Viele mögen es für seltsam halten, aber wir feiern gerne den Geburtstag unserer Pferde. Ganz besonders den unseres ersten Pferdes, Adele. Zu diesem Anlass traf sich die Stallgemeinschaft, ein durchaus überschaubarer, aber herzlicher, Haufen jedes Jahr am 30. Januar. Wo? Natürlich im Stall, schließlich war es der Geburtstag eines Pferdes. Aber auch alte Freunde und Bekannte von uns kamen jedes Jahr, um Nele, wie unsere wunderschöne schwarze Stute genannt wurde, zu gratulieren. Neben Leckereien für die Menschen gab es auch immer etwas Besonderes für alle Vierbeiner.
Vor drei Jahren hatte ich wieder einmal zu Neles Geburtstag eingeladen. Es war ihr 25. Geburtstag und daher noch einmal etwas ganz Besonderes. Ich überschlug mich fast in der Küche und wollte, dass alles perfekt wird. Natürlich freute ich mich auf das nette Beisammensein im Stall und darüber, dass wieder viele alter Reiterfreunde ihr Kommen angekündigt hatten. Es sollte eigentlich ganz allein um Nele gehen.
Doch dann kam mehr oder weniger überraschend wenige Tage vorher eine Mitteilung von einem Bekannten aus dem Tierheim. Wir hatten uns dort entgegen aller Vorsätze in eine schwarze Schäferhündin verliebt, sie jedoch bisher nicht mitgenommen, weil unser Vermieter sich rechtswidrig querstellte. Doch nun mussten wir uns entscheiden, da es überraschend einen weiteren Interessenten für die Hündin gab. Ich hatte diese Entscheidung ohnehin schon für mich getroffen, eine neue Wohnung suchten wir ebenfalls unabhängig von diesem Vorkommnis, und so entschied ich, dass wir Kora adoptieren würden.
Zwar hatte ich keinen Hund haben wollen, doch mein Mann hatte drei Jahre lang auf mich eingeredet, wie schön ein Hund wäre. Wie kann ich angesichts meines eigenen kleinen „Zoos“ auch nein sagen-ich bin schließlich auch nicht seine Mutter. Ich hatte nur keine Ahnung von Hunden. Und nun also sollte es Kora werden. Sie hatte mein Herz im Sturm erobert, was als Tier auch nicht sehr schwer bei mir ist. Doch aus „ich möchte keinen Hund“ wurde schnell „Ich möchte keinen anderen Hund, als Kora“.
Wann wir sie abholen könnten? Am besten am 30. Januar. Neles Geburtstag!? Es ging wohl nicht anders, die Woche war mal wieder völlig verplant und das Tierheim lag weiter weg. Ich hatte mich durch die Arbeit bei der Zeitung mit den Leuten dort angefreundet. Also fuhren wir ausgerechnet an Neles Geburtstag nach Nienburg, um unseren Hund abzuholen. Es war zuerst so aufregend und befremdlich, dass ich mich wie ein kleines Kind fühlte. Wir hatten Koras Größe trotz zahlreicher Besuche im Tierheim etwas falsch eingeschätzt. Sie ist doch ziemlich groß. Es war eher Zufall, dass wir mit dem damals größeren Auto gefahren waren, denn in den kleinen Wagen meines Mannes hätte gar nicht alles reingepasst. Der Hund füllte die komplette Rückbank aus und seine überdimensionale Schlafwanne passte gerade so in den Kofferraum.
In meinem Kopf drehten sich die Gedanken, ob wir ihr auch gerecht werden konnten, ob sie mich überhaupt ernst nehmen würde, ob ich alles richtig machte, und, und, und. So unsicher war ich selten bei einem Tier. Aber Kora machte es uns immer einfach. Sie lief im Tierheim von einem Pfleger zum nächsten, um sich zu verabschieden. Sie brachte uns ihr Lieblingsspielzeug und brachte mein Herz damit endgültig zum Schmelzen.
Auf der Rückfahrt saß mein Mann mit ihr zusammen ziemlich eingequetscht auf der Rückbank meines Autos. Ich musste mich sehr zusammenreißen, um nicht ständig nach hinten zu schauen. Das war nun also unser Hund. Unser erstes gemeinsames Tier. Mein erster Hund. Wie sich das anhörte. Kora, der beste Hund der Welt, das war ja wohl klar.
Doch-Moment! Es war schließlich Neles Geburtstag. Also schnappten wir uns das tonnenweise vorbereitete Essen am Abend und brachen in den Stall auf. Unseren Hund, neuestes Familienmitglied erst seit wenigen Stunden, nahmen wir natürlich mit. Kora war und ist bis heute ein solcher Schatz und so unkompliziert, dass man nur schwärmen kann. Sie hat sich von den vielen fremden Leuten, den Pferden, dem Hofhund, den fremden Geräuschen und Gerüchen, einfach von gar nichts aus der Ruhe bringen lassen. Sie blieb dicht bei meinem Mann und freute sich über jeden, der sie streichelte.
Natürlich stand Nele im Mittelpunkt, doch irgendwie war es nun auch Koras Tag. Leider kennen wir ihren wahren Geburtstag nicht, daher feiert sie nun jährlich ihren Willkommenstag bei uns. So hatten wir wenigstens für eine kurze Zeit einen doppelten Geburtstag, denn leider mussten wir uns von Nele im Alter von fast 27 Jahren verabschieden. Ich kann nicht ganz erklären, wie es sich anfühlt, aber es bedeutet mir unglaublich viel, dass Kora und Nele sich kennengelernt haben. Als gäbe es eine Verbindung, die über den Tod hinaus geht. Und dennoch: Der Januar, der 30. vor allem, wird immer mit Nele verbunden sein.
Muffins mit Brandzeichen gehören einfach zu einem Pferdegeburtstag dazu
Tag der Veröffentlichung: 06.01.2018
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Meinen Tieren :)