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Prolog


Wild peitschend bewegten sich die Bäume im Wind. Es stürmte wie seit Jahren nicht mehr in dieser Nacht. Die Straßen wirkten wie ausgestorben, niemand lagerte neben den Wegen, alle Reisenden hatten in weiser Voraussicht in Gasthäusern Unterschlupf gesucht. Nur ein Mann mit Pferd und Planwagen bahnte sich unermüdlich einen Weg durch die finstere Nacht.
Er hatte es eilig nach hause zu kommen. Zum einen war es eine lange Reise gewesen und er sehnte sich nach dem Ende, zum anderen fürchtete er in Gefahr zu sein. Sein Ziel war sein Heimatdorf, in den Bergen.
Der Mann musste zweimal im Jahr seine Ware zu einem Freund nach Tehnil bringen. Dabei handelte es sich um eine Reise von insgesamt zwei Monaten und nun war er endlich auf dem Rückweg und konnte es kaum erwarten seine Familie wieder in die Arme zu schließen.
Dem Pferd gefiel das Wetter genauso wenig wie ihm. Es trottete zielstrebig auf die Berge zu, nur den einen Wunsch vor Augen, endlich den heimischen Stall zu erreichen.
Plötzlich durchbrach ein Surren die nächtliche Stille und ein Pfeil bohrte sich direkt neben dem Mann in den hölzernen Kutschbock.
Erschrocken bäumte sich das Pferd auf.
„Mist, sie haben mich entdeckt.“, zischte der Mann und ließ die Zügel auf das runde Hinterteil des Pferdes peitschen. Wie der Wind raste dieses los.
Allerdings erkannte der Mann schnell, dass er keine Chance hatte mit dem Planwagen zu entkommen. Vor ihm baute sich eine Reihe schwarzer Reiter, in dunklen Umhängen und übers Gesicht gezogenen Kapuzen, auf.
Schnell zog er sein Schwert, welches er auf Reisen immer unter seiner unscheinbaren Bauernkutte trug. Noch während der Fahrt sprang er vom Wagen und landete direkt vor dem ersten Reiter.
Schnell hob der Mann sein Schwert und ließ es auf die Verbindungsgurte von Pferd und Planwagen nieder sausen. Mit einem Hieb trennte er die eine Seite, so dass der Planwagen nun schief hing.
Bevor der Mann aber auf die andere Seite gelangen konnte versperrte ihm der Reiter den Weg.
Der Mann wusste, wenn er sich auf einen Zweikampf einlassen würde, hätte er keine Chance. Mit einem Satz sprang er über das Pferd und trennte noch im Sprung die andere Seite. Allerdings hatte er nicht bedacht wie panisch das Pferd durch die Fremden war. Von seiner Last befreit preschte es davon.
Nun stand der Mann dem Reiter allein gegenüber, aber kampflos aufgeben war gegen die Ehre.
Schnell holte er zu einem Schlag aus. Doch noch bevor er diesen ausführen konnte explodierte ein Schmerz an seiner linken Schläfe und er versank in schwarzer Stille.

Allein?


Langsam stieg eine orangerote Sonne über dem kleinen mit Strohdächern gesäumten Dorf auf. Es war dieser eine stille Moment an Sommermorgen, an dem die ganze Welt still zu stehen schien. Kein Mensch regte sich auf den Straßen, niemand war hinter den Fenstern zu sehen. Auch die Tiere standen noch still in den Ställen oder dösten friedlich auf der Weide. Selbst der Wind schien für einen Moment innezuhalten, um der Sonne einen würdigen Empfang zu liefern.
Das Dorf, welches den Namen Valenzia trug, bestand gerade mal aus zehn kleinen, aber sehr gepflegten, Holzhäusern und befand sich, von Bergen umringt, in einem kleinen Tal, direkt am Watasee. Der große See glitzerte golden in der aufsteigenden Sonne. Auf der anderen Seite des Dorfes erstreckte sich eine weite grüne Ebene, die nur vereinzelt durch kleine Hügel unterbrochen wurde und erst nach einigen hundert Metern in einen dichten Wald überging.

