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“Himmel, was ist denn?”
Keuchend rang ich nach Luft und schaute finster zu Engelsvorbild Nummer 1 Timothy hinauf. Wieso in aller Herrgottsfrühe weckte er mich? Also echt und so was sollte ein Engel sein? Grinsend schaute der blonde Riese zu mir runter - ja, er war ein großzügiges Stück größer als ich, vielen dank Gott! - und sagte zuckersüß:
“Dank mir doch einfach! Sport tut dir sicher ganz gut, so wie du zugenommen hast in letzter Zeit.”
Ich schnaubte und erwiderte lässig:
“Kommt gerade von dir, was?”
Hey, nicht das ich echt beleidigt bin. Immerhin bin ich der schönste Engel hier im Paradies. Und das weiß Timothy genauso gut wie ich.
Ähh… nicht das die anderen hässlich sind, aber… ist ja auch egal.
“Also, was ist so wichtig das du mich um 4 Uhr früh durch das ganze Paradies rennen lässt, häh?”
Sofort wich sein Grinsen einem ernsten Ausdruck und er sagte:
“Petrus, will dich sehen, Kleine.”
Oh, scheiße! Verdammter, hässlicher Drecks…
Stopp! Nicht fluchen! So was tut ein Engelchen wie ich nicht im Himmel. Wahrscheinlich hatte Petrus, der Obermacker hier, mein Fluchen mitbekommen und wollte mir wieder eine Predigt über gutes benehmen halten. Im Allgemeinen bedeutete es immer was schlimmes wenn Petrus einen zu sich rief. Entweder man stellte große Scheiße an und der Typ stutzte einem die Flügel - so weit ich weiß, ziemlich große Schmerzen - und man ist kein Engel mehr und lebt ganz normal hier im Himmel weiter - was absolut langweilig ist - oder der gibt uns nen Job als Bodyguard eines Menschen oder aber das allerschlimmste… er hält uns eine Predigt .Das letzte mal als ich dort war, war vor ungefähr 14 Jahren oder so. Er hielt mir ne Predigt darüber das man solche unsittlichen Dinge wie Jungs küssen nicht tut. Jedenfalls nicht im Himmel. Also bitte, mein leben muss ja nicht gänzlich so langweilig sein. Ich musste mich echt bemühen nicht einzuschlafen. Aber ja, das war ne Strafe.
Okay, mal überlegen, was hatte ich jetzt schon wieder angestellt?
Hmm… nichts! Ich war der reinste Engel.
“Also was hast du gemacht, kleines?”
“Garnichts, verdamm…! Garnichts.
“Aja, okay. Ist schon klar… Du solltest dich beeilen.”
“Ja, ja. Danke das du versuchst mich aufzumuntern.”
Damit raufte ich mein langes Kleid zusammen und rannte den Tempel des Obermackers… ähh… Petrus hoch. Der war riesig und voll antik. Ähem… der Tempel mein ich. Obwohl Petrus ist auch echt… Jedenfalls sah der Tempel ganz hübsch aus. Die schlangenartigen Verziehrungen auf den Säulen vorne lenkten von der langweiligen Farbe ab - meiner Meinung nach sollte man ihn schön blau mit Lila und schwarzen Streifen färben, so kariert, kämmen voll cool und meine Lieblingsfarbe wären vereint - und brachten jeden zum Staunen. Sie waren künstlerisch angebaut und manche Idioten könnten sie wohl für echte sandfarbige Schlangen halten. Dazu waren verschiedene Gebete in schöner Schrift auf der Wand eingraviert und riesige goldene Türen, die derzeit offen standen, zierten diese. Insgesamt machte der Tempel einen ehrfürchtigen und bezaubernden Eindruck. Drinnen standen viele Kunstgegenstände aus Gold und Porzellen auf denen verschiedene Zeichnungen zu erkennen waren. Nur die hunderte von Gängen verwirrten einen immer. Naja, ich hatte mich schon dran gewöhnt, aber für Neulinge war das ja zum verzweifeln. Zielstrebig und auf alles bereit ging ich in Petrus Büro, wo er es sich auch schon auf dem Ledersessel bequem gemacht hatte und versuchte geschäftsmäßig auszusehen. Hätte auch geklappt, wenn er keine Toga tragen würde. Damit sah er einfach nur lächerlich aus. Wie jeder hier eigentlich der eine Toga trägt. Also alle außer mir natürlich.
“Hey, wie geht’s?,” fragte ich lässig und ließ mich auf einen Sessel gegenüber von ihm sinken.
Tadelnd schaute Petrus mich an und sagte dann:
“Lassen wir ihre Spielchen sein, Sasha und versuchen wir einmal ernsthaft zu sein, ja?”
“ganz wie sie wollen. Was hab ich diesmal angestellt?”
“Nichts.”
Ha, wusst ichs doch!
“Und wieso bin ich dann hier?”
“Nun ja, ich habe einen Job für dich.”
“Ähm… wie bitte?!”
Hatte der sie nicht mehr alle? Ich will nicht auf irgendwelche Scheißmenschen aufpassen! Nicht das ich Menschen hasse, aber meistens bekommen nur die Kinder des Teufels, also Menschen die aus einer Beziehung eines gefallenen Engels entstanden sind und auf der Erde leben, einen Schutzengel. Dieser soll sie gut und nett machen, damit sie nach dem Tod in den Himmel kommen und der Teufel sauer wird. Ganz Plausibel. Nur das diese Teufelsmenschen witzigerweise höllenmäßig fies und nervig sind. Ganz zufällig.
“Ja, ich denke auch das der Herrscher diese Entscheidung bereuen wird.”
Moment, hat der Typ mich grad beleidigt?! Was erlaubt der sich?
Finster schaute ich in Petrus gequältes Gesicht und erwiderte:
“Was glaubst du den Von mir?! Das ich nicht mal kurz auf so nen Menschen aufpassen kann? Also, ich find der Alte… ups, ähh… Gott hat eine gute Entscheidung getroffen!”
Bei uns ist es ja so das Gott die Schutzengel aussucht. Vielen Dank auch!
Es wird mir sicher hammermäßig Spaß machen auf irgendsonen fiesen Idioten aufzupassen!
Petrus reagierte nicht auf mein “der Alte” und sagte gelassen:
“Ich glaube nicht das du gleich immer noch so optimistisch denkst. Ich hoffe du bist dir klar darüber das du immer in der Nähe diese Menschen sein musst.”
Natürlich weiß ich das! Bin doch nicht blöd. Man muss sich als Mensch ausgeben und sich dauernd in der Nähe befinden. Aber natürlich darf der nicht wissen was wir sind. Deshalb naja, spielen wir meisten irgendwelche Loser die niemanden so richtig interessieren.
So bleiben wir meistens unbemerkt. Klasse, nicht?
Netterweise können wir uns zwar wieder in unsere Engelsgestalt verwandeln, aber auch nur wenn wir den Mensch vor irgendwas beschützen müssen. Meistens sind es blöde Dämonen, die vom Teufel gesand werden um uns zu vernichten und seinen “Sohn” auf die Seite des Bösen zu ziehen. Manchmal gelingt ihnen das sogar. Hmpf. Toll. Das kann ja was werden gegen diese Mistgeburten zu kämpfen.
“Ja, ist mir bekannt. Wieso?”
“Nun ja, deine Aufgaben wird es sein Aaron Hardy zu schützen. Er ist Sohn eines mächtigen gefallenen Engels. Das heißt…”
“…er wird mir das leben zur Hölle machen,” vollendete ich seinen Satz.
Petrus räusperte sich und ging zu einem Regal mit Akten. Nach ungefähr einer Minute des Suchens kam er mit zwei Akten zurück und reichte mir eine davon.
“Was ist das?”
“Die Akte des Jungen.”
Ich schlug die erste Seite auf und schaute in zwei blaue Augen. Eiskalt blickten sie mir entgegen und ich schauderte. Ich betrachtete weiter Aarons Foto und stellte fest das er verdammt gut aussah. Er hatte glänzend schwarze Haare, eine gerade Nase, schöne Wangenknochen und volle, sinnliche Lippen. Ein kleiner Teil seiner Brust war auch abgebildet, weshalb ich erkennen konnte das er viele Muskeln hatte.
Ich blätterte die nächsten Seiten durch und fand heraus das er achtzehn Jahre alt war, der beliebteste Junge der Schule und ein Herzensbrecher. Seine Eltern waren reich, er war zwar schlau, hielt aber nicht viel von Schule und ärgerte die Lehrer. Dazu trieb er sich gern in Clubs rum, besoff sich gern mal und war im allgemeinen ziemlich herzlos, verachtete hässliche Menschen, war Basketballkapitän und trainierte Boxen. Überraschenderweise - ja, sarkastisch gemeint - hatte er alles was atmet, weiblich und hübsch ist im bett gehabt. Viermal die Woche Sex! Also bitte…
Oh Gott, was mutest du mir da nur zu?!
“Okay, das wird… Ähh… sehr interessant. Und wer soll ich sein?”
Ohne ein Wort reichte Petrus mir die zweite Akte und als ich mein Foto erblickte setze mein Herz - auch wenn das unmöglich war, da ich ja tot bin - aus und ich schnappte nach Luft.
“Nein! Auf keinen Fall!,” brüllte ich.
Also, ich wusste ja schon das man hässlich aussehen musste aber das war eindeutig übertrieben!
Das Mädchen auf dem Bild hatte Haare in einem Kackbraun, die sie zu einem langweiligen Pferdeschwanz zusammengebunden und den Pony nach hinten gekämmt hatte, so das die “Frisur” extrem streng aussah. Ihre Augenfarbe war ein hässliches Gemisch aus braun-grün. Naja, die Augen werden wahrscheinlich hinter der fetten Brille nicht auffallen. Dazu war ihr Gesicht rundlich und mit ein paar Pickeln bedeckt. Da kam noch die hässliche Zahnspange dazu, die das dämliche Grinsen des Mädchens offenbarte. Also, Vermerk an mich: Nicht lächeln!
Unter dem ersten Bild war noch ein zweites wo der ganze Körper des Mädchen gezeigt wurde. Das Bild schrie ja förmlich nach neuen Klamotten. Okay, man sah das sie wenig Geld hatte. Das Mädchen trug einen breiten grün karierten Rock und ein pinkes Oberteil mit der Aufschrift: Don`t kiss me!! - keine Grund zur Sorge, wird eh niemand tun - und einem grünen Frosch mit übertrieben fetten roten Lippen daneben. Dazu hatte sie pinke Chucks an, die ziemlich ausgelatscht wirkten. Ironischerweise besaß sie weder Oberweite noch Hintern.
Mamamia! Gott, beschütze mich.
Mal so zum vergleich. Das war das Mädchen das ich in nächster Zeit darstellen sollte. So seh ich jetzt aus.
Lange honigblonde Haare, die man sofort anfassen möchte, faszinierende grüne Augen, die einem den Atem raubten, volle rote Lippen, die man sofort auf den seinen spüren möchte, hohe Wangenknochen, perlweiße Zähne und eine perfekt reine Haut. Dazu kam meine kurvenreiche Figur, die große Oberweite und mein gut anzusehender Hintern - und das ist nicht nur meine Meinung. Nicht zu vergessen waren die wunderschönen weißen Flügel an meinem Rücken. Zusammengefasst, ich sah atemberaubend aus.
Also wie bitte sollte ich das aushalten?
“Auf gar keinen Fall!,” brüllte ich noch einmal, als der coole Obermacker keine Reaktion zeigte.
“Es ist deine Aufgabe,” wiederholte der nur. Ach nee? Ist das so?
“Hallo?! Hast du dir die mal angeschaut? So was kannst weder du noch Gott mir zumuten. Die sieht schrecklich aus. Höllenmäßig scheiße! Ich würde wetten sie wird gemobbt werden, wird ne Streberin und hat keine einzigen freunde!”
Petrus Gesicht verriet mir das ich genau richtig lag. Schon fast panisch blätterte ich die ganze Akte durch und hatte das gefühl kotzen zu müssen.
Jep. Ich soll neu an die Schule kommen, also von irgendeinem kleinen Dorf - keine Ahnung wo das liegt - und eine Streberin darstellen. Da die meisten Streber dort an der Schule vom King - Aaron - und seinen freunden gemobbt werden, naja, werde ich das wohl auch. Aber mal so richtig. Während ich angebe ich wohne bei meiner Tante, da meine Eltern vor wenigen Jahren gestorben sind, werde ich in einer verkommenen Hütte ganz neben Aarons Villa leben. Bin ne Einserschülerin, unsportlich - was so was von nicht stimmt! - und überraschenderweise vollkommen unbeliebt. Und das alles bis zum Ende von Aarons Lebens. Vorausgesehen ihm passiert nichts. Hmm… wär ja gar nich mal so schlimm. Ich käme wieder in den Himmel. Obwohl mich hier wohl eine ziemlich scheiß Strafe erwarten würde.
Ahhhhhhhhhhhhhhhhhh!
Ich will in mein Himmelbett!!!
“Wann soll ich den da runter?”
“Jetzt gleich.”
“Willst du mich verarschen?”
“Soll ich dir wieder eine Predigt über solche Worte halten?”
“NEIN!!”
“Wirklich Schade. Und nein, ich mein es ernst.”
“Das ist doch….! Kann ich mich wenigstens von meinen Freunden verabschieden?”
“Nein. Aber keine Sorge. Ihnen ist es gestattet dich zu besuchen wann sie wollen.”
Gott sei dank!
“Nun gut. Am besten verwandeln wir dich gleich in Sasha Angel.”
“Angel? Sehr einfallsreicher Name.”
Petrus zuckte nur mit den Schultern und erhob sich.
“Achja, ich sollte erwähnen das du Aaron weder verletzen noch provozieren sollst.”
“Ich soll also die kleine schüchterne Streberin sein, die alles mit sich machen lässt, ja?”
“Ganz genau. Du darfst zwar mit ihm sprechen, aber nicht beleidigen.”
“Noch besser. Hey, sag mal wie geht das eigentlich das er ein guter Junge wird wenn ich ihn schütze? Muss ich irgendeinen Zauberspruch sprechen, oder so?”
“Deine Nähe reicht vollkommen aus. Das Gute eines Engels überträgt sich auf den Menschen.”
“Aha, ganz toll.”
“Nun denn, wandeln wir dich.”
“Äh… nee… vielleicht sollten wir warten auf… ähh… Fuck! Oh ups, tschuldigung! Ähhh…”
Scheiße, wie kann ich mich da raus reden?
Während ich noch dämlich überlegte spürte ich ein Ziehen das sich in meinem Körper ausbreitete. Ein scheiß Gefühl! Ehrlich.
Nach ein paar Sekunden verschwand es glücklicherweise und ich seufzte erleichtert. Doch als ich mich zu einem Spiegel, in dem ich mich vorhin noch gemustert hatte, in Petrus Büro um - wozu braucht der denn, eigentlich?! - und stieß einen entsetzen Schrei aus.
Bitte, lass das nich war sein! BIIIIIITTTTTEEE!!!
Doch es war die knallharte Realität.
Das Gesicht des hässlichen Mädchéns blickte mir geschockt entgegen. Nein, …es war mein Gesicht. Das Gesicht das ich ab nun tragen werde. Shit! Womit hab ich das verdient?!
“Es ist an der Zeit durch das Portal zu treten. Morgen gehst du zur Schule und lernst Aaron kennen. Viel Glück, Sasha. Wenn ich kann komm ich dich besuchen oder helfe dir.”
Das macht es nicht besser, Alterchen!
Petrus öffnete eine Tür in seinem Büro und ein helles Licht blendete mich für eine kurze Zeit. Dies reichte dem Arschloch aus um mich durch das Scheiß Portal zu schubsen ohne das ich mich richtig hätte währen können. Als ich meine Augen öffnete stand ich in einem kleinen verdrecktem Haus. Tränen liefen bereits meine Wangen entlang und ich schmiss mich auf ein stinkendes Sofa. Dort fing ich an wild zu schluchzen und krallte mich in den rauen Stoff eines kleinen Kissens.
Wieso ich? Wieso muss so eine Scheiße immer mir passieren?!

Zwei Stunden später stand ich vor einem Spiegel und betrachtete mich hasserfüllt. Doch die Tränen hatte ich längst heruntergeschluckt. Diesmal zierte ein gemeines Grinsen meine Lippen.
“Ich werde nicht gegen die Regeln verstoßen und dich beleidigen, Aaron. Dennoch werde ich auch nicht heulend zusammenbrechen. Ich werde durchhalten. Egal was du tust. Der Alte wird die Entscheidung nicht bereuen. Das schwöre ich,” murmelte ich leise vor mich hin, bevor ich zu Bett ging und mich für den morgigen Tag bereit machte. Den ersten Schultag.

