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Prolog



Ich lies den Sand vorsichtig durch meine Finger rieseln und starrte hinauf auf den Strand. Heute war ein wunderschöner Tag. Der Himmel war strahlend blau, die Sonne spendete Wärme und ließ das Wasser glitzern. Die Möwen kreischten abenteuerlustig über den Wellen und versuchten sich einen Fisch zu schnappen.
Und ich saß hier und schenkte der Sonne, dem Meer, oder den Möwen kaum Beachtung. Ich beobachtete schon seit einer ganzen Weile einen kleinen Jungen, der ganz allein am Strand saß und eine Sandburg baute, was vergebens war, da ständig eine Welle dabei war, das Erbaute niederzureißen. Doch das Bemerkenswerte war, dass das Kind nicht auf die Idee kam, sich einen anderen Platz auszusuchen, geschweige denn nicht losweinte, wenn seine Sandburg schon wieder zerstört wurde. Nein, ganz im Gegenteil. Es saß ruhig da und begann jedes mal von vorne, um gleich darauf zu sehen, wie seine Arbeit wieder hinüber war.
Ich hielt angespannt Ausschau nach den Eltern des Jungen, denn er war vielleicht gerade mal vier Jahre alt und ich kannte niemanden der sein Kind allein am Meer spielen ließ.
Ich stand also von meiner Düne auf und lief hinunter zum Strand. Bevor ich bei dem Jungen ankam, begegnete mir ein älteres Ehepaar, vielleicht die Großeltern des Kindes.
„Entschuldigen sie, ist das da vorne ihr Kind, das da am Wasser spielt? Denn ich würde es nicht ohne Aufsicht lassen. Hier gab es schon öfter mal Unfälle, bei denen Kinder fast ertrunken wären.“, ich konnte nicht verhindern, dass mein Tonfall ein wenig vorwurfsvoll klang.
„Mein Kind, was sagtest du? Ich muss mich entschuldigen, aber der Wind rauscht so laut.“ Oh man, die beiden waren ja schon steinalt. Kein Wunder das sie den Jungen vergessen hatten.
„Ihr Junge... DA DRÜBEN!“, ich gestikulierte zu dem Kind.
Der Mann drehte sich um und ließ den Blick über den Strand schweifen. Mein Gott, war das zu glauben? So blind konnte man doch nicht sein. Schließlich war weit und breit keine Menschenseele, bis auf diesen Jungen.
Als er sich schließlich wieder mir zu wandte, schaute er mich verwirrt und kopfschüttelnd an.
„Also nicht ihr Kind?“, fragte ich.
„Du musst lauter reden, Schätzchen.“, jedes Mal wenn die Oma den Mund aufmachte, wippte ein riesiges Muttermal auf ihrer Lippe hin und her. Das hatte doch keinen Zweck.
„Schon in Ordnung.“, genervt entfernte ich mich von den beiden.
Schnellen Schrittes und ohne mich umzudrehen stapfte ich zu dem Jungen. Ich stellte mich direkt vor ihn, die Hände vor meinem Oberkörper verschränkt und blickte auf ihn herab.
Ohne hoch zu gucken, baute er weiter an seiner Sandburg, suchte sich Muscheln aus dem Sand und verzierte damit die Türme die ziemlich detailreich wirkten. Ich lenkte meinen Blick auf die Burg und musste erstaunt feststellen wie perfekt sie geworden war. Man konnte nicht eine einzige abgerutschte Stelle erkennen, der Sand saß fest und schien, wie die Mauern einer echten Burg, aus Stein zu sein.
Doch schon als die nächste große Welle kam, war das Ganze nur noch ein kleiner Hügel aus nassem Sand.
„Möchtest du dir nicht mal eine Stelle suchen, an der deine Sandburg vor Wasser geschützt ist?“, ich hatte nicht vor nun die Aufpasserin für den Jungen zu spielen, aber ich konnte wenigstens dafür sorgen, dass er aus der Reichweite des Wassers kam.
