Hermine seufzte und strich sich eine Strähne ihres nicht zu bändigen Haares hinters Ohr. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es bereits nach Mitternacht war. Der erste Advent. Und was tat sie? Sie saß in der Bibliothek, Harrys Tarnumhang um die Schultern gelegt und machte Hausaufgaben. Es war ihr siebtes und somit letztes Jahr in Hogwarts. Und die Prüfungen waren nur noch wenige Monate entfernt. Daher hatte sie – ihrer Meinung nach – schon einen Grund, um zu so einer unchristlichen Zeit zu Lernen. Allerdings – und das gab sie nur in Gedanken vor sich selbst zu – wäre es nicht unbedingt nötig, an diesem Samstagabend, der bereits in den frühen Sonntag übergegangen war, hier her zu schleichen, um sich den Schulbüchern zu widmen. Und wenn sie ehrlich war, war dies auch nicht der eigentliche Grund.
Nun gut, lernen war immer wichtig und mindestens die Hälfte der Stunden, die sie des Nachts in der Bibliothek verbrachte, büffelte sie tatsächlich. Die andere Hälfte jedoch… Hermine seufzte erneut und ihre Gedanken wanderten in der Vergangenheit.
Nachdem Harry Voldemort getötet hatte und langsam, aber sicher wieder Normalität einkehrte, hatten sie beschlossen, ihr letztes Schuljahr nachzuholen. Mit ihnen hatten sich alle ihre Mitschüler, die bei dem Kampf nicht ihr Leben gelassen hatten, dazu entschlossen, Hogwarts wieder zu besuchen. Von den Slytherins, deren Eltern in Askaban saßen, mal abgesehen. Doch eine Ausnahme gab es: Draco Malfoy. Nachdem seine Mutter Harry praktisch vor dem Tod bewahrt hatte, hatte sich Harry für die Malfoys eingesetzt. Lucius kam zwar nicht darum herum, zumindest ein halbes Jahr in Askaban abzusitzen, aber Narzissa hatte man verschont. Somit war Malfoy am 1. September ebenfalls nach Hogwarts zurückgekehrt. Und seither bestand eine Art unausgesprochener Waffenstillstand zwischen ihm und dem goldenen Trio.
Wenn sie sich auf den Gängen oder im Unterricht begegneten, nickten sie sich in stillem Einvernehmen grüßend zu. Die Streitereien hatten sie beigelegt. Aber ansonsten gingen sie sich aus dem Weg. Malfoy hatte sich, Hermines Meinung nach, sowieso verändert. Er war ruhiger geworden, seine fiesen Sprüche gegenüber Jüngeren oder den anderen Häusern waren kleinen Neckereien gewichen und da Goyle nach Crabbes Tod die Schule abgebrochen hatte, sah man Malfoy nur noch mit seinem besten Freund Blaise Zabini, Theodor Nott und ab und zu Pansy Parkinson herumstreifen. Die Slytherins betrachteten das Vierergespann zwar immer noch mit Erfurcht und Respekt, aber die Angst war einer gegenseitigen Akzeptanz gewichen, die früher niemand für möglich gehalten hatte. Und das waren nur einige der Dinge, die sich nach Ende des Kampfes rapide geändert hatten.
Hermine schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. Sie schweifte viel zu weit ab und wenn sie nicht aufpasste, war sie wieder bei dem Endkampf und sie wollte die grässlichen Bilder der Toten nicht wieder vor Augen haben. Also wandte sie sich gedanklich an denjenigen, welcher ihr die endlosen und ruhelosen Stunden in der Bibliothek bescherte: Draco Malfoy.
Ja, er war der Grund, warum sie die Hälfte der Zeit, die sie mit Lernen verbringen sollte, mit ihm beschäftigt war. Seitdem Malfoy seine Grausamkeiten abgelegt hatte, hatte sie angefangen, ihn zu beobachten. Natürlich war er weiterhin der Slytherin-Herrscher, der Eisprinz ganz Hogwarts. Aber er hatte sich verändert. Und ganz langsam, sodass sie es kaum bemerkt hatte, hatten sich auch Hermines Gefühle für ihn verändert. Anfangs ging sie davon aus, dass sich einfach der Hass in Luft auflöste und einer Gleichgültigkeit wich. Möglich, dass es tatsächlich so gewesen war. Dann jedoch merkte sie, wie ihr Blick immer wieder zu ihm schweifte. Wie sie versuchte, einige Gesprächsfetzen zwischen ihm und seinen Freunden aufzufangen. Wie sie auf ein leichtes Nicken von ihm wartete. Nach etlichen Wochen der Verdrängung war sie schließlich zu dem Schluss gekommen, dass sie sich in Draco Malfoy verliebt hatte.