Was um Himmels Willen ist das für ein Geräusch?
Ich wälzte mich in dem Ding alias Bett herum und schlug die Augen auf.
“Ahhh!”
Oh Shit, Shit, Shit! Es war kein Traum.
Kein höllenmäßig grauenhafter Alptraum. Nein, es war die Grausame Realität. Ich habe wirklich einen Job. Oh, mist. Da hab ich mir ja wieder schön was eingebrockt. Ist doch zum Kotzen.
Und oh Gott, was ist das für ein nerviges Piepen?!
Ich streckte meine Gelenke durch und setzte mich langsam auf. Dann sah ich mich in meinem neuen Zimmer nach dem Erzeuger des Piepen um. Da war der beschlagene Spiegel, der alte dunkelfarbene Schrank, die Kommode und ein dazu passender Stuhl. Manoman, da müsste ich heute echt mal ein bisschen renovieren. Ich erhob mich elegant und ging auf die Kommode zu auf der das Ding namens Wecker stand. Der hatte eine knallig rote Farbe und passte so gar nicht in dieses alte Zimmer. Als ich das Ding endlich ausgeschaltet hatte ging ich zum Kleiderschrank und wurde von bunten Farben darin empfangen. Seufzend begann ich mich durch das Gewirr aus Farben durchzuwühlen und stand schließlich mit einer schwarzen Hose und einem gelben T-shirt mit der Aufschrift: I`m a Nerd da. Was besseres fand ich da echt nicht. Nachdem ich mich angezogen hatte suchte ich mir noch grüne Chucks raus, die ich auch sofort über meine gestreiften Socken zog. Wie ein richtiger Freak aussehen ging ich ins Badezimmer um meine Zähne zu putzen und mein Gesicht zu waschen. Gott sei dank, stank ich heute noch nicht wie mein ganzes Haus. Das wär dann echt zu viel!
Nach wenigen Minuten begab ich mich in die Küche, wo mich ein Briefumschlag auf dem Tisch erwartete. Neugierig öffnete ich ihn und fand 1000 Euro vor. Oh, wie geil war das denn?!
Naja, Petrus hätte ruhig mehr dalassen können, aber für ne Renovierung reichte das. Bald würde ich aber Nachschub brauchen.
Ich legte den Umschlang zurück auf den Tisch und suchte in den Küchenregalen etwas womit ich ein Sandwich machen könnte. Schön das Petrus mir wenigstens ein paar sachen besorgt hatte, so das ich heute nicht einkaufen müsste. Jedenfalls Essen.
Nachdem ich mit Frühstücken fertig war guckte ich im Flur nach einem Rucksack für die Schule und fand ein oranges Ding vor. Aha, toll.
Nicht das ich und die Klamotten schon hässlich genug waren. Nein, jetzt kommt noch der dazu….
Bereit, um in der Schule ausgelacht zu werden, öffnete ich die Haustür und machte mich auf den Weg zur Schule. Diese befand sich ganz in der Nähe, so das ich nur wenige Minuten zu laufen hatte.
Als das große Gebäude vor meinen Augen auftauchte hätte ich gut und gern loskotzen können. Die Schule für Engel war ein hübscher kleiner Tempel in einem Besch Farbton. Diese Schule hatte hingegen einen grauen Farbton mit fetten weißen streifen. Echt hässlich. Lustlos spazierte ich über den fast leeren Schulhof und verfluchte mein Leben. Nach zehn Minuten fand ich das Sekretariat und musterte die alte Frau, die wohl die Sekretärin war. Eine Brille, warme braune Augen, viele kleine Falten und kurze braune Haare. Zusammengefasst sah sie ganz nett aus. Auf einem kleinen Schild stand Mrs. Johnson.
Als ich mich räusperte wandte die Frau den Kopf zu mir und blickte mich freundlich an. “Hallo, du musst wohl Sasha Angel sein.”
“Genau. Ich soll meinen Stundenplan abholen.” Sie nickte zur Bestätigung und suchte in einem Haufen Unterlagen, nach dem Plan. Als sie in gefunden hatte reichte sie in mir und sagte:
“Viel Glück, Miss Angel!”
Dabei betrachtete sie mich mitleidvoll, was nur meine Vermutungen bestätigte dass das die Hölle auf Erden wird!
“Ähh… Danke!”
Was konnte ich auch schon nettes darauf erwidern?
Und ich wollte es mir ja nicht gleich schon mit jedem verscherzen.
Ich trat aus dem Sekretariat und schaute mir meinen Stundenplan an. Als erstes hatte ich jetzt Deutsch bei Miss Fonsana im Zimmer 316. Also steuerte ich zur Treppe um ins dritte Obergeschoss zu kommen. Doch mit einem mal knallte ich gegen etwas ziemlich hartes und fiel auf den Hintern. Benommen registrierte ich wie ein Haufen Papier auf meinen Kopf niederflog. Aua!
“Hey, du Missgeburt! Heb das auf!,” erklang eine eiskalte Stimme über mir. Langsam hob ich meinen Kopf und begegnete zwei strahlend blauen Augen. Sollte ich ihm die Eier einquetschen?, schoss es mir durch den Kopf, doch ich konnte mich beherrschen. Nein, so was tut ein Engel nicht. Besonders ich als sein Schutzengel.
Denn niemand anderes als Aaron Hardy stand vor mir.

Okay, ignorier die Tatsache, dass das Arschgesicht dich gerade Mistgeburt genannt hat und spiel den schwachen Streber. Mach deinen Job, Sasha! Ganz einfach, ermahnte ich mich schnell bevor ich auf ihn losgehen konnte.
“Es… es tut mir… ähh… Leid,” stotterte ich kleinlaut und schaute dabei in seine hübschen Augen, die mich verachtend musterten, während ich mir alles andere als engelsgleich überlegte wie ich ihn am besten erwürgen konnte.
Uhh, gut ich klang leicht ängstlich. Moment, war das überhaupt gut?
Ich mein, ganz schön peinlich, wenn der denkt ich hätte Angst vor ihm. Aber egal, ich war ja eh schon am Tiefpunkt. Wortwörtlich.
“Boahh, bist du taub oder so?! Heb das auf!”
Sehr charmant das Arschloch!
Ich unterdrückte mir ein Seufzen und krabbelte auf dem Boden herum - ich hasse es, ich hasse es, ich hasse es! - um sein Papier aufzusammeln, das sich überall um mich herum versammelt hatte. Waren wohl seine Hausaufgaben. Schnell war ich fertig und wollte mich gerade aufrappeln als seine Hand nach vorn schoss und mir die Papiere gewaltsam wegriss. Dabei bedachte Aaron mich nicht zu berühren. Als ob ich ne Krankheit hätte, also bitte. Immerhin sauft der sich doch bis zu einem Kommazustand!
“Alter, wie blöd muss man denn sein?! Wegen dir komm ich noch zu spät zum Unterricht!”
Mal ganz davon abgesehen das der Unterricht vor zwanzig Minuten angefangen hatte und ich ihn nicht mal 5 Minuten aufgehalten habe, war nicht ich blöd sonder der! Aber Trotzdem entschuldigte ich mich ganz höflich.
“Tut mir leid. Das wollte ich nicht…”
“Fresse! Von deiner Stimme bekommt man ja Kopfschmerzen… Erwartest du eigentlich wirklich das ich dir verzeihe?!”
Das… ähh… kein Kommentar. So was ist mir echt noch nie begegnet. Echt abscheulich dieser Sohn Satans.
Doch bevor ich etwas erwidern konnte - sei es nett oder fies - kreischte eine nervtötende Stimme durch den Gang. Was kam jetzt wohl für ein Scheiß?
“Aaroooon!!” Uhhh, kotz.
Hinter Arschloch tauchte jetzt ein blondes perfektes Ebenbild einer sogenannten Schlampe auf. Das kann ja noch was werden…
Hinter der Tonne Schminke schauten mich die blauen Augen des Silikon gefüllten Mädchens spöttisch an.
“Na, hast de ne neue Verehrerin?”
Statt einer Antwort oder mir Beachtung zu schenken zog er das Mädchen an sich und presste seine Lippen auf ihre. Leidenschaftlich erwiderte dieses den Kuss und schlang ihre Arme um seinen Nacken. Es verstrich eine halbe Ewigkeit in der sie einander begrapschten und rumstöhnten. Wollen die mich eigentlich verarschen? Also Luft bin ich noch nicht!
Ich konnte mir zwar ein genervtes Stöhnen verkneifen, aber ein angeekeltes Naserümpfen leider nicht. Und genau das wurde mir zum Verhängnis. Denn in diesem Moment erinnerte sich Arschloch wohl an mich und blickte zu mir herunter - wobei mir einfiel das ich immer noch auf dem Boden kauerte. Sehr toll! Peinlicher geht’s echt nicht!
Aber hey, jeder kann sich mal irren…
“Ey du Hackfresse” - ich töte ihn!!!- “bist du irgendwie notgeil?! Lad dir doch nen Porno runter, wenn dich so was anmacht.”
… Tod. Dem. Bösen. …
“Natürlich ist die notgeil! Wenn man solange kein Sex hat ist es doch kein Wunder,” flötete Vakuumbirne, dich ich auch bei Gelegenheit erwürge. Glaubt die so nimmt sie mich und meine “Notgeil” in Schutz oder was glaubt sie da zu tun?
“Was guckst du mich so an, Mistgeburt?!,” fuhr Aaron mich an.
Oh, ich will nur testen ob es wirklich stimmt das man mit Blicken jemanden töten kann.
“Wieso sollte sie dich nicht anschauen, Schatz? Du siehst aus wie ein Gott!,” kicherte die Vakuumbirne weiter. Hehe. Übertreibt sie nicht ein bisschen? Wie kann sie es eigentlich wagen meinen Herrscher mit einem Sohn des Teufels zu vergleichen. Spinnt die?
Ohne darüber nachzudenken schnauzte ich sie an:
“Tut er nicht! Du hast Gott doch nie gesehen! Eher sieht das Arschloch hier aus wie Satan!”
Aha, okay. Ich wird wohl Massenmord begehen, wenn ich Aaron, Schlampe und mich umbringe.
Stopp verdammter Mist! Ich bin ein Engel und denke darüber nach wie ich jemanden am besten erwürgen könnte? Was stimmt nicht mit mir?
Verächtlich lachten Arschloch und Vakuumbirne auf.
“Oohhh, ist da jemand gläubig? Wie süß.”
Oohhh, du kleine naive Hohlbirne ich zeig dir wie “süß” ich bin.
“Ach du Scheiße! Ich glaub mir ist noch nie jemand wie das da begegnet. Hässlich, dumm, tollpatschig und gläubig dazu… geil, ich dachte nicht das so was verdient zu leben. Dein Gott, Hackfresse, interessiert sich anscheinend nicht für dich! Sonst hätte er aus dir sicher nicht so ein Häuflein Elend erschaffen.”
Heiliger Gott! So jemand böses wie Aaron ist mir ja noch nie begegnet. Überhaupt habe ich noch nie von so jemandem gehört. Ja… er war wahrlich ein Sohn Satans. Ob wohl alle Engel so was von ihren “Schützlingen” ertragen mussten?
Ehrlich… Ich hoffe nicht. So etwas würde ich keinem meiner Kollegen zu muten.
Aaron und sein Anhängsel drehten sich um und gingen die Treppe hoch. Angewidert schloss ich meine Augen und seufzte tief aus. Dann stand ich auch endlich auf und stieg die Treppe hinter ihnen hoch.
Das kann ja noch was werden. Mein Ruf hier war sicher jetzt schon am Nullpunkt angekommen und es würde mich nicht wundern das in der Mittagspause hunderte von Gerüchten im Umlauf wären.
Oh, wie ich es doch hasste.
Aber egal. Es war nun mal ein job.
Und scheißegal ob ich nett oder fies wäre es würde nix ändern.
Akzeptieren dieser Scheiße war wohl am besten.
Ich sollte ganz einfach alles ignorieren.
Was anderes könnte ich eh nicht machen, also…
Schön das Pokerface aufsetzen, Sasha!
Ich war so in Gedanken versunken das ich gar nicht merkte das ich langsam von meinem menschlichen Gehtempo abkam.
Und fast wäre ich auch schon wieder in Aaron reingeknallt. Boahh ey!
Bin ich blöd? Hatte ich nicht schon genug? Anscheinend nicht.
Arschloch drehte sich zu mir um und sagte spöttisch:
“Na, Mistgeburt, kriegst wohl nicht genug von mir? Aber im Ernst, fass mich nicht noch einmal an!”
Kotz. Selbstverliebtheit war auch ein Tiefpunkt.
Aber okay, Pokerface.
Ich wich seinem Blick aus und versuchte an ihm vorbeizukommen, als ich plötzlich den Halt verlor und voll auf die Fresse flog. Miss Laufendes-Vakuum hatte mir doch tatsächlich ein Bein gestellt.
Wieso hab ich das denn nicht bemerkt?! Normalerweise hätte ich es gesehen und…
“Upsii! Da ist wohl jemand sehr tollpatschig!”
Hihihi. Stirb, Hohlbirne, stirb.
Gerade als ich mich aufrappelte ging eine Tür auf und eine pummelige Frau streckte ihren Kopf raus. Ironischerweise gehörte die Tür zum Zimmer 316.

“Was ist hier los?,” donnerte Miss Fonsana los und trat auf den Gang. Das hatte mir gerade noch gefällt!
“Was für eine Überraschung! Mister Hardy, was tun Sie denn da mit unserer neuen Schülerin?!”
Arschloch lachte auf und stieg - da ich ja mal wieder ausgerutscht war und zum dritten mal auf dem Boden lag - gelassen über mich drüber.
“Tja, Miss, sieht so aus als hätte sich unsere neue Schülerin von meiner Schönheit blenden lassen!” Tzzz…
“Aaron! Darf ich bitten?!”
“Nein, dürfen sie nicht.”
Empört blies sich die Frau auf, aber bevor sie etwas erwidern konnte, erklang eine stammelnde Stimme:
“Ist… ist schon gut, Miss. Ich bin nur gestolpert… Aaron trifft keine Schuld,” sagte ich ohne meinen Blick vom Boden zu nehmen. Ich komme eh nicht von diesem Job los. Also wieso ihn nicht einfach gut machen? Vielleicht bekam ich ja eine Belohnung? Ach ja…
“Sehen sie? Aaron hat nichts damit zu tun!,” mischte sich jetzt auch noch Aarons Anhängsel ein.
“Lissa! Das geht dich nichts an!,” fuhr Miss Fonsana sie an.
Oh, die Hohlbirne hatte einen Namen. Lissa. Hmm. Eigentlich ganz hübsch. Diesmal erfolgreich stand ich auf und sah die Frau an.
“Kann ich jetzt zur Klasse gehen, bitte? Ich habe schon sowieso sehr viel vom Unterricht nicht mitbekommen!”
Überrasch betrachtete sie mich genauer und räusperte sich dann.
“Ähem… ja, okay. Ich glaube Ihnen mal, dass Aaron keine schuld trifft. Ausnahmsweise!… Aber wenn er sie belästigt scheuen Sie sich nicht zu mir zu kommen, Sasha.”
“Vielen Dank, Miss.”
Ich wandte mich von ihr ab und blickte zur Klassentür, wo sich schon ein paar grinsende Schüler versammelt hatten. Na toll! Musste ja auch noch sein.
Ich raufte mein letztes Stück Stolz zusammen und ging erhobenen Hauptes, ohne die lachende Lissa oder das verachtend schauende Arschdings zu beachten, zu den Typen an der Tür. Bitte nicht hinfliegen!, flehte ich noch im Stillen und ausnahmsweise hielt Gott es für nötig mir den kleinen Wunsch zu erfüllen. Vielen Dank auch!
Da angekommen quetschte ich mich durch die menschlichen Bulldozer - ja, alter die Kerle hatten echt Muskeln! -, die sich nicht mehr halten konnten und laut loslachten.
“Aaron, Aaron! Mach doch die Kleine nicht schon am ersten Tag an!”
“Die Arme!,” riefen einige.
Steckt euch das doch sonst wohin!
“Klappe, Mike! Wenn hier einer jemanden anmacht, dann wohl sie! Immerhin hat sie sich heute dreimal vor mich hingekniet!”
Das brachte die anderen nur noch mehr zum lachen. Oh man!
Das kann ja noch was werden!
Miss Fonsana, hinter ihr Aaron - war ja klar, dass er in meine Klasse kommt- und ging nach vorne zum Pult. Ich blieb auch vorne stehen, da ich noch keinen Platz hatte. Fragend schaute ich zu meiner neuen Lehrerin. Diese sagte laut Ruhe und auch langsam - sehr langsam - wurde es in der Klasse still.
“Kommen Sie bitte her, Sasha und stellen sie sich vor.”
Ich wusste dass das kommt!
Ich stellte mich genau neben sie und räusperte mich laut. Währenddessen musterte ich die anderen. Es waren insgesamt 24 Schüler. 14 Jungs und 10 Mädchen. 6 der Jungs waren sicher so was wie selbstverliebte Idioten. Gutaussehend, muskelbepackt und die Lippen zu einem spöttischem Grinsen verzogen. Die anderen 5 Jungen waren ganz okay. Sahen jedenfalls nicht so wie richtige Arschlöcher aus, aber man kann sich ja immer irren, nicht? Und die letzten 3 sahen aus wie… ich. Streber halt. Okay, vielleicht könnten wir ja Freunde werden…
7 der Mädchen waren solche Vakuumgefüllten Barbies wie sie im Bilde standen. Blond, überschminkt und total unecht.
Wieso gabs von denen eigentlich so viele, häh?
Wenigsten die andern 3 sahen ganz normal aus und mit der einen könnte ich mich sogar auch anfreunden…
Da hätte ich schon mal meine eigene Streberclique! Yippie, wie schön, was?
Okay, alle starren mich an und ich sollte langsam mal was sagen. Heute hatte ich mich eindeutig schon genug zum Depp gemacht.
“Ähh… ja, hallo. Ich bin Sasha Angel und…”
“Angel?!,” wurde ich sogleich von einem süßen blonden Typ mit blauen Augen unterbrochen. Musste ja mal sein! Blöder Petrus! Blöder Name!
“Siehst eher unangel aus, Streber!”
Sehr, wirklich sehr geistreich. Echt. Unangel. Darauf wäre ich nie gekommen. Deshalb ist ja er der coole, nicht ich was?
Trotzdem lachten alle. Wieso?!
Ähh… oh, ach ja. Eine Highschool Regel.
Lache nie, niemals einen der Beliebten aus. Sonst bist du dran, Alter!
“Ruhe! Fahren Sie fort, Sasha!,” rief Miss Fonsana.
Dennoch hörte ich noch wie Aaron sagte:
“Am besten ganz weit fortfahren, Engelchen!”
Daraufhin brach die ganze Klasse noch einmal in Gelächter aus.
Ach was solls! Schnell redete ich weiter.
“Also, ich bin siebzehn Jahre alt und wohne bei meiner Tante, da meine Elter… vor kurzem gestorben sind. Meine Hobbys… sind lesen, lernen und naja ich schreibe auch gern Gedichte…. Tja, … ähhh.”
Innerlich seufzte ich. Eigentlich war fast alle gelogen. Ur das ich gerne lese stimmte, aber sonst…
Ich war nicht siebzehn, sonder nun ja im Engelsalter war ich 256 Jahre. Aber ja, mit siebzehn starb ich halt. Meine Eltern… ich kannte als Mensch nur meine Mutter und sie ist als ich zehn war gestorben. Von meinem Vater wollte sie nie reden. Sie sagte nur er wäre anders. Was auch immer sie damit meinte….
“Vielen Dank, Sasha! Sie können sich hinten neben Adrian hin.”
Ich folgte dem ausgestrecktem Finger von meiner Lehrerin, der auf einen freien Platz zwischen einem der Streber und einem Idioten zeigte. Ein bisschen erleichtert das ich neben einem von meinesgleichen - der Strebertyp - sitzen konnte seufzte ich auf.
Schnell ging ich zu meinem Platz und lies mich darauf sinken.
“Hallo!,” erklang es sogleich neben mir.
Ich drehte mein Gesicht und sah in zwei langweilig braune Augen, die von einer runden Brille umrandet waren. Adrian trug ein graues T-shirt, wodurch seine nicht vorhandenen Muskeln zur Geltung kamen, und eine schwarze Jeans.
“Hi!,” erwiderte ich nett.
Und schon hatte ich einen Freund, dachte ich ein wenig zufrieden als ich das schüchterne Lächeln auf Adrians Gesicht sah.

