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1. Erwachen




Ich wachte auf. Das erste was ich sah war eine weiße Decke. Dann fing ich an mich umzuschauen. Ich lag in einen Bett und war zugedeckt, die Fenster waren mit weißen Vorhängen verdeckt. In der einen Ecke stand ein großer Kleiderschrank, neben dem meine Handtasche lag. In einer anderen Ecke waren ein Waschbecken und daneben ein kleines Schränkchen. Neben dem Bett stand ein Krankenhausnachttisch und auf der anderen Seite ein Stuhl.
Plötzlich ging die Tür auf und ein junger Mann kam rein. Er lächelte und ging zu mir hin. Er war groß und hatte mittellange blonde Haare. Vorsichtig strich er mir über die Schulter. Sofort bekam ich eine Gänsehaut und zog meine Schulter weg. Der Mann sah mich leicht irritiert an, sagte jedoch nichts. „Ich bin Doktor Jasper Cullen“, stellte er sich freundlich vor und lächelte immer noch „Ich bin der für dich zuständige Psychiater hier in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.“, erklärte er weiter.
„Was? Wo bin ich?“, fragte ich leise und verwundert. „In der Kinder- und Jugendpsychiatrie“, wiederholte Doktor Cullen ruhig. Ich verstand nichts mehr. Kam man nur weil man sich von einer Brücke stürzen wollte, in die Klapse?
Ich schüttelte meinen Kopf. Das konnte doch nicht sein, oder doch? Vielleicht war ich ja doch schon im Himmel und das hier war nur ein Test ob ich es auch wirklich würdig bin in den Himmel zu kommen.
Doktor Cullen streckte die Hand und obwohl ich nicht wusste was er vorhat zuckte ich zurück. Er fragte: „Was hast du den, Cindy?
Ich will dir nichts tun. Du bist sicher hier. Was auch immer dich dazu getrieben hat von dieser Brücke zuspringen und weshalb auch immer du eine solche Angst hast, wir werden es schon schaffen das du wieder gesund wirst, versprochen!!“ Ohne zu wissen warum, nickte ich. Aus irgendeinem Grund vertraute ich diesem fremden Mann mehr als irgendwem aus meiner Familie. „Ich werde dich jetzt erst noch mal alleine lassen ich hole dich dann zum Abendessen ab.“, sagte er und verschwand dann aus meinem Zimmer. Vorsichtig stieg aus dem Bett und ging zum Fenster und schob die Vorhänge beiseite. Draußen lag noch Schnee. Ich schaute eine ganze Weile aus dem Fenster und wünschte ich könnte jetzt auch dort draußen sein. Ich ging zum Kleiderschrank und schaute rein. Es war schon alles drin. Es musste schon jemand alles reingeräumt haben. Das bedeutete, dass jemand hier gewesen sein musste, und meine Sachen vorbeigebracht haben musste. Und das hieß wiederum, dass mein Eltern hier gewesen sein mussten. Ich merkte wie meine Beine anfingen nachzugeben. Meine Eltern wussten was ich getan habe! Ich rutschte auf den Boden und legte den Kopf zwischen meine Knie. Gott, bitte, bitte sie dürfen es nicht erfahren haben. Leise fing ich an zuweinen. Sie waren die letzten die Erfahren durften was ich getan hatte, denn ich wusste schon jetzt sie würden es nicht verstehen.
Ich wusste nicht wie lang ich dort so auf dem Boden vor dem Kleiderschrank saß, doch irgendwann klopfte es leise an der Tür und obwohl ich nichts sagte öffnete sie jemand. Es war, wie hätte es auch anders sein können, Doktor Cullen. „Was ist den los?“, fragte er besorgt und ging zu mir hin. Ich schaute ihn nicht an. Er schien seinen Arm um mich legen zu wollen, doch zuckte weg.
„Möchtest du mit zum Abendessen kommen oder doch lieber hier bleiben? Ich würde dir dann etwas zu Essen mitbringen.“
„Ich möchte lieber hier bleiben“, antwortete ich leise.
Doktor Cullen nicht Verständnis voll. Ich stand langsam auf und ging zum Bett. Er schien mich stützen zu wollen, doch das ließ ich nicht zu. Ich legte mich ins Bett. „ich bringe dir dann etwas zu Essen“, sagte Doktor Cullen noch mal bevor er den Raum wieder verließ. Ich legte mich ins Kissen und schloss meine Augen. In dem Moment wollte ich einfach nichts sehen. Wenn ich ihn jetzt hier hätte würde ich mir am liebsten meinen MP3-Player in die Ohren stecken und irgendwelche Lieder hören. Nur um nicht mitzukriegen was um mich herum passierte. Langsam merkte ich wie ich immer müder wurde und schließlich schlief ich ein. Ohne zu träumen. Einfach nur schlafen.

2. Zusammentreffen




Am nächsten Morgen wurde ich durch an ein starkes Rütteln an meiner Schulter wach. Sofort fing ich an zu schreien, obwohl es nicht wehtat, doch ich hatte keine Ahnung wer es war. Als ich dann aufschaute merkte ich, dass es Doktor Cullen war. „Psch, psch“, versucht er mich zu beruhigen. Doch er hielt noch immer meine Schulter fest und solange konnte ich mich nicht beruhigen. Ich wurde immer unruhiger, weil ich nicht wusste was er vorhatte. Ich um griff seine Hand und versuchte sie von meinem Arm zuzerren. Schließlich ließ er los. Meine Augen hatten sich schon mit Tränen gefüllte und langsam lief eine meine Wange runter als Doktor Cullen dann endlich meine Schulter los ließ. „Was hast du denn, Cindy?“, fragte er besorgt doch ich schaute zu Boden. „Kommst du zum Frühstück? Ich möchte gerne, dass du mitkommst. Du hast schon gestern Abend nichts gegessen und du siehst mir etwas unterernährt aus. Kommst du bitte.“ Ich stand auf. Doktor Cullen stellte mir ein Paar Hausschuh hin die ich, ohne irgendetwas zusagen anzog. Ich lief brav hinter ihm her.
Als im Esszimmer waren schaute ich mich kurz um. Überall saßen Kinder und Jugendliche. Es gab drei Tische und an allen außer einem saß ein Erwachsener. Doktor Cullen führte mich zudem, wo kein Erwachsener saß. Ich setzte mich neben einen Jungen. Er lächelte mich an und ich versuchte zurück zu lächeln, doch dies gelang mir nicht so ganz. Doktor Cullen setzte sich neben mich. Plötzlich fingen alle zu essen. Obwohl ich keinen Hunger hatte nahm ich mir etwas und kaute ewig auf einem Stück Apfel herum, als mich der Junge neben mir ansprach. „Du bist Cindy, richtig?“, fragte er und ich nickte. „Ich bin Mason“, sagte er und streckte mir seine Hand hin, doch ich starrte diese nur an. Ich hätte wirklich gerne die Hand geschüttelt doch ich konnte nicht. Ich lächelte ihm entschuldigend zu und er schien irgendwie zu verstehen und dafür war ich dankbar. Neben ihm saß noch mal ein Mädchen und auch sie lächelte mir zu „Ich bin Heaven“, sagte sie lächelnd. Ich lächelte zurück.
Als alle fertig waren brachten wir unser Geschirr nach vorne, doch meins war kaum benutzt. Ich hatte zwei Äpfel gegessen und da brauchte ich nicht viel Geschirr. Ich folgte Mason und Heaven aus dem Esszimmer. Mason fragte: „Willst du mit in mein Zimmer kommen dann bist du nicht so alleine? Und du kannst natürlich auch kommen Heaven.“ Wir beide nickten. Ich ging einfach mit und als wir in Masons Zimmer waren setzte ich mich stumm auf den Stuhl, neben dem Bett. Ich driftete mit meinen Gedanke ab und erschrak als Heaven mich plötzlich etwas fragte. „Warum bist du eigentlich hier? Ich mein du siehst ziemlich normal aus, außer das du ganz schön dünn bist.“
„Ich bin von einer Brücke gesprungen…“, antwortet ich leise.
Ich war froh das keiner von beiden nachdem „Warum?“ fragte. „Ich wollte von einem Hochhaus springen…“, sagte Mason genau so leise wie ich grad auch gesprochen hatte. Nur Heaven schwieg. „Wie… wie… wie lange seit ihr schon hier?“, fragte ich stockend.
„Zwei Monate“, antwortete Heaven.
„Vier Wochen“, meinet Mason.
Na toll, das gab mir dann schon mal einen Vorgeschmack wie lange ich hier verweilen musste. Aber ehrlich gesagt, fühlte ich mich hier sicherer als Zuhause.
Plötzlich ging die Tür auf und Doktor Cullen kam rein. „Ah, Cindy hier bist du. Kommst du bitte mit?“, fragte er und ich stand auf und folgte ihm. Er führte mich einen langen Gang entlang. Dann schloss er eine Tür auf und wir gingen in den Raum. Es schein sein Büro zu sein. „Setz dich doch“, meinte er freundlich. Ich setzte mich gehorsam auf den, mir angebotenen Stuhl. „So, ich hab eine Frage an dich. Und zwar würde ich gern wissen warum du so Angst hast berührt zu werden?“
Ich schaute zu Boden und schwieg.
„Du kannst mir alles sagen.“
Weiterhin schwieg ich.
Doktor Cullen schaute mich fast flehend an, doch ich konnte nicht darüber reden. Dann fing ich ohne Vorwarnung anzuweinen. Ich presste mir meine Fäuste gegen die Augen, weil ich eigentlich nicht weinen wollte. „Tränen sind Balsam für die Seele. Lass sie zu. Sie wollen dir nur helfen.“, meinte Doktor Cullen. Ich atmete ein paar Mal tief durch, dann ging’s wieder.
„I...Ich kann nicht da…darüber reden“
„Warum nicht?“
„Es… es geht einfach nicht“, versuchte ich es ihm begreiflich zu machen. Endlich nickte er. „Hat Mason oder Heaven dir schon gezeigt, wo du hier alles findest?
Ich schüttelte den Kopf.
„Ooooooookaaaaaaaaaay, dann werde ich Mason sagen, dass er dies bitte tun soll. Ach ja du kannst mich ruhig Jasper nennen, das tun eh die meisten aber trotzdem Siezen ja?“ Wieder nickte ich.
Jasper brachte mich wieder zu Masons Zimmer und fragte dann: „Mason, würdest du Cindy bitte die Psychiatrie zeigen? Damit sie weiß wo alles ist.“ Mason nickte und ich ging hinter ihm her. „Also“, begann er „Wo das Esszimmer ist weißt du ja schon. In dem Gang dort vorne befinden sich die Untersuchungszimmer, wo du diese Woche garantiert auch noch hin darfst. Dann sind da hinten die Büros und damit auch die Sprechzimmer von Jasper, Carlisle und Madison. Hinter der Tür ist das Gruppentherapiezimmer. Gruppentherapie ist jeden Tag immer um 14 Uhr. Ein Stockwerk tiefer sind die Klassenzimmer für den Unterricht und ein Schwimmbad. Außerdem ist unten noch ein Musikzimmer. Ein Stockwerk weiter oben ist eine Art „Spielzimmer“, aber mehr für die Jüngeren. Da fällt mir ein wie alt bist du eigentlich?“
„Ich bin vierzehn und du?“
„Sechzehn. Und weiter mit unsere Rundreise. Also vorne beim Eingang befinden sich die Besucherzimmer, die sind dafür da, falls dich jemand besuchen kommen möchte geht man da hin und labert mit dem Besucher. Meist darf man den ersten Besuch erst nach drei Monaten Aufenthalt erhalten.“ Na Gott sei Dank, dachte ich mir. „Jo und das war’s dann auch eigentlich schon. In dem Gang befinden sich noch die Patientenzimmer, aber sonst gibt es nichts wirklich Interessantes mehr, zumindest nichts wo wir hindürfen.“ Er lachte auf. Es war ein bitteres lachen, was ich etwas verwunderte. Ich stand eine Weile so neben ihm und dachte darüber nach, warum er so bitter gelacht hat als Mason das Wort ergriff: „Darf ich dich was fragen?“
„Hmm?“
„Warum wolltest du heute Morgen nicht meine Hand schütteln?“
Ich schaute beschämt zu Boden.
„Okay ich merk schon du willst nicht darüber reden.“
„Ja, das stimmt aber es hat wirklich nichts mit dir zu tun. Es fällt mir verdammt schwer über das alles zu reden.“
Er nickte abwesend.
„Es gibt gleich Mittagessen. Kommst du mit?“
Mit einem Seufzen nickte ich.
Ich trottete hinter ihm her. Erst jetzt merkte ich wie wunderschön er war und wie sehr ich ihn eigentlich JETZT schon

3. Zwang




Nachdem Mittagessen war Gruppentherapie und obwohl keine Lust hatte ging ich hin. Ich hatte ehrlich gesagt keine Lust heraus zu finden, was passiert wenn ich nicht hinging. Jasper tat zwar ziemlich nett aber wenn ich in meinem Leben etwas gelernt hatte, dann das nur weil Leute nett taten, dass dies nicht hieß das sie auch so waren.
Ich ging also in unser Gruppentherapiezimmer. Als ich rein kam, saßen dort schon Jasper, Heaven, Mason und noch ein anderes Mädchen, was mich die ganze Zeit übertrieben freundlich anlächelte. „Ich bin Hannah, die Praktikantin. Du bist dann sicher Cindy, hab ich recht?“
Ich nickte leicht, dann setzte ich mich neben Mason und die Therapiestunde begann. Ich hörte nur halb zu und starrte die ganze Zeit auf meine Füße.
„Und du Cindy?“, fragte jemand, doch ich wusste nicht wer es war, da ich nicht zugehört hatte. Ich zuckte erschrocken zusammen und sah dann auf. Fragend sah Hannah mich an. „Sorry, ich hab nicht zugehört. Tut mir leid“, entschuldigte ich mich leise.
„Ich habe gefragt ob du erzählen möchtest, wie es dir ging nachdem du gemerkt hast, dass dein Suizidversuch fehlgeschlagen ist“, wiederholte Hannah ruhig.
Ich schüttelte den Kopf. Hatte diese Hannah irgendwelche Störungen?! Ich war erst einen Tag hier und die glaubte ich würde ich schon allen sagen wie ich fühle.
Schon krank so was!
„Wirklich nicht?“
„Nein“, sagte ich so fest und laut wie möglich, trotzdem war es nur ein Flüstern.
„Dann eben nicht… und du Mason?“
Doch auch Mason schüttelte den Kopf. Doch bei ihm sagte Hannah nichts. Das war irgendwie unfair.
Dann fing Hannah an ihre Sachen zupacken, verabschiedete sich und ging dann raus. Ich schaute ihr hinterher.
„So“, ergriff Jasper nun das Wort, schaute Mason und mich sanft an und fragte: „Ihr beide wollt wirklich nichts erzählen?“ Ich schüttelte energisch den Kopf und Mason tat es mir gleich. „Nun gut, ich kann euch ja schließlich nicht zwingen.
Ab nächster Woche wird Hannah ab und zu die Gruppentherapie alleine machen. Ich möchte das ihr dann lieb seid, aber das seid ihr sowieso und das ihr mitarbeitet. Ich weiß, dass es euch zwar manchmal nicht so gut geht, aber trotzdem versucht immerhin dann mitzuarbeiten. Hannah gibt sich immer viel Mühe alles vorzubereiten und es wäre traurig wenn ihr das nicht würdigen würdet.
Wollt ihr noch irgendwas Bestimmtes machen? Wir haben noch fünfzehn Minuten Zeit.“
Keiner von uns dreien sagte etwas. Mein Blick war, wie die ganze Zeit schon, auf meine Füße und den Boden gerichtet. Jasper lachte auf. „Wollt ihr hier jetzt wirklich fünfzehn Minuten rum sitzen und nichts machen? Ich lass euch nicht früher gehen“, fragte er lachend. Naja, ich hatte schon eine Idee, aber diese war echt dumm, also sagte ich sie auch nicht.
Tatsächlich, saßen wir eine viertel Stunde hier im Raum drinnen, ohne das jemand etwas sagte oder etwas tat. Jasper ließ uns auch nicht früher raus.
Als wir dann endlich raus durften, stieß ich auf dem Flur mit Hannah zusammen, die mich freundlich anlächelte und fragte weshalb ich nichts hätte sagen wollen, grad bei der Gruppentherapie. Ich zuckte mit den Schultern und verschwand im Zimmer.
Ich setzte mich aufs Bett, zog die Knie an, schlang meine Arme um diese, legte den Kopf in den Nacken, starrte die Decke an und fing an nachzudenken. Und zwar darüber was Hannah gefragt hat. Ich wusste nicht mal wie ich mich gestern gefühlt hatte, nachdem aufgewacht bin. Ich war verwirrt aber sonst war da eigentlich nichts in mir.
Es war das erste Mal, dass ich über meine Gefühle nachdachte. Doch trotzdem kam ich mir überhaupt nicht merkwürdig vor. Ich wusste zwar nicht warum, aber plötzlich musste ich grinsen.
Es klopfte an meiner Tür und Heaven streckte den Kopf rein. „Wir müssen heute Abendbrot machen, kommst du mit oder möchtest du nicht? Es ist auch überhaupt nicht schlimm wenn du nicht willst.“ Ich stand auf und folgte ihr in die Küche ohne ein Wort zusagen, doch ich grinste die ganze Zeit.
In der Küche standen schon Mason und Hannah. „Ah, schön das du gekommen bist, Cindy. Du kannst den Salat machen, ist das okay?“
„Ja, ist okay“, antwortete ich und Hannah sah mich leicht verdutzt an. Schon wieder musste ich grinsen.
Ich wusch den Salat und schnitt ihn dann. Ich überlegte mir ob ich wohl Ärger kriegen würde wenn ich mir jetzt hier in der Küche die Pulsadern durchschnitt. Ich starrte eine Zeit lang das Messer an und ließ es im Licht der Lampe funkeln. Plötzlich kam Hannah zu mir und nahm mir das Messer aus der Hand und murmelte: „Nur zur Sicherheit. Mach es bitte mit der Hand.“ Jetzt schaute ich sie verwundert an.
Den Rest des Salats zupfte ich mit den Händen auseinander und schließlich deckten wir den Tisch und aßen mit den Anderen.
Als ich ins Bett ging schob ich die Vorgänge an dem Fester bei Seite, so dass das Mondlicht ins Zimmer schien. Erst dann legte ich mich ins Bett und schlief.

