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1. Erdkunde für Weltenbummler


-Karte, Geschichte und Physik der Blockwelt-





Erde beschreibt keinen Ort, sondern einen Zwerg, dessen Name die Abkürzung aus „Er“ und „denkt“ ist. Manchmal untergräbt ein Volk seine Welt, sodass diese einfach auseinander bricht und kleine Gruppen einen Neuanfang beginnen. So geschehen bei Erde, der im Mittelpunkt eines würfelähnlichen Bruchstücks aufwachte. Der neue „Block“ des Zwerges wird von schwerer Materie umhüllt, welche auf alle Flächen eine gleichmäßige Schwerkraft ausübt. Dies ermöglicht das Leben auf allen Seiten im Inneren. So kommt es häufig vor, dass Bewohner die Wände hoch gehen und somit ihrer Masse Raum verschaffen.
Der „Himmel der Bäume“ entstand, als Erde seinen Lebensraum vergrößerte und die Decke einstürzte. Der aufwirbelnde Staub formte die ersten Wolken welche, zum Glück, eine schützende Schicht vor Lichtschatten bot. Eine Strahlenform, gefährlicher als ein zehn Stunden umfassendes Sonnenbad. Mit diesem Schritt hatte er einen unbeabsichtigten Prozess gestartet, wollte er doch jede Seite für sich und seine Mitbewohner aus Gestein gestaltet haben. Regenwasser füllte das „Meer der Wurzeln“, welches die Essenz für alle Bäume des Elfenwaldes darstellt. Die neue Atmosphäre brachte auch weiteres Leben, wie die Elfen, in die Blockwelt. Das ungewohnt kalte Klima zwang die Zwerge dazu, ein Drachenfeld zu erbauen. Dieser Schritt erfüllte den Raum wieder mit Wärme, aber auch mit vielen so genannten blinden Drachen. Wie man einen Drachen baut, weiß in der Blockwelt jedes Kind. Schmerzlich stellten die Zwerge fest, dass dieser Luxus mit der Dezimierung der Bevölkerung um die Hälfte bezahlt wurde. Die Infrastruktur der jungen Welt entglitt immer mehr aus den Händen ihrer „gestrandeten“ Ureinwohner und gipfelte mit dem Einfallen von Lichtschatten. Es liegt in der Natur von Zwergen, natürliche Grenzen zu durchbrechen, in diesem Fall die zweite Fläche (bereits im Punkt „Himmel der Bäume“ genannt). Die Planeten in dieser Welt formen im Raum eine Wölbung, welche sich mit geheimnisvoller Materie füllt und das Licht anderer Systeme umleitet. Von außen treten seit dieser Zeitrechnung Lichtschatten in die Blockwelt. Sie errichteten ein monumentales Tor im Osten und ihre Strahlung fällt noch heute auf das Drachenfeld im Westen. Hier kam es zu einer unheilvollen Symbiose, den Drachen wurde das Augenlicht geschenkt. Erstmals konnten sie beginnen die Umwelt bewusst zu entflammen. Den leuchtenden Verbündeten war im Gegenzug das Feuer im Kampf gegen den Elfenwald und seinen Bewohnern gegeben. Sobald Lichtschatten den Waldboden betreten, winden sich die Äste um die Eindringlinge mit dem Schatten ihres Blattwerkes zu ersticken. Das Zeitalter der Baumverbrennung war angebrochen, in der Elfen eine letzte Hoffnung darstellen die guten Werte in der Blockwelt zu erhalten. Im Cheamworth auch Vier-Wände Gebirge genannt, nutzten die Zwerge ihre letzte freie Ebene dazu, sich hinter Steilen Abhängen und scharfen Steinkanten zu verschanzen. Die Elfen können Erde nicht mehr erreichen, um ihn aufzufordern, einen Versuch zur Schließung des Lichtschatten Tors anzutreten. So sind die Elfen im Mittelpunkt der Welt gefangen, gejagte von einem Feuer, dass sich vom Drachenfeld ausbreitet und schneller wächst als die magischen Bäume ihres Waldes. Das Ziel von Lichtschatten ist es, jeden Raum zu füllen und die Art der Dunkelheit zu besiegen, welche sie zerfallen lässt.