Ein leises, bitteres Lachen drang durch die Bibliothek und Hermine schlug erschrocken die Hand vor den Mund. Das Zimmer von Madame Pince lag direkt neben ihrer Arbeitsstätte und sie hatte einen leichten Schlaf. Mit klopfendem Herzen hielt Hermine die Luft an, doch nichts rührte sich. Glück gehabt. – Und nun wieder zurück zu Malfoy.
Als sie es sich endlich eingestanden hatte, in ihren Exerzfeind verliebt zu sein, hatte sie einige Zeit mit dem Gedanken gespielt, einen Vergessenstrank einzunehmen. Aber da sie nun mal die klügste Hexe Hogwarts war, wusste sie natürlich, dass der Vergessenstrank zwar alle Erinnerungen löschte, aber nicht die Gefühle. Daher hatte sich Hermine diese Sache schnell aus dem Kopf geschlagen. Daraufhin hatte sie versucht, mit ein paar Verabredungen Malfoy zu vergessen. Auch das hatte wenig geholfen. Mittlerweile war sie soweit, dass sie nicht mehr versuchte, ihre Gefühle zu verdrängen. Sie musste damit leben, dass sie in Malfoy verliebt war und konnte nur hoffen, dass sich das irgendwann gab und sie sich einfach neu verlieben konnte – in jemanden, bei dem die Hoffnung bestand, dass dieser sich auch in sie verliebte.
Ein Geräusch ließ Hermine zusammenfahren. Jemand hatte die Bibliothek betreten. Da sie keine Zeit mehr hatte, ihre Bücher und die Schultasche wegzuräumen, warf sie nur schnell den Tarnumhang komplett über sich und hoffte, dass der nächtliche Besucher nicht darauf aus war, Schüler zu suchen, die die Sperrstunde überschritten hatten. Ängstlich warf Hermine einen Blick Richtung Tür und konnte ein leises Keuchen nicht unterdrücken, als der Schein des Zauberstabs auf den Besucher traf: Es war Malfoy.
Hermine hielt den Atem an und verfolgte mit Argusaugen jede Bewegung Malfoys, der sich nun in der Bibliothek umsah und dann, als er niemanden bemerkte, direkt auf Hermines Tisch zukam. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er das aufgeschlagene Verwandlungsbuch, das zu Dreivierteln voll geschriebene Pergament und die anderen Schulsachen. Dann huschte ein kleines Lächeln über sein Gesicht. „Hast du dir Potters Tarnumhang geliehen, Granger?“ Obwohl er weiterhin die Nachnamen benutzte, klang seine Stimme sanft und nicht spöttisch. Dies war auch ausschlaggebend, dass Hermine langsam den Umhang vom Kopf zog und Malfoy ertappt in die Augen sah.
„Woher wusstest du, dass ich es bin?“, wollte sie wissen und starrte ihn Entgeistert an, als er sich ihr gegenüber an den Tisch setze und ein leises Lachen ausstieß. „Es gibt nur einen in ganz Hogwarts, der das Glück hat, einen Tarnumhang zu besitzen. Und es gibt hier nur eine einzige Hexe, die auf die Idee kommt, dieses Prachtstück zu nutzen, um sich nachts in die Bibliothek zu schleichen und zu lernen.“ Malfoy grinste sie an, als sich eine leichte Röte über ihre Wangen zog. „Nun ja, ich… also… Weißt du, Malfoy…“, Hermine verwünschte sich innerlich, dass sie nichts weiter als ein verwirrendes Gestammel von sich geben konnte. „Draco.“, verbesserte dieser freundlich. „Was?“ „Draco. Meinst du nicht, wir sollten uns endlich mit Vornamen anreden, Hermine? Nachdem wir einen Waffenstillstand geschlossen haben, wäre das doch angebracht, oder nicht?“ Innerlich den Kopf schüttelnd stimmte Hermine zu. Sie wusste zwar, dass er sich geändert hatte, dennoch wäre sie nie auf die Idee gekommen, dass sie irgendwann einmal mit Draco Malfoy in der Bibliothek sitzen und sich gesittet unterhalten würde. Bei diesem Gedanken musste sie lachen. Verwundert blickte Malfoy – Draco sie an.
„Was ist so lustig?“, fragte er auch sogleich. „Fällt es dir nicht selber auf? Diese ganze Situation… Du und ich, nachts in der Bibliothek. Und wir reden miteinander.“ „Ja, das ist tatsächlich merkwürdig. Ich sollte dich dann also wieder allein lassen…“ Mit diesen Worten erhob sich Draco und Hermine bemerkte mit Bestürzung, dass sie ihn durch ihre Aussage verletzt hatte.