Das Kind hob langsam den Kopf und schaute mir in die Augen. Ich starrte zurück. Er blickte wieder auf seine Hände, die gerade begonnen hatten, Sand in das Förmchen zu schütten, und ließ den Blick schließlich einmal über den ganzen Strand schweifen.
Als er sich überzeugt hatte das ich ihn meinte, stand er auf und hob langsam die Hand. Er spreizte die Finger aus und blickte weiterhin in meine Augen. Seine Hand zitterte leicht, was vielleicht darauf zurück zu führen war, dass er nun schon seit einer halben Stunde Sandburgen aufbaute.
„Was ist denn?“, ich bemühte mich um einen ruhigen Tonfall, obwohl ich keine Lust hatte, noch länger darauf zu warten, dass der Junge mir endlich antwortete,
Der Junge schaute wieder auf seine ausgestreckte Hand und dann zu mir. Ich musste zugeben, ich hatte keine Ahnung von Kindern. Ich wusste nur, dass sie herum nörgelten, immer etwas zu Meckern hatten und einem generell das Leben zur Hölle machten.
Wobei ich sagen musste, dass diese nicht gerade positive Meinung durch meinen vier Jahre jüngeren Bruder Noah entstanden war. Noah war zwölf und er durfte sich einfach alles erlauben, egal was, alle fanden ihn süß. Na ja, vom Äußeren her sah Noah auch wirklich bezaubernd aus. Mit seinen hellblonden Engelslocken und den blauen Augen konnte man nie meinen, dass er ein kleines böses Biest war.
Meine beste Freundin Charlie versuchte ständig mir zu erklären, dass nicht alle Kinder so wären wie Noah, aber ich konnte das einfach nicht glauben. Und jetzt hatte ich wieder einen Beweis. Anstatt mir eine vernünftige Antwort zu geben, streckte dieser Junge nur blöd die Hand aus und starrte mich an.
„Was willst du? Soll ich einschlagen oder was?“, tatsächlich sah die Hand des Jungen so aus, als verlangte er nach einem High-Five. Ich hatte wirklich keine Lust mehr zu warten, also schlug ich einfach ein.
Und das war der Moment in dem der Junge anfing zu schreien.

Er schrie so laut und so plötzlich, dass ich zurück stolperte und über einen angespülten Ast fiel. Ich schlug mir den Kopf auf und obwohl man meinen könnte, dass Sand relativ weich ist, tat es doch verdammt weh, als ich mit dem Kopf darauf fiel.
Mir wurde schwarz vor Augen, helle Flecken tanzten vor meinem inneren Auge und mein Kopf dröhnte. Auch der Schrei des Jungen war da, aber ich wusste nicht, ob er wirklich noch schrie, oder ich einfach nur einen Nachhall seiner Stimme hörte. Aber müsste sie dann nicht langsam verklingen?
„Wenn doch nur diese wahnsinnigen Kopfschmerzen weggehen würden“, dachte ich und dann fiel ich in Ohnmacht.
Ich wusste nicht wie lange ich auf dem Sand gelegen hatte, aber es mussten mindestens ein paar Stunden gewesen sein, denn als ich endlich wieder aufwachte, war die Sonne schon fast untergegangen und mein Magen fühlte sich so leer an, als hätte ich den ganzen Tag nichts gegessen. Ich fasste mir an den Kopf und ertastete eine kleine Wunde. Ich konnte kaum glauben, dass ich nur wegen einem kleinen Sturz sofort ohnmächtig geworden war, normalerweise war ich nicht so empfindlich.
Ich stützte mich auf den Händen ab und schaute hoch. Ich entdeckte das Förmchen und die letzten Reste der Sandburg, aber weit und breit keine Spur von dem Jungen. Zuerst übermannte mich die Panik. Was war wenn der Junge aus Angst ins Meer gefallen war? Aber ich beruhigte mich. Höchstwahrscheinlich war er zurück nach Hause gerannt.
Nachdem der Schwindel langsam verschwand, stand ich auf und betrachtete verwirrt das Meer. Konnte mir irgendeiner erklären, was da vorhin passiert war?


