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Kalte Begegnung


Es ist kalt. Ich friere. Dennoch habe ich mich entschlossen raus zu
gehen und einen Spaziergang zu machen. Der Winter hat eine dünne Eisschicht auf die Wiesen gelegt und manchmal entdecke ich den ein oder anderen Eiszapfen an einer Regenrinne. Ich trage schwarz. Unbewusst.
Während ich durch die kalte Welt spaziere, sehe ich viele Menschen aber
ich interessiere mich nicht für sie und lasse sie fast unbeachtet
vorbeiziehen. Mein Kopf ist leer und ich habe keine Lust ihn mit
sinnlosen Gedanken zu füllen also laufe ich einfach weiter und denke an
nichts. Nach einer Weile begegne ich einer Gruppe Mädchen. Sie lachen.
Sind fröhlich. Ein Mädchen fällt mir besonders auf. Sie ist die
flippigste von allen. Nicht ihre Kleidung sondern ihr ganzes Wesen
zieht sofort meine ganze Aufmerksamkeit auf sich, auch wenn ich sie nur
von hinten sehen kann. Ich gehe ein Stück weiter und stelle mich an
einen Baum um sie möglichst unbeobachtet betrachten zu können. Sie ist
groß und hat mittellange dunkle Haare leicht gelockt - etwas störrisch
vielleicht. Die anderen aus der Gruppe hören ihr gebannt zu , hängen
förmlich an ihren Lippen und brechen dann in lautes Gelächter aus.
Schade das ich nicht verstehen kann was sie gesagt hat. Vielleicht hat
sie einen guten Witz erzählt. Die Mädchen kichern immer wieder und
haben ihren Spaß. Sie kann nicht stillstehen und ist immer in Bewegung.
Sie zappelt herum ist permanent in Bewegung und immer wieder wird
gelacht. Sie ist diejenige die am lautesten lacht. Scheinbar ein
lebensfrohes und sehr humorvolles Mädchen. Das einzige was etwas
seltsam ist an ihr, ist die Tasche die sie auf ihren Schultern trägt -prall gefüllt und seltsam geformt. Ich wüsste zu gern was da drin ist.
Sie selber scheint die Tasche gar nicht zu stören - trotz des Volumens.
Es ist fast so als würde sie die Tasche gar nicht bemerken oder sie ist
einfach nur gut darin sie zu ignorieren. „ Ein starkes lebensfrohes
lustiges Mädchen“ Ja …so würde man sie auf dem ersten Blick beschreiben

Ich ziehe meinen Mantelkragen etwas höher die Kälte kriecht mir schon in den Nacken und langsam werden auch die Füße taub aber, ich starre sie immer noch an. Obwohl ich sie nur von hinten sehen
kann spüre ich eine Verbindung zwischen uns. Irgendwas ist da, ich
erkenne nur nicht was es ist. Langsam komme ich mir blöd vor, das ich
hier so rumstehe und diese Gruppe anschaue, also setze ich meinen Weg
weiter fort. Mit vorsichtigen Schritten nähere ich mich den Mädchen und
hoffe einen direkten Blick auf ihr Gesicht erhaschen zu können. Doch immer wieder dreht
sie sich so, dass ich sie nur von hinten sehe und diesen seltsamen
Rucksack im Blickfeld habe. Fast beleidigt und genervt setze ich meinen Weg fort
ich möchte jetzt wieder nach Hause, auf meine Couch ein wenig dösen. Ich bin
müde wie so oft in letzter Zeit. Meine Schritte werden schneller, mir
ist kalt. Vielleicht mache ich mir gleich einen heißen Kakao bevor ich
mich hinlege, mal sehen. Es sind nur noch ein paar Schritte bis ich
zuhause bin. Jemand tickt mir auf die Schulter, ich erschrecke mich
leicht. SIE ist es…sie steht jetzt vor mir und ich kann in ihr Gesicht
blicken. Es ist ganz blass, sie hat ihre Augen geschlossen, ihre Haare locken
sich leicht und legen sich störrisch in ihr Gesicht. Die Freude die ich vorhin an ihr so bewundert habe ist wie weggewischt. Als sie die Augen
öffnet , bleibt mein Herz für einige Sekunden lang stehen bevor es
danach im schnellen unregelmäßigen Takt weiterschlägt. Die Augen sind traurig, stumpf, leer und mit Tränen gefüllt. Es sind meine eigenen
Augen die mir da entgegenblicken…sie sind stumpf und leer, aber es sind
meine…es ist mein Gesicht…ich stehe mir gegenüber und bin erschrocken, wie kann das sein? Doch bevor ich weiter darüber nachdenken kann ,ist
sie schon wieder weg - ich sehe sie davon laufen, einmal dreht sie sich
noch um, sie nimmt ihren Rucksack von den Schultern und schleudert ihn
mir entgegen. Dann ist sie fort und ich stehe jetzt hier mit dieser seltsam
geformten Tasche. Langsam öffne ich sie und sehe was sie mir
hinterlassen hat - eine Tasche prall gefüllt mit Kummer und Sorgen….

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Tag der Veröffentlichung: 09.01.2012

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