Bevor sie die Wörter aufhalten konnte, sprudelten sie schon aus ihr heraus: „Das war nicht negativ gemeint. Es hat mich… einfach nur positiv überrascht.“ Einen Augenblick lang sah Draco auf sie hinunter und langsam breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Vielleicht treffen wir uns ja – rein zufällig – nächsten Sonntag hier wieder." Sein Blick hielt ihren gefangen, einige Sekunden nur, doch so intensiv, dass Hermine ein wohliger Schauer über den Rücken lief. Draco machte eine leichte Handbewegung und vor Hermine auf dem Tisch erschien eine Kerze. „Ich wünsche dir einen schönen ersten Advent.“, murmelte er, bevor er sich zum Gehen wandte. „Ich dir auch.“, flüsterte Hermine leise, wusste jedoch nicht, ob er sie noch gehört hatte. Völlig verwirrt blieb sie zurück, während sich die Tür der Bibliothek hinter Draco schloss.
Hermine atmete tief durch und drückte dann vorsichtig die Klinke der Bibliothekstür hinunter. Im Inneren war es stockdunkel. Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, blieb sie einige Sekunden wartend in der Dunkelheit stehen. Als kein Laut zu hören war, flüsterte sie „Lumos“ und ein helles Licht erleuchtete die vielen Regale und Sitzgelegenheiten. Obwohl Hermine es schon vorher wusste, blickte sie sich sorgfältig um und eine tiefe Enttäuschung machte sich in ihr breit, als sie bemerkte, dass Draco nicht hier war.
Den ganzen ersten Adventssonntag war sie herumgelaufen wie ein aufgescheuchtes Huhn. Beinahe hätte sie sich bei Harry verplappert, als dieser sie in einem schwachen Moment erwischte und wissen wollte, was mit ihr los war. Nur in letzter Sekunde konnte sich Hermine davon abhalten, hervor zu sprudeln, dass sie Draco in der vergangenen Nacht getroffen und sich gesittet mit ihm unterhalten hatte. Gut, sie hatten alle Waffenstillstand geschlossen – auch Harry und Draco – aber dennoch waren Hermines beste Freunde nicht gut auf Draco zu versprechen. – Verständlich, nach sechs Jahren Hass.
Jedenfalls war Hermine nicht verwundert, dass Harry aufgefallen war, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmte. Kaum zu Glauben, aber sie war tatsächlich völlig durch den Wind gewesen und das den ganzen Sonntag über. Zugegeben, ihr komisches Verhalten hielt die ganze nächste Woche an… Sie war teilweise dermaßen verwirrt, dass sie nicht mehr wusste, welche Unterrichtsstunde der nächsten folgte und was sie in welchem Fach für Hausaufgaben bekommen hatten.
Natürlich war auch das Harry – und sogar Ron – aufgefallen. Ansonsten waren die beiden doch nicht so hellhörig und bekamen nicht mal mit, wenn Hermine etwas auf dem Herzen hatte. Aber kaum versuchte sie, etwas zu verstecken, wurden sie aufmerksam und bombardierten sie mit Fragen über ihren Gemütszustand. Hermine musste lächeln, als sie sich daran erinnerte, wie besorgt sie gewesen waren. Seither hatte sie versucht, ihre Verwirrtheit in den Griff zu bekommen. Sie hatte es vermieden, Draco länger als ein paar flüchtige Sekunden anzusehen. Doch jedes Mal, wenn sie sich unbeobachtet fühlte und einen Blick in seine Richtung riskierte, schaute er unerklärlicherweise auch zu ihr. Da sie sich dann schnellstmöglich von ihm abwandte, bekam sie seine eigene Reaktion nicht mit.
Aber anscheinend hatte sie sich zu viele Gedanken gemacht. Mittlerweile hatte sie sich auf ihren Lieblingsplatz in der Bibliothek gesetzt und wartetet seit einer geschlagenen viertel Stunde. Draco war nicht hier. Und er würde wohl auch nicht kommen. Hermine konnte nur über sich selbst den Kopf schütteln, als sie spontan beschloss, ihm noch eine volle halbe Stunde zu geben. Sie zog den Tarnumhang fest um sich, schlug ihr mitgebrachtes Buch auf und begann im schwachen Licht ihres Zauberstabs zu lesen.
„Wartest du schon lange?“ Hermine schoss aus ihrem Sessel hervor und ließ vor Schreck das Buch fallen. „Draco! Bei Merlins Bart, hast du mich erschreckt.“ Sie bemerkte, wie die Röte in ihre Wangen schoss. Normalerweise war sie nicht so schreckhaft… „Entschuldige. Ich dachte, du hättest mich gehört und würdest mich absichtlich mit Nichtbeachtung strafen, weil ich zu spät bin.“ Draco lächelte leicht und ließ sich, wie den Sonntag zuvor, Hermine gegenüber in den Sessel fallen. „Wieso bist du zu spät?“, rutschte es ihr heraus und sie hätte sich am Liebsten auf die Zunge gebissen. Wunderbar, jetzt dachte er auch noch, sie hätte sehnsüchtig auf ihn gewartet. Nicht, dass das so gewesen wäre. Ganz bestimmt nicht! Sie saß schließlich häufiger in der Bibliothek und las. – Nun gut, vielleicht nicht in der Nacht von Samstag auf Sonntag und dann auch noch am zweiten Advent. Aber das tat hier ja nichts zur Sache.