Kapitel 1



„Ich weiß es doch auch nicht. Er hat einfach angefangen zu schreien. Ich habe nichts gemacht.“, ich telefonierte schon seit einer Stunde mit Charlie.
Ich war noch ein paar Minuten am Strand stehen geblieben, aber es hatte keinen Sinn. Ich konnte mir einfach keinen Reim darauf machen, wieso der Junge auf einmal angefangen hatte zu schreien, Zu Hause angekommen untersuchte ich kurz die Wunde. Ich hatte Glück, es war nur eine kleine Platzwunde, die sofort wieder aufgehört hatte zu bluten. Trotzdem tat mein Kopf noch ziemlich weh.
Schließlich beschloss ich dann Charlie anzurufen und wie beste Freundinnen nun einmal sind, wollte sie jedes kleinste Detail wissen. Das Problem dabei war, dass ich mich gar nicht mehr richtig an die Details erinnerte.Er stand da nur, hat die Hand ausgestreckt und ich hab ihn tausendmal gefragt was er will und dann hab ich High-Five gemacht und dann hat er geschrien und....“
„Aber Summer, kein normaler Junge würde einfach so los schreien. Du musst doch...“
„Ich habe aber nichts gemacht.
„Ja ich weiß ja was dann kam. Wir kauen das Alles jetzt schon über eine Stunde durch und ich versteh das nicht.“, ich kannte Charlie nun schon zehn Jahre und ich wusste, dass es sie wahnsinnig machte, wenn sie irgendetwas nicht begreifen konnte.
„Ich doch auch nicht, Charlie. Wirklich nicht.“
„Wie geht`s deinem Kopf?“, fragte sie besorgt.
„Nur ein kleiner Kratzer.“, ich wollte deshalb kein großes Theater machen.
„Summer, ich will dich ja nicht beunruhigen, aber ich finde das ganze ziemlich gruselig. Ich mein, da ist ein vierjähriger Junge ganz allein am Strand, spricht kein Wort, sondern schreit auf einmal los?“
„Ja, ich weiß was du meinst. Das ist wie in einem schlechten Horrorfilm.“
„Du weißt, ich hasse Horrorfilme.“, Charlie gähnte herzhaft.
„Wir sollten schlafen gehen, morgen ist Schule“, ich musste lachen, weil das eigentlich immer Charlies Worte waren. Charlie war eine der besten Schülerinnen und das hing zum Teil damit zusammen, dass sie immer pünktlich um zehn Uhr ins Bett ging und morgens topfit im Unterricht saß, während alle anderen ihre Zeit damit verbrachten, erst einmal richtig wach zu werden.
„Ich kann jetzt eh nicht schlafen, dank deiner Gruselgeschichte. Und jetzt verdreh bloß nicht die Augen.“, sie kannte mich zu gut.
„Tu ich nicht. Obwohl man mit sechzehn nicht unbedingt mehr Angst vor einer Gruselgeschichte haben sollte.“
„Tja, ich hab nie behauptet, dass ich mich meinem Alter entsprechend verhalte. Wir sehen uns morgen. Nacht, Summer.“
„Schlaf trotzdem gut, Charlie.“
Nachdem ich aufgelegt hatte musste ich lächeln. Ich vermisste Charlie. Früher hatten wir uns jeden Tag gesehen, aber mittlerweile war das kaum mehr möglich. Seit sie mit Mason zusammen war, stand ich nur noch an zweiter Stelle. Natürlich würde sie das sofort abstreiten, aber ich war mir da ziemlich sicher. Die beiden fragten mich zwar ständig, ob ich nicht mit ihnen was machen wolle, aber jeder kennt doch das Gefühl, das dritte Rad am Wagen zu sein.
Aber ich freute mich für Charlie. Mason war ein netter Kerl und ich wusste, er liebte Charlie. Und das war doch das was zählte. Immerhin sahen wir uns ja noch in der Schule und es war ja nicht so, dass wir uns gar nicht mehr trafen.
Und ich war verdammt froh, dass Charlie meine beste Freundin war, denn ich glaubte egal was kam, uns würde nichts auseinander bringen. Aber schon bald wurde mir klar, dass ich mich getäuscht hatte.

