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1. Kapitel

Aufgeregt lief Merle zwischen Flur, Wohnzimmer und Garten auf und ab. Bald mussten ihre Freunde kommen, die sie zu einer exklusiven Poolparty eingeladen hatte. Zusammen mit Wiebke wollte sie ihren dreizehnten Geburtstag nachfeiern. Im Gegensatz zu Wiebke, die fast zwei Wochen zuvor Geburtstag gehabt hatte, lag ihr Geburtstag bereits über zwei Monate zurück. Eigentlich hatte sie es sich vorgenommen, groß zu feiern, dass sie nun endlich zum Club der Teenager gehörte, aber ständig kamen irgendwelche Turniere, Tanzauftritte, Klassenarbeiten und zuletzt die vierwöchige Kalifornienrundreise mit ihren Eltern dazwischen. „Merle, der erste Gast ist da!“, hörte sie ihre Mutter rufen. Wie aus dem Nichts stand Ronja im Wohnzimmer. „Ronnie!“, jubelte Merle und fiel ihrer Freundin um den Hals und sagte, „Ich bin ganz überrascht, dass du eine ganze Stunde früher gekommen bist“ – „Ich habe mich zuhause mal wieder gelangweilt, meine Schwester ist nur noch bei ihrem Freund, meine Mutter muss mal wieder arbeiten, mein Bruder ist eh ständig außer Haus und ich habe keine große Lust, stundenlang bei Randy alleine im Stall rumzuhängen“, meinte ihre Freundin. „Komm, erstmal will ich dir unsere Partyarea zeigen“, zog Merle Ronja hinter sich her. „Seit wann bindest du englische Wörter in deinen Sprachgebrauch ein?“, lachte sie, „Ich dachte, du stehst mit Englisch auf Kriegsfuß“ – „Das kommt ganz von alleine, wenn man in Amerika unterwegs ist. Die Sprache ist eigentlich viel cooler, als unser staubiges Schulenglisch“, erklärte ihr Merle mit einer großen Selbstverständlichkeit. „Schade, ich würde auch so gerne ins Ausland reisen“, seufzte Ronja leise, „Es ist schon Jahre her, dass ich vor einmal in Dänemark war.“

 

Stolz zeigte Merle die geschmückte Terrasse und den Pool. „Der Pool ist so schön blau, dass man am liebsten sofort rein springen will!“, schwärmte Ronja, „Dann diese ganzen Palmen, Kakteen und anderen subtropischen Pflanzen!“ – „Da haben meine Eltern sehr viel Geld für den Gärtner gelassen“, schmunzelte Merle. „Jedenfalls fühle ich mich wie im Urlaub“, ließ sich Ronja auf einem der Liegestühle nieder. „Es kommt sogar Marlon, der uns Cocktails mixt und die Musik auflegt. Selbst Finley habe ich eingeladen, aber ich muss gucken, ob er überhaupt kommt. Er wusste nicht, ob seine Mutter es erlaubt“, fuhr Merle fort und wurde vor Vorfreude fast hibbelig. „Das wird bestimmt die coolste Poolparty seit Jahren“, strahlte Ronja und war sehr erleichtert, dass sich die Lustigen Hufeisen nach einer gefühlten Ewigkeit wieder sahen. „Könnt, ihr uns helfen?“, tauchte Merles Mutter auf. „Aber gewiss doch!“, war Ronja wieder ganz bei der Sache, nahm ihr die beiden Salatschalen aus der Hand und stellte sie auf einen langen Holztisch. Neben dem Gartenpavillon hatte Merles Vater seinen großen Smoker aufgestellt. „Dieser Grill sieht ja abenteuerlich aus!“, machte Ronja große Augen und betrachtete den großen Grill mit dem Schornstein und der zylinderförmigen Abdeckung genauer. „Das ist Papas größter Schatz und er wird gut darauf aufpassen, dass niemand sein Heiligtum anfasst“, grinste Merle. „Merle und Ronja, ihr könnt in der Küche das Baguette und das Fladenbrot schneiden“, wandte sich Merles Mutter an sie. „Wird gemacht!“, eilte Merle mit Ronja in die Küche. „Krass, ihr wollt wieder eine ganze Armee versorgen“, ließ Ronja den Blick über die Lebensmittel schweifen. „Normal!“, nickte Merle und machte sich an die Arbeit. „Hey!“, berührte sie jemand leicht an der Schulter. „Fin…“, blieb ihr fast die Sprache weg, als sie sich umdrehte und direkt vor Finley stand. „Ich durfte doch kommen“, lächelte er, „Meine Mutter will mich erst kurz nach Mitternacht wieder abholen.“ – „Das ist doch fantastisch!“, fiel sie ihm überschwänglich um den Hals. „Ich frage mich, warum ich die Klingel nicht höre“, wunderte sich Ronja. „Kein Wunder bei der Lautstärke eures Radios“, schmunzelte Finley, „Immerhin hat Merles Mutter mich gehört und mir die Tür geöffnet.“

 

Um sechs Uhr kamen Wiebke und Klara gleichzeitig. Merle fiel sofort auf, dass Klara sich ihre roten Haare auf Kinnlänge abgeschnitten hatte, und Wiebke einen bunten Wickelrock und eine Sonnenbrille mit großen runden Gläsern trug. „Hallo, schön, dass ihr da seid!“, umarmte sie die beiden Freundinnen. „Merle, du bist aber braun geworden“, fiel Klara auf. „Klar, in Kalifornien schien immer die Sonne“, lachte Merle. „Ich könnte mich Jahrhunderte lang in die Sonne legen und sähe dann eher aus, wie ein Hummer“, murmelte Wiebke, die neben ihr ganz bleich aussah. „Wo hast du deine Cousine gelassen?“, wollte Ronja wissen. „Isa ist mit ihrer Mutter zum Shoppen gefahren, aber sie müsste bestimmt bald kommen“, wusste Wiebke Bescheid. „Ich freue mich, heute meinen neuen Badeanzug einweihen zu dürfen“, raunte Ronja Wiebke zu. „Cool, ich habe auch einen Badeanzug, allerdings im Matrosenstyle“, zwinkerte ihr Wiebke zu. „Wartet, bis ihr meinen ultracoolen frechen Bikini aus LA zu sehen bekommt!“, grinste Merle und nahm die Pose eines Topmodels ein. „Merle, das sieht so merkwürdig bei dir aus“, kicherte Klara. „Ich bin schon gespannt, wie der Bikini bei dir aussieht“, mischte sich Finley. „Ha, das ist der Beweise, dass du auf sie stehst!“, platzte es vorlaut aus Wiebke heraus und sie zeigte direkt auf den Jungen. „Maaan Wiebke, manchmal bist du so peinlich!“, schnauzte Merle sie sofort an. „In dem Fall hat Wiebke sogar Recht“, gab Finley zu. „So, kommt einen Moment ohne mich aus“, verließ Merle mit einem hochroten Kopf die Küche.

 

Kurz nach sechs klingelte Isabelle gerade noch pünktlich. „Hab es gerade noch geschafft“, lächelte sie, als sie ihre Freundinnen zur Begrüßung umarmte. Inzwischen war Marlon auf der Terrasse, der die Musikanlage installierte. „Hi Isabelle!“, winkte er ihr zu, „Hattest du eine schöne Zeit in Dänemark?“ – „Aber hallo! Wiebke und ich haben lange Spaziergänge am Strand unternommen“, nickte sie. „Klar, das war der schönste Urlaub meines Lebens“, geriet Wiebke ins Schwärmen, „Wir waren mit unserer Familie in einem Ferienhaus und an einem Tag durften wir einen Ausritt am Meer machen“ – „Schön, dass ihr wenigstens tolle Ferien hattet“, sagte Ronja leise im Hintergrund. „Ich sag doch, wir sind die beste Familie seit langem!“, legte Isabelle den Arm um ihre Cousine. „Ich frage mich, wo Maxi bleibt?“, wurde Merle langsam unruhig. „Ich frage mich echt, ob sie vielleicht doch nicht kommt“ – „Natürlich kommt Maxi“, versicherte ihr Isabelle, „Sie muss nur noch eine Kleinigkeit vorbereiten.“ – „Was denn bitteschön für eine Kleinigkeit, wenn es gefühlte Jahre dauert“, rollte Klara leicht mit den Augen. „Ach ja, Geschenke haben wir auch noch“, überreichten die Mädchen kleine Pakete an Wiebke und Merle. „Danke, aber ich bin auch so wunschlos glücklich“, lächelte Merle. „Von mir bekommt ihr auch was“, überreichte Finley ihnen zwei Schlüsselanhänger mit bunten Einhörnern. Wiebke hielt ihren Schlüsselanhänger mit einem Strahlen in der Hand, während Merle zunächst skeptisch dreinschaute. „Ich hoffe es gefällt euch, ich wusste nicht, was ich euch schenken sollte“, fügte Finley leicht verunsichert hinzu. „Natürlich gefällt es mir“, nickte Merle und bedankte sich bei ihm. „Die ersten Würstchen und Steaks sind fertig“, rief Merles Vater. „Jippie, ich bin schon halb verhungert!“, jubelte Klara und stellte sich als erstes an. „Langsam könnte Maxi endlich kommen“, maulte Merle, die es hasste, wenn ihre Freunde ohne einen Grund zu spät kamen. „Sie schreibt mir gerade, dass sie vor der Haustür steht“, guckte Klara auf ihr Handy. „Der letzte Gast ist da!“, kam Merles Mutter mit Maxi auf die Terrasse. Jubelnd sprangen die Mädchen auf und umarmten sie von allen Seiten. „Keine Sorge, Maxi lässt euch nicht hängen“, lachte Maxi, „Meine Familie und ich haben nur an einer eiskalten Überraschung gearbeitet, aber die gibt es erst im Laufe des Abends.“ – „Magst du auch ein Hähnchenfilet?“, lud Merles Vater ein Stück Fleisch auf Maxis Teller. „Danke, ich bin echt hungrig“, bedankte sie sich.

 

Den Mädchen fiel auf, dass Maxi richtig braun gebrannt war. „Man sieht, dass du drei Wochen in Italien warst“, zwinkerte ihr Klara zu. „Und Shoppen warst du auch?“, sagte Merle mit einem Blick auf Maxis dunkelblaues Strandkleid und den edlen Riemchensandalen. „Klar, Italien ist nicht nur Land der Pizza und Pasta, sondern auch der Mode“, nickte ihre schwarzhaarige Freundin, die mal wieder perfekt gekleidet war. „Ich habe noch viel bessere Neuigkeiten!“, platzte es aus Klara heraus. „Mein Opa hat uns Montag in einer Woche zu sich auf den Hof eingeladen und daraus können wir perfekt einen Wanderritt machen.“ – „Wahnsinn, gibt es noch mehr dieser sensationellen News?“, explodierte Merle vor Freude und nahm Klaras Hände. Voller Freude hüpften sie eine Weile auf und ab. „So ein Wanderritt ist ein perfekter Ferienabschluss, findet ihr nicht auch?“, wandte sich Isabelle an die Freundinnen. „Aber sicher!“, nickte Merle so heftig, sodass sich ein paar ihrer weißblonden Haarsträhnen aus ihrer glitzernden Haarspange lösten. „Habt ihr Lust auf Musik?“, legte Marlon das erste Lied auf, nachdem die Freunde mit dem Essen fertig waren. Was für ein Wiedersehensfest! Isabelle, Wiebke und Maxi wirbelten muntern umher. Ronja hatte ihren Arm um Merle gelegt und Finley wippte zum Beat mit. „Wir müssen endlich in den Pool!“, drängte Klara. „Nachher, aber nicht mit vollem Magen“, lehnte Isabelle ab. „Wir können auch so viel Spaß haben!“, tanzte Ronja wild durch die Gegend. Fast schien es so, dass sie wieder nach langer Zeit richtig Spaß hatte. Merle schleppte inzwischen mit Wiebke einen großen Eimer mit dunkelrotem Inhalt herbei, während Maxi lange Strohhalme unter ihrem Arm trug. „Das ist unsere hausgemachte Sangria!“, verkündete Merle stolz. „Aber doch nicht mit Alkohol?!“, blieb Isabelle fast das Wort im Hals stecken. „Ach was, natürlich nicht!“, gickerte Merle los, „Das ist hauptsächlich Blutorangensaft, ein bisschen Pfirsich- und Maracujasaft drin“ – „Gut, dann können wir das ohne Bedenken trinken“, war Ronja sichtlich erleichtert. Zu acht setzten sie sich um den Cocktaileimer und schnappten sich die langen Strohhalme. Isabelle musste diesen Moment mit der Kamera ihres Handys festhalten. „Das ist hier ja eine richtige Beachparty wie auf Mallorca!“, lobte Maxi. „Aber eine Beachparty läuft nicht ohne eine wilde Wasserschlacht und lustige Poolspiele“, hatte Klara einzuwenden. „Das kommt auf jeden Fall noch“, konnte Merle sie beruhigen.

 

Als es später wurde, zogen sich die Mädchen im Gartenhaus um. „Gleich werden die Jungs Augen machen!“, präsentierte sich Maxi in einem schicken trägerlosen Designerbikini in Dunkelrot. „Finley hat vorhin schon gesagt, dass er unbedingt meinen Bikini sehen will“, zeigte Merle stolz ihren Bikini in Neonorange. „Diesen Bikini werde ich heute anziehen, den ich vorhin mit Mama gekauft habe“, zog Isa einen schlichten lilafarbenen Bikini an. „Ich komme mir fast wie auf einer Modenschau vor“, kommentierte Klara so trocken, dass Ronja zu kichern anfing. Als Mädchen wieder hervorkamen, warfen sich Finley und Marlon im Pool einen Wasserball zu. „Wir kommen!“, rief Isa und hüpfte kopfüber ins Becken. „Hey, du hast vollgespritzt!“, beschwerte sich Maxi. „Hab dich nicht so, gleich wirst du selbst nass“, schubste Klara sie, sodass sie ziemlich unelegant ins Wasser plumpsten. Ronja und Wiebke nahmen die Leiter, um ins Wasser zu gelangen. Zwischen den Jungs und den Lustigen Hufeisen entwickelte sich eine wilde Wasserschlacht. „Hey, nicht so wild!“, rief Merle, „Ihr wollt der Musikanlage keine Dusche verpassen.“ – „Ach was, wir haben schon darauf geachtet, dass wir genügend Abstand haben“, konnte Marlon sie beruhigen. „Lasst uns Wasserball spielen!“, schlug Isabelle vor, worauf Maxi und Ronja leicht die Gesichter verzogen. Marlon warf den Ball in die Luft, den Merle geschickt auffing und zu Klara spielte. „Für dich, Maxi!“, rief Klara. „Pass doch auf! Du hast meine Nase getroffen“, herrschte Maxi sie an. „Sorry, das wollte ich nicht“, entschuldigte sie sich.

 

Da es bereits August war, wurde es wieder schneller dunkler, und es kühlte sich rasch ab. Trotzdem blieben die Freunde lieber im Wasser und schwammen ein paar Bahnen, da es wärmer war, als an der Luft. Über ihren Köpfen spannten sich bunte Lichterketten, in den Baumwipfeln hingen runde Lampions und Merles Eltern hatten sämtliche Fackeln entzündet. „Was haltet ihr davon, wenn wir Wahrheit oder Pflicht spielen?“, hatte Wiebke die Idee. „Cool, an Land oder im Wasser?“, fragte Finley. „Ich würde sagen an Land und im Wasser“, wandte Merle ein. „Aber wir müssen trotzdem auf die Terrasse, wegen des Flaschendrehens“, meinte Marlon. „Hier, jeder nimmt sich ein Handtuch, damit keiner frieren muss“, teilte Merle weiße Badehandtücher aus, in die sie sich einwickelten. Da Wiebke zuletzt Geburtstag hatte, dufte sie als Erste die Flasche drehen. „Isa ist dran“, krähte sie. „Ich nehme Pflicht“, entschied Isabelle. „Hüpfe und turne wie ein Schimpanse durch den Garten und mache die passenden Geräusche dazu“, diktierte Wiebke die Aufgabe. „Weiter so, Isa, du bist ein toller Affe!“, spornte Maxi ihre beste Freundin lachend an. „Man könnte denken, sie wäre vom richtigen Affen gebissen worden!“, gickerte Klara. Als nächstes kam Maxi an die Reihe, die sich ganz schnell um ihre eigene Achse drehen musste und einige Schritte geradeaus laufen musste. Dies hatte zur Folge, dass sie seitwärts in den Pool platschte und das Gelächter ihrer Freunde erntete. „Haha, für euch das auch voll lustig“, stieg sie mit einem leicht bedröppelten Gesicht aus dem Pool. „Ist doch nur Spaß!“, klopfte ihr Marlon auf die Schulter. „Ich habe das Gefühl, dass heute Abend fast alle Pflicht nehmen“, fiel Ronja auf, die als eine der wenigen Wahrheit genommen hatte. „Es ist einfach lustiger“, sagte Klara dazu. Als nächstes zeigte der Flaschenhals auf Finley. „Küsse das Mädchen deiner Wahl“, teilte ihm Marlon mit einem breiten Grinsen die Aufgabe mit. „Jetzt kommt die Offenbahrung“, kicherte Wiebke ungebremst los. „Ehm…ja, wie wäre es mit dir, Merle!“, stammelte Finley leicht unbeholfen. „Ist das dein Ernst?“, wich Merle ein Stück zurück. „Komm, Merle, ran an den Mann!“, spornte Isa ihre Freundin an. „Ich habe eine Idee“, sprang Maxi auf und holte eine Packung mit Erdbeerschnüren herbei. „Davon steckt ihr euch jeweils ein Ende in den Mund und esst, bis ihr euch küsst“, spann Klara den Faden weiter.

 

Zögerlich steckten die beiden sich die Enden des Erdbeerschnürchens in den Mund und begannen langsam zu essen, während ihre Freunde sie lautstark anfeuerten. Obwohl es schon dunkel war, bekamen alle Anwesenden mit, dass Merle einen puterroten Kopf hatte. „Gleich berühren sich ihre Lippen!“, fieberte Klara dem entscheidenden Moment entgegen. Finleys und Merles Lippen berührten sich nur ganz kurz. Trotzdem wurde gejauchzt und begeistert applaudiert. „Wie war dein erster Kuss?“, wurde Maxi neugierig. „Gar nicht so schlimm“, erwiderte Merle, „Trotzdem ein bisschen ungewohnt.“ – „Das können wir gerne wiederholen“, lächelte Finley sie an. „Heute Abend nicht“, lehnte sie ab, „Vielleicht ein anderes Mal.“ – „Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass aus ihnen ein Paar wird“, raunte Maxi den anderen Lustigen Hufeisen im Hintergrund zu. „Du könntest Recht haben, sie haben die gleichen Interessen und sind auf der gleichen Wellenlänge“, pflichtete ihr Ronja bei. „Maxi, hast du nicht noch eine Überraschung für uns?“, fiel Wiebke ein. „Oh stimmt, danke, dass du mich daran erinnerst“, nickte sie, „Erstmal sollten wir uns wieder umziehen, denn in Badezeug können wir hier schlecht auf der Terrasse sitzen und etwas essen, ohne selbst zu Eiszapfen zu mutieren.“

 

Maxi und Merle verschwanden kurz im Haus. „Hoffentlich kommt meine Mutter nicht jede Minute“, sah Finley auf seine Uhr, „Ich will noch etwas von der Überraschung abhaben.“ Kurz darauf platzierten Maxi und Merle eine wunderschöne Eistorte mit brennenden Wunderkerzen und Kuchenfontänen auf dem großen Gartentisch. „Auf Merle und Wiebke!“, hob Finley sein Glas, das er mit Orangensaft gefüllt hatte und stieß mit den anderen an. „Du kannst von mir aus den Kuchen anschneiden“, reichte Merle Wiebke das Messer, die damit die Eistorte in viele kleine Stücke zerteilte. Finley bekam als erstes sein Stück, da sie wussten, dass er bald abgeholt wurde. Gerade als er angefangen hatte zu essen, stand seine Mutter neben ihm. „Es ist zu Zeit zu gehen, mein Sohn“, sagte sie affektiert. „Aber nicht, bevor ich nicht aufgegessen habe“, konterte er. „Wollen Sie auch ein Stück von der Eistorte, Frau Martens?“, bot Merle ihr höflich an. „Danke, aber nur ein kleines Stück“, erwiderte Finleys Mutter und ließ sich von Maxi ein kleines Stückchen auftun. „Wer hat denn hier Geburtstag?“, fragte sie. „Merle hatte schon im Juni Geburtstag und Wiebke erst vor kurzem“, erwiderte Isabelle. „Die Eistorte ist wirklich köstlich“, lobte Finleys Mutter, „Da sind leider nur die vielen Kalorien, bei denen man aufpassen muss.“ Finley verdrehte bei den Schwärmereien seiner Mutter die Augen und verabschiedete sich mit Handschlag von den Mädchen und Marlon. „Vielen Dank, dass du gekommen bist, das war ein toller Abend!“, rief ihm Merle nach.

 

2. Kapitel

 

Klara hatte sich ihren Wecker am Montagmorgen bereits auf sechs Uhr gestellt, obwohl sie noch Ferien hatte. Mit einem Schlag fiel ihr ein, dass der Wanderritt zu Opa Henry bevorstand. Als sie das Rollo hochzog, kitzelten die ersten Sonnenstrahlen ihre Nase. Hellwach suchte sie ihre Anziehsachen zusammen und begann ihre Haare zu kämmen. „Sommer, Sonne, Sonnenschein!“, hüpfte sie gut gelaunt durch den Flur. „Was ist in dich gefahren?“, öffnete ihr großer Bruder die Zimmertür und machte ein düsteres Gesicht. „Ach nichts, heute ist nur ein schöner Tag“, strahlte Klara. „Ist das ein Grund, um so viel Trara zu machen und alle anderen zu wecken?“, murrte er und schloss die Tür hinter sich. Klaras guter Laune konnte das nichts anhaben, pfeifend betrat sie die Küche, wo ihre Mutter bereits zugange war. „Guten Morgen, Süße, ich habe gerade Merles Mutter angerufen“, wurde sie von ihrer Mutter begrüßt. „Wieso das? Ist Merle krank?“, machte Klara mit einem Mal ein besorgtes Gesicht. „Nein, aber ihre Mutter wird mit mir das Gepäck zu Opa Henrys Hof fahren. Ich kann schlecht alleine das Gepäck von sechs Mädchen fahren, zumal ihr alle eure Schlafsäcke dabei habt, da ihr auf dem Heuboden übernachten wollt“, erwiderte sie. „Dein Vater hat sich mal wieder geweigert und ist mit zwei Kumpels zum Golf spielen abgedampft.“ – „Typisch Papa, er denkt wirklich nur an sich!“, verdrehte Klara die Augen und beschmierte sich ein Brot mit Nutella.

 

Plötzlich klingelte es an ihrer Wohnungstür und Ronja stand im Flur. „Einen schönen guten Morgen“, wünschte Ronja ihnen, die ebenfalls so gute Laune wie Klara hatte. Klara fiel auf, dass sie eine große Tasche bei sich trug. „Die Tasche nimmt Mama nachher im Auto mit“, nahm Klara ihr die Tasche ab. „Da Ronja jetzt auch da ist, können wir gleich losfahren“, meinte Klaras Mutter, die sich die Schuhe anzog. „Ich freu mich schon so!“, hakte sich Klara auf dem Weg zum Auto bei ihrer Freundin ein.