Als es endlich klingelte, erhob ich mich schnell und packte die Sachen in den “Rucksack”. Ich hoffte das keiner der Idioten jetzt auf mich zukommen würde um mich zu verarschen, denn ich hatte echt genug für heute! Die ganze Stunde wurde ich mit kleinen Papierkugeln beworfen, wo drauf dämliche Beleidigungen standen. Das eine Scheißding ist mir doch glatt in den Mund geflogen, worauf sich die halbe Klasse vor lachen auf dem Boden kringelte. Das Ganze war so dermaßen peinlich und beschissen!, das kann man gar nicht richtig beschreiben.
Adrian war der einzige der sich nicht schlapp gelacht hat, sondern mir nur mitleidsvoll in die Augen geschaut hatte. Also, ich fand ihn ganz nett. Schüchtern, komisch und ängstlich, aber sehr nett. Jap.
Ich hievte mir das Tonnenschwere orange Dings auf den Rücken und wollte gerade gehen, als mir eine blonde - eher weißhaarige - Tusse mit pinken Lippen den Weg versperrte. Hinter ihr standen zwei andere solcher Mädchen und ein braun haariger Typ. Wahrscheinlich ihr Gefolge. Ach meine Güte. Was es zu viel verlangt meine Ruhe zu haben?!
“Was ist denn?,” fragte ich genervt, als die ach so schlauen Leute nichts sagten.
Empört blies sich das vordere Mädchen auf und sagte mit schräger Stimme: “Was bildest du dir ein, Miststück?! Duu… kleine Streberin hast hier nix zu sagen! Sondern wir! Damit du es auch kapierst: Solange wir dir nicht sagen du sollst uns was sagen, dann sagst du auch nichts, … ist…. Das… klar?!”
Die letzten Worte sprach sie so aus, als ob ich - nicht sie- behindert wäre.
Wie viele Beleidigungen kommen den noch?! Streber, Mistgeburt, Hackfresse, Notgeiles Etwas, Miststück, Häuflein Elend… “Unangeles” Etwas. Tzz…
Also echt, Ich - schönster, begabtester, begehrtester und coolster Engel - lass mir doch nicht so was von Ihr - einer naiven, dämlichen Tussi - sagen.
Na gut okay, das reicht!
“Hör zu du kleine miese Schlampe, ich bin nicht hier um mich beleidigen zu lassen. Besonders nicht von jemandem wie dir. Vielleicht glaubst du, du bist beliebt und hättest hier das Sagen. Aber vertrau mir, diesen Scheiß bildest du dir bloß ein! Denn du Silikonüberfülltest dämliches Miststück bist nur zu naiv um dies zu sehen. Hinter deinem Rücken lachen dich doch eh alle aus. Also, bleib mal in der Realität, Mädchen. Okay? Übrigens sprich DU mich nie wieder an, … ist … das… klar?!,” wiederholte ich genauso langsam. Zufrieden beobachtete ich wie ein ungläubiger Ausdruck auf den Gesichtern der drei erschien. Doch zur gleichen Zeit hätte ich mich Ohrfeigen können. So viel zum Thema: Bleib unauffällig, beleidige niemanden und sei stets schüchtern.
Das konnte ich ja jetzt getrost vergessen.
Ich wusste was jetzt gleich kam und wollte so schnell wie möglich von hier weg, denn ein Ausbruch von einer Schlampe war nie gut für die Nerven… oder Ohren.
Als ich gerade aus der Tür raste, hörte ich auch schon ihr Stimme:
“Wie kannst du es wagen, du Mistgeburt??!”
Oh Gott, noch mal so davon gekommen, nur leider hatte ich jetzt eine Feindin mehr. Super gemacht, Sasha!!
Plötzlich spürte ich eine warme Hand auf meiner Schulter und genervt stieß ich den Atem aus. Was jetzt wohl kam?
Doch als ich mich umdrehte sah ich keine dieser Vakuumbirnen oder Deppen, sondern nur Adrian. Freundlich blickten mich sein Augen an und erleichtert atmete ich wieder ein. Also, keine Beleidigungen.
“Hey, was ist denn?,” fragte er mich besorgt, als er meine Anspannung bemerkte. Oh upps, die war wohl noch nicht gelöst.
“Ach nichts. Ich dachte nur du wärst eine dieser Hohlbirnen.”
“Nerven die dich auch schon? Oh man. Glaub mir es wird noch schlimmer!”
“Oh, vielen dank für die Aufmunterung! Jetzt fühl ich mich schon viel besser,” sagte ich sarkastisch und funkelte ihn böse an.
Entschuldigend schaute er auf mich herab, da er einen Kopf größer war als ich.
“Okay, sorry! Eigentlich wollte ich dich fragen ob du mit mir und meinen Freunden zum Mittag dann essen willst.”
Ich schaute auf und meinte: “Klar. Gerne.”
Freudig schaute er in mein hässliches Augengemisch.
“Okay, dann sehen wir uns später. Ich hab jetzt nämlich andere Fächer als du.”
Ich nickte und er wandte sich zum Gehen, als er ein Letztes mal umdrehte und meinte:
“Viel Glück noch. Und lass dich nicht verarschen!”
Ja, ja. Aufmunterung.
Ich seufzte und wandte mich dann dem Raum 320 zu in dem ich jetzt Mathe hatte. Wird das vielleicht ein Spaß!

Lautes Geschrei drang an meine Ohr als ich die riesige Mensa betrat. Sofort suchte ich nach Adrians straßenköterblondem Schopf und entdeckte diesen mit 5 anderen Personen an einem kleinen Tisch, der von einem Tussentisch und einem Arschlöchertisch umgeben war. Schnell und mit gesenktem Kopf ging ich darauf zu und tippte Adrian auf die Schulter. Blitzschnell drehte er sich mit einem etwas ängstlichen Gesichtsausdruck, der sich aber als er mich sah entspannte, um. Wahrscheinlich hatte er gedacht ich wäre jemand der ihm schaden wollte.
“Hi,” sagte ich mit einem netten Lächeln.
“Hey, setzt dich doch,” erwiderte er und zeigte auf einen Stuhl neben sich und einem braunhaarigen Mädchen, das ihre Haare nach hinten zu einem lockeren Zopf gebunden hatte und eine runde, gestreifte Brille trug. Um ihren Hals trug sie einen Schal und ihren dünnen Leib bedeckte eine schwarze unförmige Jacke.
Ich setzte mich auf den angebotenen Stuhl und schaute in die freundlichen und neugierigen Gesichter der anderen.
“Also Leute, das ist Sasha Angel,” stellte Adrian mich vor und alle nickten mir zu.
“Sasha, das ist Max.”
Adrian zeigte auf einen Jungen, der eine rechteckige Brille trug, unter der dunkelbraune Augen hervorlugten und der seine hellbraunen kurzen Locken mit Gel frisiert hatte. Seine dünnen Lippen verzogen sich zu einem herzlichen Lächeln und er antwortete mit einer kratzigen Stimme: “Hallo, schön dich kennenzulernen.”
“Und das ist Lilie.”
Diesmal meinte Adrian das Mädchen neben mir und ich nickte ihr höflich zu.
“Okay, unsere Gothikqueen heißt Jenna, aber lass dich nicht von ihrem Aussehen abschrecken. Sie ist eigentlich ganz nett.”
“Halt die Klappe, Adrian!,” zischte das Mädchen ihn an bevor sie sich zu mir wandte und mich mit ihren leuchtend roten Lippen anlächelte.
Ihr rundes Gesicht war von seidig schwarzen haaren umrandet und ganz überraschenderweise trug sie nur schwarz.
“Keine Sorge. Ich beurteile Menschen nicht nach ihrem Aussehen,” sagte ich, doch mir war schon klar das ich nicht die Wahrheit sprach. Hey, ich war auch nur ein … ja, okay, ist schon gut. Obgleich ich mich nicht wirklich so benehme ich bin ein Engel, ich weiß.
Doch Jenna schien mir zu glauben und ihre hellbraunen Augen fingen an zu leuchten.
“Gut so. Die meisten hier sehen das anders. Vorurteile und son scheiß, weißt schon, ne?”
“Jap, hab ich gemerkt. Blöd muss man sein.”
“Okay, bevor das Ganze noch eskaliert und ihr anfangt zu lästern, mach ich lieber mit der Vorstellung weiter,” unterbrach Adrian unsere “Lästerei”. Dabei ignorierte er Jennas Kommentar er soll sich seine Freundlichkeit sonst wohin stecken und schnaubte: “Aja. Die rothaarige ist Julie. Sie… ähhem… redet nicht sonderlich viel.”
Ich blickte zu dem etwas gruslig aussehenden Mädchen und grüßte sie nett. Julie nickte mir einfach nur zu und schaute mich mit ihren eiskalten blauen Augen - die eines seltsamen silbernen Glanz hatten - starr an. Ihre Lippen waren wie Jennas leuchtend rot angemalt und hoben sich von ihrem totenbleichen Gesicht ab und ihre langen orange-roten haare wellten sich über ihre Schulter.
Gut okay, ich hab gesagt das Aussehen beeinflusst mich nicht, also… ja, sie war sicher nett. Genau.
“Und zu guter letzt. Der schräge Typ hier ist Michael.”
Adrian deutete auf einen Jungen mit großer runder Brille und hübschen blauen Augen. Er hatte hellbraune kurze Haare, ein paar viele Pickel und als er mich anlächelte offenbarte sein Mund eine Zahnsspange. Aber freundlich schien er zu sein, jap und das war ja das wichtigste, nicht?
Hmmm. Oja, im Himmel sah ich das anders. Da war jeder freundlich und das kann einem irgendwann mal ganz schön nervig vorkommen. So wie mir.
“Hallo, schön dich kennenzulernen,” erwiderte ich sein lächeln und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Wahrscheinlich wäre ich schon längst schreiend weggerannt, wenn ich mein wahres Aussehen hätte aber leider, war mir da ja nicht gegönnt und ich steckte auch in so einem nicht gerade schönem Körper. Also kämme es nicht gerade gut an, wenn ich jetzt über sie schlecht dachte, weil sie nicht wunderschön waren.
“Ganz meinerseits,” erwiderte Michael.
Ich nahm mir ein Sandwichs das ich mir heute früh in das Rucksackding gesteckt hatte - weil man ja nie wissen kann, was die hier so für Essbar verkaufen wollen - und biss hinein. Jedoch knallte in diesem Moment auch die Tür zur Mensa auf und der Bissen bliebt mir im hals stecken. Verdammt noch mal!
Sollte man gemeint haben ich könnte in Frieden essen, ohne das irgend ein scheiß passiert, dann falsch gedacht!
Hustend blickte ich zu dem Mädchen, das die Tür demolieren wollte und hielt erschrocken inne. Unmöglich!
Das Mädchen war umgeben von einer Jungenarmee und außerordentlich hübsch. Sie hatte lange dunkelblonde Haare, die glatt über ihre Schulter fielen und faszinierend grüne Augen, die sich derzeit finster in der Mensa umschauten. Ihre vollen Lippen waren zu einem spöttischen Lächeln verzogen und sie trug ein Neckholder T-Shirt und eine schwarze Hotpants. Schwer zu übersehen das sie wohl sehr beliebt war. Jedoch war nichts davon von Bedeutung für mich.
Was mir die Luft raubte war ihre Aura, die von allen Menschen hier heraus stach. Es war dieselbe die Aaron umgab.
Dunkel, Verführerisch und dem Tod geweiht.
Es war die Aura die jedes Kind Satans umgab.
Oh scheiße! Das bedeutet nichts gutes.

