Natürlich gehört Sitala Helki in erster Linie ein DANKE - für ihren Kampf mit meinen ewigen Fehlerteufeln!
Ebenso Bernd Frielingsdorf – der sich des Ganzen nochmals erbarmte – ,einfach weil ich nach Sitalas Korrektur die Geschichte noch hundertmal umgeschrieben habe – und dabei fleißig an Rechtschreibung und Interpunktion frevelte.
Das Cover gab ich in Auftrag und finde es ist zum niederknien! – oder Sabbern ... je nachdem. Sogar meine Bookrixblume wurde umgesetzt. Vielen DANK – und hier der Link zur Seite der Künstlerin:
>https://www.facebook.com/Christinas.Kuntzst/< schaut mal rein, sie hat tolle Bilder und Lesezeichen.
Meiner ‚kleinen‘ Tochter gehört ein DANKE für ihre Geduld mit mir : )
Ben sage ich Dank für seine Begeisterung an der Geschichte, ohne ihn wäre sie gar nicht erst fertig geschrieben worden :*
Aina danke ich für ihre Fragen.
Ein großes DANKE schiebe ich zu Peter hin, der sich kritisch durch die Geschichte arbeitete.
Immer wieder habe ich sie durchgelesen und jedesmal ist mir etwas aufgefallen, das ich noch ausbauen oder umformulieren könnte – und jeder, der sie vorab gelesen hat, hat seinen Beitrag dazu geleistet. Bevor ich sie noch hundertmal abwandle, habe ich sie schweren Herzens in Sissis wohlmeinende Hände gegeben.
Ein langer, kalter Winter, ein verregneter Frühling, ich glaubte schon, es gäbe sie gar nicht mehr, und jetzt? Sonne – nach all dem Grau, der Kälte der öden Tristesse sind die wärmenden Sonnenstrahlen genau das, was ein Mensch braucht.
Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit fühle ich mich glücklich. Einfach so, ohne besonderen Grund, nur weil ich hier auf dem Boden sitze. Tief atme ich durch. Die Wiese voller Wildblumen hat einen ganz besonderen Duft. Warm, würzig, rein. Vorsichtig lasse ich mich nach hinten sinken, bis ich entspannt auf dem Grün des jungen Grases liege. Genüsslich die Augen schließend strecke ich mein Gesicht der Sonne entgegen. Wunderbar, wie ein Aufladen der Seele mit Lebensfreude.
Wie gut, dass ich dieses Fleckchen fast unberührter Erde gefunden habe und das gar nicht weit von der Stadt entfernt. Noch vor einer Stunde war ich wütend und verletzt in mein Auto gestiegen, sinnlos herumgefahren, nur um endlich diese Bilder aus meinem Kopf zu bekommen.
Bilder von Paul, meinem nunmehr Ex. Gestern Abend hatte er mit mir Schluss gemacht – per SMS!
*
Meine beste Freundin Jenny hatte sturmfreie Bude, weil ihr Mann auf einer Weiterbildung war. Daher beschlossen wir eine Pizzaorgie samt dazugehöriger Filmenacht einzulegen. Zur Feier des Tages hatte ich ihr eine dieser kleinen Legolas-Figuren mitgebracht. Sie ist ganz verrückt nach dem dürren Elf. Stolz hatte ich das Teil aus der Plastikbox herausgenommen, um es ihr auf der Hand zu präsentieren. Ihr begeistertes Quietschen gab mir bei der Auswahl des Geschenks recht.
Die ersten zwei Filme von „Herr der Ringe“ hatten wir gerade gut gelaunt hinter uns gebracht, als mein Handy anfing zu brummen. Während Jenny aufstand, um die DVD zu wechseln, sah ich mir neugierig an wer geschrieben hatte. Es war Paul.
›Hi Arne, ich deng das zwichen uns hat keinnen sinn, da wird nix draus. Machs gut‹
Jenny hatte wohl an meiner Reaktion mitbekommen, dass etwas nicht stimmte und warf einen Blick über meine Schulter. Scharf zog sie die Luft ein, dann kam nur: „Ich sagte dir schon immer, dass Paul ein Arschloch ist“, als ihr einziger Kommentar. Fassungslos starrte ich sie an. „Ja nun.“ Ihre Schultern zuckten hoch. „Sei froh, dass du ihn los bist.“
Natürlich versuchte ich ihn anzurufen. Doch er hatte einfach meine Nummer blockiert, so ein feiges Arschloch. Jenny hatte recht – wie meistens.