 

Eine Stunde später saßen die Mädchen schon auf dem Rücken ihrer Pferde. Es war immer noch sehr früh. Noch hingen Tautropfen in den Gräsern und es waren nur vereinzelt Leute mit ihren Hunden unterwegs. Isabelle führte die kleine Reitgruppe an, neben ihr ritt ausnahmsweise Klara und nicht Maxi oder Merle. „Ist der Morgen nicht wunderschön!“, geriet Wiebke ins Schwärmen. „Oh ja, wie von einem Künstler gemalt“, stimmte ihr Maxi zu. „Leider ist es einer unserer letzten Ferientage.“ – „Leider“, nickte Merle leicht bedröppelt. „Bald geht der ganze Stress von neuem los und meine Eltern verlangen, dass ich meinen Schnitt verbessere.“ – „Was sollst du denn bitteschön noch verbessern?“, sah Wiebke sie ungläubig an. „Tja, sie wollen weniger Dreien und keine Vieren auf den Zeugnissen sehen“, erwiderte Merle. „Ich verbitte mir solche Gesprächsthemen an Ort und Stelle. Wir wollen uns noch ein paar schöne letzte Ferientage machen“, mischte sich Isabelle ein. „Wie wäre es mit einem gemütlichen Trab zum Wecken der Lebensgeister?“ – „Da bin ich sofort dabei?“, strahlten Maxis dunklen Augen vor Begeisterung. Fabella, ihre goldene Araberstute, beschleunigte von alleine und setzte sich an die Spitze. „Halt dein Pferd mal zurück, Maxi!“, forderte Isabelle, die ganz allein die Richtung vorgeben wollte, und holte ihre beste Freundin ein. Nach und nach ließen die Lustigen Hufeisen ihre Pferde antraben und ritten den schmalen Pfad der Feldmark entlang, der links und rechts von Kopfweiden gesäumt wurde. Leichttraben war mit den Rucksäcken kein großer Luxus, sodass Ronja und Wiebke ihre Ponys ziemlich schnell wieder zum Schritt durchparierten. Glücklicherweise warteten ihre Freundinnen an der nächsten großen Eiche. „Da kommen unsere beiden Ponyreiterinnen, die sich gerne länger Zeit lassen“, konnte sich Merle einen Kommentar verkneifen. „Da vorne ist die Spottdrossel, die ihren Mund nicht halten kann“, gab Wiebke genauso frech zurück. „Du hast offenbar auch nicht gelernt, dich zurück zu nehmen, Wiebke!“, feuerte Merle zurück. „Du hast doch angefangen“, zuckte Wiebke mit den Schultern. „Timeout, Mädels, bloß keinen Zoff bei unserem ersten richtigen Wanderritt!“, ging Maxi dazwischen, die mit einem breiten Grinsen die Reibereien ihre Freundinnen beobachtet hatte. „Ach was, wir zoffen uns doch nicht“, sah Wiebke sie an. „Das ist nur die normale Kommunikation zwischen mir und Merle.“ – „Trotzdem könntet ihr manchmal ein bisschen zimperlicher miteinander umgehen“, hatte Ronja einzuwenden. Kurz darauf bog die Pferdebande in ein Waldstück ab. „Hier unter den hohen Tannen ist es viel erträglicher“, fand Isabelle. „Oh ja, es wird heute bestimmt noch ein sehr warmer Tag“, nickte Klara. „Das kommt mir sehr entgegen“, lächelte Maxi, die unter ihren Freundinnen die Sonnenanbeterin schlechthin war. „Wollen wir einen Moment stehen bleiben?“, bat Ronja. „Seht ihr diesen geheimnisvollen Tümpel?“ – „Stimmt, den habe ich in diesem grünlichen Licht fast übersehen“, murmelte Wiebke. Die Mädchen ritten ein Stückchen näher an den See heran. Schillernde grünblaue Libellen schwebten über dem leicht modrigen Wasser, Wasserrosen schwammen auf der Wasseroberfläche und vereinzelt stahlen sich ein paar Sonnenstrahlen durch das Blätterdach. „Sieht fast wie im Märchenbuch aus, hier könnte im Dunklen ein Elfentanz stattfinden“, fand Maxi und machte ein paar Fotos. „Ich will da am liebsten durchreiten“, sah Wiebke begeistert aus. „Bist du verrückt!“, fuhr Isa ihre Cousine ein. „Du kannst mit deinem Pferd darin versinken und außerdem sind in diesem Tümpel bestimmt viele Schlingpflanzen drin, die sich um Alaskas Beine wickeln könnten. Lass sowas Gefährliches bitte sein!“

 

Nach zwei Stunden hatten die Mädchen richtig Hunger. Isabelle konnte einen guten Rastplatz ausfindig machen. Gut gelaunt ließen sich die Bandenmädchen an einem Picknicktisch mit zwei Bänken nieder, ihre Pferde hielten sie am langen Zügel. „Oh nein, ich habe meinen Proviantrucksack vergessen, ich bin so ein Dummkopf“, stöhnte Klara auf und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. „Keine Panik, wir haben genug dabei und Ronnie hat sowieso an uns alle gedacht“, konnte Maxi sie beruhigen. „Hier, du kriegst eine große Flasche Zitronenlimonade von mir“, stellte ihr Merle eine Limonadenflasche vor ihr hin. Nun begann Ronja mit dem Auftischen. Sie stellte Melonenspalten mit Schinken, Buletten, Kartoffelsalat und Pizzaschnecken auf dem Tisch. Isabelle hatte noch ein paar Sandwichs anzubieten, während Wiebke ihren Zitronenkuchen mit dem leckeren Zuckerguss pries und Merle ebenfalls noch viele Leckereien in petto hatte. Maxi verteilte hingegen Schokoriegel und Kaugummi an ihre Freundinnen. „Ich komme mir irgendwie blöd vor“, seufzte Klara leise. „Ich nehme nur, aber ich gebe nichts.“ – „Kein Ding, wir teilen untereinander wie Schwestern“, legte Isa ihr den Arm um die Schulter. „Und du hast uns doch im Bandenquartier Waffeln gebacken, stimmt’s“, stieß Merle sie an und nahm sich eine Bulette. Hungrig langten die Mädchen ordentlich zu. „Wenigstens haben wir gleich weniger Gewicht auf unserem Rücken“, stellte Wiebke grinsend fest. „Und satt sind wir auch“, murmelte Maxi, die vom Essen ganz müde geworden war. Isabelle hielt die Erinnerungen mit ihrem Handy fest und schoss noch ein paar Bilder. Merle starrte ebenfalls die ganze Zeit auf ihr IPhone. „Na, mit wem mit chattest du?“, beugte sich Klara über ihre Schulter. „Mit Finley“, murmelte sie. „Er scheint etwas traurig zu sein, dass er nicht dabei ist und er scheint mich jetzt schon zu vermissen.“ – „Der Arme, er scheint sein Herz an dich verloren zu haben. Bestell bitte ganz liebe Grüße von uns allen“, mischte sich Maxi ein und formte mit ihren Händen ein Herz. „Werde ich machen, er fehlt mir auch ein bisschen“, nickte Merle und war wieder am Tippen. „Ha, wir haben dich erwischt, du liebesblindes Huhn!“, neckte Klara ihre beste Freundin. „Sag das noch einmal!“, hob Merle drohend ihren Zeigefinger und kurz darauf lagen die beiden Mädchen kabbelnd im Gras. „Ihr seht so süß aus, wenn ihr miteinander kämpft“, giggelte Isabelle im Hintergrund.

 

Nach etwas mehr als einer Stunde Pause setzte sich die Karawane wieder in Bewegung. Mittlerweile war der Weg so schmal, dass die Mädchen noch nicht einmal zu zweit nebeneinander reiten konnten. Zur Merles Freude tauchte eine große freie Wiese auf. „Wie wäre es mit ein wenig Abwechselung?“, schlug Klara vor. „Am besten Galopp!“, frohlockte Merle. „Wollt ihr mit dem ganzen Gepäck galoppieren?“, zog Maxi die Stirn kraus. „Warum nicht? So kommen wir ein bisschen schneller vorwärts“, meinte Isabelle, „Ich brauche etwas kühlenden Wind.“ Merle und Isabelle galoppierten mit ihren Pferden an. Klara schoss ihnen auf Nandu hinterher. Maxi ließ ihre elegante, aber auch nervöse Araberstute ebenfalls angaloppieren, nachdem diese die ganze Zeit herumtänzelte, und schaffte es ihre Freundinnen einzuholen. Ronja und Wiebke trabten noch ein Stück, während sie sich dabei unterhielten und galoppierten nur ein kurzes Stück. Nach der Wiese kam wieder ein Waldstückchen. „Ich bin für jeden Meter Schatten dankbar“, lehnte sich Isabelle kurz zurück. „Ich bin echt beeindruckt, dass ihr so genau wisst, wo es überhaupt lang geht“, sagte Wiebke nach einer Weile. „Klar, Isa und ich haben Nachmittage lang den Weg einstudiert und ich bin schon mit Mama den Weg mit dem Fahrrad abgefahren“, erklärte ihr Klara, die sich zu ihr umgedreht hatte. „Langsam sehne ich mich nach einer Hängematte“, gähnte Maxi kurz. „Was? Maxi, wie kann es dein Ernst sein, dass du jetzt schon müde bist?“, lachte Merle auf. „Müde bin ich eigentlich nicht, aber mir reicht es langsam, mein Hintern fängt an weh zu tun“, erwiderte ihre Freundin. „Dem kann ich nur zustimmen, ich werde k.o. sein, wenn wir überhaupt noch mal ankommen sollten“, pflichtete ihr Wiebke bei. „So lange ist auch nicht mehr hin“, hatte Klara einzuwenden. Nach einigen hundert Metern war das Waldstück zuende und die Mädchen kamen an unzähligen Koppeln und an bereits zum Teil abgeernteten Feldern vorbei. „Schon fast vier Stunden unterwegs und dabei soll der Hof von Opa Henry gar nicht weit weg liegen“, sah Isabelle auf ihre Uhr. „Stimmt, mit dem Auto geht es viel schneller“, nickte Maxi. „Aber hätten uns unsere Eltern mit ihren Autos zu Klaras Opa gebracht, hätten wir auf dem Weg dahin längst nicht so viel Spaß gehabt.“ – „Da kann ich Maxi nur Recht geben, wir sollten wirklich jede Minute mit unseren Pferden verbringen, zumal wir bald wieder zur Schule gehen müssen und wir noch nicht mal halb so viel freie Zeit haben“, meldete sich Ronja zu Wort. Bis auf weiteres wurde wenig geredet, stattdessen lauschten die Freundinnen dem Vogelgezwitscher und dem Zirpen der Grillen.

 

„Hey, dahinten ist Opa Henrys Hof!“, rief Klara plötzlich. „Meinst du das kleine Gehöft zwischen den Tannen?“, fragte Wiebke. „Genau das“, nickte Klara. „Juhuu, wir sind bald da!“, jubelte Maxi und warf ihren Freundinnen einen siegesgewissen Blick zu. „Ja, wir haben es geschafft!“, verkündete Wiebke freudig. „Ein paar Meter sind es aber noch“, bremste Isabelle die Euphorie ein wenig. „Opa wird sich bestimmt freuen, wenn er uns sieht“, strahlte Klara.

3. Kapitel

 

Als er das Getrappel der Pferde auf seinem Hof hörte, eilte Opa Henry aus dem Haus, um die Mädchen zu begrüßen. „Schön, dass ihr da seid!“, rief er und ließ sie erst einmal absteigen. Dann umarmte er zunächst seine Enkelin Klara, bevor er den anderen Mädchen die Hand gab. Sie nannten ihm alle ihre Namen, doch er murmelte: „So viele auf einmal.“ Allerdings fiel es ihm nicht so schwer, sich die Pferde einzuprägen. Besonders fasziniert war er von Klaras Pony Nandu. Aber auch für Wiebkes Reitbeteiligung Alaska fand er lobende Worte. Maxi guckte ein bisschen beleidigt, obwohl sie genau wusste, dass Opa Henry selbst ein erfolgreicher Ponyzüchter gewesen war. Trotzdem war sie es nicht gewohnt, dass die Ponys mehr Aufmerksamkeit bekamen, als ihr Shagya-Araber. „Ich hoffe, ihr seid mir nicht böse, aber ich habe es noch nicht geschafft, die Boxen vorzubereiten“, gestand Opa Henry jetzt. Erschrocken sahen die Mädchen ihn an. „Macht keine langen Gesichter, stellt sie erst einmal auf die Wiese“, ordnete er an. „Ich habe vorhin extra noch einen Elektrozaun neu aufgebaut mit Klaras Mutter.“ Die Lustigen Hufeisen führten ihre Pferde auf eine riesige Weide, die nicht nur mit einem Elektrozaun, sondern auch noch einem Holzzaun gesichert war. Dann schleppten sie ihr Sattelzeug in den alten verlassenen Stall. Opa Henry zeigte ihnen eine abschließbare Sattelkammer, in der sogar noch ein wenig alte Ausrüstung hing. Staunend betrachtete Klara die Bilder an der Wand der Sattelkammer. Stolz posierte ihr Opa darauf mit wunderschönen Ponys, die ausgezeichnet worden waren. „Und was machen wir jetzt wegen der Boxen?“, wollte Isabelle wissen. „Geht gleich los, aber erst einmal bringt ihr eure restlichen Rucksäcke ins Haus“, verkündete Opa Henry. Mit gemischten Gefühlen folgten die Mädchen ihm. Er wirkte nicht gerade gut vorbereitet. „Sollten wir nicht unser Lager auf dem Heuboden aufschlagen?“, fragte Wiebke vorsichtig nach. „Eins nach dem anderen“, meinte Opa Henry und griff nach seinem Hut, während die Mädchen ihre Rucksäcke zu ihren Reisetaschen und Schlafsäcken legten, die Klaras und Merles Mutter in Opa Henrys Wohnzimmer abgestellt hatten.

 

„Wir besorgen jetzt erst einmal Stroh für die Boxen eurer Pferde“, erklärte Opa Henry und führte die Mädchen quer über den Hof. Mit aller Kraft schob er ein Scheunentor auf. „Du hast noch einen alten Trecker“, staunte Klara begeistert. „Natürlich“, entgegnete ihr Opa. „Er ist alt, aber völlig in Ordnung. Damit werden wir das Stroh holen.“ Merle warf Maxi einen fragenden Blick zu. „Kommt schon, Mädels, nicht so schüchtern!“, rief Opa Henry und betrat die Scheune. „Da passen wir doch nie alle rein“, protestierte Wiebke. „Ab auf den Anhänger!“, befahl Klaras Opa. „Ist das denn sicher?“, wollte Ronja leise von ihren Freundinnen wissen. „Ich fahre schon vorsichtig“, beruhigte Opa Henry sie, der es trotzdem gehört hatte. „Kommt schon!“, forderte Klara die anderen auf und machte den Anfang. Sie stieg über ein Trittbrett auf den klapperigen Anhänger mit Holzwänden, der an den alten Trecker gespannt war. Opa Henry setzte sich ans Steuer und ließ den lauten Motor an, während die Lustigen Hufeisen der Reihe nach auf den Anhänger kletterten. „Das ist aber ziemlich abenteuerlich“, rief Maxi gegen den Krach an, als das Gespann sich in Bewegung setzte. „Haltet euch gut fest!“, brüllte Opa Henry und bog langsam vom Hof ab. „Ich bin mir nicht mal sicher, ob das erlaubt ist“, sagte Merle mit besorgtem Blick. „Meine Mutter würde es nicht erlauben“, lachte Klara auf und meinte dann: „Ist doch egal, es macht Spaß!“ Da stimmten die anderen ihr zu und krallten sich trotzdem gut fest. Der Trecker tuckerte gemächlich durch den Ort und die Fahrer der Autos, die sich hinter ihm einreihten, machten ungläubige Gesichter, als sie die Mädchen auf dem Anhänger entdeckten. „Das macht wirklich Spaß!“, rief Wiebke übermütig und winkte den Autofahrern, wenn sie zum Überholen ansetzten. „Halt dich lieber fest“, riet ihre Cousine Isa ihr besorgt. „Ja, Mama“, sagte Wiebke spöttisch und streckte ihr die Zunge raus. Isabelle schüttelte lachend den Kopf. Die Fahrt dauerte gar nicht lange. Am anderen Ende des Ortes bog Opa Henry besonders langsam auf einen anderen Hof und kam dort zum Stehen. Mit zitternden Beinen aber strahlendem Lächeln stiegen die Lustigen Hufeisen vom Anhänger.

 

„Wen hast du denn da mitgebracht?“, wollte ein Mann in Latzhose wissen, der gerade aus dem Haus kam. „Meine Enkelin und ihre Freundinnen“, erklärte Opa Henry stolz. „Ich hab doch gesagt, dass ich Stroh brauche.“ – „Und ich dachte schon, du möchtest doch noch mal unter die Züchter gehen“, lächelte der Mann und begrüßte dann die Lustigen Hufeisen. „Ich hole das Stroh gleich und lade es auf“, sagte er dann und verschwand. Wiebke sah sich neugierig um. Sie mochte die Atmosphäre, die alte aber belebte Bauernhäuser verbreiteten. Sie wunderte sich kurz, als sie drei Jungen in ihrem Alter entdeckte, die am Rande des Hauses herumlungerten. Dann nickte sie ihnen freundlich zu. Die Jungs erwiderten den Gruß und verschwanden. Wiebke wandte sich wieder ihren Freundinnen zu, die davon nichts bemerkt hatten. Maxi sah nicht gerade begeistert von der vielen Arbeit aus, die noch auf sie zukommen sollte. Aber Klara ging voll in ihrer Rolle auf. Opa Henry zeigte ihr, wie sie den Trecker fahren konnte. Stolz thronte Klara auf dem Fahrersitz und drehte eine Runde auf dem Hof, während ihre Freundinnen verblüfft zusahen. Dann stellte sie den Trecker wieder ab, damit das Stroh aufgeladen werden konnte. „Du bist ja ein Naturtalent, was?“, wollte Isabelle von ihr wissen. „Das macht auf jeden Fall Spaß“, strahlte Klara. „Du sahst super aus“, fand auch Merle und war ein wenig neidisch. „Ob ich den Trecker auch mal fahren darf?“ – „Ganz bestimmt“, meinte Klara enthusiastisch. „Wie viele Pferde hast du denn jetzt auf deinem Hof?“, wollte der Mann von Opa Henry wissen, um zu sehen, wie viel Stroh er brauchte. „So viele Pferde, wie Mädchen“, antwortete der. „Also sechs?!“, stellte der Mann fest und fuhr mit seinem kleinen Hoflader noch einmal los.

„Passt ihr da noch alle drauf?“, wollte Opa Henry von den Mädchen wissen, als alles Stroh aufgeladen war. Ronja runzelte die Stirn. Ihr hatte die Hinfahrt schon nicht besonders gut gefallen. Sie war allgemein eher ein ängstlicher Typ. Als hätte er es geahnt, deutete Opa Henry auf sie und Maxi und sagte: „Ihr Beide sitzt vorne bei mir.“ Erleichtert nahmen die Beiden auf den kleinen Sitzplätzen neben dem Fahrersitz Platz. Auch hier griff Ronja sich fest an die Halterungen. Sie konnte nicht verstehen, wie die anderen kichernd auf dem Anhänger saßen, und noch den Leuten winkten. „Wir müssen aussehen, wie vom Zirkus“, lachte Merle, als sie den Rückweg antraten. „Dann zeig doch mal eine der Voltigierübungen, die wir gelernt haben!“, forderte Wiebke sie auf. „Nein, bitte nicht!“, bremste Klara sie. „War doch nur ein Witz“, beruhigte Wiebke sie. Trotzdem streckte Merle ihr Bein elegant in die Luft und zog ein vornehmes Gesicht, als würde sie auf einem Pferd turnen. „Sehr gut, weiter so!“, feuerte Isabelle sie lachend an. Sie bekam schon langsam Muskelkater im Bauch, so viel alberten sie herum.

 

Zurück auf dem Hof holte auch Opa Henry seinen Lader aus dem Geräteschuppen und lud das Stroh ab. „Ich habe ein bisschen Kraftfutter besorgt und genug Heu liefern lassen“, erklärte er, als er das Stroh in den Stall brachte. „An der Wand stehen Forken“, fuhr er fort, als die Mädchen etwas hilflos herumstanden. Nacheinander nahmen sie sich die Forken und teilten das Stroh auf. „Das habt ihr noch nicht oft gemacht, was?“, stichelte Klaras Opa. „Genau genommen noch nie“, gestand Merle und kam sich etwas unfähig vor. Mit schnellen und geübten Bewegungen zeigte Opa Henry den Mädchen, wie sie das Stroh aus dem Ballen in die Boxen schieben konnten. Als sie fertig waren, waren sie völlig erschöpft. „Wollt ihr euch ein wenig stärken, bevor ihr euer Lager aufschlagt?“, fragte Klaras Opa sie, als er die Reste des Strohs von der Stallgasse fegte. „Das wäre wunderbar“, seufzte Isabelle und lehnte sich an die Wand. Gemeinsam betraten sie das Haus.

 

„Das sieht ja aus“, murmelte Wiebke, als sie ihr ganzes Zeug im Wohnzimmer liegen sah. „Setzt euch mal“, schlug Opa Henry vor und deutete auf den großen und massiven Holztisch, der in der Wohndiele stand. „Hier war schon lange nicht mehr so viel los“, freute er sich dann. Ronja und Klara packten die Reste ihres Proviants aus und stellten sie auf den Tisch. Merle half Opa Henry, Brot und Wurst aus der Küche zu holen, während Maxi eine große Kanne Tee kochte. Bald saßen sie alle zusammen und stärkten sich ordentlich. Nach dem langen Ritt und dem Einstreuen der Boxen waren die Mädchen schon ziemlich kaputt. Außerdem hatten sie vor Aufregung gar nicht lange geschlafen und waren zudem früh aufgestanden. „Und ihr wollt wirklich auf dem Heuboden schlafen?“, wollte Opa Henry wissen, während er die Sandwiches der Lustigen Hufeisen probierte. „Ja, das ist bestimmt total gemütlich“, schwärmte Wiebke. „Wenn ihr meint“, lachte er und war begeistert von dem Essen, das die Mädchen mitgebracht hatten. „Aber falls ihr es euch anders überlegt, dann steht hier praktisch das halbe Haus leer“, sagte er schulterzuckend. Dann gab er Klara einen Hausschlüssel, damit sie jederzeit hineinkommen konnten. „Allein schon, weil es da draußen kein Badezimmer gibt“, grinste er zur Erklärung.

 

Nach ihrer Stärkung hätten sich die Lustigen Hufeisen am Liebsten ein kleines Schläfchen gegönnt, aber zunächst mussten sie ihre Schlafsachen auf den Heuboden bringen. Opa Henry zeigte ihnen eine schmale Leiter, die mit morschen Stufen in die Höhe führte. „Ist das denn sicher?“, wollte Ronja mit großen Augen wissen. „Das letzte Mal, als ich hochgegangen bin, schon“, meinte Opa Henry. „Und wann war das?“, fragte Maxi skeptisch. „Irgendwann in den achtziger Jahren.“ –„Was?“, rief Ronja panisch. „Das war ein Witz, ich war gestern erst dort oben und habe die letzten Mausefallen eingesammelt“, erklärte der Mann kichernd. „Mausefallen?“, hakte Merle nach. „Hoch jetzt, bevor ihr es euch anders überlegt!“, befahl Klara. „Nach Ihnen, Mademoiselle“, sagte Isabelle und deutete auf die Leiter. „Gerne, ihr Angsthasen“, erwiderte Klara und stieg energisch die Leiter hinauf. Nacheinander folgten ihre Freundinnen ihr. „Schön gemütlich?“, wollte Opa Henry von unten wissen. „Naja“, begann Merle, wurde jedoch von Wiebke unterbrochen: „Auf jeden Fall, danke!“

 

„Jetzt stellt euch mal nicht so an“, meinte Wiebke und breitete ihren Schlafsack neben Ronjas aus. „So sieht ein Heuboden nun mal aus.“ – „Es riecht aber schon etwas muffig“, murmelte Maxi. „Das ist ja wohl kein Wunder, wir sind hier in einem Stall“, erinnerte Klara sie. Schulterzuckend kapitulierten Maxi und Merle. Dicht bei ihren Freundinnen richteten sie ihre Schlafplätze her. „Hoffentlich wird mein Lieblingskissen nicht dreckig“, jammerte Maxi, verstummte aber nach einem bösen Blick von Klara. „Seht mal hier!“, rief Wibke plötzlich und die Lustigen Hufeisen folgten ihrer Stimme durch das Gebälk des Dachbodens. „Hier ist ein Fenster, von dem aus man über die weite Landschaft schauen kann“, schwärmte Wiebke, als sie näher kamen. „Wahnsinn, was für eine Aussicht“, fand auch Merle und konnte ihren Blick kaum davon abwenden. „Lass mich auch mal!“, forderte Isabelle und war ebenfalls begeistert. „Vielleicht können wir hier den Sonnenuntergang beobachten“, schlug Klara vor und ihre Freundinnen waren begeistert. „Ja, aber das erst später. Jetzt sollten wir die Pferde reinholen. Dein Opa möchte nicht zu spät das Heu füttern“, meinte Ronja. „Die werden nach der langen Zeit auf der Weide gar keinen großen Hunger haben“, warf Isabelle ein. „Da kennst du aber Randy schlecht“, entgegnete Ronja lachend. Maxi verzog das Gesicht, als wäre ihre Fabella ganz anders. Aber tatsächlich konnte auch die sehr verfressen sein.

 

Gemeinsam machten sich die Mädchen auf den Weg zur Wiese. Ihre Halfter hatten sie sich cool über die Schultern gehängt. „Du hast so ein Glück, dass dein Opa diesen tollen Hof besitzt“, sagte Ronja zu Klara, als sie den Strom des Zaunes ausschalteten. „Ich hoffe nur, er behält ihn noch eine Weile“, meinte die. „Er ist hier ja schon ziemlich einsam und wer soll ihn übernehmen.“ – „Du vielleicht?“, schlug Isabelle vor. „Ich weiß nicht, ich bin damit nicht groß geworden“, wehrte Klara ab. Aber insgeheim hatte sie sich auch schon gefragt, ob sie das Zeug dazu hätte. Da sie jedoch nicht zu den engagiertesten und mutigsten Reitern gehörte, lautete die Antwort meist eher nein. Sie hatte keine Ahnung vom Züchten, vom Aufziehen von Pferden oder gar von der Ausbildung. Das hatte sie noch nie gemacht und wäre wahrscheinlich viel zu ängstlich. Nur auf Nandu fühlte sie sich wirklich wohl. Gerade allerdings ließ Nandu sich sehr bitten. Neidisch beobachtete Klara, wie Arthos, Kandra und Fabella zu ihren Besitzerinnen kamen. Selbst Alaska machte ein paar Schritte auf Wiebke zu, als sie sie fast erreicht hatte. Randy und Nandu jedoch ließen sich nicht vom Fressen abbringen. Klara und Ronja mussten ihre Köpfe kräftig hochdrücken, um ihnen das Halfter aufzuziehen. Hintereinander brachten sie ihre Pferde in die neuen Boxen, wo sie sich neugierig umsahen.