Sasha erwachte durch das leichte Kitzeln der warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht. Verschlafen öffnete sie ihre Augen und lugte zwischen ihren langen Wimpern zum offenen Fenster. Von ihrem Zimmer aus konnte sie den gesamten See überblicken, sogar bis zu den Bergen am Ende des kleinen Tals. Im morgendlichen Sonnenschein konnte sie die Fischreiher bei ihrem Frühstück beobachten. Wenn sie die Augen zukniff vermeinte sie sogar die flüchtende Fische zu sehen.
Paco ihr kleiner rostbrauner Marder, saß Schwanz zuckend auf dem Fensterrahmen und beobachtete das allmorgendliche Spektakel mit gespitzten Ohren. Lachend schwang Sasha die Beine aus dem warmen Bett und trat zu Paco ans Fenster. Von der Sonne geblendet schloss sie lächelnd die Augen, lauschte dem Vogelgezwitscher und ließ den warmen Sommerwind über ihr Gesicht streichen.
Erschrocken öffnete sie ihre Augen schnell wieder als sie plötzlich ein Gewicht auf ihrer rechten Schulter spürte. Paco schaute sie aus seinen schokoladenbraunen Augen aufmerksam an. Er hatte sie soweit aufgerissen, dass Sasha beobachten konnte, wie ihre erschrocken aufgerissenen blauen Augen sich zu einem Lachen verengten.
Spielerisch begann Paco an ihren langen, braunen Haaren zu knabbern.
„He, he ist ja gut, du bekommst ja Frühstück.“
Schnell nahm sie ihren kleinen, ungeduldigen Freund in eine Armbeuge, um die Tür zu öffnen, durchquerte den kleinen Flur mit zwei Schritten und betrat die Küche.
Der Raum war bis auf die üblichen Gegenstände leer. Ihre Mutter musste schon wieder bei Renata sein, dachte sich Sasha seufzend. Schnell schaufelte sie den übrig gebliebenen, kalten Fisch vom Vorabend auf einen Holzteller, um ihm Paco zu servieren. Der kleine Kerl stürzte sich mit einem Eifer auf den Teller, als hätte er seit Tagen hungern müssen.
Schmunzelnd nahm Sasha sich ein Stück Brot und trat zur Tür hinaus. Im Dorf erwachten die Leute nach und nach. Jusu und Benim die beiden Jungs von gegenüber übten mit zwei Stöcken den Schwertkampf, während ihre Mutter versuchte sie zu überreden etwas zu essen. Nafal der älteste Mann im Dorf machte seinen allmorgendlichen Spaziergang. Er grüßte Sasha mit einem mürrischen Nicken, bei dem nur sein langer Bart zuckte, sich aber sonst nichts in seinem Gesicht regte.
Sasha atmete die frische Luft tief ein, sah sich nach Paco um, der seine Mahlzeit beendet hatte und nun den Schrank nach mehr durchstöberte, und machte sich auf die Suche nach ihrer Mutter. Als Paco sie gehen sah beendete er sofort seine wichtigen Untersuchungen und heftete sich an ihre Fersen.
Seitdem Sashas Vater vor einem Jahr von einer Geschäftsreise nicht aus Tehnil zurückgekehrt war, verbrachte ihre Mutter jede freie Minute bei Renata.
Renata wohnte auf einem kleinen Hügel, etwas abseits von den anderen Häusern. Sie war die Heilerin des Dorfs und hatte den Ruf einer Hexe. Die Bewohner fürchteten sich vor Hexerei und waren deswegen froh, dass Renata den Hügel gewählt hatte, so konnten sie ihr aus dem Weg gehen. Allerdings war sie bei Kranken sehr beliebt. Denn als Heilerin war sie außerordentlich begabt.
Sasha schlenderte mit dem neugierigen Paco die kleine Dorfstraße entlang. Er untersuchte aufmerksam rechts und links alle interessanten Gerüche. Manchmal glaubte Sasha Paco würde einen bestimmten Geruch suchen oder erwarten.
Sie hatte Paco vor einem Jahr aus dem Watasee gefischt, als er drohte zu ertrinken. Sie nahm ihn mit nach hause und kümmerte sich um ihn bis es ihm wieder besser ging. Von da an blieb er bei ihr.
Aber Sasha war ganz froh darum. Er war ihr bester Freund und als ihr Vater kurze Zeit darauf nicht mehr wieder kam brauchte sie ihn umso mehr.
Schon Wochen vor dem Verschwinden ihres Vaters erreichten sie Geschichten über geheimnisvolle Gestalten, die das Land Rinanzia heimsuchten. Sie plünderten, mordeten. Es hieß sie suchten etwas. Aber was, das konnte ihr keiner sagen. Und als ihr Vater dann schon zwei Monde lang nicht zurück war, war für die Bewohner klar was passiert sein musste. Aber Sasha wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Eigentlich war es mehr als ein Hoffen. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass ihr Vater noch leben musste. Und auch ihre Mutter hatte noch nicht aufgegeben. Zusammen mit Renata versuchte sie ihren Mann zu finden.
Obwohl Sasha daran glaubte, dass ihr Vater dort draußen noch irgendwo war, glaubte sie nicht, dass Renata ihn finden würde. Schließlich versuchten die beiden es jetzt schon 8 Monde lang.
Auf Renatas Hügel angekommen klopfte Sasha sachte an die Tür. Obwohl Renata eine lustige, füllige Person mit wuscheligen roten Haaren und einem Gesicht voller Sommersprossen war, fürchtete sich Sasha ein wenig vor ihrem Haus. Statt einem „Herein“ öffnete sich die Tür wie von Geisterhand und ließ sie eintreten. Es schlug ihr ein muffiger aber durchaus würziger Duft von verbrennendem Feuerholz und getrockneten Kräutern entgegen. Letztere hingen in regelmäßigen Abständen von der Decke und ließen die winzige Hütte noch kleiner Wirken. Diese bestand im Grunde nur aus einem einzigen Raum. Links von Sasha befand sich eine Schlafnische mit einem kleinen Lager aus Stroh und Fellen. Jeder freie Platz des Raums war mit Gläsern voll eigenartiger Kreaturen gefüllt. Dazwischen lagen allerhand Knochen, Steine und Dinge, die Sasha nicht kannte. In der Mitte des Raumes befand sich ein großer Holztisch mit Stühlen drum herum. Allerdings war auch dieser voll mit geheimnisvollen Dingen. An der gegenüberliegenden Wand befand sich eine große Kochstelle, über der ein großer Kessel hing, aus dem es geheimnisvoll blubberte.
Als Sasha eintrat saßen Renata und ihre Mutter direkt vor diesem Kessel und unterhielten sich angeregt. Es schien Neuigkeiten zu geben. Mit Paco im Schlepptau, der sich im Gegensatz zu ihr pudelwohl zu fühlen schien, trat sie auf die beiden zu.
„Guten Morgen“, begrüßte Sasha beide, „Gibt es etwas Neues?“
„Oh, ja gut, dass du kommst“, freute sich ihre Mutter. Sie hatte die selben braune Haare wie ihre Tochter und die selben zarten Züge im Gesicht. Allerdings sah man von ihrer Schönheit im Moment gar nichts. Die Haare sahen stumpf aus, unter den Augen lagen tiefe, schwarze Ränder und allgemein sah sie ernsthaft abgemagert und ungesund aus.
„Renata hat herausgefunden an welcher Stelle dein Vater das Bewusstsein verloren haben muss. Vielleicht kann man dort die Spur weiter verfolgen.“
Renata war der festen Überzeugung, dass Sashas Vater das Bewusstsein verloren haben musste. Sie behauptete sie könne seine Seele bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verfolgen und danach folge nur noch Schwärze. Allerdings könne sie seine Seele im Moment sehr schwach wahrnehmen, sie aber leider nicht orten. Renata sagte, sie würde von etwas blockiert.
Sashas Mutter lächelte die rothaarige Frau neben ihr freundlich an und versuchte von ihr noch einmal die Bestätigung zu erhalten. Renata rührte geduldig in ihrem Kessel. Ihre sanften grünen Augen blickten Sasha offen und ohne Scheu an. Sie war von ihren Künsten überzeugt.
Entgeistert sah Sasha ihre Mutter an. „Du willst dahin gehen ohne zu wissen, ob du überhaupt etwas findest oder ob es überhaupt stimmt?“
Hilflos sah ihre Mutter ihr in die Augen. „Was soll ich denn machen? Hier rum sitzen, obwohl ich weiß, dass es Jonathan nicht gut geht?“
„Gut, dann komm ich mit dir.“
„Das kommt überhaupt nicht in Frage, das ist viel zu gefährlich“, schwungvoll stand Sashas Mutter auf.
„Aber du kannst mich nicht hier alleine lassen. Wenn du nicht wieder kommst, was soll ich dann machen?“, fragte Sasha weinerlich.
„Ach Kind, mach dir keine Sorgen. Renata kommt mit mir. Du wirst sehen wir sind bald wieder zurück. Und du hast Paco und die anderen im Dorf. Vertrau mir, du musst hier bleiben.“
Enttäuscht und zutiefst verletzt füllten sich Sashas Augen mit Tränen. Traurig sah sie ihre Mutter und Renata an, drehte sich auf dem Absatz um und floh nach draußen.
„Sasha, versteh doch.“, hörte sie ihre Mutter hinterher rufen. Aber sie wollte nicht verstehen. Sie fühlte sich alleingelassen.
Weinend lief sie einfach los, quer über die große Ebene. Das Gras reichte ihr bis zur Hüfte. Hinter sich konnte sie ein leises Rascheln hören. Auf Paco war immer verlass.
Blind vor Tränen lief sie über den nächsten großen Hügel und ließ sich auf der anderen Seite einfach ins tiefe Gras fallen. Paco kletterte auf ihren Schoß und versuchte sie zu trösten, indem er ihre Tränen versuchte abzulecken.
Plötzlich war Sasha wieder unendlich müde. Ihre Mutter konnte doch nicht ernsthaft glauben, dass wenn sie losging, sie Sashas Vater finden würde. Wenn er könnte würde er doch nach hause kommen. Traurig kuschelte sie sich mit Paco ins Gras. Sie fühlte sich allein. Ja, sie hatte Paco, aber in solchen Momenten war er eben doch nur ein Tier. Er konnte ihr keinen Rat geben.
Weinend schlief sie ein.

Zu viel auf einmal!