„Tut mir leid, dass ich zu spät bin. Aber ich habe leider nicht das Glück, einen Tarnumhang zu besitzen und kann mich somit nicht so leicht durch die Gänge an Mrs. Norris und Filch vorbei schleichen. Ohne Geheimgänge und zwischenzeitlichem Warten in verschiedenen Besenkammern hätte ich es nicht bis hierher geschafft.“, erklärte Draco bereitwillig. Hermine senkte den Kopf und fühlte erneut, wie die Röte ihre Wangen hinauf kroch. War sie eigentlich vollkommen verblödet, wenn sie in Dracos Nähe war? Natürlich hatte er keinen Tarnumhang. Und selbstverständlich musste er viel vorsichtiger sein, wenn er sich nach der Sperrstunde hinaus schlich, um verwirrte Gryffindors zu treffen. Hermine schwieg, spürte aber sogleich, wie ein kalter Schauer sie erfasste. Die Bibliothek wurde nachts nicht geheizt und dementsprechend kühl war es auch.
„Dir ist kalt, nicht wahr?“, bemerkte Draco dies auch sofort und Hermine konnte nur, überrascht über seine genaue Beobachtung, nicken. „Dann lass uns doch ein Stück weiter gehen. Im hinteren Teil ist ja der Kamin, den könnten wir wieder entfachen.“, schlug Draco vor und wieder schaffte Hermine nur ein Nicken, als sie sich, gleichzeitig mit ihm, erhob und in Richtung der verbotenen Abteilung ging. Im hinteren Teil standen die Regale nicht mehr dicht an dicht, sodass es hier relativ ungefährlich war, einen Kamin anzubringen, ohne die Bücher zu gefährden.
Als das Feuer wärmend im Kamin prasselte, ließen sich Hermine und Draco auf den nahe stehenden Sesseln nieder. Wenige Sekunden später war es angenehm warm, doch Draco blieb weiterhin so dicht neben Hermine sitzen, dass sich ihre Unterarme fast berührten. Hermine hatte den Blick starr auf das Feuer gerichtet. Sie hatte Angst, ungewollt etwas über ihre Gefühle auszuplaudern, wenn sie Draco direkt ansah. Allein seine Nähe machte sie nervös. Sie roch den herb-männlichen Duft an ihm, der sie schon seit mehreren Wochen bis in ihre Träume begleitete. Sie spürte die Hitze, die von ihm ausging und die Selbstsicherheit, die er noch immer ausstrahlte. Und dennoch fühlte sie sich wohl, wenn er so nah bei ihr saß. Es viel ihr zwar schwer, sich zu konzentrieren und einen klaren Gedanken zu fassen, aber das empfand sie nicht unbedingt als negativ.
Auch die Stille, die sich ein seit ein paar Minuten über sie gesenkt hatte, war angenehm. Es war schön, mit Draco vor dem warmen Kamin zu sitzen und die Ruhe zu genießen. Am liebsten hätte sie sich an ihn gelehnt, um ihm so nahe wie möglich zu sein. – Und näher würde sie ihm mit Sicherheit auch niemals kommen, dachte sie wehmütig. In diesem Moment spürte sie, wie Draco sich bewegte und Sekunden später legte sich ein Arm, fest und muskulös, aber sehr angenehm, über ihre Schultern. Überrascht blickte Hermine auf und bemerkte für einen Sekundenbruchteil Unsicherheit in Dracos Blick. Doch als sie ihn zögerlich anlächelte, lächelte er zurück und zog sie ein wenig näher an sich. Somit blieb ihr nichts anderes übrig, sich mit dem Kopf an seine Schulter zu lehnen, wollte sie sich nicht verrenken.
Weiterhin herrschte Schweigen zwischen ihnen, bis Draco sich zu ihr beugte und leise in ihr Ohr flüsterte: „Ich hatte gehofft, dass ich heute nicht bei Blaise mit ins Bett hüpfen muss, um mich zu wärmen, sondern deine Nähe die Kälte vertreibt.“ Hermine, die schon im Halbschlaf gewesen war, war sich zuerst nicht sicher, ob sie seine Worte gerade geträumt hatte, oder ob sie Wirklichkeit gewesen waren.