In der Nacht hörte ich die Tür. Mein Vater kam von seiner Nachtschicht nach Hause. Er arbeitete in einem Café, dass rund um die Uhr geöffnet hatte, und versuchte mit dem Gehalt über die Runden zu kommen.
Er kam in mein Zimmer, deckte mich noch richtig zu und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Dann verschwand er schließlich in sein Zimmer.
Meine Gedanken kreisten die ganze Zeit um den Jungen und ich versuchte verzweifelt eine Lösung für Alles zu finden. Als ich es dann aufgab, zeigten die Ziffern des Weckers schon kurz nach fünf an. In einer Stunde musste ich sowieso aufstehen und da ich nicht mehr einschlafen konnte, stand ich auf und ging in die Küche. Ich schaute auf den Arbeitsplan meines Vaters. Seine nächste Schichte begann um viertel nach sechs, also musste er gleich aufstehen.
Ich briet Spiegelei und Speck in der Pfanne, goss zwei Gläser Orangensaft ein und deckte den Tisch. Ich holte noch die Zeitung von draußen und als ich wieder rein kam saß mein Vater schon am Frühstückstisch.
„Morgen, Schatz. Gibt es einen bestimmten Grund, warum du schon so früh wach bist?“, er schaute mich liebevoll an. Der Tod meiner Mutter hatte uns beide nur noch mehr zusammen geschweißt.
„Nope. Konnte nicht schlafen.“
„Hm... schlecht für dich, gut für mich. Jetzt hab ich ein leckeres Frühstück.“, er grinste mich an.
„Alles klar, Dad. Was ist hier los? Um die Uhrzeit wärst du nie im Leben so fröhlich. Hast du jemanden kennengelernt?“, ich zog eine Augenbraue hoch.
„Du wirst es nicht glauben, aber ich bin einfach froh so eine wundervolle Tochter zu haben.“
„Nur das diese wundervolle Tochter nicht immer ausreicht, um dich glücklich zu machen.“, ich verzog das Gesicht. In letzter Zeit war mein Vater viel zu oft traurig gewesen.
„Du hast Recht und ich will mich bessern, Summer. Wirklich.“, er sah mir tief in die Augen und ich nickte.
Nachdem wir gegessen hatten, machte er sich auf dem Weg zu Arbeit.
Es war grade mal sechs Uhr. Also eigentlich viel zu früh um sich schon für die Schule fertig zu machen, aber auch zu spät um sich wieder hin zu legen.
Ich ging an meinen Laptop und öffnete eine fragwürdige Seite die sich mit übernatürlichen Phänomenen befasste. Ich glaubte nicht an solchen Kram, suchte aber dennoch nach etwas, das ich mit dem gestrigen Vorfall in Verbindung bringen könnte.

Obwohl ich mindestens eine Stunde im Internet surfte, fand ich nur Mythen über Vampire, Werwölfe, Dämonen, Hexen und andere Kreaturen, die aus bekannten Filmen wie Dracula oder Twilight stammten.
Als mein Blick zufällig auf die Uhr fiel, sprang ich auf, rannte ins Bad und machte mich in Rekordzeit für die Schule fertig.
Aber es nützte nichts. Als ich endlich an der Schule ankam, war es schon viertel nach acht. Ich rannte über das Schulgelände und riss keuchend die Tür von meinem Klassenraum auf.
„Entschuldigung. Ich hab... verschlafen.“, mir fiel auf der Schnelle keine bessere Ausrede ein und ich konnte ja schlecht sagen, dass ich zwar schon um fünf aufgestanden war, aber leider die Zeit vergessen hatte, weil ich irgendwelche Mystikseiten gegoogelt hatte.
„Miss Pieper. Schön, dass sie uns auch noch mit ihrer Anwesenheit erfreuen.“, Mr. Evans abfällige Bemerkung führte zum Gekicher einiger meiner Mitschüler.
„Ich tu was ich kann.“, erwiderte ich, worauf das Lachen lauter wurde.