Shhh! Ganz ruhig, nicht ausrasten, Sasha. Es wird alles wieder gut! Dein Leben wird wieder perfekt aussehen. Ganz super! Und ganz ohne Probleme.
Eine kleine dumme Stimme - die mich hinzugefügt immer nervte, falls ich kurz vorm austicken war - versuchte mich wie jedes Mal zu beruhigen. Doch wie sonst auch ignorierte ich sie einfach und nahm einen Schluck aus Adrians Cola, die ganz verlassen auf dem Tisch rum stand. Dieser merkte das gar nicht, da er viel zu beschäftigt war - wie jeder in der Mensa eigentlich - Satans Tochter zu mustern. Ja, ist klar sie ist wunderschön und blah, blah. Trotzdem musste man sie ja nicht gleich so angaffen, schließlich war sie doch sicher genauso böse wie Aaron! Ach ja, stimmt. Ich sollte mich ja um ihn kümmern. Einen auf Mütterchen machen, nicht? Wo war er denn? Nicht in der Mensa jedenfalls… Wahhh! Scheiße. Das ist jetzt egal.
Hasst Gott mich etwa oder warum schickt er mich dahin wo zwei Höllenkinder sind? Okay, ja ich sollte nicht so was denken. Natürlich liebt Gott mich, nur ähh… aja, Satan. Der kann mich sicher nicht leiden und hat hier rumgepfuscht. Ha! Schlau durchdacht nicht?
Gut, gut. Ähhm… Sasha Hirn einschalten, forderte ich mich selbst auf.
Also, diese Situation war sicher etwas … kompliziert. Immerhin war es noch nie vorgekommen, dass zwei dieser Mistdinger gemeinsam in einer Stadt vorkamen. Sie waren immer weit voneinander getrennt. Schließlich können diese Höllenkinder sich gegenseitig nicht ausstehen. Meistens wenn sie sich begegneten verletzen sie sich schwer oder sie ermorden sich gegenseitig und danach weiß ich nicht ob sie in die Hölle kommen oder sonst was mit denen passiert. Und wieso diese Scheiße so ist weiß nur der Teufel.
Hmpf. Also muss ich jetzt immer damit rechnen dass Aaron verreckt und seine schwarze Seele abhaut. Na toll, besser kanns ja gar nicht laufen. Na gut, weiter Rauch aus deinem Kopf produzieren, Sasha - ich kann nämlich immer so schlecht denken, wenn ich kurz vorm durchdrehen bin. Also, Aaron und das Mädchen sehen noch ganz lebendig aus und ich vermute mal das die beiden schon länger zusammen auf die Schule gehen. Daraus folgt sie haben sich nicht umgebracht. Und was dann in meiner schlauen Gleichung kommt weiß ich nicht, aber eins steht fest. Das Mädchen hat oder bekommt einen Schutzengel zugeteilt. Uiii, ich bekomm ne neue Freundin - von mir aus auch Freund - mit der ich gegen das böse Kämpfen kann. Außer sie ist blöd, dann kann die mich mal.
Hehe. Ein kleiner Lichtblick. Yeah! Okay, nur müsste ich diesem jemand finden… was leider schwer werden könnte, denn Engel können die Aura eines anderen Engels leider nicht sehen. Wozu auch? Im Paradies erkennen wir uns an den Flügeln und auf der Erde, naja, da begegnen wir uns nie. Fast nie, wie mein Fall beweist.
“Ähhm, Sasha was machst du da mit meiner Cola?”
Adrians Stimme riss mich aus meinen sehr geistreichen Gedanken und ich blickte in sein fragendes Gesicht, dass sich endlich vom Mädchen abgewandt hatte. Verwirrt schaute ich runter auf meine Hände, die die Colaflasche fast zerquetschten. Oooh. Upps.
Schnell Sasha, denk dir ne Ausrede aus!, forderte ich mich fast schon panisch auf.
“Ähh… ja. Ich… ich hab grade… an Aaron gedacht.”
Bin ich blöd? Wie kommt mir denn das jetzt in denn Sinn?!
“An Aaron?,” fragte Adrian mit hochgezogenen Augenbrauen.
“Mhmm. Und Aaron… ist die Flasche. Ich lasse ihn leiden, weißt du? So?” Ich quetschte die Flasche noch ein bisschen weiter. Oh man, mir sind schon bessere Ausreden eingefallen.
“Ajjaaa,” meinte Adrian gedehnt. “Verstehe.”
Ohh, toll. Jetzt denkt er auch noch das ich verrückt bin.
“ich … hol dir ne neue, okay?”
“Ähm ne lass ma. Ich hatte eh keinen Durst.”
Ich nickte und schaute mich nach dem Höllenkind um. Inzwischen saß sie mit der Armee von Bulldozern an einem Tisch in der Nähe von unserem.
“Also um von dieser Peinlichkeit abzulenken, wer ist denn das Mädchen das gerade reingekommen ist?,” fragte ich, blickte jedoch nicht in die Gesichter meiner neuen freunde - die mich jetzt wahrscheinlich nicht mehr so nett fanden, eher geistesgestört.
“Ach die blöde Tussi da ist Tessa. Tusse Tessa,” fing Jenna wieder an zu “lästern”.
“Ist… also sie sieht nicht gerade nett aus,” meinte ich.
“Ist … sie … auch … nicht!!!”
Oh, da konnte jemand Tessa so gar nicht ab.
“Warum was tut sie?”
“Was sie tut?! Diese Schlampe…,” bevor Jenna jedoch weiter reden konnte wurde sie heftig von Adrian unterbrochen.
“Okay, okay. Ich erzähle!…”
Böse funkelte Jenna ihn an und wollte schon was erwidern als er wieder anfing zu sprechen.
“Jedenfalls ist Tesse genauso drauf wie Aaron. Und du hattest ja schon das Vergnügen ihn kennenzulernen.” Oh ja, vergnügen. Richtiges Wort.
“Ah, also ist sie megafies und hasst Leute die… nicht ihrem Schönheitsideal entsprechen.”
“Jo. Megafies das ist gut ausgedrückt,” mischten sich jetzt auch Michael, Lilie und Max ins Gespräch ein.
“Sie ist die totale Bitch. Sieht man ja schon daran wie sie herumläuft… und mit wem. Man könnte also sagen sie ist der weibliche Aaron.”
Weiblicher Aaron? Klingt gar nicht mal soo schlecht.
“Komischerweise können sie sich beide so gar nicht leiden. Dabei sollte man meinen sie seinen das perfekte Traumpaar. Wunderschön, megafies, notgeil und die beliebtesten Schüler der Schule … Hey was ist heute morgen eigentlich passiert? Adrian sagte du hast Aaron schon kennengelernt. Und wie ich den kenne war es sicher kein Vergnügen.” Ha, meine Worte.
“Ach, als ich in die Klasse gehen wollte, bin ich gegen den geflogen und hab seine Hausaufgaben auf den Boden geschmissen.”
“Oh, oh. Das konnte ja nicht gut enden,” meinte Lilie mitfühlend.
Was sie nicht sagt! Ich mein mich hat noch nie jemand Hackfresse genannt. Ehhy, so en Arschloch, dieses Höllending!
“Ist es auch nicht. Er hat mich Mistgeburt und Hackfresse genannt und hat mich ausgelacht. Ach ja, und dann ist auch noch Hohlbirne Lissa aufgetaucht. Bähh! Knutschen die immer vor anderen Leuten rum?”
“Jup. Das ist nun mal Aaron. Und hey, du wirst dich schon an die Ausdrücke gewöhnen.”
“Mmmh.”
“Außerdem wird’s noch schlimmer,” erklang eine schneidende Stimme. Überrascht drehte ich mich in Julies Richtung um, denn sie hatte vorher noch kein einziges Wort zu mir gesagt.
Ach, übrigens wollte ich nicht unbedingt wissen das ich in der Hölle bin. Ich mein es ist jetzt schon mehr als nur grausam hier, wie kanns noch tragischer werden, bitte?!
“Julie! Mach ihr doch keine Angst,” sagte Adrian sauer und schaute mich dann entschuldigend an. “Sorry, aber wenn sie mal spricht dann nur pessimistische Sprache.”
“Schon gut,” schnaubte ich und zwang mir ein Lächeln ab, was gar nicht mal so leicht war. Wo bin ich hier nur gelandet?
Bevor ich jedoch weiter über den Sinn meines Lebens spekulieren konnte, wurde die Mensatür heute zum zweiten Mal demoliert - wieso hing die eigentlich noch in den Türangeln, bei den Schlägen musste sie doch schon längst zusammengebrochen sein, oder? - und Mister Arschloch höchstpersönlich kam hereinstolziert. An seiner Seite hing jedoch nicht Lissa - hab ich auch nicht wirklich erwartet… wahrscheinlich hat er sie in der Abstellkammer bewusstlos gevögelt… - sondern ein anderes schönes Mädchen, dass erheblich weniger Silikon enthielt. Hellbraune lange Haare, grünliche Augen und ein - wow - nettes Lächeln. Sie war aber auch wie eine … sie war nicht gerade damenhaft gekleidet. Minirock, enges Top und High Heels.
Aber egal, denn wisst ihr was ich jetzt am liebsten gemacht hätte? Ich hätte gerne jemanden zur Seite genommen und ihn mal so richtig schön verkloppt um meinen Frust rauszulassen. Wieso?!?
Tja, das Mädchen an Aarons Seite… nun ja. Sie hatte keine Aura!!?
Nicht schwarzes, nicht rotes und auch nichts Gelbes schwabberte um sie herum. Nein, nichts. Naga, null, net. Vergiss es.
Hallo?! Kann der Tag beschissener werden?
Erst muss ich mich von Arschloch Hackfresse nennen lassen, werde ausgelacht, flieg dreimal auf die Fresse, werde vollgequietscht, dann kommt noch so ein fieses Höllenkind und jetzt kommt die da angerannt. Was soll das?
Will Petrus mich verarschen?
Oder Gott? Erlaubt der sich nen Witz?!
Oh, egal das er allmächtig ist, denn wenn Gott seine dämlichen Spielchen mit mir treibt, dann trete ich ihm in Arsch. Aber so was von!…
Aahhh, Scheiße! Ich sollte nie wieder an Mordanschläge oder so was in der Art denken, denn dann werde ich bestraft wie man sehen kann.
Denn ratet mal wer gerade zu mir rüberkommt.
Genau Mister- ich- bin- so- ein- beschissenes -Arschloch und das Null- Aura- Mädchen.
Na toll. Wieso kann mich nicht gleich ein Dämonenviech umbringen und meine Seele in die Hölle bringen?
Ach, Sasha bist du das nicht schon längst?

Je näher die beiden kamen, desto panischer wurde ich. Verfluchter Dreck, was soll ich tun? Mich vor meinen neuen Freunden fertig machen lassen oder abhauen und als Feigling dastehen? Hmm, beides ziemlich mistig, wenn man es genau nimmt. Ach Gott, ich könnt kotzen!
Auswegslose Situation.
Leider überlegte ich viel zu lange, so das ich mich immer noch nicht entschieden hatte, was ich tun sollte, als Aaron schon längst vor mir stand. Verachtend schaute er mich von oben herab an - ich muss ja immer noch auf einem Stuhl sitzen, so das ich noch erbärmlicher rüberkomme- und seine Lippen verzogen sich zum spöttischen Grinsen.
“Na sieh mal einer an. Hackfresse du hast ja Freunde gefunden!”
Das Mädchen neben ihm kicherte schrill, hielt aber die Klappe. Leider konnte ich es mir nicht verkneifen sie neugierig zu mustern - wegen ihrer nicht vorhandenen Aura - und natürlich musste Aaron das merken. Und das unmögliche trat ein. Sein Grinsen wurde eine Spur spöttischer. Mist aber auch. Jetzt lässt der bestimmt irgendeinen dämlichen Spruch los, wetten?
“Oh, eifersüchtig? Keine Sorge, es kann ja nicht jeder so gut aussehen wie wir.”
Hey, ich gewinne.
“Okay, ich bin ja nicht hier um mich mit dir über deine kranken und perversen Gedanken zu unterhalten.” Häh?
Auf meinen verwirrten Gesichtsausdruck lachte Aaron nur gehässig auf - ich ignorierte die Tatsache dass er ein wirklich schönes Lachen hatte so gut es ging - und sagte mit fiesem Gesichtsausdruck:
“Glaubst du ich merk nicht wie du Alexis anstarrst? Deine Blicke ziehen sie förmlich aus, du notgeile Mistgeburt. Bist du lesbisch?”
Hätten blicke in diesem Moment töten können, wäre Aaron schon längst abgekratzt. Aber nein, nein, wieso sollte mir so ein Glück vergönnt sein?
“Hab ich ne Schwachstelle getroffen, Hackfresse? Tut mir ja so fürchterlich leid. Gott, wir werden noch viel Spaß miteinander haben. Aber erste nachdem du deine Strafe für heute morgen bekommen hast.”
Oh, das hört sich gar nicht gut an.
“Erst rennst du mich um und schmeißt meine Hausaufgaben durch die Gegend, dann nervst du mit deiner scheiß hässlichen Stimme und beobachtest mich beim Küssen, während du deinen perversen gedanken nachgehst. Als Krönung nennst du mich Arschloch und ich muss dein Gesicht länger als nötig anschauen. So was tut man nicht mit mir, klar? Besonders du Hackfresse kannst dir so was nicht erlauben. Die meisten Mistgeburten lass ich hier in Ruhe, weil sie mich nicht so sehr reizen wie du es getan hast. Außerdem hab ich nicht die geringste Lust ihr Gesicht lange zu betrachte, außer ich will erblinden. Hey, und du wirst nicht reden, solange ich es dir nicht gesagt habe, verstanden?”
Boah, spinnt der jetzt vollkommen?! Alter so ein psychisches Arschloch kann mir echt erspart bleiben. Na gut, ich bin heute schon genug fast ausgerastet. Beruhigen, Sasha. Schhh.
Ach ey! Wenn das so weitergeht brauch ich noch Beruhigungspillen. Und darauf könnte ich gern verzichten!
Als ich ansetzte ihm zu antworten - es wäre was nettes gewesen! Ich schwöre! - schenkte er mir einen warnenden Blick und ich verkniff mir ein genervtes Seufzen und nickte ihm bestätigend zu. Dabei versuchte ich möglichst ängstlich, respektvoll und ehrfürchtig aus zusehen - obwohl mörderisch passte wohl eher.
“Gut und hey, wieso bist du rot?”
Rot. Häh? Was meint der? Ich und rot niemals. Na gut, ich hatte auch noch nie so eine Mordswut auf jemanden.
“Brauchst du ne Abkühlung, Hackfresse?”
Öhm, nö. … Nicht das ich wüsste.
Aaron nahm Lilies Glas - darin war Kaffee und ich hasse dieses eklige Zeug!! - und meinte:
“Vergiss niemals, dass ich der King bin, du hässliche Mistgeburt!” Und mit diesen Worten kippte er mir dieses Scheißzeug - nur so erwähnt es war heiß! - ins Gesicht und lachte verächtlich auf.
Aaaaaaahhhhhhhhhh!
Ohm, du bist Engel. Ohm, du bist das Gute. Ohm, du tötest ihn nicht…
Ach scheiße, meditieren hilft hier nicht!
Boah, bevor ich jetzt den Typ denn ich eigentlich beschützen sollte umbringe verschwinde ich lieber! Sollen die anderen doch denken dass ich jetzt im Klo heule! Mir egal.
Ich schmiss den Stuhl um als ich aufsprang - wie in so einem blöden Film- und lies mir ein paar unechte Tränen die Wange hinunterkullern.
Dabei hätte ich ihm jetzt gerne das spöttische Grinsen aus dem Gesicht geprügelt, aber nein. Dazu bin ich zu nett. Oder einfach zu blöd.
Kurz bevor ich mich umdrehte und an der lachenden Menge - toll, wir hatten Zuschauer - und meinen Freunden - die hatten das Schweigend und traurig angeschaut - vorbei auf den leeren Gang rannte schenkte ich Aaron noch ein spöttisches Lächeln, dass nur für ihn bestimmt war. Sein kurz erstaunter Ausdruck stellte mich minimal zufrieden. Sollte der sich doch Gedanken drum machen, wieso ich nicht verzweifelt war - okay, gut das war ich zwar, aber aus anderen Gründen wie er denkt!
Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Tür und atmete schwer aus.
Hab ich schon erwähnt das ich ihn hasse? Nein? Dann tu ich das jetzt. Ich hasse dieses Arschdings, mehr als alles andere auf der Welt - im Himmel und in der Hölle.
Ich hasse, hasse, hasse, hasse, haa - Waaaahhhhh!
Hinter mir ging die verdammte Tür auf und ehe ich mich versah flog ich schon wieder auf den Boden. Gott sei dank, wurde ich noch rechtzeitig von jemanden aufgefangen und in den Raum gezogen.
Fluchend machte ich mich los und drehte mich verärgert zu dem Jemand um. “Lieber Gott!,” stieß ich ungläubig aus.