Doch als sie leicht den Kopf hoch und in seine sturmgrauen Augen schaute, wusste sie, dass sie nicht geträumt hatte. Er schien auf Antwort zu warten. „Ich bin auch froh, dass ich nicht mit Lavender und ihrer rosafarbenen Bettwäsche, die sich schrecklich mit unseren roten Samtvorhängen beißt, vorlieb nehmen muss.“ Ihre Aussage brachte Draco zum Lachen und Hermine kroch ein wohliger Schauer über den Rücken. Selten hatte sie Draco lachen gehört, aber im Augenblick war es für sie das schönste Geräusch auf Erden. Fast hätte sie verliebt geseufzt, konnte sich jedoch noch im letzten Moment davon abhalten.
Stattdessen gönnte sie sich den Luxus, sich ein wenig enger an Draco zu schmiegen und merkte befriedigt, wie er seinen Arm fester um sie schloss. Sie wusste nicht, wie lange sie dort so gesessen und leise Gespräche miteinander geführt hatten. Doch irgendwann übermannte sie die Müdigkeit und ungeschickt versuchte sie, ein Gähnen zu verstecken. Draco hatte es aber sofort bemerkt und setzte sich vorsichtig, mit ihr im Arm, auf.
„Ich denke, wir sollten nun besser schlafen gehen. Es ist spät geworden. – Oder früh, wie man es nennen will.“ Einen Moment zögerte er, bevor er fragte: „Treffen wir uns nächsten Sonntag um dieselbe Uhrzeit wieder?“ Hermine nickte freudig und schüchtern, als wollten sie beide ihre Freude nicht zu sehr zeigen, lächelten sie sich an. „Ich wünsche dir einen schönen zweiten Advent.“, sagte Draco leise und beschwor, wie aus dem Nichts, zwei Kerzen hervor. Hermine musste, sich an letzten Sonntag erinnernd, lächeln. Nachdem sie sich einen weiteren Blick zugeworfen hatten, drehte sich Draco langsam um und verließ die Bibliothek.
Hermine mahnte sich zur Ruhe. Den ganzen Samstag war sie schon total aufgeregt und immer wieder wanderte ihr Blick zur Uhr. Es kam selten vor, dass sie sich wünschte, die Zeit würde schneller vergehen. Aber an diesem Tag konnte sich der Zeiger für sie nicht schnell genug bewegen. Nun waren es nur noch wenige Stunden, dann würde sie endlich Draco wieder sehen. Mittlerweile war es für sie fast zum Zwang geworden, den blonden Slytherin so häufig wie möglich zu beobachten und jede Bewegung, jede Geste in sich aufzunehmen und zu verinnerlichen.
Wie oft hatte sie sich in der letzten Woche gefragt, was mit ihr geschehen war. Wie kam es dazu, dass sie Draco, den sie Jahrelang gehasst und verabscheut hatte, plötzlich mit völlig anderen Augen sah? Nun gut, er hatte immer schon das gewisse Etwas gehabt – vom Aussehen her. Sie konnte nicht bestreiten, dass er einer der bestaussehendsten Männer war, die sie kannte. Dennoch hatte sie, bis vor kurzem, nie einen zweiten Gedanken daran verschwendet. Sie konnte nicht sagen, wann genau sich dies geändert hatte. Fest stand nur, dass sobald er in der Nähe war, ihr Herz schneller anfing zu schlagen und sie sich nur noch mit Mühe auf das konzentrieren konnte, was sie in dem Augenblick tat. Wenn er den Raum betrat war es, als würde die Zeit still stehen. Alle Geräusche verflüchtigten sich und Hermine nahm nur noch ihn war. Kaum zu glauben, aber es schien fast so, als hätte sie sich verliebt.
Da sie Draco nun genauer beobachtete, erkannte sie auch, dass er sich nicht nur ihr, sondern auch den anderen Mitschülern gegenüber geändert hatte. Sie hatte schon des Öfteren ein Lächeln von ihm erhaschen können und wenn man näher hinsah, erkannte man, dass er ein Mensch war, der Berührungen mochte. Wenn Draco mit seinen Freunden sprach, kam es häufig vor, dass er sein Gegenüber am Arm berührte oder die Hand auf die Schulter des Anderen legte. Möglich, dass er dies erst seit geraumer Zeit tat. Hermine jedenfalls hatte dies bisher nie bemerkt.
