wir gleich mit dem nächsten Schritt fortfahren: Herauszufinden welche andere Methoden es für einen gibt, außer svvn.“ Ich nickte und guckte ihn einfach nur an, ehe ich die eine Frage stellte, die mir schon einigen Tagen im Kopf rumgeisterte: „Wie geht es Keely?“
„Naja, kommt immer drauf an, ob sie in einer Manie ist, dann ist sie fröhlich und redet wie ein Wasserfall will die ganze Zeit spielen, aber wenn sie Depressionen hat, weint sie die ganze Zeit und ist kurz davor sich manchmal umzubringen. Ihr beide habt übrigens etwas gemeinsam…“
Ich schaute ihn fragend an.
„Ihr wurdet beide vergewaltigt und habt beide aus dessen heraus eine psychische Störung entwickelt…“
„Ich bin nicht gestört und Keely auch nicht!“, schrie ich plötzlich.
„Hey, psch, das hab ich doch auch gar nicht gesagt.“
Ich guckte zu Boden. Ich hatte überreagiert.
„Ich geh dann mal wieder. Mein Dad kommt gleich und ich rede mir ihm. Natürlich aber nur, wenn es für dich okay ist…“
„Natürlich“, meinte ich leicht lächelnd und drehte dann meinen Kopf von ihm weg.
Ich hörte wie die Tür ins Schloss fiel und dann herrschte wieder Ruhe.
Es hatte noch einen Vorteil, wenn ich nicht mehr am Bett festgemacht war: Ich könnte vielleicht Keely sehen und ich müsste nicht mehr gefüttert werden.
Plötzlich hörte ich eine Stimme und drehte meinen Kopf herum. Dr Spencer stand an meinem Bett und hatte ich sich einen Stuhl geholt. „Wie Sammy mir erzählt hat, möchtest du mit dem selbstverletzen aufhören. Ich finde das schön, dann könne wir dir nämlich sehr bald die Schlaufen abnehmen und das möchtest du, oder?“
Ich nickte heftig. „Eine Frage hätte ich noch… nein es sind eher zwei Fragen…“
„Dann schieß los“, meinte Dr Spencer gelassen.
„Erstens: Wann komm ich wieder auf die halbgeschlossene?“
„Gar nicht, wenn du geheilt bist kannst du direkt nach hause beziehungsweise in dein Studentenheim und weiter studieren“, sagte er lächelnd.
„Und zweitens: Sind die…die…die mich…ent…ent Ach Sie wissen schon haben gefasst worden?“
„Alle außer eine Komplizin. Die haben sie noch nicht, aber vielleicht weißt du ja wo sie ist hm?“
Ich schluckte. Ja, ich wusste wo sie war und ich würde jetzt all meinen Mut zusammen nehmen und es ihm sagen. Ich wollte mich nicht mehr selbstverletzen, also musste ich ihm sagen.
„Dr Francis“, flüsterte ich und bemühte mich nicht zu weinen. Dr Spencer schien entsetzt.
„Bist du dir ganz sicher?“
Ich nickte und atmete wieder etwas ruhiger. „Nun, das ändert so einiges, denkst du das sie dich wieder erkannt hat?“
„Ich denke mal…nicht. Sie hat mit Jayden geholt und nicht mich. Ich hab sie aber hinterher in der Hütte mehrmals gesehen. Außerdem glaube ich nicht das sie mich wieder erkannt hat, da ich mir die Haare erst kurz bevor ich hierhin gekommen bin gefärbt hab.“
„Ah, okay. Es ist gut, dass du das gesagt hast. Ich denke ich gehe jetzt erstmal und werde gleich Sammy zu dir schicken.
Er wird dir ein paar Skills zeigen und vielleicht ein bisschen mit dir spielen und er wird dir dabei auch die Schlaufen losmachen.“
Ich lächelte und freute mich, dass ich wenigstens etwas Freiheit bekam. Dr Spencer lächelte und verschwand und nur wenige Minuten später kam Sammy mit einer großen Kiste rein und darauf war ein großer Koffer.
Er lächelte und stellte die Sachen auf den Boden und öffnete den Koffer. Darin waren alle möglichen Sachen. Von Gummibändern über Gymnastikbändern bis zu irgendwelchen komischen Tüchern.