Ohne nachzudenken stürtzte ich mich mit aller Kraft - bezieht sich auch auf meine Engelskraft und die ist gewaltig! - auf die Blondine, die in einiger Entfernung vor mir stand. Mit geweiteten Augen beobachtete sie wie ich näher kam und erst im letzten Moment wollte sie nach hinten stolpern um das zu verhindern, was unwiederruflich geschehen würde.
"Nein! Nein, Sasha, nicht!"
Zu spät. Nur eine Sekunde später rollten wir beide lachend in einer Umarmung auf dem Boden - so wie geistigt behinderte Leute. Oh, Gott. Mein Herrscher, mein Meister, mein Bester, du hast mich nicht vergessen! Nein, du denkst an mich. Oh man wie ich dich liebe! I love, love you so much und äh... könntest du das mit den Mordgedanken gegen dich vergessen? War nicht so gemeint!
"Okay, okay, Süße! Lass sie los!," ertönte da hinter uns eine weitere Stimme.
"Timothy!," seufzte ich tief und blickte von meiner besten Freundin - Safira - auf, die immer noch auf dem Boden nach Atem rang.
"War ja irgendwie klar, dass mein Glück nicht lange anhalten würde!"
Timothy grinste - sein altbekanntes Arschlochgrinsen, was meiner Meinung überhaupt nicht zu ihm passt, weil naja, er ist mehr der Ich-kann-Plätzchen-backen-und-verstehe-jedes-deiner-Gefühle-Typ vom Aussehen her. Also so`n total knuffiger Junge mit Sandblondem Haar und total traurigen grünen Augen.
"Hey, verletz seine Gefühle nicht!," lachte Safira unter mir.
"Als ob er sowas hätte," murmelte ich, während ich aufstand und ihr die Hand reichte.
"Ob du`s glaubst oder nicht Gefühle besitz sogar ich," meinte Timo - verdammt, ich muss gefälligst leiser murmeln - gespielt beleidigt.
Lässig wollte ich ihm mein zuckersüßestes Lächeln schenken, aber das Ergebnis war wohl eher bescheiden. Blödes neues Gesicht!
Dafür hatte Timothy aber ein spöttisches grinsen für mich übrig. "Hübsch siehst du aus!"
"Fresse!"
"Nicht gleich so aufbrausend, Süße!"
Lass sie, Timo!," mischte sich Safira ein und musterte mich mitleidig - was mich überraschenderweise so gar nicht aufbaute. "Du siehst doch das sie leidet! Würdest du auch wenn du in ähh, so einem... ja. Hmm."
Sie stockte, weil ihr offensichtlich die richtige Umschreibung für den blöden Körper in dem ich feststeckte, fehlte - was besseres als beschissenes, grausiges Ding fiel ihr wohl nicht ein - und sie schaute hilfesuchend in Timos Richtung. Doch bevor er ihr helfen konnte - der Blödman würde nur was fieseres als beschissenes grausiges Ding finden - meinte ich:
".... in so einer menschlichen Hülle feststecken würdest?,"b fragte ich hönigsüß - diesmal erfolgreich- und musste den durchgeknallten Drang unterdrücken übertrieben mit den Wimpern zu klimpern.
"Ja genau! Wenn du, Timo, in so einer menschlichen Hülle feststecken würdest, dann hättest du was zum heulen, das sag ich dir! Ich mein hast du gesehen wie dieser Fiesling Sasha behandelt hat? Hackfresse! Echt was soll das?! Arme Sash! Obwohl... dieser Aaron ist schon ganz scharf! Hey, Sash, hast du gesehn wie seine Augen gefunkelt haben als er das Zeug über dich gekippt hat? Das war sooo heiß! Der Typ ist wirklich hammergeil und ..."
Wieso war sie eigentlich meine ABF? Kann mich nicht daran erinnern das sie mir mal das Leben gerettet hat, so das ich ihr auf ewig was schuldig blieb.
Während meine beste Freundin also redete hatte ich mich ganz elegant auf einen der Stühle gleiten lassen - hat sich mittlerweile rausgestellt das der Raum ein Klassenzimmer ist - meine Hände brav auf meinen Schoß gelegt und plötzlich zog die Tischplatte meinen Kopf wie automatisch an. Und dasd zwölf mal. Zu einem dreizehtnten Zusammentreffen von Tisch und Kopf kam es nicht, da als ich meinen Kopf mit geschlossenen Augen auf den Tisch niedersausen ... oh, sorry, ich meinte als ich meinen kopf mit geschlossenen Augen vom Tisch anziehn lassen wollte, klatschte mir eine Hand in die Fresse und ich sah mich gezwungen gequält in meinem Tun inne zu halten. Timothy, du Schwachkopf! Lass meinen Kopf los, damit ich ihn mir brechen kann und Safiras bekloppten Mist nicht anhören muss!- es steht nicht zur Debatte das sie recht hat. Aber heißer Aaron hin oder her, er war nun mal ein Megaidiot!
"Safira, Aaron ist mein größter Feind! Also red nicht darüber wie scharf er ist!," presste ich zwischen Timos Hand, die - wieso auch immer - immer noch auf meinem gesicht lag, durch. Scheinbar schuldbewusst hielt sie in ihrer Rede "Aaron Hardy- Was an ihm ist heit, was nicht?" - heiß uberwiegt nicht heiß - inne und ich fragte mies gelaunt:
"Ihr wart also da als Arschdings mich fertig gemacht hat?"
Beide bejaten und öte schoss mir ins Gesicht - verdammt mit dem fiesen Rotwerden muss ich mal aufhören!
"Himmel! Ich glaub`s nicht! Das ist alles so peinlich! Boah, mist. Ihr könnt echt gar nicht glauben wie viele Male ich mir gewünscht habe ihn erdrosseln zu können,diese kleine Made! ZUm Beispiel wie wärs damit?Ich gehe vor allen Leuten auf ihn zu, er schaut mich natürlich spöttisch an und ahnt gar nicht was ich vor habe und ich gehe immer noch und dann Bämmm! Ich... Timothy,hörst du mal auf mein Gesicht zu Hackfleisch zu verarbeiten?! Oder willst du das Arschdings mich zurecht hackfresse nennt?," meinte ich aufgebracht als er doch tatsächlich begann mit seiner Hand - die immer noch auf meinem Gesicht lag!! - mein Gesicht zu kneten. Was soll den der Mist?!
"Hey, ich wollte nur sehn woraus der Körper in dem du steckst gemacht ist. Ich hab mich schon immer gefragt was der Herrscher benutz um diese Dinger herrzustellen. Vielleicht Leichen?," meinte er und ließ endlich von mir ab. Wütend funkelte ich ihn an und dankte ihm im Stillen dafür mir so einen ekligen Gedanken in den Kopf gesetzt zu haben.
"Würdest du wohl bitte aufhören mich wie einen hochinteressanten Chemieversuch anzustarren!? Das nervt," fuhr ich den geflügelten Typ an - der mich jetzt allerdings wie einen vermasselten Chemieversuch anstarrte - und fügte hinzu:
"Und was hast du rausgekriegt, Mr. Wissenschaftler?"
"Tja, öhm, der Körper ist definitiv lebendig."
"Ach, ist das so?!"
"Ja, sorry. Das mit der Leiche ist mir nur so gekommen, weil der Körper eine gewisse Ähnlichkeit aufweist."
"Stirb eines qualvollen Todes, mein Freundchen."
"Bin schon tot."
"Oh, du bist ne eklige Leiche?"
"Seh ich so aus?"
"Wenn ich ja sage, verletzt es dein XXL-Ego?"
"Moment! XXL-Ego?! Komm ich rüber wie ein Egomane?!"
"Leute kommt ihr klar?," mischte sich Safira ein.
"Sehn wir so aus?," brüllten Timothy und ich gleichzeitig. Mit großen Augen sah Safira uns an und verkrümmelte sich dann wieder in eine Ecke. Von da rufte sie:
"Timothy! Petrus hat uns nur zehn Minuten mit ihr gegeben. Also komm!"
Petrus, dieser Blödmann! Wahrscheinlich erfreut er sich an meinen Qualen!... Idiot!
"Ist gut! Tschüss, Süße. Viel Glück!," meinte Timo wieder ganz lieb und gab mir einen raschen Kuss auf die Stirn. Der Abschied wäre ganz nett gewesen, hätte er sich nicht nach dem Kuss schnell abgewand und demonstrativ ein Würgegeräusch gemacht. Ich würdigte ihn keines Blickes und wandte mich meiner ABF zu, die wieder aus der Ecke heraus kam.
"Oohh, Sash, ich werde dich total vermissen! Auch wenn ich dich jeden Tag besuchen komme. Ich bitte dich verrecke hier nicht! Lass keines dieser ekligen Dämonenmutante dich umlegen und erwürge Aaron nicht, egal was er macht! Es ist nicht seine Schuld das er des Teufels Sohn ist, weißt duuu? Und bitte, bitte komm bald zurück, jaa?," weinte sie und drückte mich ganz fest an sich. So seltsam meine ABF auch war, sie war auch ganz schön süß. Wie ein kleines Haustier!
"Natürlich, Safira. Mir und Arschloch passiert nichts."
"Gut. Das ist gut."
Safira ließ mich los und plötzlich wurde der Raum von blendendem Licht durchflutet. Dann waren meine beiden besten Freunde weg. Ähh... nee, moment. Meine ABF und ein Schwachkopf waren weg. Jap, genau. Nix von Timo mein Kumpel! Fertig aus. Basta.
Jedenfalls war ich wieder allein - yippie - und das war grad gar nicht gut.
Denn für meine unmögliche Dämlichkeit würde ich mir liebend gern eine Kugel in den Kopf jagen. Oder einen Bleistift, denn den hatte ich eher dabei als ne Kugel.
Gott, ich war sogar bekloppter als Hohlbirne Lissa und Co. und das sollte schon was heißen.
Wieso zum Geier habe ich weder Timo noch Safira nach Höllenkind Nummer 2 oder nach Alexis gefragt? Wenn sie gesehen habe was Aaron da abzieht, dann müsste ihnen doch auch die zwei komischen Tunten aufgefallen sein, oder?!
Ach, verdammt noch mal Sasha! Wieso bist du auch immer so bescheuert!

Nach dem es zum Stundenanfang geklingelt hatte, erhob ich mich missmutig vom Stuhl und ging aus dem Klassenzimmer, das Gott sei dank leer geblieben war. Ohne jegliche Freude latschte ich durch den leeren Gang zu meinem nächsten Klassenzimmer. Noch zwei Stunden Höllenaufenthalt und dann konnte ich endlich in mein trautes Heim auf die stinkende Couch. Jetzt erschien mir mein Haus gar nicht mehr so schäbig. Wenigstens waren da kein Aaron, keine Tessa und keine Alexis. Da war nur ich und die wahrscheinlich tausende Kakerlaken und Ratten. Aber diese Gesellschaft würde ich immer der von meinem Schützling vorziehen.
Mhmm. Vielleicht könnte ich schwänzen? Überrascht von diesem komischen Gedanken blieb ich stehen und sah wahrscheinlich wie verblödet auf den Boden. Ich mein Hallo?! Ich bin ein Engel und wir schwänzen nun mal nicht! Und überhaupt soll ich hier die Streberin spielen. Und die schwänzen nun mal auch nicht. Aber… die Lehrer würden es doch sicher verstehen wenn ich nach Hause heulen will, oder? In meiner Situation würden die das doch auch tun! Grübelnd setzte ich meinen Weg fort, aber in die entgegen gesetzte Richtung. Ohne das es mir richtig bewusst war, setzte ich einen Fuß nach dem anderen zum Ausgang der Schule. Sasha, Stopp! Umkehren! Nicht nach Hause!
Blöderweise hörte ich nicht grad viel auf meine innere Stimme, also ging ich auch diesmal einfach weiter.
Hey! Hör gefälligst auf mich! Du bewegst jetzt sofort deinen kleinen, unschönen Hintern ins Klassenzimmer und machst deine Arbeit, kapiert?
…. Nö, peilst du das nicht Gewissen?! Ich dampf jetzt ab, wie man so schön sagt! Doch, irgendwie kam es - wieso auch? - nicht zum abdampfen, denn ratet mal wer mir den Weg versperrte. Genau. Tessa Collins, Höllenkind und schon jetzt mit Sicherheit Nervensägen Nummer 2. Oh, und ihre Bulldozerarmee von Schlappschwänzen.
Tessas dunkle Augen - hatte sie schon immer solche roten Sprenkel darin? Gruslig. - durchbohrten mich und ich wusste es war jetzt besser die Klappe zu halten. Keine Ahnung wie lange wir uns so anschwiegen - was wohl bemerkt sicher sehr seltsam auf die Schlappschwänze gewirkt hat. Ich mein mit ihren Erbsenhirnen ist es sicher auch so schon schwer genug zu raffen, dass sie sich in der Schule befinden oder so - aber irgendwann seufzte Tessa genervt auf und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen.
“Kein Wunder, dass Hardy von deinem Gesicht kotzübel wird,” murmelte Tessa, wobei ich sie nett anlächelte und mir wünschte sie kurz erwürgen zu können. Niemand sagt zu meinem Gesicht hässlich, klar?!
Sie räusperte sich und verkündete dann mit lauter Stimme:
“Also, Streber, Arschloch Hardy hat dich als dein Opfer gekennzeichnet. So zusagen als sein Eigentum, dass er nach belieben schikanieren kann.”
Ähem… darf ich ihr eine reinhauen?
Am liebsten hätte ich ihr heulend ins Gesicht gebrüllt, dass ich verflucht noch mal kein Gegenstand war, den man nach belieben rumschmeißen konnte. Wütend kniff ich meine Augen zusammen und blickte stumm in die ihren.
“Aber das geht nicht. Er kann dich nicht als dein Eigentum sehen.”
Überrascht hielt ich inne ihr hübsches Gedicht mit meinen Fäusten zu bearbeiten - natürlich nur in Gedanken - und fragte mich ob sie das tatsächlich ernst meinte.
“Denn du gehörst mir! Er darf sich keinen Anspruch auf dich Mistgeburt nehmen und deshalb wird er dich wohl oder übel mit mir teilen müssen. Wenn Hardy dich will, will ich dich auch. Du kriegst also die Ehre von uns beiden beachtet zu werden.”
Nein, tat sie nicht. Übrigens… Ehre?!! Also bitte.
“Also, du hässliche Kuh, ich werde dir das Leben ab jetzt zur Hölle machen, verlass dich darauf!,” meinte Tessa kühl und ohne jegliche Regung im Gesicht. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass sie mich nur halbherzig hässliche Kuh nannte. Schnell schob ich dieses dumme Gefühl beiseite, genau wie ich die Tatsache ignorierte, dass meine rechte Hand - die ich zur Faust geballt hatte - zuckte. Mit übertrieben freundlichem Lächeln nickte ich und sagte gekünstelt:
“Geht klar, Tessa. Soll ich mir extra was hübsches anziehen, wenn du mich mit heißem Kaffee übergießt?”
Verdutzt blickte Tessa in mein Gesicht.
“Sag mir dann einfach Bescheid, ja?”
Mit diesen Worten verabschiedete ich mich von Höllenkind und ihrer kleinen Höllenschar und ging weiter Richtung Schulausgang. Diesmal lief mir keiner über den Weg und das war auch gut so. Die hätten mich doch in die Klapse gesteckt, so wie ich den ganzen Weg über nach Hause übertrieben freundlich lächelte.
Erst als ich im Haus ankam erinnerte ich mich an das orange Ding, dass ich in der Mensa gelassen hatte. Mist, da muss ich mir sicher einen neuen Rucksack besorgen. Obwohl wäre gar nicht mal so schlimm, oder? Da hätte ich vielleicht eine modische Sache. Naja, oder Adrian oder so hat das Ding mitgenommen.
Ich ließ die Mundwinkel wieder nach unten wandern und seufzte einmal tief. Vielleicht sollte ich was essen? Würde mir sicher beim abregen helfen. Langsam schlurfte ich in Richtung Küche und ignorierte den starken Drang etwas zu zerschlagen oder jemanden zu erdrosseln.
Komm schon, Sasha, du hast für heute doch deine Ruhe. Nicht? Du bist vollkommen allein. Keine hirnaputierten Hohlbirnen, keine Arschlöcher, die du am liebsten erwürgen willst, keine Höllenmädchen, denen du eine Gesichtsretuschierung verpassen willst und auch keine Freunde, die davon reden wie scharf dein Feind ist oder dich als Leichnam bezeichnen. Nope, nichts dergleichen. Nur du, der Herrscher vielleicht und die tanzende Oma, in deiner Küche. Alles ganz easy und…
Moment. Was?!

Ich glaub ich spinne!
Mit geweiteten Augen und offenem Mund blieb ich in der Küchentür stehen und betrachtete ungläubig das, was sich vor mir abspielte. Wahrscheinlich sah ich jetzt aus wie ein Karpfen aber das war mir in dieser Situation reichlich egal. Denn in meiner Küche befand sich gerade eine tanzende Oma!
Und nein, das ist jetzt kein seltsames Sprichwort. Das war wortwörtlich gemeint. Die alte Frau - von mir Oma genannt - war so über die siebzig Jahre alt und trug eine blaue Jeansweste auf einem pinken T-Shirt und einen langen Blümchenrock. Ihre grauen Haare hingen der Oma über die Schulter und auf ihrem faltigen Gesicht zeichnete sich ein friedliches Lächeln ab.
Vor sich hin summend drehte sich die Oma im Kreis - Wow, für ne siebzigjährige hatte die Lady einen klasse Hüftschwung! - und blickte ab und zu auf den dampfenden Herd. Ähh… nicht der Herd persönlich dampfte, sondern der Topf darauf. Es schien als würde die Frau etwas kochen und … Man, Sasha! Es scheint nicht nur so! Es ist so! Was sollte sie denn sonst in den Topf geworfen haben? Dreckige Socken zum waschen? Einen abgeschlagenen Kopf zum einlaufen?
…Sasha, Süße, dir sind schon bessere Beispiele eingefallen, die nicht so krankhaft rüber kamen …
Klappe, innere fiese Stimme! Ich bin grad am Rand des Wahnsinns, also nerv nicht.
Ich atmete einmal tief ein und schloss die Augen.
Das ist alles nur eine Halluzination. Ich bin nur überarbeitet. Hmm. Hey, die Leute die arbeiten kriegen doch immer Urlaub, oder? Bekomm ich den auch? Jedenfalls wäre das mein gutes Recht und wie gestresst ich grad bin brauch ich dringend Ferien! Ich mein, ich bin schon so weit, mir vor zu stellen ich sehe Omas in meiner Küche! Das ist doch der eindeutige Beweis das ich überschnappe. Sonst würde ich mir doch keine Oma halluzinieren, sondern irgendeinen heißen Typ oder so. Aber nein, nein. Es ist eine alte Schachtel die da tanzt.
Langsam öffnete ich zu erst ein Auge, dann das andere.
“Ich… ich bin völlig krank. Total gaga,” flüsterte ich verstört und wandte mich von der Oma, die immer noch tanzte ab. Langsam ging ich ins Wohnzimmer und ließ mich, den scharfen Typen ignorierend der auf einem Stuhl daneben saß, ins alte Sofa fallen. Mir kam es vor, als würde bei meiner Berührung mit dem Sofa, die ganze Luft daraus gepresst worden, denn irgendwie war es nach dem ich darauf lag dem Boden viel näher als vorher. Egal. Ich kuschelte mich in eins der staubigen Kissen rein und schaltet ab. Naja, ich klickte mich aus der Welt raus, aber meine Gedanken ratterten nur so.
Ich bin krank! Geistesgestört! Verrückt! Man kann mich nicht mehr auf die Straße lassen! Vielleicht würde ich mir da vorstellen ein riesiger Truck wäre ein kleines harmloses Kätzchen und dann würde ich darauf zu rennen und es in die Arme schließen wollen und dann… was mach ich mir eigentlich darüber Sorgen?! Ich bin schon tot, falls ich das vergessen habe! Vielleicht würde der Körper dann total im Arsch sein, aber der Herrscher gibt mir sicher einen neuen.
Ahhh. Ich bin schon vollkommen hirnlos.
Wie zur Hölle konnte das passieren?!
Ich war doch immer lieb zu allen gewesen. Der Beweis dafür waren die zwei Flügel auf meinem Rücken, die… ich derzeit nicht mehr hatte. Aha.
Naja, jedenfalls konnte doch nicht ein einziger Tag dafür sorgen, dass sich mein Gehirn völlig von mir verabschiedete! Das war einfach nicht möglich. Nicht in meinem Falle!
Oder anscheinend doch. Ich hatte mein Gesicht die ganze Zeit ins Kissen gepresst, so das ich kaum Luft bekam und ein paar Staubkörnchen einatmete. Hustend rappelte ich mich wieder auf und begegnete zwei dunklen Augen. Vor mir auf einem alten Stuhl, der in mir den Anschein erweckte er würde gleich zusammenkrachen, saß ein scharfer Engel mit braunen Augen und schulterlangen dunkelbraunen Haare.
Ah, da sieht man. Ich bin doch nicht total durch! Jetzt stell ich mir doch einen scharfen Typen vor. Oh, yeah! Ich bin nicht krank! Der Beweis dafür sitz genau vor mir! Ich bin nicht krank sondern ich halluziniere mir nur einen scharfen Engel herbei! Super, wie geil!
Ähhm, nee, warte! Das hört sich doch schon ziemlich gestört an. Mist aber auch. Nach einer Weile des Schweigens, wo mich der Kerl nachdenklich betrachtete wurde ich langsam unruhig. Ah, ganz toll.
Meine Fata Morgana bringt mich aus der Fassung. Oh Gott, was hab ich nur Verbrochen?
“Hallo,” meinte ich schließlich. Jetzt red ich also noch mit dem Ding aus meiner Fantasie. Super, Sasha.
“Hi,” erwiderte der Engel mit sanfter Stimme und süßem Lächeln.
“Alsoo, da ich ja eh am Rand des Wahnsinns stehe, kann ich mich ja auch ein bisschen mit meiner Fata Morgana unterhalten. Du kommst mir irgendwie bekannt vor. Kenn ich dich?”
Das stimmte sogar. Mein Hirngespinst hab ich schon mal gesehen.
Belustigung funkelte in seinen Augen auf und er grinste mich spöttisch an. “Ja, solltest du. Mein Name ist Nathan.”
“Aha. Hübscher Name. Ich bin Sasha.”
Da ich noch halb auf dem Sofa lag richtete ich mich endlich richtig auf, strich mein T-shirt zurecht und reichte Nathan die Hand.
Grinsend nahm er sie entgegen und er fühlte sich echt an! Scheiße, wie kann das sein?!
“Es ist wohl schwer nicht zu wissen wer du bist. Obwohl… du hast dich verändert.”
“Mhh. Scheint so.”
Geistesabwesend antwortete ich dem Hirngespinst und strengte mein nicht vorhandenes Gehirn an. Nathan. Den Typ kannte ich woher! Doch von wo? Ja, ja. Aus dem Himmel. Sogar mir ist das klar.
“Woher sollte ich dich eigentlich kennen?… Sag jetzt nicht aus dem Himmel! Es ist noch nicht so weit mit mir, dass meine Hirngespinste mich verarschen, klar?!”
Jetzt konnte Nathan sich nicht mehr halten. Schallend lachte der Arsch los und beleidigt zog ich einen Schmollmund.
“Man, Sasha! Wir waren in einer Engelsklasse und du hast dich mal an mich rangemacht. War ganz unterhaltsam.”
Wie ein Blitz schlug die Erkenntnis über mir ein und ich erinnerte mich endlich an Nathan. Jap, der Typ und ich waren zusammen in der Schule für Engel, wo wir alles über Dämonen, Jobs und so gelernt hatten. Und ja es gab mal ne Zeit wo ich ein bisschen für ihn geschwärmt hatte. Peinlich. Irgendwann aber wurde er dazu verdonnert auf ein Höllenkind auf zupassen und ab da sah ich ihn nicht wieder.
Aber wieso stellte ich ihn mir vor? Ausgerechnet ihn?
“Aha. Und das erklärt wieso du ihn meiner Fantasie bist?”
“Übrigens sollte ich erwähnen das ich nicht ein Gespinst deines Gehirns bin. Sonder das Petrus mich geschickt hat um dir zu helfen.”
“Also, bin ich nicht verrückt?”
“Oh, irre bist du schon irgendwie. Aber ja in dem Sinne.”
“Und du hast es nicht für nötig gehalten mir zu sagen das du real bist? Nicht bevor ich mich hier zum Deppen gemacht habe?!”
“Nope.”
“Du Arsch!”
Grinsend versuchte er einen Schmollmund zu ziehen was ihm aber nicht gut gelang.
Müde rieb ich mir die Schläfen und sah ihn dann an.
“Petrus hat dich mir also zur Hilfe geschickt?,” fragte ich nach und zog dabei meine Augenbrauen ironisch hoch. Ja klar. Gerade zur “Hilfe”.
“Ja. Ich soll dir helfen gegen die bösen, bösen Teufelsbraten anzukommen.”
“Verarsch dich selber, Nathan!”
“Nein danke. Bei dir ist es witziger.”
“Ehh. Nathan, was passiert eigentlich mit Engeln die Selbstmord begehen?”
“Weiß nicht.”
Ich sage grad ich denke über Selbstmord nach und ihm ist das egal! Ist das zu fassen?! So ein blöder Idiot! Wie konnte ich jemals für ihn schwärmen?!
Seufz. Ich war also schon immer nicht ganz dicht.
“Egal. Was ist mit der Oma? Ist sie auch echt?,” fragt ich angepisst.
“Klar ist sie echt.”
“Oh okay. Dann ist ja alles geklärt. Eine alte Schachtel tanzt in meiner Küche. Nichts ungewöhnliches…. Echt mal hast du ein Rad ab?! Was soll die Oma da?! Hat Petrus sie auch geschickt um mich näher dem Selbstmord zu treiben?!”
Tief seufzend erklärte er:
“Die alte Frau in deiner Küche ist Samantha. Sie kocht eine Suppe. Und nein Petrus hat sie nicht geschickt um dich näher an die nächste Sünde zu treiben. Sie war schon hier bevor ich geschickt wurde.”
Gereizt blickte ich in seine schönen Augen und erwiderte zickig:
“Das erklärt aber immer noch nicht wieso sie hier ist!”
“Keine Ahnung. Sie meinte sie würde immer hier her kommen um die Ruhe zu genießen.”
“Tzzzz. Ich… was… was soll ich mit ihr denn machen?”
“Du lässt sie hier wohnen?,” schlug er unschuldig vor.
“Auf keinen Fall! … Willst du auch hier wohnen?!”
“Nein nein. Vielen dank, aber ich kehre zurück in den Himmel.”
“Und wie bitte willst du mir dann helfen?”
“Naja, ich soll dich vom Himmel aus beobachten und dir immer zur stelle sein. Manchmal komm ich auch runter. Das geht schnell. Oh und du kannst mich rufen.”
“Aja. Falls du wieder oben bist richte Petrus doch bitte aus, dass ich ihm ordentlich einen Arschtritt verpasse wenn mein Hirn wieder ganz aktiv ist.”
“Vergiss es.”
“Dann fickt dich doch!”
“Ich glaub du solltest was essen. Hilft dir sicher einen klareren Kopf zu bekommen…. Und du solltest dich umziehen. Du stinkst.”
“Duu hast ja auch keinen Kaffee in die Fresse bekommen!”
“Das stimmt. Und jetzt komm.”
Nathan wollte mich am Arm packen, aber grummelnd verschränkte ich sie und erhob mich von selbst. Na mit dem Typ konnte das ja noch witzig werden! Wenn ich wieder im Himmel bin kriegt der Obermacker aber was zu hören!
“Übrigens hoffe ich für dich, wenn wir Omas Gebräu essen müsse, das es gut schmeckt. Sonst stehst du dafür gerade!”