Die DVDs waren vergessen. Jenny holte die harten Sachen raus, Schokolade, Eiscreme und Whisky. Wir stopften uns mit Süßkram voll, soffen, als gäbe es kein Morgen, und schmiedeten mit jedem Glas Whisky, mit jedem Löffel Eis absurdere Rachepläne. Je weiter mein Alkoholpegel anstieg, umso mehr wandelte sich mein Unglaube erst in Wut und schließlich in Trauer. Am Ende hing ich in Jennys Armen und heulte ihr den Pullover nass, während sie mir ungelenk auf der Schulter rumtätschelte und so etwas murmelte wie: „Wird schon wieder werden. Du findest auch bald den Richtigen. Noch ein Glas?“
Wirklich hilfreich war das wohl nicht, aber ich bewunderte sie für ihren Optimismus. Schließlich suchte ich schon länger nach einem Partner, mit dem ich gemeinsam durchs Leben gehen kann. In Paul hatte ich gehofft, ihn gefunden zu haben. Auch wenn sein lautes Schnarchen mich in der Nacht keinen Schlaf finden ließ, auch wenn er so unordentlich war, dass ich ihn manchmal mit seinen Stinkesocken, die ich unter dem Bett fand, hätte erwürgen können. Ich wollte es, wollte, dass er der Richtige ist! Selbst wenn der Sex eher mittelmäßig und Paul nicht unbedingt der Intelligenteste war. Eine Unterhaltung mit ihm konnte manchmal recht anstrengend sein. Aber ich mochte ihn trotz allem sehr gern und er war da, wenn ich nach Hause kam. Ich dachte wirklich, wir könnten es schaffen. Doch ab jetzt würde nur noch eine leere Wohnung auf mich warten. Verzweifelt griff ich nach dem nächsten Stück Schokolade und spülte es mit einem großen Schluck Whisky runter. Irgendwann gingen bei mir die Lichter aus.
Das Erwachen war grausam.
Meine Zunge schien auf das Doppelte angeschwollen zu sein und es fühlte sich an, als sei ein pelziges Tier darauf verendet; zumindest würde der Geschmack dazu passen. Grelles Licht blendete mich. Völlig orientierungslos hob ich den Kopf. Das war ein Fehler. Die Explosion, die hinter meinen Lidern stattfand, drohte meine Stirn wegzusprengen. Übelkeit brannte sich vom Magen her die Speiseröhre hoch. Schnell schloss ich meine Augen wieder und fiel kraftlos zurück in die weichen Polster.
Wo war ich?
Kaffeeduft versuchte sich durch die Watte meiner Sinne einen Weg zu bahnen.
„Heee Arne“, dröhnte mir eine Stimme laut in den Ohren. „Bist du endlich wieder unter den Lebenden?“
Jenny? Kam dieses laute Röhren wirklich von ihr? Ihre Stimme war doch gestern noch ganz normal und kein Organ, das einem Nebelhorn Konkurrenz machen konnte! Probeweise blinzelte ich mit einem Auge und zuckte erschrocken zusammen. Direkt über mir schwebte Jennys Gesicht, überdimensional und unscharf. Erst durch mehrmaliges Zwinkern wurde meine Sicht klarer. Ich war in Jennys Wohnung, lag auf ihrer Couch, während sie sich über die Lehne beugte und mich kritisch betrachtete. Nur langsam tröpfelte der Grund meines desolaten Zustandes in mein Bewusstsein. Stöhnend griff ich mir an den Kopf. „Bitte, Jenny, schrei doch nicht so.“
Sie brachte ein eher gequält wirkendes Grinsen zustande und flüsterte heiser: „Komm frühstücken.“
Nach mehrmaligem Anlauf schaffte ich es wirklich ins Bad, setzte mich nicht nur aus Überzeugung aufs Klo, sondern auch, weil meine Beine zu wackelig waren. Kraftlos stützte ich mich nach dem Pinkeln mit beiden Händen am Waschbecken ab. Der Blick in den Spiegel war erschütternd. Die Haare standen mir in allen Richtungen vom Kopf ab. Allein schon der Versuch, sie mit der Hand wenigstens etwas zu glätten, tat mir auf der Kopfhaut weh. Meine Augen waren dick verquollen und rot geädert.
