Ein kleiner, dunkler Planet umkreiste seine Sonne. Seit Jahrmillionen umkreiste er sie schon und näherte sich ihr dabei sehr langsam und vorsichtig immer ein wenig näher an. Denn die Sonne übte eine starke Anziehungskraft auf den kleinen Planeten aus. Und doch blieb die Distanz zwischen den beiden nahezu unüberbrückbar groß.
Darum fühlte sich der kleine, dunkle Planet auch oft sehr einsam. Er war auch der einzige Planet in seinem Sonnensystem. Da waren keine Gefährten, die gemeinsam mit ihm ihre Bahnen um die Sonne zogen. Er hatte niemanden, mit dem er wenigstens ab und an einmal ein paar Worte hätte wechseln können. Einsam musste er seine Bahn um seine Sonne ziehen. Manchmal versuchter er natürlich, sich mit der Sonne zu unterhalten. Doch die Entfernung zu ihr war viel zu groß, auch wenn er sich ihr vorsichtig und schüchtern immer ein wenig mehr anzunähern versuchte. Es gab zwar in der unendlichen Schwärze des Weltalls noch diese unzähligen, winzig kleinen Lichtpünktchen; doch auch diese sprachen nicht mit ihm. So zog der kleine Planet einsam und schweigend seine Bahn um seine Sonne.
Einmal –es war schon viele hunderttausend Jahre her–, da flog ein großer Brocken aus Stein und Eis dicht an ihm vorbei. Der Felsbrocken glitzerte hell im Licht der Sonne, in unzähligen Farben schimmerte er, und stolz zog er einen langen Schweif hinter sich her. „Ich grüße Euch!“, sprach der kleine, dunkle Planet zu dem Kometen. Doch dieser schien den Planeten kaum wahrzunehmen und murmelte nur hastig: „Keine Zeit, keine Zeit! Ich bin unterwegs zu meiner Hochzeit und habe es sehr eilig!“ Mit diesen Worten war er dann auch flugs an dem kleinen, dunklen Planeten vorbeigesaust und schon bald, als ihn das Licht der Sonne nicht länger erreichen konnte, den Blicken des kleinen Planeten wieder entschwunden. So kreiste der kleine, dunkle Planet weiterhin einsam um seine Sonne. Zu den Jahrmillionen, die bereits vergangen waren, gesellten sich weitere Jahrmillionen hinzu. Das Muster der zahlreichen Lichtpünktchen, die fern in der Tiefe des Weltalls leuchteten, veränderte sich fortwährend. Mit Erstaunen stellte der kleine, dunkle Planet dies eines Tages fest. Viele der alten Lichtpünktchen leuchteten nicht mehr. Dafür waren an anderen Stellen neue aufgetaucht. Der kleine, dunkle Planet fand das sehr merkwürdig. Was wohl mit den Lichtpünktchen geschehen sein mag? Er versank tief in Gedanken und umkreiste währenddessen weiterhin einsam seine Sonne. Jahrtausende vergingen.
Eines Tages schrak der kleine, dunkle Planet jäh aus seinen tiefen Gedanken auf. Das Licht seiner Sonne war so hell geworden, dass er davon zunächst ganz geblendet wurde. Als er sich an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt hatte, da erkannte er, dass seine Sonne um ein Vielfaches größer geworden war. Sie war ihm jetzt so nahe, dass er ihre Wärme auf seiner nun plötzlich blaugrün schimmernden Oberfläche spüren konnte und sie war ihm jetzt auch so nahe, dass er endlich ihre Stimme hören konnte. Mit heller und warmer Stimme sprach sie zu ihm: „Mein kleiner Planet. Du warst mir eine nahezu unvorstellbar lange Zeit stets ein treuer Begleiter. Ich habe großen Gefallen an dir gefunden! Möchtest du mein Mann werden und gemeinsam mit mir in eine neue Zukunft gehen?“ Der kleine, blaugrüne Planet wusste nicht genau, was das bedeuten sollte. Er wusste nur, dass er seine Sonne, die er schon seit so langer Zeit treu umkreist hatte und, der er sich schüchtern immer ein wenig mehr anzunähern versuchte, sehr, sehr gern hatte. So antwortete der kleine, blaugrüne Planet: „Ja, meine helle und warme Sonne; das möchte ich sehr gerne.“
Die Sonne war sehr erfreut, als sie dies hörte. Noch heller begann ihr Licht zu leuchten. Sie breitete sich weiter aus und umschloss ihren Bräutigam. Dieser war überwältigt von ihrer Nähe, ihrer Wärme. Ganz plötzlich fühlte er sich nicht mehr alleine. Er wurde eins mit seiner Sonne und sie wurde eins mit ihm.
Die Hochzeit wurde zu einem rauschenden Fest. Ein kosmisches Feuerwerk erleuchtete hell die Schwärze des Weltalls. Der kleine Planet und seine Sonne gingen vollständig ineinander auf und aus ihrer Vereinigung gingen neue Sterne und neue Planeten hervor...
Texte: Cover: Boris Wommer
Tag der Veröffentlichung: 12.05.2010
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