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1.

„Was machst du denn hier?“, wollte Luisa wissen und sah Ida an als käme sie von einem anderen Stern.

Ida brummelte etwas missverständlich vor sich hin, brachte aber keine richtige Antwort zustande. Hinter ihr tauchte ihre Mutter auf und lächelte die Mädchen freundlich an.

Es war Mittwochmorgen und der letzte Schultag vor den großen Sommerferien. Elina, Luisa und Nina hatten den Schulweg gemeinsam bestritten und ihre Fahrräder bereits abgestellt. Auf dem Weg zu ihrem Klassenzimmer waren sie in der Aula überraschend auf Ida getroffen, die dort etwas verloren gestanden hatte.

„Ida erfährt heute, in welche Klasse sie nach den Sommerferien gehen wird“, erklärte ihre Mutter. „Wir haben gleich ein Gespräch bei der Schulleiterin.“

Elina lächelte Ida aufmunternd zu und sagte:

„Sie ist eine richtig nette Schulleiterin. Vielleicht kannst du ja in unsere Klasse kommen.“

„Das wäre wirklich super“, schwärmte auch Luisa.

„Du musst unbedingt fragen, ob das möglich ist“, schwor auch Nina sie ein.

 Ida nickte nur und sah sich unsicher um. Das war normalerweise gar nicht ihre Art. Allerdings hatte Elina schon vermutet, dass ihre beste Freundin in der Schule ganz anders war, als im Stall. Dort ließ sie sich von niemandem etwas sagen und gehörte noch dazu zu den besten Nachwuchsreitern. Die Erwachsenen vertrauten ihr ihre großartigen Sportpferde kostenlos zum Reiten an, sie war erfolgreich auf Turnieren und bildete gemeinsam mit ihrer Reitlehrerin und ihren Freundinnen zwei Ponys aus. So kannte man Ida. Doch Schule gehörte nicht unbedingt zu ihren Stärken. Wegen ihrer schlechten Noten war sie an ihrer alten Schule geärgert worden und deshalb hatte sie aufgehört überhaupt hinzugehen. Nun hatte sie mit ihrer Mutter beschlossen, die Schule zu wechseln und hoffte tatsächlich, mit ihren Freundinnen gemeinsam in eine Klasse gehen zu können. Aber ob sie sich auch traute, diese Bitte gegenüber der Schulleiterin zu äußern, stand noch in den Sternen.

 

Es klingelte zum Unterricht und die Mädchen verabschiedeten sich von Ida, um nicht zu spät zu kommen. Gemeinsam liefen sie die Treppe hinauf und den Flur entlang bis zu ihrem Klassenzimmer. Die Tür stand schon offen, doch das war nicht ungewöhnlich. Ihr Klassenlehrer kam gern etwas eher und begrüßte seine Schüler schon vor Unterrichtsbeginn. Für die erste Stunde war es ungewöhnlich laut in der Klasse, was daran lag, dass an diesem letzten Schultag vor den Ferien ein etwas anderes Programm anstand. Sie wollten gemeinsam frühstücken und über ihre Ferienpläne plaudern, bevor es in der dritten Stunde die Zeugnisse gab. Elina freute sich besonders darüber, dass sie so früh nach Hause durften, denn das bedeutete, dass sie ebenso früh in den Stall fahren konnte.

Luisa, Nina und Elina rutschten dicht zusammen und packten ihr Frühstück aus. Ihr Klassenlehrer hatte ihnen erlaubt, die Sitzordnung etwas zu ändern, so dass sie sich um einen Tisch herum setzten. Schon bald redeten alle durcheinander über die anstehenden Sommerferien und ihre Pläne. Untereinander wurde Essen getauscht und sich versprochen, Postkarten aus dem Urlaub zu schicken. Ihr Lehrer wanderte von Tisch zu Tisch und setzte sich zu seinen Schülern. Als er bei den Mädchen ankam, wollte er auch von ihnen wissen, was sie in den Ferien vorhatten.

Betreten sah Nina auf den Tisch und brachte keinen Ton heraus.

„Fahrt ihr weg?“, fragte er enthusiastisch.

„Nein“, murmelte Luisa.

„Wir bleiben auch zu Hause“, sagte Nina leise.

„Wir auch“, ergänzte Elina. „Das ist super.“

„Was ist denn daran super?“, wollte Luisa von ihr wissen.

„Wir können jeden Tag in den Stall gehen. Von morgens bis abends, bis Sandra uns nicht mehr sehen kann“, erklärte Elina.

„Du vielleicht“, gab Nina kleinlaut zurück. „Du hast ja Poldi.“

Daran hatte Elina nicht gedacht. Sie ahnte, dass ihre Freundinnen traurig waren, weil sie nicht in den Urlaub fuhren. Das lag daran, dass ihre Eltern zu wenig Geld dafür hatten. Eigentlich hatte sie die beiden mit ihrer Bemerkung aufmuntern wollen, doch der Plan war nun leider nach hinten losgegangen. Dabei fand Elina gar nicht, dass es ein Hindernis war, dass die beiden keine eigenen Pferde besaßen. Sie konnten doch trotzdem jeden Tag in den Stall kommen. Sandra stellte ihnen oft genug Jazzy und Scando zur Verfügung.