Sasha erwachte fröstelnd. Die Sonne war weiter gewandert. Sie vermutete, dass es nun später Nachmittag war.
Die Sonne war hinter Wolken verschwunden, deshalb saß sie nun im halbdunkeln im hohen Gras. Ihre Augen waren vom Weinen geschwollen und brannten. Suchend setzte sie sich auf und sah sich um.
„Paco, Paco?“, flüsterte sie leise. „Paco, wo bist du?“
Langsam stand sie auf. Wie sollte sie den kleinen Marder im hohen Gras finden?
„Verdammt, Paco komm her.“
Ein leises Rascheln ließ sie herumfahren. Angespannt hockte sie sich ins Gras und beobachtete die Grashalme. Als sie das Rascheln fast erreichte, duckte sie sich noch tiefer und schloss die Augen. Plötzlich war es still.
Vorsichtig öffnete Sasha die Augen. Es war nichts zu sehen.
„Paco?“ Ein leises Fiepen antwortet ihr. „Komm her.“
Langsam kam der Marder zwischen den Grashalmen hervor. Freudig fiepend sprang er in ihre Arme und schmiegte seinen kleinen Kopf an ihre Wange.
„Wo warst du denn?“, fragte Sasha vorwurfsvoll. „Du hast mich erschreckt.“
Ein erneutes Rascheln ließ sie zusammenzucken. Paco drückte erneut seinen Kopf beruhigend an ihre Wange. Sasha rutschte ein kleines Stück zurück.
Der Marder aber sprang mit erhobenem Schwanz von ihrem Schoß und schaute sie vertrauensvoll an. Er schien sagen zu wollen keine Angst, siehst du ich fürchte mich auch nicht. Er blinzelte zweimal, dann drehte er sich in die Richtung aus der das Geräusch gekommen war und fiepte zweimal kurz hintereinander.
Kurze Zeit geschah nichts. Sasha fing gerade an sich wieder zu entspannen, als langsam ein kleiner, pelziger Kopf zwischen den Gräsern hervorlugte. Im ersten Moment zuckte Sasha zurück. Aber bei genauerem hinsehen, erkannte sie, dass es sich um ein kleines hellbraunes Kaninchen handelte.
„Oh Sasha jetzt fürchtest du dich schon vor kleinen Kaninchen.“, sagte sie zu sich selbst.
Langsam, um das Tier nicht zu erschrecken, streckte sie dem kleinen die Hand hin. Das Kaninchen kam ein Stück entgegengehoppelt, schnupperte kurz, leckte mit seiner kleinen Zunge über Sashas Fingerspitze und stupste sie mit der Nase an.
„Na du bist ja süß. Bist du Pacos Freundin? Oder ein Freund?“
Paco fiepte wieder kurz und das Kaninchen drehte sich um, steckte seinen Kopf zwischen die Grashalme und holte eine sonderbar blutrote Blume hervor. Sasha beugte sich etwas vor und betrachtete sie, so eine Blume hatte sie vorher noch nie gesehen. Sie hatte fünf etwa herzförmige blutrote Blütenblätter, in der Mitte der Blüte befand sich ein langer stängelartiger Fortsatz an dessen Spitze sich sternförmige, gelbe Pollen befanden. Der selbst Stängel war dunkel grün mit großen breit gefächerten Blättern.
Vorsichtig nahm Sasha die eigentümliche Blume in die Hand. Überrascht stellte sie fest, dass sowohl die Blütenblätter als auch die Stängelblätter mit kleinen weichen Härchen überzogen waren.
Fragend sah sie die beiden Tiere an.
„Was ist das für eine Blume?“
Paco keckerte anhaltend. Das Geräusch erinnerte an ein Kichern.
Der Marder kam auf sie zu, rupfte mit der kleinen, rundlichen Schnauze ein Blütenblatt ab und mümmelte es auf. Danach sah er sie erwartungsvoll mit seinen schokoladenbraunen Augen an. Fragend schaute Sasha zurück. Ungeduldig hoppelte das Kaninchen näher und stupste die Hand, in der sie die Blume hielt, an.
„Ihr wollt, dass ich auch ein Blatt esse?“, fragte sie ungläubig.
Das Kaninchen stupste sie erneut mit der Nase an und Paco keckerte bestätigend. Irritiert sah Sasha auf die seltsame Blume.
„Ihr seid sicher, dass die nicht giftig ist?“, fragte sie zögernd.
Das Kaninchen ließ plötzlich die Ohren hängen. Dann schnellte es vor rupfte auch ein Blatt ab und aß es.
„Okay, ich glaube das ist Antwort genug.“, meinte Sasha lachend. „Ich glaub euch ja.“
Trotzdem zupfte sie nur zögernd an dem Blütenblatt. Langsam hob sie es zwischen Daumen und Zeigefinger auf Augenhöhe. Von nahem konnte sie die Härchen auf dem Blatt sogar sehen. Sie waren genauso blutrot, wie das Blatt selbst.
Das Kaninchen trommelte nervös mit dem rechten Hinterbein auf den Boden und auch Paco fiepte ungeduldig, als wollte er sagen: Nun mach schon.
Sasha atmete einmal tief ein und wieder aus, dann steckte sie sich blitzschnell das kleine Blatt in den Mund. Überrascht riss sie die Augen auf. Sie hatte erwartet, dass das Blatt nach Nichts schmecken würde, aber da lag sie absolut falsch. Das Blatt schmeckte einfach köstlich. Nach ihren Lieblingsfrüchten, Erdbeeren mit einem Spritzer Zitrone. Verwundert fing sie an zu kauen und hatte das Gefühl nicht nur das kleine Blatt im Mund zu haben, sondern eine ganze Hand voll Erdbeeren. Genüsslich kaute sie weiter, bis ihr gar nichts anderes mehr übrig blieb als zu schlucken.

