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I

Als sich alle Gäste aus dem Standesamt langsam nach draußen bewegten, atmete Kora erleichtert aus. Das lag nicht etwa daran, dass sie die Zeremonie nicht genossen hätte. Ganz im Gegenteil. Die Standesbeamtin hatte eine fantastische Eheschließung durchgeführt, war ganz individuell auf das Brautpaar eingegangen und hatte einen wundervollen Text über die Liebe zitiert. Kora hatte sogar ein paar stolze Tränen verdrückt, als ihre kleine Schwester den Bund fürs Leben eingegangen war. Ihr Aufatmen galt der Gnade des Wettergottes, der pünktlich auf die Minute die letzte dunkle Wolke verschoben und die Sonne an den Himmel gezaubert hatte. Nur der nasse Asphalt zeugte noch von dem herbstlichen Mistwetter, das die Gesellschaft eine halbe Stunde zuvor noch begleitet hatte, als sie zusammengekommen war.

 

Nun standen sie vor dem Standesamt in der Sonne und das Brautpaar wurde mit Glückwünschen und Geschenken überhäuft. Kora hoffte, dass niemand zufällig in der Nähe war, der sie sehen konnte. Ihre Schwester hatte ihre ganz eigenen Vorstellungen von der perfekten Hochzeit und dazu gehörte es unter anderem, dass sie einen ganzen Haufen ihrer Freundinnen als Brautjungfern in pinke Kleider steckte. Als Schwester war auch Kora nicht um dieses zweifelhafte Vergnügen herumgekommen. Ihr bester Freund Tom, der sich ebenfalls in die Reihe der Gratulanten begab, konnte sich ein freches Grinsen angesichts dieses Anblickes nicht verkneifen. Dabei hatte es sie in diesem Aufzug schon am Morgen abgeholt.

„Du siehst aus, wie ein ausgeschüttetes Glas Bonbons“, verkündete er leise im Vorbeigehen.

„Wie du weißt, geht es aber gar nicht um mich“, konterte Kora und zwang sich zu einem Lächeln.

Tom verdrehte kaum sichtbar die Augen und sie ahnte, was er damit sagen wollte. In seinen Augen stand es um das Aussehen der Braut nämlich nicht unbedingt besser. Kiras Brautkleid war nicht etwa weiß, sondern ebenfalls pink-noch dazu übersäht mit Glitzer und Tüll. Niemand hatte ernsthaft gewagt, ihr zu widersprechen, als sie ihre Kleiderwahl bekannt gegeben hatte. Und genau das war das Problem, denn es war insgesamt einfach zu viel pink. Trotzdem erntete sie nun die obligatorischen Komplimente für ihr Aussehen, während der Bräutigam etwas abgeschlagen daneben stand. Auf Drängen von Kira hatte sich auch ihr jetzt-Ehemann Sven eine ganze Horde Trauzeugen oder männlicher Brautjungfern zugelegt. Kora wusste, dass seine Freunde, Bekannten und Kollegen mehrheitlich unter Protest zugesagt hatten. Ihnen war wie so einigen Gästen die seltsame Mischung aus deutscher und amerikanischer Tradition aufgestoßen. Wobei niemand eine Idee hatte, wovon Kira sich hatte inspirieren lassen, abgesehen von kitschigen US-Filmen vielleicht noch. Doch da es nun einmal ihr ganz besonderer Tag sein sollte, spielten alle brav mit und hielten sich mit Kritik zurück. Nun, da die eigentliche Zeremonie vorbei war, sollte es eine unvergessliche Feier werden.