4. Angst




Ich wachte mitten in der Nacht auf und schaute mich im Zimmer um.
Inzwischen war ich schon fünf Tage hier in der Irrenanstalt.
Ich lag schweißgebadet im Bett und rang nach Luft. Der Alptraum war schrecklich gewesen und ich hatte das Gefühl er sei immer noch nicht vorbei. Meine Stirn war schweißnass doch meine Hände waren eiskalt. Ich presste sie mir gegen die Stirn, um diese abzukühlen. Nach mehreren Minuten ging es mir etwas besser und ich schlief weiter.
Ich wurde von den Sonnenstrahlen wach, die durch mein Fenster schienen und kurz darauf ging auch die Tür und Jasper kam rein. „Schön, du bist schon wach. Ziehst du dich dann bitte an, wir müssen heute Frühstück machen. Ich geh auch raus während du dich anziehst“, sagte er und verschwand mit diesen Worten aus dem Zimmer. Schnell zog ich mir ein Jeans und ein Rollkragenpulli an und ging auf den Gang. Jasper lächelte mich an und ich ging mit ihm in die Küche. Auf dem Weg dahin holten wir noch Mason ab. Heaven war sich noch am anziehen und würde gleich nachkommen.
Seit dem „Vorfall“ vor vier Tagen, bekam ich kein Messer mehr, zumindest nicht wenn nicht die ganze Zeit jemand hinter mir stand.
So war es auch heute wieder. Mal wieder bekam ich kein Messer sondern habe eigentlich nur die Tische gedeckt.
Nach dem Frühstück kam Jasper zu mir. „Kommst du bitte mit mir ins Untersuchungszimmer, ich müsste bei dir mal die erst Untersuchung machen.“ Ich nickte und folgte ihm in ein Untersuchungszimmer. Jasper schloss die Tür und holte einige Blätter Papier aus einer Schublade.
„Dann stell dich mal bitte auf die Waage… 40kg und jetzt messe ich dich noch kurz 1,58m. warte mal eben… Du wiegst ein bisschen zu wenig. Aber das kriegen wir schon wieder hin“, er lächelte mir zuversichtlich zu.
Anschließend nahm er mir noch Blut ab und maß meinen Blutdruck. Jedes mal schaute Jasper etwas entsetzt auf meine Werte. Es war eine ganz normale Untersuchung, wie bei einem normalen Arzt, nur das kein Arzt sich solche Mühe geben würde seine Patientin nicht zu berühren, wie Jasper es grad tat. Am Ende meinte er: „Soweit bist du ganz gesund, nur das du etwas zu wenig wiegst und du daher sind einige Werte nicht ganz normal sind. Das macht mir etwas Sorgen und deshalb möchte ich, dass du jetzt mehr isst, damit du auf dein normal Gewicht kommst.“ Ich starrte stumm auf den Boden. „Cindy, hast du mich verstanden?“; fragte Jasper noch mal nach, doch meine Gedanken waren schon zu weit abgeschweift, als das ich antworten könnte. Ich war mit meinen Gedanken in meinem Alptraum, von heute Nacht.
Plötzlich fasste mich etwas an der Schulter Ich fing an zu schreien und zu strampeln ohne zu wissen, wer mich anfasste, doch durch meine Gedanken dachte ich es sei er. Das was meine Schulter angefasst, ließ diese wieder los. Ich keuchte und schloss die Augen. Dann spürte ich ein stechen in meinem Arm und registrierte, das ich in der Psychiatrie war und nicht meinem alten Zimmer zuhause. Jasper schien mir ein Beruhigungsmittel gespritzt zu haben. Ich atmete wieder normal und öffnete meine Augen wieder. Jasper hockte vor mir und schaute mich besorgt an.
„Geht es wieder?“
Ich nickte.
„Was war den los? Woran hast du so schlimmes gedacht, dass du gedacht hast ich würde dir etwas tun wollen?“
„An… an etwas bestimmtes.“
„Und an was?“
„Ich weiß nicht mehr.“
„Oh doch das weißt du noch.“
Ich schüttelte den Kopf. Dieses Mal war es Jasper der seufzte. Ich stand vorsichtig auf und Jasper brachte mich in mein Zimmer. Ich legte mich auf mein Bett und starrte, wie jedes Mal die Decke an.
Als sich nach langer Zeit die Tür öffnete, schaute ich sofort hin. Es war Mason.
Sofort stand ich auf und ging auf ihn zu. Er lächelte mich breit an und irgendwie musste ich automatisch auch lächeln.
„Hey, und wie war dein Ergebnis von der Untersuchung?“, fragte er lächelnd.
„Naja, also ich wieg zu wenig und deswegen sind einige Werte nicht ganz im normal Bereich aber sonst ganz in Ordnung. Und wie waren deine? Also als du hier hingekommen bist.“
„Meinst du als ich das erste Mal hier war oder jetzt das zweite Mal?“
Ich schaute ihn verwundert an und fragte schüchtern: „Du bist schon das zweite Mal hier?“
„Ja.“
„Oh…“, ich schaute beschämt zu Boden, weil meine Frage so unbeschreibbar dumm war.
„und wegen meiner Ergebnisse: beim ersten Mal kam der Satz ,Alles perfekt, sehr gut’ und beim zweiten Mal ,Einige Werte haben sich seit dem letzten Mal verschlechtertet, aber sonst alles okay’“
„Hat Jasper dich geschickt um mit mir zu reden oder bist freiwillig gekommen?“; fragte ich leicht neugierig.
„Ich komme freiwillig. Es wundert mich, dass du mir so etwas unterstellst.“, antwortete er lachen und ich musste kurz mit lachen, doch dann viel mir etwas ein, was ich ihn fragen wollte.
„Darf ich dich fragen… warum du ein zweites Mal hier bist?“
„Ich… erzähle es dir wann anders, ja? Es ist nur grad ungünstig, da es jetzt Mittagessen gibt. Kommst du mit?“
Ich nickte, stand auf und folgte ihm. Als ich in den Essensraum kam, holte ich mir was zu essen und setzte mich, wie immer neben Mason und Heaven setzte sich neben mich. Wir beiden lächelten uns zu. Jasper schien nicht zu kommen, daher fingen wir einfach an zu essen.
Nachdem Essen war mal wieder Gruppentherapie. Heute würde sie Hannah alleine machen. Na das konnte lustig werden…

5. Überraschungen




Als ich in den Gruppentherapieraum ging, war ich überrascht, denn es war nicht nur Hannah, sondern auch ihre Schwester Lissy da. Ich setzte mich möglichst weit von den beiden weg, doch dann sagte Hannah sanft: „Cindy, du sitzt heute neben Lissy.“ Mit einem seufzen stand ich auf und setzte mich neben die Zicke.
Auch Mason und Heaven wurden Plätze zugewiesen. Mason musste zwischen den beiden Schwestern sitzen und Heaven neben Hannah.
„Ihr wundert euch sicher, warum ihr euch heute eure Plätze nicht selbst aussuchen durftet…“, begann Hannah.
„Und wie“, murmelte Mason. Er tat mir wirklich leid.
„Aber das hat einen tieferen Sinn. Ich möchte heute mit euch darüber sprechen, ob ihr wisst warum ihr hier seid und was ich bei euch verändert hat seit ihr seid.“
Damit hatte ich ganz sicher nicht gerechnet. Es war eine ganzschöne Überraschung und anscheinend nicht nur für mich.
„Und warum müssen wir jetzt so merkwürdig sitzen?“
„Weil ich nicht möchte, dass ihr euch beratet, was ich sagen wollt. Ihr sollt sagen was sich bei dir verändert hat und warum du hier bist.
Ich würde mal sagen, dass Cindy anfängt.“
Ich schaute kurz zu Boden. „Ich…ich denke mal ich bin hier, weil…ich von einer Brücke gesprungen bin…“, flüsterte ich.
„Wegen nichts anderem?“, fragte Lissy, zickig wie sie war, noch mal nach. Ich konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie Hannah sie böse ansah.
„Und was hat sich verändert, seit du hier bist?“, fragte Hannah sanft weiter.
Ich zuckte mit den Schultern. Eigentlich gab es da nichts was sich verändert hat. „Es hat sich wirklich an deinen Gefühlen, seit du hier bist nichts geändert?“, fragte Hannah interessiert nach.
Ich schüttelte den Kopf. „Nun gut, Mason?“
Mason räusperte sich und fing an: „Alsooo, ich bin hier, weil ich ein Haufen Tabletten geschluckt habe und seit ich hier bin geht es mir schon viel besser. Das wollten Sie doch beide sicher hören, oder?“
Ich hatte nie gewusst, das Mason auch Tabletten geschluckt hatte. Das war dann wohl der Grund, weshalb er jetzt ein zweites Mal hier war. Hannah lächelte ihn an, doch Lissy konnte sich ihren Kommentar nicht verkneifen. „Ja genau und wie fühlst du dich hier wirklich und was ist der zweite Grund warum du hier bist?“
„Lissy, jetzt reicht es!“, rief Hannah. Dann drehte sie sich zu Heaven um und bat auch sie zu reden.
„Ich bin hier, weil ich mich ständig verfolgt fühle und Angst hab und seit ich hier bin habe ich etwas weniger Angst“, antwortete sie gelangweilt. Ich konnte es Lissy ansehen, das es ihr gegen den Strich ging, dass sie keinen Kommentar dazu abgeben konnte.
Plötzlich klopfte es an der Tür und Jasper kam rein. „Cindy? Hier ist Besuch für dich. Kommst du bitte mit?“
Ich stand auf und folgte ihm. Wir gingen in den Besucherraum. Als wir vor der Tür standen, erkannte ich sofort wer es war: Es waren Mum, Dad und Sunny. Ich blieb in der Tür stehen. Ich wollte nicht zu ihnen rein. Mum dreht sich um. „Cindy, da bist du ja mein Engel!“, rief sie. Selbst meine Schwester lächelte und die war sechs Jahre älter als ich. „Komm doch rein, mein Schatz“, meinte Mum, doch ich schüttelte den Kopf!
Ich wollte oder besser konnte, da nicht rein. Ich spürte Jaspers forschenden Blick auf mir.
„Möchtest du wirklich nicht rein?“, fragte Jasper leise, doch ich schüttelte energisch den Kopf. Er wand sich an meine Eltern: „Es tut mir leid, doch ich kann Cindy nicht zwingen, zu Ihnen zu kommen. Wahrscheinlich hat sie Angst oder ist allgemein etwas aufgeschreckt. Zudem kam Ihr Besuch, ja auch für Cindy überraschend.“
Meine Eltern und meine Schwester nickten. „Nun ja, vielleicht ein anderes Mal“, meinet mein Dad etwas niedergeschlagen. Die drei machten sich auf zum gehen und kamen immer näher auf die Tür zu und je weiter sie zu mir kamen, desto weiter ging ich zurück.
Als meine Eltern weg waren, bat Jasper mich mit zu kommen. Er schien mit mir sprechen zu wollen. Ich setzte mich auf den Stuhl, den er mir anbot.
„Die Gruppentherapie ist eh schon vorbei“, erklärte er.
„Warum wolltest du nicht zu deinen Eltern und zu deiner Schwester?“
„Ich wusste nicht das sie kommen, dass hat mich überrascht und zudem, wollte ich auch gar nicht mit ihnen reden.“
„Warum das?“
„Ich habe ihnen nichts zu sagen und was mit mir los ist wissen sie ja eh schon.“
Jasper nickte verständnisvoll, doch irgendwie glaubte ich, dass er mich nicht verstand.
„Naja, sie werden sicher wieder kommen und vielleicht möchtest du ja dann mit ihnen reden. Du darfst wieder gehen.“, sagte er mit einem feinen lächeln.
Ich ging wieder zurück und konnte spüren, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Schnell verschwand ich auf der Toilette, schließlich musste keiner sehen, wie ich weinte.
Nach langer Zeit hatte ich mich wieder beruhigt und ging zum Abendessen. Alle schauten mich merkwürdig an, wahrscheinlich, weil meine Augen so aufgequollen waren. „Hast du geweint?“, fragte mich Mason leise. Ich nickte leicht. Er sagte nichts sondern schaute mich nur an. „Sag es nicht Jasper, ja?“ „Mach ich nicht“, versprach er.

6. Wut




In den nächsten Wochen verbrachte ich viel Zeit mit Mason und erzählte ihm, was nach der Gruppentherapie noch passiert ist. Jedes Mal hörte er mir aufmerksam zu und nickte.
Letzte Woche sind zwei neue gekommen. Sie heißen Sunita und Cassidy. Die beiden kommen aus einer anderen Psychiatrie, welche jedoch geschlossen wurde. Sunita war ein Jahr jünger als ich und wie Cassidy ist weiß ich nicht. Mit ihr verstehe ich mich aber beinah besser. Sie redet, genauso wie ich, kaum.
Heute waren wir dran mit Mittagessen machen. Leider war Hannah heute nicht da und Jasper hatte zu tun, also half Lissy uns. Inzwischen fand nicht nur ich, das sie eine Zicke war, sondern auch Cassidy und auch Heaven. Mason hasste sie aber von uns allen am meisten.
Als wir in der Küche standen, kam Lissy mit einem Messer in der Hand auf mich zu, legte das Messer vor mir hin und zischte: „Eine Chance kriegst du noch. Wenn du heute wieder so was machst wirst du nie, ich betone es noch mal falls du es nicht verstanden hast, nie, wieder ein Messer in die Hand kriegen, verstanden?“
Gehorsam nickte ich und gleichzeitig funkelte ich sie an. Mason und Cassidy stellten sich links und rechts von mir. „Miststück“, flüsterte Cassidy mir ins Ohr. Auch Heaven stellte sich zu uns, nachdem Lissy auch sie zur Schnecke gemacht hat. „Irgendwann werfe ich mal was nach ihr“, zischte, die sonst sehr ruhige Heaven, aufgebracht.
Nach wenigen Minuten kam sogar Sunita aufgebracht zu uns. Ich schnitt brav den Salat und starrte die ganze Zeit das Messer an. Leider schaute ich nicht schnell genug weg, als Lissy hinter mir stand. „Leider verspielt, Fräulein. Es wird Jasper garantiert interessieren, dass du schon wieder kurz davor warst dir die Pulsadern durchzuschneiden.“ Mit diesen Worten nahm sie mir das Messer aus der Hand und ließ mich einfach stehen. Mit offenem Mund stand ich da und starrte ihr nach.
„Zicke“, murmelte ich nur, dann drehte ich mich um und blickte genau in Masons aufgebrachte Augen.
Da Sunny, so nannten alle Sunita, schon mit ihrem Teil fertig war, machte sie jetzt auch noch meine Sache zu ende.
Beim Mittagessen sagte und aß ich nichts sondern rührte nur in meinem Essen rum. Jasper betrat mit schnellen Schritten den Raum und ging direkt zu mir und kniete sich neben mich. „Kommst du nachdem Essen bitte in mein Büro?“, fragte er leise. Ich nickte. Jasper lächelte und verließ wieder den Raum.
„Glaubst du Lissy hat es ihm erzählt?“, fragte Heaven.
„Anscheinend“, flüsterte ich.
Lissy kam in den Raum guckte auf meinen Teller und ging wieder raus.
Ich stand kurz vor der Explosion. Wahrscheinlich würde sie es wieder Jasper erzählen.
Nach dem Mittagessen ging ich dann in Jaspers Büro. Ich klopfte leise an und ging dann rein. Jasper war gerade in eine Akte vertieft, doch dann schaut er auf und lächelte leicht. Jedoch nur sein Mund. In seinen Augen konnte ich fast so etwas wie Enttäuschung sehen.
„Setzt dich doch“
Ich setzte mich.
„Wie ich von Lissy hören musste, wolltest du dir heute beim kochen die Pulsadern durch schneiden und hast beim Mittagessen nichts gegessen.“
„Das stimmt nicht! Zumindest nicht das eine.
Ich hab nur das Messer angeguckt, dann hat sie es mir weggenommen und ist davon gegangen! Ich wollte mir nicht die Pulsadern durchschneiden.“, antwortete ich leise, wie immer.
„Lissy meinte, du hättest das Messer angestarrt und es auch in der Hand immer wieder gedreht und es sogar schon zum Handgelenk geführt.“
„Was soll der Scheiß?! Ich hab das nicht gemacht!“, schrie ich jetzt schon fast.
Langsam wurde ich wütend. Warum glaubte Jasper nur dieser Zicke und nicht mir?
Ach ja, stimmt, ich bin ja nur ein kleine, vierzehn jährige Verrückte. Der konnte man schließlich nicht glauben.
„Ich werde mit Lissy noch einmal reden. Sie ist schließlich etwas… merkwürdig, wenn sie jemanden nicht mag und dann erfindet sie auch manchmal Sachen. Und was war das mit dem Essen? Hast du wirklich nichts gegessen?“
Ich nickte.
„Warum?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Es ging einfach nicht, ich hatte Bauchschmerzen.“, sagte ich. Es stimmte ja auch, ich hatte besser habe Bauchschmerzen, aber das war nicht der Grund weshalb ich nichts gegessen habe.
„Hast du immer noch Bauchschmerzen?“
Ich nickte leicht.
Jasper lächelte sanft. „Ich gebe dir gleich etwas dagegen. Und du hast in den letzten Tagen ja für deine Verhältnisse viel gegessen, also sollte einmal nicht so viel ausmachen.
Dann komm mal mit ich geb dir was gegen deine Bauchschmerzen.“
Ich folgte ihm ins Untersuchungszimmer. Jasper ging zu einem Schrank, packte eine Tablette aus und gab mir diese. Dann holte er mir noch ein Glas Wasser. Ich schluckte die Tablette und ging anschließend in mein Zimmer und ruhte mich aus.