„Was ist das?“, fragte ich leicht zweifelnd, was ich damit machen sollte.
„Das ist der Koffer, worin die Skills sind“, meinte er und fing an den Koffer auszuräumen.

10. Versuche und Fragen




„Und was soll ich damit machen?“, fragte ich zweifelnd und guckte mir die Sachen an, die er auspackte.
„Wir werden gleich anfangen heraus zu finden, was für dich sich da am Besten eignet.“ Sammy machte meine Schlaufen und packte noch ein bisschen aus.
Er lächelte mich an und gab mir ein Gymnastikband. Ich betrachtete es lange bis Sammy meinte: „Nimm es in die Hand und spanne es so das deine Hand ein bisschen eingedrückt wird beziehungsweise bis es weh tut.“
Ich tat wie mir getan und spannte das Band bis es wehtat, doch ich spürte keine wirkliche Entspannung in mir drinnen.
„Es geht nicht“, sagte ich deshalb und gab Sammy das Band zurück.
„Okay, ist nicht schlimm, wäre auch verwunderlich, wenn es mit dem ersten Skill gleich klappen würde.“
Sammy gab mir ein Gummiband. „Mach es dir um dein Handgelenk und lass es schnalzen, so das es weh tut.“ Wieder tat ich wie mir gesagt und wieder klappte es nicht.
„Ich glaub das funktioniert einfach nicht“, flüsterte ich traurig und ließ den Kopf hängen.
„Hey, wir finden schon was, es gibt für jeden etwas damit er oder sie damit aufhören kann“, sagte Sammy aufmunternd und gab mir eine Schale und füllte darein Eiswürfel. Ich tat meine Hände in die Schüssel und spürte tatsächlich dasselbe, wie wenn ich mir wehtat.
Ich schloss die Augen und genoss es etwas.
„Hilft es?“, hörte ich Sammy fragen und ich nickte.
„Gut, du kannst es noch etwas behalten…ich hab da nur eine kleine Frage…“
Ich öffnete wieder die Augen und schaute Sammy fragend an. „Was denn?“
„Warum glaubst du das Dr Francis die Komplizin, von den Leuten ist?“
Ich schluckte.
„Ich bin mir zu 99% sicher und zumindest sah sie der Frau sehr ähnlich…“
„Ja, nur wenn es nicht stimmt, dann hast du eben ein Problem und…“
„Sammy bitte, ich bin mir wirklich sicher.“
„Das hoffe ich sehr für dich“, murmelte er.
Ich guckte ihn längere Zeit einfach nur an ehe ich mich wieder in mein Kissen sinken ließ.
„Wollen wir was spielen?“, fragte mich Sammy plötzlich und wieder munter.
Ich nickte, guckte jedoch weiter nach draußen.
„Du willst nichts spielen, hm?“, fragte Sammy mit der sanftesten Stimme der Welt.
Ich seufzte: „Nein, eigentlich nicht. Ich wollte mich einfach von meinen Gedanken ablenken.“
„Was für Gedanken denn?“
„Von dem was alles passiert ist?“
„Du meinst deinen Verlobten und deine Tochter?“
Ich nickte traurig. „Ja, Jayden und Caroline.“
Sammy legte einen Arm um meine Schulter. „Es wird schon alles wieder gut werden.“
„Ich hoffe es, nur ich…ich kann nie wieder Kinder kriegen…“
„Ich weiß, aber es gibt auch noch andere Möglichkeiten. Wichtig ist erstmal, dass du es endgültig schaffst mit dem selbst verletzen aufzuhören und dann dein Studium vollenden und wer weiß vielleicht verliebst du dich ja wieder oder so.“
Ich nickte leicht und Sammy stellte das Kopfteil meines Bettes hoch, so das ich fast aufrecht saß.
„So möchtest du jetzt etwas spielen oder lieber doch nicht?“
„Jo, wir können schon was spielen…“
„Was denn?“, fragte Sammy grinsend. Wenn er so grinste, sah er richtig schwul aus.
„Öhm Memory?“
„Okay, geht klar.“ Sammy griff tief in die Kiste und fischte ein Karton heraus. Er ging wieder zu mir hin. Er zog den Nachttisch heran und stellte den Karton darauf ab.