 

Kira und Sven hatten sich nicht lumpen lassen und sich für ihre Hochzeitsfeier ein edles Landgasthaus vor den Toren der Stadt Apolda gemietet. Ausgerechnet hier fiel die konsequent in pink gehaltene Dekoration leider besonders unangenehm auf, doch Kora beschloss, sich davon nicht den Abend verderben zu lassen. Wenn es ihr abgrundtief scheußliches Kleid nicht schaffte, dann doch erst recht keine Dekoration. Außerdem wusste sie, wie viel Liebe zum Detail Kira in jede noch so kitschige Einzelheit gesteckt hatte. Daher hielt sie sich an das Motto, angesichts wenig positiver Dinge einfach möglichst gar nichts zu sagen. Selbst zum Sektempfang spielte das Wetter noch mit und bescherte ihnen einen spätsommerlichen Sonnenuntergang über den weiten Feldern. Kora war dermaßen froh, dass es keinen Regen gab. Sie hätte sich Kiras Enttäuschung und Wut gar nicht vorstellen wollen. Außerdem gönnte sie es ihrer Schwester und deren Gatten von ganzem Herzen, einen wirklich unvergleichlichen Tag zu verleben. Wenn sie dazu beitragen konnte-und wenn es auch nur in Form eines furchtbaren Kleides war-dann war sie schon glücklich.

 

Wenigstens war Kira so einsichtig gewesen und hatte Kora neben Tom platziert. Neben ihnen saßen noch ein paar der anderen Brautjungfern, teilweise mit, teilweise ohne Begleitung. So war es kein peinlicher Singletisch geworden. Vor allem mit Katja, einer jungen Frau, die als Krankenschwester zu Svens Kollegen gehörte, verstand Kora sich schon recht gut. Sie teilten ihre Abneigung gegen das Kleid und ihre Begeisterung für das Essen, das das Brautpaar auffahren ließ. Katja wusste, dass Kora als Polizistin arbeitete, und hätte liebend gern etwas Spannendes über einen aktuellen Fall erfahren. Doch abgesehen davon, dass in der eher beschaulichen Stadt Apolda selten spektakuläre Fälle vorkamen, hatte Kora auch gar keine Lust, über die Arbeit zu sprechen. Ähnlich ging es ihrem besten Freund Tom, der als Koch arbeitete, und auf dessen fachkundige Meinung alle Gäste am Tisch gespannt warteten, als der nächste Gang des Menüs aufgetischt wurde. Tom wurde schon leicht verlegen und wusste gar nicht, was er sagen sollte. Er wünschte, er hätte nie verraten, was sein Beruf war.

 

Nach dem Eröffnungstanz des Brautpaares stürmten die Gäste die Tanzfläche und Kora war froh, den Gesprächen bei Tisch entkommen zu können. Vor allem ahnte sie, dass ihre Mutter ab einem gewissen Alkoholpegel wieder dieses viel zu ernste Gespräch über ihre Zukunft mit ihr führen würde. Davor wollte sie sich wenn irgend möglich drücken, doch das war gar nicht so einfach. Zunächst ging die Tanztaktik gut auf und Kora hüpfte einfach immer aus der Reichweite ihrer rigorosen Mutter, wenn diese ihr zu nahe kam. Außerdem hatte sie in Tom einen tollen Tanzpartner. Allerdings war Tom nicht gerade für seine Ausdauer bekannt. Um Kora nicht sofort hängen zu lassen, bewegte er sich beim Tanzen nicht mehr, als unbedingt nötig. Trotzdem schwanden ihm irgendwann die Kräfte und er kündigte an, sich am Tisch auszuruhen.

„Alleine brauche ich hier auch nicht zu tanzen“, seufzte Kora und schloss sich ihm an. Als er ihr einen unsicheren Blick zuwarf, verstand sie erst, worauf er hinaus wollte. An ihrem Tisch saß Katja ganz allein-ein Zustand, den Tom anscheinend zu seinem Vorteil nutzen wollte. Kora seufzte noch einmal und steuerte den Tisch an, an dem ihre Mutter saß. Besser, sie holte sich die obligatorischen Ratschläge direkt ab. Vielleicht war es dann auch erst einmal wieder gut mit der Bevormundung.

 

„Gefällt dir die Hochzeit?“, wollte sie von ihrer Mutter wissen, die gerade von einem aufmerksamen Kellner Sekt nachgeschenkt bekam.

„Ja, das ist ganz fantastisch“, schwärmte die Frau sofort. „Ein wundervolles Fest haben die Beiden organisiert.“

„Das stimmt, es ist herrlich“, nickte Kora und sah sich um. Überall war die Stimmung ausgelassen und fröhlich, die Gäste tanzten, unterhielten sich und umschwärmten das Brautpaar.