Und wieder einmal stand ich in der Küchentür und schaute der Oma beim kochen zu. Nur diesmal nicht alleine. Nein, den neben mir stand Mister Arrogant in Engelsgestalt persönlich. Oder von mir auch liebevoll der Arsch genannt.
Grinsend blickte er zur Oma hin, die wenigstens aufgehört hatte zu tanzen und nun das Zeug im Topf umrührte, und zog mich in die Küche rein.
“Samantha,” sprach er sie sanft an, “das ist Sasha Angel. Sie wohnt hier.”
Bei Nathans einschleimender Stimme blickte die Frau auf und lächelte ihn fasziniert an. Würg. Bähh. Kotz. Das sah ja fast nach flirten aus!
Oma Sam schaffte es das Gesicht für einige Sekunden vom Arsch abzuwenden und mir zu zulächeln. Nicht das ich es erwiderte.
“Wo ist das Essen, Nat?,” fragte ich ihn grummelnd.
“Kannst du`s dir nicht selbst besorgen, Sash?” Belustigt blickte er zu mir herunter - hab ich schon erwähnt das er einen ganzen Kopf größer war als ich? - und richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf Sam.
“Hey, Samantha, du hast doch gesagt das du auch für mich kochst. Da ich nicht besonderen Hunger verspüre gib doch bitte Sasha meinen Teller. Ich glaube nicht das man das was sie kochen würde essen könnte.”
Idiot! Beleidigt verschränkte ich meine Arme an meiner Brust und ließ mich auf einen der Stühle um den Tisch herum plumpsen.
“Vielen Dank auch,” meinte ich ironisch.
“Hab ich gern gemacht.” Grinsend ließ er sch auf einen Stuhl neben mich fallen und blickte mit Hundeblick zur Oma. Diese schaute enttäuscht drein und meinte: “Aber Nathan! Ich hab mich extra angestrengt, damit dir mein Essen gefällt.” Wie ein kleines Kind fing sie an zu schmollen und ich musste mich fragen ob das doch nicht alles eine Fata Morgana war oder so. “Ach Samantha, ich bin mir sicher das es ausgezeichnet schmeckt, aber Sasha ist eben noch ein kleines Kind. Jemand muss sich doch um sie kümmern.”
Sehnsüchtig blickt ich auf das Messer, das zwischen einem Haufen Kartoffelschalen und Karottenstücken lag - ich räum das nicht auf! - und fauchte Nat an: “Hörst du mal auf mit der alten Schachtel zu flirten?”
“Eifersüchtig?”
“Nein, aber das ist vollkommen abstoßend!”
Gerade als er etwas erwidern wollte knallte ein voller Teller mit Suppe vor mir auf den Tisch - wobei die Suppe etwas überschwappte - und erschrocken hob ich den Kopf. Samantha ließ sich mit verärgerter Miene und auch vollem Teller gegenüber von mir sinken und begann eifrig zu schlurfen. Dabei schmatze sie genau so wie ältere Menschen es halt tun.
Etwas angeekelt schaute ich ihr zu bis ich mich mit kleinem Kopfschütteln abwandte und auf meinen eigenen Teller schaute. Mit gequälter Miene wollte ich nach einem Löffel greifen um mir die “köstlich” aussehende Suppe einzuflößen, als mir auffiel das weit und breit kein Löffel in meiner Nähe war. Angepisst wandte ich mich zu Nathan, der mich amüsiert betrachtete und wollte ihn fragen ob er doch so nett sein könnte mir einen Löffel zu holen, als ich es mir anders überlegte. Der würde doch nie zu einem Diener mutieren! Nein, er würde mich beleidigen, auslachen und vor einer Oma demütigen. Nee, danke. Darauf kann ich verzichten! Ein Seufzen unterdrückend stand ich auf und lief auf ein Regal zu in dem ich die Essensgeräte vermutete. Nach einer Minute des Suchens kehrte ich dann mit Löffel bewaffnet zu meinem Platz zurück um das Gebräu zu essen.
“Das… ähm… schmeckte sehr interessant,” sagte ich nachdem ich das Süppchen aufgegessen hatte. Und nein, ich bin weder vergiftet worden noch könnte diese Suppe zu meiner neuen Sucht werden. Gut, zugegeben sie war ganz okay. Aber das würde ich auf keinen fall vor Nathan zugeben.
“Ach vielen Dank, mein Kindchen! Ich hab mir auch wirklich Mühe gegeben. Schließlich will ich meine neue Mitbewohnerin nicht gleich mit meinen Kochkünsten vergraulen,” lächelte sie. Wow, wenn sie gegessen hatte schien sie wirklich netter drauf zu sein.
Moment mal… hatte sie da gerade neue Mitbewohnerin gesagt?! Neinneinnein, das konnte sie sich sofort wieder abschminken! Denn obwohl sie jetzt ganz normal schien bzw. nett, war ich mir sicher ich das würde nicht sehr lange anhalten. Und naja, da ich in der Schule gewiss alles andere als Ruhe haben würde, brauchte ich diese wenigstens in diesem staubigen Häuschen. Ich hoffe das ist verständlich.
“Ähh… Mitbewohnerin?,” fragte ich vorsichtig und bemüht nicht zu brüllen. Nie! Niemals!
“Ja, Schätzchen! Dieses liebe Häuschen ist mein liebes Sommerhäuschen, weißt du? Ich komme jeden Sommer her um meine Ruhe vor den Enkelkindern zu bekommen. Gott, diese kleinen Monster nerven. So etwas von sehr, kapische?”
“Aha, okay. Kapische. So was von,” meinte ich geistesabwesend. Ich stellte mir die Oma grad mit Hexen Hut vor, wie sie zwei kleine Kinder in einem riesigen schwarzen Kochtopf umrührte und dabei irgendein Hexenlied vor sich hinsummte. Woah. Ich schüttelte mich um meinen Kopf frei zu kriegen.
“Sie wollen hier also wohnen, ja?”
Kräftig nickend sagte sie: “Du hast es erfasst.”
“Oh heilige Scheiße,” murmelte ich fertig und ließ mich in den Stuhl sinken. Am liebsten hätte ich mich mit dem letzten Stück Würde das ich hoffentlich noch besaß unter dem Tisch verkrochen und wäre nie wieder rausgekommen. Vielleicht würde Safira mir mal ein Schälchen Milch und etwas Obst runterstellen? Sie mag Kätzchen ja so sehr.
Oh man, im Himmel brauchte ich überhaupt kein Essen, weil ich ja nur eine Seele war. Aber hier besaß ich ja einen beschissenen menschlichen Körper, der ohne Essen sogleich verrecken würde. Sehr schön.
Kein schlechter Plan eigentlich, wenn ich so drüber nachdenke, oder?
… Okay Sasha, hör auf mit den Selbstmordgedanken. Die bringen dich nicht weiter!…
Gut, anderes Thema suchen. Mit der Wohnsache können wir uns später auseinander setzten.
“Also… Samantha. Finden sie es eigentlich normal, dass Nathan Flügel hat?”
“Keineswegs. Aber da er mir erklärt hat, er geht zu einer Kostümparty und spielt Engel finde ich nichts abnormales daran. Du etwa?”
“Ähm. Nein?,” sagte ich wegen dem wilden Aufblitzen in ihren Augen verwirrt.
“Übrigens, Mädchen. Nur weil du seine Schwester bist und er dich besucht, bild dir nicht darauf ein das er dich mag. Kapische?!”
“Mhmm.” Fragend blickte ich zu Nathan, der uns amüsiert beobachtete - Arschloch!
Kostümparty? Schwester?! Also bitte hätte er sich als Ausrede nicht etwas anderes überlegen können?
Nathan räusperte sich und die Oma, die mich herausfordernd angefunkelt hatte, blickte zu ihm, als wäre er ein junger Gott. Ähm, Oma? Es ist scheißegal wie grotesk ich gerade aussehe er würde mich dir immer vorziehen. Natürlich sprach ich diesen schadenfrohen Gedanken nicht aus. “Ich glaub ich muss dann auch mal los. Bis irgendwann mal, Samantha!,” meinte dieser Mistkerl, stand auf und ging zur Küchentür. Ungläubig schaute ich ihm dabei zu - der hatte doch nicht im Ernst vor mich mit der Psycho Oma allein zu lassen??! - und räusperte mich:
“Ähm Nathan? Könnte ich noch kurz mit dir sprechen?”
“Tut mir leid, Sasha. Aber ich komm noch zu spät zur… Kostümparty.”
Damit verschwand der Scheißkerl und ließ die enttäuschte Oma und mich - kochend vor Wut - allein zurück. Eine Weile blieb ich wie erstarrt sitzen, schaute auf die Küchentür und stellte mir vor auf welche verschiedenen Arten ich ihn umlegen konnte. Gibt’s eigentlich Tickets in die Hölle? Ich nehme gern eins.
“Ähm, okay. Ich … ähh. Geh mich mal umziehen. Nathan sagt ich stinke”, meinte ich schließlich.
Nach dem letzten Satz - Nathan sagt ich stinke - verschwand das gefährliche Glitzern aus ihren Augen und sie lächelte mich freundlich an.
“Bald gibt’s Tee, Schätzchen.”
Nickend zwang ich mir ein höffliches Lächeln ab und ging hoch in mein Zimmer und unter die Dusche.
Was für ein scheiß Tag.