„Hat sie geschluckt? Hat sie endlich geschluckt? Was meinst du, nach was hat es bei ihr geschmeckt? Auch nach Karotten?“
Erschrocken schaute sich Sasha um. Wer sprach denn da? Sie dachte sie wäre alleine.
„Nein, doch nicht nach komischen Karotten. Natürlich hat sie Fisch geschmeckt, ist doch klar. Ein leckerer Lachs oder eine Forelle.“
Irritiert schaute sich Sasha um. Langsam richtete sie sich auf. Soweit sie sehen konnte war sie alleine. Nur…, aber nein das konnte nicht sein. Nur die Tiere waren hier…
Erstaunt kniete Sasha sich wieder hin.
„Oh Gott, also entweder ich bin jetzt total übergeschnappt oder …“
„Nein bist du nicht.“, kam es von den Tieren.
„Ich, oh Gott, ihr könnt sprechen?“
„Natürlich können wir sprechen. Jedes Tier kann sprechen du Dummerchen.“, meinte das Kaninchen. Sasha konnte jetzt von der Stimme ableiten, dass das Kaninchen weiblich war.
„He, nenn sie nicht dumm!“, fauchte Paco. „Nicht jeder Mensch kann uns hören.“, wandte er sich an Sasha.
„Und warum kann ich euch hören? Weil ich die komische Blume gegessen habe?“
„Ja und nein“, wiegelte Paco ab, „nicht jeder Mensch, der diese Blume isst kann uns hören. Derjenige muss vorher schon Magie in sich tragen.“
„Soll, … soll das heißen ich habe Magie in mir? Heißt das ich kann zaubern?“, fragte Sasha ungläubig.
„Ja du trägst Magie in dir. Allerdings war sie vorher blockiert und dadurch, dass du von der Blume gegessen hast, wurde sie frei gesetzt. Theoretisch kannst du jetzt Magie anwenden, jedoch gehört da wesentlich mehr zu als nur ein Zaubersprüchlein aufzusagen. Du brauchst Unterricht und viel Übung. Dumm nur, dass wir dazu keine Zeit mehr haben…“
„Ich habe dir ja gesagt, wir hätten sie früher einweihen müssen.“, mischte sich das vorlaute Kaninchen wieder ein.
„Sie war noch nicht so weit. Und ich bezweifle, dass sie es jetzt ist.“
„He, redet nicht von mir als wäre ich nicht hier. Erklärt mir bitte was hier los ist. Warum habt ihr meine Magie freigesetzt und was wollt ihr von mir? Wozu bin ich noch nicht bereit? Und wer seid ihr beiden eigentlich?“, mischte sich Sasha, die jetzt etwas ungeduldig wurde, weil sie nichts verstand, in das Gespräch. Sie hielt sich erschöpft den Kopf und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen.
Verdattert sah Paco sie an. So hatte sie noch nie mit ihm gesprochen, auch wenn er sich noch so daneben benommen hatte.
„Okay gut eins nach dem anderen, okay?“, versuchte Paco sie zu beruhigen.
Sasha nickte nur bestätigend, sie hatte die Schnauze voll nicht zu wissen, was um sie herum geschah.
„Gut“, begann Paco, „also die kleine Nervensäge hier ist Karla.“ Karla schnaubte erbost als Antwort auf die kleine Neckerei, blieb aber stumm.
„Wir beide sind Wächter oder Hüter der Magie, die in Menschen gebunden ist. Zu diesem Zweck sind wir bestimmten Menschen zu geteilt. Und ich bin dein Wächter.“, erklärte Paco stolz.
„Wieso muss die Magie, die in Menschen gebunden ist, denn bewacht werden?“, fragte Sasha irritiert.
„Das ist eine lange Geschichte. Ich versuche mich am besten kurz zu fassen. Also“, seufzte Paco, „wir Tiere sind schon seit Anbeginn der Zeit die Hüter der Magie. Vor ungefähr tausend Jahren war es den Menschen noch nicht möglich diese in ihnen zu binden. Vor dieser Zeit befand sich die Magie in der Luft.“
„Und was geschah dann mit der Magie?“, fragte Sasha gespannt.
„Ein Meteorit schlug in die Erde ein. Seine elektrische Ladung verbannte die Magie aus der Luft und in Pflanzen, Erde und Steine.“
„Und wie kamen die Menschen dann an die Magie?“, fragte Sasha ungeduldig.
„Lass mich ausreden, dazu komm ich jetzt.“, antwortete Paco eingeschnappt und rollte mit den Augen, fuhr aber fort. „Als die Menschen die Magie entdeckten versuchten sie, wie bei allem neuen, mächtigen und interessanten, an diese ranzukommen. Zu diesem Zweck schloss sich eine Gruppe von vier starken Edelmännern zusammen. Sie brauchten Jahrzehnte, aber am Ende hatten sie es geschafft. Wie, ist letztendlich vollkommen unbekannt. Doch einmal an die Magie rangekommen, konnten sie nicht genug bekommen und sogen immer mehr Magie aus ihrer Umgebung in sich auf. Am Ende wurden sie so habgierig, dass sie ganze Landstriche leer sogen. Doch auch das war ihnen nicht genug. Am Ende bekämpften sie sich gegenseitig und nur einer blieb übrig.“
„Und wer?“, fragte Sasha, ganz gefangen in der spannenden Geschichte.
„Ja wer… Unser König!“
„Der König!“, wiederholte Sasha fassungslos. „Aber das würde bedeuten, dass er fast tausend Jahre alt ist.“
„Ja so ähnlich.“, mischte sich jetzt Karla wieder in das Gespräch. „Um genau zu sein 967.“
Fassungslos starrte Sasha die beiden Tiere vor ihr an.
„Magie lässt Menschen länger leben und damit nicht wieder so etwas passiert wie vor 950 Jahren, gibt es uns Wächter. Wir kümmern uns um die Menschen, die schon von Geburt an Magie in sich tragen.“, fügte Paco erklärend hinzu.
„Wenn Magie in den vier Menschen gebunden wurde, wie kann es dann sein, dass es Menschen wie mich gibt, die Magie schon von ihrer Geburt an in sich tragen?“, wunderte sich Sasha.
„Hm“, druckste Paco rum.
„Warum möchtest du es mir nicht sagen?“
Langsam kam Paco näher, setzte sich auf ihren Schoß und sah sie mit seinen schokoladenbraunen Augen treu an.
„Wenn du Magie in dir trägst, musst du von einem der vier Edelmänner abstammen.“
Nun war Sasha sprachlos. Fassungslos starrte sie auf den Boden. Paco kuschelte sich beruhigend an ihre Wange. Vor ein paar Stunden war Sashas Problem noch ihr verschwundener Vater gewesen und nun sprach sie mit Tieren über Magie? Vielleicht schlief sie ja immer noch...
Nach ein paar Minuten erwachte sie aus ihrer Starre und wandte sich wieder an die beiden Wächter.
„Aber das bedeutet ja, dass ein Elternteil von mir auch Magie in sich tragen muss.“
„Dein Vater.“, antwortete ihr eine tiefe, unbekannte Stimme, direkt hinter ihr.
Erschrocken fuhr sie rum.
Vor ihr im hohen Gras stand eine, ihr vollkommen fremde, Person.
Es handelte sich um einen durchtrainierten Jungen, der etwa in ihrem Alter sein musste, also ungefähr 16 Jahre. Er trug eine schwarze Lederjacke, die sehr gut zu seiner auffallend blassen Haut und seinen pechschwarzen, kunstvoll verwuschelten Haaren passte. Aber das Auffälligste an ihm, waren seine leuchtend violetten Augen.
„Wer bist du?“, fragte Sasha, die aufstand, um nicht so angreifbar auszusehen und versuchte gleichzeitig wenigstens noch ein paar Zentimeter zwischen sich und diesem bedrohlich aussehenden Fremden zu bringen.
Doch anstatt ihr zu antworten wendete dieser sich an Karla.
„Ihr habt ihr noch nicht von mir erzählt? Ihr hattet doch genug Zeit. Oh man, alles muss man selber machen.“, äußerte er gereizt.
Sasha wurde sauer. Sie kannte ihn nicht, er schien aber sie zu kennen. Er beantwortete ihre Frage nicht, maßte sich aber an ihre Freunde zu beleidigen.
„Hör mal, ich weiß nicht wer du bist aber so langsam ist mir das auch schnuppe. Du kommst hier her, erschreckst mich zu tode, tust total geheimnisvoll und deine erste Handlung ist erst mal schlechte Luft zu verbreiten? Wenn das dein Plan ist, kannst du auch direkt wieder gehen.“
Mit offenem Mund starrte der Fremde sie an.
Paco räusperte sich.
„Sasha, das ist Leonidas. Karla ist seine Wächterin.“
„Oh, okay.“, gab sie immer noch verstimmt von sich. Und um noch eins drauf zu setzen fragte sie, „Und warum sieht er so komisch aus?“
Plötzlich ertönte ein glockenhelles Lachen. Beleidigt sah Sasha Leonidas an. Das konnte doch nicht wahr sein, jetzt machte er sich auch noch lustig.
Sie wandte sich ab und wollte gerade gehen, als Paco sich ihr in den Weg stellte.
„Nein warte, hör zu. Bitte Leonidas wir müssen ihr ihre Fragen beantworten. Sie muss verstehen.“
„Wir haben nicht so viel Zeit, wir müssten schon längst unterwegs sein.“, wandte dieser ein. „Aber gut okay. Du möchtest also wissen wer ich bin?“, fragte er Sasha. Diese nickte nur, irgendetwas war komisch an diesem Kerl.
„Na gut, aber bitte kipp nicht aus den Latschen oder fang an zu schreien okay? Ich tu dir nichts. Hast du das verstanden?“
Wieder nickte sie nur.
Leonidas wandte sich an die beiden Wächter. „Seid ihr sicher, dass ich es ihr jetzt schon sagen soll?“
„Sicher“, meinte Paco, „Sie schafft das schon.“
Leonidas holte tief Luft, sah Sasha noch einmal prüfend an und lüftete endlich das Geheimnis.
„Ich bin ein Vampir.“
Überrascht sog Sasha die Luft durch den Mund ein. Das war einfach zu viel. Magie, ihr Vater, Wächter und nun ein Vampir.
„Na toll jetzt hat sie einen Infarkt“, regte sich Leonidas schon wieder auf. Ich kann tagsüber nicht rumlaufen und die Zeit, in der ich das kann, vertrödle ich hier.
Sasha war bis zu diesem Zeitpunkt nicht aufgefallen, wie spät es schon war. Erst jetzt viel ihr auf, dass es schon dämmerte.
„Mist meine Mutter“, entfuhr es ihr und schon rannte sie los.

Magie!


Paco holte Sasha erst kurz vor dem Haus wieder ein. Sie stand reglos in der Haustür.
Sasha spürte, dass alle drei hinter ihr standen, aber ihr war im Moment nicht nach Gesellschaft. Während sie sich den ganzen Tag fantastische Geschichten angehört hatte, war ihre Mutter heimlich aufgebrochen. Nur einen einsamen, weißen Zettel hatte sie an der Tür hinterlassen.

Sasha,
es tut mir leid. Ich muss gehen. Ich muss ihn einfach finden.
Ich hab dich lieb mein Kind, halte durch, ich bin bald wieder da.
Du wirst schon sehen.
In Liebe Mama!