 

„Gut, dass Kandra bei ihr ist“, seufzte Maxi mit einem Blick auf Fabella. „Die beruhigt sich schon“, meinte Isabelle. Noch drehte die Araber Stute unruhig ihre Runden und schnaubte laut. Kandra stand an der Trennwand in der Nachbarbox und schaute zu, als wollte sie sagen: „Jetzt stell dich mal nicht so an!“ Wiebke beobachtete Alaska ganz genau. Sie stand normalerweise gar nicht bei den Pferden der anderen, sondern im Privatstall von Ellen und Marlon. Doch das schien sie nicht zu stören. Neugierig schaute sie zu ihrem Nachbarn Randy hinüber, der sich auf das frische Stroh stürzte. Bald darauf kam Opa Henry und verteilte Heu. Klara schnappte sich einen Besen und fegte hinter ihm her. „Was haltet ihr von einem Lagerfeuer?“, wollte der alte Herr wissen, als sie fertig waren. „Ja, das ist eine super Idee!“, fand Ronja begeistert.

 

Sie beschlossen, das Abendessen mit dem Lagerfeuer zu verbinden. Opa Henry stellte einen großen alten Grill in sicherer Entfernung zum Haus auf und richtete daneben eine Feuerstelle ein. Die Mädchen halfen ihm, den Tisch in die Nähe zu rücken und bereiteten das Essen vor. Nur um das Fleisch wollte Opa Henry sich selbst kümmern. Bald saßen sie um das Feuer und auf der Gartenbank und warteten darauf, dass das Grillgut fertig wurde. Es war noch immer angenehm warm und der sanfte Sonnenuntergang ließ Wiebke ihren Zeichenblock zücken. Sie wollte versuchen, das Naturschauspiel in all seinen Farben festzuhalten. Klara drängte Opa Henry dazu, von seinen Ponys zu erzählen. „Wie viele waren es überhaupt?“, wollte sie neugierig wissen. „Schwer zu sagen, ich hatte eine Stutenherde von knapp zwanzig Tieren und dazu drei ausgezeichnete Deckhengste. Der Nachwuchs variierte natürlich immer“, antwortete ihr Opa nachdenklich. „Wahnsinn, hier muss alles voller Ponys gewesen sein“, lachte Maxi begeistert. Was für eine schöne Vorstellung. „Und du hast sie selbst ausgebildet und verkauft?“, hakte Merle beeindruckt nach. „Wie ihr seht, bin ich nicht so groß, aber ich hatte auch Mitarbeiter, die mir geholfen haben“, lachte der alte Mann. „Es waren tolle Sportponys, sehr erfolgreich.“ – „Zu schade, dass deine Mutter damit nichts anfangen konnte“, seufzte Ronja sehnsüchtig. Klara nickte bedächtig. Das wäre nur zu schön gewesen. Jedenfalls versuchte sie, es sich einzureden, denn abgesehen von Nandu, den sie über alles liebte, war sie eigentlich auch kein riesiger Pferdefan. Sie setzten sich an den Tisch und begannen zu essen, während das Lagerfeuer gemütlich hinter ihnen knisterte. „Wirklich schade, dass die Ponys nicht mehr da sind“, fand auch Isabelle und nahm sich noch ein Glas Apfelsaft, den Opa Henry aus seinem eigenen Anbau pressen ließ. „Es heißt, dass man sie manchmal nachts noch hören kann“, sagte der alte Mann mit tiefer Stimme. „Einige wollen sie sogar schon gesehen haben“, murmelte er dann. Isabelle bekam eine Gänsehaut und rutschte ein Stück näher an ihre Cousine heran. „Das wäre ja cool“, meinte Ronja ohne Angst und strahlte. „Geisterpferde findest du cool?“, hakte Klara nach. „Ja, wieso denn nicht? Oder haben sie etwas getan?“, gab Ronja zurück. „Nein, das haben sie nicht“, gestand Opa Henry. „Na also“, lächelte Ronja. „Geisterpferde, tolle Idee“, meinte Wiebke und zückte schon wieder ihren Block, um eine Skizze von galoppierenden Pferden im Nebel anzufertigen.

 

„Glaubt ihr, es gibt diese Geisterpferde?“, wollte Isabelle am Abend wissen, als sie ihren Pferden gute Nacht sagten. Sie hatten sich im Haus die Zähne geputzt und bereits ihre Schlafanzüge angezogen. Merle liebte die Vorstellung, direkt über den Köpfen ihrer Pferde im Heu zu schlafen. „Natürlich gibt es die nicht“, stöhnte Maxi theatralisch. „Solche Geschichten gehören eben dazu“, meinte Ronja schulterzuckend. Sie schalteten das Licht aus und stiegen mit ihren Taschenlampen die Leiter nach oben. Dort krochen sie in ihre Schlafsäcke und waren froh, endlich liegen zu können. „Das war ein ziemlich langer Tag“, fand Wiebke und rollte sich gemütlich zusammen. „Aber es war auch wunderschön“, fügte Maxi hinzu, die ihr Plüschpferd dabei hatte. „Ja, es ist super, dass wir hier die Ferien ausklingen lassen können“, sagte Ronja lächelnd. Sie war besonders froh, der Enge ihrer kleinen Wohnung zu entkommen, die sie mit ihrer Mutter und Schwester bewohnte. Hier war sie so frei, es gab so viel Platz und niemand ließ seine schlechte Laune an ihr aus. Das mochte sie so an den Lustigen Hufeisen. Dass sie einander unterstützten und für einander da waren.

4. Kapitel

 

„Wach auf Klara!“, zischte Ronja ihrer Freundin mitten in der Nacht ins Ohr. „Was ist denn los?“, wollte die verschlafen wissen. „Wir haben etwas gehört“, murmelte Isabelle, die ebenfalls wach war. „Sehr witzig, was soll das schon gewesen sein“, wehrte Klara ab. Sie war hundemüde und wollte einfach nur weiterschlafen. „Wir haben Pferde gehört“, erklärte Wiebke, die sich eng an Isabelle gekuschelt hatte. „Das könnte daran liegen, dass unsere Pferde direkt unter uns sind“, entgegnete Klara. „Nein, das ist es nicht“, behauptete Maxi steif und fest. „Es kam von draußen.“ Langsam wurde Klara wach und richtete sich auf. „Wollt ihr mir einen Streich spielen?“, fragte sie misstrauisch. „Nein, es ist wahr“, beharrte Merle. „Dann lasst uns doch aus dem Dachfenster sehen“, schlug Klara vor. „Von dort haben wir eine perfekte Übersicht.“ – „Ich weiß nicht, ob ich mich das traue“, warf Isabelle ein. Klara sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an, doch im Dunkeln sah sie das leider nicht. „Kommt schon, wir sehen nach“, sagte sie entschlossen und stand auf. „Was ist mit den Taschenlampen?“, wollte Merle wissen. „Die lassen wir aus, sonst werden am Ende wir noch entdeckt“, flüsterte Klara mit gespenstischer Stimme.

 

Leise schlichen sie über den Heuboden, bis sie das Dachfenster erreichten, durch das ein fahler Mondschein auf den Boden fiel. Klara ging mutig voran und wusste selbst nicht genau, woher ihr Anführerwille auf einmal kam. Sie kippte das Fenster und achtete darauf, dass es nicht zu laut quietschte. Dann warf sie einen vorsichtigen Blick hinaus. Der Nebel war wirklich dicht und sie musste ihre Augen erst an das Mondlicht gewöhnen. „Kannst du etwas erkennen?“, wollte Maxi aufgeregt wissen und hielt sich an Merles Arm fest. „Bisher nicht“, verneinte Klara und ließ die anderen Mädchen hinausschauen. „Ich glaube, ich habe etwas gehört“, meinte Merle plötzlich. „Als ob ein Pferd gewiehert hätte.“ Bevor ihre Freundinnen sie für verrückt erklären konnten, wieherte Fabella unter ihnen laut und klar. „Sie hat es auch gehört, sie hat geantwortet“, hauchte Maxi und bekam eine Gänsehaut. Sie wurden ganz still und hielten ihre Ohren in die Nacht, um es noch einmal zu hören. Doch es kam nichts mehr. „Da hinten sind doch aber Pferde“, stammelte Wiebke plötzlich. Die Mädchen rückten dicht zusammen und spähten in die Dunkelheit. „Am Waldrand, da sieht man ihre Silhouetten“, stellte auch Ronja fest. Nun sahen es auch die anderen und staunten nicht schlecht. „Da sind ja wirklich Pferde“, murmelte Maxi. „Sind das Geisterpferde?“, wollte Isabelle wissen. „Ich weiß ja nicht, wie es bei euch aussieht, aber ich glaube nicht an Geister“, sagte Merle. „Ich eigentlich auch nicht, aber das hier“, murmelte Wiebke und beendete den Satz nicht. „Jetzt sind sie weg“, stellte Merle fest und starrte trotzdem noch eine Weile an die Stelle, an der sie die schattenhaften Pferde zuletzt gesehen hatte.

 

„Ich kann das nicht glauben“, murmelte Klara, als sie zurück zu ihren Schlafplätzen gingen. Sie legten ihre Schlafsäcke näher zusammen und sahen sich immer wieder wachsam um. „Opa Henry hat doch aber gesagt, dass sie niemandem etwas tun“, erinnerte Ronja ihre Freundinnen. „Trotzdem kann ich es nicht fassen, es gibt doch keine Geister“, sagte Klara wie zu sich selbst. „Was, wenn es echte Pferde waren?“, schlug Wiebke vor. „Woher sollten die denn kommen?“, fragte Merle zurück. „Keine Ahnung, wir wissen doch nicht, wer hier alles Pferde hält“, verteidigte Wiebke sich. Merle gab zu, dass der Gedanke gar nicht so blöd war. „Lasst uns morgen mal nachsehen, ob wir Spuren von echten Pferden am Waldrand finden“, beschloss Klara und rollte sich wieder in ihrem Schlafsack zusammen.

 

„Gibt es hier noch andere Pferde?“, wollte Ronja am nächsten Morgen von Opa Henry wissen, als sie beim Frühstück auf der Terrasse saßen. „Hier im Ort? Ja, ein paar Familien haben Pferde“, antwortete er verwundert. Die Lustigen Hufeisen hatten beschlossen, nichts von ihren angeblichen Geisterpferden zu verraten. Am Ende hielt man sie noch für völlig verrückt. Für den Tag hatten die Mädchen nichts geplant, sondern sie wollten es sich in der Sonne gut gehen lassen. Nach dem Frühstück stellten sie ihre Pferde auf die Weide und schlenderten dann zum Waldrand.

 

„Es ist viel zu trocken, als das wir Hufspuren finden könnten“, jammerte Maxi nach einer Weile. „Lass uns doch erst einmal suchen“, bremste Isabelle sie und sah sich neugierig um. „Hier müsste es gewesen sein“, überlegte Merle und sah sich um, um sich zu orientieren. „Könnt ihr etwas entdecken?“, wollte Klara aufgeregt wissen. Bisher hatten sie nichts gefunden, was darauf hindeutete, dass sich hier in der vergangenen Nacht tatsächlich Pferde bewegt hatten. „Also waren es doch Geister“, überlegte Maxi. „Das glaube ich kaum“, antwortete Ronja und grinste. „Hast du etwas gefunden?“, wollte Isabelle wissen. „Und ob!“, kicherte Ronja. Sie liefen zu ihr und sahen, was sie meinte. Ein Haufen Pferdeäpfel lag am Rande des Weges, der in den Wald führte. „Geisterpferde machen wohl keine Haufen“, kicherte Wiebke. „Das ist von heute Nacht“, stellte Klara mit einem Blick darauf fest. „Oh gut, dann waren es echte Pferde“, murmelte Isabelle. „Und was ist daran gut?“, fragte ihre Cousine. „Das ist doch fast noch merkwürdiger, findet ihr nicht?“ Fragend sahen die Lustigen Hufeisen sie an. „Na, warum sollten hier mitten in der Nacht Pferde entlang laufen?“, stellte Wiebke die offensichtliche Frage. „Da hast du wohl Recht“, murmelte Klara nachdenklich. Eine Antwort hatte sie jedoch nicht.

 

„Wir sollten heute Mittag alle zusammen kochen“, schlug Maxi vor, als die Lustigen Hufeisen langsam Hunger bekamen, weil sie die ganze Zeit an der frischen Luft waren. „Ja, das ist eine tolle Idee“, fand auch Klara. Gemeinsam mit Opa Henry gingen sie zu einem nahegelegenen Supermarkt und kauften Unmengen an Lebensmitteln ein. Wiebke, die was das Kochen betraf das Talent ihrer Mutter geerbt hatte, übernahm gemeinsam mit Maxi das Kommando. Sie wollten einen italienischen Auflauf machen, dazu Salat und einen Pudding zum Nachtisch. Opa Henry half den Mädchen in der Küche und freute sich, dass endlich einmal so viel Leben in seinem Haus war. „Sind eure Ponys eigentlich zum Kutsche fahren geeignet?“, wollte er von Ronja, Wiebke und Klara wissen und sah sehnsüchtig aus. „Das weiß ich gar nicht“, antwortete Wiebke entschuldigend. Sie hatte Alaska noch nicht besonders lange als Reitbeteiligung und war generell noch ein Anfänger. Aber auch Ronja und Klara konnten die Frage nicht beantworten. „Wir haben bei uns keine Kutsche“, erklärte Ronja. „Schade“, murmelte Opa Henry. „Wir könnten es ja mal ausprobieren“, schlug Klara vor. Sie wusste, dass ihr Opa mehrere kleine Kutschen besaß. Er lächelte und sagte: „Sehr gerne.“

 

Nach dem Essen gingen die Lustigen Hufeisen zu ihren Pferden auf die Wiese und setzten sich in das hohe Gras. „Was haltet ihr davon, wenn wir die Geisterpferde heute Nacht überraschen?“, schlug Merle plötzlich vor. Sie bekam die seltsame Sichtung der vergangenen Nacht einfach nicht aus ihrem Kopf. „Wie das denn?“, fragte Klara neugierig. „Wir teilen eine Nachtwache ein und sobald wir die Pferde sehen, folgen wir ihnen auf unseren Pferden“, erklärte Merle voller Tatendrang. „Hast du denn gar keine Angst?“, wollte Isabelle von ihr wissen und sie schüttelte energisch den Kopf. „Wovor denn?“, wollte Merle verständnislos wissen. Das wusste Isabelle auch nicht genau, aber es war ihr nicht ganz geheuer. „Ich finde die Idee nicht schlecht“, meinte Klara schließlich. Sie wollte nur zu gern wissen, was es mit den Pferden auf sich hatte. „Was sagt ihr dazu?“, wollte Merle von den anderen Mädchen wissen. „Ich glaube zwar nicht, dass wir die Geisterpferde erwischen, aber wir können es versuchen“, sagte Ronja nach einigem Überlegen. „Ja, ich bin auch dabei“, entschied Wiebke, deren größte Befürchtung es war, bei der Nachtwache einzuschlafen. „Also gut“, gab sich auch Maxi geschlagen. Isabelle zögerte noch einen Augenblick. „Ist das auch wirklich nicht gefährlich?“, wollte sie noch einmal wissen. „Keine Ahnung“, gestand Merle. „Ich mache nur mit, wenn wir nichts Gefährliches machen“, beschloss Isabelle. „Einverstanden“, sagte Klara, auch wenn sie nicht wusste, wie ihre Freundin das einschätzen wollte.

 

Als die Lustigen Hufeisen spät abends in ihre Schlafsäcke krochen, erinnerte Merle sie daran, dass sie noch Paare für die Nachtwache bilden mussten. „Ich kann sowieso noch nicht schlafen“, bemerkte Klara und da es Isabelle ganz ähnlich ging, übernahmen sie die ersten zwei Stunden. Gemeinsam setzten sie sich auf zwei umgedrehte Eimer, die sie als Sitzgelegenheiten vor das Dachfenster geschafft hatten, und schauten zum Waldrand. Doch es passierte nichts, so dass sie erst nach Ablauf ihrer zwei Stunden zu den anderen gingen, und Ronja und Maxi weckten. Isabelle war froh, dass sie sich endlich hinlegen konnte. Inzwischen war sie schon sehr müde. Kaum hatte sie sich hingelegt, da fielen ihr auch schon die Augen zu.

 

„Steh auf, Isabelle!“, zischte plötzlich jemand und rüttelte an ihrer Schulter. „Lass mich in Ruhe, ich war gerade erst dran“, meckerte Isabelle und drehte sich weg. „Nein, die Pferde sind da!“, sagte Wiebke, die sie geweckt hatte. Mit einem Mal war Isabelle wach und richtete sich auf. „Und jetzt?“, wollte sie wissen. „Klara und Merle sind schon unten und trensen ihre Pferde auf“, erklärte Wiebke. „Sie wollen die Geisterpferde unbedingt verfolgen.“ Verschlafen rieb Isabelle sich die Augen. „Hatten wir denn nicht gesagt, dass wir nichts Gefährliches machen?“, fragte sie skeptisch. „Wir wissen doch gar nicht, was das für Pferde sind“, meinte Wiebke und Isabelle sagte: „Eben deshalb ja.“ Sie stand auf und wollte nach unten gehen, doch Klara und Merle führten ihre Pferde bereits aus dem Stall heraus. Leise schoben sie die Stalltür auf und verschwanden im Dunkel. „Die sind doch verrückt“, behauptete Isabelle und stürmte mit Wiebke, Ronja und Maxi an das Dachfenster. Sie sahen gerade noch, wie Klara sich auf Nandu schwang und Merle auf Arthos. Dann galoppierten sie in Richtung Wald, wo noch immer die Silhouetten der fremden Pferde zu sehen waren. Isabelle konnte gar nicht hinsehen, während die anderen gespannt abwarteten.

 

Merle trieb Arthos an, damit er den Wald schneller erreichte. Nandu kam kaum hinterher, hielt sich aber tapfer. Im Halbdunkeln schossen sie über die Wiesen, auf denen der Neben langsam aufstieg. Merle war sich nicht sicher, aber plötzlich sah es aus, als säßen Reiter auf den Pferden. Wenn sie bloß näher heran kämen. Immer klarer erkannte sie die Umrisse von drei Pferden und immer sicherer wurde sie, dass diese geritten wurden. Als die Reiter sie bemerkten, verschwanden sie schnell im Wald. „Los, hinterher!“, rief Merle und drehte sich nicht zu Klara um, die ihr verzweifelt folgte. „Muss das sein?“, rief Klara und Merle antwortete nicht. Sie galoppierte auf Arthos den Waldweg entlang, den fremden Pferden dicht auf den Spuren. Klara versuchte weiter, an Arthos dranzubleiben. Der große Hannoveraner war einfach viel schneller. Eigentlich war sie auch froh darüber, dass Merle den Anfang machte. Allerdings sorgte sie sich auch um ihre Freundin.

 

Merle war den Reitern inzwischen dicht auf den Fersen. Sie hatte erkannt, dass es sich gar nicht um Geister handelte und wollte unbedingt wissen, wer ihnen hier einen Streich spielte. An einer Gabelung schaffte sie es, die Reiter zu überholen und sich ihnen in den Weg zu stellen. Erstaunt stellte sie fest, dass es drei Jungen in ihrem Alter waren. Die Pferde waren genau genommen eher Ponys. „Ihr haltet euch wohl für ganz cool?!“, warf Merle ihnen vor und rutschte auf Arthos herum, um sich gerade hinzusetzen. Ohne Sattel war das gar nicht so einfach. „Habt ihr etwa geglaubt, wir wären Geister?“, wollte einer der Jungs wissen. „Natürlich nicht“, wehrte Merle ab. Endlich kam auch Klara hinterher. „Hier haben wir die Übeltäter“, sagte Merle zu ihr. Doch die Jungs hatten plötzlich nur noch Augen für Nandu. „Ist er auch ein Connemara?“, fragte einer von ihnen. „Ja, wieso?“, wollte Klara völlig außer Atem wissen. „Sehr hübsch“, fand ein anderer. Merle verdrehte genervt die Augen. „Was hat er für eine Abstammung?“, wollte der Dritte im Bunde von Klara wissen. Etwas überfordert zuckte sie die Schultern. „Unsere sind Nachfahren der Ponys, die Henry gezüchtet hat“, erklärte der Erste. „Das ist mein Opa“, warf Klara ein. „Cool, er hat echt Ahnung von Pferden“, grinste einer der Jungs. „Wollt ihr noch weiter flirten, oder reiten wir wieder zurück?“, wollte Merle wissen. „Wir flirten doch nicht!“, erwiderte Klara empört. „Einen schönen Abend noch“, wünschte einer der Jungs und ein anderer sagte: „Bitte entschuldigt unseren kleinen Spaß.“ – „Kein Problem“, sagte Merle hochnäsig und trabte mit Arthos zurück in Richtung Stall. Klara folgte ihr und drehte sich noch einmal nach den Jungs um.

 

„Da seid ihr ja endlich!“, rief Isabelle und nahm Klara und Merle am Stalleingang in Empfang. „Habt ihr die Geister erwischt?“, wollte Maxi wissen, die auf der Leiter hockte, die nach oben führte. Merle brummelte nur: „Das waren drei Knalltüten aus dem Dorf, die sich lustig fanden.“ Wiebke horchte auf und fragte: „Drei Jungs in unserem Alter, die sich ziemlich ähnlich sahen?“ – „Ja, genau“, seufzte Klara verträumt. „Die habe ich schon gesehen, als wir auf dem anderen Hof das Stroh geholt haben“, erinnerte Wiebke sich. Klara sah sie interessiert an, doch Merle war schlecht gelaunt. „Zum Glück ist euch nichts passiert“, meinte Isabelle erleichtert, als sie Nandu und Arthos fertig machten. „Warum schmollst du, Merle?“, wollte Ronja wissen und bekam einen bösen Blick. „Du hast doch nicht gedacht, dass es wirklich Geisterpferde sind, oder?“, hakte Wiebke nach. „Natürlich nicht“, wehrte Merle ab. Doch ihre Freundinnen ahnten, dass sie sich mehr davon versprochen hatte, als drei Jungs auf ihren Kleinpferden. Wortlos kletterte sie die Leiter hinauf und legte sich schlafen. Klara dagegen sah irgendwie verändert aus und ließ sich auch von Merle nicht ärgern. „Die sahen gar nicht schlecht aus“, flüsterte sie Wiebke leise zu, als sie dicht nebeneinander in ihren Schlafsäcken lagen. Wiebke nickte begeistert. „Und sie waren total nett. Sie kennen meinen Opa und haben auch Connemara Ponys“, redete sie leise weiter. Merle hatte sich mit ihrem Schlafsack ein Stück von ihrem kleinen Lager entfernt und knurrte: „Seid mal ruhig, ich will endlich schlafen.“

5. Kapitel

 

„Dann wollen wir doch mal sehen, was Nandu davon hält“, murmelte Opa Henry am nächsten Nachmittag, als er seinen kleinen Einspänner aus der Scheune geschoben hatte. Die Lustigen Hufeisen staunten über das komplizierte Geschirr, das dazu gehörte. Auch Nandu sah die Kutsche mit großen Augen an. „Ich glaube nicht, dass er so etwas schon mal gesehen hat“, meinte Klara vorsichtig. „Dann lernt er es eben jetzt kennen“, beruhigte ihr Opa sie. Er nahm ihr Nandu ab und bugsierte ihn rückwärts vor die Kutsche. Nandu blieb ganz ruhig und ließ alles mit sich geschehen. „Er ist clever“, behauptete Opa Henry und legte Nandu das Geschirr an. Neugierig sahen die Mädchen ihm dabei zu. Nach all den Jahren saß noch immer jeder Handgriff ganz automatisch bei ihm. „So, da haben wir es schon“, sagte er zufrieden. Er nahm Nandu an der Trense und ging ein Stück mit ihm über den Hof. Als er sicher war, dass das Pony sich von der hinter sich rumpelnden Kutsche nicht bedroht fühlte, rief er Klara zu sich. „Setz dich mal auf die Kutsche!“ Vorsichtig stieg Klara auf und nahm die Fahrleinen in die Hand. Sie wusste gar nicht, was sie machen sollte. „Keine Sorge, ich bleibe hier vorne bei ihm“, meinte ihr Opa. Es wäre viel zu gefährlich gewesen, Nandu ganz allein zu lassen. Nach ein paar Runden stiegen Isabelle und Merle zu Klara auf die Kutsche. „Das ist echt seltsam“, fand Merle. „Ganz anders, als auf dem Pferd zu sitzen. Hier habe ich ja gar keine Kontrolle.“ – „Aber wenn du fahren könntest, dann hättest du die ja“, erinnerte Klaras Opa sie. „Ich glaube, ich reite auch lieber“, gestand Isabelle. „Ach, das macht doch Spaß“, meinte Opa Henry begeistert und schob Klara zur Seite, um selber das Kommando zu übernehmen. „Nandu ist clever, der würde das bestimmt schnell lernen“, sagte er, als er seinen kleinen Ausflug über den Hof beendete und das Pony wieder von seinem Geschirr befreite.

