Cover

danke:

Wem kann ich dieses mal die Schuld in die Schuhe schieben ?

 

Ich fürchte Keinem .. außer meinen Freuden-Innen auf Bookrix natürlich, die einfach immer mehr

Geschichten verlangten.

Ich darf Sitala Helki danken, sie nahm tapfer den Kampf mit meinen Fehlerteufeln auf sich.

Und, da ich zu schusselig dafür bin, hat sie mir die Schrift auf mein Cover geklebt.

Und bei Christina Kuntz MUSS ich mich bedanken.

Ihr absolut phantastisches Bild hat mich zu dieser Geschichte inspiriert. Danke, dass ich es mir für mein

Cover ausleihen durfte.

Genauer gesagt, spukte eine Nacht lang ein Skelett in meinem Kopf rum, das sich mit einem

Studenten rumärgerte .. ich wußte, jetzt bin ich reif für die Klapsmühle.

Doch als ich dann zwischen zwei und fünf Uhr das Ganze in einen Block kritzelte war Stille. Bis ich es

in den PC eintippte, huschte nur noch ab und an ein winkender Knochenmann durch meinen Kopf.

 

Aber, um allem vorzubeugen .. es spukt nichts ungewöhnliches mehr durch mein Gehirn, nur noch der

ganz normale, langweilige Ablauf, worüber ich sehr froh bin.

.. also ihr Lieben, bis auf weiteres ist dann Schluß : )

 

Wer sich weitere Bilder der Künstlerin ansehen möchte .. hier der Link:
    https://www.facebook.com/Christinas.Kuntzst

... worum es geht

 

Tom hat sich aus seinem Leben immer mehr in die Welt der Bücher zurückgezogen.

Bis er sich unsterblich und wie er glaubt hoffnungslos verliebt.

Dann überschlagen sich die Ereignisse.

Wer wird siegen?

Das Leben? - Der Tod? - Die Liebe?

.. und wie unsterblich kann einen die Liebe machen ?

 

Ich freue mich über jedes Herz und jeden Kommentar - aber bitte, verratet nicht zuviel vom Inhalt, lasst es die anderen Leser selbst herausfinden : ) ... danke :*

 

>abgeschlossen<

 

Tom und der Tod

 

Gemütlich hatte sich Tom in den großen, alten Ohrensessel gekuschelt. Die Beine untergezogen, sein geliebtes E-Book in der Hand. Hin und wieder nahm er einen Schluck von seinem warmen Kakao. Ja, Kakao, eher ein Getränk für Kinder, nicht für einen jungen Mann von fast 20. Aber das war ihm gleichgültig, er brauchte die Süße und Wärme, für ihn reine Nervennahrung.

Langsam streckte er sich ein wenig, ahh, wie viele Stunden hatte er schon so gesessen? Irgendwie war ihm vollkommen das Zeitgefühl verloren gegangen. Ein wenig desorientiert schaute er sich um. Die alte Bibliothek seines Großvaters hatte schon als Kind einen besonderen Reiz auf ihn ausgeübt. Regale, die bis zur Decke reichten, gefüllt mit alten Folianten und moderner Literatur. Der leicht staubige Geruch ihrer Einbände hatte ihm immer ein vertrautes Gefühl von ›zu Hause‹ vermittelt.

Anfangs auf dem Schoß seines Opas sitzend, später, als er endlich selbst lesen konnte, hatte er die fantastische Welt der Bücher für sich entdeckt.

Obwohl er sich nie um Geld sorgen musste, war ihm sein eigenes Leben immer eher langweilig und leer vorgekommen. In der Schule war er ganz gut, doch nie würde er die hohen Erwartungen seiner Eltern erfüllen können. Vor allem würde er ihnen nicht zu dem heiß begehrten Enkelkind, ihrer zweite Chance sozusagen, verhelfen können. Denn schon recht früh wurde ihm bewusst, dass er sich nur zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlte. Offen dazu zu stehen war unmöglich. Seine Eltern hätten ihn wohl nie verstanden oder es gar toleriert, da war er sich fast sicher.