„Ich werde sie wohl nie wieder sehen.“, dachte sie und fing an zu schluchzen, jedoch hatte sie sich heute Morgen schon ausgeweint und so brannten diesmal nur ihre Augen.
Leonidas räusperte sich ungeduldig. Offensichtlich war ihm die ganze Situation unangenehm. Er hielt Karla im Arm, der das offensichtlich zu gefallen schien. Sie schien keinerlei Angst vor seiner düsteren Vampiraura zu haben.
Langsam trat Sasha einen Schritt weit ins Haus. Es sah genauso aus wie immer, offensichtlich fehlte nichts, aber Sasha kam es trotzdem viel leerer und auf Grund dessen auch größer vor. Erst bei genauerem hinsehen erkannte Sasha, dass ein guter Teil ihrer Vorräte und Papas alter großer Rucksack fehlte.
Müde sank sie einfach an der Stelle, wo sie stand auf den Boden. Paco kletterte auf ihren Schoß und schaute sie mitleidig aus seinen dunkelbraunen Augen an.
„Sasha, du musst jetzt stark sein. Wir haben dir noch nicht alles gesagt.“, flüsterte er.
„Ich will nichts mehr hören. Meine Eltern sind weg und ihr erzählt mir was von Magie und Vampiren. Ich glaub euch nichts mehr. Ich muss meine Eltern finden, meine Mutter braucht mich.“, brach es aus Sasha.
Nun mischte sich Leonidas wieder in das Gespräch. Er hielt eine Kerze in der Hand und suchte im Regal nach Streichhölzern. Als er keines fand seufzte er, kam zu Sasha und setzte sich mit Kerze direkt vor sie. „Es geht ja eben um deine Eltern. Wir müssen sie retten.“
Verdattert starrte Sasha ihn an. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet.
„Aber, wie, warum, also…“, stotterte sie.
Warm lächelte er sie mit seinen sonderbaren Augen an. Wenn er so lächelte sah er richtig gut aus fand Sasha.
„Okay, langsam ich erklär dir alles. Aber zu erst brauchen wir etwas Licht. Ich kann zwar im Dunkeln sehr gut sehen, aber dann ist es für dich angenehmer und für uns alle etwas gemütlicher.“
„Im Küchenschrank liegen Streichhölzer.“, gab Sasha bereitwillig preis. Sie wusste selbst nicht warum sie ihm, einem wildfremden, vetraute.
„Die brauchen wir nicht“, erklärte Leonidas zu ihrem erstaunen.
Er hob die Kerze vor sein Gesicht, so dass sich der Docht direkt vor seinem perfekt geformten Mund befand. Lächelnd schloss er die Augen, holte tief Luft und pustete den Docht sacht an. Zunächst erschien ein feines Glühen, welches sich nach einem kurzen Moment zu einer kleinen Flamme formte.
Erstaunt starrte Sasha die brennende Kerze an. Leonidas violette Augen glitzerten geheimnisvoll in deren Licht.
„Das ist Magie“, erklärte er grinsend.
„Gut, jetzt hast du angegeben, hör endlich auf zu flirten und komm zum wesentlichen“, Karla hatte sich bis zu diesem Moment zurück gehalten, aber die Zeit drängte nun wirklich.
Plötzlich wurde Leonidas ernst. Er räusperte sich und schaute Sasha nun ernst über die Kerze hinweg an.
„Gut, dann verratet mir erst mal was sie schon weiß. Ich habe keine Lust noch einmal alles zu wiederholen. Geschweige denn, dass wir die Zeit dazu hätten.“
„Sie kennt die Geschichte der Magie, sie weiß dass sie selbst welche besitzt und dass wir Wächter sind.“, antwortete Paco nüchtern.
„Gut, das ist wenigstens schon mal eine Grundlage.“, bemerkte Leonidas. „Schön, wo fang ich an.“
Eine Sekunde lang starrte er in die Flamme, dann hob er den Blick und schaute Sasha wieder an.
„Weißt du wo dein Vater jedes Jahr hin gefahren ist?“
Erstaunt zog Sasha ihre Brauen hoch. „Natürlich, er fuhr jedes Jahr nach Tehnil, um dort unsere selbst gemachten Tonkrüge und Körbe zu verkaufen.“
„Richtig, er fuhr nach Tehnil und hat dort auch eure Waren verkauft. Aber der Grund seiner Reise war schon immer ein anderer.“
Sasha schüttelte den Kopf. Was bildete der Typ sich eigentlich ein. Tauchte einfach so auf und erklärte dann er wisse mehr über ihren Vater als sie selbst.
„Gut, nehmen wir an ich glaube dir. Was hat er wirklich gemacht?“, fragte sie herausfordernd.
„Er hat in euren Körben und Krügen noch eine andere Ware transportiert, um sie in Tehnil zu verkaufen… Pflaumpflanzen.“
„Was soll er bitte transportiert haben? Pflaumpflanzen was soll das denn sein?“
„Die rote Blume, die du eben gegessen hast.“, mischte sich nun Paco wieder in das Gespräch.
„Oh, achso… Aber was ist denn so besonders an der Blume?“, fragte sie, nun neugierig geworden.
„Das musst du noch fragen, nach dem du sie gegessen hast und nun mit Tieren sprechen kannst?“, fragte Karla ungläubig.
Leonidas überhörte diesen Kommentar und beantwortete ihre Frage.
„Pflaumpflanzen können zum einen, wie du schon bemerkt haben musst, Magie freisetzen, die blockiert wurde. Aber das ist noch lange nicht alles. Weiterhin kann sie die Magie von Menschen, die welche in sich tragen stärken und Menschen, die keine in sich tragen töten.“
Ungläubig sah Sasha ihn an.
„Das kann eine Blume?“
„ Ja, aber für mich ist sie noch viel wichtiger. Wie du weißt trinken Vampire, wie ich es einer bin, Blut, Menschenblut.“
Sie nickte stumm.
„Ich aber nicht. Ich möchte kein Monster sein und musste mir deswegen eine Alternative suchen. Der Saft aus dem Stängel der Pflaumpflanze ist mein Blutersatz.“
„Aber stärkt die Blume dann nicht auch gleichzeitig deine Magie? Dann müsstest du ja magisch gesehen unendlich stark sein.“, fragte Sasha verwirrt.
„Nein das nicht. Solang ich nur meinen Durst stille stärke ich meine Magie nicht. Außerdem nutzt man zu diesem Zweck eher die Blüten.“
„Okay verstehe, aber was hat mein Vater mit dieser Pflanze zutun?“
„Nun, da auch er Magie in sich trägt weiß er über Pflaumpflanzen bescheid und ist dazu verpflichtet sie vor dem falschen Zugriff und vor allem vor dem aussterben zu beschützen.“, erklärte Leonidas.
„Und woher hatte mein Vater die ganzen Pflanzen?“
„Er muss sie das Jahr über gepflegt und ihre Samen gesammelt haben. Aber wo, das weiß ich nicht. Ich hatte gehofft du hättest vielleicht eine Ahnung, sobald du alles weißt.“
Sasha zog die Stirn in Falten. Ihr war vorher nie etwas aufgefallen. Sie hatten ein kleines Feld. Aber dort pflanzten sie nur den Reisig für die Körbe an.
„Vielleicht ist er manchmal am Tag länger weg geblieben ohne, dass du wusstest wo er war?“, versuchte Leonidas zu helfen.
Sasha schüttelte den Kopf. „Nein, nicht so, dass es mir aufgefallen wäre.“
„Mist“, entfuhr es Leonidas, „so kommen wir nicht weiter. Die Zeit läuft uns davon.“
„Aber wozu musst du das überhaupt wissen? Und was ist jetzt mit meinem Vater?“, versuchte Sasha zu erfahren.
„Richtig, ich habe nicht weiter erzählt. Also, wissen muss ich das weil dein Vater im Moment nicht auf die Pflanzen achten kann. Nun ist es unsere Pflicht dies zu tun.“
„Oh, okay.“, Sasha bekam große Augen.
„Also, da du nun weißt was diese Pflanze kann, kannst du dir sicher denken, dass sie in falschen Händen vieles anrichten kann. Menschen können vergiftet werden und andere mit bösen Absichten können sich immer mehr stärken. Deswegen ist die Überführung der Pflanzen keine ungefährliche Reise. Immerhin wohnt ihr schon so im Verborgenen und werdet von Bannen geschützt, dass wer immer die Pflanzen haben möchte, nur Unterwegs die Chance hat an diese zu gelangen.“
„Willst du damit sagen, dass mein Vater bewusst ausgewählt und überfallen wurde? Wegen den Pflaumpflanzen?“, entgeistert starrte sie ihn an.
„Ja, genau so ist es gewesen.“
„Aber wer, ich meine, weißt du wo er jetzt sein könnte?“, hoffnungsvoll sah sie ihn an.
Leonidas wich ihrem Blick aus. Paco, der immer noch auf ihrem Schoß saß, kuschelte sich noch enger an sie.