“Verfluchte, drecksverdammte, hässliche Scheiße!,” fluchte ich laut und schlug mit der Hand gegen die Tür, die mich von der Außenwelt abtrennte. “Ich hasse, hasse, hasse es!”
Mit Mordswut ließ ich mich gegen die Tür fallen und rutschte an dieser hinunter, bis mein Arsch den dreckigen Boden der Abstellkammer berührte. Ich habe keinen verfickten Bock mehr auf diesen ganzen Mist! Soll man mir doch die blöden Flügel abtrennen, diesen Dreck mach ich einfach nicht mehr mit. Nein, nein und nochmals nein. Ohne Flügel würde ich ruhig als friedliche Seele im Himmel leben und schön mein Himmel-Leben-Dings-Bums weiterleben. Aber hier… was soll das?! Ich… ich wette wirklich, dass sich im Himmel jemand köstlich auf meine Kosten amüsiert. Denn DAS kann doch einfach nur ein böser Scherz sein! Zum dritten Mal in dieser Woche wurde ich heute in dieser stinkenden Abstellkammer eingesperrt und durfte anscheinend hier verrotten - war es nötig zu erwähnen, das diese Kammer mehr als dreckig, stickig und klein war?! Boah, ich bringe Aaron um. Ich töte ihn. Scheiß drauf, das ich ein Engel bin! So etwas lass ich einfach nicht mit mir machen! Er wird gaaaanz grausam an seinem überdimensionalem Ego ersticken und ich werde mich dann totlachen! Muahahahahaaaa!… Hust, hust. Ouh scheiße, hab mich verschluckt. Hmpf.
Ich stieß einen tiefen Seufzer aus und versprach mir nie wieder so etwas zu denken - das tut weder mir noch meinem Engelimage gut. Na schön, ich hab mich abgeregt. Soweit so gut.
Also, eine ganze Woche lang hab ich das ganze schon ertragen. Ich hab mich mit Papierkügelchen bewerfen lassen, mich in der dreckigen Anstellkammer einsperren lassen und niemanden erstochen, wenn man mich Hackfresse genannt hatte. Außerdem durfte ich schon seit längerem meine neue Mitbewohnerin Samantha ertragen - diese blöde Kuh verbietet mir doch im Ernst mein eigenes haus zu renovieren! Pff. - und sie lebt noch! Wohoo. Es ist fast schon krankhaft wie sehr ich mich immer freute nach Hause - ja, so nannte ich es mittlerweile - zu kommen. Immerhin ist Sammy eine bessere Gesellschaft als das Arschgesicht Aaron und die kleine Pissnelke Tessa, meine neue beste Freundin - ironisch gemeint, ja? Und auch meine neuen Freunde waren… ähm, nicht gerade hilfreich. Gut zugegeben, sie waren schon ganz nett, aber das sie mich nie aufmunterten - so wie Safira es immer getan hatte - war nicht sonderlich schön. Huh, wenn wir gerade dabei sind: Wo zur Hölle steckte meine beste Freundin eigentlich?! Seit sie mich das letzte mal mit dem Besserwisser von Timothy besucht hatte, ist sie nicht mehr aufgetaucht! Und das obwohl sie mir geschworen hatte mich jeden Tag zu besuchen! - so konnte ich mir die Idee mit dem ‘unter-dem-Tisch-verkriechen-und-lebenslang-Kätzchen-spielen abschminken. Wie unnötig. Und auch der Arsch, Nathan also, ist nicht ein einziges mal aufgetaucht. Tzz, und das nennt man heutzutage Helfer?! Das ich nicht lache, der ist doch einfach nur ein fauler Sack!
Stöhnend schlug ich meinen kopf gegen die Tür in der Hoffnung bewusstlos zu werde. Doch anstatt in eine erholsame Schwärze hinab zu sinken hörte ich wie das Schloss geöffnet wurde und bevor ich realisieren konnte, was um Himmels Willen geschah, fand ich mich liegend auf dem Boden wieder und hatte meine Augen fest zusammengepresst. Mein Rücken schmerzte zwar, dennoch war ich froh, dass die Tür geöffnet wurde und ich frei war - ehrlich, ich hatte schon Angst gehabt die Spinnen würden mich gleich angreifen!… ich kann diese Viecher nicht ab und ja, ja mir ist vollkommen bewusst das ich ein herzensguter Engel bin, der eigentlich alles und jeden lieben sollte, aber dies entspricht nun mal nicht der Realität.
Da Adrian mich die letzten Tage befreit hatte öffnete ich in der Hoffnung in sein Gesicht zu blicken die Augen und erstarrte sogleich. Von oben blickten mich zwei blaue Augen eiskalt an und der Spott, in diesem Gesicht war überdeutlich. Arschgesicht stand mit einer Horde anderer Kids vor mir und grinste selbstgefällig. “Hallo, Hackfresse! Hat dir die Zweisamkeit mit dem ganzen Schrott da drin gefallen?”
“Nicht das es mir aufgefallen wäre,” konnte ich mir nicht verkneifen zu zischen. Mein Blick glitt zu einem schwarzhaarigen Jungen neben ihm, der einen großen gelben Eimer in den Händen hielt. Ich schluckte. Oh, oh. Das sieht nicht gut aus.
“Was hast du gesagt?,” zornig funkelte es, das Arschgesicht, mich an und ich seufzte theatralisch. “Ja, mein Meister. Es war ein würdevolles Treffen meinerseits und ich danke euch sehr dafür mich mit dem ‘Schrott’ bekannt gemacht zu haben. Sie, Mister Hardy, sind die ehrenvollste, wunderschönste und gutmütigste Person dieser Welt. Mein Held, Mister Hardy,” labberte ich ihn voll ohne selbst genau zu wissen was ich da eigentlich von mir gab. “Äh, was?,” verwirrt blinzelte es mich an und ich verkniff mir ein höhnisches Grinsen. Tja, ‘Mister Hardy’, sie sind nicht der einzige, der so dumm reden kann!
Es schüttelte den Kopf, wie um seine Gedanken neu zu ordnen und grinste mich dann wieder von oben herab an. Man, war diese Situation peinlich! Trotzdem lächelte ich ihm mutig entgegen. Ach, ich könnte kotzen. “Also, du… ähm, tzz, ich bin dein Held, ja?”
Woow! Hatte ich da gerade jemanden aus der Fassung gebracht.
“Jaa, darauf kannst du wetten, Arschgesicht.”
“WAS?,” explodierte er. Oh, mist. Ich bin wohl zu weit gegangen. “Martin,” säuselte er mit unterdrückter Wut. “Jetzt.”
Mo… Moment! Was hieß den ‘Jetzt’?!
Der schwarzhaarige Junge, Martin, trat grinsend vor, blickte mir kurz in die Augen und schüttete das Zeug aus dem Eimer auf mich.
“Ouh Fuck, ist das eklig!,” stieß ich angewidert und atemlos zugleich aus, als ich die komische grünliche Masse auf mir betrachtete. Der Geruch war einfach unerträglich und mehr als abstoßend.
“Viel besser,” zischte Arschgesicht, wandte sich mit der lachenden Menge von mir ab und ging. Mein linkes Auge fing an zu zucken, meine Hände ballten sich zu Fäusten und ich war mir sicher ein irrer Ausdruck erschien auf meinem Gesicht. Das war dein Todesurteil, Aaron Hardy!! Zitternd vor Wut erhob ich mich und rannte auf ihn zu.


”Du wolltest mich sprechen, Vater?,” fragte das Mädchen und eisige Kälte zierte ihre Stimme. Der Angesprochene machte sich nicht die Mühe seinen Kopf zu heben und in die himmelblauen Augen seiner einzigen Tochter zu blicken.
“Was hat so lange gedauert?,” fragte er ungerührt und klang dabei doch vorwurfsvoll. Das Mädchen lächelte freudlos.
“Du hast die Ewigkeit auf deiner Seite, Vater. Was willst du also von der Zeit wissen?”
Der alte Mann lachte ohne jeglichen Humor auf und meinte wissend: “Die Ewigkeit ist auf niemandes Seite, mein Kind. Merke dir: Die Zeit ist unumgänglich.”
"Was deutest du damit an, meinVater?,” fragte das Mädchen mit deutlicher Verwirrung.
"Auch wenn du der Ewigkeit angehörst, kannst du dich nicht vor der Zeit verstecken. Sie findet immer einen Weg zu dir.”
“Tut mir leid. Ich verstehe immer noch nicht ganz.”
"Wisse, das dich die Vergangenheit immer einholt, Tochter. Du kannst nicht fliehen. Aber nun denn, alles zu seiner gegebenen Zeit, Kind. Ich habe dich nicht herbestellt um mit dir über die Zeit zu reden. Sondern über ein viel wichtigeres Thema.”



“Au! Au! Au! Bist du wahnsinnig!?,” schimpfte mich Aaron aus als wir gemeinsam über den harten Boden kullerten. Davor hatte ich ihn mit all meiner Gewichtskraft zu Boden geworfen und mich dann auf ihn draufgeschmissen. Wie es schien war das arschige Etwas nicht sonderlich gut gelandet, sodass es vor Schmerzen stöhnte und sich den Arm hielt. Ich hingegen war auf meinem Bauch gelandet und beobachtete zufrieden wie Aaron sich dann angewidert betrachtete - schließlich war er mit mir in Berührung gekommen und hatte somit was von der klebrigen grünen Flüssigkeit, von der ich immer noch nicht wusste was es war, abbekommen. Haha.
“Bäh! Igitt! Pfui Teufel!,” fluchte Aaron laut und setzte dann einige etwas bösere Schimpfwörter hinzu. Überrascht betrachtete ich ihn und fragte mich was zum Henker mit ihm los war. Klar, er wurde gerade von einem Mädchen umgeschmissen und hatte irgendwas abartiges an sich kleben, aber war das ein Grund um wie ein Kind zu jammern? Naja, ich hätte ja schon irgendwie mehr erwartete. Zum Beispiel das er mich zusammenschlagen würde oder mein Kopf das Vergnügen hätte ein Meet & Greet mit dem Klo und dessen Wasser zu haben - was nicht sonderlich hygienisch sein dürfte. Aber nein, stattdessen zickte er wie ein Mädchen rum. Unkontrolliert fing ich an zu kichern, worauf ich mir einen bösen Blick vom Arschloch einfing und er sich schnell vom Boden erhob.
“Sag mal, bist du eigentlich von allen guten geistern verlassen oder was sollte das?” Langsam richtete auch ich mich auf und strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. “Was? Findest du das Zeug auch so eklig wie ich?,” fragte ich mit großen Augen.
Aufgebracht deutete Aaron auf sein Gesicht und schnauzte mich an: “Ähm, ja klar?! Das zeug stinkt und…”
“Weißt du überhaupt was das ist?,” unterbrach ich ihn sauer. Als ob ich jetzt an allem Schuld war! Schließlich hatte ER mir den Mist ins Gesicht gekippt.
Etwas verlegen starrte das Arschloch zur Seite und nuschelte: “Nicht so genau.” Was?! Ich glaub ich spinne!
“Aha. Du kippst mir also undefinierbares, möglicherweise giftiges Zeug in die ‘Hackfresse’. Wow. Okay. Du musst mich echt hassen. Ach und übrigens, du kannst mich mal.”
“Ich hasse dich nicht!,” sagte er leise und fügte schnell hinzu: “Ein Kumpel von mir hat ein bisschen experimentiert und hat dabei diese Flüssigkeit entwickelt. Und ja, ich kam dann halt auf die Idee…”
Ich ließ ihn nicht ausreden sondern unterbrach ihn mit sarkastisch klingender Stimme: “Wieso töten wir die letzten paar Nerven der Streberin nicht mal ab, indem wir ihr giftige Substanzen ins Gesicht gießen? War das dein genialer Masterplan, du Arsch?!”
“Ähm nein. Ich wollte dich ärgern. Und hey man, ich schwöre, das Zeug ist nicht giftig! Außerdem hast du mich gerade umgeworfen!”
“Ja, ja. Steck dir das sonst wohin.” Ich drehte mich von dem Arsch weg und merkte erst in diesem Moment was da gerade zwischen uns passiert war. Schnell schaute ich noch einmal zurück zu Aaron, direkt in seine Augen. Nichts von der eisigen Kälte, die sonst seinen Blick erfüllte, konnte ich erblicken. Seine Augen wirkten in diesem Moment einfach nur… menschlich. Was in Herrgottsnamen lief den da gerade ab?! Mehr als verwirrt schaute ich auf den Fußboden und strengte mein Hirn an. Ich hatte ihn auf den Boden geschubst, hab ihn mit der ekligen Flüssigkeit beschmiert und ihn beleidigt. Welchen Grund hatte er da so zu mir zu sein? Man konnte ja schon fast meinen er wäre nett - für seine Verhältnisse jedenfalls. Woah, was für eine krasse Vorstellung! Aaron und nett?! Eher würde der Teufel mir Blumen schenken! Jedoch… vielleicht lag es daran, dass ich ihn berührt hatte? Möglicherweise hatte meine positive Energie eine Auswirkung auf ihn. Mhmm, hatte Petrus so was ähnliches nicht mal erwähnt?
Ich bemerkte wie ich angestarrt wurde und hob meinen Kopf ein wenig an. Aarons Leute blickten verwundert zwischen ihm und mir hin und her, bis Martin schließlich grinsend zu mir sagte: “Respekt, Mistgeburt. So hat ihn noch kein einziges Mädchen flachgelegt.” Ich zeigte ihm freundlich den Mittelfinger und Aaron schnaubte verächtlich. “Flachgelegt? Ich bitte dich. Die Hackfresse hat mich vergewaltigt!”
“Ah, du bist also so schwach das du dich von mir,” ich deutete auf meinen Körper, “umschmeißen lässt?”
Darauf hatte Aaron wohl keine plausible Erklärung, deshalb zuckte er nur mit den Schultern und brummte ein höfliches ‘Leck mich!’.
Wahahahaha, Sasha siegt. Mein erster verbaler Sieg gegen das Arschgesicht. Applaus bitte!
“Was ist den hier los?!,” donnerte eine mir unbekannte Stimme und wir alle zuckten erschrocken zusammen. Mein Blick glitt zu dem älteren Mann, der mit verärgerter Miene auf uns herabstarrte - er war wirklich riesig!
“Oh, ähm, Herr Dicksen! Wir, äh, wollten…,” genervt unterbrach der Lehrer Martin und fauchte: “Es ist mir reichlich egal was sie wollten. Aber was zum Teufel ist mit denen da passiert?!” Dabei zeigte er auf mich und Aaron und ein kurzes Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. Mistkerl!
“Naja, die Mistgeburt hat mich angegriffen und…,” versuchte Arschgesicht gelassen zu erklären - wobei ich ihm liebend gern die Augen ausgekratzt hätte - doch der Lehrer unterbrach ihn grinsend: “Ah, also bist du schwach, dass du dich von so einer,” dabei deutete er auf meinen Körper, “umschmeißen lässt?” Sofort kniff Aaron wütend die Augen zusammen und ich sah ihm an, dass er den Lehrer gern vermöbelt hätte. Ich kicherte wie eine Irre los.
“Was ist so lustig, du Rotzgöre?!,” zischte der Lehrer nun auch mich an und ich verstummte augenblicklich. Herrgott, was war den das für ein blöder Typ?
Er deutete auf die ganzen Leute um mich und Arschgesicht herum.
“Ihr verschwindet jetzt! Und ihr zwei,” er schaute mich und Aaron direkt an, “ihr geht euch jetzt erstmal waschen! Da rein!”
Mein Blick folgte seinem ausgestrecktem Finger und ein weiterer Lachfall ergriff mich.
“Nein, warten sie! Ich kann doch nicht auf ein Mädchenklo,” meinte Aaron aufgebracht, woraufhin ich noch heftiger lachte. Oh man, wenn das so weiter geht ersticke ich noch.
“Gehen sie sofort da rein, Hardy!” Leute, ich verrecke!
Aarons Gesichtsausdruck, als wir zur Mädchentoilette marschierten, ließ mich die letzten Tage vergessen.
“Ach und übrigens hoffe ich sehr sie beide benehmen sich bei der Klassenfahrt um einiges besser,” sagte der seltsame Lehrer und ging den leeren Flur entlang. Wtf?!
“Was, äh, für ne Klassenfahrt?,” wandte ich mich entsetzt zu Aaron, der mich fies angrinset. “Oh, wusstest du das nicht? Nächste Woche fahren wir mit der Klasse für ne Woche weg.”
“Was?! Wohin?”
“In irgend so ein abgelegenes Kaff an einem See.”
Oh scheiße, scheiße, scheiße! Wieso sagt mir das denn niemand?!
“Aber keine Sorge, Hackfresse. Ich werde dich nicht gleich am ersten Tag ertränken.”
“Ja, ja,” brummte ich, “ geh du lieber mal schneller zum Mädchenklo. Oder willst du das Zeug nicht auch loswerden?”
“Ach fick dich,” eingeschnappt stieß er die Tür zur Toilette auf und versuchte krampfhaft nur auf den Boden zu starren. Kurz grinste ich, doch das verflog schnell als ich an die bevorstehende Klassenfahrt dachte. Himmel, wie sollte ich das bloß überleben?! Hier hatte ich wenigstens ne Hütte, wohin ich abhauen konnte, aber da würde ich dauernd mit den anderen zusammen sein. Kacke! Wer garantierte mir den, dass Aaron sein Versprechen hielt und mich nicht ertränkt? Naja, obwohl… gar nicht mal so eine schlechte Aussicht.
Erst das Geräusch von Wasser versetzte mich zurück in die Realität und ich blickte zu Aaron, der sich das T-shirt ausgezogen hatte und es jetzt wusch. Überrascht schaute ich ihm dabei zu, bis er meinen Blick bemerkte und zischte: “ Starr mich nicht so an, du notgeile Mistgeburt!”
Ich zuckte lediglich mit den Schultern und gesellte mich zu ihm an das zweite Waschbecken.
“Ich bin nur verwirrt. Eigentlich hatte ich von dir erwartet, dass du mir deine Sachen geben würdest, damit ich sie wasche.”
Arschgesicht schnaubte und erwiderte: “Ich will nicht, dass du meine Sachen anfasst.”
Spöttisch blickte ich zu ihm hinauf und fragte: “Bin ich dessen nicht würdig?”
“Nein.” Ich seufzte theatralisch und meinte gespielt verletzt: “Oooh, das trifft mich aber mitten ins Herz.” Dann setzte ich meine Brille ab und löste meinen Zopf, sodass meine braunen Haare in langen Wellen über meine Schultern fielen. Verwundert beobachtete Aaron mich und genervt fragte ich nach was den jetzt schon wieder los sei.
“Du benimmst dich anders.”
“Anders als deine anderen Opfer?”
Belustigt schüttelte Aaron seinen Kopf und erklärte: “Außer dir mobbe ich niemanden. Eigentlich sind die anderen Mistgeburten mir vollkommen egal. Aber du… naja, keine Ahnung. Du regst mich einfach so auf.”
“Oh, also darf ich das alles als Ehre verstehen?”
“Kann man so sagen, ja. Du kriegst schließlich meine Aufmerksamkeit.”
“Lass dir eins gesagt sein, Arschgesicht. Deine Selbstverliebtheit kotzt mich an.”
“Und du kotz mich insgesamt an, du Hackfresse,” meinte er und blitzschnell dreht ich mich um und blickte ich direkt in seine grauen Augen, in denen ich nichts menschliches mehr entdecken konnte. Der Zauber, den meine Berührung ausgelöst hatte, war verflogen und mein Herz verkrampfte sich ein wenig. Die eisige Kälte, die in seinem Blick lag, verursacht mir eine Gänsehaut - genau wie seine Stimme es vor einigen Sekunden getan hatte.
“Ich hau dann mal ab,” informierte er mich gelangweilt und entfernte sich von mir. Kurz vor der Tür blieb er noch einmal stehen und sagte: “Das grüne Zeug in deinem Gesicht steht dir. Scheiße gehört schließlich zu Scheiße, nicht?” Elegant zeigte ich ihm meinen Mittelfinger.
Aarons Mundwinkel verzogen sich nach unten. “Für heute wirst du bezahlen,” ließ er mich tonlos wissen und ließ mich im Mädchenklo alleine stehen. Genervt und überraschenderweise ein wenig traurig wandte ich mich zum Wasserhahn und drehte ihn auf.