2. Erde, Zeit der Baumverbrennung



„Hier gibt es kein rauschen der Blätter, obwohl es viele sind, viel mehr als Armeen der Zwerge im Cheamworth, steinerne Flügel der blinden Drachen und das Volk der Lichtschatten je zählen könnte“, sagte der Lehrer ermutigend zu seiner Gruppe in grüner Schuluniform. Zuvor hatten sie in tagelangen Treffen die Geschichte ihrer Welt gehört. „Die Stämme leben und es erklingt eine flüsternde Melodie, voller Geheimnisse, wenn der Wind das Geäst durchstreift“. Neugierig lauschen die jungen Elfen, mit ihren sowieso schon gespitzten Ohren, in den Wald hinein und versuchen ihre nervös zuckenden Flügel still zu halten. „Ihr werdet nichts hören“, wirft der große, in Tarnfarben gekleidete Elf mit trockener Stimme ein, welche wohl schon lange keine schöne Nachricht mehr verkünden durfte. „Richtet eure Aufmerksamkeit wieder auf mich, denn zuerst müsst ihr die Theorie lernen, damit ich weiß, dass ihr zumindest eine Überlebenschance für den Lauf des Lebens über das Schlachtfeld habt“.
Einen frechen Elf namens Jerò erschütterten diese bedrohlichen Worte überhaupt nicht, er hatte sich abseits der Gruppe mit einer ihm unbekannten Pflanze beschäftigt, die sich unter seinem Atem in abstrakte Formen wand. Die Gemeinschaft hatte früh begonnen auf einer düsteren, in Grüntönen gefärbten Lichtung ihr Lager aufzuschlagen. Als Zelte dienen ihnen Samen, welche an hölzernen Oberflächen in Baumpilze auf blühen und ausgehöhlt einen unauffälligen Schutz bieten. Jede Ebene formt Leben und dessen Städte aus unmittelbar vorhandenen Ressourcen.
„Die Bäume sind unsere verbündeten und wenn ihr zum Himmel schaut, kann man ihre Ahnen sehen“ – „Das Holz unseres Waldes kann nicht sterben“! wirft Jerò ein und zieht die Blicke seiner bereits Leichenblass gewordenen Freunde auf sich. „Dass stimmt kleiner Elf“, antwortet der Lehrer, welcher so viel mehr einem Krieger ähnelt, „aber Drachenfeuer löst es in Rauchwolken auf und so verlassen die Bewohner ihre Wurzeln und finden am Himmel einen rastlosen Platz. Einen Boten zwischen Himmel und Bäumen gibt es noch. Der Wind, er trägt den Atem der Rastlosen in die Kronen unserer Pflanzen. Durch Veränderung ihres Astwerkes wird eine Melodie daraus entfaltet, sobald dieser an ihnen vorüber zieht. „Natürlich sind darin Nachrichten enthalten, aber nur wenige haben das Gehör dazu.“ „Was erzählen sie?“ fragt eine weibliche Elfe, deren Flügel ganz rot angelaufen waren, da Jerò ihr an diesem Tag schon öfters ein verhaltenes Zwinkern geschenkt hatte.
Mit einem traurigen Unterton und ernster Stimme erwidert der Lehrer, „die letzte Nachricht wurde mir so beschrieben“:

Eine Melodie streift durch die Wälder,
erzeugt durch den Wind,
ihre Nachricht lässt das Holz der Bäume ächzen
und vor Schmerzen in tausend Splitter brechen.

„Die Reaktion des Waldes verheißt nichts gutes und leider weiß allein der Himmel der Bäume von wo Gefahr droht. Aber es gibt für uns nur vier zu erkundende Richtungen, eine weitere führt über den Wald. Dort droht allerdings die Verschleppung durch Lichtschatten in die schwere Materie ihres Tors“. „Wie erkennen wir Lichtschatten?“, ruft Jerò über die Köpfe hinweg. „Das aus dem Tor einfallende Licht bildet einen grellen Körper, der wie eine Marionette an Fäden hängt, den Strahlen“.