Ohne einen Konter seinerseits abzuwarten, setzte ich mich auf meinen Platz neben Charlie, die mich mit fragendem Blick anschaute. Ich zuckte nur mit den Schultern und versuchte dem Unterricht zu folgen, was mir jedoch nicht gelang. Mathematik an einem Montagmorgen in den ersten Stunden war unzumutbar.
Umso glücklicher war ich also, als es zur Pause klingelte. Ich nahm meine Tasche und wollte gerade aus dem Raum gehen, als Mr. Evans mich zurückrief.
„Summer, wäre es möglich, dass du eben nochmal zu mir kommst?“
Einige meiner Freunde sahen mich mitleidig an. Ich lächelte ihnen aufmunternd zu und ging stolz zum Pult.
„Ich glaube das lässt sich einrichten.“, sagte ich bemüht lässig.
„Wie kann es sein, dass du in letzter Zeit fast immer verschläfst? Vielleicht solltest du dir mal einen Wecker stellen.“, er musterte mich von oben bis unten.
Weil es heute morgen schnell gehen musste, hatte ich gar nicht gemerkt, dass ich immer noch mein Schlafanzugoberteil mit dem pinken Teddybären trug. Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
„Das ist ja nicht das Problem. Das Problem ist, dass ich den Wecker immer wieder aus stelle und dann einschlafe.“, ich zog eine verzweifelte Miene.
„Oh ja, das ist wirklich ganz schlimm. Summer, das ist mein ernst. Du machst zwar meistens deine Hausaufgaben und beteiligst dich auch ab und zu. Aber wenn du weiterhin verschläfst, bin ich gezwungen dir eine schlechtere Note zu geben.
„Ich werde mich bemühen, nicht mehr zu spät zu kommen. Kann ich jetzt gehen?“
„Eins noch.“, seine Stimme wurde ernst. „Ich weiß, wie schwer es für dich sein muss. Der Unfall ist ja erst einen Monat her. Und ich wollte dir nur sagen, wenn du jemanden zum Reden brauchst...“
„Nein, danke. Mir geht’s super.“, was sollte das denn jetzt? Wieso kam der genau jetzt auf meine Mutter zu sprechen?
„Alles klar. Dann kannst du jetzt gehen.“, er lächelte mir noch einmal mitleidig zu, aber ich drehte mich wortlos um und schritt aus dem Zimmer.
Vor der Tür wartete Charlie auf mich. „Was wollte Evans?“
„Nichts Besonderes. Nur ermahnen.“, ich machte eine abfällige Handbewegung.
„Summer, vielleicht solltest du wirklich mal darauf achten pünktlich zu kommen.“
„Bitte, du nicht auch noch. Ist ja nicht so, dass ich jeden Tag zu spät komme.“
„Ähm, eigentlich schon.“
„Charlie, bitte! Jetzt nicht, okay?“, ich fuhr mir genervt durch die Haare.
„Ist ja gut. Oh, da ist Mason. Wir sehen uns später.“, sie umarmte mich schnell und rannte auf Mason zu, der sie sofort durch die Luft wirbelte. Ich ging durch den Korridor und bemerkte, dass er vollkommen leer war. Anscheinend waren schon alle in der Cafeteria.
Auf meinem Weg kam ich an einem Mädchen in meinem Alter vorbei. Sie hatte rote Haare, Sommersprossen und hielt eine Karte der Schule in der Hand.
„Guten Tag. Darf ich dir eine Frage stellen?“
Ich schaute sie an. Jetzt fiel mir auch ihre Kleidung auf. Sie trug eine Schlaghose mit Blumenstickereien, ein bauchfreies Top und ein geflochtenes Haarband um die Stirn. Wie toll, ein Hippie.
„Klar. Was gibt’s?“, ich versuchte, sie nicht allzu verwirrt anzustarren, aber es hätte mich nicht gewundert, wenn sie mich jetzt gefragt hätte, ob ich mit ihr an einer Demonstrationen gegen Pelzmäntel mitmachen wolle.