„Bist du denn nun mit Tom in Begleitung hier?“, wollte Koras Mutter mit hochgezogener Augenbraue wissen. „Denn der flirtet gerade mit einer anderen.“

„Er ist doch bloß mein bester Freund, er kann flirten, mit wem er möchte“, wehrte Kora ab.

„Das tut er offenbar auch“, gab ihre Mutter bitter zurück. „Wieso bist du nicht mit einer richtigen Begleitung gekommen?“

„Wen hätte ich denn da nehmen sollen? Ich habe keinen festen Freund, das weißt du doch“, meinte Kora. Sie versuchte wirklich, das Gespräch nicht zu emotional werden zu lassen, aber dieses Thema war wie immer heikel.

„Vielleicht hast du ja einen und ich weiß es nicht.“

„Eine so wichtige Information würde ich dir schon nicht vorenthalten“, grinste Kora und erntete einen missbilligenden Blick.

„Du bist eben viel zu sehr auf deine Karriere fixiert, das ist gar nicht damenhaft, schon gar nicht in deinem Alter“, behauptete ihre Mutter nun. „Und deshalb lernst du auch keine guten Männer kennen.“

„Das wiederum habe ich nie behauptet“, entgegnete Kora, obwohl es schon ein bisschen stimmte. In letzter Zeit war sie lediglich von einem schlecht rasierten Lokalreporter umworben worden. Und selbst da war sie sich nicht sicher, ob er ernsthaftes Interesse zeigte, oder bloß nett sein wollte.

„Kira jedenfalls hat sich einen tollen Mann geangelt“, betonte ihre Mutter nun.

„Das hat sie“, nickte Kora und wusste selbst nicht, wie ihre etwas unbeholfene Schwester es geschafft hatte, den jungen Arzt um den Finger zu wickeln. Sie waren eben sehr unterschiedlich. Kira betrachtete sich als Hausfrau und ging keiner Arbeit nach. Das Geld verdiente allein ihr jetzt-Ehemann Sven. So ein Leben konnte Kora sich dagegen nicht vorstellen. Sie wollte selbstbestimmt leben und wenn sie einen Mann kennen lernte, dann müsste der auch mit ihrem Job klarkommen. Erleichtert darüber, dass ihre Mutter anscheinend schon so viel Sekt getrunken hatte, dass sie ausnahmsweise selbst keine Lust hatte, Kora Vortragungen zu machen, atmete Kora auf und verließ den Tisch wieder.

 

Als sie Tom entdeckte, der in ein angeregtes Gespräch mit Katja verwickelt war, wollte sie ihn lieber nicht stören. Vielleicht entwickelte sich ja etwas aus der allgemein romantischen Stimmung dieser Hochzeit. Bei dem Gedanken musste Kora unwillkürlich grinsen, denn sie klang in ihrem Kopf schon fast wie ihre Mutter. Sie steuerte die Bar an, an der sich ein paar der männlichen Kollegen von Sven versammelt hatten. Als Kora sich zu ihnen gesellte, wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie verlegen und holperig das Thema wechselten.

„Na, Berufsgeheimnisse?“, wollte sie grinsend wissen und bestellte sich einen Cocktail.

Dass niemand darauf antwortete, machte es nicht gerade einfacher.

„Wir wollen dich ja nicht mit unserem Fachchinesisch langweilen“, behauptete endlich einer der Männer, doch für Schlagfertigkeiten war es bereits zu spät.

Kora nickte, als hätte sie schon verstanden, obwohl sie sich wirklich fragte, was sie so Geheimnisvolles besprochen hatten. Lächelnd nahm sie einen Schluck von ihrem Getränk und beschloss, sich an die eigene Nase zu fassen. Ihre Neugierde war auf jeden Fall eine Berufskrankheit.

„Und selbst, gerade spannende Fälle?“, wollte einer von Svens Kollegen wissen.

„In Apolda?“, gab sie die Frage zurück. „Momentan nicht, nein.“

Die Männer tauschten einen Blick, dann entfernten sich zwei von ihnen mit fadenscheinigen Entschuldigungen.

„Habe ich etwas Falsches gesagt?“, fragte Kora die verbliebenen Ärzte.