„Ich habe dir doch vorhin von den Kämpfen um die Magie erzählt. Der König ist der einzige, der überlebt hat. Und er möchte auch, dass dies so bleibt. Er möchte mit aller Macht König bleiben.“
„Soll das heißen, mein Vater wurde vom König überfallen?“
Leonidas nickte langsam. „Ja, von seinen Muluffs.“
„Muluffs? Was zum Henker ist das nun wieder?“
„Üble Schergen des Königs. Denen möchtest du wirklich nicht begegnen. Der König allein hat sie durch Magie, nur zu seinen Zwecken, erschaffen.“
„Und wozu?“
„Naja, sie sollen seine Macht denen gegenüber demonstrieren, die sie in Frage stellen. Dem entsprechend hässlich hat er sie erschaffen.“
„Hässlich?“, fragte Sasha wissbegierig.
„Sie sind etwa 3-mal so groß wie du. Ihr Kopf sieht stierähnlich aus, mit rubinroten Augen. Die Hörner sind pechschwarz. Der gesamte muskulöse Körper ist mit struppigem Fell bedeckt, welches die harten, straffen Muskeln nicht gänzlich überdeckt. Obwohl der restliche Körper weitestgehend menschlich aussieht haben sie einen zwei Meter langen Schwanz mit einer stacheligen Kugel am Ende.“
„So bedrohlich hört sich das gar nicht an.“, erwiderte sie mutig, konnte aber ein leichtes zittern in ihrer Stimme nicht verbergen.
„Ach nein? Wenn du vor ihnen stehst wirst du das nicht mehr sagen. Sie sind riesig, muskulös, ausgezeichnete Schwertkämpfer und immun gegen Magie.“
„Magie kann ihnen nichts anhaben?“, fragte Sasha entgeistert.
„Ja, da sie durch Magie geschaffen wurden kann diese ihnen nichts anhaben, außer ihr Schöpfer.“
„Also wenn ich das richtig verstehe, können wir mit Magie nichts gegen sie ausrichten. Aber der König schon.“
„Richtig, schließlich muss er sie um sich scharen können. Sie müssen ihm bedingungslos gehorchen.“, ergänzte Leonidas.
Sasha schluckte schwer. „Oh je, aber mein Vater, ich mein was hat der König jetzt mit ihm vor?“
„Sie werden wohl versuchen herauszufinden, wo dein Vater seine Pflanzen züchtet.“, flüsterte Paco vorsichtig.
„Sie foltern ihn?“, entfuhr es Sasha entsetzt und lauter als sie eigentlich wollte.
Paco leckte sanft über ihr Gesicht. „Er ist stark, er schafft das.“
„Oh nein, aber wir müssen doch was tun können.“, sagte Sasha hoffnungsvoll.
„Richtig“, Leonidas erhob sich vom Boden und begann systematisch auf und ab zu laufen. „Ja, wir müssen was tun können. Vor allem müssten wir erst mal die Pflanzen finden. Das würde uns schon mal einen riesengroßen Schritt weiter bringen.“
„Ich mein nicht die blöden Pflanzen, wir müssen meinem Vater helfen!“, fuhr Sasha ihn aufgebracht an. Wütend sprang sie so schnell vom Boden auf, dass Paco erschrocken von ihrem Schoß viel. Karla hoppelte, aufgeschreckt von der plötzlichen Lautstärke, unter das Regal in der Küche und lugte wachsam darunter hervor.
„Natürlich, müssen wir auch deinem Vater helfen, aber ich denke wir haben keine Chance ihn irgendwie zu befreien. Also sollten wir das tun, wozu wir die Möglichkeit haben.“ Leonidas sah sie mit gerunzelter Stirn an. Er sah in ihren Augen, dass sie diese Tatsache nicht einfach hinnehmen würde.
„Aber meine Mutter folgt seinen Spuren, mit Renata. Die beiden werden in ihr Verderben rennen.“, stieß Sasha weinerlich hervor.
„Sie hat recht.“, sagte Paco bedrückt zu Leonidas.
Leonidas schnaubte. „Sicher hat sie recht, aber wenn wir selbst auch noch hinterher rennen ergeht es uns nicht anders.“
„Wenn wir die Pflanzen hätten, einen guten Plan und vielleicht noch etwas Hilfe, wären wir möglicherweise mit ganz viel Glück in der Lage…“, piepste Karla leise unter dem Regal.
„Wenn, vielleicht, möglicherweise,… So klappt das niemals.“, seufzend lies sich Leonidas auf einen Stuhl fallen. Klappernd fiel ihm ein kleines Messer aus der Tasche. Neugierig kam Karla aus ihrem Versteck. „Habt ihr das auch gehört?“
Erstaunt sahen alle den kleinen Hasen an. „Das Messer, ich finde der Ton hat sich anders angehört. Oder habt ihr einen Keller?“
„Einen Keller? Wie sollen wir einen haben, wenn es offensichtlich keinen Einstieg gibt?“
„Hmm.“
Nun war auch Leonidas neugierig geworden. Der Vampir ließ sich auf alle Viere nieder und krabbelte auf dem Boden klopfend in Richtung des Messers. Dort angekommen hielt er inne, legte sich flach auf den Boden und klopfte dort wo das Messer lag. „Hohl.“, murmelte er.
Karla klopfte nun mit einer ihrer Hinterläufe systematisch den Boden ab und Paco lief schnüffelnd kreuz und quer. Sasha war irritiert. Unter ihrem Haus ein Keller? Aber wie?
Sasha beobachtete die Szene von ihrem Platz aus. Ihr Blick glitt unter den Tisch. Dort befand sich schon seit Jahren ein kleiner Riss in den Dielenbrettern, das wusste sie genau. Neugierig zog sie den Stuhl zur Seite und krabbelte unter den Tisch. Mit dem Finger strich sie über die minimale Unebenheit. Plötzlich tauchte Pacos Kopf neben ihr auf. Vorsichtig zog er eine Kralle durch den Spalt. „Hmm, ich denke nicht, dass der nur oberflächlich ist. Leonidas, Karla schaut mal.“
Blitzschnell tauchte auch Leonidas Kopf neben Sasha auf. „Ja, das könnte es sein. Wir sollten den Tisch zur Seite stellen.“
Gemeinsam hoben sie den Tisch an die gegenüberliegende Wand.
„Und jetzt?“, fragte Sasha, die vor Aufregung leicht zitterte.
„Magie.“, seufzte Karla.
„Okay, dies wird deine erste Lektion in Sachen Magie.“, erklärte Paco.
Sasha runzelte die Stirn.
„Keine Angst wir fangen klein an. Zuerst sollte der ganze Staub aus allen Ritzen im Boden gefegt werden. So können wir vielleicht eine Luke oder so was erkennen.“
„Gut und wie mach ich das?“
Leonidas trat hinter sie. „Schließe deine Augen. Und konzentrier dich auf das was du erreichen möchtest.“
Sasha kam sich etwas seltsam vor hier mit geschlossenen Augen mitten in einem Raum zu stehen. Aber wenn man ehrlich ist, war der ganze Tag schon äußerst seltsam. Folgsam stellte sie sich vor, wie der ganze Staub und alle anderen kleinen Partikel vom Boden abhoben und sich auf einem kleinen Häufchen in der Ecke versammelten.
„Wenn du soweit bist konzentrierst du dich nach innen und lässt es durch deine Gefühle wahr werden.“
Irritiert öffnete sie ihre Augen. „Durch meine Gefühle?“
„Genau“, half Paco weiter, „die Magie ist in dir und du kannst sie durch deine Gefühle frei setzen. Wille ist nicht nur ein Handeln des Kopfes. Wille ist auch ein Gefühl. Versuch es, mit etwas Übung wird es einfacher.“
Erneut schloss Sasha ihre Augen und konzentrierte sich auf ihre Vorstellung. Anschließend erforschte sie ihre Gefühle. Was fühlte sie eigentlich?
Ich bin wütend auf den König und enttäuscht von meiner Mutter. Außerdem bin ich verwirrt von den ganzen komischen Geschichten. Aber wie hilft mir das jetzt weiter? Ich will den Staub entfernen, um zu meinem Vater zu kommen und ich will vor allem, dass der König leidet.
Plötzlich spürte sie einen Windstoß durch das Zimmer fegen.
Ihre Wut war also der Auslöser oder ging das auch mit anderen Emotionen? Erschrocken öffnete sie die Augen und sah wie der Staub durchs Zimmer flog und auf allen anderen Möbeln landete.
„Gut, das wollte ich etwas anders haben…“, sagte sie enttäuscht.
„Keine Sorge, das war schon richtig gut.“, munterte Paco sie auf.
„Ja, Leonidas hat viel länger gebraucht, du bist ein Naturtalent.“, freute Karla sich augenzwinkernd.
„Gut, schön, fürs erste mal nicht schlecht.“, brummelte Leonidas etwas gekränkt. „Aber ich denke ich übernehme jetzt.“
Sasha hatte vor lauter Aufregung und Freude vergessen, warum sie das ganze überhaupt getan hatte. Erst jetzt sah sie, dass sich ein etwa 1x2 Meter großes Rechteck im Dielenboden befand.
Leonidas konzentrierte sich auf eben diese Stelle und kurz darauf erhob sich knarrend eine rechteckige Luke aus dem Boden.