Montag stand ich dann mit einer schwarzen Reisetasche neben Adrian und Lili und wartete mit den anderen aus meiner Klasse auf die Schrottkiste, die uns in das Kaff bringen soll. Augen verdrehend starrte ich diese dann nach weiteren zehn Minuten an, wie sie um die Ecke angekrochen kam. Kurz ließ ich meinen Blick über die zwei Klassen, also meine Klasse und unsere Parallelklasse, wandern und seufzte genervt auf. Aaron stand bei seinen Kumpeln und lachte sich über irgendwas einen ab. Neben ihm stand Alexis, doch sie schaute weder ihn noch sonst einen der Beliebten an. Ihre himmelblauen Augen hingen lediglich an einem braunhaarigen Mädchen, das ein weites gelbes T-shirt mit einem Smiley und eine schwarze Jeans trug. Sasha Angel.
Ich fragte mich schon seit einiger Zeit, wieso sie mich andauernd so anstarrte. Eine Antwort darauf erhielt ich jedoch nicht.
“Hey, kommst du?,” riss mich Adrians Stimme in diesem Moment aus den Gedanken und ich nickte leicht. Dann folgte ich ihm in den Bus hinein und ließ mich neben ihn in einen Sitz ganz vorne plumpsen. Lili setzte sich neben ein andere Mädchen mit dunkelblonden Haaren und braunen Augen. Dabei warf sie mir einen Blick zu, den ich nicht genau deuten konnte. War es Abscheu, die ich sah?


Ein Arschloch kommt selten allein.

„Hass, “ murmelte ich immer wieder, während Adrian versuchte den Kaugummi, den einer aus Aarons Höllenschar kurz zuvor in mein Haar geklebt hatte, zu entfernen. „Gigantischer Hass.“ Kurzer Schmerz durchzuckte meinen Kopf als Adrian ausversehen einige Haare ausriss. „Hass; kaum mit Worten zu beschreiben.“ Mein guter Freund zerrte am Kaugummi - immer und immer wieder. „Hass, großer Hass…“ Noch mehr Schmerz, noch weniger Haare. Danke, beschissener Kumpel eines beschissenen Aarons.  „Sasha, pupsi, könntest du bitte aufhören, wie eine Psychopathin starr den Hinterkopf des Mädchens vor dir zu betrachten? Oder muss ich noch Angst bekommen, dass du ihr gleich ein Messer in den Kopf rammst?“  Adrian versuchte leise zu sprechen… aber vergebens. Das Mädel, das im Bus vor mir saß, drehte sich verunsichert zu mir um und zuckte erschrocken zusammen, als sie in mein Gesicht blickte. Ich frag mich was sie mehr erschreckte - mein starrer Blick oder der aufgemalte Penis auf meiner Wange, den Aaron mir verpasst hatte, als ich am dösen war. Adrian, mein edler Ritter, war leider Gottes viel zu feige, als dass er es hätte verhindern können. Jedenfalls drehte das Mädchen ihren Kopf wieder nach vorn, doch verlor nichts von ihrer angespannten Körperhaltung.  Langsam drehte ich mein Gesicht zum edlen Ritter und starrte nun diesen mit meinem sogenannten ‚Psychoblick‘ an. „Ähm, das soll aber nicht heißen, dass du mich jetzt so anschauen musst, ja?!“  Ich schwieg. Wut, Wut, Wut, Wut, Wut. – das einzige Gefühl, was mich im Moment erfüllte. „Sasha.?!“ Ich glaub, Adrian bekam langsam Panik.  Gut, zugegeben, vielleicht wirkte ich doch ein bisschen gruslig, „Ich. Will…,“ zähneknirschend spie ich die Worte aus.  Unsicher schaute mein Kumpel mich an. „Was willst du?“ „… ihn. Erwürgen. Sofort.!“ Beruhigt machte er sich wieder daran, den Kaugummi zu entfernen. „Das wollen viele, Sash. Sehr viele.“ Ach, warum nur?! Buuum. Mein Kopf flog gegen den vorderen Sitz, als der Bus mit quietschenden Reifen anhielt. „Auaa…“ Nicht weit weg bekamen einige Leute Lachanfälle, während ich den Busfahrer in Gedanken verfluchte. Maan, wie wär’s mal mit einer Vorwarnung?! Seufzend machte ich mich mit zerstörter Frisur ins Gedrängel, als alle aus dem Bus strömten. Dicht gefolgt von Adrian.  Draußen angekommen blickte ich mich in meinem neuen Umfeld um. Grün, alles grün – das war das erste was mir auffiel. Das zweite war: alt, alles uralt. Kleine verschimmelte Holzhütten standen zwischen Bäumen, die hoch in den Himmel ragten. Überall blühte Unkraut, in all seiner Pracht. Jup, das konnte man wirklich als Einöde bezeichnen.  „Wirklich hübsch hier,“ hörte ich eine bekannte Stimme neben mir sagen. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf ein wenig zur Seite und… erlitt fast einen Herzinfarkt.  „Was um Himmels Willen tust du hier?!,“ fuhr ich Nathan an, der ohne Flügel in einem rotkarierten Holzfällerhemd, dreckiger Jeans und Wanderstiefeln rum stand. Mein sogenannter ‚Helfer’, der sich kaum blicken gelassen hatte, schenkte mir ein strahlendes Lächeln, wobei seine Augen jedoch spöttisch aufblitzten. Dann wandte er sich dem Rest, also den zwei Klassen, zu und brüllte mit lauter mächtiger, aber dennoch freundlicher Stimme: „Ich bitte um Ruhe!“  Ich weiß ja nicht woran es lag – vielleicht seine kräftige Stimme, sein bezaubernder Anblick oder auch eine höhere Macht – aber alle meine Mitschüler hörten abrupt mit ihren Gesprächen auf und starrten Nathan mit unverhohlener Neugier an. Alles war still. Sogar die Grillen, die vorher hier überall rumgezirpt haben, hielten ihre Fresse. Wow. Dafür bekam Nathan meinen vollen Respekt… aber nur kurz. Wie feierlich verkündete er nämlich: „Mein Name ist Nathan und für diese eine Woche, die ihr hier in unserem wundervollem Dörfchen verbringt, bin ich einer eurer Betreuer. Wenn ihr Probleme oder Fragen habt, wendet euch bitte an mich. Doch, wenn ihr nur etwas unwichtiges wollt, so wendet euch bitte an diese Menschen hier,“ während ich vor Fassungslosigkeit fast ohnmächtig wurde, deutete unser ‚Betreuer‘ auf vier weitere Leute, die in diesem Moment aus dem Schatten der Bäume traten. Nathan zeigte auf einen kleinen bierbäuchigen Mann mit Glatze und Hornbrille, der irgendwie gruslig wirkte. „Das ist Günther.“ Dann stellte er uns eine junge Blondine, mit Monstertitten und wahrscheinlich einem Hirn aus purer Luft, mit dem sehr besonderen Namen CloClo vor – ein französischer Name hinzugefügt. Nathan machte mit einem jungen Kerl namens Mike weiter, der uns allen ein strahlendes Lächeln schenkte. „Hi, ihr Süßen,“ schnurrte er mit heiserer Stimme und ich korrigierte mich sofort in Gedanken. Nein, das strahlende Lächeln galt wohl nur den Mädchen. „Und last but not least,“ unterbrach Nathan Mikes Flirtversuche heftig, „ Deborah.“ Ein Mädchen mit schulterlangen schwarzen Haaren und braunen Augen, die in der Sonne fast schon rot wirkten, starrte uns entgegen. Eigentlich war sie ganz hübsch, nur ihr Blick… er war so feindselig, böse. „Hallo,“ wisperte sie; und es war als ob diese Worte nur für mich bestimmt waren. Ein Schaudern durchlief meinen Körper. Okaaay, das war seltsam. Und gruslig. Und komisch. Und verstörend. Und…  „So, jetzt kennt ihr uns alle. Ich verabschiede mich dann für’s erste, da ich noch ein bisschen Arbeit vor mir hab. Während meiner Abwesenheit möchte ich euch bitten die Regeln, die Günther euch gleich vortragen wird, streng zu befolgen und euch keinen Ärger mit mir einzuhandeln. Des weitern: Viel Spaß noch!,“ mit dieser Rede unterbrach der Blödmann meinen Gedankengang und lächelte uns alle noch ein einmal an, bevor er sich umwandte und schnellen Schrittes hinter einer Hütte zu verschwinden drohte. Ich, dummer Engel, konnte nicht an mich halten und schrie ihm laut hinterher: „Ey, du Depp, warte!“  Alle ignorierten diesen Ausruf meinerseits, keiner schaute mich komisch an und ich lebte glücklich weiter. … falsch, das war nur Wunschdenken. Im Gegenteil, alle guckten mich an als wär ich eine Ausgeburt der Hölle oder als hätte ich einen Hai auf meinem Kopf. Einfach, als wär ich nicht normal.  Nathan blieb ruckartig stehen und drehte sich langsam mit abschätzigem Blick zu mir um. Er wartete darauf, dass ich etwas sagte… so wie alle anderen auch. „Ähm, danke. Ihnen auch viel Spaß,“ nuschelte ich peinlich berührt und einerseits auch wütend. Nathans Schuld. Alles seine Schuld. Nur seine! Warum musste er auch plötzlich hier auftauchen und mich in so eine behämmerte Situation bringen?!  „Ähm ja,“ meinte er nur und schenkte mir einen Blick, der deutlich aussagte, dass er mich für total bescheuert hielt. Ich schaute ihm wütend hinterher. Arschloch. Ich wette, wenn er gleich um dieses hässliche Holzhäuschen biegt, schmeißt er sich auf den Boden und wälzt sich dann lachend im Dreck. Arschloch. Er, als mein Helfer, lässt mich hier ganz allein mit diesen seelenlosen Monstern. Arschloch. Eigentlich sollte er mir helfen, aber durch ihn bin ich jetzt in so einer dummen Situation. Arschloch. Also, was genau ist Nathan? Wer kriegt es raus? Na? Hat jemand die Lösung? Nein? Okay, ich geb euch einen Tipp. Er ist eine verdammte Gesäßöffnung. Jawohl, das ist er!  Na gut, von mir aus. Kümmern wir uns erst um die Meute, die mich immer noch so doof anstarrt und dann können wir Nathan einen ganz harmlosen Besuch abstatten, bei dem ganz sicher niemand verletzt wird. – man beachte die Ironie. Ich werde ihm garantiert weh tun! Egal, das regeln wir noch später.  Ich atmete tief die frische Luft ein, wobei mein rauchendes Gehirn endlich gelüftet wird und drehe mich mit geschlossenen Augen zu der Meute um. „Das…,“ setzte ich zu einer Erklärung an, wurde aber rüde von ‚Günther‘ unterbrochen. "Regel 1..," begann er und ich nahm das als Zeichen abzuschalten. "Und das war die 50. Regel!," damit verkündete er das Ende dieses Vortrages. 50 Regeln? Das ist doch ein Witz!  „Ihr werdet in vier Gruppen eingeteilt. Zwei Mädchengruppen und zwei Jungengruppen. Und dann geht ihr einfach nur nach euren Klassen. Und jetzt… hopp, macht hin,“ sagte Günther und holte mich somit aus meinen Gedanken. Verwirrt gingen alle zuerst in ihre eigenen Klassen, dann trennten sich Jungen und Mädchen.  Am Ende entstanden vier Gruppen und sieh an, sogar die Blondchen kapierten das System.  Naja, fast. Lissa musste mit roher Gewalt von Aaron getrennt werden, während dieser amüsiert dabei zu sah. Jedenfalls bildeten wir am Ende vier Gruppen.  Und ich, ich war heilfroh, dass ich keine Erklärung für mein ‚seltsames‘ Verhalten abgeben musste und hoffte einfach nur, dass alle meinen Ruf nach Nathan vergessen würden.  „Okay, das habt ihr gut gemacht,“ schwer atmend und mit hochrotem Gesicht strafte Günther eine bockige Lissa mit vernichtendem Blick – er war es, der sie von Arschgesicht weggezogen hat – und lächelte den Rest dann halbwegs freundlich an. „Gruppe 1 seit ihr.“ Er schaute eine Jungengruppe auffordernt an. „Ihr geht mit Mike.“  Mike, der aufreizend lächelte, ging mit dem Hintern wackelnd auf die Jungs zu und flötete augenzwinkernd: „Kommt mit, Booooys. Ich zeig euch euer Zimmeeer… und meins bekommt ihr auch gleich zu seeeehen.“ Aha. Ich hab mich also doch geirrt. Das strahlende Lächeln von vorhin galt einzig allein den Jungs.  Mike war schwul. Okay, verstanden. Kichernd und halbwegs angewidert folgten die Jungen unserer Klasse, Aaron und sein Trupp mit eingeschlossen, dem schwulen Typ. Na dann, viel Spaß, Arschgesicht.  „Und ihr da geht mir Blondi… äh, ich mein CloClo mit.“ Sein ‚Versprecher‘ erzeugte ein wenig Kichern. Der zweite Jungentrupp war aber froh, das Blondchen abzukriegen. Hechelnd, wie kleine Schoßhündchen, folgten sie ihr.  „Ihr Mädels kommt mit mir,“ er zeigte nicht auf meine Gruppe, nein, sondern die wo Tessa war. – überraschenderweise hatte sie mich heute den ganzen Tag lang in Ruhe gelassen. Leider traf das nicht auf Aaron zu – ich sag nur: Penis! – der wie einer dieser Penner aus South Park um mich rum geschlichen ist. Hat nur noch gefehlt, dass er gefragt hätte: „Kleingeld?“  Hey, und fragt nicht woher ich diese sündige Serie kenne! – Samantha ist halt ein Fan. Aber jetzt stand ich vor einem kleinen Problem. Meine Gruppe bekam diese Psychobraut Deborah ab. Ich mein ihr Blick… grauenhaft!  „Kommt,“ sagte sie gelangweilt und führte uns in ein kleines Wäldchen rein.  Ähm, Aaaaaangst?! Psychobraut und Wald zusammen? Das geht nun mal gar nicht.  Ob sie uns jetzt umbringen wird? Nein. Sie führte uns lediglich zu einer riesigen Holzhütte.  „Das ist euer schlafplatz. Da drin gibt es 7 Zimmer. Zwei Fünfer-Zimmer, drei Vierer- Zimmer, ein Dreier- und ein Zweier-Zimmer.“ Insgesamt waren wir 14 Mädchen. Müsste klappen. „Will jemand, dass mit den fünf Betten?“ Suchend blickte sie sich um. „Okay, ihr Mädels.“ 5 Blondinen drängelten sich nach vorn, Lissa an der Spitze, und nahmen sich den Schlüssel, den Deborah ihnen hinhielt. Dann verzogen sie sich in die Hütte, die Einwände der Betreuerin ignorierend. Angepisst wandte diese sich zu uns um, murmelte sowas wie ‚Ignorante Vakuumbirnen‘ und fragte uns: „Wer möchte ein Vierer-Zimmer?“ Sofort schossen acht Hände nach oben und somit war alles geklärt. Da ich und Lilie die einzige ohne Zimmer waren, nahmen wir uns logischerweise das Zweier-Zimmer. „Um 18.00 Uhr ist Abendessen! Ich hol euch dann ab!,“ rief Deborah uns nach, als wir den Eingang der Hütte erreicht hatten. Ich warf ihr einen Blick über die Schulter zurück und musste schlucken. Shit, ihre Augen! Irre ich mich oder waren sie wirklich so hammermäßig rot?!  Ich schaute wieder nach vorn und Bääm! bekam ich die Holztür in die Fresse. „Auaa…,“ stöhnte ich heute zum zweiten Mal. Was hatten die alle nur gegen mein Gesicht? Ein braunhaariges Mädchen steckte ihren Kopf nach draußen und schaute mich mit großen Augen an. „Entschuldige!“  „Schon gut,“ brummte ich und musterte dabei die Unbekannte. Sie war ein typisches Mauerblümchen. Graue Augen, langweilige glatte Haare und Klamotten ohne jeglichen Stil. Aber sie ging nicht in meine Klasse, was machte sie also an so einem Ort… freiwillig? „Nein, nein. Gott, das tut mir so unendlich leid!“ Bekam sie Tränen in den Augen?! „Ehrlich, es ist nicht schlimm,“ versicherte ich ihr lächelnd. „Aber…“ Okay, jetzt nervts! „Alles gut,“ meinte ich knallhart, schob sie aus dem Weg und ging durch die Tür in die Holzhütte hinein. Maan, war dieser Tag anstrengend. „Du hättest ruhig netter sein können!,“ fuhr mich da Lilie von der Seite an und guckte mich mit kaltem Blick an. Oh, um Himmels Willen, krieg ich heute den nie meine Ruhe? „Lil, sorry, aber ich will jetzt echt nicht noch mit dir streiten,“ seufzte ich erschöpft und umfasste meine Reisetasche fester.  „Ignorante Schnepfe,“ hörte ich sie fluchen, blieb ungläubig auf der Stelle stehen und schaute ihr dabei zu wie sie schnellen Schrittes auf unser Zimmer zusteuerte.  Wie hat sie mich gerade genannt?! Ignorante Schnepfe?! Ey, die spinnen heute doch alle! Angepisst ging ich auf unser gemeinsames Zimmer zu und zog am Türknauf. Vergebens. Die Tür bewegte sich nicht, also versuchte ich mit Klopfen. „Lilie?,“ rief ich. Hatte sie ernsthaft abgeschlossen?! „Mach auf.“ „Du Miststück! Hau ab!,“ schrie sie nur und ich erlitt beinahe einen Kollaps. Ergeben ließ ich mich mit dem Rücken an der Tür herabsinken, zog meine Knie an, bettete meinen Kopf darauf und umschlang meine Knie mit den Armen. Was ist nur mit diesem Mädchen los? Was hab ich ihr denn getan? Und warum zum Teufel hab ich ihr bloß den Zimmerschlüssel überlassen?! Boah, die auf der Erde haben doch alle einen totalen Hirnschaden!

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Tag der Veröffentlichung: 26.07.2011

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