„Nein, die wollen nur ihre Frauen nicht so lange allein lassen“, behauptete Sven, der sich unauffällig genähert hatte.

Kora blickte in die Runde der Mediziner und wusste nicht, was sie davon halten sollte. Dann aber nahm sie einen weiteren kräftigen Schluck von ihrem Cocktail und zuckte die Schultern. Männer waren manchmal eben seltsam, das war ja nichts Neues.

„Und wo hast du deine frisch Angetraute gelassen?“, wollte sie von Sven wissen.

Er sah sich suchend um und fand sie nicht sofort.

„Weit kann sie eigentlich nicht sein“, meinte er. „Ich glaube, sie möchte noch ihren zweiten Brautstrauß holen, damit sie ihn werfen kann.“

„Das sagst du mir erst jetzt?“, rief Kora vorwurfsvoll. „Ich muss hier weg, bevor der Irrsinn losgeht.“

 

Doch es war bereits zu spät. Kira hatte aus ihrem Hotelzimmer den extra angefertigten zweiten Brautstrauß geholt, um ihn nun in einem Event hinter sich zu werfen. Dazu wurden alle unverheirateten Frauen an den Rande der Tanzfläche gebeten. Kora suchte verzweifelt nach einem guten Versteckt und war schon drauf und dran, sich hinter dem Tresen zu verkriechen. Doch der Kellner warf ihr einen Blick zu, der diese Idee im Keim erstickte. Widerstrebend bewegte Kora sich ebenfalls zu der Gruppe wartender Frauen, die sich schon in Position gebracht hatte. Sie stellte sich direkt neben Katja und tauschte einen leicht gequälten Blick mit ihr.

„Ist doch eigentlich eine spaßige Sache“, flüsterte Katja.

„Stellt sich nur die Frage, spaßig für wen?“, gab Kora zurück.

Als Kira sich bereit für ihren Wurf machte, ging ein leichtes Drängeln durch die wartenden Frauen. Es gab anscheinend doch so einige, die sich mehr aus diesem Brauch machten, als sie zugeben würden. Andere wiederum machten kein Geheimnis daraus, dass sie den Strauß unbedingt fangen wollten.

„Fang ihn wenigstens, wenn er dir direkt ins Gesicht zu fliegen droht“, meinte eine Cousine von Kora aus der zweiten Reihe.

„Ich bin leider ganz schlecht in so etwas“, behauptete Kora und nahm die Arme hinter den Rücken.

Irgendjemand würde sich schon auf den Strauß stürzen, da war sie sich ziemlich sicher. Und so kam es glücklicherweise auch. Zwei Cousinen rissen sich praktisch darum, wer von ihnen die vermeintlich Auserwählte wäre. Die ältere von ihnen gewann, indem sie der anderen den Strauß mit einem beherzten Ruck aus der Hand riss. Mit einem skeptischen Blick fragte Kora sich, ob dies ein gutes Omen für eine kommende Hochzeit sein sollte. Diese Gedanken teilte die glückliche Fängerin jedoch nicht, sondern präsentierte ihrem Langzeitfreund den Strauß in aller Deutlichkeit. Sein Gesichtsausdruck ließ sich schwer deuten, doch so ganz schien er die Begeisterung nicht zu teilen, während alle Umstehenden schon jetzt gratulierend klatschten.

 

Froh darüber, dass dieser Kelch an ihr vorbeigezogen war, machte Kora es sich wieder auf einem der Barhocker bequem und beobachtete das bunte Treiben. Die Brautjungfern steckten genau wie sie selbst noch immer in den verdächtig nach Knallbonbons aussehenden Kleidern. Kira dagegen hatte sich für die Feier am Abend ein zweites Brautkleid-ebenfalls in rosa-bestellt. Auch diesen Irrsinn kannte sie aus amerikanischen Hochzeitssendungen. Kora sollte es recht sein, schließlich war das Kiras großer Tag. Es war ihre Hochzeit, also galten ihre Spielregeln und waren sie noch so absurd. Allerdings gab es wenige Tage, an denen Kira nicht der Meinung war, dass die Welt sich allein um sie drehte. Bei diesem Gedanken seufzte Kora und bestellte einen weiteren Cocktail.