 

„Schade, dass dein Opa keine eigenen Ponys mehr hat“, fand Wiebke. „Ja, dann könnte er selber noch Kutsche fahren“, meinte auch Maxi. Sie fand die Vorstellung niedlich, dass der ältere Herr mit seiner Kutsche durch den Ort fuhr. „Ich glaube auch, dass ihm die Ponys fehlen“, seufzte Klara. „Dann sollten wir ihn unbedingt ab und zu besuchen“, warf Merle ein, die die Tage auf dem Hof in vollen Zügen genossen hatte. „Ja, das war wirklich super“, strahlte Isabelle. „Zu schade, dass es morgen schon wieder nach Hause geht.“ – „Aber das wird bestimmt ein schöner Ritt“, schwärmte Ronja, die ebenfalls noch keine Lust hatte, nach Hause zu fahren. Die Zeit mit ihrem Pflegepony Randy war wieder einmal viel zu schnell vergangen. Als sie am Abend die Pferde in ihre Boxen brachten, meinte Isabelle: „Das werde ich auch sehr vermissen, einen eigenen Stall nur für unsere Pferde zu haben.“ – „Oh ja, das ist ein Luxus“, seufzte Klara. „Keine blöden Stallzicken“, lachte auch Ronja. Sie aßen gemeinsam mit Opa Henry Abendbrot und verkrochen sich dann bald in ihr Lager auf dem Heuboden. „Morgen müssen wir wirklich fit sein“, erinnerte Maxi ihre Freundinnen. „Der Ritt wird sicher noch einmal anstrengend.“ – „Aber auch super schön“, freute sich Merle. Sie legten sich dicht zusammen und schliefen bald ein.

 

Mitten in der Nacht schreckte Maxi von einem ohrenbetäubenden Lärm auf. Sie setzte sich auf und versuchte, ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Bald brach ein sintflutartiger Regen über das Stalldach herein. In der Nacht zuckten die Blitze und der Donner ließ nicht lange auf sich warten. Auch Ronja erwachte und sah sich erschrocken um. „Ist nur ein Sommergewitter“, beruhigte Maxi sie. Doch dann hörten sie unten im Stall jemanden. Es war Opa Henry, der mit einer Taschenlampe und einem grünen Regenmantel zu ihnen nach oben kam. „Ihr solltet lieber ins Haus kommen“, schlug er vor, als die Lustigen Hufeisen der Reihe nach wach wurden. „Ist das wirklich nötig?“, wollte Wiebke traurig wissen. „Ja, das ist auf jeden Fall sicherer“, beharrte er. „Nehmt euch, was ihr tragen könnt, und kommt mit.“ Als die ersten Regentropfen durch das Dach liefen, stimmten die Mädchen ihm widerwillig zu. Sie klemmten sich ihre Schlafsachen unter die Arme und kletterten die Leiter hinunter. Auch ihre Pferde waren wach und sahen sich unruhig um. „Denen passiert schon nichts“, sagte Opa Henry und schob die Stalltür auf. „Lauft schnell rüber zum Haus, die Tür ist offen“, ordnete er an und folgte den Mädchen langsam über den Hof.

 

In seinem großen Wohnzimmer sammelten sie sich und sahen sich fragend um. „Wollen wir einfach hier schlafen?“, schlug Klara vor, obwohl es im ersten Stock auch noch ein zweites Schlafzimmer, ein altes Kinderzimmer und ein Gästezimmer gab. „Ja, dann sind wir alle zusammen“, stimmte Ronja ihr zu und auch die anderen fanden die Idee gut. Opa Henry sah mit hochgezogener Augenbraue zu, wie sie sich auf dem Sofa, den Sesseln und sogar auf einer Isomatte auf dem Boden einrichteten. „Ist das gemütlich?“, fragte er skeptisch. „Ja, total“, schwärmte Maxi und streckte sich auf dem Sofa neben Isabelle. „Na gut, dann noch eine schöne Nacht und bis morgen“, wünschte er ihnen und ging ebenfalls wieder schlafen. „Schade, dass unsere letzte Nacht so enden musste“, seufzte Wiebke traurig. „Ja, das ist wirklich ärgerlich“, meinte auch Merle und gähnte herzhaft. „Aber Opa Henry hat sicher Recht und es ist besser, wenn wir im Haus schlafen“, meinte Ronja vernünftig. „Das glaube ich auch“, sagte Isabelle. „Und hier ist es doch auch schön.“

 

„Ich glaube es ja nicht“, stöhnte Isabelle am nächsten Morgen. Sie war als Erste wach geworden und hatte einen Blick aus dem Fenster geworfen. Noch immer schüttete es wie aus Eimern. Das Klingeln von Merles Handy riss die anderen Mädchen aus dem Schlaf. Müde nahm Merle das Gespräch an und Isabelle hörte nur, wie sie ihrer Mutter erklärte, dass sie im Haus geschlafen hatte. Ihre Eltern machten sich wenigstens Sorgen um sie. Damit waren sie die einzigen. Zumindest die einzigen, die anriefen. Außerdem musste Merle lächeln, als sie sah, dass auch Finley sich per SMS nach ihr erkundigt hatte. „Seht mal raus!“, forderte Isabelle ihre Freundinnen auf, die langsam wach wurden. „Es regnet noch immer so stark.“ – „Ach nein, wie sollen wir denn dann nach Hause reiten?“, wollte Ronja enttäuscht wissen. „Du bist gut“, seufzte Maxi. „Die Frage ist überhaupt, wie wir die Pferde nach Hause bekommen.“

 

Am Frühstückstisch erörterten sie kurz darauf das Problem mit Opa Henry. „Ihr könnt unmöglich so weit reiten bei dem Wetter“, entschied er kurzerhand. „Es wurde sogar eine Unwetterwarnung herausgegeben.“ – „Aber was machen wir denn bloß?“, wollte Maxi verzweifelt wissen. „Hast du noch einen Pferdeanhänger?“, fragte Klara ihren Opa hoffnungsvoll, doch der schüttelte den Kopf. „Den habe ich schon lange verkauft, den alten Karren, den ich damals hatte.“ Isabelles Mutter war die nächste, die sich per Anruf bei ihr meldete. Auf Isabelles Frage, wie sie die Pferde nach Hause bekommen könnten, antwortete sie herzlos, dass die doch erst einmal bei Opa Henry bleiben könnten. „Meine Eltern haben wieder absolut kein Verständnis“, seufzte Isa genervt, als sie zurück an den Tisch kam. „Hat Finley keinen eigenen Pferdeanhänger?“, wollte Maxi von Merle wissen. „Stimmt“, fiel es ihr ein und sie griff zu ihrem Handy. Vielleicht würde seine Mutter ihnen helfen. Doch ihre Hoffnung wurde zerstört, als Finley sie daran erinnerte, dass er mit seinem Pferd auf einem Lehrgang war und den Hänger dazu benötigte. „Ach stimmt“, fiel es Maxi wieder ein. „Marlon ist auch dort.“ – „Dann brauchen wir Ellen ja gar nicht zu fragen“, seufzte Ronja genervt. Ihre Reitlehrerin war Marlons Mutter und demnach mit ihrem Anhänger ebenfalls auf dem Lehrgang.

 

„Ohne Fabella gehe ich hier nicht weg“, jammerte Maxi niedergeschlagen und starrte ihren Kakao an, der langsam kalt wurde. Opa Henry sah nachdenklich aus und meinte dann: „Ich könnte einen Freund um Hilfe bitten. Ihr kennt ihn schon, den Herrn, bei dem wir das Stroh abgeholt haben.“ – „Das wäre super“, rief Wiebke begeistert. „Ich kann nichts versprechen, aber vielleicht hat er ja Zeit“, murmelte Klaras Opa. Nach dem Frühstück ging er zu seinem Telefon und kam bald darauf mit einer guten Nachricht zurück. „Also Martin kann uns helfen“, erklärte er den erleichterten Mädchen. „Er kommt nach dem Mittagessen her und wird dann immer zwei Pferde von euch nach Hause bringen.“ – „Das ist super!“, rief Klara und fiel ihrem Opa um den Hals. „Wieso hat er denn einen Pferdeanhänger?“, wollte Isa neugierig wissen. „Seine Söhne sind erfolgreiche Turnierreiter mit ihren Connemaras“, verriet Opa Henry und fügte stolz hinzu: „Die Pferde entstammen meiner Zucht.“ Nun horchten die Mädchen auf. „Er hat drei Söhne? In unserem Alter?“, hakte Maxi nach. „Ja, Drillinge“, lachte Opa Henry. Jetzt wurde ihnen klar, um wen es sich handelte. „Unsere Geisterreiter“, flüsterte Klara Ronja zu. „Sagt am besten gleich euren Eltern Bescheid“, riet Opa Henry den Lustigen Hufeisen. „Sie sollen euch dann aus eurem Stall abholen und müssen nicht herkommen.“ Die Mädchen gehorchten, holten ihre Handys und riefen ihre Eltern an. Dann machten sie sich daran, ihre Sachen zu packen. Wenn Opa Henrys Freund schon den Fahrdienst für sie spielte, dann wollten sie wenigstens abfahrbereit sein und ihn nicht noch warten lassen.

 

Nach dem Mittagessen kam ein riesiger Geländewagen mit einem modernen Pferdeanhänger auf den Hof gefahren. Neugierig schauten die Lustigen Hufeisen nach draußen und sahen, dass nicht nur Martin, sondern auch seine drei Söhne aus dem Auto stiegen und zum Haus kamen. Klara wurde vor Aufregung ganz rot im Gesicht und Wiebke spielte nervös mit ihren Haaren. „Da kommen ja unsere Retter“, lachte Opa Henry und begrüßte Martin und seine Söhne. „Da habt ihr euch ja schönes Wetter ausgesucht“, bemerkte Martin sarkastisch. „Vielen Dank, dass Sie uns helfen“, sagte Klara höflich und er wehrte ab: „Ihr könnt mich ruhig duzen und das ist doch selbstverständlich.“

 

„Mit wem fangen wir denn an?“, wollte Martin wissen und die Mädchen schauten sich etwas hilflos an. „Darf Fabella mit Kandra fahren? Die gibt ihr immer Sicherheit“, meinte Maxi zu Isabelle. „Aber nur, wenn sie sie nicht die ganze Zeit anzickt“, überlegte Isabelle. Doch Opa Henry hatte schon einen besseren Plan. „Dein Araber fährt mit dem Hannoveraner“, erklärte er. „Der ist ausgeglichener als die andere Stute.“ – „Mit Arthos?“, fragte Merle und er nickte. „Dann zieht ihnen Trensen auf und ein Halfter darüber“, sagte Martin zu Merle und Maxi, die sich sofort auf den Weg machten. Die Drillinge folgten ihnen und öffneten die Ladeklappe des Anhängers. „Arthos zuerst!“, rief Opa Henry in den Stall und Merle kam mit ihrem Pferd nach draußen in den Regen. Sie hatte ihn schon ein paar Mal zum Turnier verladen und wusste, dass er damit kein Problem hatte. Brav folgte er ihr und die Jungs schlossen die Querstrebe hinter ihm. „Binde ihn nicht zu lang an!“, rief einer von ihnen und sie hörte auf ihn. „Jetzt der Araber!“, rief Martin und Fabella zuckte schon beim Klang seiner lauten Stimme zusammen. Maxi führte sie nach draußen und sie schlug unwillig mit dem Kopf. „Sie hasst Regen“, sagte Maxi entschuldigend und ging zielstrebig auf den Anhänger zu. Fast schien es, als wollte Fabella sich weigern, hineinzugehen, doch dann wieherte Arthos und sie folgte Maxi in den Anhänger. „Gut gemacht“, lobte Opa Henry die Mädchen. Wiebke und Klara hatten einen Teil ihres Gepäcks schon im Geländewagen verstaut, so dass es gleich losgehen konnte. „Gute Fahrt und bis gleich“, verabschiedete sich Opa Henry von Martin. Maxi und Isabelle verabschiedeten sich dankbar bei ihm für die wunderschönen Tage auf seinem Hof, bevor sie in den Geländewagen stiegen.

 

Gemeinsam mit den Drillingen, die sich als Philip, Ole und Lasse vorstellten, saßen Isabelle, Wiebke, Ronja und Klara bei Opa Henry im Wohnzimmer und warteten darauf, dass Martin zurückkam. Isabelle beobachtete lächelnd, dass sich vor allem Klara und Wiebke gut mit den Jungs verstanden. Besonders über ihre Ponys konnten sie sich viel unterhalten. „Als nächstes fahren dein Hannoveraner und der Kleine“, ordnete Opa Henry an und meinte Kandra und Randy. Er achtete darauf, dass keine zwei zickigen Pferde zusammen auf dem Anhänger standen. „Der ist gar nicht so klein“, verteidigte Ronja das Reitpony. „Verglichen mit Kandra schon“, grinste Isabelle. Doch für Ronja war Randy das beste Pony der Welt und daran würde sich auch nichts ändern. Als Martin kam, ließ er zuerst Kandra in den Hänger bringen. Dann folgte Randy, der sich ebenfalls durch nichts aus der Ruhe bringen ließ. „Wir sehen uns gleich!“, rief Isabelle Klara und Wiebke zu und verabschiedete sich mit Ronja von Opa Henry. Sie konnte den Regen nicht mehr ertragen und wollte wirklich nur noch nach Hause.

 

Wiebke und Klara dagegen waren etwas traurig, als Martin wiederkam, um auch sie abzuholen. Sie hatten sich wirklich gut mit Philip, Lasse und Ole verstanden. Als Alaska und Nandu im Anhänger standen, bedankten sie sich noch einmal bei Opa Henry. „Das war wirklich schön“, schwärmte Klara. „Danke, dass wir hier sein durften.“ – „Ihr seid immer herzlich willkommen“, entgegnete ihr Opa und umarmte sie noch einmal, bevor sie zu Wiebke in den Geländewagen stieg. Philip kam noch einmal an das Autofenster. „Wir sehen uns zu Hause!“, sagte sein Vater und wollte losfahren, als Philip Klara unauffällig einen Zettel in die Hand drückte. „Was ist das?“, wollte Wiebke neugierig wissen. „Seine Telefonnummer“, strahlte Klara leise. Wiebke zuckte unwillkürlich zusammen. Das war ja wieder klar, dass Klara gleich die Telefonnummer bekam. Mit ihrer Stupsnase und den roten Haaren war sie einfach hübscher im Vergleich zu Wiebke. Enttäuscht drehte sie sich weg, als Klara sie antippte. „Hier ist auch eine Nummer für dich“, sagte sie leise und Wiebkes Miene hellte sich auf. Ole hatte ihr eine kleine Botschaft auf den gleichen Zettel geschrieben. „Für Wiebke, melde dich mal“, stand neben den Zahlen. Sofort speicherten sie die Nummern in ihren Handys.

 

Als auch Nandu und Alaska in ihren heimischen Boxen angekommen waren, bedankten sich die Lustigen Hufeisen ganz herzlich bei Martin, der ihnen wirklich sehr geholfen hatte. Mit ihrem Gepäck warteten sie im Stall auf ihre Eltern, die sie endlich aus dem triefenden Regen abholen sollten. Merles Mutter war die erste, die angerauscht kam. Dafür nahm sie aber auch gleich Maxi und Ronja mit. Als nächstes wurde Klara abgeholt, die das verliebte Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekam. Und schließlich tauchte auch Wiebkes Mutter, Isabelles Tante Hilda, auf. Schnell warfen die Cousinen ihre Sachen in den Kofferraum und rückten auf die Rückbank. Sie wollten endlich nach Hause, wo sie sich eine warme Dusche und einen Tee genehmigen konnten.

6. Kapitel

Wenige Tage später begann die Schule wieder. Merle kam als eine der Letzten in die Schulaula gehastet, die schon proppenvoll war. Wie jedes Jahr begann das neue Schuljahr mit der Begrüßung der Fünftklässler. Unter ihnen war Isabells kleiner Bruder Tim, der ganz vorne neben seinem Kumpel Marvin in der ersten Reihe saß. „Hallo Klara, hier sitzen wir“, winkte Isabelle ihr zu. „Ich dachte schon, ich würde euch hier in dem Gewusel gar nicht mehr sehen. Im Halbdunkeln ist es gar nicht so einfach“, seufzte Merle erleichtert und ließ sich zwischen Finley und Klara nieder. „Ich dachte schon, du hättest verschlafen“, murmelte Finley. „Stimmt, ich bin wirklich bisschen spät aufgestanden“, gestand Merle, „In den Ferien bin ich echt zur Langschläferin mutiert“ Ihre Freunde nickten zustimmend, aber erwiderten nichts. „Wisst ihr, es ist schon drei Jahre her, dass wir die Neuen waren“, tickte Klara sie an. „Bei mir sogar schon vier“, meinte Maxi. „Und ich war erst letztes Jahr die Neue“, schaltete sich Wiebke in das Gespräch ein. „Pssst, seid leise!“, flüsterte Isabelle und legte ihren Zeigefinger auf die Lippen, als vorne auf der Bühne die Scheinwerfer angingen. Das Schulorchester begann zu spielen. Nach und nach wurden die Gespräche unter den Schülern eingestellt. Nur Merle konnte es nicht unterlassen ab und zu mit Klara und Finley die Köpfe zusammen zu stecken. „Seht mal, da vorne am Fenster steht Ronja mit dem Chor“, raunte sie. „Die tragen alle voll die coolen blauen T-Shirts“, nickte Klara. „Ich bin gespannt, was der Chor zu bieten hat“, flüsterte Finley. „Jetzt seid doch einfach mal still, ihr Quasselstrippen! Das stört voll!“, zischte Maxi.

Nach dem Intro des Orchesters folgte eine ellenlange Rede des Schulleiters und mehrere Grußworte von Elternvertretern folgten. Dabei konnte man wirklich fast nebenbei einschlafen, als dann auch noch die neuen Klassen vorgelesen wurden. „Dann habe ich wieder ein paar Neuigkeiten für ein paar Klassen“, ergriff der Schulleiter wieder das Mikrofon, „Die Klasse 8c von Frau Walkenhorst wird von Frau Wiebrock übernommen, da unsere Kollegin Frau Walkenhorst vor einer Woche ihr erstes Kind zur Welt gebracht hat und für geraume Zeit in Mutterschutz geht“ „Ich dachte, dass Frau Walkenhorsts Baby erst im Oktober zur Welt kommt“, musste Klara schlucken. „Ach man, Frau Wiebrock ist längst nicht so cool wie Frau Walkenhorst“, machte Maxi ein langes Gesicht. „Aber sie ist längst nicht so schlimm wie Herr Older“, sagte Isa dazu. „Zum Glück ist der jetzt in Rente gegangen“, drehte sich Merle zu ihr hin. „Krass, wir werden unheimlich viele neue Lehrer kriegen“, sagte Wiebke leise. „Hey, es geht weiter!“, wisperte Finley und die Mädchen schwiegen wieder. Nun trat der Schulchor auf die Bühne. Merles Blick fiel auf Ronja, die ganz außen am Rand stand und ein wenig schüchtern wirkte. Ronja war in der Tat die Schüchternste und Leiseste der Bande, aber sie hatte ihr Herz immer auf dem rechten Fleck und konnte sehr gut Streitereien unter ihren Freundinnen klären. Trotzdem war Ronja nicht diejenige, die gerne im Mittelpunkt stand. Neben der Bühne stand ein Klavier, auf dem ein jüngeres Mädchen zu spielen begann. Nun fing auch der Chor an zu singen und die Sänger wippten im Takt mit. Jetzt waren auch die gesprächigsten Plaudertauschen ruhig und vereinzelt begannen einige Schüler, Eltern und Lehrer mit zu klatschen. Nach dem Stück brandete begeisterter Applaus auf und einige Schüler forderten eine Zugabe. Der Schulchor hatte noch drei weitere Lieder aus den Charts in petto und Ronja durfte beim letzten Lied eine Strophe solo singen. „Ronnie hat so eine schöne Stimme“, dachte Merle bei sich, „Wenn ich nur halb so gut singen könnte wie sie“ Nach dem Auftritt konnte das Publikum nicht mehr aufhören zu klatschen. Der Abschluss der Feierlichkeiten bildete wieder das Schülerorchester mit einer Sinfonie von Beethoven. Nun wurden die fünften Klassen von ihren Klassenlehrern zu ihren Klassenräumen geleitet. „Endlich dürfen wir wieder normal reden“, war Klara erleichtert, als sie die Gänge entlang liefen. „Wir haben doch wieder den gleichen Klassenraum wie letztes Jahr. Am schwarzen Brett hängt ein großer Plan aus“, kam Isa mit Maxi auf sie zu. „Gut, dann brauchen wir keine große Suchaktion mehr starten“, war Merle sichtlich zufrieden und strich eine lose Haarsträhne hinter ihr Ohr. „Kommt, dann lass uns gehen“, hängte sich Maxi bei Merle und Isabelle ein. „Lasst uns beeilen, dass wir noch die besten Plätze kriegen“, stürmte Klara mit Wiebke vorweg.

Der Klassenraum war noch abgeschlossen, weswegen ihre Mitschüler davor standen. Die Gespräche drehten sich hauptsächlich darum, wer neben wem saß. „Auch wir werden zusammen bleiben“, raunte Isabelle ihren Freundinnen zu. „Es kommt drauf an, wie die Tische stehen“, meldete sich Wiebke zu Wort. „Hoffentlich haben wir noch die Gruppentische“, hoffte Maxi, „Dann hätten wir einen reinen Lustigen-Hufeisen-Tisch“ „Bestimmt wird die Sitzordnung dann eh wieder geändert, weil es zu laut ist, wenn die ganzen Cliquen zusammensitzen“, meinte Isabelle. „Wo ist eigentlich Ronja?“, sah sich Klara suchend um. „Die ist bestimmt noch bei ihren Chorleuten“, antwortete Wiebke. „Wo ihr gerade von ihr redet, da kommt sie“, deutete Maxi auf die Treppe. „Was für ein toller Auftritt!“ – „Du warst echt spitze!“ – „Deine tolle Stimme möchte ich auch haben“ Freudig umringten die Freundinnen Ronja. „Danke, Danke! Ich wäre vor Lampenfieber fast krepiert“, erwiderte diese außer Atem. „Aber du hast der ganzen Schule gezeigt, dass du nicht immer die kleine Maus bist“, legte ihr Wiebke den Arm um die Schulter. „Frau Wiebrock kommt!“, rief ein Klassenkamerad, der die Treppe hinauf sprintete. Sofort begannen die Schüler einen Pulk vor der Tür zu bilden. Jeder wollte für sich und seine Freunde einen guten Platz zu ergattern. Klara mogelte sich zwischen ihren Mitschülern hindurch und reservierte eine der hinteren Sitzreihen für sich. Da nur vier Schüler in einer Reihe Platz fanden, nahmen Isabelle, Maxi, Klara und Merle diese Plätze ein. Ronja und Wiebke saßen neben Lilli und Nora direkt eine Reihe vor ihnen. „Immerhin sitzen wir immer noch sehr nah beieinander. „Nur blöd, dass Finley so weit von uns entfernt sitzt“, bedauerte Merle. Ihr guter Kumpel hatte sich mit Thorben vorne an die Fensterseite gesetzt, wo auch dieser unausstehliche Comtessen-Club sich niedergelassen hatte. „Wehe Doreen und Co machen sich an ihn heran“, verfinsterte sich Merles Gesicht. „Ach was!“, begann Maxi zu kichern, „Für die Comtessen ist er doch immer noch der kleine Gartenzwerg. Eine Comtesse braucht einen gutaussehenden Muskelprotz, mit dem man angeben kann. Ich könnte mal versuchen Patricks Kumpels mit diesen Bachstelzen zu verkuppeln, die würden gut zusammen passen, weil die alle so hohl sind“ „Weißt du eigentlich, was aus Julia und Patrick geworden ist?“, wollte Ronja wissen. „Keine Ahnung, aber Patrick habe ich länger nicht mehr im Stall gesehen und Julia erzählt mir eh nichts. Aber ich könnte sie demnächst mal drauf ansprechen, wenn ich Dressurstunde habe“, erwiderte ihre Freundin.