So verschloss er sich immer mehr vor seiner Familie, seinen wenigen Freunden, vor seinem Leben.

Schon seit Monaten war Tom unsterblich in Simon verliebt. Immer wenn er ihn sah, fing sein Herz an zu klopfen und zum ersten Mal wusste er, was die Leute meinten, wenn sie von ›Schmetterlingen im Bauch‹ erzählten. Auch schien sein Denkvermögen auszusetzen, ebenso wie die Beherrschung seiner Muttersprache. Wobei er vermutete, dass der Andere gar nichts von seinen Gefühlen ahnte. Obwohl er sich gestern doch wirklich eingebildet hatte, Simon hätte ihn aus dem Augenwinkel gemustert. Natürlich war ihm gerade in dem Augenblick sein Stift aus der Hand gefallen und er, verwirrt durch diesen Blick, hatte sich so schnell danach gebückt, dass er mit dem Kopf schmerzhaft an der Tischkannte angeschlagen war.

Doch heute hatte er allen Mut, selbst das letzte Quäntchen, zusammengerafft, um sich seinem Studienkollegen zu offenbaren.

Noch jetzt raste Toms Herz, wenn er an die Situation zurückdachte.

Nach Schluss der Vorlesung konnten alle wie immer nicht schnell genug aus dem Unigebäude raus, doch Simon war mit seiner Tasche an der Ausgangstür hängen geblieben. Sie riss auf und ein wildes Durcheinander von Büchern, vereinzelten Blättern und Stiften ergoss sich auf den Boden. Fluchend hatte Simon sich gebückt, um alles zusammenzuklauben. Tom, der ihm im wahrsten Sinne des Wortes nachgelaufen war, konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und ineinander verkeilt wären sie fast die Treppe hinunter gerollt. Unter den dummen Bemerkungen und dem Gelächter der anderen Studenten rafften sie sich gegenseitig Halt gebend auf. Toms Gehirn schien nicht fähig ihm genauere Sprachvorschläge zu geben, denn außer einem unzusammenhängenden Gestammel, das man mit viel Fantasie vielleicht als eine Entschuldigung erkennen konnte, brachte er nichts raus. Zu sehr war er gefangen von Simons Augen. Sie leuchteten regelrecht in einem tiefen Blau, ergaben so einen faszinierenden Kontrast zu den schwarzen Locken, die vollen Lippen rundeten das Bild ab.

Groß und schlank, war er für Tom der schönste Mann, den er je gesehen hatte. Er selbst fühlte sich mit seinem braunen Haar, das sich nie richtig in eine Frisur bringen ließ, und seinen einfach nur braunen Augen eher unscheinbar. Alles an ihm war Durchschnitt: seine Haare – seine Augen – seine Größe – seine Figur. Warum also sollten Andere ihn bemerken, besonders wenn sie so aussahen wie Simon? Doch heute musste der ihn wohl oder übel zur Kenntnis nehmen.

Etwas außer Atem klopfte er Toms Kleidung ab und fragte ihn besorgt, ob alles in Ordnung sei, ob er sich wehgetan hätte.

Das war der Moment, in dem Tom all seinen Mut zusammenkratzte, sein Herz über Bord warf und hinterher sprang.

Völlig neben sich stehend und bevor er auch nur darüber nachdenken konnte, stieß er hervor: »Seit ich dich kenne, ist nichts mehr in Ordnung. Du bringst meine Welt ins Wanken.«

Simon starrte ihn nur vollkommen sprachlos an. »Was ...« Doch weiter kam er nicht, denn Tom riss sich los und rannte kopflos davon. Verdammt! Was zum Teufel hatte er sich nur dabei gedacht – wie konnte er Simon diesen Satz so einfach hinknallen? Der musste ihn doch jetzt für vollkommen verrückt halten. Tom hatte nur eines im Sinn: Weg hier und das so schnell und so weit wie möglich.

Aufseufzend schaute sich Tom noch einmal in der Bibliothek um. Er konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, wie er hier hergekommen war, so panisch war er weggerannt. Doch dieser Raum war schon immer seine Zufluchtsstätte gewesen. Der Raum und die Bücher mit ihren Welten, in die er abtauchen, flüchten konnte.