 

„Bleibst du noch oder wollen wir uns ein Taxi teilen?“, fragte Tom sie so plötzlich, dass sie beinahe von ihrem Barhocker gefallen wäre.

Zugegebenermaßen hätte das auch ein Nebeneffekt des ein oder anderen Getränks sein können, das wollte sie gar nicht ausschließen. Trotzdem sah sie nun erstaunt auf die Uhr. Gar nicht so einfach zu erkennen, diese winzigen Ziffern.

„Es ist fast fünf Uhr“, erklärte Tom.

„Dann schließe ich mich euch an“, beschloss Kora und fragte dann: „Wem eigentlich?“

„Katja, meine Wenigkeit und ein Kollege von Sven“, antwortete Tom geduldig.

Im Kopf versuchte Kora nachzuzählen, ob sie nicht schon zu viele Leute für ein gewöhnliches Taxi waren. Da sie zu keinem eindeutigen Ergebnis kam, ließ sie es sein und nickte nur stumm. Sie suchte nach ihrer Schwester, die gerade von der Tanzfläche zu ihrem Sitzplatz schwankte.

„Kira, das war eine ganz zauberhafte Hochzeit“, verkündete sie und meinte es ernst. „Danke für die tolle Feier und viel Spaß noch.“

Kira umarmte sie fest und drückte sie ewig lange an sich.

„Danke“, sagte sie dann ebenfalls. „Und kommt gut nach Hause.“

Kora nickte, verabschiedete sich auch von ihrem Schwager und hielt sich an ihre Taxigemeinschaft, um den Moment der Abfahrt nicht zu verpassen. Sie hatte ihrer kleinen Schwester eine grandiose Hochzeit gewünscht und die war es auf jeden Fall geworden. Es war fast schon schade, dass es nun vorbei war. Irgendwie ging sie eindeutig zu selten auf derartige Feiern, überlegte sie. Es gab ja durchaus lustige Seiten daran, wenn man einmal von dem Wurf des Brautstraußes absah.

„Kommst du nun?“, wollte Tom wissen, als Kora nur verträumt das Taxi anstarrte, das vor ihnen zum Halten gekommen war.

„Na klar“, antwortete sie und schob sich auf die Rückbank neben Katja.

Dafür erntete sie zwar einen bösen Blick von ihrem besten Freund, aber das bemerkte sie kaum. Außerdem glaubte sie nicht, dass es eine gute Idee gewesen wäre, ausgerechnet Tom auf der Rückbank des Mercedes in die Mitte zu nehmen. Das gab seine Figur dann doch nicht her. Bei der Vorstellung musste Kora leise kichern, was jedoch niemand nachvollziehen konnte. Svens Kollege setzte sich auf den Beifahrersitz und besprach halbwegs nüchtern den Weg, den der Taxifahrer nehmen sollte, um sie alle der Reihe nach zu Hause abzusetzen.

 

„Wie uneigennützig von dir“, protestierte Kora, als der erste Halt ihrer Rundfahrt direkt vor dem Haus von Svens Kollegen lag.

„Es lag ja nun einmal direkt auf dem Weg“, sagte er ernst.

„Hier wohnst du?“, wollte Kora dann wissen und beugte sich vor.

Sie standen vor einem gepflegten Mehrfamilienhaus jüngeren Baujahres, das moderne Wohnungen versprach und ausgesprochen ruhig wirkte.

„Ja, wieso?“

„Na, weil du anscheinend erwartet wirst“, bemerkte Kora und deutete auf ein parkendes Auto.

„Ich glaube nicht, dass ich erwartet werde“, gab Svens Kollege unsicher zurück. „Wie kommst du denn darauf?“

„Hör nicht auf sie“, meinte Tom. „Sie hatte ein paar Cocktails zu viel.“

„Das stimmt zwar“, begann Kora. „Aber ich bin immer noch Polizistin und in dem Wagen dort brannte eben noch Licht. Außerdem sitzt jemand hinter dem Steuer und duckt sich.“

„Da geht wohl deine Berufsehre mit dir durch“, beruhigte Tom sie.