„Könnt ihr bitte ruhig sein!“, drang Frau Wiebrocks bis in die letzte Reihe durch. Das Gemurmel untereinander verstummte. „Guten Morgen, Frau Wiebrock!“, begrüßte die Klasse ihre neue Klassenlehrerin. „Guten Morgen, liebe 8c! Es kam kurzfristig, dass ich eure Klasse übernehmen muss, da Frau Walkenhorst erst vor kurzem Mutter geworden ist. Ich werde neben Geschichte auch noch Englisch und katholische Religion unterrichten. Allgemein werdet ihr einige neue Lehrer bekommen, darunter auch Herr Gartlinger, den ihr in Physik und Mathe haben werdet“, fuhr die Lehrerin fort. Bevor sie weitersprach, teilte sie die neuen Stundenpläne und Infoblätter für die Eltern aus. „Igitt, Mittwochs haben wir acht Stunden“, rümpfte Merle die Nase, „Wann soll ich dann bitteschön noch Zeit für das Mittagessen haben, wenn ich danach direkt zum Reitstall fahren muss? Um halb fünf beginnt meine Springstunde und ich kann davor nicht nochmal nach Hause fahren“ „Dann nimm dir doch etwas mehr zu essen mit oder kauf dir etwas in der Cafeteria“, meinte Klara, „Man bekommt dort inzwischen auch Pommes, Sandwiches, Hamburger und Pizzastücke“ Merle sah nicht ganz überzeugt aus. Normalerweise deckten sich die Mädchen in der Cafeteria mit Süßigkeiten, Chips und Limonade ein. Sie hatten gerade nicht auf dem Schirm, dass man dort auch richtige Sachen essen konnte. „Ich weiß, dass euch die Tage mit den acht Stunden aufregen“, unterbrach Frau Wiebrock das allgemeine Gestöhne, „Ihr seid nun mal in der achten Klasse und seid alt genug, dass ihr auch nachmittags dem Unterricht folgen könnt. Später werdet ihr im Beruf genauso lange im Büro sitzen“ Dann klappte sie die Tafel um und begann eine Zeitleiste mit geschichtlichen Ereignissen anzuzeichnen. Die Lustigen Hufeisen, die alle ihre Collageblöcke aufgeschlagen hatten, begannen von der Tafel abzuschreiben.

 

„Prima, den ersten Schultag haben wir schon überlebt!“, drehte sich Isabelle zu ihrer Cousine um, die auf dem Reitplatz neben ihnen ritt. Heute war ein warmer Spätsommertag, den die beiden Mädchen unbedingt ausnutzen wollten. Gemächlich drehten sie im Schritt und im Trab ihre Runden. „Kaum zu glauben, dass du schon ein Jahr bei uns wohnst“, sagte Isabelle zwischendrin. „Das kann ich mir auch kaum vorstellen“, nickte Wiebke, „Echt krass, wie schnell die Zeit vorbei geht. Nicht, dass wir dann plötzlich erwachsen sind“ „Das hat hoffentlich noch bisschen Zeit“, grinste Isa, obwohl sie den Eindruck hatte, dass sich sehr viel geändert hatte. Im letzten Sommer waren ihre Freundinnen und sie viel kindlicher und es wurde längst nicht so viel über Liebe und Beziehungen gesprochen. Plötzlich zuckte Kandra und warf ihren Kopf unruhig hin und her. Wahrscheinlich war es eine Bremse, die sie gestochen hatte. „Können diese Mistviecher uns nicht einmal in Ruhe lassen“, schimpfte Isabelle, die beruhigend auf ihre Stute einredete. „Das kommt davon, wenn der Reitplatz direkt neben einem Teich liegt“, deutete Wiebke auf einen grünlichen halbzugewachsenen Tümpel, „Das ist die beste Brutstätte aller Mücken und weiterer Stechviecher“ Obwohl es sehr schön war, auf dem Platz zu reiten, aber die Bremsen nervten nach einer gewissen Zeit doch ziemlich. „Man, mich hat jetzt schon eine gestochen!“, fluchte Isabelle. „Wahrscheinlich hast du das süßere Blut von uns beiden“, witzelte ihre Cousine, worauf Isa nur etwas Unverständliches vor sich hin grummelte.

 

Eine Stunde später saßen die beiden Cousinen auf einer Bank im Schatten einer Linde und sahen zu, wie Alaska und Kandra sich auf der Koppel austobten. „Als hätten wir sie nicht genug bewegt“, kommentierte Isa. „Mich wundert es auch, dass sie bei dem warmen Wetter noch so viel Power haben“, pflichtete ihr Wiebke bei, die einen Schluck Wasser aus ihrer Flasche nahm. „Wollen wir mal nachschauen, ob Maxi schon da ist?“, schlug Isabelle vor, „Sie hat mir vorhin geschrieben, dass sie gegen fünf Uhr kommt“ „Muss das sein?“, murmelte Wiebke müde vor sich hin. „Komm schon, hoch mit dir, du faule Socke!“, zog ihre Cousine sie von der Bank hoch. „Na gut, ich komm schon mit“, hakte sich Wiebke bei ihr ein. Gerade führten Maxi und Marlon ihre Pferde nebeneinander auf den Reitplatz und schienen sich prächtig zu unterhalten. „Hallo, ihr beiden!“, winkte ihnen Maxi zu. „Hi Maxi!“, riefen die beiden Cousinen. „Wollt ihr heute gar nicht reiten?“, fragte Marlon. „Wir sind vorhin schon geritten, aber uns wurde in der Sonne doch zu warm“, antwortete Isa. „Wollt ihr uns nicht ein bisschen zuschauen?“, wandte sich Maxi an ihre Freundinnen. „Na klar, einen Augenblick können wir noch bleiben“, bejahte Wiebke, die sich auf eine Holzstange hinter den Zaun setzte. Isabelle fiel auf, wie dicht Maxi und Marlon nebeneinander her ritten und sich die ganze Zeit leise miteinander unterhielten. Dabei lächelten sie sich ununterbrochen an und brachen immer wieder in Gekicher aus. „Sie scheinen sich prächtig zu amüsieren“, kommentierte Wiebke. „Kann schon sein“, brummte Isabelle und starrte auf ihr Handy. Es war neu, dass Maxi und Marlon so zusammen gluckten. Eigentlich war es eher Merle, die mit ihm sehr viel Zeit verbrachte. „Maxi, Fabella hat wirklich einen fabelhaften Galopp!“, bewunderte Marlon. Isabelle warf ihrer besten Freundin einen neidischen Blick zu. Auf dem Rücken ihrer Stute machte sie eine ausgezeichnete Figur. Ihre seidigen schwarzen Haare flogen im Wind und ihr türkises Top betonte ihre Sommerbräune besonders gut. „Maxi sieht wirklich wie eine indianische Schönheit aus, kein Wunder dass Marlon sie attraktiv findet“, flüsterte ihr Wiebke ins Ohr. Genervt drehte sich Isa von ihr weg. Warum musste ihr jeder unter die Nase reiben, dass Maxi solch eine Schönheit war? Es gab Momente, da fühlte sich Isabelle nicht mal ein Zehntel so hübsch wie ihre Freundin. „Guck mal!“, zehrte Wiebke sie am T-Shirt. Isabelles Blick fiel auf Maxi und Marlon, die während sie im Schritt ritten, sich an den Händen hielten. „Was interessiert mich das?“, blaffte sie ihre Cousine an. Ihr passte es im Moment gar nicht, dass ihr Schwarm mit ihrer besten Freundin flirtete.

 

„Kaum macht Marlon mit Jasmin Schluss, dann schmeißt sich Maxi an ihn ran“, beklagte sich Isa auf dem Heimweg. „Das kannst du so auch nicht sagen“, nahm Wiebke Maxi in Schutz, „Ich habe schon öfter gesehen, dass sie sich miteinander unterhielten“ „Das war aber eindeutig mehr als eine belanglose Unterhaltung, sondern ein Flirt“, beharrte Isabelle. „Aber soweit ich weiß, sind die beiden nicht zusammen“, meinte Wiebke. „NOCH nicht!“, betonte Isa und trat etwas schneller in die Pedale. „Aber Maxi hat uns gegenüber nicht kundgetan, dass sie ihn verknallt ist“, erwiderte ihre Cousine. „Das muss sie auch nicht, Wiebke!“, antwortete Isabelle etwas zu barsch, „Als sie mit Patrick zusammen kam, hat sie zuerst auch nicht viel darüber geredet, bis ich sie zusammen rumkutschen sah“ „Ich bin immer noch der Meinung, dass die beiden immer noch befreundet sind“, hielt Wiebke immer noch dagegen. Isabelle schwieg, manchmal hatte es keinen Sinn gegen ihre Cousine an zu reden, denn manchmal saß Wiebke wie ein schwerer Fels auf ihrer eigenen Ansicht. Isabelle fand schon, dass Marlon schon seit geraumer Zeit Maxi begehrende Blicke hinterher warf und das Gespräch mit ihr suchte. Frustriert legte Isa einen Zahn zu, sodass Wiebke kaum noch hinterher kam. Seit ungefähr anderthalb Jahren war sie in Marlon verknallt, aber Marlon war zuerst über ein halbes Jahr mit Jasmin zusammen und nun war er dabei sich ihre beste Freundin zu angeln. Isa seufzte innerlich schwer. Liebe konnte viel frustrierender sein, als eine verhauene Klassenarbeit, vor allem wenn ihr Schwarm sich auch noch ausgerechnet für ihre beste Freundin interessierte, die überall den Ruf als Schönheitskönigin weg hatte.

 

7. Kapitel

 

„Hey, kommt ihr nachher mit Maxi und mir zur Eisdiele?“, fragte Marlon, als sie nach einer anstrengenden Springstunde von ihren Pferden stiegen. „Klar, ich bin dabei!“, jubelte Merle. „Eigentlich müsste ich noch für den Grammatiktest in Englisch üben, aber ich eine Stunde Zeit hätte ich wohl noch“, meinte Isabelle, die Kandra noch zwei Runden trocken ritt. „Hallo, seid ihr gleich so weit?“, fragte Maxi, die die ganze Stunde mit Wiebke hinter der Bande gesessen und den Springreitern zugeschaut hatte. „Klar, wir müssen nur eben absatteln, die Hufe auskratzen, striegeln und dann unsere Vierbeiner“, erwiderte Finley, der Astral bereits auf die Stallgasse geführt hatte. „Wir helfen euch gerne, dann geht es schneller“, bot Wiebke ihre Hilfe an. „Danke, dass ist nett von euch“, bedankte sich Isa. „Ich kriege es auch alleine gebacken“, sagte Merle, die den Sattel eigenhändig in die Sattelkammer brachte. „Kommen Ronja und Klara auch noch zur Eisdiele?“, fragte Wiebke. „Aber sicher!“, antwortete Maxi, „Ich habe ihnen gerade schon bescheid gesagt. Sie müssen nur noch ein paar Hausaufgaben erledigen und dann kommen sie direkt zu unserem Eiscafe“ „Cool, so ein Bandentreffen mitten in der Woche hat auch was“, fand Merle. „Bandentreffen, wenn die beiden Jungs auch dabei sind?“, sah Isabelle ihre Freundin stirnrunzelnd an und fügte grinsend hinzu, „Naja, so häufig wie Marlon und Finn mit uns herumhängen, kann man sie auch schon beinahe als Bandenmitglieder bezeichnen“ „Ich hätte irgendwie schon Appetit auf ein leckeres Eis“, murmelte Wiebke leise vor sich hin, die dabei war Kandras Fell zu striegeln. „Meine Güte, bloß keine Eile, ich bin noch eine Weile mit Astral beschäftigt“, drehte sich Finley zu ihr um. „Aber ich kann dir auch helfen“, stellte sie den Putzkasten hin und begann Astrals Hufe auszukratzen.

 

„Bah, was für ein Wetter!“, rümpfte Maxi die Nase, als sie aus dem Stall traten. Draußen regnete es und es war deutlich kühler als noch vor wenigen Tagen. „Der Sommer ist wohl vorbei“, meinte Finley, „Trotzdem kann es noch schöne Tage geben“ Die sechs Freunde schwangen sich auf ihre Fahrräder. „Hier lang!“, navigierte Maxi die kleine Gruppe über einen matschigen Feldweg, da sie wusste, wie sie auf dem kürzesten Weg zur Eisdiele gelangen konnte. Fahrradfahren machte bei diesem Wetter wirklich keinen Spaß, deshalb versuchten sie die Fahrzeit so gut es ging zu verkürzen. Trotzdem waren sie alle halbwegs durchnässt, als sie bei der Eisdiele ankamen. „Buongiorno!“, winkte Maxis Onkel Antonio den Freunden zu. „Buongiorno“, lächelte Maxi und sagte noch einige Dinge auf Italienisch, die ihre Freunde nicht verschwanden. Nun kamen auch Ronja und Klara hereingeschneit. „Meine Güte seid ihr nass“, bemerkte Klara gleich als erstes. „Klara und ich haben gerade noch bei mir Zuhause Hausaufgaben erledigt und für Englisch gelernt. Als wir gesehen haben, wie es geregnet hat, haben wir schlauerweise den Bus genommen“ „Kommt, wir setzen uns in unsere Ecke“, deutete Maxi auf ihren Lieblingstisch hinter einer Blumenfassade. Zudem war der Ecktisch durch zwei große Gummibäume ziemlich versteckt. Hier konnte man gut unter sich sein. Maxi setzte sich zwischen Isabelle und Marlon auf die Bank und schlug eine Karte auf. „Wollen wir einen Partnerbecher nehmen?“, flüsterte Marlon Maxi ins Ohr, sodass Isa es hören konnte. „Gerne, warum nicht?“, lächelte Maxi. „Wie groß darf unser Eis maximal sein?“, fragte Ronja. „Ihr dürft euch aussuchen, was ihr wollt“, meinte Maxi, „Ihr seid herzlich eingeladen“ „Trotzdem nehme ich nur einen Kinderbecher“, erwiderte Finley bescheiden. „Ich auch“, schloss sich Ronja ihm an. „Wenn ihr alle so bescheiden seid, dann nehme ich den Erdbeerjoghurttraum“, deutete Klara auf einen riesigen Eisbecher auf ihrer Karte. Im nächsten Moment kam Antonio und notierte sich die Wünsche.

 

Isabelle fühlte sich neben Maxi ein bisschen fremd. Sonst waren sie und Maxi diejenigen, die dauernd die Köpfe zusammensteckten, aber gerade widmete Maxi Marlon ihre volle Aufmerksamkeit. Marlon und Maxi hielten unter dem Tisch Händchen und unterhielten sich im Flüsterton, während sie ununterbrochen anlächelten. Isabelle musste in diesem Augenblick ihre aufsteigende Eifersucht herunterschlucken. „Darf ich mal eine Frage stellen?“, meldete sich Finley zu Wort. „Gerne, schieß los!“, horchte Wiebke auf. „Mein Kumpel Yannik aus dem Hockeyteam und ich haben die Idee, eine eigene Band zu gründen“ „Cool, ich spiele seit einiger Zeit E-Gitarre!“, begannen Merles hellblauen Augen zu leuchten. „Yeah, ich bin auch dabei, ich kann Keyboard spielen!“, schien Klara genauso begeistert zu sein. „Dann sind wir schon mal zu viert“, fuhr Finley fort, „Ich spiele Schlagzeug, Yannik Bass, Merle E-Gitarre und Klara Keyboard. Wir bräuchten noch ein oder zwei Sängerinnen, einen Gitarristen und Leute, die sich um die Tontechnik kümmern“ „Ich kann Gitarre spielen“, zeigte Isabelle auf. Nur Wiebke sah nicht so begeistert aus. „Was ist denn, Wiwi?“, tickte Klara sie an. „Ich kann nur Geige spielen“, antwortete sie leicht bedrückt. „Das macht doch nichts“, meinte Finley, „Bestimmt haben wir auch Songs mit einem Geigenintro in petto“ „Weißt du was?“, sah Isabelle ihrer Cousine in die Augen, „Hast du nicht mal erzählt, dass du dich mit dem Mischpult auskennst?“ „Ja stimmt, mein Bruder hat sowas und ich habe es schon mal ausprobieren können“, nickte sie. „Prima, dann kannst du dich schon mal mit Thorben zusammen tun, der hat Zuhause ein Mischpult und er will vielleicht auch in unsere Band einsteigen“, war Finley ganz angetan.

 

„Ronja, du kannst doch gut singen. Hast du Lust unsere Leadsängerin zu sein?“, wandte er sich als nächstes an Ronja. „Gerne, aber dann am liebsten mit Maxi“, nickte sie. Maxi und Marlon waren immer noch in ihr trautes Gespräch vertieft und schienen nicht mitbekommen zu haben, worum es ging. „Hey, ihr Turteltauben!“, knüllte Klara eine Servierte zu einer Kugel und traf Marlon an der Stirn. „Was ist denn los?“, sah Marlon irritiert auf. „Es geht darum, dass wir eine Band gründen wollen“, erklärte Finley ihnen. „Die Idee finde ich nicht schlecht, aber ich spiele nur Klavier und weiß nicht, ob das wirklich passend ist“, überlegte Maxi. „Du hast doch eine tolle Stimme, Maxi“, warf Ronja ein, „Es wäre cool, wenn wir beide die Leadsängerinnen wären“ „Mit der Idee kann ich mich anfreunden“, war ihre Freundin mit einem Schlag wieder überzeugt. Marlon meinte nur, "Ich bin völlig unmusikalisch. Ich kann weder singen noch ein Instrument spielen. Ich könnte höchstens ein paar Managementaufgaben übernehmen und eure Internetseite gestalten, wenn ihr wollt“ „Aber bis dahin hat es noch Zeit“, sagte Merle. „Ich frage mich nur, wann wir proben sollen und wo?“, stellte Wiebke die entscheidende Frage. „Einen geeigneten Raum hätten wir bei uns im Haus und zwar im großen Hobbyraum neben der Garage“ „Gut, einen Raum haben wir schon mal“, überlegte Finley weiter, „und wir brauchen einen regelmäßigen Probentermin“ Nun fingen die Freunde an durcheinander zu reden. „Hey, es bringt nichts, wenn ihr alle auf einmal redet“, rief Finley. „Ich mache einen Vorschlag, wenn es euch passt“, meldete sich Merle wie in der Schule, worauf einige ihrer Freunde grinsten. „Und das wäre…“, fuhr Wiebke dazwischen. „Freitagsabend zwischen halb sieben und acht Uhr“, redete Merle weiter. Ihr Vorschlag traf bei ihren Freunden auf geschlossene Zustimmung. „Aber Freitag ist doch Bandennachmittag“, erinnerte Isabelle Merle. „Aber wir hocken doch meist nicht länger als fünf Uhr oder halb sechs in unserem Bandenquartier“, meinte Klara.

 

Antonio kam und brachte die Eisbecher zu ihrem Tisch. „Du hast wirklich viele Freunde mitgebracht“, sagte er zu Maxi. „Ja, das sind meine Freundinnen und zwei Kumpels aus dem Reitstall“, antwortete sie. „Und wir gehen in die gleiche Klasse, bis auf Marlon, der zwei Klassen über uns ist“, fügte Merle hinzu. Der Kellner verabschiedete sich und wünschte ihnen einen guten Appetit. Isabelle fühlte sich mit einem Blick auf Maxi und Marlon sehr unbehaglich, sodass ihr fast das Eis im Hals stecken blieb. Ganz leise tuschelten sie miteinander, sodass man sie kaum verstehen konnte. Sie fütterten sich gegenseitig mit Eis und Sahne. Zudem hatte Marlon seine Hand auf Maxis Schulter gelegt. Zwischen ihnen lief wirklich etwas, dass konnte niemand mehr leugnen. Isa kam sich gerade echt vor wie das fünfte Rad am Wagen. Seitdem sie im Eiscafe saßen, redete Maxi hauptsächlich mit Marlon. Nur manchmal wechselte sie auch ein paar Worte mit Merle, Klara oder Finley. Doch mit ihr hatte Maxi fast gar nicht geredet. Generell kam sich Isa gerade wie eine halbe Außenseiterin vor. Merle, Finley und Klara steckten die Köpfe zusammen. Ronja und Wiebke fragten sich gerade gegenseitig Französischvokabeln ab. Maxi und Marlon waren sowieso unzertrennlich. Isa hörte abwechselnd den Gesprächen zu. Sie konnte es nicht vermeiden, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen. „Was ist los?“, fragte Ronja, die ihr gegenüber saß. „Ach nichts“, brummte Isabelle und löffelte schlechtgelaunt ihr Eis weiter. Große Lust hier zu bleiben, hatte sie nicht. „Ich muss schnell los, ich habe vergessen, dass ich heute Gitarrenstunde habe“, stand sie auf und griff nach ihrer klammen Jacke. „Warum ausgerechnet jetzt?“, runzelte Wiebke die Stirn. Ihre Cousine wusste natürlich, dass Isa normalerweise immer montags Gitarrenunterricht hatte. „Die Stunde wurde vorgezogen, weil meine Lehrerin vorgestern krank war“, spann sie ihre Notlüge weiter. „Ok, viel Spaß noch!“, wünschte ihr Merle. Ronja und Wiebke winkten ihr hinterher, aber Maxi redete immer noch mit Marlon und schien nicht zu merken, dass sie ging.

 

Mit viel Wut im Bauch düste Isa auf ihrem Rad die Hauptstraße entlang. Sie war schwer enttäuscht, ganz besonders von Maxi, die eigentlich ihre beste Freundin war. Doch irgendwie war seit dem neuen Schuljahr alles merkwürdig. Schon vor zwei Wochen turtelten Marlon und Maxi auf dem Reitplatz herum und noch immer hielt sich Maxi über die Beziehung bedeckt. Wieder fing es an zu gießen und diesmal war sie in null Komma nichts pitschnass. Zum Glück war sie schnell Zuhause und stellte sich unter die Dusche. Als sie das warme Wasser über ihren Rücken lief, bekam sie so eine große Wut auf Maxi, dass sie einen Schwamm nahm und zerknüllte. Pah, von wegen beste Freundin! Maxi verhielt sich ihr gegenüber immer gleichgültiger, was Isa sehr verletzte. In den letzten Schulpausen stand Maxi eh immer am Basketballfeld und sah ihrem Schwarm zu. Das Kunstprojekt machte Maxi mit Nora zusammen, während Isabelle mit ihrer eigenen Cousine zusammenarbeitete. Bei Maxi fühlte sie sich fast abschrieben. „Sie ist keine Freundin und schon gar keine Beste!“, zischte sie leise voller Zorn. Im nächsten Moment kamen ihr die Tränen, die sie vorhin vor ihren Freunden zurückgehalten hat. Hier war es egal, wie sehr sie weinte, schließlich sah es niemand. Gerade konnte sie nicht anders als zu weinen und ihr war es recht, dass sie dabei alleine war. Marlon und Maxi konnten so viel herummachen, wie sie wollten, wenn sie nicht dabei war. „Wenn Maxi wirklich so eine schlechte Freundin ist, werde ich ihr für ein paar Tage ganz aus dem Weg gehen“, nahm sie sich im Geheimen vor.

 

„Können wir Plätze tauschen?“, fragte Isabelle ihre Cousine am nächsten Tag. „Warum das?“, fragte Wiebke erstaunt. „Ich möchte neben Ronja sitzen, sie kann mir am besten in Mathe helfen“, erklärte ihr Isa. Die beiden Mädchen tauschten die Plätze. Als nächstes teilte Frau Wiebrock die Englischteste aus. Isabelle bekam mit, wie Maxi und Klara hinter ihr leise am tuscheln waren. „Wenn ihr nicht auf der Stelle ruhig seid, gebt ihr die Tests wieder ab und geht raus. Habt ihr verstanden?“, ermahnte die Lehrerin die beiden Mädchen streng. Während Ronja zügig anfing zu schreiben, starrte Isa gedankenverloren an die Decke. Obwohl sie sonst sehr gut in Englisch war, brachte sie in den kommenden fünfundvierzig Minuten nicht viel zustande. Viel zu sehr musste sie an die immer schwächer werdende Freundschaft mit Maxi denken. Auch heute hatte ihre Freundin hauptsächlich mit Merle über die kommenden Dressurturniere geredet und sie nur kurz gegrüßt. Bald klingelte es zur großen Pause. „Ich gehe mit Maxi zum Basketballfeld. Marlon hat Finley versprochen, dass er mitspielen darf und ich will ihm dabei zusehen“, teilte Merle Isabelle und ihren Freundinnen mit. „Ich weiß gar nicht, warum die Basketball sooo plötzlich mega interessant finden. Zuvor fanden sie jede Ballsportart totlangweilig“, bemerkte Klara, nachdem Merle und Maxi gegangen waren. Isabelle sagte nichts dazu, da sie sich insgeheim darüber ärgerte, dass Merle nun genauso anfing wie Maxi.

 

Am Nachmittag ritt Isabelle mit Ronja über die abgeernteten Stoppelfelder. Im Gegensatz zum grauen Vormittag kam die die Sonne zum Vorschein und überall spiegelten sich ihren Strahlen, da die Straßen immer noch feucht vom Regenschauer am frühen Nachmittag waren. „Ich finde es irgendwie merkwürdig und sehr unbehaglich, dass ihr euch gegenseitig meidet. Du hast dich sonst schon öfter in die Haare mit Maxi bekommen, aber das ihr euch wie aus dem Nichts auf einmal so ignoriert“, schnitt Ronja das unbeliebte Thema an. „Das hat seinen Grund“, sagte Isabelle trocken. „Aber nur weil sie mit Marlon zusammen ist?“, zog ihre Freundin die Augenbrauen hoch. „Woher weißt du überhaupt, dass sie zusammen sind?“, fragte Isa etwas barsch. „Das sieht man doch“, erwiderte Ronja fest und steif, „Zumindest sieht man, dass sich zwischen ihnen etwas anbahnt. Aber ich finde sie passen wirklich gut zusammen, beide lieben Pferde und haben einen Sinn für Romantik“ Isabelle nickte nur schwach und lenkte ihre Hannoveranerstute auf einen breiteren Feldweg, der sich als optimale Rennstrecke eignete. Isa ließ Kandra angaloppieren, während Ronja im gleichen Tempo weiterritt und ihre Freundin ziehen ließ. „Offenbar war es doch nicht so klug, dass ich Isa darauf angesprochen habe“, dachte sie bei sich und machte sich ernstzunehmende Sorgen, dass die Eiszeit zwischen Isabelle und Maxi negative Auswirkungen auf ihre Bande haben könnte. Das nur alles wegen einem Jungen! Ronja konnte diesen Streitpunkt nur bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, da sie selbst noch keine Erfahrungen in Sachen Beziehungen hatte oder sich jemals in einen Jungen verliebt hatte, den sie auch im realen Leben kannte.