Entdeckungen und offene Fragen...


Vorsichtig lugte Paco in das Loch. „Vollkommen dunkel.“
„Lass mich mal sehen. Wie ich schon sagte, wir Vampire können auch ganz gut im Dunkeln sehen.“
Nun beugte auch Leonidas sich, mit Karla an der Seite, über das Loch.
„Wir haben sie gefunden“, freudestrahlend sprang Leonidas auf die Beine und wirbelte Sasha durch die Luft. Diese, verlegen durch seinen Gefühlsausbruch, versuchte seinen Armen so schnell wie möglich wieder zu entkommen und nahm die Kerze, die nun gelöscht auf dem Boden rumkullerte. Schnell nahm sie die Streichhölzer aus dem Schrank und zündete die Kerze erneut an. Anschließend legte sich Sasha flach auf den Boden und hielt die Kerze in das Loch. Und nun erkannte sie es auch. Der Keller war voll mit kleinen Blumenkübeln, in den eben die Pflanze wuchs, welche Sasha erst vor ein paar Stunden gegessen hatte.
„Wie können die da unten wachsen?“, fragte sie erstaunt.
Leonidas starrte sie sprachlos und ohne eine Antwort an, darüber hatte er gar nicht nach gedacht.
„Pflaumpflanzen sind Nachtschattengewächse. Sie lieben es dunkel und feucht.“, antwortete Paco selbstsicher.
„Na das ist ja mal gut zu wissen, vielleicht finde ich dann eher welche wenn ich neue benötige.“, freute sich Leonidas grinsend.
„Nur gut, dass alle Pflanzen und Samen in Privatbesitz sind du Schlaumeier.“, neckte Karla ihn.
Sasha ignorierte die kleine Kabbelei der beiden und versuchte langsam in das Loch zu klettern. Unten angekommen schaute sie sich sorgfältig um. Etwa 12 Kübel mit wachsenden Pflanzen standen dort. Weitere 40 schienen abgeerntet zu sein und enthielten nur noch Erde. An der gegenüberliegenden Wand befanden sich ein großer Sack und eine Tonne. Neugierig geworden spähte Sasha zu nächst in den Sack. Dieser war bis obenhin gefüllt mit Pflaumpflanzensamen. Erstaunt wandte sie sich der Tonne zu. Der Deckel war fest verschlossen aber plötzlich stand Leonidas neben ihr und öffnete ihn mit Leichtigkeit. Der Inhalt war allerdings eher ernüchternd. Es handelte sich um einen Wasservorrat, zur Bewässerung der Pflanzen.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte Sasha in die Runde.
„Tja, jetzt müssen wir schauen, entweder wir bekommen das alles hier transportiert oder wir finden ein super Versteck.“, am Kopf kratzend schaute sich Leonidas um.
„Also die leeren Kübel können ja auf jeden Fall stehen bleiben und die 12 Pflaumpflanzen sind reif und können und geerntet werden.“, stellte Karla fest. „Ich wunder mich sowieso wie die ein Jahr lang ohne Pflege und Gießen überleben konnten. Aber bleibt nur noch der Sack mit den Samen.“
„Den könnte ich tragen, obwohl der lästig wäre und wir müssten höllisch drauf aufpassen.“, meinte Leonidas.
„Meintest du nicht unser Dorf wäre durch Banne geschützt?“, wunderte sich Sasha.
„Ja dein Vater hat diese auferlegt. Aber, es ist nun mal so, dass wir nicht wissen wie lange die noch intakt sind.“, erklärte Paco.
„Aber warum das denn nicht?“
Hilfesuchend sah sich Paco um. Dann senkte er ergeben denn Kopf.
„Bei dem Tod eines Magiers enden alle seine Zauber.“
„Er wird nicht sterben.“, meinte Sasha bockig und wandte sich ab.
„Da können wir uns leider nicht drauf verlassen.“, sagte Leonidas sanft und legte zögernd eine Hand auf ihre Schulter „Also müssen wir uns was überlegen.“
Nachdenklich standen sie alle im Dunkeln.
„Jetzt können wir sowieso nichts mehr machen. Lasst uns erstmal was essen, eine Runde schlafen und dann sehen wir ob jemand eine Idee hat und machen uns auf den Weg.“, versuchte Paco die drückende Stimmung zu heben.
Seufzend verließen alle den kleinen Keller. Sorgfältig schloss Leonidas den Deckel und zog den Tisch über die Luke.
Nachdenklich wandte sich Sasha dem Vorratsschrank zu. Nahm ein Brot und etwas Käse und stellte es auf den Tisch. Karla vergnügte sich mit den Karotten und Paco bekam etwas Dörrfleisch.
Leonidas lehnte dankend ab. Er habe keinen Hunger, außerdem fände er menschliches Essen ekelig. Langsam begannen sie zu essen.
Nach dem essen kuschelten sich Paco und Karla zusammen ans Fußende von Sashas Bett. Sasha war auch müde, jedoch so aufgewühlt, dass sie wach in ihrem Bett lag, sie musste über einiges nachdenken. Leonidas saß währenddessen still auf dem Boden mit dem Rücken lässig an die Wand angelehnt.
„Möchtest du nicht doch eine Decke oder ein Kissen haben?“, fragte Sasha leise.
Leonidas kicherte leise. „Nein, danke ich schlafe nicht. Erst wenn meine Kraft aufgebraucht ist werde ich müde. Dann trinke ich von der Pflaumplanzenessenz und schlafe etwas.“
„Wie oft brauchst du denn etwas?“
„Das kommt auf die Mengen an, die ich bekomme. Aber meistens einmal im Monat.“
„Wie schwer ist es für dich dem Blut zu widerstehen?“, fragte Sasha zögernd. Ein leises Zittern lag in ihrer Stimme.
„Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Ich habe mich im Griff. Aber du hast Recht, es ist sehr schwierig.“, eindringlich sah er in der Dunkelheit zu ihr hinüber.
„Ich habe keine Angst vor dir. Es ist nur… Es ist neu und viel und alles so verwirrend.“
„Ja kann ich verstehen. Für mich war es Anfangs auch nicht einfach. Ich hatte keine Hilfe und dann kam der Durst hinzu.“, Leonidas senkte den Kopf, sodass seine Augen von Schatten bedeckt wurden.
„Wie ist das denn eigentlich passiert? Ich meine, wie wurdest du zu einem Vampir?“, fragte Sasha neugierig.
Plötzlich wurde Leonidas wieder munter. Er setzte sich aufrecht hin legte die Beine übereinander und lehnte sich bequem an die Wand. „Du musst jetzt schlafen Sasha wir habe morgen viel vor.“
„Oh, okay.“ Enttäuscht von der doch offensichtlichen Zurückweisung drehte sie sich zur Seite. Aber sie musste ihm recht geben. Unfassbar, dass sie ihn erst seit heute kannte, ihr kam es schon viel länger vor. Er wirkte zwar unnahbar und manchmal etwas rau, aber Sasha wusste das er eigentlich nicht so unnahbar war wie er tat. Seufzend dachte sie an seine sinnlichen Lippen, die sich heute sogar dreimal zu einem Lächeln verzogen hatte. Klatschend haute sie sich mit der Hand gegen die Stirn.
„Alles in Ordnung?“, kam es leise von Leonidas.
Sasha wurde rot im Gesicht und hoffte das er es nicht bemerkte. „Ja, klar alles gut“, murmelte sie wütend auf sich selbst und vergrub sich tiefer in die Kissen. Mein Gott ein Tag und sie träumte von einem Vampir. Wie konnte das alles nur passieren?