„Also, ich bin neu an der Schule und suche die Cafeteria. Nach meiner Karte soll die hier sein.“
„Darf ich?“, ich nahm ihr die Karte aus der Hand und gab sie ihr direkt lachend zurück. „Also ich weiß ja nicht, woher du die hast, aber die ist aus den siebzigern. Nach dem Brand dreiundsiebzig wurde hier alles neu aufgebaut.“ Jeder hatte von dem Brand an unserer Schule gehört. Es muss ziemlich grausam gewesen sein, weil nicht alle Schüler gerettet wurden.
„Ach so? Ja dann ist das ja kein Wunder, dass ich hier schon die ganze Zeit herum irre.“, sie lächelte mir zu.
„Ich bring dich zur Cafeteria, wenn du willst.“, man, heute war anscheinend mein sozialer Tag.
„Das wäre echt krass cool.“, sie hakte sich einfach bei mir unter und zog mich vorwärts.
Mit der stimmte doch was nicht. Ich lief mit ihr durchs Gebäude und hörte ihrem Geplapper zu.
Sie hieß Monika und kam aus irgendeinem Kaff, dessen Namen ich schon wieder vergessen hatte. Sie hörte nur Bob Marley und versuchte gerade Gitarre zu lernen. Kurz vor der Cafeteria kamen wir an den Toiletten vorbei und Monika blieb stehen.
„Danke für die kurze Führung. Ich muss noch mal wohin. Wir sehen uns bestimmt später. Tschüssikowski.“ Sie gab mir einen schnellen Kuss auf die Wange und verschwand in der Mädchentoilette.
Ich war so perplex, dass ich mich erst einmal ein paar Sekunden sammeln musste, bevor ich zum Essen ging.
Die Cafeteria war so voll wie immer und ich musste mich erst mal an eine meterlange Schlange stellen.
„Hey, Summer. Na, wie geht’s?“
Ich musste mich gar nicht erst umdrehen, um zu wissen wer mich angesprochen hatte. Dieser überhebliche Tonfall und das dick aufgetragene Aftershave sagten mir sofort, dass Josh hinter mir stand.
„Mir geht es spitzenmäßig und dir Josh?“ Ich schob mein Tablett weiter Richtung Essensausgabe.
„Freut mich. Mir auch. Weißt du eigentlich, dass mein Angebot immer noch offen ist?“
Ich drehte mich schließlich doch um, nur um sein blödes grinsendes Gesicht zu sehen. Okay, er war heiß. Und vielleicht war er auch der bestaussehendste Typ der Schule, aber das gab ihm nicht das Recht, zu denken, dass er jede haben könnte.
„Hau ab, Josh. Wir hatten das Thema schon.“, ich würde auf keinen Fall auf seiner Liste aller Mädchen stehen, die er schon flachgelegt hatte.
„Was gefällt dir denn nicht an mir?“, fragte er gespielt enttäuscht.
Ich musterte ihn. Hellblondes Haar zierte sein hübsches Gesicht. Seine braunen Augen schauten mich fragend an, die Hände hatte er in seine Designerjeans gesteckt und sein enges, weißes Shirt ließ nicht allzu schwer sein Six-Pack erkennen.
„Nichts. Du bist perfekt.“, ich grinste ihn an.
„Eben. Also, wieso willst du nicht mit mir ausgehen?“
„Weil sich deine verflossenen und gegenwärtigen Freundinnen zusammenschließen und mich töten würden.“, mit diesen Worten hatte ich wahrscheinlich gar nicht so Unrecht.
Ich war an der Mensafrau angekommen, die mir einen Haufen zusammenklebende Nudeln auf den Teller klatschte und eine nicht sehr appetitlich aussehende braune Sauce darüber goss.
„Äh, danke.“
„Summer, im ernst. Gib mir ne Chance.“, Josh war also immer noch hinter mir.
„Nein. Vergiss es einfach.“, ich quetschte mich an ihm vorbei und suchte mir einen freien Platz neben ein paar Leuten, die ich halbwegs leiden konnte und stach in der Nudelmasse auf meinem Tablett herum.

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Tag der Veröffentlichung: 30.06.2012

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