7. Unwahrheit




(Jasper)
Nachdem ich Cindy die Tabletten gegeben hatte und sie in ihr Zimmer gegangen war, ging ich aufgebracht zu Lissy. Warum hatte sie gelogen? Ich würde Cindy gerne glauben, doch dafür musste ich noch einmal mit Lissy reden. Cindy hatte, bis jetzt, noch nie richtig gelogen. Sie wollte mir zwar nie erzählen warum sie Angst habe und hat sie gesagt sei wüsste es nicht, doch das war kein richtiges lügen. Sie hatte nur noch kein richtiges Vertrauen in mich.
Lissy war nach der Gruppentherapie in ihr kleines Büro gegangen. Ich klopfte an und wartete geduldig bis sie mich herein rief. Dies geschah dann auch.
Sie saß an ihrem Schreibtisch und schrieb etwas auf einen Block, sie sah auf und ihr Blick traf meinen. „Was ist los?“, fragte sie gelassen.
„Warum hast du gelogen?“
Sie schien überrascht zu sein.
„Ich…ich habe nicht gelogen.“
„Da hat Cindy mir etwas anderes erzählt, sie meinte…“
Lissy unterbrach mich: „Komm schon Jasper, du wirst der Kleinen doch wohl nicht glauben? Sie will bloß keinen Ärger kriegen. Ansonsten hätte sie es doch schon längst zugegeben, dass…“
Diesmal unterbrach ich sie.
„Lissy! Wenn ich ehrlich bin glaube ich Cindy mehr als dir. Ich kann auch gerne noch Mason oder Heaven fragen, wie es wirklich war. Also, sagst du jetzt wie es wirklich war?“
Lissy seufzte. „Nun gut ja ich hab gelogen. Aber es war für Cindys Wohl.“, warf sie noch schnell ein.
„Wie bitte das?“, fragte ich angesäuert mit hochgezogenen Augenbraun.
„Was wäre wenn zum Beispiel Hannah ihr ein Messer gegeben hätte und sie sich dann die Pulsadern durch geschnitten hätte. Hannah ist nicht so konsequent wie ich. Sie hätte sie ihr immer wieder ein Messer gegeben.“
„Lissy, Cindy denkt wahrscheinlich nicht einmal daran sich die Pulsadern durchzuschneiden. Jeder weiß das du sie nicht magst, also hör besser auf zu lügen. Sonst könnte das Folgen haben“
Mit diesen Worten verließ ich ihr Büro und ging nach meinen Schützlingen gucken. Heaven, Sunita, Cassidy, Cindy und Mason schienen alle zu schlafen. Ich setzte mich wieder in mein Büro und füllte einige Berichte aus, bis es zum Abendessen ging. Dieses Mal würde ich auch da sein und aufpassen, dass Cindy immerhin etwas aß.

8. Besuch




Ich war auf dem Weg zum Gruppentherapiezimmer. Ich war jetzt schon 2 Monate hier im Irrenhaus und es sah nicht so aus als dürfte ich bald gehen. Eher das genaue Gegenteil: es sah mehr so aus als müsste ich noch sehr, sehr lange hier bleiben.
Als ich das Gruppentherapiezimmer betrat, sah ich sofort wer heute Gruppentherapie machen würde: Die Zicke.
Ich setzte mich stumm neben Cassidy, die genau wie ich, sich möglichst nah an die Tür gesetzt hat. Als dann alle da waren begann Lissy irgendetwas zu erzählen, doch ich hörte nicht zu.
Ich schweifte mit meinen Gedanken ab. Ich fragte mich, was meine Eltern und meine Geschwister wohl grad machten. Ob sie mich vermissten? Ob sie ohne mich wohl ganz genau so weiter lebten wie vorher? Ob es ihnen überhaupt etwas ausmachte, dass ich nicht mehr da war?
„Cindy? Cindy? Cindy?!“; fragte Lissy immer lauter. Ich schaute erschrocken auf und fragte leise: „Was ist denn?“
„Ach nichts. Nicht so schlimm.“, antwortet Lissy mit einem Lächeln auf den Lippen, das jedoch aussah wie eine Grimasse.
Plötzlich ging die Tür auf und Jasper kam rein. „Cindy, hier ist jemand für dich.“ Sofort stand ich auf und ging Jasper nach. Ich war froh, dass ich nicht länger hier bleiben muss.
Als wir vor dem Besucherzimmer waren drehte sich Jasper zu mir um und ging vor mir in die Hocke und sagte: „Ich komme in einer dreiviertel Stunde nach euch gucken, okay? Wenn was sein sollte rufst du, ja?“ Ich nickte und er stand auf, lächelte mir noch einmal zu und ging dann. Ich ging zur Tür und fragte mich wer wohl drinnen auf mich wartete. Ich legte die Hand auf die Türklinke und überlegte, ob ich wirklich aufmachen sollte. Ich überwand meine Angst und öffnete die Tür. Als ich drinnen stand traf mich fast der Schlag, als ich sah wer da stand: Max!
„Na Schwesterchen, wie geht es dir so?“, fragte er neckisch und schaute mich an. Ich stotterte irgendetwas, zu sehr geschockt war, dass mein Bruder hier war. Er hatte sich nie für interessiert. Nur für wenige Körperteile von mir. „Was denn? Hat es dir die Sprache verschlagen?“, fragte er lachend. Ich kannte das Lachen. Es war ein böses Lachen. Ich wich ein Stück zurück zur Tür. Ich überlegte ob ich nach Jasper rufen sollte, entschied mich dann aber doch dagegen.
Er griff mir um die Taille und zog mich zu sich. Ich konnte nicht schreien oder sonst etwas. Er fing an mir mein Oberteil über den Kopf zuziehen und meine Hose zuöffnen. Ich konnte nichts tun. Ich kam mir vor wie eine Fünfjährige, die sich nicht wehren konnte. Er zog mir meine Hose aus.
Dann tat er das mit mir, was er immer tat. Ich konnte nichts tun. Ließ es einfach geschehen. Er legte mich auf den Boden und begann sich rhythmisch zu bewegen. Ich schloss meine Augen und weinte leise. Ich war so feige, dass ich es nicht mal schaffte zu schreien oder sonst etwas zumachen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit stieg er endlich von mir runter und fing an sich anzuziehen. Ich stand auch auf und zog mich zitternd an. Max ging zu mir hin und beugte sich zu mir runter und sprach leise und ernst: „ Du erzählst es niemanden, verstanden? Du weißt das ist unser Geheimnis. Wenn du es jemanden sagst gibt es Ärger mein Fräulein und zwar richtig Ärger. Du weißt das du es verdient hast, dass ich das jetzt gemacht hab.“ Er verpasste mir eine Ohrfeige, die ziemlich wehtat. Mir rannen die Tränen die Wange runter.
„Das war doch noch gar nichts.“ Mit diesen Worten ging er aus dem Raum.
Ich legte den Kopf zwischen die Knie und atme tief durch.
Nach ungefähr fünf Minuten stand ich auf und ging aus dem Raum. Ich taumelte leicht beim Aufstehen, doch dann ging es. Auf dem Flur traf ich Jasper. „Ist Max schon gegangen?“, fragte er verwundert. Ich nickte benommen. „Alles in Ordnung? Du siehst so merkwürdig aus?“, fragte er jetzt besorgt. Ich schüttelte den Kopf und hätte am liebsten geweint. Jasper nickte und brachte mich in mein Zimmer, wo ich mich auf mein Bett setzte und weinte. Ich konnte nicht glauben, dass ich zugelassen hatte, dass er es wieder tat.
Ohne noch etwas zu essen schlief ich weinend ein und hatte die ganze Nacht über schreckliche Alpträume.


9. Gespräche



Am nächsten Tag bat Jasper mich in sein Büro. Er sagte, dass er heute sehr viel Zeit hatte mit mir über Gestern zu reden. Eigentlich wollte ich das ja nicht, weil ich mich so unendlich dafür schämte, für das was ich gestern wieder zugelassen hatte. Aber Jasper wusste es ja nicht, also ging ich doch hin.
Ich klopfte an die Bürotür. Jasper machte mir mit einem Lächeln die Tür auf. Ich ging rein und setzte mich auf einen Stuhl. Jasper holte noch kurz ein Blattpapier und setzte sich dann auch.
„So, ich wollte mit dir erstens über Gestern aber auch zweitens allgemein über deine Familie sprechen.
Hat es dir gefallen, dass Max gestern da war?“
„Ich weiß nicht… es geht so.“
„Okay und warum hat es dir nicht so ganz gefallen?“
Ich zuckte mit den Schultern
„Weißt du es nicht oder möchtest du es nicht sagen?“
Wieder zuckte ich mit den Schultern. Jasper seufzte.
„Warum sahst du als er weg war so fertig aus? Warst du traurig, das er wieder gegangen ist?“
Was waren das für dumme Fragen? „Ich weiß… nicht. Mir ging es nicht so gut, schon vorher nicht.“
Diesmal nickte Jasper. Anscheinend schien er mit der Antwort zufrieden zu sein. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch hinkriege.
„Vermisst du deine Familie?“
Ich zuckte zusammen. Ich hätte nicht gedacht, dass er mich das fragt. Mir stiegen Tränen in die Augen, doch ich wischte sie schnell weg, bevor Jasper sie noch sah. Jasper schaute mich sanft an und plötzlich wurde ich ruhiger. Das Gefühl hielt, für meine Verhältnisse, sogar sehr lange an.
„Es geht. Ein bisschen schon.“
„Ich hab mit deiner Mutter gesprochen und sie meinte, dass sie seit einiger Zeit, das Gefühl gehabt hätte, das etwas in der Schule los ist. Stimmt das?“
„Nein, in der Schule war alles soweit in Ordnung.“ Das war der einzige Ort, an dem ich nie, wirklich nie, Angst gehabt hatte. Den dort waren Leute, die mich verstanden und mir zuhörten.
„Möchtest du mal irgendwen aus deiner Familie sehen?“, fragte Jasper.
„Ja, meine Schwester“, antwortete ich sofort. Ich vermisste Sunny unglaublich. Jasper schrieb es sich auf.
„Sonst wirklich niemanden?“ Ich schüttelte energisch den Kopf. Ich wollte wirklich niemanden sehen aus meiner Familie, außer Sunny.
„Warum denn nicht?“, fragte Jasper vorsichtig nach, während er sich etwas aufschrieb. Ich zuckte mit den Schultern. Ich wusste zwar warum ich es nicht wollte, aber das würde ich ihm jetzt nicht sagen. Jasper schaute auf, doch ich wich seinem Blick aus. „Möchtest du es mir wirklich nicht sagen? Ich sag es auch niemand anderem. Ich behalte es auch für mich.“
Ich wollte meinen Mund öffnen und ihm alles erzählen, doch ich konnte es nicht. Ich konnte ihm nichts erzählen. Viel zu groß war die Sperre in mir und Max Worte hallten wieder durch meine Kopf: Du hast es verdient. Du bist es nicht wert, das irgendwer was unternimmt und Wenn du es jemanden sagst bist du dran. Du weißt ich finde dich überall. „Cindy, alles okay? Geht es dir gut?“, fragte Jasper plötzlich besorgt. Er stand auf und ging zu mir rüber. Ich schüttelte kurz den Kopf, dann war ich wieder ganz da.
„Es tut mir leid“, murmelte ich kurz und stand dann auf und ging aus dem Raum. Ich stürmte auf die Toilette und schloss die Tür ab. Mir war unwahrscheinlich schlecht, weshalb ich mich, eigentlich unabsichtlich, übergab. Ich schloss die Tür wieder auf und ging zum Waschbecken und wusch mir meinen Mund aus.
Bevor es Abendessen gab, ging ich noch in mein Zimmer und zog mich, noch mal um. Ich machte mich auf den Weg zum Abendessen. Ich setzte mich stumm neben Heaven und Cassidy. Mason und Sunita saßen mir gegenüber. Zum Glück kam Hannah und nicht Jasper. Sie setzte sich auch mir gegenüber, lächelte uns zu und wir fingen an zu essen. Ich hatte nach dem kotzen kein richtigen Hunger, trotzdem aß ich etwas. Ich war heilfroh, als der Tag endlich zu Ende war und ich allein in meinem Zimmer lag und n Ruhe darüber nachdenken konnte, warum ich Jasper die Sache mit Max nicht erzählen konnte. Es konnte doch nicht etwa nur an seinen Worten liegen, oder etwa doch? Hatte er es etwa doch geschafft die Kontrolle über mich gewinnen und mich das tun zulassen was er will?
Mir stiegen die Tränen in die Augen und rollten ohne jegliche Kontrolle über meine Wagen. Ich begann zu schluchzen. Ich bekam das sich die Tür öffnete und kurz darauf wider schloss und ich war froh darüber, dass niemanden versuchte mich zu beruhigen. Doch dann öffnete sich die Tür wieder und Jasper kam rein. Er setzte sich neben mich. Ich wollte ihn weg schieben, doch meine Arme waren zu kurz. Jasper saß einfach nur da und schaute mir zu, wie ich weinte. Plötzlich stürzte ich mich in seien Arme und drückte mich an seine Brust. Ich wusste, dass er nichts tun würde also ließ ich mich von ihm berühren. Beruhigen strich er mir über den Rücken und murmelte immer mal wieder was leise ins Ohr.
Irgendwann war ich fertig mit weinen und lehnte mich zurück ins Kissen. Jasper fragte mich nichts. Er deckte mich zu und plötzlich wurde ich ganz müde und schlief sofort ein.


10. Verschlossen (Jasper)


Als ich aus Cindys Zimmer ging war ich überrascht darüber, dass sie doch tatsächlich Berührungen zugelassen hat. Für sie war das ein sehr großer Fortschritt. Doch irgendwie glaubte ich, dass dieser Fortschritt nur von kurzer Dauer sein würde.
Ich fuhr nach Hause zu Alice und wir beide machten uns einen schönen Abend zusammen.
Am nächsten Morgen fuhr ich zur Arbeit. Ich schloss die Tür zur Station auf. Die Türen waren immer zugeschlossen, damit niemand weg gehen konnte. Ich ging zu Heaven um sie zu wecken. Sie würde heute entlassen werden, da sie eigentlich so gut wie geheilt war. Schnell zog sie sich an und dann kam schon die Leiterin des Betreutem Wohnheims, wo sie jetzt hin ziehen würde. Ich umarmte sie kurz zum Abschied, dann ging sie.
Ich ging Mason, Cassidy, Sunita und Cindy wecken. Madisons Gruppe, war heute mit Frühstück machen dran. Als wir mit frühstücken fertig waren, gingen alle schnell hinaus und ich ging in mein Büro und füllte Cindys Akte aus. Ich fragte mich, warum sie unbedingt ihre Schwester sehen wollte. Zwischen den beiden, schien es eine besondere Verbindung zu geben.
Ich machte mich auf den Weg zu Cindy. Sie saß im großen Gemeinschaftsraum und machte mit Cassidy zusammen Lateinhausaufgaben. Nachdem was mir Mr. Toko erzählt hatte, war sie sehr gut in der Schule und schien sehr gerne zulernen. Als ich näher zu den beiden Mädchen hinging merkte ich aber, dass sie sich nicht nur über Latein unterhielten. Ich wollte die beiden nicht belauschen, doch ich merkte, dass sie sich über Sachen unterhielten, die sie mir nie erzählt hatten. Ich ging zu den beiden hin und kniete mich neben Cindy. „Cindy, kommst du bitte noch mal mit. Ich würde dich sehr gerne noch etwas fragen.“ Sie stand auf, gab Cassidy ihren Block, formte mit den Lippen die Wort: Schreib ruhig ab und folgte mir dann. Ich musste lächeln als ich sie so dabei beobachtete, wie sie andere abschreiben ließ und stellte fest, wie normal sie doch eigentlich war.
Ich ging mit ihr zusammen in mein Büro. Sie schien den Weg inzwischen schon ziemlich gut zu kennen. Sie setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber und starrte ihre Füße an. Ich hatte gedacht sie hätte es sich abgewöhnt, aber dem schien nicht so. „Ich wollte dich fragen, warum du so unbedingt deine Schwester sehen willst, aber niemand anders aus deiner Familie?“ Zuerst schwieg Cindy und starrte weiter ihre Füße an, doch dann hob sie den Blick und schaute leicht an mir vorbei. „Ich vermiss sie nur mehr als meine Eltern und meinen Bruder“, antwortete sie so leise, dass es menschliche Ohren, wahrscheinlich nicht verstanden hätten. Ich nickte. „Und warum vermisst du den Rest nicht so?“ Sie zuckte mit den Schultern. Ich spürte, dass sie keine Lust mehr hatte, sich mit mir über ihre Familie zu unterhalten und ich konnte es auch verstehen. Ich ging zu ihr hin wollte etwas ausprobieren. Ich legte ihr meine Hand auf die Schulter. Cindy fing an zu schreien, zu toben und um sich zutreten und versuchte meine Hand abzuschütteln. Ich nahm meine Hand schnell wieder runter. Sie hatte also doch keine Fortschritte gemacht, sondern eher Rückschritte, denn so heftig hatte sie noch nie reagiert.
Cindy schien sich noch immer nicht beruhigt zuhaben. „Psch, psch“, flüsterte ich ihr zu und beruhigte sie mit meiner Gabe. Ich würde sie nicht wieder berühren.
Nach einer Weile hatte sie sich beruhigt und atmete wieder soweit normal. Sie schaute mich mit großen Augen an, doch ich lächelte ihr beruhigend zu. „Darf ich gehen?“, fragte sie. Ich nickte ihr zu und sie verschwand schnell aus dem Raum. Ich ließ mich auf meinen Stuhl sinken. Ich hatte so gehofft es sei gestern ein Fortschritt gewesen, doch ich hatte getäuscht. Auf einen großen Fortschritt war ein großer Rückschritt gefolgt.
Ich trug es in ihre Akte ein. Ich fragte mich, ob der Besuch ihres Bruders vielleicht etwas, damit zu tun gehabt hatte. Ich wollte sie nicht schon wieder „nerven“, indem ich schon wieder sie irgendwelche Sachen fragte, die ihr mehr oder weniger unangenehm waren. Also würde ich mir diese Frage für einen anderen Tag aufheben.
Ich ging wieder in den Gemeinschaftsraum. Immer noch waren alle am Hausaufgaben machen. Sunny schien am zeichnen zu sein und Mason, Cassidy und Cindy waren am Hausaufgaben machen. Schließlich kam auch Sunita zu ihnen. Ich setzte mich in eine Ecke des Zimmers und schaute ihnen zu.
Als es Mittagessen hab blieben meine Schützlinge alle da. „Wollt ihr denn nichts essen?“, fragte ich sie und alle schüttelten den Kopf. „Ich müsst aber. Kommt schon“, versuchte ich sie zu motivieren. Schließlich kamen sie auch mit. Sie aßen alle nicht viel. Wahrscheinlich hatten sie keinen Hunger. Die vier hatten ja auch spät gefrühstückt. Nach dem Essen war, wie immer. Gruppentherapie. Es passierte nicht viel, da die vier einfach mit ihren Gedanken ganz wo anders waren. Ich wusste zwar nicht an was sie dachten, aber ich konnte es mir so grob, bei allen denken. Außerdem sah man es ihnen, teilweise, an der Nasenspitze an. Nach einer halben Stunde gab ich auf und lies sie gehen. Alle vier hatten heute überhaupt keinen guten Tag und daran konnte ich nichts ändern. Ich ließ sie in Ruhe und strich auch die Therapiestunden für heute Nachmittag, da ich darin momentan kein Sinn sah. Das Abendessen verlief ähnlich wie das Mittagessen, nur das diesmal Cindy gar nichts aß. Ich versuchte sie zu überreden, aber keine Chance, sie wollte einfach nicht.
Mason, Cassidy, Sunita und Cindy gingen heute allesamt früh ins Bett. Ich machte etwas früher Schluss und fuhr mit Hannah und Lissy zusammen nach Hause.