„Ich wüsste auch nicht, wer mich erwarten sollte“, lachte Svens Kollege. „Und schon gar nicht um diese Uhrzeit.“

Er verabschiedete sich von allen und stieg aus. Allerdings schlug er dann einen Weg ein, der ihn von dem verdächtigen Auto wegführte. Als wollte er ihm nun doch ausweichen. Kora seufzte genervt, weil Tom sie nicht ernst nahm, und lehnte sich an. Sollten die anderen sie doch für betrunken halten, sie wusste, was sie gesehen hatte. Im Schritttempo fuhr der Taxifahrer an dem geparkten Wagen vorbei, dann beschleunigte er sanft und sagte:

„Ihre Freundin ist vielleicht nicht mehr ganz nüchtern, aber da saß wirklich jemand hinter dem Steuer.“

II

„Wie war die Hochzeit?“, wollte Alexander Lowe wissen, als Kora am Montag in ihr gemeinsames Büro in der Polizeistation gestiefelt kam.

„Rosa und pink würde ich sagen“, grinste Kora zur Antwort.

„Das war wohl zu erwarten.“

Kora nickte und ließ sich wenig elegant auf ihren drehbaren Bürostuhl fallen. Ihr Kollege, der ein bisschen älter war, als sie selbst, reichte ihr eine Tasse Tee, die sie dankbar annahm. Dann betrachtete er mit einer hochgezogenen Augenbraue das Chaos auf ihrem Schreibtisch. Er brauchte nichts weiter zu sagen, denn sie wusste, dass er eine ganz andere Arbeitsweise hatte. Nicht ein einziges loses Blatt lag auf seinem Tisch. Es wäre Kora jedoch viel zu anstrengend gewesen, ständig die Unterlagen weg- und wieder herauszuräumen. So sah es zwar dramatisch aus, doch wenigstens hatte sie alles beisammen und konnte direkt starten.

„Erzähl doch mal wie es war“, forderte Alexander sie nun auf.

„Interessiert dich das wirklich?“, wunderte Kora sich.

Sie hatte ihren männlichen Kollegen nicht unbedingt mit den Details einer kitschig-romantischen Hochzeit belästigen wollen. Doch als er sich nun interessiert zu ihr über den Tisch beugte, musste sie grinsen. Er wollte also wirklich etwas hören. Das sollte er bekommen. Während Kora langsam die Unterlagen auf ihrem Schreibtisch durchging, berichtete sie von der Trauung, dem Essen, der Feier und allem, was Alexander Lowe wissen wollte. Dabei fiel ihr auf, dass es wirklich schön war, darüber zu reden. Es war tatsächlich eine fantastische Hochzeit gewesen.

„Sven und Kira haben auf jedes Detail so viel Wert gelegt“, berichtete Kora gerade. „Es war wunderschön.“

„Wann bist du nach Hause gefahren?“, fragte Alexander neugierig.

„Das weiß ich gar nicht mehr genau, es muss so gegen halb sechs gewesen sein“, rekonstruierte sie den Abend in Gedanken. „Ungefähr um fünf Uhr haben wir uns verabschiedet.“

„Wahnsinn, die ganze Nacht durchgefeiert“, grinste Alexander.

„Stimmt, alle haben lange durchgehalten“, lachte Kora.

Dann aber fiel ihr das seltsame Auto vor dem Haus von Svens Arbeitskollegen wieder ein und sie wurde nachdenklich.

„Ist alles in Ordnung?“, wollte Alexander wissen.

„Ja, nur eine Berufskrankheit“, murmelte sie und war sich nicht sicher, ob sie mit ihm darüber reden sollte. Nicht, dass sie ihm nicht vertraut hätte-sie wollte sich nur nicht blamieren. Vielleicht reagierte sie ja völlig über und es gab keinen Grund zur Sorge.

„Du hast etwas oder jemanden gesehen, der dir verdächtig vorkam?“, spekulierte Alexander und sah sie durchdringend an.

„Ertappt“, gestand sie und seufzte.

„Mach dich nicht verrückt, das passiert uns doch allen mal.“

„Schon, aber was macht man

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 22.10.2017
ISBN: 978-3-7438-3739-3

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