Während sie sich nun auf den Weg in die Bibliothek machte – ungesehen unter Harrys Tarnumhang – bemerkte sie, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte, je näher sie ihrem Ziel kam. War er möglich, sich so sehr auf ein einfaches Treffen zu freuen, noch dazu mit seinem früheren Erzfeind? Mal davon abgesehen, dass die Treffen mit Draco bisher keine gewöhnlichen Treffen gewesen waren. Wenn Draco mit ihr in der Bibliothek war, war es, als läge ein ganz besonderer Zauber darüber. Einer, den man nicht erklären konnte und den man auch nicht in den Lehrbüchern fand. Etwas so Magisches und Einzigartiges fand man nicht auf beschriebenen Pergamenten oder hörte es aus dem Mund der Lehrer. Dies war Etwas, dass nur zwei Menschen fühlen konnten, wenn sie zusammen waren. Und in ihrem Fall schien es, als wären sie und Draco diese beiden. – Eine Erklärung hatte Hermine jedoch nicht dafür.
Mit klopfendem Herzen öffnete Hermine schließlich vorsichtig die Tür zur Bibliothek. Sie nahm sofort den leichten Feuerschein war, der aus dem Kamin kam, an dem sie noch vor einer Woche gesessen und sich gegenseitig gewärmt hatten. Hermine atmete einmal tief ein, dann betrat sie den Gang, in dem der Kamin stand. Draco saß bereits in einem der Sessel und starrte ins Feuer. Als sie nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war, sah er auf und ihre Blicke trafen sich. Als sich sein Mund zu einem freudigen Lächeln verzog, glaubte Hermine, ihr Herzschlag setze einen Moment aus. Konnte es etwas Schöneres geben als dieses Lächeln? Hermine schüttelte leicht ihren Kopf, bevor sie sein Lächeln erwiderte. Es schien tatsächlich ein besonderer Zauber zu existieren, woher sonst kämen ihre merkwürdigen Gefühle? Draco stand auf und bevor Hermine reagieren konnte, zog er sie in eine sanfte Umarmung. Hermine spürte, wie er den Duft ihres Haares aufsog und lehnte sich an ihn.
Nach etlichen Sekunden ließ Draco sie los und hielt sie auf Armeslänge von sich. „Da bist du ja. Ich habe mich schon den ganzen Tag darauf gefreut, dich zu sehen und dich zu spüren. Dein Haar duftet so wunderbar, dass es mir die ganze Woche nicht aus dem Kopf gegangen ist. Ich musste es wieder riechen.“ Einen Augenblick lang starrte Hermine Draco nur an. War das vielleicht ein völlig realitätsferner Traum oder war es tatsächlich Wirklichkeit? Dracos Stimme war so sanft und zärtlich, dass sie fast nicht glauben konnte, dass sie wirklich Draco Malfoy vor sich hatte. Anscheinend hatte Draco einen ähnlichen Gedanken, denn als er Hermine nun neben sich auf den Sessel zog, legte er nicht sofort seinen Arm um sie, sondern schaute ihr in die Augen.
„Manchmal denke ich, uns hat jemand verzaubert.“, gestand er leise. „Ich kann mir nicht erklären, warum ich plötzlich solche Gefühle habe, wenn du in der Nähe bist. Vielleicht ist es, weil der Krieg vorbei ist und ich endlich nicht mehr auf der falschen Seite stehe. Oder es ist die Weihnachtszeit, die einen jedes Jahr wieder zu einem anderen Menschen macht.“ Hermine hing förmlich an seinen Lippen, während er diese Worte sprach. Dann zwang sie sich, ihn anzusehen und schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. „Was es auch ist.“, hörte sie sich antworten. „Ich hoffe, es geht nie vorbei.“
Eine halbe Ewigkeit lang sahen sie sich tief in die Augen. Hermine versank in den wunderbar sturmgrauen Seen Dracos, während dieser die goldenen Punkte in ihren bernsteinfarbenen Augen betrachtete. Dann hob er ganz langsam die Hand, führte sie zu ihrem Gesicht und begann, ganz sacht, ihre Wange zu streicheln. Er fuhr mit dem Daumen ihre Wangenknochen nach, wiederholte das ganze an der anderen Seite, bevor seine komplette Hand ihre Wange umschloss. Hermine hob nun ihrerseits ihre Hand und es durchzuckte sie wie ein Blitz, als sie die weiche Haut seiner Wange fühlte, die von leichten Bartstoppeln überzogen war, je näher sie sich seinem Kinn näherte.
Minutenlang beschränkten sie sich auf diese sanften Berührungen. Dann umschloss Draco mit beiden Händen Hermines Gesicht. Und nach einer Millisekunde, die er innehielt, um ihr die Möglichkeit zu geben, Nein zu sagen, beugte er sich zu ihr, überbrückte die letzten Zentimeter zwischen ihnen und küsste sie.
In Hermines Kopf explodierten tausende von Lichtern, Sterne tanzten vor ihren Augen, bevor sie die Lider schloss, um den Kuss mit allen Sinnen zu genießen. Nie hatte sie sich besser gefühlt, nie hatte ihr Körper so auf diese leichte Berührung reagiert. Sie stand halb von ihrem Sessel auf, nur um sich näher zu ihm zu beugen und sich letztendlich auf seinen Schoss zu setzen.