Der Lehrer hebt einen kleinen, hölzernen Spielwürfel vorführend in die Luft und redet ohne Atempause weiter. „Das ist unser Kompass, die darin gebohrten Punkte eins bis sechs wandern auf der Oberfläche und richten sich nach den Gesetzen in dieser Welt. Jeder Teil des Holzes hat eine Aufgabe, so sucht die Nummer drei das Meer der Wurzeln und die eins Mineralien im Boden des Elfenwaldes. Jeder schnitzt sich nun einen solchen Wegführer und entscheidet sich für eine Richtung. Es wäre absurd eine Armee aus Elfen zu formen, also untersteht ihr keinem Kommando!“ Der Gedanke einer Kriegsgemeinschaft anzugehören erschütterte die erst jungen Elfen so, dass einige vergaßen mit den Flügeln zu schlagen. Das feuchte Gras des Waldbodens erweckte sie wieder aus ihrer Ohnmacht. Jerò zückt ein goldenes Messer und rückte seiner unbekannten Pflanze damit immer näher. Erschrocken stellt er fest, dass diese während seiner Handlung mit ihren Wurzeln würgend seinen Finger umschlingt, was „wohl eine Warnung sein soll“ dachte Jerò weiter, im Angesicht des Schmerzes und dem pochenden Arm. So verwendete er einen größeren und bereits abgebrochenen Ast neben sich. Stolz über den gebastelten, rechteckigen Kompass und einer klammernden Pflanze am Finger, fühlte er sich für den Aufbruch bereit. „Soll doch der Würfel entscheiden wo ich hingehe, der alte Elf meinte doch, dass es unser Wegführer ist“. Jerò war noch nie besonders entschlussfreudig gewesen und fand so wieder einmal die leichteste Lösung für seine Fragen. Das Stück rollte, mit viel Kraft geworfen, springend und rotierend über den Boden. Schließlich zeigte es für einen kurzen Moment mit der fünf nach oben und Jerò machte mit den wandernden Punkten die ersten Schritte in Richtung des Drachenfeldes. Die meisten Elfen entschieden sich für das Meer der Wurzeln, von dort kommt das Wasser, um neuen Wald zu züchten und Lücken aufzufüllen. Eine weitere kleine Gruppe verließ die Lichtung in Richtung des Cheamworth um Zwerge zu suchen, was genauso unmöglich schien, wie an der Grenze zum Drachenfeld zu überleben. Zwei Tage war Jerò nun bereits auf seinem Pfad unterwegs. „Zwischen den bunten Farnen bewegt sich doch etwas“, dachte er häufig, wenn Lichter wie von Elfenflügeln reflektiert zu ihm hinüber trafen. Jeder neue Morgen wurde mehr und mehr von dichtem Dunst begleitet, welcher sich über das Tau legte und der Elfenwald immer befremdlicher wirkte. „Da sind doch Stimmen“, aber die Rufe hallten zu schwach durch den Wald um etwas zu verstehen. Unter dem Blätterdach stieg die Hitze mit jedem Schritt und der Rauch formte eine graue Wand. Ein kleines kühles Kitzeln strich an Jerò vorbei, „endlich etwas Wind“. „Oh nein!“, Jerò konnte plötzlich weiter als nur drei Meter sehen und die frische Luft nahm ihm auch seine Taubheit. Geschockt bleibt er abrupt stehen und achtete nicht einmal auf seine Pflanze, welche sich unnatürlich zu winden begann. Vor ihm liegt sie, die fünfte Ebene, senkrecht in den Himmel, aber noch mehrere Kilometer entfernt. Hier war früher Wald, nun ist es ein Schlachtfeld. Gelbes Licht durchflutet den Himmel, schwarze Schwaden steigen daran vorbei und aufblitzende Feuerbälle lassen sich zu den Mäulern hässlicher Drachen zurückverfolgen. „Ahhh“, Jerò hält krampfhaft seine Ohren zu, die Geräusche des Kampfes schmerzen genauso wie die Bilder. In krachenden Aufschreien spuckt das brennende Holz Funken und Asche läuft wie Tränen an den Bäumen hinunter. Nach unendlichen Minuten der Taubheit sieht er, wie andere Elfen soeben aus den Wolken treten und genauso kraftlos erstarren.