„Verteilst du bitte die Karten?“, fragte er und las sich irgendwas durch. Ich fing an zu lachen und begann die Karten kreuz und quer zu verteilen.
„Ähm Sammy, falls du das Spiel nicht kennst kann ich es dir auch gerne erklären.“ Sammy schaute beschämt auf und murmelte: „Nene hab’s verstanden.“
Wir begannen zu spielen und ich gewann mit 23 Pärchen mehr wie Sammy.
„Darf ich dich was fragen?“, meinte Sammy plötzlich als wir grad die vierte Runde spielten.
„Hm?“, fragte ich zurück und guckte ihn an.
„Was ist damals passiert als sie dich entführt haben.“
Ich guckte instinktiv aus dem Fenster und sagte einfach mal nichts. Ich wollte mit Sammy nicht darüber reden für mich war das ganze einfach etwas Verbotenes.
„Du musst natürlich nicht darüber reden es war nur aus reinem Interesse“, fügte Sammy sanft hinzu und strich mir sachte über den Arm.
„Sie kamen rein…sie haben mich gepackt…“, fing ich an zu erzählen und schaute meine Bettdecke an.
„Wir saßen im Wohnzimmer und haben geredet. Sie kamen einfach und haben uns weggezerrt und dann…und dann bin ich in diesem kleinen Haus aufgewacht…Jayden lag neben mir. Gefesselt. Wir beide.“
Ich begann zu weinen und Sammy strich mir mehr über meinen Arm. „Sie hat uns geholt und mich zu ihm gebracht. Er hat mich geschlagen. Immer wieder. Immer wieder in den Bauch. Jayden musste zu gucken.
Er ist ausgerastet. Der Typ zog eine Waffe. Ich schrie. Er schoss…“, ich konnte nicht weiter reden und schluchzte nur noch. Sammy hob mich aus dem Bett und setzte mich auf seinen Schoss und drückte mich an sich. Ich umklammerte ihn und weinte immer weiter.
„Wein dich ruhig aus. Das hilft. Die Tränen helfen dir“, flüsterte er in mein Ohr und ich gehorchte ihm. Es tat einfach nur unendlich gut, da hatte er Recht.
Nach einer Weile hatte ich mich halbwegs beruhigt und wollte weiter reden, doch Sammy leget mir seinen Finger auf die Lippen und sagte: „Du musst das nicht tun. Ich möchte das du noch einen Nervenzusammenbruch erleidest und noch länger hier bleiben musst.“
Ich redete trotzdem weiter: „Ich bin aufgesprungen und weg gerannt. In das Zimmer. Zu meinem Handy und hab die Polizei gerufen.
Ab da weißt du es ja…“, ich guckte ihn von unten herab an und er strich mir über die Wange.
„Ja, wenn du möchtest geh ich wieder aber ich kann auch bleiben..“
„Ich möchte lieber alleine sein.“
„Gut“, meinte er und ging dann.
Ich stand auf und setze mich auf meine Bettkante. Es hatte unglaublich gut getan darüber zureden und das ganze einfach mal los zu werden.
Ich überlegte mir was er damit gemeint hatte als er gesagt hat, dass ich bald hier raus könnte. Ich lächelte und die Tür ging auf. Dr Spencer kam lächelnd rein und meinte: „Camilla, ich hab eine gute Nachricht für dich.“
Was das wohl war?

11. Endlich frei




Ich packte fröhlich meine Sachen. Die Nachricht von Dr Spencer vor drei Tagen war wirklich gut gewesen.
Ich dufte gehen!
Ich würde jetzt vorerst in einem Heim wohnen, bis ich eine eigene Wohnung hätte. Ich war einfach nur überglücklich.
Ich summte fröhlich ein Lied als ich plötzlich zwei Hände auf meiner Taille spürte. Es war Sammy.
„Was gibt’s?“, fragte ich ihn fröhlich und drehte mich um.
„Keely möchte sich von dir verabschieden.“
„Oh, natürlich. Ich komme.“ Sofort ließ ich alles stehen und liegen und rannte zu Keely. Oh Mann, ich war 19 und verheilt wie eine 8-Jährige.
Keely stand im Flur und umarmte mich. Ich küsste sie sanft aufs Haar. „Du schaffst das schon. Du wirst gesund, okay?“
Keely nickte leicht und ich knuddelte sie noch mal.