11. Neu


Seid gestern Nacht, hatten wir eine neue Mitinssasin hier. Wir kannten sie alle noch nicht, dich das sollte sich bald ändern. Sie würde in unsere Gruppe kommen, da Heaven ja entlassen wurde. Ich vermisste sie irgendwie.
Als ich in den Essensraum ging sah ich die Neue. Sie saß am Tisch mit verschränkten Armen. Sie war verdammt dünn und relativ groß. Sie hatte braune Augen und blond, braune Haare. Mit trotzigem Blick saß sie da. Sunita trat neben mich und flüsterte mir ins Ohr: „Sie hat Drogen genommen, hat als Stricherin gearbeitet und die Schule geschwänzt. Die Polizei hat sie gestern Nacht gefunden, als sie sich wieder ans anschaffen gehen wollte.“ So was konnte ich nicht verstehen, wie konnte man freiwillig mit fremden Männern schlafen und dann auch noch Geld dafür bekommen wollen.
Ich setzte mich ihr gegenüber und lächelte sie vorsichtig an. Sie lächelte leicht zurück und dann erstarrte ihr Gesicht wieder. Jasper, Hannah und Lissy kamen rein und setzten sich zu uns. Hannah und Jasper setzten sich neben die Neue. Mir fiel auf, dass wir noch gar nicht ihren Namen kannten, doch ich war zu schüchtern um sie zu fragen. Hannah tat ihr etwas zu essen auf den Teller. Konnte sie das etwa nicht selber? Sie schaute zickig auf ihren Teller und schob ich weg. Warum wollte sie nichts essen?
Da fiel mir ein, dass ich mal irgendwo gehört hatte, dass manche Drogen, das Hungergefühl unterdrücken. Solche hatte sie wohl genommen. „Ariana, bitte iss etwas. Ich möchte es dir nicht Zwangszuführen. Es ist besser und angenehmer für dich, wenn du selber isst. Ich weiß, dass du wegen den Drogen kein Hunger verspürst, aber essen musst du trotzdem was“, sagte Jasper sanft, jedoch mit einem ersten Unterton, denn ich bei ihm noch nie gehört hatte. Jetzt wussten wir immerhin, dass das Mädchen Ariana hieß. Tatsächlich aß sie etwas. Sie starrte dabei aber, die ganze Zeit trotzig auf ihren Teller.
Ariana war die Letzt die aufstand. Sie folgte uns. „Hey, du heißt Ariana, richtig?“, fragte Cassidy sie. Ariana nickt und lächelte breit. Mason drehte sich um und lachte. „Du kannst ja auch lächeln, hätte ich nach der Vorstellung, da grad nicht gedacht“, sagt er und grinste. „Ja ich kann lachen und ich kann sogar sprechen. Und da drinnen hab ich das nur gemacht, weil ich kein Bock hatte, was zu essen. Ich hab keinen Hunger. Tja wahrscheinlich kommt’s vom Heroin oder auch von Kokain. Ich weiß nicht mehr genau, was ich als letztes genommen hab, bevor ich hier her gekommen bin. Aber was soll’s es hat mir ja schließlich mehr oder weniger geholfen.“ Jetzt musste sie richtig grinsen. Sie kam mit auf Masons Zimmer. Sie lächelte mir breit zu und ich musste genauso breit zurück grinsen. Irgendwie mochte ich sie. Sie war nicht so wie di anderen hier, zurückhaltend, immer leise und so. sie war quasi das Gegenteil von mir.
Sie setzte sich als einzige auf den Boden. „Wie heißt ihr eigentlich?“, fragte sie uns grinsend. „Cindy“, „Cassidy“, „Sunita“ und „Mason“, stellten wir uns der Reihe nach vor. Sie nickte bei jedem. Ich schaute sie die ganze Zeit an, doch es schien sie nicht zu stören. Sie war ruhig.
Die Tür ging auf und Jasper kam rein. „Ariana, kommst du bitte?“, fragte er. Ariana stand auf und folgte ihm. Ihre Begeisterung, war bei 0.
Als sie aus dem Zimmer raus war meinte Sunny: „Naja, nett ist sie ja nur etwas abgedreht…“
„Etwas? Ziemlich, würde ich eher sagen“, meinte Mason.
Ich sagte nichts. Ich mochte Ariana irgendwie. Sie war nett und das, obwohl sie total abgedreht war. Die Anderen gingen in ihre Zimmer, um ein bisschen für die Schule zu lernen.
Ich legte mich auf mein Bett und schloss die Augen. Nach kurzer Zeit, war ich eingeschlafen.
Ich träumte von Max und was er mit mir gemacht hat, besser gesagt immer noch macht. Ich wachte schreiend auf.
Neben meinem Bett stand Jasper und schaute mich besorgt an. Ich merkte, dass ich total verschwitzt war. Es war neu für mich, dass ich solche Sachen träumte. Ich hatte zwar schon öfters davon geträumt, dass Max mich ausgezogen hat, aber noch nie das er es auch getan hat. „Ist alles okay?“, fragte Jasper mich immer noch besorgt. Ich antwortete nicht, weil ich es selber nicht wusste. Jasper schien mein Puls messen zu wollen, denn er streckte die Hand nach meinem Hals aus. Ich zuckte weg. „Ist doch alles gut. Ich tue dir doch nichts“, murmelte er. Ich wollte es trotzdem nicht.
Obwohl ich es nicht laut gesagt, zog Jasper seine Hand weg. Er lächelte mir noch einmal zu und ging dann aus dem Raum. Ich lehnte mich wieder zurück und wünschte mir Ariana würde kommen und mit mir reden, oder mich irgendwie anders aufheitern und dann ging die Tür tatsächlich auf und Ariana kam mit einem breitem Grinsen rein.

12. Verwunderung


„Was machst du denn hier?“, fragte ich sie verwundert. Ich wollte zwar, dass sie zu mir kommt, aber ich hätte nie gedacht, dass sie wirklich kommt.
„Hmm warum bin ich hier? Ich hab dich schreien gehört und dann sah ich wie Dr. Cullen aus deinem Zimmer kam und da dachte ich mir, ich geh mal nach dir gucken“, antwortete sie lachend. Wie schaffte sie es bloß, die ganze Zeit zu lachen?
„Oh“, entgegnete ich schüchtern. Sie setzte sich wieder auf den Boden und lächelte pausenlos. Da konnte ich mir die Frage einfach nicht mehr unterdrücken: „Wie schaffst du es immer zu lachen? Ich weiß nicht wie das geht und du tust es die ganze Zeit“
Da wich das Lächeln aus ihrem Gesicht und stattdessen tauchte ein trauriges, depressives Gesicht auf. „Ich lächle die ganze Zeit, weil es mir jetzt grad noch ziemlich gut geht und selbst wenn es mir beschissen geht lächle ich noch, weil alle denken sollen es geht mir gut. Weißt du, wenn du als Nutte traurig aussiehst, nur weil du dich so fühlst, dann findest du keine Kunden. Du musst immer lächeln, denn dann sieht es so aus, als hättest du Spaß und als würde es dir immer gut gehen.“ Dann lächelte sie wieder.
Ich nickte. Sie hatte Recht.
„Darf ich dich was fragen?“, fragte sie.
„Klar“
„Warum bist du hier?“
„Weil ich es nicht mag berührt zu werden und mich von einer Brücke gestürzt hab und du?“ Eigentlich war die Frage dumm, denn ich wusste es ja, trotzdem fragte ich es aus Höfflichkeit.
Zu meiner Überraschung fing sie an zu lachen.
„Ich denke das weißt du schon, aber ich sag es gerne noch mal. Ich habe mich jeden Tag mit verschiedenen Drogen voll gepumpt. Von Ecstasy über Crack über Kokain über Hasch bis zu Heroin. Ich fand’s cool und würd’s auch weiter machen. War nen cooles Leben auf der Straße. Natürlich gefährlich aber sonst echt Hammer.
Ich bin am Anfang auf den Strich gegangen und hab nur jeden dritten Abend, jemand gefunden, der mit mir schläft. Dann bin ich zu nem Zuhälter gegangen und der hat mir jeden Abend nen Kunden besorgt. Von dem hab ich von da an auch meinen Stoff bekommen. Jetzt ist er nicht nur mein Zuhälter, sondern mein Freund. Wir sind seit fünf Monaten zusammen.
Und durch das alles konnte ich auch nicht mehr zur Schule gehen.
Deshalb bin ich jetzt hier in der Klapsmühle. Voll der Scheiß, wenn du mich fragst.“
Ich nickte, obwohl ich es inzwischen hier gar nicht mehr so schlimm fand.
„Was wollte eigentlich Jasper vorhin von dir?“, fragte ich sie und lächelte.
„Ach, der hat mir Blut abgenommen, für einen Drogentest, damit sei herausfinden können, welche Drogen ich genommen hab. Alles Schwachsinn!“
Da ging die Tür auf und Hannah kam rein. „Ah, hier bist du Ariana. Kommt ihr zum Mittagessen machen?“
Ariana stand schwungvoll vom Boden hoch und ich stand aus dem Bett auf. Wir folgten Hannah in die Küche, wo auch schon Mason und Cassidy standen. Sunita kam mit uns rein.
Ariana schnitt Gemüse und grinste ununterbrochen und flüsterte mit Cassidy. Sunita, Mason und ich stellten uns dazu.
„So, ich muss los. Bis Lissy kommt seit ihr lieb und macht kein Blödsinn, ja? Ich vertraue euch“, damit verschwand Hannah aus dem Raum.
„Och ne, nicht die Zicke“, stöhnten Sunny und Cassidy gleichzeitig. Ich seufzte. Warum musste ausgerechnet sie kommen?
„Was ist an der so schlimm?“, fragte Ariana verwundert.
„Naja, sie ist…“, wollte ich anfangen zu erklären, als genau in dem Moment Lissy rein kam. Ich verstummte und schnitt brav weiter den Salat.
Als wir fertig waren, gab es Essen. Ich aß ausnahmsweise normal. Ariana aß nichts. Sie weigerte sich, schob immer wieder ihren Teller weg. Nach einer Weile platzte Lissy der Kragen und sie holte Jasper. Dieser redete Minuten lang auf Ariana ein. Schließlich kaute sie auf etwas rum, runterschlucken tat sie es aber nicht.
Nach langem Reden, war immerhin ein viertel von Arianas Teller leer.
Jasper schien damit zufrieden zu sein, nur Lissy nicht. Doch Jasper redete leise mir ihr und dann war sie ruhig.
Ich tippte Ariana auf die Schulter, um ihr zu sagen, das jetzt Gruppentherapie war, doch sie nahm mich gar nicht wahr. Sie stürzte auf die Toilette und ich wusste, was sie vorhatte.
Jasper sah sie und lief ihr hinterher. Ich ging in den Gruppentherapieraum. Als ich rein kam meinte Mason: „Wahrscheinlich, verträgt sie noch nicht wieder so viel Nahrung auf einmal.“
Ariana kam ziemlich bleich rein und setzte sich mit einem feinen Lächeln neben mich.
Jasper und Lissy kamen ebenfalls rein. Lissy guckte ziemlich entnervt, Jasper versuchte sein 24-Stunden-Lächeln aufrecht zu erhalten, was ihm aber nicht so ganz gelang.
Wir machten irgendwelche Spiele, die dabei helfen sollten, dass wir uns mehr vertrauten. Ich wollte das aber nicht. Immer musste man sich gegenseitig berühren. Ich setzte mich an die Seite und schlang die Arme um die Knie.
Lissy sah mich und ging zu mir hin.
„Warum machst du denn nicht mir?“
Ich zuckte mit den Schultern. Natürlich wusste ich es, doch ich wollte es ihr nicht sagen.
„Möchtest du in dein Zimmer gehen?“
Ich nickte und stand auf. Lissy begleitete mich ins Zimmer und schloss anschließend leise die Tür.
Ich fragte mich warum sie solche Spiele machten. Ich lehnte mich ins Kissen zurück und wollte zu Sunny.
Meine Schwester war immer der Sonnenschein von uns gewesen. Außerdem, war sie die einzige, die mir nie etwas getan hat und sie war die einzige, die nicht wusste, was Max machte.
Ich wusste, das Mum und Dad es wussten, sie hatten einmal an der Tür gestanden, als Max es getan hatte und sie hatten nichts gesagt. Es hatte ihnen nichts ausgemacht. Damals hatte mich das verwundert, aber jetzt nicht mehr.
Zu oft hatten sie mir schon gezeigt, dass sie mich eigentlich nicht lieben. Wenn sie das täten, hätten sie irgendwas unternommen, doch das hatten sie nicht.
Wenn sie mich lieben würden, dann hätten sie mich nachts um 1 aus dem Haus schleichen lassen, sondern hätten gefragt, wo ich hin will. Aber nein sie haben mich zu der Brücke laufen lassen.
Ich spürte, wie mir wieder Tränen in die Augen stiegen. Verdammt, warum fing ich in letzter Zeit immer so schnell an zu weinen?
Ich nahm die Decke und zog sie mir übers Gesicht. Ich wollte nicht mehr da sein. Ich wollte nur noch weg sein.
Mir fiel auf, dass ich genau, die Gedanken auch hatte als ich mich damals von der Brücke gestürzt hab. Ich stand auf und ging auf den Flur. Es war leise, weil entweder Therapiestunde war oder die anderen in ihren Zimmern.
Ich schlich zur Küche, die immer offen war, und ging zu der Schublade, wo die Messer drin waren.
Ich nahm eins raus und hielt es an meine Pulsader. Soll ich wirklich?