Ein weiterer Schluck von dem süßen Kakao beruhigte wenigstens etwas seine Nerven. Abschalten, er musste weg von diesen ganzen Gedanken, die ständig wie aufgescheuchte Hühner in seinem Kopf herumrannten.

Abschalten ... das funktionierte am besten beim Lesen. Also vertiefte er sich wieder in seinen Reader. Schon nach wenigen Minuten lag ein leichtes Grinsen auf seinem Gesicht, so war er in dem Roman gefangen.

Kühl war es geworden, richtig kalt, Tom zog fröstelnd die Schultern hoch. Etwas legte sich an seinen rechten Arm. Erschrocken zuckte Tom zusammen und schaute über die Schulter. Was er sah, gab keinen Sinn. Völlig erstarrt konnte er sich nicht rühren, so sehr war der Schock ihm in die Glieder gefahren. Eisig klumpte sich sein Magen zusammen.

Er schaute direkt in die leeren Augenhöhlen eines Totenschädels!

»Hallo mein Junge«, tönte ein tiefe, irgendwie körperlose Stimme.

 »Komm, es ist Zeit zu gehen.« Tom sprang mit einem Satz aus dem Sessel, drehte sich zu der Gestalt dahinter um. »Gehen? Wohin gehen?«, brachte er gerade noch so heraus.

»Was denkst du denn, schau doch hin. Wer bin ich  wohl?«, hallte die Frage durch den Raum. Tom war fassungslos, er bebte bis in sein Innerstes. Langsam glitten seine Augen über ... das Ding, das dort stand.

Ein Skelett! Es war eindeutig ein Skelett, ganz klassisch gewandet in einen langen schwarzen Mantel, mit weiten Ärmeln und einer Kapuze über seinem TOTENSCHÄDEL. Die Sense in seiner linken Hand bemerkte er nur noch am Rande.

SENSE! ... TOTENSCHÄDEL! ... S K E L E TT!!

Das MUSSTE doch ein Traum sein. Fest presste er seine Augen zu und zwickte sich in den Arm .»AUAAAA!«

Verdammt, das hatte wehgetan. Vorsichtig blinzelte Tom und riss die Lider weit auf. Das Bild war dasselbe geblieben. Hinter seinem geliebten Ohrensessel stand ein Skelett – das sich im Übrigen köstlich zu amüsieren schien. Oder wie sollte er dieses leise Lachen sonst deuten? War es doch kein gefährlich bedrohliches oder gar irres Lachen, wie es die Filmbösewichte so gerne zum Besten gaben, sondern ein eher unterdrücktes Glucksen, wie von jemandem, der gerade etwas wirklich Komisches gesehen hatte. Und irgendwie konnte sich Tom des Gefühls nicht erwehren, dass er der Auslöser zu dieser Heiterkeit war. Das wurmte ihn und wie immer war sein Mundwerk schneller als sein Hirn.

»Na ja, zumindest bist du im falschen Film, oder hast Fasching ziemlich weit verpasst.« Das Skelett, Tom weigerte sich es anders zu nennen, trat langsam an dem Sessel vorbei auf ihn zu. Tom wich weiter zurück, bis er mit dem Rücken an ein Bücherregal stieß. Das unheimliche Wesen kam näher, blieb direkt vor ihm stehen.

Tom erwog in Ohnmacht zu fallen.

»Witzig mein Junge, ich mag Menschen mit Humor. Sie sind mir viel lieber als solche, die hysterisch schreiend wegrennen oder gar umkippen.«

Aha, also war das mit der Ohnmacht doch keine Option.

»Also, mein Junge, gib mir einen Namen. Was denkst du, wie nennt man mich?«

Tom schwieg verbissen. Solange er das Ding nicht beim Namen nannte, solange war es nicht real, zumindest wollte er das glauben. Da der Gegenüber seine Sense ... man beachte – SENSE! – mit dem linken ausgestreckten Arm neben sich angewinkelt aufgestellte hatte, klaffte sein Umhang vorne etwas auseinander und man konnte deutlich seine Rippen sehen, sogar durch die Lücken bis zur Wirbelsäule.

