Ihr Name war Lotta und sie hatte die tollsten Kulleraugen, die ich in meinem ganzen Leben gesehen habe. Kein Wunder, denn Lotta war ein Seelöwe. Eine Seelöwenmädchen, um genau zu sein. Ich bekomme noch immer eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, denn wann hat man schon die Gelegenheit, einem solchen Tier so nahe zu kommen. Aber der Reihe nach…
Eigentlich bin ich kein großer Fan von Zoos. Abgesehen davon, dass sich dort gerade im Sommer definitiv zu viele Menschen auf zu wenig Raum herumtreiben, finde ich auch, dass die Tiere immer ein wenig apathisch wirken. Mir ist schon klar, dass wir den Zoos den Erhalt vieler Arten verdanken. Andererseits waren es meist auch wir Menschen, die die Arten überhaupt erst in Gefahr brachten. Und natürlich arbeiten die Pfleger hart, um den Tieren und ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. Trotzdem bleibt immer ein bitterer Beigeschmack.
Über mein Geburtstagsgeschenk, ein Rendezvous beim Lieblingstier, freute ich mich dennoch tierisch. Es dauerte auch nicht lange, bis klar war, welchen Zoobewohner ich besuchen wollte. Zur Auswahl standen eine Menge wundervoller Tiere. Doch irgendwie schlug mein Herz sofort für den Seelöwen. Auf einen wärmeren Termin im Sommer wollte ich gar nicht erst warten, daher buchten wir so schnell wie möglich das Rendezvous beim Seelöwen. Und wir hatten Glück, denn bald darauf war dieses Lieblingstier ausgebucht. Von nun an wurden Stunden und Minuten gezählt.
Die Idee, im März in den Zoo zu gehen, stellte sich als ausgesprochen clever heraus. Noch nie habe ich es so genossen, in aller Ruhe die Tiere zu beobachten. Die Wege waren frei und es schien, als wären auch die Zoobewohner etwas entspannter als sonst. Wir verbrachten Ewigkeiten bei den Nilpferden und Erdmännchen, ohne jemandem im Weg zu stehen. Doch dann endlich holte uns unser Scout zur privaten Führung ab. Wir erfuhren auf dem Weg zum Seelöwen viele spannende Hintergrundinformationen über die Zootiere. Trotzdem konnten wir es kaum abwarten, endlich dem Seelöwen zu begegnen. Dabei stellten wir uns schon die ganze Zeit die Frage, wie nahe wir ihm wohl kommen dürften.
Eine Tierpflegerin holte uns ab und führte uns hinter die Kulissen der Anlage für Seelöwen, Seebären und Kegelrobben. Allerdings konnte ich noch kein Tier entdecken. Die schwammen gerade noch im großen Becken herum. Wir bekamen Schutzfolien für die Schuhe und mussten durch ein Desinfektionsbecken stapfen. Dann betraten wir den Bereich, in dem die Gehege waren. Sie waren abgetrennt, damit jedes Tier seinen eigenen Bereich hatte. Ich hielt Ausschau nach den Tieren, doch sie waren noch immer draußen. Unsere Besichtigung ging weiter in das Trainingsbecken und wir erfuhren, wie mit den Tieren gearbeitet wird. Sie sind schließlich mit ihrer Show eine der großen Attraktionen im Sommer. Obwohl alles sehr interessant war, fragte ich mich, wann wir endlich dem Seelöwen begegnen würden. Ich kam mir vor, wie ein kleines Kind an Weihnachten.
Endlich wurde einer der Seelöwen in sein abgetrenntes Gehege gerufen. Durch die Gitter konnte ich ihn fast schon berühren-sie! Denn es war eine Dame namens Lotta, wie anfangs schon erwähnt. Lotta stellte sich aufrecht an die Gitter und ich war versucht, sie zu berühren. Als die Pflegerin uns darüber aufklärte, dass Seelöwen Raubtiere mit nicht unerheblich spitzen Zähnen wären, schwand meine Hoffnung darauf, dass wir Lotta einmal anfassen dürften. Vielleicht war es ja doch zu gefährlich?
Doch am Ende der Führung kam dann das Highlight. Lotta wurde zu uns auf den Trainingsbereich vor der Schwimmhalle gebracht. Sie watschelte an uns vorbei und war ganz aufgeregt. Mindestens ebenso aufgeregt war ich selbst. Auge in Auge mit dem wundervollen Seelöwen, das ist kaum in Worte zu fassen. Lotta wollte unbedingt zeigen, was sie konnte. Obwohl sie noch nicht lange in diesem Zoo war, hatte sie schon einige Kommandos gelernt. Dabei half als Belohnung der Fisch, assoziativ gekoppelt an einen Pfeifton. Allein das Aufstellen auf die hinteren Flossen fiel ihr noch etwas schwer. Doch obwohl sie dabei mehrfach unbeholfen umplumpste, probierte sie es tapfer immer wieder, und wurde dafür ausgiebig belohnt.
Dann durften wir uns endlich zu ihr knien. Als die Pflegerin uns den Weg deutete, winkte Lotta übermütig mit der Flosse. Eine Einlage, die sie selbst einbrachte. Wir knieten uns neben Lotta und sie schaute mich direkt aus ihren treuen Augen an. Auf ein Kommando hin gab sie mir kurz darauf sogar einen kalten Kuss auf die Wange. Nein, es roch nicht unangenehm nach Fisch. Es war nur kalt und dauerte ziemlich lange. Dann durfte ich sogar meinen Arm um Lotta legen, die sich interessiert umschaute. Sie kannte uns gar nicht und war kein bisschen ängstlich, sondern viel mehr neugierig. Sie wollte gar nicht mehr aufhören, Küsschen zu verteilen. Dabei sollte sie eigentlich schon ein anderes Kommando ausführen. Lotta kann winken, küssen, das Maul ganz weit aufreißen, sich aufrichten, und wahrscheinlich noch viel mehr.
Ganz entspannt legte sie sich vor uns und ließ sich am Bauch streicheln. Wir durften sie uns in aller Ruhe ansehen, dabei fiel uns vor allem, das dichte Fell auf. Es fühlte sich an, wie ein Neoprenanzug, dabei war es einfach nur nass. Um uns das zu demonstrieren, strich die Pflegerin das Fell gegen den Strich, doch das war fast unmöglich, so dicht war es. An den hinteren Flossen haben Seelöwen schwarze Fingernägel, die unseren sehr ähnlich sehen. Die Barthaare sind hell, genau wie ein kleiner Bereich über den Augen. Und tatsächlich sieht man an den Zähnen, dass Seelöwen Raubtiere sind. Besonders beeindruckend aber war es, wie Lotta ihren Belohnungsfisch verputzte. Wie ein Staubsauger-bezogen auf Geschwindigkeit und Geräusche-verputzte sie einen Berg Fisch. Wir waren beeindruckt, aber am schönsten waren definitiv Lottas Küsschen.
Ein wirklich eindrucksvolles Erlebnis, das unter die Haut geht, wenn man einem Seelöwen so nahe kommt. Gänsehaut garantiert.
Texte: Betty J. Viktoria
Bildmaterialien: Betty J. Viktoria
Tag der Veröffentlichung: 13.03.2017
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Lotta natürlich :)