13. Versuche


Ich hatte mich entschieden. Ich nahm das Messer und schnitt. Ich schnitt tief und mehrmals. Sowohl links als auch rechts. Ich wollte einfach nicht mehr.
Ich schloss die Augen und lehnte mich an die Arbeitsplatte und pumpte etwas, damit das Blut schneller floss. Mit dem Blut, das schon auf dem Boden lag, schrieb ich: Max ist schuldig, dass ich das jetzt tue.
Ich stellte mich wieder hin und pumpte weiter. Ich spürte, wie mir schwindelig wurde und ich fiel auf den Boden, genau in die Blutschrift. Dann wurde alles Schwarz.
Ich öffnete Augen vorsichtig. Ich lag in einem anderen Zimmer. Ich hörte ein leises Piepsen neben mir und auch ein leises Tropfen. Wo war ich? Es war nicht mein altes Zimmer.
Auf die Verwunderung folgte Enttäuschung.
Ich hatte es nicht geschafft.
Da ging die Tür auf und Jasper kam rein. Er lächelte mich gequält an und setzte sich hin. Er hatte eine Akte dabei, auf der mein Name stand.
„Cindy, ich weiß nicht, wie ich dir helfen kann. Ich kann grad wirklich nicht verstehen, warum du das gemacht hast.“
Ich fing an zu weinen und vergrub mein Gesicht in den Händen. Ich konnte ihm den Grund einfach nicht sagen, ohne, dass ich Angst haben müsste vor Max. Jasper schaute mir einfach zu. Er berührte mich nicht, worüber ich sehr froh war.
Ich beruhigte mich relativ schnell wieder und er redete weiter: „Cindy, ich kann dir nur helfen, wenn du mir auch hilfst dich zu verstehen. Anders geht es nicht.
Und damit ich dich verstehen kann, musst du mit mir reden. Ich weiß, dass es Manchen schwer fällt zu reden und wenn du mit mir nicht reden kannst oder willst, dann rede doch mit Hannah oder Lissy. Ansonsten kann ich dir nicht helfen, damit du wieder normal leben kannst, ohne Angst und Suizidgedanken.“
Ich schloss die Augen und überlegte, ob ich es ihm einfach alles erzählen sollte.
„Ich…mein…mein“, stammelte ich, doch ich konnte nicht dir Wörter „Bruder“, „Mutter“ oder „Vater“ sagen. Es ging mir nicht über die Zunge. Nach mehren gestammelten Versuche gab ich auf.
Jasper schaute mich verwundert an, sagte aber nichts.
„Ich hab eine Idee. Meine Freundin ist Psychologin und sie wird ab Morgen hier arbeiten. Vielleicht kannst du ihr ein bisschen was erzählen. Wäre das okay?“, fragt er. Irgendwie gefiel mir die Idee.
Ich kannte sie nicht, nicht so wie Lissy, mit der ich nie reden würde, Hannah oder Jasper.
Ich guckte etwas entnervt zu den ganzen Sachen hoch, an die ich angeschlossen war. Jasper folgten meinem Blick und lächelte.
„Das EKG wirst du heute noch los, aber die Bluttransfusion und das Medikament müssen noch dran bleiben“, erklärte er immer noch lächelnd.
Irgendwie regte mich dieses 24-Stunden-Lächeln langsam auf.
Jasper stand auf und ging raus. Ich lehnte mich im Kissen zurück und guckte mich im neuen Zimmer um.
Es war in gelb gestrichen und an den Fenstern, wo natürlich Gitter vorwahren, hingen blaue Gardinen. Das ganze sah irgendwie richtig hässlich aus. In der Ecke stand diesmal kein Kleiderschrank. Hoffentlich, war das jetzt nicht mein Dauerhaftes Zimmer, denn wenn ich mir Tag für Tag diese hässlichen Wände angucken müsste, würde ich krepieren, ohne, dass ich es wollte.
Ich schloss die Augen und schlief etwas, damit ich mir diese hässlichen Farben im Zimmer nicht länger angucken musste.
Ich schlief Traumlos.
„Cindy wach auf! Hey, Schlafmütze aufwachen!“, hörte ich eine Stimme sagen. Ich öffnete gezwungenermaßen die Augen, um zu gucken, wer hier nach mir rief.
Als ich die Augen geöffnet hatte, sah ich, wer mich weckte: Ariana und Mason
Sie grinsten mich an setzten sich hin. „Na was machst du so?“, fragte mich Ariana.
„Nicht viel, bis grad eben, hab ich geschlafen und ihr?“
„Wir? Wir haben erst versucht dich zu wecken, was uns ja gelungen ist und jetzt wollten wir dich fragen, was du machen willst“, meinte Mason grinsend. Den beiden schien es wirklich gut zu gehen, sonst würden sie nicht so grinsen.
Naja bei Ariana konnte man es ja nie wissen, ob das jetzt ein echtes oder ein gefälschtes war, aber es sah echt aus.
„Hmm ich weiß nicht“, sagte ich schüchtern. Ariana lachte und holte ein Kartenspiel aus ihrer Handtasche, die sie anscheinend immer dabei hatte.
Sie zog den Nachtisch ran und räumte den größten Teil des Zeugs runter, dann kam Mason mit zwei Stühlen, auf die sich die beiden setzten.
Dann fing Ariana an die Karten zu mischen und zu verteilen. Wir spielten irgendein wahlloses Spiel ohne wirkliche Regeln, jedoch war es für mich, aufgrund der blöden Verbände um meine Handgelenke, etwas schwer die Karten zu halten.
Wir merkten erst gar nicht, dass die Tür aufgegangen war, erst als Madison unsere Namen sagte schauten wir auf.
„Schön, das ihr spielt, aber Ariana du sollt zu Jasper kommen. Die Ergebnisse vom Drogentest sind da. Und du Mason, du sollst zu Hannah gehen“, sagte sie sanft wie immer.
Nachdem die beiden aus dem Raum waren, zog sie sich einen Stuhl heran. „Jasper hat grad keine Zeit, deshalb soll ich mir deine Handgelenke angucken“, erklärte sie. Etwas widerstrebend gab ich ihr meine Hand. Sie griff um den Verband rum und begann diesen abzuwickeln. Sie gab sich nicht ganz so große Mühe mich nicht zu berühren, wie Jasper es immer tat. Ich fing leise zu jammern an, weil ich nicht wollte, dass sie mich ständig berührte.
Madison guckte auf und merkte es. Sie gab sich nun sehr, sehr große Mühe mich nicht zu berühren und es gelang ihr auch.
Als die Verbände an beiden Händen ab waren meinte sie: „Guck mal, das ist dein Werk. Das hast du mit dir gemacht.“
Ich guckte hin. Alles war grün, gelb und violett unterlaufen und geschwollen. Von dem Anblick wurde mir schlecht und ich guckte schnell wieder weg.
Madison untersuchte meine Handgelenke vorsichtig, aber dabei gründlich. Ich guckte auf die schmutzigen Mullverbände, die am Boden lagen. Sie waren ganz mit Blut verkrustet.
Madison sprühte etwas auf meine Handgelenke, was brannte. Ich presste sowohl meine Augen zusammen als auch meine Lippen zusammen.
„Gleich vorbei“, murmelte Madison beruhigend. Dann stand sie auf und holte neue Verbände.
Sie wickelte erst zwei Schichten Mullverbände und dann noch zwei Schichten elastische Binden um meine Handgelenke. Es war zusammen so schwer, dass ich meine Hände kaum hoch heben konnte. Ich lehnte mich in meinem Kissen zurück und schlief wieder ein.

14. Einführung (Alice)


Heute würde mein erster Tag in der Kinder- und Jugendpsychiatrie als Psychologin sein. Ich war leicht aufgeregt, als ich mit Jasper und Carlisle hin fuhr. „Schatz, bitte beruhig dich, es ist alles gut. Sie werden dich nicht köpfen oder hängen“, versuchte Jasper mich zu beruhigen, weil ich die ganze Zeit auf und ab wippte. Ich merkte, wie plötzlich ruhiger wurde und wusste, dass es mein Schatz gewesen war.
Als ich wir da waren, verabschiedete sich Carlisle von uns und ging in ein anderes Gebäude. Jasper erklärte mir, dass seine Patienten in einem anderen Gebäude in einer Sicherheitsstufe untergebracht waren. Wir gingen rein und meldeten uns bei der Rezeption. Sara, die Sekretärin lächelte uns zu.
Ich war immer noch aufgeregt. Wir gingen einen Gang entlang und immer wieder schloss Jazz eine Tür auf und anschließend wieder zu.
Zuerst gingen wir in das Büro von Dr. Miller, dem Leiter der Psychiatrie. Als er mich sah lächelte er und stand auf. „Ah, sie sind dann Mrs. Cullen, richtig?“
Er streckte mir seine Hand hingegen. Ich lächelte und schüttelte diese.
„Nur Alice bitte. Das passt dann schon.“
„Okay, ich freue mich, dass Sie sie hier arbeiten wollen. Wir brauchen dringend ausgebildete Psychologen und da ich weiß das Jasper mich nicht einfach jemand empfiehlt, bin ich froh das sie zu uns gekommen sind. Ich hoffe das Sie Ihre Sache gut machen und freu mich auf gute Zusammenarbeit.“
Ich nickte, lächelte noch mal, dann gab er mir meine Schlüssel und ich ging zusammen mit Jasper in mein Büro. Es war mittelgroß, hatte große Fenster und lag direkt neben dem von Jasper. Es hatte sogar eine Verbindungstür zu seinem.
„So Schatz ich muss los, meinen Rundgang machen. Entweder du kommst mit oder schaust dich hier noch etwas um.“
„Natürlich komm ich mit! Ich kann hier ja eh nichts machen.“
Hannah kam rein und lächelte mir zu. Ich mochte sie und betrachtete sie als meine Tochter, obwohl sie das nicht war. Sie würde wohl auch mit kommen.
Wir fingen bei Sunita an. Jasper klopfte an ihre Zimmertür und ging dann rein. „Guten Morgen Sunny, das ist Alice die neue Psychologin, sie wird jetzt hier die manchmal die Gruppentherapie oder auch manchen die normale Therapie machen“, stellte Jasper mich lächelnd vor. Ich lächelte Sunita und sie lächelte vorsichtig zurück. „Wir holen dich dann zum Frühstück ab“, meinte noch Hannah ehe ich die Tür schloss. „Wer hat sie eigentlich geweckt?“, fragte ich verwundert. „Entweder eine Schwester oder sie ist von selber schon aufgewacht. Manche schlafen aber auch wieder ein, nachdem die Schwester sie geweckt hat, dann müssen wir sie wieder aufwecken“, antworte Hannah lachend. Ich lachte mit und hüpfte hinter den beiden her.
Nach Sunita gingen wir erst zu Cassidy, dann zu Mason und Ariana und zum Schluss noch zu Cindy. Sie war wohl das Mädchen um das ich mich in erster Linie kümmern sollte.
Sie guckte mich mit großen, leicht verwunderten Augen und ich lächelte ihr zu. Hannah guckte kurz nach ihren Verbänden und dann gingen wir ins Ärztezimmer. Dort war die dritte Psychiaterin: Madison. Sie lächelte mir zu und ging dann zu ihrer Gruppe, mithelfen Frühstück machen.
Mein Schatz hatte mir erzählt, wie das hier war. Die drei Gruppen wechselten sich jeden Tag mit Frühstück, Mittagessen und Abendbrot machen ab. Es waren immer mindestens zwei Aufsichtspersonen dabei. Indem Fall Madison und Lissy. Nach dem Mittagessen war immer Gruppentherapie und danach entweder Therapie oder Freiraum. Nach dem Frühstück war Unterricht.
„Schätzchen, holst du se bitte zum Frühstück? Und nimm Cindy die beiden Tröpfe ab, damit sie mitkommen kann“
„Klar Schatz“, meinte ich und gab Jazz noch einen Kuss auf die Wange.
Ich fing beim holen hinten an. Also ging ich erst zu Cindy. Ich zog ihr vorsichtig die Nadeln aus dem Arm. Bei Anblick des Blutes, das aus den kleinen Einstichstellen floss, musste ich kurz schlucken. Ich klebte auf beide Stellen ein Pflaster und half Cindy dann beim Aufstehen.
Als nächstes ging ich zu Ariana. Sie nahm ihre Handtasche und ging. Was hatte sie bloß in der Handtasche drin? Zumindest war es eine echt schöne Designerhandtasche.
Mason sah mich und stand sofort auf und ging zum Frühstück.
Cassidy musste ich wieder aufwecken, da sie eingeschlafen war. Sie wälzte sich unruhig hin und her. Ich berührte sie vorsichtig an der Schulter. „Cassidy? Cassidy auf wachen. Es gibt Frühstück.“
Sie wachte auf und guckte mich kurz verdutzt an, stand dann aber auf und ging zum Speisesaal.
Als letztes ging ich zu Sunita. Als sie mich sah, lächelte sie und stand dann auf. Ich schloss noch bei allen die Türen und machte mich dann auch auf de Weg zum Speisesaal.
Ich sah mein Schatz, wie er neben Hannah stand. Er ging zu mir hin küsste mich schnell aufs Haar.
Als alle fertig waren, naja fast alle, Ariana hatte nämlich, anscheinend mal wieder, fast nichts gegessen. Jazz hatte mir erklärt, dass das an den Drogen lag. Manche Drogen unterdrückten das Hungergefühl, so das man nichts Essen brauchte.
Alle Schützlinge aus unserer Gruppe hatten jetzt bei Mr. Toko Englisch und Deutsch.
Ich ging mit Jazz zum Auto und wir holten die Sachen, die ich mitgebracht hatte für mein Büro. Ich hüpfte die ganze Zeit draußen rum, hier sah mich schließlich niemand. Wir trugen gemeinsam die für meine Verhältnisse wenige Sachen in mein Büro. Es war nur ein kleines Foto von uns allen, eine kleine Tasche und mein Laptop. Das ganze Psychologenzeug, das ich zuhause hatte, würde ich erst morgen mitbringen.
Während Jasper und Hannah zum Mittagessen gingen, guckte ich mir ein wenig Cindys Akte an, schließlich hatte sie gleich ihre erste Therapiestunde bei mir.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, da kam Jazz mir Cindy rein. Er lächelte, warf mir einen Luftkuss und zu und ging dann wieder.
„Setz dich doch“, sagte ich freundlich zu Cindy. Sie setzte sich auf den Stuhl und schaute zu Boden.
„So, ich weiß ja schon manches über dich, aber möchtest du mir vielleicht noch etwas über dich erzählen, was du Jasper noch nicht erzählt hast?“ Sie schüttelte den Kopf.
„Okay dann hab ich für den Anfang ein Spiel für dich. Ich möchte, das du möglichst schnell hier das vorgegebene Muster legst, okay? Das ist ganz einfach.“
Ich zeigte es ihr und sie schien verstanden zu haben und machte sich ans Werk. Es war wirklich schön ihr dabei zuzusehen.
Ich hatte im Studium gelernt, dass man das Vertrauen zum Patienten schneller gewinnt, wenn man mir denjenigen spielt.
Nebenbei stellte ich Cindy ein paar Fragen, die sie auch beantwortete. Zum Beispiel, wen sie gerne sehen möchte, ob es jemand gibt den sie überhaupt nicht sehen möchte und so weiter. Hauptsächlich über ihre Familie.
Nach einer Stunde, entließ ich Cindy zur Gruppentherapie. Sie hatte auf alle meine Fragen geantwortet, meist zwar nur in wenigen Sätzen, aber sie hatte geantwortet.
Ich ging rüber zu Jasper, der gerade wieder Zeit hatte, nach Masons Therapiestunde. Ich zeigte ihm die Ergebnisse und er war verwundert.
„Ich würde sagen, wir sollten Sunny bitten hier her zu kommen“, meinte Jazz. Ich wollte liebend gerne wissen, warum Cindy ausgerechnet ihre ältere Schwester sehen wollte und nicht ihre Eltern.
„Hast du was über ihren Bruder rausgekriegt?“
„Nein leider nicht, sie hat nur mit den Schultern gezuckt.“
„Okay, ich hab hier jetzt erstmal nichts zu tun, also können wir glaub ich nach Hause fahren. Hannah und Lissy werden wohl schon alleine fertig und wenn können sie uns ja anrufen.“
Ich nickte und packte alles ein, schloss die Tür ab und wir verabschiedeten uns und fuhren dann wieder nach Hause.