»Na, mein Junge, dann machen wir es eben anders rum. Sag mir doch, wie nennt man dich?«

Doch Tom war von dem Anblick, der sich ihm bot, abgelenkt. Während das Skelett sprach, hatte er ganz vorsichtig und unauffällig seinen rechten Zeigefinger zwischen dessen Rippen geschoben. NEIN, es war kein gut gemachtes Kostüm. Sein Finger drang mühelos, ohne jeden Widerstand ein. Luft, zwischen den Rippen war einfach nur ... LUFT!

Toms Herz schien einen Schlag auszusetzen, um dann um so schneller loszurasen.

Erst als das Ding sich leicht schüttelte und der Mantel wieder gnädig über die Rippenbögen fiel, wurde ihm bewusst, dass er etwas gefragt worden war.

»Ich spreche mit einem Totenschädel – also nenn mich Hamlet!«

Nun war es eindeutig: Das Skelett lachte, seine Schultern zuckten und sein Lachen rollte durch den Raum.

»Ach Tom, ich hatte gehofft, dass du ein wenig Abwechslung in mein Arbeitsleben bringst und sieh, du hast mich nicht enttäuscht.«

Na, da freut man sich doch, wer kann schon von sich behaupten einen Knochentypen zum Lachen gebracht zu haben?

Langsam wurde Tom trotz der mehr als skurrilen Situation richtig sauer. Doch Moment, hatte der Komiker ihn gerade bei seinem Namen genannt?

»He, du weißt doch, wie ich heiße. Warum fragst du dann?«, zischte er ihn empört an. Konnte ein Totenschädel grinsen? Der hier wohl schon.

»Ach, einfach nur so. Das trägt zur Entspannung der Situation bei, finde ich. Du hättest dein Gesicht sehen sollen«, kam die Antwort. Tom war ratlos.

»Also ICH war vollkommen entspannt! Bevor du mich hier fast zu Tode erschreckt hast, las ich VOLLKOMMEN ENTSPANNT in einem Buch!«

»Ja, mein Junge, das weiß ich, aber nun ist es Zeit zu gehen«, war die sanfte Antwort. »Wohin?« war, wie es Tom schien, seine berechtigte Frage.

Mit einem Schlag schien die Heiterkeit von dem Sensenmann zu weichen, als ob die Dunkelheit sich um seine Gestalt verdichten würde. Auch schien die Temperatur wieder zu fallen.

»Tom, du weißt, wer ich bin. Du weißt, ich nehme die Menschen aus ihrem Leben, geleite sie weiter. Wohin, das kann ich dir nicht sagen. Auch ist es für jeden Menschen anders. Aber du musst dich nicht fürchten.« Langsam streckte der Tod seine knochige Hand nach Tom aus. Doch der schüttelte vehement den Kopf und wich seitlich weg. Sein Blick glitt über die Bücherwände.

»Nein, ich kann noch nicht mit dir gehen. Es gibt noch so viel zu lesen, so viele Welten zu entdecken.«

»Ahhh.« Der Tod folgte Toms Blick. »Die alten Meister, Goethe, Schiller, Hesse, Shakespeare. So viele stehen hier. Die Bibel friedlich neben dem Koran, die Ilias nahe bei Harry Potter. Ja, sie alle sind meist recht amüsant. Aber keine Sorge, ich kann dir die Geschichten erzählen – auf unserer Reise. Ich kenne die Werke und habe viele der Schreiberlinge selbst abgeholt. Wenn du also, was in deinem Alter vollkommen verständlich wäre, gerne lesen möchtest, wie es ist, zwischen den weichen Schenkeln einer Frau zu liegen: Kein Problem, ich kann dir auch aus ›Shades of Grey‹, im Übrigen meiner persönlichen Meinung nach ein schreckliches Werk, oder aus dem Kamasutra zitieren.«

»Also wenn schon, dann würde ich lieber zwischen den strammen Schenkeln eines Mannes liegen«, platzte es aus Tom heraus und prompt lief er rot an. »Außerdem hatte ich gerade von schwulen Außerirdischen gelesen. Die Geschichten sind sehr lustig«, warf Tom ein. Schließlich hatte Humor das Skelett schon einmal beeindruckt.