 

Am nächsten Morgen musste Isabelle feststellen, dass ihr Fahrrad einen Platten hatte. Ihre Cousine fuhr aus Solidarität mit ihr Bus. Der Schultag nahm seinen gewohnten Lauf. Es gab den Englischtest zurück, bei dem sie mit einer knappen Vier gerade noch so bestanden hatte. Maxi und Merle hingen in den Pausen immer noch am Basketballfeld rum. Da die letzten beiden Stunden ausfielen, drängten sich unzählige Schüler an der Bushaltestelle. Isabelle war alleine, denn Ronja traf sich mit der Wissenschaftler-AG. Klara und Wiebke hatten eine Sitzung bei der Schülerzeitung. Im Gewusel erkannte sie Merle und Maxi, die sich mit einer Schülerin aus der Parallelklasse unterhielten. Natalie hieß sie, soweit Isabelle wusste und war mit ihnen in der Tanzgruppe. Als zwei Busse hintereinander kamen, leerte sich der Bussteig und es waren nur noch wenige Schüler da. „Hi!“, schritt Maxi auf Isabelle zu, die nur säuerlich lächelte. „Hast du schon die Chemieaufgaben gemacht? Ich habe gehört, dass du gestern die Ausarbeitung mit Ronja gemacht hast“, sagte ihre Freundin, nachdem sie kurz Luft geholt hatte. „Warum fragst du mich?“, klang Isabelle angefressen. „Vielleicht hilfst du mir dabei ein bisschen“, fuhr Maxi kleinlaut fort. „Warum soll ich dir helfen, wenn du mich die ganze Zeit links liegen lässt?!“, fauchte Isabelle ungehalten. „Hey, was ist denn los mit dir?“, sah ihre Freundin ein wenig verletzt aus. „Warum kommst du angeschlichen, wenn du sonst keinen Gesprächspartner hast?“, giftete Isabelle weiter, „Anscheinend bist du auf meine Freundschaft gar nicht angewiesen, so wie du mich behandelst“ „Wer hat sich von mir weggesetzt und redet kein Wort mehr mit mir?“, fauchte Maxi wütend. „Ich habe mich aus einem guten Grund weggesetzt. Marlon ist dir anscheinend wichtiger als alles andere. Du behandelst mich von Tag zu Tag mehr wie Luft. Soll ich das im Ernst noch als Freundschaft bezeichnen? Dass ich sauer bin, hat auch mit dir zu tun, Maxine!“, wurde Isabelle immer lauter bis sie ihre Worte ihrer Freundin ins Gesicht schrie. „Du bist auch keine richtige Freundin, du bist mir doch auch aus den Weg gegangen und du gönnst mir gar nichts! Als beste Freundin solltest du damit klar kommen, dass ich mit Marlon zusammen bin“, schoss Maxi zornig zurück und gab ihr einen unsanften Stoß. Isabelle ließ sich das nicht gefallen, zog am Ärmel von Maxis Lederjacke und schubste sie dann unsanft gegen die Glaswand vom Busstellenhäuschen. Einige jüngere Schüler sahen sich geschockt an. „Du bist keine Freundin! Lass mich in Frieden und verzieh dich!“, weinte Maxi beinahe. „Von dir will ich eh erstmal nichts mehr wissen“, fauchte Isabelle und stieg in den nächsten Bus ein.

 

Der Tag war gelaufen. Erst hatte Marlon ihr in der Pause mitgeteilt, dass er ihre Verabredung aufgrund eines Arzttermins absagen musste, dann der Streit mit Isabelle, eine schlechte Note im Englischtest und eine total verkorkste Dressurstunde, wo Mareike sie ununterbrochen verbessern musste und Kritik an Fabella äußerte. Fabella war schon immer sehr temperamentvoll gewesen, aber heute war sie besonders nervös und tanzte bei jeder Gelegenheit aus der Reihe. Maxi war immer noch ein bisschen sauer auf Mareike, dass sie Fabella so dermaßen degradierte. „Du bist mein ganz besonderer Schatz und meine allerbeste Freundin!“, flüsterte sie ihrer Stute ins Ohr und ignorierte die hämischen Blicke der Stallzicken, als sie Fabella ein paar Runden in der Halle trockenführte. Komischerweise war ihre Stute nun relativ ruhig. „Jetzt geht es ab in den Stall, du hast Feierabend“, sagte sie leise zu ihrer goldenen Araberstute. „Oh mein Gott, die redet die ganze Zeit mit ihrem unfähigen Pferd. Als ob die hier sonst keine Freunde hätte“, lästerte Chiara, die neue und vierte Stallzicke, die erst seit zwei Monaten bei ihnen im Reitstall war. Blitzschnell hatte sie sich mit Charlotte, Melanie und Jana angefreundet. Maxi ignorierte die Sticheleien hinter ihrem Rücken, denn Chiara und Melanie mussten es voll auskosten, dass sie in der heutigen Stunde die Dressurqueen übertrumpft hatten. „Es wäre schön, wenn du nicht immer deine dumme Klappe aufreißen würdest. Checkst du gar nicht, dass du alle anderen nervst?“, funkelte Julia Chiara wütend an. Es war das erste Mal, dass Julia etwas sagte, denn heute war sie sehr still. Maxi war sogar ein bisschen erstaunt, dass Julia für sie in die Bresche sprang. Früher hatten sich die beiden Mädchen nicht besonders gemocht, doch nun war Julia nicht mehr halb so schlimm und machte seit den Sommerferien keine zickigen Bemerkungen mehr. Maxi verließ die Reithalle und führte Fabella auf die Stallgasse. „Was für ein bescheuerter Tag!“, dachte sie deprimiert und begann Fabella abzusatteln. Zwischendrin sah Maxi auf ihrem IPhone nach, Marlon hatte ihr immer noch nicht geantwortet und auch sonst war keine neue Nachricht hereingekommen. Gelangweilt verstaute sie das Handy wieder in der Tasche ihrer beigen Reitweste und widmete sich wieder ihrem Pferd. Hinter ihrem Rücken wurde wieder gekichert. Offenbar hatten Chiara, Melanie und Jana wieder viel Spaß.

 

Gerade als Maxi Fabella in ihre Box gestellt hatte und auf die große Stalltür zusteuerte, entdeckte sie Julia, die wie ein Häufchen Elend zusammengesunken auf einer Holzbank saß. Das Mädchen hatte ihr Gesicht in ihren Händen verborgen und bebte am ganzen Körper. Maxi erkannte sofort, dass es ihr nicht gut ging. „Alles in Ordnung bei dir, Julia?“, fragte sie besorgt. Julia antwortete ihr nicht, stattdessen schluchzte sie nur kurz auf. „Soll ich Mareike holen?“, setzte sich Maxi neben sie. „Nein, ist schon gut“, sagte Julia mit tränenerstickter Stimme. „Was ist eigentlich mit dir los?“, hakte Maxi weiter nach. „Patrick! Er hat einfach über SMS Schluss gemacht, weil wir angeblich nicht zusammenpassen. Wir hatten uns schon öfter in den Haaren, aber dass er mich plötzlich abserviert, das hätte ich nicht gedacht“, heulte Julia los und wischte sich die Tränen von der Wange. „Er ist ein Arschloch“, erwiderte Maxi prompt, „So ein Idiot hat keine Freundin verdient! Du und ich, wir sind viel zu gut für ihn!“ Ihre Mitreiterin weinte noch heftiger und Maxi fühlte sich ein wenig hilflos, wie sie Julia am besten trösten konnte. Vorsichtig legte sie ihr die Hand auf die Schulter und reichte ihr ein Taschentuch. „Holt dich gleich jemand ab?“, fragte sie. „Meine Mutter kommt gleich“, schniefte Julia. „Dann ist ja gut, ich muss jetzt langsam los. Lass dich bloß nicht von diesem Lackaffen runterziehen. Es wird dich schon ein besserer Junge finden, der zu dir passt“, stand Maxi auf und verabschiedete sich von ihr. Maxi hatte Julia noch nie besonders gemocht, aber gerade tat sie ihr einfach nur leid und nun teilten sie sich zusammen einen Ex-Freund. „Vielleicht ist Julia doch gar nicht so übel“, dachte sie bei sich. Eine Freundin in der Dressurgruppe konnte sie echt gebrauchen, da die anderen Stallzicken ihr deutlich zu verstehen gaben, dass sie nicht dazu gehörte.

 

Auf dem Hof lief ihr Marlon entgegen. „Marlon!“, rief sie freudig und rannte auf ihn zu. „Hi, mein Maxi-Schatz!“, gab er ihr einen Begrüßungskuss. „Ich dachte, du hättest keine Zeit“, war sie immer noch verblüfft. „Der Arzt hat sich nur kurz meinen Knöchel angeschaut und meinte, dass ich zwei Wochen mit dem Training pausieren sollte“, meinte er. „Wenigstens nichts Schlimmes“, war Maxi erleichtert und fragte, „Hast du noch ein paar Minuten Zeit?“ „Klar, komm wir setzen uns ins Wohnzimmer“, nahm er ihre Hand. Maxi und Marlon holten sich Kakao und warmen Apfelkuchen aus der Küche und machten es sich im Wohnzimmer bequem. Es war altmodisch eingerichtet, aber trotzdem strahlte es seinen Charme aus und gerade bei dem nasskalten Septemberwetter war es hier sehr gemütlich. Maxi ließ ihren Blick über unzählige Geweihe, Tierköpfe und Trophäen wandern. „Ja, mein Opa war Jäger“, grinste Marlon und machte es sich neben seiner Freundin auf dem Sofa bequem. Während sie den Apfelkuchen verputzten, schüttete Maxi ihr Herz aus. „Ich weiß, dass Isa manchmal eifersüchtig reagiert“, sagte Marlon, „Das ist halt ihre Schwäche. Ich mag sie eigentlich auch sehr gerne und sie ist ein hübsches Mädchen, aber du hast das entscheidende Etwas, was sie nicht hat. Deshalb habe ich mich für dich entschieden“ Sanft streichelte er ihr über den Rücken, während Maxi die Augen schloss und sich an ihn schmiegte.

 

„Ich habe Angst, dass Isa mir endgültig die Freundschaft kündigt, wenn ich es bekannt mache, dass wir zusammen sind“, gab sie zu Bedenken, „Seit fast drei Wochen verhält sie sich so merkwürdig. In der Schule hat sie sich von mir weggesetzt und redet die meiste Zeit nur noch mit Ronja, Wiebke und Klara. Wenigstens hält Merle noch zu mir“ „Du kannst immer zu mir kommen, wann du willst. Ich bin immer für dich da. Ich merke schon, wie sehr dich das belastet, aber das wird schon wieder“, schloss er sie in seine Arme. Maxi war so gerührt, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Das Gesagte musste einfach heraus, sie konnte es nicht weiterhin in sich hineinfressen. Andererseits hatte sie davor keine Gelegenheit ihr Anliegen einer vertrauten Person zu erzählen. Ihre Eltern arbeiteten bis spätabends im Restaurant, ihr Bruder studierte, in der Dressurgruppe hatte sie eh keine richtigen Freundinnen und ihre Freundinnen von den Lustigen Hufeisen wollte sie nicht mit dem leidigen Thema nerven. Wenigstens gab Marlon, der ihr immer zuhörte und sie dabei ernst nahm. „Ach, das wird schon wieder. Die Freundschaft mit Isa renkt sich wieder ein und dann seid ihr wieder unzertrennlich“, fuhr er ihr durch die Haare.

 

8. Kapitel

„So nicht!“, unterbrach Finley erneut. „Was habe ich denn falsch gemacht?“, ließ Merle ihre E-Gitarre verstummen. „Du und Isa, ihr habt zu spät eingesetzt“, meinte Finley, der sich als Bandleader hervor tat. „Wie oft willst du uns dieses Lied noch wiederholen lassen?“, fuhr Maxi ihn genervt von der Seite an. „Jetzt beruhigt euch doch mal“, wandte Klara beruhigend ein, „Wir proben zum ersten Mal und daher ist es kein Wunder, dass es nicht gleich auf Anhieb klappt.“ - „Ich spiele dieses Lied nochmal, aber diesmal nur mit Merle und Isa“, sagte Finley im nächsten Moment und zählte an. Merle ließ den satten Sound ihrer E-Gitarre erklingen, ehe Isabelle und Finley einstimmten. Ihre Freunde hörten ihnen gebannt zu. „Endlich konnte man heraus hören, um welches Lied es handelt“, meinte Wiebke, die mit Thorben zusammen hinter dem Mischpult saß. „Das war schon mal in Ordnung“, resümierte Finley, „Jetzt bitte mal Ronja und Maxi alleine.“ Thorben machte das Playback an und die beiden Mädchen begannen zu singen. „Ihr seid wunderbar!“, lobte Klara. „Es liegt nicht daran, dass wir nicht singen können oder unsere Instrumente nicht beherrschen“, fasste Ronja zusammen, „Sondern unser Zusammenspiel ist einfach nicht gut.“ – „Ach das kommt noch“, zwinkerte ihr Isabelle zu. „Wollen wir es vor der Pause nochmal versuchen?“, griff Yannik nach seiner Bassgitarre. „Von mir aus gerne“, nickte Merle. „Eins, zwei, drei, vier!“, zählte Finley an und die Band legte los. Thorben drehte einen Regler am Mischpult hoch, damit die zaghaften Stimmen von Ronja und Maxi zu hören waren. Wiebke wippte mit und begleitete die Band auf einem Schellenkranz. „Hat halbwegs geklappt“, fand Klara. „Im Gegensatz zu gerade eben war das schon hundertmal besser“, nickte Finley.

 

Kurz darauf wurde Pause gemacht. Die Bandmitglieder machten es sich in der Sofaecke bequem. Maxi kuschelte sich an Marlon, der ebenfalls anwesend war und seinen Freunden nur zuschaute. „Das hast du prima gemacht!“, lobte Marlon seine Freundin. Isabelle schaute das verliebte Pärchen grimmig an und versuchte sich abzulenken, indem sie sich mit Ronja und Klara unterhielt. „Hat jemand schon eine Idee für einen Bandnamen?“, fragte Wiebke. „Oh, darüber habe ich mir noch nicht den Kopf zerbrochen“, schüttelte Merle den Kopf. „Wie wäre es, wenn wir die Band auch „Die Lustigen Hufeisen“ taufen?“, schlug Ronja. „Nein, das ist doch langweilig. So heißt doch schon unsere Bande und zudem ist das für die Jungs doof, da sie nicht zu den Lustigen Hufeisen gehören“, lehnte Maxi ab. „Wie wäre es mit der Cantina-Band?“, schlug Yannik feixend vor. „Das auf keinen Fall“, lachte Finley. „Für den richtigen Bandnamen ist es noch zu früh“, wandte Isa ein. „Der richtige Name für uns wird sich noch früh genug finden“, pflichtete ihr Merle bei. Gerade als die Jugendlichen am Diskutieren waren, kamen Merles Eltern herein. „Könnt ihr nicht anklopfen?“, fuhr Merle sie an. „Wir wollten nur sehen, ob es euch gut geht und vielleicht tut euch eine Stärkung ganz gut“, meinte ihre Mutter, die ein großes Tablett auf den Couchtisch stellte. Merles Vater kam mit einer Kiste Cola, Fanta und Sprite herbei. „Vielen Dank, dass ihr an uns gedacht habt“, änderte sich Merles Miene mit einem Schlag. „Das ist wirklich nett von Ihnen“, bedankte sich Finley und nahm sich ein paar Salzchips aus einer Schüssel. „Gern geschehen“, erwiderte Merles Mutter. „Ich habe doch wieder Appetit“, meinte Isabelle, die sich einen Schokoriegel nahm. „Soll ich euch etwas eingießen?“, öffnete Merles Vater eine Colaflasche, worauf die Jugendlichen einstimmig nickten. Als jeder Cola in seinem Glas hatte, wurde jubelnd auf die Bandgründung angestoßen. Eifrig bedienten sie sich bei den Snacks, die ihnen Merles Mutter gebracht hatte und bald waren die Schale mit den Chips, Erdnussflips, Keksen, Gummibärchen und Schokoladenriegeln leer. „Ihr seid doch eine ziemlich hungrige Meute“, stellte Merles Mutter belustigt fest, als sie das Zimmer verließen.

 

„Wenn es euch nicht stört, leiste ich euch noch ein bisschen Gesellschaft“, sagte Merles Vater. Als die Jugendlichen wieder aufgestanden waren und zu ihren Instrumenten gegangen waren, setzte er sich zu Marlon auf das Sofa. „Los, wir zeigen ihm, was in uns steckt!“, raunte Finley seinen Freunden zu und gab den Takt vor. Merle war ein wenig aufgeregt, dass ihr Vater ihnen zuschaute und verpasste um wenige Sekunden ihren Einsatz. „Nochmal von vorne“, unterbrach Finley, als das Lied wieder in Katzenmusik endete. „Kannst du nicht einmal aufpassen? Meine Stimme leidet, wenn wir dauernd neu ansetzen müssen“, murrte Maxi leise in Merles Richtung. Wieder wurde der Song von neuem gespielt. Ronja und Maxi sangen die Strophen abwechselnd. Wiebke summte gut gelaunt hinter dem Mischpult mit, sprang auf und tanzte mit dem Schellenkranz in der Hand um ihre musizierenden Freunde herum. Die gute Stimmung übertrug auf die anderen Bandmitglieder und auf Merles Vater und Marlon, die auf dem Sofa hockten und eifrig applaudierten. „Bravo, das war doch schon mal toll!“, lobte Merles Vater. „Oh verdammt, ich muss bald nach Hause!“, rief Maxi. „Wieso das denn? Es ist ein Freitagabend und du musst vor acht Uhr zuhause sein?“, runzelte Klara die Stirn. „Meine Oma ist da und sie meint, dass ich um acht Uhr zuhause sein muss, da es Abendbrot gibt“, erwiderte ihre Freundin. „Warum ist denn deine Oma bei euch zuhause?“, wollte Isabelle wissen. „Meine Mutter ist zu ihren Eltern nach Italien gefahren, da mein Opa im Krankenhaus liegt und Oma ist nicht mehr in der Lage, dass sie das Kochen und den Haushalt alleine geregelt bekommt. Es wird noch Wochen dauern, bis Mama zurückkommt, denn Opa hat morgen eine schwierige Herz-OP. Wenn er die überstanden hat, muss er noch für ein paar Wochen in die Reha. Solange meine Mutter nicht zuhause ist, übernimmt meine andere Oma den Haushalt und das Kochen“, erzählte Maxi und sah mit einem Mal sehr besorgt aus. „Mach dir keine Sorgen, das wird schon“, legte Ronja ihr tröstend den Arm um die Schulter. „Hey, wollen wir nicht das nächste Lied spielen?“, fragte Finley. „Nein, mir ist gerade nicht nach Bandprobe“, seufzte Maxi leicht bedrückt. „Dann kannst du dich zu Marlon aufs Sofa setzen“, meinte Merle. „Da es draußen stark am Regnen ist, fahren meine Frau und ich euch heute nach Hause“, erklärte sich Merles Vater bereit. „Vielen Dank, das ist richtig lieb von Ihnen“, bedankte sich Ronja, die das kommende Lied alleine singen musste. Isabelle, Yannik und Finley stimmten das nächste Lied an. Erstaunlicherweise lief es deutlich besser, als das erste Lied, welche sie pausenlos wiederholt hatten. „Warum haben wir diesen Song nicht gleich als erstes gespielt? Dieses Lied war viel simpler“, sagte Merle feststellend.

 

„Wenn wir Maxi pünktlich nach Hause bringen wollen, müssen wir demnächst aufbrechen“, sah Merles Vater auf seine teure Armbanduhr. Die Bandmitglieder zogen ihre Jacken an und setzten ihre Kapuzen auf. „Ihr braucht doch nicht eure Kapuzen aufsetzten. Um zu den Autos zu gelangen, müssen wir keinen Schritt bei diesem scheußlichen Wetter vor die Tür setzen“, sah Merle ihre Freunde belustigt an und zeigte ihnen, wie sie zur Tiefgarage unter dem Haus gelangten. Die Jugendlichen einigten sich darauf, dass Finley, Klara, Thorben, Ronja und Yannik in dem großen Mercedes von Merles Mutter Platz nehmen sollte, der insgesamt sieben Sitze hatte. Merle stieg zu ihrer Mutter ins Auto, da sie unbedingt noch ein bisschen mit Klara und Finley quatschen wollte. Isabelle, Wiebke, Maxi und Marlon durften in den prunkvollen BMW von Merles steigen. Die Garagentür öffnete sich von alleine. Zuerst fuhr Merles Vater aus der Tiefgarage. Draußen mussten die Scheibenwischer sofort Höchstarbeit leisten, da es in Strömen goss und heftig stürmte. „Was für ein Sauwetter!“, grummelte Merles Vater leise vor sich hin. Auf der Fahrt wurde allgemein wenig gesprochen, stattdessen wurde lieber die Massagefunktion der Sitze ausprobiert. „Wenn nur unsere Eltern nur so viel Geld für so eine coole Karre hätten“, flüsterte Isabelle ihrer Cousine ins Ohr. Merles Vater drehte währenddessen das Radio lauter. Im Wetterfunk wurde der erste schwere Herbststurm angekündigt mit schweren Sturmböen und sinnflutartigen Regenfällen angekündigt. Es wurde geraten zuhause zu bleiben und auf keinen Fall im Wald oder im Park spazieren zu gehen. Isabelle glaubte am rabenschwarzen Himmel etwas Helles aufblitzen gesehen zu haben. „War das ein Blitz?“, machte Wiebke ein leicht ängstliches Gesicht. „Das war nur ein Wetterleuchten, das Gewitter ist noch ein ganze Stück weit weg“, drehte sich Merles Vater zu ihr um, als er an einer roten Ampel warten musste. Trotzdem wurde den Mädchen bei dem Anblick des heftigen Unwetters leicht mulmig. Als nächstes bogen sie in eine Seitenstraße ab, in der Maxi wohnte. Merles Vater hielt am Straßenrand. Maxi riss die Wagentür auf und sprintete die zehn Meter bis zur rettenden Haustür in einem atemberaubenden Tempo. Isabelle hatte sie noch nie so schnell laufen gesehen. „Nun sind Isabelle und Wiebke dran“, drehte Merles Vater im Wendehammer. Nun leuchtete der Himmel wieder bläulich violett auf, sodass die hohen schwarzen Tannen für Bruchteile von Sekunden gut sichtbar waren. „Es gibt doch noch ein starkes Gewitter“, murmelte Marlon.

 

Zuhause machten es sich Isabelle und Wiebke nach dem Abendessen in Isabelles Zimmer gemütlich. Die Cousinen hatten ein Video eingeworfen und sich mit Chips und Cola auf das Bett gepflanzt. Wiebke hatte zuvor alle Jalousien runter gemacht, da sie sich ein wenig vor Gewittern fürchtete. Gerade hatte es wieder einmal sehr laut gedonnert. „Hoffentlich geht es unseren Pferden gut“, machte Isabelle ein sorgenvolles Gesicht. „Das hoffe ich auch“, pflichtete ihr ihre Cousine bei. „Findet ihr diesen Sturm auch so heftig?“, kam Tim herein, nachdem er angeklopft hatte. „Oh ja, das ist richtig zum Fürchten“, nickte Wiebke. „Eigentlich fürchte ich mich nicht vor Sturm und Gewitter, aber das macht ihr gerade schon etwas Angst“, gestand Isabelles jüngerer Bruder. „Ich mache mir nur Sorgen, dass dabei etwas kaputt geht“, meinte Isa, die es gerade in ihrem Zimmer sehr gemütlich fand. Gerade als sich Tim auf dem Schreibtischstuhl gesetzt hatte, krachte es ohrenbetäubend laut und mit einem Schlag war alles dunkel. „Oh je, das hat mir noch gefehlt!“, jammerte Wiebke. „Wahrscheinlich ist irgendwo der Blitz eingeschlagen, weswegen jetzt der Strom ausfällt“, sagte Isabelle, die mittels ihrer Handytaschenlampe Licht machte. Zum Glück fanden sie in Isabelles Nachtschränkchen ein paar Duftkerzen, die sie anzündeten. Sofort verströmten die Kerzen ein angenehmes Aroma. „Stromausfälle können doch ganz gemütlich sein“, fand Isa, nachdem sie den Schock verdaut hatte.