Das kalte Wasser, das ich mir reichlich ins Gesicht spritzte, weckte meine Lebensgeister nur halbwegs. Unsicher schlurfte ich in die Küche und ließ mich auf einen Stuhl plumpsen. Der Tisch war spartanisch gedeckt. Kaffeebecher mit dampfendem Inhalt, Brot, Salami und Käse. Allein der Gedanke etwas zu essen, ließ die Übelkeit wieder in mir hochsteigen.
Jenny schlurfte heran und stellte schweigend ein großes Glas Wasser vor mir ab. Daneben legte sie einen Blister Aspirin. Dankbar drückte ich zwei Tabletten raus und spülte sie mit viel Flüssigkeit runter.
Still saßen wir dumpf vor uns hinstarrend da, bis Jenny den Kopf hob, um mich mit zusammengekniffenen Augen anzusehen. „Du findest was Besseres.“ Ich grummelte nur vor mich hin. „Arne, wirklich, du findest einen Besseren. Paul war ein Arsch …“
„JA, ich weiß! Das sagtest du bereits, und so wie er sich verhalten hat, hast du auch recht. Aber bitte Jenny, nicht jetzt.“ Meine Antwort fiel ziemlich heftig aus und Jenny verdiente es ganz sicher nicht, so behandelt zu werden. Aber ich hatte im Moment einfach keinen Nerv für diese Unterhaltung – und sie verstand mich. Wieder legte sich Schweigen über uns. In kleinen Schlucken tranken wir den Kaffee und hingen unseren Gedanken nach.
Schließlich stand ich auf, drückte Jenny entschuldigend und suchte meine Sachen zusammen. An den Türrahmen gelehnt sah sie mir dabei zu. „Dein Prinz wird dich finden, du wirst sehen.“
Seufzend schaute ich zu ihr rüber. „Mensch Jenny, wir sind hier nicht im Märchenland oder bei einer Seifenoper! Was soll ich denn mit einem Prinzen? Ich will einfach nur geliebt werden und keine Krone.“ Jenny lächelte nur milde, als ob sie über den Dingen stände und die Weisheit mit dem Schaumlöffel gefressen hätte. Dafür könnt ich sie wirklich hauen. Ihr Blick schweifte über das Chaos, das wir im Wohnzimmer verursacht hatten, und blieb an den DVDs hängen.
Grinsend schaute sie wieder mich an. „Kein Prinz? Na, dann eben ein Elf!“
Resigniert den Kopf schüttelnd verließ ich mit einem müden Winken die Wohnung.
Die kühle Luft klärte meine Sinne etwas. Ich setzte mich in meinen Wagen und atmete tief durch. Zum Glück war Samstag, also musste wenigstens keine Arbeit mehr erledigt werden. Zögernd fuhr ich in Richtung meiner Wohnung. Vor dem Nachhause kommen grauste es mir. Paul hatte praktisch ganz bei mir gewohnt einfach, weil seine eigene Bleibe nur aus einem kleinen Zimmer mit Duschbad und Kochgelegenheit bestand. Ob er schon seine Sachen ausgeräumt hatte? Die Sperrung meiner Telefonnummer ließ das vermuten. Warum hatte er nicht zuerst mit mir gesprochen? Was war geschehen?
Die Gedanken purzelten durch mein träges Gehirn. Immer wieder drehten sie sich im Kreis, mit Paul im Mittelpunkt. Daher glaubte ich auch zuerst, mich getäuscht zu haben, aber nein!
Vor einem Café stand Paul – heftig knutschend mit einem anderen Mann! Hier war sie, die Antwort auf meine Frage nach dem Warum!
Fassungslos glotzte ich die beiden an, bis hinter mir jemand wütend hupte und mich so aus der Starre riss. Hastig legte ich den Gang ein und fuhr los. Wohin? Keine Ahnung, ziel- und planlos, einfach immer geradeaus, ohne auf den Verkehr zu achten. Erst als mir ein Laster auf einer Kreuzung wild hupend und blinkend entgegenkam, wurde ich mir meiner Umwelt wieder bewusst.
Der Schrecken war mir durch alle Glieder gefahren, und ich zwang mich, langsam weiterzufahren. Trotzdem konnte ich das Kreisen meiner Gedanken nicht abstellen. Als ich die letzten Häuser der Stadt hinter mir gelassen hatte, bog ich auf einen breiten Feldweg ein, folgte ihm, bis er zu schmal wurde und mir nichts anderes mehr übrig blieb, als am Rande einer großen Wiese zu parken.
So hatte ich dieses Fleckchen gefunden.