»Und gerade habe ich eine Story, die in einer Cocktailbar spielt, angefangen. ›At home‹, die ist auch mehr als vielversprechend! Du wirst verstehen, da kann ich nicht einfach so aufhören!«

Der Tod zögerte und Tom bemerkte eine kleine Bewegung im Schatten neben dem Kamin. Versteckte sich da noch jemand? Doch er wollte sich nicht ablenken lassen, immerhin war es sein Leben, um das er gerade verhandelte.

»Schau«,  sagte er zu dem Tod, »ich kann ja verstehen, dass es dich frustriert, all die Jahre das Gleiche zu tun und obwohl du so gerecht bist, zu allen Menschen kommst, gleich welcher Religion, Hautfarbe, Geld oder Amt, wird es dir nie so recht gedankt. Im Gegenteil, sie fürchten dich.« Der Tod nickte. Tom redete schnell weiter: »Dann noch diese Arbeitskluft! Also ehrlich, wer will schon immer in so einem trostlosen Schwarz herumlaufen. Da muss man ja depressiv werden!  Zudem ein offener Mantel? Da zieht es einem doch bei jeder Bewegung durch die Knochen! Von dieser unhandlichen Sense wollen wir erst gar nicht erst reden. Wo bleibt da der Fortschritt? Eine Motorsäge mit viel Power, das wär’s doch.«

Tom hatte den Eindruck, als würde der Tod immer wankelmütiger. Aus den Augenwinkeln heraus konnte er die andere Gestalt jetzt schon deutlicher sehen. Diesmal kein Knochenmann, aber auch fast durchsichtig, schien sie etwas näher gekommen zu sein.

»Schau«, meinte Tom, »wir haben es ja nicht eilig. Sicher macht es nichts aus, wenn du mit unserer Reise noch etwas wartest, dich zuerst ein wenig ausruhst und bei einem Buch entspannst. Ich könnte dir auch gerne eine Tasse Kakao oder Tee bringen, während du es dir in meinem Lieblingssessel gemütlich machst.« Tom wies einladen auf den großen Ohrensessel. Endlich schien der Tod einen Entschluss gefasst zu haben.

»Weißt du Tom, das ist gar keine schlechte Idee. Zeit haben wir genug und du hast mich auf die Geschichten in deinem komischen elektronischen Ding da neugierig gemacht. Eine Cocktailbar? Und schwule Außerirdische, sagtest du« Tom nickte heftig und begeistert.

»Ja, und noch so vieles mehr. Abenteuerlich, mit Gestaltwandlern, Drachen, Wölfen, herzzerreißend, zuckersüß oder auch todtraurige.« Erschrocken verstummte er. Doch der Tod lachte nur. »Lass es gut sein, ich werde es mir etwas gemütlich machen und mal reinlesen.«

Fürsorglich nahm ihm Tom seinen Kapuzenmantel ab, um ihn an dem Kleiderständer aufzuhängen, stellte die Sense vorsichtig daneben. Als er sich umdrehte, saß der Tod schon in dem Sessel. Etwas gruselig sah das schon aus: All die blanken Knochen und doch so lebendig. Also nahm Tom die warme Decke vom Sofa und legte sie über seine knochigen Schultern. Ganz hinten in einer Ecke standen noch plüschige, rosa Hasenschlappen, die ihm einmal ein Freund geschenkt hatte. Im Gegensatz zu Tom hatte der das damals richtig witzig gefunden. Aber die Knochenfüße würden sie bestimmt schön wärmen. Jetzt noch eine Tasse heißen Tee und sein ›Gast‹ war versorgt. Tom konnte nur hoffen, dass der wusste, wie man trinkt, ohne dass es durch ihn hindurchplätscherte und seinen Sessel einsaute. Grinsend sah er, wie das Skelett das E-book in einen der alten Folianten legte. Vielleicht fühlte es sich für ihn so besser an.