9. Kapitel

 

Nach all dem Stress brauchte Maxi etwas Zeit für sich. Manchmal gingen ihr die anderen alle etwas auf die Nerven. Und jetzt, wo zu Hause auch noch alles drunter und drüber lief, hatte sie die Nase gestrichen voll. Fabella würde ihr helfen, sich wieder etwas zu beruhigen. Bisher hatte die goldene Stute das doch fast immer geschafft. Es war Samstag und dieser Tag sollte ihr allein gehören. Der Stall war noch ganz verlassen, weil Maxi sich ungewöhnlich früh auf den Weg gemacht hatte. Ihre Oma stand ohnehin immer mitten in der Nacht auf und begann, lautstark im Haus herumzuwuseln. Und ihr Bruder hatte mal wieder Besuch von seiner Freundin, die ebenfalls ein Frühaufsteher war, und dann im Bad randalierte. Maxi hatte es einfach nicht mehr ausgehalten. Beinahe wäre ihr noch der Kragen geplatzt, aber der Streit mit Isa hatte ihr eigentlich erst einmal gereicht.

 

Maxi schritt durch die dunkle Stallgasse und schaltete erst einmal das Licht an. Ein paar Pferde kommentierten ihre Ankunft mit sanftem Brummeln, andere klangen aufgeregter. Unter all ihnen erkannte Maxi ohne Probleme das Geräusch, das Fabella zur Begrüßung immer von sich gab. Es klang anders, sie hätte es aus tausenden von Pferden herausgehört. Ihre Araberstute kam an die Boxentür und sah Maxi mit ihren großen und intelligenten Augen an. Schon ging es ihr ein bisschen besser. Sie nahm ihre Putzsachen und striegelte Fabella in Ruhe. Es tat gut, mal ganz bei sich zu sein. Wenn sie mit den anderen zusammen in den Stall kam, waren sie durchgehend am Plappern. Das brauchte Maxi nicht. einfach mal nicht reden und nicht zuhören, das war schön.

 

Als sie ihren Sattel vom Halter nahm, horchte Maxi auf. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie etwas Ungewöhnliches gehört hatte. Vorsichtig sah sie die Stallgasse hinunter. Doch sie konnte niemanden entdecken. Vielleicht war es Ellen, die sich wunderte, wer schon so früh kam. Allerdings war Maxi sich sicher, dass Ellen sich bemerkbar gemacht hätte. Schulterzuckend machte Maxi Fabella weiter fertig. Vielleicht war es auch nur der Sturm gewesen, der an den Gebäuden ruckelte. Es war ein ungemütlicher Herbsttag und sie freute sich schon wieder darauf, es sich zu Hause warm und kuschelig zu machen. Wenn es sich einrichten ließ, würde sie das Haus kein zweites Mal verlassen. Hoffentlich war es dann etwas ruhiger.

 

Mit ihren Gedanken war Maxi ganz woanders, als sie Fabella aus der Box und auf die Stallgasse führte. Deshalb erschrak sie ziemlich, als plötzlich ein fremder Mann vor ihr auftauchte. „Kann ich Ihnen helfen?“, wollte sie etwas patzig von ihm wissen. Es passte ihr nicht, dass sie gestört wurde. „Hallo junge Dame“, sagte der Mann und gab sich besonders charmant. „Ist das dein Pferd?“ Maxi musterte ihn prüfend. „Wieso?“, wollte sie wissen und ließ ihn nicht aus den Augen. „Ach, entschuldige, ich habe mich gar nicht vorgestellt“, lachte der Mann und hielt ihr seine Hand hin, als er sagte: „Mein Name ist Torsten und ich bin Fotograf.“ Jetzt fiel Maxi auch auf, dass der Mann eine aufwendige Fotoausrüstung bei sich trug. „Ich habe mich hier nur ein bisschen inspirieren lassen.“ Maxi nickte wortlos und wollte eigentlich weitergehen. „Darf ich vielleicht ein Foto von deinem Pferd machen? So ein selten schönes Tier habe ich ja noch nie gesehen“, schwärmte der Mann und machte ihr keinen Platz. Maxi verdrehte die Augen, denn diesen Effekt hatte Fabella auf die meisten Menschen. Sie waren hin und weg von ihrer Farbe und Erscheinung. „Von mir aus“, seufzte sie und trat einen Schritt zur Seite. Sie selbst wollte ungern auf dem Bild sein. „Vielen Dank“, sagte der Mann und nahm seinen riesigen Fotoapparat, um ein Foto zu machen. Maxi fragte sich, ob Fabella auf der schummrigen Stallgasse überhaupt so gut rüberkam, wie sonst. Aber das war ihr auch egal, denn sie wollte endlich anfangen. „Du kennst doch bestimmt auch die Besitzer der anderen Pferde, oder?“, fragte der Mann, während er seine Kamera wieder sorgfältig einpackte. „Ja, wieso?“, fragte Maxi zurück. Das Gespräch ging ihr langsam auf die Nerven. „Weil ich gerne ein paar professionelle Bilder machen würde, die ich für meine Agentur verwenden darf. Im Gegenzug bekommen die Pferdebesitzer natürlich gratis Fotos von sich und ihren Lieblingen“, erklärte Torsten. „Klingt nicht schlecht“, räumte Maxi ein. „Komm doch einfach noch mal wieder, wenn hier mehr los ist.“ – „Das werde ich gerne machen“, entgegnete er lächelnd. „Bis dahin!“ – „Ja, bis dann“, meinte Maxi und ging endlich in die Halle.

 

Schon bald trabte sie mit Fabella ihre Runden. Sie wollte nicht zu viel machen, sondern ihre Stute nur locker bewegen. Es dauerte allerdings nicht lange und sie bekam Gesellschaft in der Halle. Wiebke tauchte mit ihrer Reitbeteiligung Alaska auf. Das weiße Pony sah nicht aus, als wäre es besonders ausgiebig geputzt worden. „Hallo Wiebke“, rief Maxi verwundert und parierte durch. Sie sah das Mädchen eigentlich selten allein im Stall. Meist war Isabelle dabei oder zumindest Ronja. „Hey Maxi“, grüßte Wiebke und schwang sich auf Alaskas Rücken. „Ist alles okay?“, wollte Maxi wissen und kam neben sie. „Ja, ich wollte nur schnell fertig werden. Und du?“, gab Wiebke zurück. Sie unterhielt sich selten mit Maxi. Die forsche Italienerin kam ihr noch immer etwas abweisend vor. Jedenfalls normalerweise. „Geht mir ähnlich, ich wollte in Ruhe ein bisschen reiten und dann den Tag auf dem Sofa verbringen“, gestand Maxi. Und dann ritten sie doch eine ganze Weile lang quatschend nebeneinander her. Maxi berichtete Wiebke von dem Fotografen, der einfach so im Stall aufgetaucht war. Naiv, wie sie war, war Wiebke von der Idee begeistert. Ein Fotoshooting im Tausch gegen Pferdebilder. Das klang für sie recht schön. Dann erzählte sie, dass es ihr manchmal zu Hause zu schräg wurde, wo sie zwar in der Wohnung mit ihrer Mutter allein wohnte, und andererseits doch immer noch die heile Familie von Isabelle im Haus hatte.

 

Nachdem sie eine Dreiviertelstunde lang im Schritt nebeneinander geritten waren, seufzte Maxi. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. Auch Wiebke war erschrocken. „Ich habe noch gar nichts mit Alaska gemacht“, stöhnte sie auf. „Dann lass es doch für heute gut sein“, schlug Maxi vor. „Sie wurde bewegt und man kann ja auch mal gemütlich reiten.“ Wiebke kannte solche Worte nicht aus Maxis Mund. Sie war sonst immer sehr zielstrebig und fleißig. „Hörst du jetzt etwa auch auf?“, fragte sie das Mädchen. Maxi nickte. „Ich wollte heute sowieso nicht viel machen“, erklärte sie. „Alaska wird es dir auch nicht übel nehmen.“ Wiebke zögerte noch kurz, doch dann hörte sie auf Maxi. Sie würde es schon wissen.

 

Als Maxi und Wiebke ihre Sattelwagen in die Sattelkammer gebracht hatten, und gemeinsam aus dem Stall gingen, kamen ihnen Isabelle, Merle, Finley und Klara entgegen. Sie kicherten und schienen verdammt viel Spaß zu haben. Doch als sie Maxi und Wiebke entdeckten, verstummten sie. „Du hättest mir mal Bescheid sagen können, dass du schon so früh in den Stall fährst“, warf Isabelle ihrer Cousine halbernst vor. „Und du hättest mir genauso gut sagen können, dass ihr euch verabredet habt“, konterte Wiebke mit einem Blick auf die anderen. Es sah nicht so aus, als hätten sie sich zufällig getroffen. Isabelle sagte nichts, sondern warf Maxi einen vielsagenden wütenden Blick zu. Nahm sie ihr jetzt auch noch ihre Cousine weg? War sie immer noch nicht zufrieden? Bevor sie sich streiten konnten, verabschiedete Maxi sich knapp und stolzierte davon.

 

„Manchmal habe ich das Gefühl, ich wäre nicht cool genug für Isabelle“, seufzte Wiebke, als sie mit Maxi nach Hause radelte. „Glaub mir, das geht uns allen mal so“, gestand Maxi ungewohnt offen. Erstaunt sah Wiebke sie an. „Aber dir doch nicht?“ – „Natürlich“, nickte Maxi. „Isabelle ist immer so überkorrekt und macht immer das Richtige. Sie ist so eine kleine Perfektionistin. Daneben kann man nur versagen.“ So hatte Wiebke Maxi auch noch nicht reden hören. „Sie ist eben so, sie macht das nicht mit Absicht“, fügte Maxi hinzu. Ein bisschen fehlte Isa ihr schon. Das merkte sie immer wieder. „Isabelle ist eben die Stimme der Vernunft bei uns Lustigen Hufeisen.“ – „Ja, das stimmt“, seufzte Wiebke. Aber damit gab Isa leider auch immer wieder den anderen Mädchen ungewollt das Gefühl, nicht ganz so vernünftig, perfekt oder korrekt zu sein. So war eben jeder anders. „Ich finde es blöd, wenn es Streit in der Bande gibt“, murmelte Wiebke. Die Lustigen Hufeisen gaben ihr sonst immer Halt. Es gefiel ihr nicht, dass es kriselte. Ausgerechnet zwischen Maxi und Isa war das total überflüssig. „Mir gefällt es auch nicht“, gestand Maxi.

10. Kapitel

Obwohl es in der Bande noch etwas knartschte, konnte Maxi es sich nicht verkneifen, den anderen Mädchen schnell von ihrem Treffen mit dem Fotografen zu erzählen. Gemeinsam saßen sie vor einer Reitstunde in ihrem kleinen aber gemütlichen Quartier und lauschten gespannt. „Ein richtiger Fotograf?“, hakte Merle begeistert nach. „Ja, und er interessiert sich für unsere Pferde“, bekräftigte Maxi. „Das ist schon ziemlich cool“, fand Isabelle. „Unsere Pferde sind ja auch ziemlich cool“, grinste Klara ebenfalls sehr geschmeichelt. „Sein Name ist Torsten und er ist noch gar nicht so alt“, erklärte Maxi. „Hat er dir eine Visitenkarte gegeben?“, hakte Wiebke nach. „Ganz genau“, nickte Maxi zufrieden. „Wir müssen aber vorher noch mit Ellen reden, oder?“, warf Merle ein. „Eigentlich geht es ja um uns und unsere Pferde“, murmelte Isabelle. „Schon, aber auf ihrem Hof, also sollten wir es ruhig mal ansprechen“, gab Maxi zu bedenken. Damit waren sie alle einverstanden, denn schließlich ging es Ellen durchaus etwas an, wenn sie so etwas planten. Und sie sollte sich auch nicht wundern, wenn Torsten auf dem Hof war.

 

Gleich nach der Reitstunde sprachen die Lustigen Hufeisen ihre Reitlehrerin auf ihre spannenden Pläne an. „Das hört sich super an“, fand die sofort begeistert. „Ihr könnt mich ja noch mal informieren, wenn ihr einen Termin für euer Fotoshooting habt.“ Das versprachen sie hoch und heilig. „Und redet auch mit euren Eltern darüber. Vielleicht möchten sie sich selbst ein Bild von diesem Torsten machen“, sagte Ellen nachdrücklich. „Darf ich mit Alaska auch mitmachen?“, fragte Wiebke nervös. „Aber ja, wenn ich vielleicht ein Bild abbekomme“, antwortete Ellen mit einem Zwinkern. „Danke!“

 

Maxi drehte die Visitenkarte des Fotografen in ihrer Hand und gab dann seine Telefonnummer in ihr Handy ein. Sie war nun doch sehr aufgeregt. Ein richtiges Fotoshooting mit ihren Pferden, das war einfach nur der Hammer. Normalerweise war so etwas ein ziemlich teures Vergnügen. Und was konnte es schon schaden, wenn ihre Pferde umgekehrt als Werbeträger für seine Agentur her hielten. Niemand kannte sie und selbst wenn. Es war ja kein Geheimnis. In Gedanken wählte Maxi schon ihre Kleidung aus, die am besten zu einem Bild oder mehreren Bildern mit Fabella passten. Ob sie sich zwischendurch wohl umziehen durfte? „Hallo?“, meldete sich Torsten am anderen Ende der Leitung. „Hallo, hier ist Maxi aus dem Stall“, stammelte Maxi etwas unsicher. Doch er erinnerte sich sofort an sie und lachte freundlich. „Hey Maxi, schön dass du dich meldest. Habt ihr mit euren Eltern gesprochen?“ – „Ja und mit unserer Stallbesitzerin.“ – „Sehr schön. Wie passt es euch denn mit dem Shooting?“ – „Am kommenden Wochenende haben wir alle Zeit und das Wetter soll endlich ein bisschen sonniger werden“, erklärte Maxi. „Sehr schön, dann verabreden wir uns am besten für Samstag und fangen früh an.“

Maxi war einverstanden und konnte es kaum noch abwarten. Eine ganze Woche war es noch hin. Glücklicherweise hatten ihre Eltern eingewilligt. Und auch die anderen Mädchen hatten keine Probleme gehabt, ihre Eltern für das Fotoshooting zu begeistern. Nun musste sie nur noch den anderen Bescheid sagen. Am besten nutzte sie dafür die Gruppe, die sie bei einem Messangerdienst eingerichtet hatten. So konnte sie auch vermeiden, mit Isabelle direkt in Kontakt treten zu müssen. Davor graute es ihr noch immer, denn ihr Streit hatte sich nicht von selbst erledigt. Obwohl es schon sehr früh losgehen sollte, freuten sich alle Mädchen auf den Fototermin. Sofort tauschten sie Tipps und Ideen aus, wie sie ihre Haare, das Makeup und ihre Kleidung am besten in Szene setzen konnten.

„Denkt daran, dass es zum Pferd passt“, kommentierte Merle schon bald.

Ronja machte sich ziemliche Sorgen, dass sie nichts Hübsches finden könnte, doch Klara bot sofort ihre Hilfe an. Außerdem fand sie, dass Ronja auch so schön genug aussah. Ein richtiges Aufbretzeln hatte sie überhaupt nicht nötig.

Im Internet schauten sie sich Tutorials an, um ihre Haare möglichst perfekt hinzubekommen. Außerdem holten sie sich schon ein bisschen Inspiration dafür, wie ihre Bilder gut aussehen könnten. Schließlich hatte bisher kaum eine von ihnen ein echtes Fotoshooting gemacht. Und das Posieren mit den Pferden sollte überzeugend sein.

Wiebke war froh, dass die Stallzicken nichts davon mitbekommen hatten. Ellen hatte versprochen, nichts davon weiterzuerzählen. Nicht einmal Marlon wusste davon. Irgendwie hatte auch Maxi ihm nichts davon gesagt. Sie genoss zwar die Zeit mit ihm, aber immer hing in ihren Gedanken der Vorwurf von Isabelle.

 

Als sie am nächsten Samstag früh morgens in den Stall kamen, lag noch alles dunkel und verlassen da. Ellen hatten sie Bescheid gesagt, doch selbst die lag noch in den Federn. Die Lustigen Hufeisen waren vor Aufregung hellwach. Und auch Torben war gut gelaunt und fröhlich aufgetaucht. „Schön, dass ihr alle so pünktlich seid“, begrüßte er sie und folgte ihnen in den Stall. Während sie begannen, die Pferde zu putzen, sah er sich ein bisschen um. „Noch gar keiner da, abgesehen von uns?“ – „Nein, so früh eigentlich nie“, antwortete Merle schulterzuckend. Torben nickte und sah dann zu, wie sie ihre Pferde fertig machten. „Mit wem wollen wir denn anfangen?“, fragte er. „Also wenn es okay ist…“, murmelte Klara, die es kaum abwarten konnte. „Ich bin schon fertig mit Nandu.“ – „Aber klar, dann mal los“, rief Torben begeistert und folgte ihr nach draußen. Es lag noch ein leichter Nebel auf den Wiesen und die herbstliche Sonne tauchte alles in einen goldenen Ton. Klara wollte zunächst ein paar dichte, vertraute Aufnahmen von sich und Nandu haben. Dann schwang sie sich in den Sattel und ließ ihn über die Wiese galoppieren, wobei ihr Haar im Wind wehte.

„Das sieht fantastisch aus“, rief Torben ihr zu. „Du machst das super!“ Klara konnte es kaum abwarten, ein paar der Bilder zu sehen. Doch nachdem sie fertig war, kam auch schon Wiebke mit Alaska. „Auch so ein außergewöhnlich hübsches Pferd, oder?“, hakte Torben nach und schaute das Pony genau an. „Ja, schon“, antwortete Wiebke etwas schüchtern. Im Gegensatz zu Klara brauchte sie einige Anweisungen von Torben, um gute Bilder zu erzeugen. Doch Alaska sah so wunderschön aus, dass es nur gut gehen konnte. „Macht euch nicht so einen Stress“, meinte Torben, „Lächelt einfach so schön, wie ihr seid. Dann sieht das schon super aus. Das soll ja Spaß machen!“ Wiebke wurde lockerer und am Ende machte es ihr wirklich Spaß, mit Alaska zu posieren.

 

Ronja hatte sich an Maxis Ratschlag gehalten, und sich ganz schlicht zurechtgemacht. Doch die herbstlichen Farben um sie herum waren genau das Richtige, um Randy und sie in Szene zu setzen. Denn sowohl das Ponyfell als auch ihr Haar hatten einen hübschen Braunton, der auf der morgendlichen Wiese gut zur Geltung kam. Zwar war auch Ronja etwas schüchtern, doch sie brauchte gar nicht viel zu machen, um perfekte Bilder zu bekommen.

„Du bist eine natürliche Schönheit und so fotogen“, lobte Torben sie ganz begeistert und sie konnte das kaum nachvollziehen. Besonders schwer tat sich Isabelle mit dem vermeintlichen Modeln. Sie war viel zu introvertiert, als dass sie sich für ein Foto so verstellen konnte. Ständig machte sie sich Gedanken, ob etwas gut aussah-was es dann natürlich erst recht nicht tat. Torben half ihr, indem er ihr Anweisungen gab. Sie sollte sich ganz natürlich verhalten, als wäre er gar nicht da. Und so ritt Isabelle ihre Kandra über die nebelige Wiese und strahlte dabei ganz von selbst. So kam auch sie zu schönen Fotos. Aber sie stellte auch fest, dass das ganz und gar nichts für sie war.

 

Merle war da schon ganz anders drauf. Sie liebte es ebenso wie Maxi, wenn sie im Mittelpunkt stand. Ihren imposanten Wallach Arthos hatte sie aufs Höchste zurechtgemacht und sogar bandagiert. Er sah atemberaubend aus und sie verschwendete keine Zeit für Bilder am Boden, sondern stieg direkt auf. „Darf ich auch mit ihm Springen für ein Foto?“, schlug sie Torben vor. „Aber natürlich“, meinte er begeistert und folge ihr auf den Springplatz. Merle galoppierte durch das Laub, das dort lag und nahm ein paar Hindernisse mit ihrem Pferd. Ein solches Foto hatte sie schon immer von sich haben wollen. Hoffentlich sah es so gut aus, wie sie es sich vorstellte. Dass Torben zufrieden war, sah sie schon einmal als gutes Zeichen an.

 

Doch Maxi schoss den Vogel mit ihrer goldenen Stute Fabella ab. Sie präsentierte sich wie immer einwandfrei, als hätte sie nie etwas anderes getan. Zugegebenermaßen hatte Maxi zumindest ein wenig Modelerfahrung, die sie mitbrachte. Doch mit ihrer Stute brauchte sie nicht viel zu spielen, sondern sah einfach fantastisch aus. Torben war hin und weg und hörte gar nicht mehr auf, Fotos zu schießen. Schließlich war es sogar Maxi, die ihn fragte, ob er fertig wäre. „Oh ja, sicher“, stammelte er. „Vielen Dank für alles.“ – „Wann bekommen wir denn die Fotos?“, wollte Wiebke sofort wissen. „Ich werde mich gleich in mein Büro setzen und euch die schönsten Aufnahmen zusammenstellen“, versprach Torben. „Ich möchte euch ja nicht unnötig lange auf die Folter spannen.“ – „Das wäre nett“, grinste Klara. „Und ich weiß ja, wo ich euch finden kann.“ – „Meistens hier“, meinte Merle. „Aber du hast ja auch Maxis Telefonnummer.“ Er nickte und packte seine Sachen zusammen. „Ihr habt das wirklich alle ganz toll gemacht“, lobte er sie noch einmal. „Danke für den tollen Deal. Ihr bekommt schöne Fotos und ich darf sie für meine Werbung benutzen. Wenn die Leute solche Fotos sehen, dann buchen sie mich bestimmt.“ – „Wir drücken die Daumen“, sagte Isabelle, bevor Torben verschwand.

 

„Puh, jetzt bin ich aber müde“, seufzte Wiebke. „Ich glaube, ich fahre nach Hause und lege mich ins Bett.“ – „Wollen wir nicht jetzt gleich reiten?“, schlug Ronja vor. „Wo wir doch ohnehin hier sind.“ – „Und keine Stallzicken weit und breit“, lachte Isabelle erleichtert. „Aber es ist so früh…“, jammerte Wiebke. „Komm schon, keine Ausflüchte“, kitzelte ihre Cousine sie gnadenlos durch. „Das macht dich wieder wach!“ – „Also gut.“ Gemeinsam gingen sie in den Stall und holten ihre Pferde, mit denen sie bald darauf in die Reithalte traten. Merle, Maxi und Isabelle brachten es tatsächlich fertig, ihre Pferde ordentlich zu reiten. Auch Klara und Ronja gaben sich mit den Ponys richtig Mühe. Doch Wiebke war einfach zu fertig. Sie bewegte Alaska nur locker und war froh, als die anderen endlich Schritt ritten. Sie hatte nicht als Erste aufhören wollen. Es war das erste Mal seit Langem, dass sie alle zusammen ritten. Doch Isabelle und Mai gingen sich noch aus dem Weg und hatten sich direkt nichts zu sagen.

11. Kapitel

 

Irgendwie war Isabelle am Abend doch ein wenig nachdenklich wegen der Eiszeit mit Maxi. Obwohl sie es vor den anderen Lustigen Hufeisen nicht zugab, vermisste sie die Freundschaft mit Maxi schmerzlich. Schon seit zwei Jahren gingen sie durch dick und dünn, aber noch nie herrschte so lange Funkstille zwischen ihnen wie jetzt. Isa war ratlos, wie sie es in Kürze anstellen sollte, dass sie sich wieder mit ihrer besten Freundin vertrug. Irgendwie war dieser Streit wirklich blöd und sie ärgerte sich, dass sie nur wegen ihrer flammenden Eifersucht diese Fehde angefangen hatte. Seit knapp drei Wochen kriselte es nun und es war kaum noch auszuhalten. Selbst in der Bande war es deutlich zu spüren, dass Isa und Maxi sich mieden, weshalb bei den Lustigen Hufeisen momentan eine merkwürdig verklemmte Stimmung herrschte. All die Lockerheit und das fröhliche Zusammensein, das fehlte Isabelle sehr. Selbst Ronja und Klara hatten sich vor einigen Tagen darüber beklagt, dass immer noch dicke Luft herrschte. Isabelle wusste alleine nicht mehr weiter, allerdings hatte sie aufgrund des schlechten Wetters auch keine Lust mit dem Fahrrad zu Ronja oder Merle zu fahren. Immerhin gab es noch Wiebke, die nur ein Stockwerk tiefer wohnte und auf dem Weg zu ihr wurde sie auch nicht nass. Mittlerweile kam es sogar relativ häufig vor, dass sie Herzensangelegenheiten mit ihrer Cousine besprach, die sie noch vor einem Jahr nicht hatte ausstehen können. Doch in den letzten Monaten war Wiebke deutlich reifer und erwachsener geworden und hielt sich zumeist mit ihren neunmalklugen Bemerkungen zurück.