Ihre Arme umschlangen seinen Nacken, während sie ihn zu sich zog und bereitwillig die Lippen öffnete, um seiner Zunge Einlass zu gewähren. Ein leises Stöhnen entwich ihrer Kehle, als sich ihre Zungen berührten und ein sanftes Spiel begann. Sie bemerkte, wie Draco unter ihr erzitterte und presste sich noch näher an ihn. Nur weil die Luft knapp wurde, ließen sie schließlich voneinander ab. Draco legte seine Stirn an Hermines und einige Sekunden herrschte Schweigen. Dann löste sich Draco leicht von ihr, griff nach seinem Zauberstab und beschwor drei Kerzen hervor.
Während sich Hermine erneut an ihn lehnte und er seine Arme um sie schlang, flüsterte er: „Ich wünsche dir einen schönen dritten Advent.“
Als sich die Bibliothekstür öffnete, sprang Hermine förmlich aus ihrem Sessel hervor und einem verdutzenden Draco in die Arme. Sie schwankten und während Draco versuchte, das Gleichgewicht zu halten, spürte er bereits Hermines warme, einladende Lippen auf seinen, sodass sein Verstand sich sofort verabschiedete. Dies hatte zur Folge, dass er doch nach hinten taumelte und Hermine mit sich riss. Mit einem lauten Stöhnen fanden sich beide kurze Zeit später auf dem harten Boden wieder.
„Tut mir leid.“, murmelte Hermine beschämt und grinste ihn verlegen an, während sie sich aufsetzen wollte. Draco jedoch schloss schnell seine Arme um sie und hielt sie fest. „Wenn ich schon so überschwänglich begrüßt werde, sollten wir das doch nicht so schnell beenden, oder?“ Hermine bekam eine Gänsehaut, als sie seine aufreizende Stimme nahe an ihrem Ohr vernahm. Ein Arm Dracos löste sich von ihrem Rücken und umfasste ihren Nacken, um sie zu sich zu ziehen und ihr einen leidenschaftlichen Kuss zu geben. „Hallo.“, murmelte er und Hermine hauchte ebenfalls eine Begrüßung, als sie ihr Gesicht an seiner Halsbeuge vergrub. Erfreut bemerkte sie, wie sich die feinen Härchen aufrichteten. Sachte blies sie in sein Ohr und musste sich ein Grinsen bei seiner erneuten Reaktion verkneifen.
Während sie ihr kleines Spielchen weiterführte, begab sich ihre Hand auf Wanderschaft. Zärtlich strich sie über seine Wange, hinunter zu den Schultern und langsam an seiner Seite abwärts. Ein kurzes Zusammenzucken zeigte ihr, dass er an dieser Stelle kitzlig war. Sie wiederholte die Prozedur mehrmals, bis sich seine feste Hand um ihr Handgelenk schloss und ihr Einhalt gebot.
„Übertreib es nicht.“, knurrte er gespielt verärgert und setzte sich auf, sodass sie nun auf seinem Schoss saß. Sie bewegte sich, um sich in eine bequemere Position zu rücken und er zischte leise auf. Hermine warf ihm einen verwirrten Blick zu, bis sich Verständnis auf ihrem Gesicht widerspiegelte. Sie hatte gar nicht gewusst, dass man ihn so leicht reizen konnte. Wieder rutschte sie auf ihm hin und her und bemerkte, wie sich ein Problem in seiner Hose anbahnte.
„Hermine, du spielst mit dem Feuer.“, flüsterte Draco und seine Stimme klang heiser. „Vielleicht möchte ich das ja.“, wisperte Hermine und drückte ihre Lippen auf seine. Eine gefühlte Ewigkeit später unterbrachen sie schwer atmend den Kuss. Hermine, mutiger geworden durch das neu gewonnene Wissen, was sie mit Draco anstellen konnte, ließ ihre Hand nach unten gleiten, doch bevor sie Dracos Heiligstes berühren konnte, hatte er ihre vorwitzige Hand gepackt und hielt sie wieder fest. „Du hast es so gewollt.“, murrte er und ehe sich Hermine versah, war er aufgestanden und hatte sie sich über die Schulter gelegt. Ihre Proteste ließ er an sich abprallen.