Die ganze Zeit, in der Tom geschäftig hin und her eilte, war die zweite Gestalt präsenter geworden. Nun, da der Tod in die Welt der Homoerotik eintauchte, konnte sich Tom dem Anderen zuwenden.

Groß, schmal, durchscheinend und schemenhaft, wie sie war, fühlte er sich doch zu der Gestalt hingezogen. Ein blaues Leuchten schien von ihr auszugehen.

»Wer bist du?«, fragte Tom, doch der Andere schien nicht antworten zu können. Wieder streckte Tom die Hand aus, doch dieses Mal traf sie auf Widerstand. Die Finger fingen an zu kribbeln, sein Herz schlug heftig. Dieser Geruch, der von seinem Gegenüber ausging, war so anziehend, fast betörend, verwirrte seine Sinne.

Tief atmete Tom ein. Seine Augen schlossen sich. Was war das? Wieso hatte er mit einem Mal dieses unglaubliche Glücksgefühl, war seine Traurigkeit mit einem Mal wie weggewischt? Noch einen Schritt und er konnte den Körper des Anderen fühlen. Was seine Hände berührten, fühlte sich wie warme, glatte Haut an. Unter seinen Fingerspitzen konnte er eine leichte Gänsehaut spüren. Toms Herz drohte zu zerspringen. Er wollte - musste - den anderen Körper berühren, schmecken, mit all seinen Sinnen erfassen.

Doch wagte er nicht, die Augen zu öffnen. Zu kostbar war dieses Gefühl, zu groß seine Angst nur zu träumen. Ganz vorsichtig lehnte er seinen Kopf an die Halsbeuge seines Gegenüber, strich mit seiner Zungenspitze zart hinter dessen Ohr entlang. Mit einer Hand tastete und streichelte er über dessen Brust, fand kleine Knospen, die sich verhärteten, als er sie sachte berührte. Tom merkte, wie die Gestalt aufkeuchte, und streckte sich ihr entgegen zu einem vorsichtigen Kuss. Sein Körper zitterte, doch noch nie hatte er sich so erfüllt gefühlt, so voller Liebe und Sehnsucht, so ganz und lebendig. Ihre Lippen strichen langsam übereinander, neckend, und als sich ihre Zungen endlich in einem tiefen Kuss trafen, floss Tom über vor Glück. Keines klaren Gedankens mehr fähig, wusste Tom doch ... er war angekommen. Dies war sein ganz eigenes zu Hause.

In diesem Kuss konnte er sich aufgeben, sich fallen lassen. In diesen Armen, die ihn festhielten, war er sicher und geborgen. Hier hatte er sich gefunden.

Tom schwebte ganz ohne Sorgen, ohne Kummer, leicht und schwerelos vor Glück.

Der Absturz kam ohne jede Vorwarnung. Er war schnell und brutal. Hart schien er aufzuschlagen. Ein Ruck ging durch seinen Körper, gefolgt von blendender Helligkeit und Schmerz. Fest presste er die Augenlider zusammen. Der Lärm um ihn herum und der Schmerz wurden schier unerträglich. Sogar sein Aufkeuchen tat ihm in der Brust weh.

»Hey Junge ... Tom ... TOM! Komm schon, mein Junge ... es ist Zeit ... Tom ... TOM! Bitte mach die Augen auf ... bitte! ... Komm zu mir, Junge ... komm schon ...«

Tom wollte nicht hören, wollte sich nicht dem Tod stellen, wollte nicht mit ihm gehen. Nein, er wollte zurück. Zurück zu seinem Schattenmann, zurück zu seinem Sinn des Lebens. Er konzentrierte sich, fast hätte er es geschafft, fast hätte er wieder angefangen zu schweben. Doch da wurden fremde Lippen auf seine gepresst. Hände streichelten sein Gesicht und er hörte ein heiseres Flüstern an seinem Ohr.

»Tom, bitte komm zurück zu mir, öffne deine Augen.«

Ganz langsam öffnete Tom die Augen. Verschwommen konnte er ein Gesicht über sich erkennen, aus dem ihn zwei unglaublich blaue Augen anstrahlten.