Fallwinde und das schlagen der Drachenflügel, reißen die verbrannten Bäume aus dem Wald und die Luft zieht sie mit sich in den Himmel. Von weitem sind massenhaft Lichtschatten zu erkennen, feige sich dem Wald zu nähern, aber mit den Drachen und deren Feuer immer weiter vorrückend.
Und da erklang eine Melodie, „die Pflanze formt eine Art Flöte“, stellt Jerò fest „und mit dem durchstreifen des Windes bewegen sich die dünnen Äste, als ob sie ein Instrument spielen wollten“. Die süßlichen, betörenden Klänge schwangen aber in ein grelles Summen um, was ihn dazu zwang das Gewächs weg zu schleudern, eine unbewusste Reaktion. Sein Blick wandert der Pflanze nach und endet bei einem Drachen, wenige Schritte vor sich. Die schräge Musik stoppte mit dem Feuer des Ungeheuers. Jerò verstand nun, dass sich mit dem Rauch eine ganz besondere Verbindung zu dem grünen Lebewesen aus dem Wald auflöste. Schuldbewusst hängt Jerò in Gedanken seinem musikalischem Freund nach „Ich denke, deine Wurzeln haben meinen Geist gesucht“. Die grauen Augen des Drachen fokussierten nun ihn. „Oh Erde, wir haben keine Chance etwas auszurichten, wenn es nicht einmal ein Zwerg schafft, seine Welten zusammen zu halten“. Die letzten Gedanken des kleinen Elfen drehen sich eigentlich nur noch um zwei Dinge, einmal erschien der Untergang der Blockwelt und dann war da noch die kleine Elfe, „deren Nähe sich plötzlich so real anfühlt“. Um Jerò herum verabschiedete sich die Welt und tauchte in ein Schwarz. „Oder ist es doch ein Grau, nein schwarz“, verwirrt schreckt Jerò auf und fliegt in die Höhe. „Wir haben es geschafft“, die Elfe mit den roten Flügeln tanzt neben ihm und wirbelt einen Wolkenteppich auf. „Wo sind die Drachen? Sie sind wieder blind! Was ist mit den Schattenlichtern passiert? Jeder hörte die Melodie aus deiner Richtung erklingen und sah zwischen grauschwarzen Wolken eine weiße direkt neben dir aufsteigen. Man spricht davon, dass du es geschafft hast, eine Nachricht an die Ahnen des Waldes zu schicken! Der Himmel der Bäume ist herunter Gefallen und schluckte das Licht der Lichtschatten! Komm Jerò, wir müssen jetzt den anderen helfen! Vom Meer der Wurzeln kommen immer mehr bunte Blätter, gefüllt mit Wasser an. Übermütig sprudelt es aus der Elfin weiter heraus, „die Zeit der Verwirrung passt genau, den grauen, verkohlten Gebiete leben einzuhauchen“. Unter nicht endend wollenden Erklärungen denkt Jerò an seine Pflanze, ein tief verankertes Gefühl sagt ihm, dass er wirklich eine Botschaft nach Hilfe in die andere Richtung schicken konnte. Eine Schlacht ist gewonnen, „aber ich sage ihnen noch nicht, dass meine Verbindung zum Himmel mit der Pflanze verloren ging!“ stellt er für sich fest. „Hatte ich überhaupt gekämpft?“ fragt Jerò laut, dessen Bewusstsein langsam wieder in seinen zierlichen Körper zurückkehrt. „Die herab fallenden Wolken vernichteten genug Lichtschatten, womit ihre Kontrolle über die Drachen vorerst verloren ging“ entgegnet seine heimliche Begleiterin. „Vermutlich wäre unser Block nie in eine solche Situation gekommen, wenn Erde eine Frau gewesen wäre“, stellt die kleine Elfe noch beiläufig fest.

Die gewonnene Zeit spendet wieder Hoffnung Erde zu finden und verzögert die Auflösung des Lebens aus der Geschichte.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 20.04.2009

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