15. Sunny


Ich wurde von einem Flüstern an meinem Ohr wach. Es war eine Schwester. Sie lächelte mir zu und ging dann wieder.
Ich setzte mich auf und strich mir über meine Handgelenke.
Seit einer Woche waren die Verbände, auf Probe, ab. Ich war froh darüber so konnte ich nämlich wieder gebrauchen und vor allem hochheben.
Ich lehnte mich zurück und gab mir Mühe nicht wieder einzuschlafen. Da ging die Tür auf und Alice, Jasper und Hannah kamen rein. „Guten Morgen Cindy. Hast du gut geschlafen?“, fragte Alice, wie immer, fröhlich. Ich hielt sie für ziemlich Abgedreht. Sie kam zu meinem Bett und guckte sich meine Handgelenke. Sie wirkte ratlos und bat Jasper sich das anzugucken. „Darf ich dich kurz anfassen? Dann kann ich es besser beurteilen“, bat Jasper sanft. Ich nickte leicht und er nahm meine Hand hoch und guckte sich es an. Er wiegte meine Hand vorsichtig hin und her. Als er die, noch immer geschwollenen Stellen berührt, ziehe ich vor Schmerz meine Hand zurück.
„Psch, noch ganz kurz“, versuchte Jasper mich zu überreden ihm die Hand wieder zu geben, doch ich behalte sie bei mir. Er seufzte.
„Okay, kommst du nach dem Frühstück, das wir gleich machen müssen, bitte mit mir mit?“ Ich nickte, stand auf und folgte den Andere.
Irgendwie hatte ich Angst, dass etwas mit meiner Hand nicht stimmte.
Wir machten zusammen Frühstück aßen zusammen. Ich saß jetzt neben Ariana, die sich heute ausnahmsweise mal, mit dem Essen nicht schwer tat.
Ich ging gehorsam mit Jasper nach dem Frühstück in eines der Untersuchungszimmer.
„So Cindy, es ist wichtig, dass du jetzt ehrlich bist. Hast du an deinen Handgelenken rumgekratzt, warum auch immer?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Okay, trotzdem müssen die Verbände wieder dran, denn innen drinnen scheint sich irgendwas anzufangen zu entzünden und damit keine neuen Bakterien hinein gelangen, muss die Wunde wieder verbunden werden“, erklärte Jasper mir. Ich war in Bio noch nie gut gewesen und so hatte ich keine Ahnung wovon er redete und ließ ihn einfach das machen, was er für richtig hielt.
Jasper desinfizierte die Wunde, legte Mull drauf und verband dann alles wieder, aber diesmal nahm er weniger Verbände.
Ich war froh, als er endlich fertig war und wollte sofort gehen. Ich wand mich zur Tür, da schien ihm noch etwas einzufallen.
„Ach Cindy warte noch kurz. Deine Schwester kommt heute, deshalb hast du weder Gruppen-, noch normale Therapie.“
Ich freute mich Sunny sehen zu können.
Dieser Tag war gerettet.
Ich ging in mein Zimmer und ging ins Bad. Ich schminkte mich und steckte meine Haare hoch. Dann nahm ich mir irgendein Buch aus meiner Tasche und las.
Da ging die Tür auf und Ariana kam rein. Eigentlich, so oft wie wir uns gegenseitig besuchten, sollte man uns langsam zusammen in ein Zimmer stecken. Als sie Reinkahm, lächelte Ariana noch nicht, doch las sie mein strahlendes Gesicht sah, fing sie übers ganze Gesicht an zu strahlen.
„Was freust du dich denn so?“, fragte sie lachend.
„Meine Schwester kommt heute“, erklärte ich ihr freudestrahlend. Jetzt grinste sie richtig und schmiss sich mit zu mir aufs Bett.
„Schön, wie alt ist sie eigentlich?“
„Sie ist 20“
Sie lächelte immer noch. Dann stand sie auf und meinte: „Ich muss jetzt wieder. Mein Blut-von-Giftstoffen-filter-Tropf müsste langsam fertig sein. Mal gucken, wie lange ich ihn drinnen lasse. Okay ich muss dann.“ Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange. Drehte sich an der Tür noch mal um, lächelte, winkte und schloss dann die Tür. Ich streckte mich ganz auf dem Bett aus und schloss die Augen.
Endlich konnte ich Sunny wieder sehen. Wie lange war es her, dass ich sie nicht gesehen hatte? Mindestens zwei Monate, nicht ganz. Ich hatte sie ja gesehen, als Mum, Dad und sie da gewesen waren.
Da klopfte es an der Tür. „Deine Schwester ist da. Kommst du?“, fragte Alice grinsend. Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen. Ich flitze hinter Alice her. Sei deutet in den Besucherraum und ging rein.
Sunny lächelte mich an. „Im Speisesaal ist was zu trinken, ihr könnt auch in Garten spazieren gehen. Cindy weiß wo alles ist. Ich komme in einer Stunde mal gucken.“ Damit verabschiedete sich Alice und ging aus dem Raum.
Sunny ging zu mir hin küsste mich sanft auf die Stirn.
„Okay wollen wir raus gehen?“, fragte sie, wie immer, lächelnd. Ich nickte.
Sunny war kaum größer als ich genauso dünn. Sie hatte Schulterlange, braune, stufige Haare. Sie studierte Physik, was ich überhaupt nicht verstehen konnte. Ich hasste alle Naturwissenschaften und insbesondere Physik. Naja, jedem das seine.
Wir gingen in den Garten und liefen den Weg entlang. Ich zeigte Sunny die Gebäude und erklärte ihr alles.
Sie meinte lachend: „Dir scheint es ja wieder besser zu gehen.
Das find ich gut. Ich soll dir von Mum sagen, dass sie dich besuchen kommen möchte und Dad auch. Max kommt ja eh nächste Woche.“
Mir stockte der Atem und dich blieb stehen. Max kommt!
Nicht schon wieder. Warum musste er mich immer so quälen?!
Sunny drehte sich zu mir um. „Was hast du denn, Kleine? Ist alles in Ordnung? Soll ich Hilfe holen?“
„Nein, es geht schon wieder“, versicherte ich ihr während ich wieder weiter ging. Sunny guckte mich weiterhin besorgt an. Ich lächelte ihr zu und sie entspannte sich wieder etwas.
Sunny war schon immer verdammt besorgt um mich gewesen. Wenn ich mal krank war, was äußerst selten passierte, hat sie eine riesen Aufruhe gemacht und sich den ganzen Tag über um mich gekümmert.
Wenn sie wüsste, was Max mit mir machte, würde sie ihn garantiert eigenhändig ins Gefängnis bringen.
„Hab ich dir schon erzählt, dass Toby und ich heiraten werden?“, fragte sie.
„Nein, aber das ist ja großartig und wann?“
„Das wissen wir noch nicht, aber erst, wenn du hier raus bist. Ich möchte, dass du dabei bist“, meinte sie lachend.
„Sunny, wenn ich hier raus bin… möchte ich nicht…nicht wieder… nach…nach Hause“, flüsterte ich stockend.
Sunny guckte mich kurz verwundert an, nickte dann aber. Sie sagte nichts weiter und ich war froh darüber. Wir gingen wieder zurück, da es anfing zu regnen.
Trotzdem wurden wir nass und schüttelten uns, als wir wieder rein kamen. Alice kam uns lachend entgegen.
„Hier habt ihr Handtücher, damit ihr wieder trocken werdet.“
„Danke“, bedankten Sunny und ich uns und trockneten unsere Haare.
Sunny schaute auf ihre Uhr. „Oh schon 18 Uhr. Ich muss zu meiner Vorlesung.“ Sie schnappte sich ihre Tasche, küsste mich auf die Stirn und sagte noch: „Hab dich lieb, Kleine. Grüß Max von mir, hab ihn schon lange nicht mehr gesehen.“
Dann verschwand sie. Alice begleitete mich zum Speisesaal. Ich setzte mich stumm an meinen Platz.
Sunita setzte sich neben mich anstatt Ariana. „Sie hat einen Tropf bekommen und kann nicht zum Essen kommen“, erklärte Mason, der meinen verwirrt Blick wohl bemerkt hatte.
„Woher weißt du das?“, fragte ich ihn verwundert mit hochgezogenen Augenbraun.
„Ich hab Jasper und Hannah darüber reden hören, als ich in Jasper Büro, für die Therapiestunde, gegangen bin.“
„Oh“, antwortete ich verwundert. Ich aß auf und ging anschließend ins Bett. Ich hoffte, dass Max nicht schon morgen kommen würde. Ich brauchte noch ein paar Tage, um mich geistig darauf vorzubereiten. Ich mummelte mich in meine Decke und schlief schnell ein.

16. Vertraut


Ich saß auf meinem Bett und spielte mit meinen Haaren rum. Mir war total langweilig, wie immer nach dem Mittagessen.
Wenn ich nicht gleich darauf Therapie hatte, langweilte ich mich zu Tode.
Ich könnte ja theoretisch zu Ariana, nur die hatte erstens Therapie und zweitens war sie wegen irgendwas auf der Krankenstation, wo ich sie nicht besuchen durfte.
Doch wir schrieben SMS.
Ich nahm mir ein Buch und begann zu lesen. Nach der hälfte, wurde es mir zu pervers und legte es weg.
Ich lag weiter auf meinem Bett und starrte die Decke. Ich wünschte mir, ich hätte jetzt Therapie. Das wäre wenigstens ein bisschen interessant, aber ich hatte nur alle zwei Tage Therapie.
Leider.
Es klopfte an der Tür und ich hoffte, dass –endlich- Unterhaltung für mich kam.
Es war Mason. „Hey, ich wollt fragen ob du Lust hast mit mir draußen rum zu laufen. Mir ist total langweilig.“
„Klar komm ich mit, sonst vergammele ich hier noch.“ Ich stand schwungvoll auf, zog mir meine Schuhe an und ging dann zusammen mit Mason nach draußen.
Dann letzte Mal, bin ich hier mit Sunny gelaufen. Es war witzig hier einfach mit Mason zu laufen und zu lachen.
Ich hatte noch immer die Verbände um die Handgelenke. Es waren zwar nicht die ganz dicken und fest, aber sie nervten trotzdem.
Anscheinend hatte sich etwas entzündet, durch sonst irgendwas und damit das besser wurde, musste ich die Verbände tragen.
„Es ist echt zum kotzen, dass man, wenn man keine Therapie hat, sich so langweilen muss“, murmelte ich.
„Ja da hast du recht, dass ist echt mies.
Warum bist du eigentlich nicht zu Ariana gegangen?“
„Die liegt auf der Krankenstation, wegen dem Tropf. Sie hat ihn sich, verständlicherweise, mehrfach wieder raus gerissen und wurde dann in die Krankenstation gesteckt, weil man sie dort überwachen kann. Deshalb kann ich auch nicht zu ihr.“
Mason nickte.
Wir gingen noch eine Weile schweigend nebeneinander her ohne etwas zu sagen.
„Cindy?“, hörte ich eine Stimme hinter mir rufen.
Als ich mich umdrehte, sah ich, dass es Hannah war. Sie kam zu uns hin gelaufen.
„Hey Mason. Cindy du sollst zu Jasper kommen“, erstattete sie mir Bericht. Ich winkte Mason noch kurz zu und ging dann mit Hannah mit.
Ich klopfte an die Tür von Jaspers Bürotür.
„Herein“, hörte ich seine sanfte Stimme von innen. Ich öffnete die Tür und ging rein.
„Schön, dass du gekommen bist. Dein Bruder kommt heute noch mal kommen. Er wird in ungefähr einer halben Stunde hier sein.“
Mir blieb die Luft. Max würde heute schon kommen.
Dann konnte die mir hier doch nicht antun, oder doch?
Ich rang nach Luft und drehte mich um. Ich hörte, wie Jasper seinen Stuhl zurück schob und sich seine Schritte sich mir nährten.
„Alles okay? Cindy, geht es dir gut?“, fragte er besorgt.
Ich atmete tief durch und hatte mich nach kurzer wieder beruhigt.
„Ja es geht schon“, beruhigte ich diesmal Jasper. Es war genau umgekehrt wie sonst immer.
Sonst beruhigte Jasper mich, diesmal beruhigte ich ihn.
Jasper schien noch nicht ganz so beruhigt, ließ mich aber trotzdem gehen.
Ich schmiss mich auf mein Bett und versteckte mich unter meiner Decke. Ich wollte Max nicht sehen. Konnte ich mich irgendwie krank stellen?
Ich hätte grade weiter nach Luft ringen sollen, dann hätte ich sagen können, mir ginge es nicht gut und Jasper hätte Max bescheidgesagt, dass ich krank sei und er nicht kommen könne.
Leider hatte ich diese Chance verspielt.
Ich lag da und starrte die Decke an, als es Klopfte. Obwohl ich nichts sagte, öffnete jemand die Tür. Es war Alice.
„Dein Bruder ist da, Cindy.“
Ich stand auf und folgte ihr mit hängendem Kopf. Am liebsten, währe ich jetzt umgedreht und zurück gerannt, doch ich traute mich nicht.
Alice öffnete die Tür, lächelte und verschwand dann leider wieder. Vorher sagte sie noch: „In einer halben Stunde komme ich dazu, bis dahin habt ihr zwei ein bisschen Zeit für euch alleine.“
Ich ging rein.
Max saß auf einem der Sofas und las in einer Zeitschrift. Er lächelte mich an. Es war kein freundlich, kein herzliches oder ein liebevolles Lächeln. Nein, ganz im Gegenteil, es war ein böses, hinterhältiges Lächeln.
Sofort kam das vertraute Gefühl der Angst wieder und ich wünschte mich, wie immer wenn ich wusste was er gleich tat an einen anderen Ort.
Ich drehte mich noch mal um und sah, dass die Tür offen war. Max schien meinem Blick gefolgt zu sein, denn er stand auf und schloss die Tür.
„So mein süßes Püppchen, wie geht es dir denn hier, hmm? Sind alle nett zu dir? Tut dir jemand hier weh?“, fragte er gespielt liebevoll. Ich wusste, dass er mich liebte, aber auf eine andere Weise, wie man normaler Weise liebt.
Er liebte meinen Körper und sonst nichts.
„Ach Püppchen, was hast du denn? Ist dir nicht gut?“, fragte dieses perverse Arschloch jetzt. Er nannte mich oft Püppchen, wenn er es gleich tun wollte.
Er ging auf mich zu und fasste unter meinem Pullover, da schien er meine Verbände zu sehen.
„Oh Püppchen was hast du denn da gemacht? Hast du dir sehr doll wehgetan?“
Ich antworte nicht und er zog mich weiter aus. Ich schloss die Augen und spürte wie er mir meine Hose auszog und dann schließlich auch meine Unterwäsche. Ich stand unbekleidet vor ihm und er begann sich auch auszuziehen.
Dann legt er mich hin.
Ich schloss die Augen und ließ alles stumm über mich ergehen.

17. Entdeckung (Ariana)


Ich lag gelangweilt in meinem Bett und starrte den Tropf. Das scheiß Teil nervte mich langsam echt, aber wenn ich es mir raus reiße, bekomme ein Neues und es wieder neue Konsequenzen haben.
Der Tropf hatte immerhin einen Vorteil: Es waren teilweise, noch die Droge noch enthalten. Zwar nur in homöpatischer Dosis, aber sie war enthalten. So hatte ich, noch, keine Entzugserscheinungen.
Ich hatte keinen Bock mehr den Tropf anzustarren, also nahm ich mir ein Buch.
Nach einer Weile hatte ich keine Lust mehr zu lesen. Ich seufzte und lehnte mich in meinem Kissen zurück und schloss die Augen.
Als ich sie wieder öffnete, stand eine Ärztin neben mir und zog die Nadel von dem Tropf aus meinem Arm.
„Oh tut mir Leid ich wollte dich nicht wecken.
Du bist den Tropf nun fürs erste los, wirst ihn aber morgen noch mal bekommen, jedoch nur einen kleinen.“ Die Ärztin lächelte mir zu und verschwand dann wieder.
Endlich.
Freiheit, aber da die Kamera an war, konnte ich jetzt nicht einfach verschwinden. So ein Mist.
Ich nahm mein Handy und guckte drauf. Keine neue SMS von Cindy oder Jeff.
Schade.
Ich beschloss doch aufzustehen. Ich schlug die Decke zurück und stand auf. Meine Beine waren etwas wackelig, aber es ging.
Ich rannte schnell aus dem Raum, ehe die Ärztin oder eine Krankenschwestern mich sehen konnte.
Ich lief den Gang entlang und stieg in den Fahrstuhl. Hoffentlich stand oben jetzt keiner.
Ich hatte Glück und rannte weiter, bis ich draußen im Garten war.
Ich setzte mich auf eine der Bänke und ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen.
Es fühlte sich wunderbar an und wollte am liebsten hier bleiben und schlafen.
Doch ich stand auf und ging gelassen durch den Garten. Es war jetzt grad Therapiezeit, also würde hier jetzt keiner lang kommen.
Ich ging weiter und sah am Ende des Gartens noch ein Gebäude. Wenn ich damals Hannah richtig verstanden hatte, waren dort die drinnen, die von 17 bis 21 sind. Es wäre die Gruppe von Carlisle, hatte sie mir erklärt. Es gäbe noch Madisons Gruppe. Dort sind alle bis 12 und in Jaspers Gruppe, also in der in der ich war, ist die wo alle Verrückte von 13 bis 16 drinnen sind.
Ich sah einen Wächter, der sich suchend umsah. Ich versteckte mich hinter einer Säule.
Hatten sie mein verschwinden etwa schon bemerkt und suchten mich jetzt? Na hoffentlich nicht, dann wäre der ganze Spaß weg.
Ich beschloss zu gucken wo Cindy war.
Ich ging zu ihrem Zimmer und klopfte an, als ich keine Antwort bekam öffnete ich einfach die Tür. Sie war nicht dort.
Ich dachte nach und mir fiel ein, dass sie vielleicht wieder Besuch hatte und machte mich auf den Weg zum Besucherzimmer.
Sollte ich da jetzt wirklich einfach rein platzen?
Das wäre schließlich furchtbar unhöflich. Ich wollte erst wieder weg gehen, doch da hörte ich ein leises Stöhnen von innen. Es klang sehr lustvoll.
Solche Geräusche hatte ich von mir gegeben, als ich noch als Nutte gearbeitet hatte.
Die Jungs mögen es wenn man stöhnt, sich rhythmisch bewegt und keine Decke zum schlafen braucht.
Ich entschloss die Tür doch aufzumachen, um zu gucken was darin so ab ging. Ich öffnete sie vorsichtig und mich traf der Schlag als ich sah was darinnen abging.
Cindy lag mit geschlossenen Augen auf dem Boden. Ich konnte sehen wie sich eine Träne aus ihrem Augenwinkel stahl. Sie hatte nichts mehr an und auf ihr lag ihr Bruder und bewegte sich immer auf und ab. Sie taten es und so wie es aussah, wollte Cindy es nicht.
Ich schloss die Tür wieder und rannte zur Toilette. Ich beugte mich über die Kloschüssel, da ich den starken Drang hatte mich zu übergeben. Es kam nur Galle und ich richtete mich wieder auf.
Ich ging wieder aus der Toilette und lehnte mich an die Wand.
Was ich da gesehen hatte, war schrecklich gewesen.
Cindys Bruder missbrauchte sie und ich hatte einfach nur zugesehen. Ich rannte wie von allen Sinnen verlassen zu Jaspers Büro. Er musste etwas tun.
Ich stand vor der Tür und ich hörte keine Stimmen. Ich öffnete die Tür und stürmte herein.
Jasper schaute entsetzt von einer Akte auf. „Ariana, was machst du hier? Du solltest du auf der Krankenstation sein“, fragte er verwundert, aber auch verärgert.
„Ich…ich“, stammelte ich. So wird das nichts, sagte ich mir und atmete ich ein paar Mal durch.
„Cindy und ihr Bruder… er…er“, stammelte ich wieder, doch Jasper schien irgendwie zu verstehen und sprang auf.
Er lief zum Besucherraum und ich ihm hinterher.
Als wir da waren, war ich total aus der Pust und alles drehte sich um mich herum.
Ich sah, wie Jasper die Tür öffnete, kurz rein guckte und sie dann wieder schloss.
Er sah mich an strich mir kurz über die Schulter und flüsterte: „Ich hole kurz jemanden, du bleibst hier, ja?“ Ich nickte und blieb stehen.
Laufen konnte ich jetzt eh nicht mehr. Ich schloss die Augen und hoffte, dass der Schwindel gleich aufhört.
Ich öffnete meine Augen nach kurzer Zeit wieder und da sah ich, wie Jasper, Alice, Hannah und zwei Polizisten kamen.
Hannah blieb bei mir und strich mir beruhigend über die Schulter, der Rest ging rein in das Zimmer um Cindy zu helfen. Ich hoffte, dass ihr nichts passiert war und, dass sie erholen würde.
„Ariana es wird alles gut. Cindy wird geholfen. Es wird alles Gut“, wiederholte Hannah immer wieder, doch ich schaltete sie irgendwann auf stumm und schloss wieder die Augen. Vor meinem Auge spielte sich die Szene erneut ab. Die in der ich die Entdeckung mir Cindy und ihrem Bruder gemacht hatte.