Simon schrie leise auf: »Oh, Gott sei Dank, du bist aufgewacht!«

Mit unzähligen kleinen Küssen bedeckte er Toms Gesicht. Atemlos und immer wieder unterbrochen von kurzen Kussattacken, berichtete er:

»Nach unserem Zusammenstoß in der Uni, als du mir sagtest, dass du mich magst, war ich so perplex, dass ich dir gar nicht antworten konnte. Denn ich hatte mir schon die ganze Zeit überlegt, wie ich dich anquatschen könnte. Mal ins Kino gehen oder so, einfach um näher bei dir zu sein, weil ich dich so heiß finde und mein Herz Purzelbaum schlägt, wenn ich dich sehe. Doch bevor ich die Gelegenheit hatte, auch nur ein Wort noch zu sagen, bist du völlig kopflos davon gerannt. Direkt vor ein Auto! Mir war fast das Herz stehen geblieben, als ich sah, wie du durch die Luft geschleudert wurdest.«

Simon wurde ganz still. Sein Gesicht war grau, ständig rannen ihm Tränen aus den Augen, ohne dass er sie wegwischte. Er durchlebte nochmals diesen schrecklichen Augenblick, als er glaubte, Tom verloren zu haben, noch bevor sie sich näherkommen konnten.

Zittrig atmete er ein und erzählte weiter: »Dann all das Blut auf der Straße! Ich rannte zu dir und versuchte dir zu helfen, aber ich hatte solche Angst etwas falsch zu machen. Du sahst so klein und zerbrechlich aus. Der Krankenwagen brachte dich weg und mir wurde schlecht vor Angst um dich. Im Krankenhaus traf ich auf deine Eltern, denen ich erzählte, wie es zu dem Unfall gekommen war. Ich glaube, am Ende weinten wir alle und zusammen warteten wir auf die Ärzte. Du hast eine schwere Kopfverletzung, einige Rippen und das linke Bein sind gebrochen. Anfangs stand es sehr schlecht um dich.

Die Ärzte taten ihr Bestes, doch du wolltest einfach nicht wieder aufwachen. Seit fünf Tagen schwebst du zwischen Leben und Tod. Deine Eltern erlaubten mir, dich zu besuchen so oft ich will. Sie sind so voller Angst, sie lieben dich und machten sich die ganze Zeit schon Sorgen, weil du dich so von ihnen zurückgezogen hast.« Tief musste Simon Luft holen, weil ihm das Gefühlschaos den Atem nahm.

Fasziniert starrte Tom in Simons Gesicht, konnte nicht fassen, was seine Augen sahen. All diese Worte rauschten bedeutungslos an ihm vorbei. Morgen oder irgendwann würde er sich damit beschäftigen. Doch jetzt gab es nur eines, das wichtig war: Simon, es war Simon ... die ganze Zeit. Der Schattenmann, der ihn gehalten hatte, der ihn mit seinem Kuss wieder zurückgeholt hatte. Es war Simon, der ihn von dem Sensenmann weglockte.

Wäre Simon nicht so hartnäckig an seiner Seite geblieben, hätte Tom sich gerne vom Tod aus den Alten Meistern zitieren lassen ... während ihrer gemeinsamen Reise aus dem Leben.

 

Glücklich schloss Tom die Augen und fiel in einen erholsamen Schlaf.

Warnhinweis : )

 Die Geschichte ist ganz meinem wirren Hirn entsprungen, jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen ist unbeabsichtigt.

Das Coverbild ist eine Leihgabe  (( https://www.facebook.com/Christinas.Kuntzst ))

Ich bitte beides, Text und Bild nicht zu kopieren, ich mag meinen Anwalt gut leiden und würde ihn rücksichtslos zu Rate ziehen ; )

 

Impressum

Bildmaterialien: https://www.facebook.com/Christinas.Kuntzst
Tag der Veröffentlichung: 24.07.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Den üblichen Verdächtigen, die mir immer wieder sagten ich könne diese Kurzgeschichte ruhigen Gewissens on stellen : ) Und natürlich euch Lesern. Ich hoffe ihr habt so viel Spaß beim Lesen wie ich beim Schreiben

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