Wenig später ließ Draco Hermine auf ein Sofa in der Nähe des Kamins fallen. Mit einem Schlenker seines Zauberstabs verschloss er die Tür magisch und legte einen Stillezauber über den Raum. Verwundert beobachtete Hermine ihn. „Was soll das werden?“, wollte sie wissen. Mit einem diebischen Grinsen drehte sich Draco zu ihr um. „Ich habe dich vorgewarnt, aber da du nicht hören wolltest…“ Das Ende des Satzes ließ er offen. Stattdessen legte er sich neben sie und presste seine Lippen erneut auf ihre. Unsanft und fordernd, sodass Hermine ein leises Keuchen ausstieß. „Wie du mir, so ich dir.“, murmelte Draco und geschickt öffnete er die Knöpfe ihrer Bluse. Seine Lippen verließ jedoch keine Sekunde ihren Mund, seine Zunge drang nur noch weiter in die feuchte Höhle und liefert sich einen Kampf mit ihrer Zunge.
Endlich begaben sich auch Hermines Hände wieder auf Wanderschaft und fast gierig streiften sie sich die Kleider vom Leib. Als Hermine nackt neben ihm lag, betrachtete Draco sie einen Augenblick lang schweigend. Dann senkte er den Kopf und küsste sie zärtlich. Während er sich ganz in diesem Kuss verlor, erkundete er mit einer Hand ihren Körper. Als er zwischen ihren Beinen angekommen war und sie zu stimulieren begann, stöhnte Hermine leise auf.
Ihre Hüften bewegten sich auf und ab, passten sie dem Rhythmus seiner Finger an. Kurz unterbrach Draco den Kuss und zwang Hermine, ihn anzusehen. Ihre Augenlieder flatterten und Dracos Erregung pochte heftig, als er die Leidenschaft in den bernsteinfarbenen Augen sah. Sofort küsste er sie wieder und flüsterte: „Komm für mich, Hermine. Und sieh mich an.“ Seine Augen hielten ihre gefangen, als Hermines Stöhnen lauter wurde und schließlich ihr ganzer Körper erzitterte, als sie der erste Orgasmus überrollte. Dann sank sie zurück auf das Sofa und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
Draco ließ ihr nur wenig Zeit, um sich zu erholen. Gerade als seine Finger sie zu einem weiteren Höhepunkt treiben wollten, griff Hermine nach seinem Handgelenk und hielt ihn davon ab. „Jetzt bist du dran.“ Mit einer erstaunlichen Kraft drehte sie sich, sodass sie schließlich auf ihm lag. Sie hielt sich nicht weiter mit Zärtlichkeiten auf, sondern rutschte gleich soweit hinunter, dass sie seine pralle Erregung direkt vor sich hatte.
Mit einem verruchten Grinsen blickte sie zu Draco auf und gleich darauf senkte sich ihr Mund herab. Draco stieß zischend den Atem aus, als sich ihre Lippen um ihn schlossen. Bei Merlin, sie war nicht die Erste, die ihn mit dem Mund befriedigte, aber er war noch nie so kurz vor einem Orgasmus gewesen, obwohl sie sich noch nicht einmal bewegt hatte. Nun jedoch spürte er ihre Zunge, die seine ganze Länge entlang leckte und dann ganz leicht ihre Zähne, die ihn zusätzlich stimulierten. Stöhnend presste er sich ihr entgegen, doch sie drückte seine Hüften nach unten und trieb ihn mit ihrem Mund fast in den Wahnsinn.
„Hermine, bitte…“ Draco war es egal, ob er flehte, er wollte sie endlich richtig spüren. Als Hermine sich leicht von ihm löste, nutzte er das aus und mit einem Ruck hatten sie wieder die Position gewechselt, sodass sie unter ihm lag. Draco küsste Hermine leidenschaftlich, während er sich mit einem einzigen Stoß komplett in sie versenkte. Beide stöhnten auf und Draco gab sofort einen schnellen Rhythmus vor. Wenig später überrollte ihn der heftigste Orgasmus, den er je erlebt hatte und er stieß noch einige Male in sie, bis er bemerkte, wie sich Hermines Muskulatur um ihn zusammenzog und auch sie den Gipfel erreichte.
Erschöpft bleiben sie danach einfach so liegen und Draco dachte schon, dass sich sein Herzschlag nie wieder stabilisieren würde. Er spürte Hermines Hände, die zärtlich über seinen Rücken strichen, doch er selbst war viel zu geschafft, als dass er sich hatte bewegen können. Schließlich zog er sich doch aus ihr zurück und drehte sich, sodass er neben ihr lag. Schnell zog er sie zu sich und bettete ihren Kopf in seine Halsbeuge. Sie waren beide schläfrig, doch diesmal war es Hermine, die an ihre kleine „Tradition“ dachte. Sie griff nach ihrem Zauberstab, ließ vier Kerzen erscheinen und murmelte träge: „Ich wünsche dir einen schönen vierten Advent.“ Draco lächelte und küsste sie auf den Scheitel, bevor er ins Land der Träume driftete.
Tag der Veröffentlichung: 02.05.2012
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