 

„Und du bist froh, dass du nicht wegfährst?“, wollte ihr Lehrer von Elina wissen.

„Ja, eigentlich schon“, nickte sie und das entsprach der Wahrheit. Bevor sie Poldi bekommen hatte, waren ihre Eltern oft mit ihr und Miko weggefahren oder weggeflogen. Es hatte Elina auch durchaus Spaß gemacht, auch wenn sie schnell Heimweh bekam. Aber nun war jeder Tag, den sie ohne Poldi verbringen musste, einer zu viel. Daher war sie wirklich etwas erleichtert, dass ihre Eltern in letzter Zeit viel zu tun und Miko auch keine Lust mehr auf gemeinsame Urlaube hatte. Ein Luxusproblem, für das Luisa und Nina wenig Verständnis hatten. Und auch ihrem Lehrer schien es unangenehm zu sein, denn er lächelte und verschwand an einen anderen Tisch. Nun fehlten auch Elina die Worte.

 

„Tut mir leid“, sagte Elina peinlich berührt in die Stille an ihrem Tisch, die umgeben war von den aufgeregten Gesprächen der anderen Schüler.

„Schon gut, du kannst ja nichts dafür“, wehrte Nina ab.

„Es ist nur so ein blödes Gefühl, wenn alle anderen von ihren Plänen schwärmen“, gestand Luisa. „Und wir haben einfach keine.“

„Dann machen wir eben unsere eignen Pläne für den Sommer im Stall“, lächelte Elina.

„Das ist gar keine so schlechte Idee“, fand Luisa und sah schon etwas weniger traurig aus.

Elina war ebenfalls froh, dass sie ihre Freundinnen aufgemuntert hatte, auch wenn sie bisher noch keine wirklich gute Idee hatte, wie das aussehen sollte. Vielleicht würde ihr gemeinsam mit Ida etwas Gutes einfallen. Elina warf einen Blick auf die Uhr und überlegte. Wie lange dauerte wohl so ein Gespräch mit der Schulleiterin? Ob Ida inzwischen schon mehr wusste? Zu gern hätte Elina heimlich einen Blick auf ihr Handy geworfen, um zu sehen, ob Ida sich schon gemeldet hatte. Aber dazu war sie nicht mutig genug. Sie wollte nicht unbedingt am letzten Schultag noch unangenehm auffallen, weil ihr Lehrer sie am Handy erwischte. Trotzdem war sie neugierig und konnte es kaum abwarten, dass es endlich klingelte.

 

Bevor die Schüler in die Ferien entlassen wurden, stand noch die Zeugnisausgabe an. Ihr Lehrer begann mit einem Vortrag. Eigentlich mochte Elina ihn, bis auf diese eine Kleinigkeit. Er neigte dazu, sich manchmal in nicht enden wollenden Reden zu verlieren. Selbst wenn sie sich wirklich Mühe gab, fiel es ihr dann schwer, ihm zu folgen. Schon jetzt musste sie ein Gähnen unterdrücken und dabei hatte er gerade erst angefangen. Die Tatsache, dass er mit seinem Monolog beim Beginn des abgelaufenen Schuljahres angefangen hatte, beunruhigte Elina. Wieder warf sie einen Blick auf die Uhr. Diesmal jedoch, weil sie befürchtete, die Ferien könnten schon wieder vorbei sein, bevor ihr Lehrer fertig wäre. Erneut unterdrückte sie ein Gähnen, was dafür sorgte, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen. Luisa traf ihren Blick und nickte ganz leicht. Auch sie war leicht genervt. Hätte er ihnen nicht einfach die Zeugnisse geben und schöne Ferien wünschen können? Es dauerte nicht lange, bis die meisten Schüler den Kopf auf die Arme stützten oder gleich auf den Tisch legten. Andere versuchten, sich mit Essen wach zu halten. Doch nach dem ausgiebigen Frühstück hatte Elina wirklich keinen Hunger mehr.  

 

Als die Tür aufgerissen wurde, schreckten die Schüler aus der Dämmerung hoch und auch ihr Lehrer verstummte. Er sah zunächst verärgert aus, weil er in seinem Vortrag unterbrochen worden war, doch dann erkannte er, dass seine Chefin in der Tür stand. Schnell setzten sich die Schüler etwas aufrechter hin-jedenfalls die meisten.

„Schön, wie ruhig es doch in dieser Klasse sein kann“, lobte die Schulleiterin beim Eintreten.

„Kunststück, der Kerl hat die meisten beinahe eingeschläfert“, murmelte Luisa ganz leise.

Elina und Nina grinsten und lugten um die Ecke. Sie versuchten neugierig herauszufinden, was diese Unterbrechung zu bedeuten hatte. Ebenso schien es auch ihrem Lehrer zu ergehen. Bevor er fragen konnte, klärte die Schulleiterin sie alle auf:

„Ich möchte euch mitteilen, dass ihr im kommenden Schuljahr eine neue Schülerin…“

Weiter kam sie nicht, weil Nina, Luisa und Elina vor Freude aufschrien, als sie Ida im Türrahmen entdeckten. Nun waren wirklich wieder alle Schüler wach.