18. Erlösung


Gott, bitte erlöse mich, war mein einziger Gedanke, denn ich immer wieder in meinem Kopf wiederholte, in der Hoffnung er würde war werden. Ich hatte meine Augen, noch immer geschlossen und weinte leicht, jedoch so das Max es nichts sehen konnte.
Ich spürte einen leichten Luftzug und dachte Max hätte jetzt aufgehört, trotzdem traute ich mich nicht die Augen zu öffnen um zu gucken.
Da spürte ich wie Max aufstand. Oder wurde er weggezogen? So fühlte es sich eher an. Als nächstes spürte ich, wie sich kalte Hände unter meinen Nacken und unter meine Kniekehlen glitten und mich dann hochhoben. Ich kam mir blöd vor, weil ich nichts anhatte und nicht wusste, wie viele Leute hier im Raum waren.
Ich öffnete zaghaft die Augen und sah, dass Alice mich trug.
Ich ließ die Berührungen zu, da ich überhaupt keine Kraft hatte mich gegen irgendwas zu wehren. Sie schien nicht zu bemerken, dass ich meine Augen geöffnet hatte.
Alice trug mich zu einem der Sofas, sammelte meine Anziehsachen ein und fing an mich anzuziehen. Ich schloss meine Augen wieder und ließ sie einfach alles machen, ohne etwas zu sagen oder mich zu bewegen. Zu sehr war ich noch von dem gelähmt, was Max grad wieder getan hatte.
„Cindy? Cindy kannst du mich hören?“, fragte Alice sanft. Nach einer Weile.
Ich öffnete meine Augen flatternd und sah mich um. Ich lag angezogen auf einem Sofa und Alice kniete neben mir. In einer Ecke standen Max und zwei Polizisten. Jasper kam grad wieder rein.
Ich starrte starr gerade aus, um niemand angucken zu müssen. Dann setzte ich mich langsam auf und Alice half mir. Sie lächelte mir beruhigend zu.
„Die Frage, wie es dir geht spar ich mir. Möchtest du etwas haben? Wasser oder so?“, fragte Alice mich besorgt.
„Wasser, bitte“, brachte ich gerade so heraus. Ich merkte, dass mein Mund ganz trocken war.
Alice nickte und ging zu Jasper. Dieser kam daraufhin zu mir und Alice verschwand. Jasper setzte sich neben mich und strich mir beruhigend über die Schulter. Ich guckte weiterhin rüber zu Max. Plötzlich machte er einige Schritte auf mich zu.
Ich zog meine Schultern hoch und wollte mich verkriechen. Ich hatte einfach nur noch Angst. Ich spürte zwei Hände auf meinen Oberarmen, die mich ruckartig zur Seite zogen. Es mussten die von Jasper gewesen sein. Als ich wieder hoch guckte stand Max vor mir und die zwei Polizisten hielten ihn fest. Dann führten die beiden ihn raus.
Ohne zu wissen warum ich das tat, fing ich an zu weinen und zwar ziemlich heftig.
Ich konnte richtig spüren, wie mein Körper zuckte und dich durchgeschüttelte wurde. Ich hörte immer wieder Jaspers Stimme, die versuchte mich zu beruhigen doch es ging nicht.
Ich spürte kalte Hände auf meinen Knien und wusste, dass sie Alice gehörten. Mein Körper wurde weiter durchgeschüttelt und ich fragte mich, ob das was da so geschüttelt wurde, wirklich mir gehörte.
Da spürte ich ein pieksen in meinem Arm und erschrak kurz und zuckte zusammen. Langsam spürte ich wie ich ruhiger wurde. Als ich hinsah, sah ich dass Alice nicht mehr da war und das Jasper mich sanft anguckte und mir das Wasser reichte, um das ich gebeten hatte.
„Es…es tut mi…mir leid das…das ich…“, fing an zu stammeln, doch Jasper schüttelte den Kopf, um mir zu zeigen, dass es ihm entweder egal war oder jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war. Nachdem ich das Glas leer hatte fragte Jasper sanft und leise: „Möchtest du in dein Zimmer und schlafen?“
Ich nickte und er hob mich auf seinen Arm und trug mich weg. Ich sah, dass vor der Tür Hannah stand und ein Mädchen im Arm hängen hatte, aber ich sah nicht wen.
Als ich meinem Zimmer war, legte Jasper auf das schon
aufgeschlagene Bett und deckte mich zu.
„Ich denke mir, dass du wahrscheinlich nicht schlafen kannst. Möchtest du Tabletten kriegen, damit du schlafen kannst?“ ich nickte erneut und er verschwand und kam nachkurzer Zeit schon wieder. In der Hand hatte er zwei kleine, grünliche Tabletten. Ich schluckte beide gleichzeitig, so wie es mir aufgetragen wurde. Ich fiel in einen traumlosen, ruhigen Schlaf.
Ich wurde von einem knirschen wach. Es musste die Tür sein. I8ch öffnete die Augen und schaute Ariana direkt ins Gesicht. Sie lächelte ganz leicht, doch ich merkte, dass das Lachen nicht echt war.
„Ich dachte ich bring dir heute dein Frühstück“, erklärte sie, nachdem sie wohl meinen verdutzten Blick auf das Tablett gesehen. Sie stellte es ab und setzte sich neben mich.
„Ich dachte, du bist auf der Krankenstation?“, fragte ich sie, während ich mir eine Brötchen mit Marmelade beschmierte.
„Da war auch, bis ich gestern abgehauen bin und…und dann zu Jasper gelaufen bin als ich… als ich dich mit deinem…“, sie sprach es nicht zu Ende aus, sondern schaute zu Boden.
„Du hast Jasper geholt?“, fragte ich erschrocken. Sie nickte leicht.
„Es tut mir leid, dass ich dich nicht gleich…“
Ich unterbrach sie: „Du hast mir daraus geholfen und da ist es mir ehrlich gesagt egal wann das passiert ist.“
Sie lächelte wieder und schaute auf.
„Ich muss wieder zur Krankenstation für meinen nächsten Tropf.“ Sie stand auf, winkte und verschwand dann.
Ich aß brav mein Frühstück auf. Ich lehnte mich zurück und starrte die Decke an. Meine Beine fühlten sich noch ganz taub an und ich traute mich nicht aufzustehen.
Die Tür ging erneut auf, doch diesmal war es Jasper und nicht Ariana.
„Ah, hat Ariana dir Frühstück gebracht? Das ist ja wirklich lieb von ihr.
So Cindy, du darfst dich heute erstmal noch den kompletten Tag von gestern erholen. Keine Therapie oder sonst irgendwas. Morgen wird dann Alice zu dir kommen und mit dir reden.
Jetzt, wo wir wissen was passiert ist, können wir dir helfen.
Okay, dann ruh dich mal aus. Wenn du was brauchst oder sonst ist einfach den Knopf drücken, aber das weißt du ja.“
Ich nickte und er lächelte, dann guckte er kurz auf seine Uhr und ging dann davon.
Immerhin ein Tag Ruhe. Morgen würde es dann losgehen, aber ich war auch froh darüber.
Endlich brauchte ich keine Angst mehr zu haben, dass Max mir etwas tun konnte, wenn ich redete, aber anfassen lassen würde ich mich immer noch nicht.
Ich griff in meinen Nachtisch und zog ein Buch heraus und begann zu lesen. Mir war langweilig und ich wusste nicht, was ich tun sollte.
Nach einer Weile, stand ich auf und guckte in meine Handtasche. Drinnen waren ein Buch, mein Handy und ein Zeichenblock. Ich nahm mir den Zeichenblock und einen Stift und setzte mich wieder zurück aufs Bett. Dort begann ich zu malen.
Ich malte einen Teufel, der auf einen zarten, hilflosen Engel einschlug. So kam ich mir vor. Ich war das kleine, hilflose Wesen, das vom bösen großen Teufel gequält wurde.
Doch war das jetzt nicht vorbei?
Schließlich würde Max höchstwahrscheinlich hinter Gitter kommen. Aber was wenn ich ihn doch wieder sehen werde?
Würde dann alles von neuem beginnen?
Ich stellte fest, dass ich immer noch Angst vor ihm hatte. Sie war also doch nicht verschwunden, nur weil es jetzt raus war, was er getan hatte.
Ich nahm das Bild, zerriss es und schmiss es unters Bett. Den Block pfefferte ich in die Ecke und den Stift legte ich auf den Nachtisch.
Dann drehte ich mich herum und weinte in mein Kissen. Nach einer Weile, hatte der Schlaf erbarmen mit mir und ich schlief unruhig ein.


19. Verständnislos


Ich lag ruhig in meinem Bett und schaute Jasper zu. Er wickelte die Verbände um meine Handgelenke ab, ohne mich auch nur einmal zu berühren. Jedoch hatte ich am Anfang ihn angeschrieen, als er mich nicht anfassen soll.
Meine Handgelenke waren zwar immer noch geschwollen und unterlaufen, aber nicht mehr so schlimm wie noch vor ein paar Tagen. Während Jasper die Verbände abwickelte, schaute ich auf den Boden. Ich wollte mir meine Handgelenke nicht noch länger anschauen. Die Verbände waren, zum Glück, nicht mehr mit Blutverklebt und es hatte auch nicht so wehgetan, als Jasper sie abgemacht hatte.
Vier Tage waren inzwischen seit dem mit Max vergangen und noch hatte ich keine Therapie gehabt, da Alice und Jasper kurzfristig auf Fortbildung geschickt worden waren. Die beiden waren erst gestern Nacht aus Atlanta wieder gekommen. Hannah und Lissy hatten sich um uns gekümmert in der Zeit.
„So fertig, es sind zwei Verbände weniger, damit du deine Hände wieder benutzten kannst“, erklang Jasper ruhige Stimme neben meinem Ohr. „Alice holt dich nach dem Mittagessen zur Therapie ab. Es gibt jetzt Frühstück.“
Ich stand langsam auf und folgte ihm.
Es war das erste Mal seit vier Tagen, dass ich wieder zum Essen ging, zwar hatte mir Ariana jeden Tag Essen gebracht, aber ich war nie im Speisesaal.
Ich setzte mich, wie immer an meinen Platz neben Ariana. Diese umarmte mich freudig. Cassidy und Sunny schienen sich auch zu freuen. Ich guckte mich um, dennoch fand ich Mason nicht.
Ariana schien meinem Blick gefolgt zu sein: „Mason wurde in die Geschlossenen geschickt.
Ohne Grund!
Der Boss meinte wohl, es sei nötig. Es würde bald ein neuer kommen und für den müsste Platz sein.“
Ich nickte traurig und ich spürte wie Ariana mir sanft über den Rücken strich. Ich hatte Mason immer gemocht. Ich fragte mich, was wohl der Neue hatte, dass Mason dafür in die Geschlossene musste. Es musste ja irgendwas „harmloses“ sein. Ich werde mich wohl überraschen lassen müssen.
Ich machte mir mein Brot extrem langsam. Plötzlich ging die Tür auf und die Zicke kam rein und stellte sich an unseren Tisch.
Ich drehte mein Messer in meiner Hand. Plötzlich schnitt ich aus versehen in mein Handgelenk. Genau da wo die Pulsader lang verlief. Das Blut spritzte schon fast, jedoch hatte ich nicht zum Glück nicht genau die Ader getroffen. Sunny entdeckte als erstes. Sie gab mir eine Servierte, die ich auf die Wunde presste, doch zu spät!
Lissy nahm mich an der anderen Hand und schleifte mich aus dem Raum in ein Untersuchungszimmer und legte ziemlich wütend eine Kompresse auf meine Wunde, dann verschwand sie wieder. Trotzdem blutete es weiter. Ich schaute kurz unter die Kompresse und legte sie schnell wieder drauf.
Ich saß hier alleine und Lissy wird wohl alles anders erzählen wie es war. So wie es typisch für sie ist.
Ich legte mich hin und schloss etwas die Augen.
Nach einer Weile, spürte ich einen leichten Luftzug und öffnete meine Augen. Jasper und Hannah hatten sie jeder einen Stuhl geholt und sich neben mich gesetzt. Jasper kümmert sich um mein Handgelenk, während Hannah fragte: „Cindy, was soll denn das? Warum versuchst du dir die Pulsadern durch…“
Zu meiner eigenen Verwunderung unter brach ich sie: „Es war gar keine Absicht! Ich hatte das gar nicht vor! Dann können Sie Cassidy, Sunny und Ariana fragen!
Ich hab mich aus versehen mit dem Messer geschnitten, als ich mir Brot gemacht hab!“
Hannah schaute mich ziemlich verwundert an und auch Jasper tat das. Glaubten sie mir etwa nicht?
„Süße, aber das ist so unglaubwürdig. Wir werden zwar die Anderen fragen, nur… nur ist der Suizidversuch ist bei dir leider wahrscheinlicher. Vor allem wegen dem, was in den letzten Tagen vorgefallen ist. Da ist es so wahrscheinlich, dass du dir versucht hast das Leben zu nehmen, verstehst du?
Du hast heute auf jeden fall Therapie und vielleicht erzählst du ja Alice, was wirklich passiert ist“, meinte Hannah ruhig. Ich seufzte und gab auf. Sie glaubten mir einfach nicht und ich verstand es auch nicht.
Aber warum glaubten sie mir einfach nicht?
Nur weil, das mit Max passiert ist? Okay, das war auch der Grund, warum ich es letztes Mal getan hab, aber trotzdem. Und warum glaubte mir auch keiner?
Es war so unfair. Es gab so viele Zeugen, dass es kein Suizidversuch war und trotzdem glaubte man mir einfach nicht. Die mussten hier echt für irre hallten, sonst würden sie mir einfach glauben.
Ich ließ alles stumm über mich ergehen und schwieg einfach.
Nach einer Weile, hatte ich wieder Verbände um beiden Handgelenke und es waren wieder die schweren.
Ich seufzte und Jasper führte mich zu Alice’ Büro. Ich klopfte und ging rein. Alice lächelte mir zu und ich setzte mich hin.


20. Raster


„Wie ich ja leider hören musste hast du ja heute bim Mittagessen versucht dir das Leben zu nehmen…“
Jetzt reichts mir!
„Noch mal: Ich habe mich mit dem Messer nicht absichtlich geschnitten! Es war ein Versehen, keine Absicht!
Ist das so verdammt schwer zu verstehen?!“, schrie ich Alice an. Ich fragte mich, seit wann ich einfach jemand anschrie. Früher konnte ich nicht mal laut sprechen.
Hatte es etwa auch immer alles etwas mit Max zu tun gehabt? Anscheinend.
Alice schaute mich leicht entsetzt an. Sie sagte erstmal nichts, sondern schaute auf den Boden.
Ich schaute sie wütend an. Warum sagte sie jetzt nichts?
„Cindy, es kann zwar gut sein, dass es nur ein Versehen war nur…“
„Nur was?“. Schrei ich weiter.
Alice war immer noch zu geschockt von meinem plötzlichen Wutausbruch.
„Nun ja, nachdem was du alles durch gemacht hast und nachdem du es schon einmal gemacht hast, auch noch einmal als du hier warst, da ist es gar nicht so abwegig das du…“
„Verdammt noch mal, ich hab es nicht absichtlich gemacht! Es war ein Versehen!
Warum versteht eigentlich keiner?!°
„Ganz ruhig Cindy, es ist ja gut. Psch“, versuchte Alice mich zu beruhigen, doch ich dachte gar nicht daran ruhig zu werden. Ich verstand grad einfach nicht, was an alle dem so schwer zu begreifen war.
„Cindy, ich will dir ja glauben, aber…“
„Aber was?!“
„Wir müssen den Tatsachen folgen und erst Mal der am logischsten sind und das ist nun mal diese Sache. Und Lissy hat es ja schließlich auch gesehen.“
Ich stand einfach auf und ging aus dem Raum. Sobald ich draußen war fing ich an zu rennen so schnell ich konnte.
Ich wusste nicht ob Alice mir folgte und wenn ich sie wäre, würde ich es nicht tun.
Die Flure waren leere, weshalb ich zum Glück niemanden begegnete. Ich wusste nicht, wo ich hin rennen sollte, doch ich entschied mich dann für den Garten. Dort ist die Wahrscheinlichkeit am geringsten jemanden zu treffen. Ich rannte weiter und als ich im Garten war, lief ich zum hintersten Ende des Gartens, wo dann ein Zaun kam. Ich setzte mich hinter einen Busch, der da stand und legte den Kopf in die Hände.
Endlich konnte ich mal durchatmen und mich beruhigen. So schnell würde mich hier garantiert keiner finden.
Ich verstand das alles grad einfach nicht. Fällt es denn so schwer mir einmal zu glauben?
Ich wickelte die Verbände ab, nicht weil ich etwas aufkratzen will, sondern um es mir anzugucken. Ich hab wirklich genau die Pulsader getroffen. Ich konnte mich lebhaft vorstellen, wie Lissy allen erzählt, was ich gemacht und wie sie alles so verdreht, das es für sie genau passt. Das ist typisch für sie.
Ich schmiss die Verbände unter den Busch und ging ein Stückchen weiter. Dort stand ein alter, großer Baum, an den ich mich anlehnte. Leise begann ich zu weinen.
Ich wünschte, Ariana oder Sunny wären hier. Auch Cassidy oder Sunita wären mir recht, Hauptsache jemand der mich verstehen und mir glauben würde.
Ich machte die Augen zu und schlief ein, so k.o war ich.
Ich spürte mehrer kalte Hände an meiner Schulter und Stimmen neben meinem Ohr, die immer wieder meinen Namen sagten. Was wollten die alle von mir? Ich wollte sie wegschieben, doch meine Arme waren viel zu schwer. Ich musste wohl doch ich Augen öffnen.
Vor mir standen Jasper, Hannah, Lissy, Alice, Madison und zwei von den Wächtern, die ich jedoch nur vom sehen und Hörensagen kannte. „Cindy? Alles okay?“, fragte mich Jasper, der mir am nächsten war. Alle hatten sich um mich herum ins Gras gekniet.
Ich wollte aufstehen, doch Jasper legte mir seine Hand auf die Hüfte, um mich unten zu halten. Ich schlug seine Hand weg, da ich nicht wollte, dass er mich berührt, blieb aber sitzen.
„Wir haben den Verband schon gefunden und du wirst auch keinen neuen kriegen.
Cindy, ich glaube dir das du nicht versucht hast das Leben zu nehmen“, sagte Jasper und ich schaute ihn ungläubig an.
„Wirklich?“, flüsterte ich heiser, vom schreien vorhin.
Er nickte. „Ja, wenn du das gewollt hättest, hättest du dir vorhin alles aufgekratzt, das hast du aber nicht.“
„Wie…wie spät ist es?“
Jasper nahm sein Handy aus der Tasche und guckte drauf. „Halb sieben. Du musst jetzt rein, es wird langsam dunkel.
Liam bringst du sie bitte in ihr Zimmer“, wand Jasper sich nun an einen der Wächter. Dieser kam zu mir. „Darf ich?“, fragte er. Ich schaute ihn etwas verdutzt an, bis ich begriff, was er denn eigentlich wollte.
Ich nickte und er hob mich sachte hoch. Liam trug mich wieder in die Psychiatrie und dort in mein Zimmer.
Er legte mich auf mein Bett und blieb dann noch dort stehen, bis Jasper kam.
„Ist okay Liam, du kannst gehen“, meinte Jasper als er ins Zimmer kam. Liam ging zur Tür, lächelte mir noch einmal zu und verschwand dann. Vorher schloss er noch die Tür.
Jasper zog sich den Besucherstuhl her und setzte sich neben mich. „Cindy, ich frag dich gar nicht, warum du weg gelaufen bist. Ich kann es mir denken, aber das war nicht okay.
Natürlich hätten wir dich irgendwann gefunden, aber trotzdem, es hätte auch viel später sein können. Verstehst du? Du darfst das nie wieder machen, ja?“
Ich nickte. Jasper lächelte und sagte: „Ich hab auch noch zwei gute Nachrichten für dich. Die erste: Ariana und du kriegt ein Doppelzimmer und deine Schwester und ihr Verlobter, Bob heißt er glaub ich, kommen nächste Woche um mit dir in die Stadt zu gehen.“ Ich lächelte so sehr, das meine Mundwinkel fast bei den Ohren waren.
Ich freute mich so sehr, dass Ariana und ich endlich in ein Zimmer kamen, aber auch das Sunny mit ihren Verlobten kam.
„Ich wusste, dass dich das freut, aber jetzt schläfst du besser. Es war ein anstrengender Tag für dich. Morgen kommt dann Ariana.“ Ich nickte und legte mich unter mir meine Decke. „Gute Nacht“, sagte Jasper noch als er aus der Tür ging.
Ich freute mich schon unglaublich und schlief schnell ein, um die Wartezeit zu verringern.