*
Bei allem Kummer und all dem Frust, den ich hatte, als ich hier ankam, war mir seine Schönheit nicht entgangen. Im Gegenteil, mein Innerstes sog den Anblick, die Stimmung und die Wärme der Sonne in sich auf.
Langsam finde ich zurück aus dem Schrecken der letzten Stunden, indem ich mich immer weiter dieser Atmosphäre öffne. Die Seele baumeln lassen, alle dunklen Empfindungen von mir wegschieben, nicht denken. Einfach nur genießen.
Ich fühle mich sonnendurchwärmt und leicht. Das Summen der Insekten klingt wie eine Melodie des beginnenden Sommers, wie ein Versprechen auf einen Neuanfang. Ich atme tief durch. Ruhe breitet sich in mir aus. Ewig möchte ich so hier liegen.
Ein feines Sirren, fast unhörbar, liegt in der Luft. Seltsames Geräusch, aber ich fühle mich gerade so wohl, will meine Augen nicht öffnen. Doch es lässt mich nicht los. Was ist das nur? Träge blinzele ich gegen das Licht. Um mich herum wiegt sich das Gras im Spiel des leichten Windes. Bunte Blüten wippen sachte mit.
Meine Augen tränen etwas wegen der Sonne und ich zwinkere mehrmals schnell hintereinander.
Halt! Was war DAS denn? Erschrocken halte ich inne.
Schräg neben meinem Kopf steht eine Blume mit einer glockenförmigen, blauen Blüte. War da gerade ein Käfer dran zugange? Irgendetwas kam mir seltsam vor.
Nein, ich muss mich getäuscht haben. Das Blümchen steht vollkommen ruhig und unberührt da.
Fast hätte ich die Augen wieder geschlossen, als ich im letzten Moment doch eine Bewegung bemerke. Ruckartig schnelle ich hoch und schließe eine Hand um die Blüte.
„Ha! Hab ich dich.“ Siegessicher grinse ich auf meine behutsam geschlossene Faust hinab. Was das wohl für ein Käfer ist? Jetzt muss ich aber vorsichtig sein, sonst fliegt er weg, bevor ich ihn genauer betrachten kann. Noch ehe ich auch nur einen Finger gerührt habe, fährt ein heftiger Schmerz durch meinen Daumen. Verdammt, das Mistvieh hat mich gestochen! Ich schüttle heftig die malträtierte Hand hin und her, dabei reiße ich versehentlich das Blümchen ab. Schade, das wollte ich nicht, obwohl ich schon ein wenig stolz auf mich bin, nicht einfach alles loszulassen.
Jetzt will ich aber erst recht wissen, was ich da eingefangen habe. Suchend klopfe ich mit der freien Hand meine Jacke ab und tatsächlich, in der linken Tasche befindet sich noch immer die kleine Plastikbox von der Sammelfigur. Nun heißt es aufpassen. Die Faust mit der Blume drücke ich leicht gegen den Boden, öffne sie, um dann ganz schnell die durchsichtige Box über meine Beute zu stülpen.
Im ersten Moment ist nichts zu sehen und ich will schon enttäuscht die Verpackung anheben, doch dann erkenne ich eine Bewegung. Da ist doch was. Etwas Blaues? Gibt es so leuchtend blaue Käfer?
Sicher nur ein Blütenblatt, das sich durch das Krabbeltier bewegt hat.
Mann, ich glaub, ich brauch langsam eine Brille. Konzentriert spähe ich durch die dicke Folie.
Dann zucke ich erschreckt zurück. Gestern habe ich wohl entschieden zu viel getrunken! Verwirrt wische ich mir mit der Hand über die Augen, zwicke mit Daumen und Zeigefinger in meine Nasenwurzel, blinzele heftig, schaue nochmals genauer hin – doch das Bild bleibt das gleiche.
Vor mir unter der Plastikschachtel, neben der blauen Blüte, steht ein Mann – ein winzig kleiner Mann, aber eindeutig ein Mann! In blauen Strumpfhosen, blauen Schuhen, einem blauen Wams mit langen Puffärmeln, mit goldenen Stickereien und Edelsteinen verziert. Fast ganz nebenbei fallen mir seine schimmernden, blaugoldenen Flügel auf, die so schnell schlagen, dass ein helles Sirren entsteht.
Mir fallen fast die Augen aus. Heftig schüttle ich den Kopf und verabreiche mir selbst eine schallende Ohrfeige. Es hilft alles nichts, da steht immer noch dieser Winzling – und er sieht extrem sauer aus.
Tag der Veröffentlichung: 30.06.2018
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