„Wir sehen uns heute Abend, wenn ich fahr noch mal, okay?“ Wieder ein nicken ihrerseits, dann ging ich wieder in mein Zimmer.
Sammy setzte mich auf das Bett und schaute mir interessiert zu. Er grinste die ganze Zeit.
„Warum grinst du so pseudo- mäßig?“
„Du tust es doch auch.“
„Ja, aber…ach egal“, meinte ich dann lachend. „Wann krieg ich meine Handtasche und meine Nagelschere wieder?“
„Wenn du heute Abend gehst. Also in zwei Stunden.“
„Ich hab nur noch zwei Stunden?“
„Ja, es ist schon vier Uhr, da siehst du mal, wie schnell die Zeit vergeht.“
Ja, da hatte er Recht. Mir wurde jetzt erst bewusst, dass ich fast ein halbes Jahr hier war. Schon heftig und trotzdem erinnere ich mich noch ganzgenau an den Tag, an dem ich hier ankam.
Nachdem Jaydon tot war, hatte ich weinend die Polizei verständigt, die auch sofort gekommen war. Der grossteil der Entführer war schon weg, nur noch vier waren da. Die Polizei hatte mich mitgenommen und mich auf dem Revier befragt.
Dabei ist mir alles zuviel geworden und ich hatte geschnitten. Immer wieder hatte ich mir in den Arm geschnitten. Die zwei noch sehr jungen Polizisten haben es gemerkt und so landete ich schnell im Krankenhaus, wo ich dann auf kurz und knapp operiert wurde, um das meine tote Tochter aus mir rauszuholen. Den Grund für die OP erfuhr ich aber erst nachdem eingriff.
Und dann hatten mich die zwei Polizisten in die Psychiatrie gebracht. Ich wusste es alles noch so genau und ich wusste, so schnell würde ich die ganzen Bilder auch nicht mehr loswerden.
Seit mehreren Tagen schon hatte ich mich nicht mehr selbst verletzt und ich war stolz drauf.
Endlich war ich mit Sachen packen fertig, als Sammy mich fragte: „Willst du dich noch von meinem Vater verabschieden, ehe ich dich weg bringe?“
„Ich verabschiede mich noch von ihm“, entschied ich mich und folgte Sammy.
Dr Spencer schien überrascht, umarmte mich aber dennoch und erinnerte mich noch mal dran, dass ich jeder Zeit wiederkommen kann, wenn es mir schlecht geht. Ich nickte und lächelte. Schnell huschte ich noch mal zu Keely, um mich zu verabschieden, doch sie schlief.
Sammy hatte meine Sachen schon zum Auto gebracht. Ich stieg ein und atmete ein paar Mal tief durch.
„Können wir los?“, fragte Sammy und ich nickte automatisch.
„Ich wollte dir noch etwas erzählen“, meinte Sammy plötzlich während der Fahrt.
„Was denn?“
„Es gibt noch eine dritte Gemeinsamkeit zwischen Keely und dir.“
„Welche denn?“, fragte ich Stirn runzelnd.
„Ihr beide wurdet von den gleichen Leuten vergewaltigt. Nach dem du weg warst haben die restlichen sich ein neues Opfer zum vergewaltigen gesucht und das Keely.
Die Polizei hat das gestern herausgefunden.“
Ich nickte kurz und sah schon das Heim, in dem jetzt vorerst leben würde. Bevor rein gingen blieb ich erst noch mal stehen.
„Alles klar, Camilla?“, fragte Sammy besorgt.
„Ja“, antwortete ich das erste Mal selbstsicher. „Ja, ich bin bereit.“
Sammy nickte und wir gingen zur Anmeldung. Bevor ich in mein Zimmer gebracht wurde, umarmte Sammy mich noch einmal und gab mir meine Nagelschere zurück. „Versprich mir, das du dir damit nicht weh tust“, flüsterte er mir ins Ohr.
„Ich verspreche es“, flüsterte ich zurück und ging anschließend mit der Betreuerin zu meinem neuen Zimmer.
Meinem neune Leben.
Hoffentlich besseres neues Leben, ohne selbst zugefügten Schmerz.


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Bildmaterialien: Das Cover ist von teetrinkerin
Tag der Veröffentlichung: 03.10.2012

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