Sasha erwachte durch den süßen Duft von Honig und dem dazugehörigen Geklapper aus der Küche. Gähnend streckte sie sich und fuhr sich durch ihre verwuschelten Haare.
Blinzelnd schielte sie in Richtung Fenster und erkannte, dass es schon später Nachmittag sein müsste. Mit einem Ruck fuhr sie hoch. Plötzlich viel ihr wieder ein was am Vortag alles geschehen war. Sie sah sich nachdenklich in ihrem Zimmer um. Sie war allein. Weder Paco noch Karla waren irgendwo zu sehen. Langsam schwang sie ihre Beine aus dem Bett und trat ans Fenster. Gedankenverloren sah sie auf den friedlichen See.
Nur ein Tag und sie hatte das Gefühl ihr Leben hatte sich vollkommen verändert. Im Grunde war ihr bisheriges Leben ein großes Theaterstück mit vielen Geheimnissen gewesen. Niemand hatte sein wahres Gesicht gezeigt, es gab anscheinend nur Geheimnisse. Und was hatte es gebracht? Ihr Vater saß in Gefangenschaft, vermutlich... Ihre Mutter lief in ihr Verderben und sie, ja Sasha saß mit zwei sprechenden Tieren und einem sexy Vampir mitten in den Kulissen, hilflos und verwirrt.
Lächelnd wanderten ihre Gedanken zu Leonidas. Wie er immer wieder mit einer Hand durch sein dunkles Haar fuhr wenn er sich aufregte und wie seine violetten Augen dabei funkelten. Aber am meisten gefiel ihr sein Lächeln. Vielleicht lag es daran, dass man es so selten zu sehen bekam.
Sie schüttelte ihren Kopf. „Man Sasha reiß dich zusammen er ist ein Vampir und du kennst ihn einen Tag, meine Güte.“, sagte sie leise zu sich selbst.
Schnell schlüpfte sie in ihre Stoffhose und bürstete auch nochmal durch ihr Haar bis sie sich dann zur Tür wandte.
Die Küche war abgedunkelt worden. Jemand hatte dunkle Decken vor die zwei Fenster gehangen. Im Kamin brannte ein Feuer, über welchem ein Kessel hing. Auf dem Tisch standen mehrere Kerzen wodurch der ganze Raum ausreichend beleuchtet wurde.
Als Sasha eintrat beugte sich Leonidas gerade über den Kessel und rührte bedächtig darin herum. Paco und Karla saßen mitten auf dem Tisch.
„Guten Morgen.“, begrüßte Sasha die drei schüchtern. „Morgen?“ Leonidas drehte sich zu ihr um und grinste sie an. „Du hast sehr lange geschlafen.“
„Sie war ja auch lange wach.“, verteidigte Paco sie und sprang vom Tisch aus direkt in ihre Arme. Lächelnd schmiegte Sasha ihren Kopf in sein Fell.
„Wieso ist es hier so dunkel?“, fragte sie lächelnd an Leonidas gewandt.
Der seufzte und verdrehte die Augen. „Vampir.“, meinte er schlicht und zeigte mit einem Finger auf sich selbst.
Sasha klatschte sich mit einer Hand an die Stirn. „Ja, Entschuldigung.“, murmelte sie und lief rot an.
„Was kochst du da?“, versuchte Sasha fragend ab zu lenken.
Leonidas drehte sich wieder zu dem Kessel um. „Da ich nicht schlafen muss, dachte ich, ich sollte nicht untätig bleiben und habe die restlichen Pflaumpflanzen abgeerntet. Die Samen habe ich mit zu den anderen gegeben und aus den Stängeln habe ich die Essenz gewonnen. Nun bin ich gerade dabei sie einzukochen, haltbar und genießbar zu machen.“
Neugierig trat Sasha näher an den Kessel und blickte hinein. In dem Kessel brodelte blubbernd eine klare flüssige Masse. „Riecht gut. So frisch, wie ein warmer Sommermorgen wenn die Bauern Heu ernten.“
Leonidas beobachtete sie von der Seite. Als Sasha ihn fragend anblickte weil er nichts weiter sagte, zuckte er plötzlich zusammen und wand sich ab. Er räusperte sich. „Nun ja.“
Paco der sich immer noch in Sashas Armen befand fiepte leise. „Ich habe Hunger.“ Sasha ließ ihn auf den Boden runter und gab ihm etwas Trockenfleisch. Sie musste unbedingt mal wieder Angeln gehen. Da auch sie etwas Hunger hatte nahm sie sich ein Stück Brot und setzte sich kauend an den Tisch. Karla lag langgestreckt und dösend mitten auf eben diesem drauf.
„Leon, was passiert wenn du bei Sonnenlicht raus gehst?“, fragte Sasha. Erstaunt wandte sich Leonidas zu ihr um. „Wie hast du mich gerade genannt?“
Sie runzelte die Stirn. „Leon? Ist das nicht in Ordnung?“
Leonidas schluckte schwer. Dann antwortete er „Nein ist schon in Ordnung. So hat mich nur schon sehr lange keiner mehr genannt.“ Kurze Zeit war er ruhig dann sagte er wieder mit fester Stimme „Meine Lebensenergie wird verbraucht. Ich werde schwach, irgendwann versagen alle meine Muskeln bis ich mich nicht mehr bewegen kann und ich nur noch so daliege.“
„Liegst du dann für immer an der Stelle rum oder kannst du auch sterben?“, fragte Sasha geschockt.
„Ich sterbe dann, aber das dauert. Denn wenn mich meine Lebensenergie verlässt ist irgendwann nur noch die Magie vorhanden. Diese hält mich so lange am Leben bis auch sie aufgebraucht ist.“
Gedankenverloren starrte Sasha in die Flammen des Kamins. Das muss ein grausamer Tod sein. Einfach so daliegen und nichts machen können. Es nicht verhindern können...
Plötzlich rappelte sich Karla auf. Leckte kurz ihre Vorderpfoten und sagte dann „Nun gut. Wir sollten langsam mal überlegen was wir tun sollten. Ich habe keine Lust hier so rum zu sitzen, falls die Muluffs doch rausbekommen sollten wo dein Vater hinwollte.“
Leonidas seufzte tief. „Ja wir sollten bei Sonnenuntergang aufbrechen.“
Erschrocken sah Sasha ihn an. „Aufbrechen? Wohin denn? Was sollen wir tun?“
Aber es war Paco der antwortete. „Zunächst müssen wir die Pflanzen in Sicherheit bringen.“
„Und das wäre wo?“ fragte sie verwirrt.
„Naja, ich denke wir müssen nach Thenil. Dein Vater hat sie immer dort hin gebracht. Dort lebt sein Verbindungsmann.“
„Verbindungsmann?“, mit großen Augen blickte sie den kleinen Marder an. „Meine Güte, es scheint ja einiges zu geben was ich noch nicht weiß.“
Leonidas schmunzelte leise. „Genau, aber wir können dir ja auch nicht alles auf einmal sagen. Vieles wissen wir selbst nicht und einiges ist auch gefährlich es zu wissen.“
Paco kratzte sich kurz mit einem Hinterbein am Ohr und sprang dann vor Sasha auf den Tisch. „Also, da dein Vater Magie in sich trägt ist er dazu verpflichtet die Pflaumpflanze zu erhalten und zu schützen. Zu diesem Zweck habt ihr diesen versteckten Keller. Außerdem hat dein Vater sich dazu bereit erklärt die Pflanzen nicht nur aufzubewahren sondern auch zu züchten und weiter zu geben.“
„Aber an wen gibt er die weiter?“, fragte Sasha ratlos.
Paco druckste etwas rum. „Das ist so eine Frage, die wir dir vorerst nicht beantworten sollten.“ Bevor Sasha protestieren konnte wandte Karla ein. „Weißt du der König ist sehr stark und hat leider zu viel Macht. Ich sage dir erst mal nur so viel. Es gibt einen Wiederstand.“
„Einen Wiederstand?“, mit aufgerissenen Augen sah Sasha von einem zum anderen. Wo bin ich da nur hineingeraten dachte sie kopfschüttelnd.
„Ich dachte immer der König wäre gut zu allen...“
„Pah!“ Kam es von Leonidas. „Na gut, in deinem kleinen Dorf hier bekommst du wahrscheinlich nicht all zu viel mit.“
Mit gerunzelter Stirn sah sie ihn an. „Wie meinst du das?“
„Den König interessiert nur seine eigene Macht und sein Reichtum. Sein Volk ist ihm dabei egal. Er lebt dort in seinem großen Schloß und schlägt sich den Bauch voll während andere Hungern müssen beziehungsweise mit dem wenigsten auskommen müssen. Er unterdrückt alle. Niemand ist frei in dem was er tut.“, sagte Leonidas verbittert. Sasha beobachtete wie er seine Hände zu Fäusten ballte und seine Oberlippe beim sprechen etwas hochzog. So wie Hunde wenn sie knurrten. Sie schluckte. Jetzt sah er wirklich wie ein Vampir aus.
Karla versuchte die Situation etwas zu entspannen. „Wir sollten packen und bei Sonnenuntergang aufbrechen.“
Sashas Mund wurde ganz trocken. „Was brauchen wir denn?“ Sie wollte ihr geliebtes zu hause nicht verlassen, obwohl ohne ihre Eltern war es kein wirkliches zu hause mehr. Nein, sie musste sich ihr zu hause zurück holen und dafür würde sie kämpfen. Naja, sie würde lernen zu kämpfen...

Impressum

Texte: Für alle die es gerne lesen würden. Story usw. ist meins ;)
Tag der Veröffentlichung: 31.12.2011

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