21. Fragen


Der Marinenkäfer flog vor dem Fenster auf und ab und wollte irgendwo hin, doch schien nicht zu wissen wohin. Nach einer Weile flog er dann weg und ich sah ihn nicht mehr.
Ich saß in Alice’ Büro und hörte ihr zu, wie sie mir etwas erzählte. Seit vier Tagen, hat die Therapie begonnen, die sich ausschließlich mit Max und dem was er mit mir gemacht hat, befasst.
„Cindy, hörst du grad überhaupt zu?“, hörte ich Alice fragen. Ich schaute sie verwirrt an und sie fing an zu lachen, als sie mein Gesicht sah.
„Sorry, ich war grad mit den Gedanken woanders“, murmelte ich.
„Ich hab dich gefragt, warum du uns nicht vorher schon gesagt hast, was Max mit dir gemacht hat?“, wiederholte sie freundlich. Ich sagte nicht sondern schaute zu Boden. Alles was ich jetzt sagen könnte, wäre einfach nur daneben.
„Möchtest du es nicht sagen?“, fragte Alice sanft.
„Ich…ich ähm hatte Angst vor… Max. Und hab es mich deshalb nicht getraut zu sagen, weil…weil ich dachte… er würde es raus finden“, stammelte ich und Alice nickte nur. Sie schrieb noch kurz was in die Akte und schloss diese dann. „So entweder wir spielen jetzt noch was oder du gehst in dein Zimmer.“
„Ich möchte in mein Zimmer“, murmelte ich und stand schon auf und ging zur Tür.
„Warte noch kurz. Deine Schwester kommt heute und sie kommt in einer Stunde. Wenn du dich also noch hübsch machen willst solltest du dich beeilen.“
Alice grinste und ich ebenfalls. Ich freute mich schon, dass Sunny mit Bob kommt.
Ich zischte in mein Zimmer und ging duschen. Anschließend föhnte ich mich und zog mir eine Röhrenjeans an und dazu ein pinkes Top.
Ich ging raus auf den Gang und sah schon Sunny und Bob kommen. Ich rannte auf sie zu und stürzte mich in ihre Arme. Sunny schien im ersten Moment überrascht, doch dann umarmte sie mich auch und spürte wie sie mich aufs Haar küsste.
Bob schaute und lächelnd zu.
„Wir haben grad schon mit Jasper geredet. Wenn du willst können wir gleich los in die Stadt“, meinte Sunny grinsend.
Ich nickte und ging mir noch schnell Schuhe anziehen und flitzte dann wieder zurück und wir gingen zu Bobs Auto. Ich mochte Bob. Er war nett und verstand es das Sunny immerzu besorgt um mich war. Manchmal glaubte ich sie hätte ihn schon damit angesteckt. Ich guckte die ganze Fahrt über aus dem Fenster bis Sunny fragte: „Wie geht’s dir eigentlich?“ Ich guckte erschrocken auf und sah ihr besorgtes Gesicht im Rückspiegel.
„Wieder besser“, murmelte ich und schaute aus dem Fenster. Ich wollte mich nicht mit Sunny über meine Gefühle unterhalten und sie schien es auch zu merken, denn sie fragte nicht weiter nach sondern fing an sich mit Bob über die Hochzeit zu unterhalten. Ich schaute weiter aus dem Fenster, bis wir in der Stadt waren. Bob parkte in einem Parkhaus und wir stiegen aus.
„Okay, was willst du machen Kleine?“, fragte Sunny mich grinsend. Ich lächelte und zuckte mit den Schultern. Auch Bob lächelte mich an, doch er kam nicht näher zu mir hin. „Wir können Eis essen gehen. Wie wäre das?“, fragte Sunny mich und ich nickte.
Als wir im Eiscafé saßen starrte ich die ganze Zeit auf den Tisch, bis Sunnys Stimme mich aus meinen Gedanken holte: „Cindy, warum hast du mir nie gesagt, was Max mit dir macht?“
Ich zuckte erschrocken, über diese Frage zusammen und schaute sie an. Sunnys große Augen waren geweitet. Doch ich konnte ihr diese Frage nicht beantworten.
Sunny guckte mich schon fast auffordernd an, doch ich konnte ihr auf diese Frage einfach nicht antworten. Stattdessen drehte ich mich weg und begann leise und leicht zu weinen.
Bob merkte es als erster und flüsterte: „Hey… psch, psch… alles gut.“ Jetzt merkte es auch Sunny und sie ging zu mir und nahm meine Hände in ihre. Ich schrie nicht und zuckte auch nicht weg. Inzwischen ließ ich mich berühren, zwar nur von welchen die ich kannte, aber ich ließ es zu.
„Warum?“, fragte sie noch mal leise und sanft.
„Ich…ich wollte ni…nicht alles kaputt machen. Du…du warst so…so glücklich und…und das wollte ich nicht des…deswegen kaputt machen“, stammelte ich immer noch weinend. Sunny umarmte mich und drückte mich an sich.
„Du wirst nie etwas in meinem Leben kaputt machen, ja? In diesem Fall war es egal was mit mir war, denn hier warst du wichtig, ja?“ Ich nickte und drückte meinen Kopf an ihre Schulter.
„Wussten Mum und Dad es?“, fragte sie jetzt und guckte mich an. Wieder nickte ich und Sunny und Bob schauten mich entsetzt an. „Und sie haben nichts gemacht?“, fragten beide entsetzt. Diesmal schüttelte ich den Kopf. Sunny seufzte und bezahlte die Rechnung und wir gingen zum Auto.
Auf den Weg zurück zur Psychiatrie drehte Sunny sich noch einmal zu mir um und sagte: „Nach dem aus der Psychiatrie draußen bist ziehst du erstmal zu uns, okay?“ Ich grinste und nickte. Sunny grinste zurück und unterhielt sich dann weiter mit Bob.
Als wir da waren brachten die beiden mich rein und wir verabschiedeten uns. Schnell flitze ich in Arianas und mein Zimmer. Diese lag schon aufm Bett und sprang auf als sie mich sah. „Und, wie war’s?“, fragte sie mich überschwänglich wie immer. Noch hatte sie keine Entzugserscheinungen.
„Klasse und wir dein Tag?“
„Langweilig. Drogentest und Therapie. Mehr ging nicht ab. Ich will endlich Jeff wieder sehen, aber sie verbieten es mir. Sie meinen, wenn er hierher kommt würde er ohne große Umwege im Knast landen.“ Sie seufzte und lächelte dann wieder.
Da ging die Tür auf und Jasper streckte seinen Kopf rein.
„Cindy kommst du mal kurz?“ Ich nickte und folgte ihm raus in sein Büro.
„Ich mach’s kurz. Und zwar hast du in letzter Zeit wirklich enorme Fortschritte gemacht und bist fast geheilt, weshalb du in einer Woche entlassen wirst.“ Ich freute mich riesig und ´rannte wieder zurück zum Zimmer. Ich erzählte es Ariana und auch sie schien sich für mich riesig zu freuen.
Bald war ich hier raus. Es konnte nichts schöneres geben.


22. Abschied



22. Abschied
Morgen würde ich endlich entlassen werden und irgendwie freute ich mich schon. Natürlich fand ich es traurig, dass ich dann Ariana nicht mehr sehen konnte oder nur sehr begrenzt, denn ich musste immer noch alle drei Wochen hierher zu einem Gespräch.
Ich saß mit Ariana auf ihrem Bett und wir unterheilten uns. Sie wollte immer noch unbedingt Jeff sehen, doch sie durfte nicht und wenn Jeff hierher kam landete er im Knast.
Da wo sich auch Max war. Er hatte gestern seine Gerichtsverhandlung und war zu mehreren Jahren verurteilt worden. Zum Glück.
Ich hätte hingehen können und als Opfer aussagen können, aber ich wollte nicht. Jasper, Hannah, Lissy und Alice haben nichts dagegen gesagt. Sie schienen zu finden, dass es ganz und gar meine Entscheidung war.
Ich zuckte zusammen, als ich hinter mir eine Stimme hörte. Schnell drehte ich mich herum. Es war Alice die mit mir sprach.
„Kommst du bitte zu deiner Therapiestunde, Cindy?“ Ich nickte stand auf und folgte ihr.
Wir gingen, wie immer, in ihr Büro.
„Da du ja morgen entlassen wirst, wollte ich mit dir darüber sprechen, wie du dir dein Leben jetzt nach der Psychiatrie vorstellt?“
„Hmm, ich möchte auf jeden Fall die Klasse nachholen, die versäumt hab und dann möchte Sunny und Bob bei den Hochzeitsvorbereitungen helfen und wenn ich mit der Schule fertig bin, möchte ich Chemie studieren.“
Alice lächelte.
„Schön, dass du dir darüber schon Gedanken gemacht hast. Es gibt viele die das noch nicht so klar im Kopf haben, aber es ist gut, wenn man das schon weiß, denn so kannst du dir Ziele stecken.
Willst du später auch wieder zu deinen Eltern ziehen oder…“
„Niemals! Ich will bei Sunny bleiben“, unterbrach ich sie schnell bevor sie weiter sprach.
„Okay, okay das ist schon okay ich wollte nur fragen.“ Sie schaute etwas beschämt auf den Tisch, dann guckte sie auf die Uhr auf ihrem Schreibtisch.
„So Jasper wird gleich kommen und dich noch einmal untersuchen, damit wir sicher sein können, dass du nicht krank bist oder wirst.“ Jetzt lächelte sie breit.
Wir saßen noch ein bisschen schweigend rum, bis Jasper endlich kam. Er ging zu Alice, küsste sie kurz und meinte dann: „Na dann komm mal mit Cindy.“ Er lächelte mich an und ich folgte ihm ins Untersuchungszimmer.
„So dasselbe wie beim ersten Mal, wobei das ist jetzt schon ein dreiviertel Jahr her.“ Er musste lachen und kramte einige Sachen zusammen.
„Dann stell dich mal bitte auf die Waage… und jetzt noch kurz gucken wie groß du bist… also Untergewicht hast du nicht mehr, aber trotzdem noch drauf gucken, dass du noch zunimmst.“ Wieder lächelte er. Dann untersuchte er mich noch weiter und nahm mir etwas Blut ab.
„Soweit ich das sehen kann, bist du gesund und es sieht auch nicht so aus, als würdest du bald krank werden.
Dann kannst du in dein Zimmer gehen und ein bisschen Sachen packen, denn deine Schwester kommst morgen schon relativ früh.“ Ich lächelte ihn kurz an und ging dann auch.
„Und was ging ab?“, fragte Ariana mich grinsend.
„Alice hat mich gefragt wie ich mir das Leben nach der Psychiatrie vorstelle und dann wurde ich noch untersucht. Naja sonst war eigentlich nichts.
Möchtest du mir vielleicht helfen Koffer packen?“
„Ja, klar“, lachte Ariana und sprang auf, um mir zu helfen. Nach kurzer Zeit waren wir schon fertig. Der Koffer war gepackt. Zwar nicht schön aber selten.
Wir gingen zum Abendessen und gingen relativ schnell schlafen. Ich war so aufgeregt wegen Morgen und freute mich schon riesig.
Ich wurde von Ariana geweckt. Sie stand neben meinem Bett und rüttelt lachend an meiner Schulter. „Aufstehen Schlafmütze! Heut ist dein großer Tag“, lachte sie. Ich lachte mit und richtete mich langsam auf.
Blitzschnell zogen wir uns an und gingen zum Frühstück. Alle anderen lächelten mich an und ich lächelte zurück. Ich freute mich schon riesig auf Sunny nachher.
Nachdem Frühstück kamen Jasper, Alice, Hannah und Lissy rein. Sie alle umarmten mich und Alice sagte mir noch einmal, dass ich alle drei Wochen Mittwochs um 14 Uhr zur Therapie kommen musste. Ich nickte und sie lächelte. Nachdem sie gegangen waren, fiel Ariana mir schluchzend in die Arme.
Ich strich ihr über den Rücken und drückte mich an ihre Schulter. „Ich werde dich so vermissen, Cindy. Versuch mich zu besuchen, wenn du dann da bist, ja?“
„Natürlich“, flüsterte ich und sie löste sich von mir und wir gingen gemeinsam auf den Flur, wo schon mein Koffer und meine Tasche standen. Sunita und Cassidy fielen wir genau wie Ariana um den hals und umarmten mich zum Abschied.
Auch ihnen musste ich versprechen, das ich sie besuche kommen. Ich drehte mich um und sah wie Jasper mit Sunny den Flur lang kam. Ich sprang ihr förmlich in die Arme und Jasper und sie mussten lachen.
Er verabschiedete sich noch von Sunny, dann gingen Sunny und dich zum Auto und fuhren zur ihrer und Bobs Wohnung.
Sie hatten mir in den letzten Tagen ein Zimmer eingerichtet mit allem möglichen.
Ich legte mich auf mein Bett und genoss den Ausblick nach draußen. Endlich war ich frei und brauchte keine Angst mehr vor Max haben.
Außerdem hatten Bob und Sunny eine Katze geholt, die mir gehörte und die ich immer streicheln konnte, um endgültig die Angst vor Berührungen zu verlieren.
Meine Leben konnte nicht mehr besser sein.

Epilog


Wir gingen in den Besucherraum und setzten uns.
Sunny und Bob waren mitgekommen ins Gefängnis. Sunny oder besser auch ich, wollte mit Max reden.
Ein Polizist brachte ihn zu uns rein und ich sah Sunny an, wie sauer sie auf ihn war.
„Max, was sollte das? Warum Cindy? Bist du total übergeschnappt?“, schrie sie und Bob legte ihr beruhigend die Hände auf die Schulter.
„Du hättest es gesagt, als ich bei Cindy damit vor 5 Jahren angefangen hatte war sie neun und es war klar das sie es niemanden sagt, bei dir wäre das nicht ganz so sicher gewesen“, sagte er ruhig in monotonen Ton, der Sunny fast ausrasten lies.
„Max, du bist so ein Arsch. Genau wie Mum und Dad. Ihr seit solche Verbrecher.“
„Sunny, spar dir deine Worte. Zieh Mum und Dad da jetzt nicht mit rein!“
Ich fing leicht an zu zittern als er jetzt aufstand. Bob strich mir beruhigend über die Schulter und flüsterte mir ins Ohr: „Es kann gar nichts passieren. Wir sind sicher.“ Ich nickte und atmete relativ ruhig.
„Ach und Cindy: Vielen Dank, dass ich wegen dir jetzt im Knast sitze. Nur weil du es jemanden erzählen musstest. Mir wäre es lieber gewesen du wärst verreckt als du von der Brücke gesprungen bist. War das nicht nachdem ich dir gesagt hab, dass du nichts wert bist?
Weißt du, Cindy, das hab ich Ernst gemeint und auch…“
Sunny unterbrach ihn: „Hör auf, Max.
Wir gehen.
Komm Cindy“
Ich stand auf und folgte Sunny und Bob. Ja, so war es gewesen ich hatte mich von der Brücke gestürzte nachdem er mir gesagt hatte das ich eh nichts wert bin. Da bin ich gesprungen.
Er hatte es gesagt, nachdem er mich wieder missbraucht hatte. Doch jetzt war alles vorbei und ich konnte glücklich leben.
Endlich.


Impressum

Bildmaterialien: Das Cover ist von teetrinkerin
Tag der Veröffentlichung: 18.04.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch, meiner besten Freundin, die mich auf die Idee gebracht hat diese FF überhaubt zu schreiben :)

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