„Kommst du in unsere Klasse?!“, rief Luisa und konnte es noch nicht ganz fassen.

„Es sieht ganz so aus“, meinte Ida und grinste nun wenigstens ein bisschen.

Ihre Schulleiterin räusperte sich energisch und die Mädchen verstummten. Nun wurde Ida ganz offiziell der Klasse vorgestellt und kam sich dabei reichlich seltsam vor. Alle schauten sie an, als käme sie von einem anderen Planeten.

„Möchtest du vielleicht auch noch etwas von dir erzählen?“, fragte die Schulleiterin Ida und sah sie auffordernd an.

Ida sah hilflos in den Raum und antwortete dann:

„Eigentlich haben Sie ja schon alles gesagt.“

Mit dieser Antwort hatte niemand gerechnet, doch Elina erkannte endlich ihre beste Freundin wieder, zu der solche Aussagen perfekt passten. Das war eben Ida. Ein paar Schüler kicherten bereits, weil die Schulleiterin offenbar auch nicht wusste, ob das ein schlechter Scherz oder Idas Ernst sein sollte.

Schnell übernahm ihr Klassenlehrer das Kommando, der nie um ein Wort verlegen war:

„Wir freuen uns, dass du nach den Ferien zu uns in die Klasse kommst. Es wird dir bestimmt gut gefallen bei uns.“ Dann schwor er seine Schüler ein, dass sie Ida herzlich willkommen heißen, ihr den Einstieg in die Klasse erleichtern und ihr immer helfen sollten. Wieder grinste Elina. Ida würde sich niemals von irgendjemandem helfen lassen, aber das würden die anderen schon noch früh genug bemerken.

 

In der letzten Stunde erhielten sie endlich ihre Zeugnisse. Es war nicht so, dass sie sich gerade darauf besonders freuten. Doch immerhin war die Zeugnisausgabe der Startschuss für die Sommerferien. Elina war mit ihren Zensuren zufrieden und hoffte, dass ihre Eltern das genauso sehen würden. Und auch Luisa und Nina lächelten, was bedeutete, dass es ebenfalls gut aussah. Für die beiden waren die guten Noten besonders wichtig, weil ihre Eltern ihnen gern vorwarfen, dass schlechte Noten bloß daher kamen, dass die Mädchen zu viel Zeit im Stall verbrachten. Elina war froh, dass ihre Eltern so etwas noch nie erwähnt hatten. Gemeinsam eilten sie aus dem Schulgebäude und steuerten den Fahrradparkplatz an. Das Gewusel war noch größer als sonst, denn alle wollten besonders schnell nach Hause kommen.

 

Am liebsten wäre Elina direkt zu Poldi in den Stall gefahren, doch sie ahnte, dass ihre Eltern darüber nicht gerade erfreut wären.

„Wir treffen uns nachher aber im Stall, oder?“, wollte sie von Luisa und Nina wissen, während sie ordentlich in die Pedale traten. Etwas anderes kam für sie eigentlich gar nicht in Frage.

„Wir haben aber heute kein Pferd, das wir reiten können“, gab Nina zu bedenken. Es war Mittwoch und damit keiner der Tage, an denen sie Jazzy und Scando reiten durften.

„Das macht doch nichts, wir können uns zusammen mit Ida um Pollux und Castor kümmern“, schlug Elina enthusiastisch vor.

„Also gut, aber dann kommen wir vielleicht ein bisschen später“, entschied Luisa.

Sie war zwar gern im Stall und sie hatte auch Spaß bei der Ausbildung der beiden Ponys. Aber was ihr weniger gefiel war, Elina und Ida beim Reiten zuzuschauen. Elina konnte das durchaus verstehen-ihre Freundinnen mussten diesen Gedanken nicht aussprechen. Und trotzdem war sie froh, dass die beiden in den Stall kommen wollten.

„Dann sehen wir uns heute Nachmittag!“, rief sie den beiden zu, bevor sie abbog, um das letzte Stück des Weges allein zu radeln. Nina und Luisa winkten ihr zu und bogen ebenfalls ab, jedoch in eine andere Richtung.

 

 

 

 

 

 

2.

 

Lange hielt Elina es zu Hause nicht aus, dann schnappte sie sich ihr Fahrrad und machte sich schon früh auf den Weg in den Stall. Da sie keine Ahnung hatte, wo ihr großer Bruder Miko sich gerade aufhielt, wollte sie nicht auf ihn warten. Außerdem war das Wetter schön und sie hatte nichts gegen eine kleine Radtour. Noch dazu standen nun sechs Wochen Ferien an, so dass Elina auch gar keinen Zeitdruck hatte. Endlich keine Hausaufgaben, die unbedingt noch erledigt werden wollten. Da konnte sie auch ganz in Ruhe zu Poldi fahren und musste sich nicht beeilen. Und dennoch bemerkte Elina, wie

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 23.01.2022
ISBN: 978-3-7554-0599-3

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Peròn, der seine wahre Seelenverwandte gefunden hat

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