 

Isa schlüpfte in ihre neongrünen Hausschuhe und lief die Treppe hinunter zur Wiebkes Wohnung. „Na, was gibt es?“, öffnete ihr ihre Cousine mit einem überraschten Gesichtsausdruck die Tür. „Darf ich kurz in dein Zimmer kommen?“, bat Isa. „Klar, von mir aus gerne. Mama ist gerade eh nicht zuhause“, nickte Wiebke und winkte sie zu sich in ihr Zimmer. Die beiden Cousinen setzten sich im Schneidersitz auf den plüschigen Teppich vor Wiebkes Bett. „Nun rück raus! Was brennt dir auf der Seele?“, sah Wiebke sie neugierig an und rückte ihre Brille zurecht. „Ich habe Sehnsucht nach Maxi“, begann Isabelle zögernd, „Ich halte es langsam nicht mehr aus, dass wir nicht mehr miteinander reden und dass nur, weil ich eifersüchtig auf sie bin, da sich Marlon sie als Freundin ausgesucht hat und ich wieder das Nachsehen hatte.“ –„Das kann ich verstehen“, nickte Wiebke, die ihr verständnisvoll zuhörte. „Was bin ich nur für eine schlechte Freundin! Ich kann noch nicht mal meiner besten Freundin etwas gönnen. Ich hätte Maxi niemals so an den Karren fahren dürfen, zumal ihre Oma zurzeit schwer krank ist und sie zuhause Stress hat“, machte Isa sich selbst Vorwürfe. „Ich kann mir wirklich vorstellen, dass es nicht einfach für dich ist“, sagte ihre Cousine, nachdem sie kurz nachgedacht hatte. Isabelle nickte nur und starrte auf eine Staffelei, die neben Wiebkes Schreibtisch stand. Ihre Cousine hatte ein Portrait von Alaska angefangen, das zur Hälfte fertig war. „Übrigens Maxi vermisst dich auch und sie hat mich nach dem Shooting um Rat gefragt, wie ihr euch vertragen könnt“, holte Wiebke tief Luft, „Ich hätte mir schon denken können, dass ihr wieder aufeinander zugehen wollt. Das Problem ist, dass keiner den ersten Schritt machen will, da keiner von euch den Mut dazu aufbringt.“ Nur weil sie die Anführerin der Lustigen Hufeisen war, fühlte sich Isabelle nicht immer mutig und selbstbewusst. In letzter Zeit machten sich immer wieder Selbstzweifel in ihr breit, die sich mit ihrer zunehmenden Akne noch verschlimmerten. Erst letztens in der Schule hatte Fabian sie als Pickelfresse bezeichnet und sich mit seinen Kumpels über sie lustig gemacht, weshalb ihr um ein Haar die Tränen in die Augen gestiegen wären. Generell hatte sie das Gefühl, dass Merle momentan immer mehr das Ruder in die Hand nahm.

 

„Du musst lernen, dich selbst zu überwinden, auch wenn es dir schwer fällt. Ich weiß selbst, dass das nicht immer leicht ist“, legte Wiebke ihr die Hand auf die Schulter. „Weißt du, wie ich es anstellen soll?“, sah Isa ihre Cousine fragend an. „Meine Güte, sei doch nicht immer so verklemmt!“, entfuhr es Wiebke- „Schreib ihr eine SMS und frag sie, ob ihr euch morgen im Stall treffen und zusammen ausreiten wollt. Maxi wird garantiert nicht nein sagen“, schlug Wiebke vor. „Okay, ich schreibe ihr“, holte Isabelle ihr Handy aus der Hosentasche und hatte während des Schreibens ein leicht mulmiges Gefühl. „Hoffentlich wird sie das Treffen nicht absagen“, sah sie leicht ängstlich an die Decke. „Ach was, denk nicht so pessimistisch“, nahm Wiebke ihre Hand. Die beiden Cousinen warteten eine geschlagene halbe Stunde, bis Isas Handy kurz anfing zu dudeln. „Ich muss eine Nachricht bekommen haben“, rannte Isa zu Wiebkes Schreibtisch, wo sie ihr Handy hingelegt hatte. „Hi Isa, schön dass du dich meldest. Ich hätte schon Bock wieder mit dir zusammen im Stall zu chillen und morgen wäre ein Supertag dafür. Wir können uns vormittags im Reiterstübchen treffen und danach noch einen kleinen Ausritt unternehmen, wenn das Wetter mitspielt, denn wir haben viel Gesprächsbedarf. Lg Maxi“

 

„Sie will sich mit mir treffen!“, sprang Isabelle freudig auf und ihre blaugrauen Augen fingen an zu glänzen. „Ich hätte dir vorher sagen können, dass sich Maxi wieder mit dir vertragen will“, meinte ihre Cousine dazu. Nun tippte Isabelle in Sekundenschnelle die Antwort. „Und wann trefft ihr euch?“, schaute Wiebke sie neugierig an. „Morgen um 10 Uhr im Reiterstübchen“, erwiderte Isa und gab ihr einen Highfive. Da der Abend inzwischen weiter fortgeschritten war, buken die Mädchen zu Feier des Tages zwei Tiefkühlpizzen auf, die sie noch extra mit Tomatenscheiben, Mozzarella und Salami belegten.

 

Isa war ziemlich aufgeregt, als sie am nächsten Morgen mit ihrem Fahrrad losfuhr. Noch nie hatte sie sich so gefühlt, bevor sie sich mit Maxi getroffen hatte. Normalerweise waren ihre Verabredungen lockere und fröhliche Angelegenheiten. Isa hörte während des Fahrens Musik mit dem MP3-Player, was nicht weiter riskant war, da sie den Weg durch Wald und Feldwege wählte. Ihre Stimmung stieg, als die ersten Strahlen der Morgensonne durch die am Boden klebende Nebeldecke brachen. Nun kam auch schon der Hof in Sicht und Isa drohte sogar ein wenig nervös zu werden. Wie würde das erste richtige Treffen nach dem großen Streit verlaufen. Maxi wartete schon auf dem Hof, als Isa ihr Fahrrad an der Mauer unter der alten Eiche parkte. „Na, da bist du ja!“, kam Maxi auf sie zu. „Hi!“, lächelte Isabelle und im nächsten Moment umarmten sich die beiden Freundinnen kurz. „Bist du schon länger hier?“, wollte Isa von Maxi wissen. „Ich bin schon seit einer Stunde hier. Ich konnte nicht mehr schlafen, da ich gewisse Geräusche aus dem Zimmer meines Bruders gehört habe. Ich möchte gar nicht wissen, was Mareike und er getrieben haben. Nichts gegen Mareike, aber langsam geht es mir schon auf den Senkel, dass sie unser Haus zusammen mit Luigi in Beschlag nimmt und vor allem lange das Bad blockiert“, antwortete diese. „Das kann ich irgendwie nachvollziehen“, konnte sich Isabelle in Maxis Lage hineinversetzen. „Wie läuft es mit deiner Familie sonst so?“, erkundigte sie sich weiter. „Immerhin wurde Oma aus dem Krankenhaus entlassen und morgen kommt Mama endlich zurück. Ich habe sie richtig vermisst, stattdessen war meine andere Großmutter bei uns, die die ganze Zeit nur herumgenörgelt hatte“, erwiderte Maxi.

 

Die beiden Mädchen setzten sich ins Reiterstübchen und holten sich warmen Kakao und Zimtcroissants, die es erst seit kurzem gab. Um diese Uhrzeit war noch nicht viel los, sodass Isa und Maxi das ganze Reiterstübchen für sich alleine hatte. „Ich bin so froh, dass wir uns wieder vertragen haben und du dich gestern persönlich bei mir gemeldet hast. Ich weiß nicht, ob ich von alleine den Mut aufgebracht hätte“, biss Maxi in ihr Zimtcroissant, welches sie zuvor noch mit Nutella bestrichen hatte. „Wiebke war diejenige, die mich ermutigt hat“, lächelte Isa und fügte hinzu, „Im Nachhinein muss ich mich noch bei dir Entschuldigen, dass ich so gemein zu dir war. Ich bin deine beste Freundin und ich gönne dir es, dass du mit Marlon zusammen bist.“ – „Ich kann aber auch verstehen, dass du ziemlich verletzt, als du erfahren hast, dass wir zusammen sind. Schließlich haben wir es auch lange geheim gehalten. Übrigens, wenn du Rat in Sachen Jungs brauchst, kannst du dich an mich wenden“, meinte ihre Freundin. „Ich werde in absehbarer Zeit darauf zurück kommen“, meinte sie, „Ich glaube dennoch, dass ich mir mit Beziehungen noch ein wenig Zeit lassen kann, schließlich werde ich erst in einem Monat vierzehn.“ – „Lass dir nur die Zeit, die du brauchst“, sagte Maxi. Dann kamen die beiden Freundinnen aus heiterem Himmels auf Finley und Merle zu sprechen. „Glaubst du, dass zwischen ihnen etwas läuft?“, fragte Isa. „Schwer zu sagen, auf jeden Fall hängen sie viel zusammen herum“, meinte Maxi, „Aber ich habe sowieso den Eindruck, dass Merle eher mehr so ein Kumpeltyp ist.“ – „Und ich bin diejenige, die mit Jungs anscheinend nicht so richtig kann“, murmelte Isa, die im diesen Moment nicht sonderlich vor Selbstvertrauen strotzte. „Das will ich gar nicht mal gesagt haben“, entgegnete ihre Freundin, „Du brauchst nur ein bisschen länger und das ist nicht schlimm. Bestimmt wirst du in den nächsten ein, zwei Jahren selbstbewusster und lockerer werden in Sachen, was Flirten und Jungs betrifft. Warte nur ab, das kommt schon von alleine“

 

Gerade als die beiden Freundinnen ihre Pferde gesattelt und getrenst hatten, entdeckten sie Merle und Ronja in der Reithalle. Freudig winkte Maxi ihnen zu. „Wollt ihr mit mir und Isa einmal um die Wiesen reiten?“, fragte sie ihre beiden Freundinnen. „Klar, ich bin dabei“, war Merle von der Idee angetan. „Ich komme nur mit, wenn wir nicht allzu lange reiten“, sagte Ronja, die von Randy abstieg und ihn aus der Halle führte. „Seit wann seit ihr wieder Best Friends?“, schaute Merle Isa und Maxi verwundert an. „Erst seit heute Morgen“, antwortete Isabelle. „Wie kommt es dazu, dass ihr euch trefft?“, hakte Ronja nach. „Da hat Wiebke gute Arbeit geleistet, da sie mich dazu überredet hat, dass ich Maxi eine Nachricht schreibe und sie frage, ob wir zusammen ausreiten wollen“, erzählte Isa. „Wow, Wiwi macht sich ordentlich!“, war Merle erstaunt, die der Jüngsten der Lustigen Hufeisen dies nicht zugetraut hatte. „Ich kann gar in Worte fassen, wie glücklich ich bin, dass diese blöde Fehde aus dem Weg geräumt ist. Ich finde, das hat schon für schlechte Stimmung in unserer Bande gesorgt“, war Ronja am meisten erleichtert. „Punktgenau, Maxi und Isa gehören als unschlagbares Beste-Freundinnen-Duo zusammen, genauso wie Erdbeerkuchen mit Sahne“, konnte Merle dem nur beipflichten. Draußen auf dem Hof schwangen sich die vier Freundinnen auf die Rücken ihrer Pferde und ritten gutgelaunt und schwatzend vom Hof. Bei diesem wunderschönen Herbstmorgen und der Versöhnung machte es zigmal so viel Spaß wie sonst. Endlich war der ganze Stress und Mief der letzten Wochen einfach verpufft.

 

Die Mädchen ließen es ruhig angehen, da sie an einem Sonntagmorgen keine sonderlich große Lust auf Höchstleistungen hatten. Sogar Merle und Merle, die beiden Sportreiterinnen, ließen sich gehen. Höchstens wurde mal auf einem der Feldwege getrabt, doch überwiegend wurde im Schritt geritten. Trotz der langsamen Fortbewegung waren die Mädchen putzmunter. So wurde viel geflachst, gelacht und geredet. „Jetzt gibt es endlich einen Grund, sich auf die Bandentreffen zu freuen“, sagte Ronja, als einen kleinen Bachlauf am Waldrand durchquerten. „Oh ja, das wird bestimmt spaßig!“, rieb sich Merle die Hände. „Ich hätte übrigens wieder Lust in der Schule neben dir zu sitzen“, wandte sich Isabelle an Maxi. „Klar, das lässt sich bestimmt machen“, nickte ihre Freundin begeistert. „Wir müssen nur untereinander die Plätze tauschen“, mischte sich Ronja ins Gespräch ein. „Nur die Frage, ob die Lehrer es erlauben werden“, meinte Merle. „Im Klassenraum schon“, nickte Isabelle, „Aber in den anderen Räumen wird sich nicht großartig um die Sitzordnung geschert.“ – „Habt ihr schon gewusst, dass Oma gestern aus dem Krankenhaus entlassen wurde?“, wechselte Maxi das Gesprächsthema. „Ne, das hast du uns noch nicht erzählt“, schüttelte Merle den Kopf. „Und morgen Nachmittag kommt Mama wieder“, freute sich Maxi. „Mit deiner anderen Großmutter war es kaum auszuhalten oder?“, forschte Merle nach. „Es war nicht leicht mit ihr. Sie legt enormen Wert auf Pünktlichkeit, Ordnung und Zielstrebigkeit. Sie hat sich sogar in meine schulischen Angelegenheiten eingemischt, obwohl es nicht ihr Bier ist“, rollte sie mit den Augen. „Oh je, inwiefern denn?“, fragte Ronja. „Sie hat meine Schultasche und meinen Schreibtisch nach Klassenarbeiten durchsucht“, erwiderte Maxi. „Oh je, das ist mies von ihr“, fand Ronja, die wusste, dass es um Maxis schulischen Leistungen nicht gut stand. Auch Isa und Merle wussten, dass ihre Freundin in letzter Zeit in einigen Fächern ziemlich abgesackt war, denn Maxi stand zurzeit in Mathe, Physik, Geschichte und Politik auf Fünf. „Hätte meine Oma derart geschnüffelt, wäre ich komplett ausgetickt“, meinte Merle. „Klar, das bin ich auch“, nickte Maxi. „Vielleicht solltest du wirklich ein wenig mehr für die Schule tun“, sagte Ronja zaghaft. „Wie soll ich das schaffen, wenn ich so viel um die Ohren habe?“, erwiderte Maxi gereizt, „Ich habe Fabella, bin im Dressurteam, gehe zur Tanzschule, habe Marlon und euch und dann gibt es auch noch unsere Band.“ – „Dann musst du halt Kompromisse machen und dir auch mal die Zeit fürs Lernen nehmen“, sagte Isabelle dazu, die wusste, dass der Spagat zwischen Schule, Freundinnen, Reiten und anderen Hobbys nicht einfach war.

 

Gerade als die Mädchen am Weidezahn entlang ritten und auf den Hof zusteuerten, entdeckten sie Torsten mit seiner Kameraausrüstung. „Hi, was machst du denn hier?“, rief ihm Maxi freundlich zu. „Ich mache nur einen Spaziergang und fange die schönsten Momente dieses wunderbaren Herbstmorgens ein“, meinte er. Gerade als die vier Freundinnen weiter reiten fragte er, ob er noch ein Foto von ihnen machen könnte. Da die Mädchen allesamt gute Laune hatten, waren sie einverstanden und ließen sich ein paar Mal von dem Fotografen ablichten. Torsten zeigte ihnen kurz die Bilder, die noch besser aussahen als vom Shooting. Fabella und Maxi ernteten wie erwartet das meiste Lob. „Mit euch beiden kann man bestimmt einen tollen Fotokalender machen“, war Torsten überzeugt. „Dass immer Maxi die meiste Aufmerksamkeit bekommt“, raunte Merle Isa leise zu. „Sie hat auch das schönste Pferd“, sagte diese trocken. Darauf packte Torsten seine Sachen zusammen und wünschte den Mädchen noch einen schönen Sonntag. „Wisst ihr, was mir auffällt?“, meldete sich Ronja zu Wort, als der Fotograf außer Hörweite war. „Was denn?“, sah Isabelle sie leicht irritiert an. „Ich sehe diesen Typen nun öfter auf unserem Hof“, fuhr ihre Freundin fort. „Stimmt, ich habe ihn bereits letzten Donnerstag auf dem Hof gesehen“, nickte Merle. „Ob Ellen das auch recht ist? Schließlich weiß sie davon nichts“, machte Ronja ein skeptisches Gesicht. „Was wird sie schon dagegen haben, dass er ein paar Fotos von den Pferden und dem Hof macht?“, zuckte Maxi mit der Schulter. „Ein bisschen komisch ist das schon“, fand Isabelle. „Und auch irgendwie auch verdächtig“, fügte Merle hinzu. „Ach was, er ist ein junger Fotograf, der gerne die Pferde und die angrenzende Natur fotografiert“, konnte Maxi es nicht nachvollziehen, dass ihre Freundinnen Torsten unter einen Generalverdacht stellten. Schließlich war er ein sehr freundlicher und aufgeschlossener junger Mann.

12. Kapitel

 

Am Abend wollten Merle und Finley unbedingt einen kleinen Ausritt machen, da das Wetter so schön war und die Sonne gerade unterging. Schade fanden sie, dass Isabelle nicht dabei war. Sie wollte noch für eine Klassenarbeit lernen und fuhr gerade schon nach Hause. „Ich liebe Sonnenuntergänge! Der Himmel sieht aus, als hätte ein Künstler ihn angemalt“, schwärmte Merle, als sie zu zwei vom Hof ritten, und schoss mit ihrem Handy ein paar Fotos von dem rotorangen Himmel. „Wir haben heute echt Glück mit dem Wetter“, meinte Finley. Trotzdem war es deutlich spürbar, dass in wenigen Wochen der Winter vor der Tür stand. Das Thermometer vor dem Stall zeigte genau Null Grad an und daher war es ziemlich kalt. In der Nacht würde es garantiert noch kälter werden. Zum Glück waren Merle und Finley warm eingekleidet und trugen dicke Handschuhe und Mützen unter ihren Reithelmen. „Wollen wir ein wenig traben?“, schlug Finley vor. „Nein danke, Bewegung hatten wir schon genug“, meinte Merle, die es genoss, im langsamen Tempo am Waldrand entlang zu reiten. Langsam wich die rosarote Farbe des Himmels einem violettblau und die Venus war deutlich sichtbar. „Was hältst du davon, dass Ellen ein Weihnachtsreiten auf die Beine stellen will?“, fragte Merle beiläufig. „Das ist eine richtig coole Idee“, fand ihr Kumpel. „Ich versteh Maxi nicht, warum die sich gestern so aufgeregt hat. Wenn Fabella angeblich so schreckhaft ist, warum will sie partout kein anderes Pferd reiten?“, seufzte Merle augenrollend. „Du kennst sie doch“, meinte Finley, „Maxi ist eben ein bisschen speziell, genauso wie ihr Pferd“ – „Ja, dann soll sie uns nicht immer den Spaß an tollen Sachen nehmen“ – „Aber dann frag ich mich, wieso ihr euch den Spaß nehmen lasst? Außerdem haben wir noch ein bisschen Zeit und garantiert schaffen wir es, sie umzustimmen.“

 

Merle erkannte eine Gestalt im Halbdunkeln, die am Weidezaun stand. „Wer treibt sich jetzt noch draußen rum?“, raunte sie Finley zu. Dieser zuckte nur mit den Achseln. Beim näher kommen erkannte sie Torsten mit seiner Fotoausrüstung. Doch er bemerkte sie nicht. Seit dem Fotoshooting vor knapp drei Wochen waren ihre Freunde und sie ihm mehrere Male begegnet und immer hatte er seine Fotoausrüstung dabei gehabt. Merle und Finley ritten an dem jungen Fotografen vorbei, ohne ihn zu begrüßen. „Mir ist es suspekt, dass man ihn hier in der Umgebung antrifft. Mittlerweile wird er fast täglich gesehen und selbst Ellen sieht ihn häufiger um die Ecke huschen“, äußerte Merle ihren Unmut. „Das verstehe ich. Es ist schon ein bisschen komisch, dass er immer unsere Pferde fotografieren will“, hatte ihr Kumpel Verständnis für ihre Bedenken. „Und er fährt voll auf Maxi und Fabella ab“, sagte Merle, „Torsten scheint schon fast mit ihr zu flirten und spricht sie fast jedes Mal an, wenn er sie sieht. Ich habe den Eindruck, dass er den Hof beobachtet. Langsam sollen wir Ellen wirklich bescheid sagen“ – „Aber was soll das bringen? Ellen kann da auch nicht viel machen, außer ihn wegschicken, aber dann kommt er kurz darauf wieder.“

Kurz darauf schwiegen die beiden wieder, bis sie auf die Halloweenparty zu sprechen kamen, die nächste Woche bei Maxi stattfinden sollte. „Hoffentlich kommt mein Fledermauskostüm noch pünktlich, ich habe es bereits letzten Monat bestellt, aber es ist noch nicht da“, bangte Merle. „Ich weiß noch gar nicht, als was ich mich verkleiden soll“, zuckte Finley mit den Achseln, „Vielleicht fällt mir noch etwas lustiges ein oder ich frage Marlon, ob er noch eine Idee hat“

 

Zur gleichen Zeit saß Maxi mit ihren Eltern beim Abendessen. „Maxine, wir müssen mal ein ernstes Wort reden!“, sah ihr Vater sie streng an. „Was ist denn los?“, wunderte sich Maxi und stellte ihren Becher auf den Tisch. „Frau Walkenhorst hat gerade angerufen“, fuhr ihre Mutter fort, „Es geht um deine schulischen Leistungen. Du hast in Physik, in Geographie und Chemie eine Fünf geschrieben. Zwei schwache Vieren in Mathe und Politik sind auch nicht besser. Dann meinte deine Lehrerin noch, dass du nicht so viel mit deinen Freundinnen quatschen sollst und in Geschichte hast du zweimal die Hausaufgaben vergessen.“ Vorwürfe über Vorwürfe prasselten auf Maxi ein. „Aber ich habe doch versucht mich ein bisschen anzustrengen“, versuchte sie sich zu verteidigen“ – „Wenn du dich angestrengt hättest, wäre deine Versetzung nicht gefährdet“, konterte ihre Mutter. „Das ist so ein Blödsinn!“, rief Maxi wütend, „Das erste Halbjahr ist noch nicht einmal vorbei“ – „Trotzdem lenkst du dich viel zu sehr ab“, meinte ihr Vater, „Du hast Fabella, deine Freundinnen, Marlon, du gehst zum Dressurunterricht, zum Tanzen und jetzt bist du noch in einer Band.“ – „Ich brauche meine Freunde, Fabella und alles andere“, entgegnete Maxi ihm trotzig. „Wo bleibt da die Zeit für die Schule? Wann sehe ich dich lernen und Hausaufgaben machen? Dein Arbeitsverhalten ist unmöglich!“, tobte ihr Vater. „Langsam müssen wir doch andere Saiten aufziehen!“, war ihre Mutter der gleichen Meinung. „Ganz genau, damit blase ich deine Halloweenparty für nächste Woche ab. Strafe muss sein!“, meinte ihr Vater mit böser Miene. „Das ist unfair!“, rief Maxi mit Tränen in den Augen, „Wir haben alle bereits unsere Kostüme und am Samstag habe ich zusammen mit Isa Dekoration, Essen und Getränke eingekauft“ – „Trotzdem bleibt es dabei, dass du an keiner Halloweenparty teilnimmst“, schnauzte ihr Vater sie an. „Du hast mir gar nichts zu sagen, ich mache immer noch, was ich will“, fauchte Maxi. „Wenn das so ist, dass du dich so frech benimmst und gleichzeitig die Schule schleifen lässt, schicken wir dich ab Januar auf ein Internat. Dort wirst du nicht ständig von deinen Freundinnen und deinem Freund abgelenkt“, redete sich ihr Vater in Rage. „Ich kenne sogar ein gutes Mädcheninternat in Italien“, warf ihre Mutter ein, „Meine Freundin Valentina schickt dort seit Jahren ihre Töchter hin. Es ist gar nicht einmal so teuer und dieses Internat hat schon international Preise für die Unterrichtsmethoden abgesahnt.“ – „Ich pfeife auf dieses Internat und denkt gar nicht daran, dass ihr mich dorthin abschiebt!“, schrie Maxi ihre Eltern an und rannte aus der Küche. „Maxine, wo willst du hin?“, rief ihr Vater hinterher. „Das geht euch nichts an!“, brüllte sie und einen Moment später krachte die Haustür ins Schloss.

 

Halb erfroren tauchten Merle und Finley wieder im Stall auf und brachten ihre Pferde wieder in ihre Boxen. Vor der Sattelkammer trafen sie Marlon. „Hey Marlon“, begrüßte Finley ihn, „Als was wirst du dich zu Halloween verkleiden?“ – „Ich gehe als blutrünstiger Henker und du?“, erwiderte der große Junge. „Ich weiß es noch nicht, deswegen frage ich dich“, meinte Finley. „Wie wäre es, wenn du dich als Graf Dracula verkleidest?“, schlug Marlon vor. „Ach stimmt, daran habe ich gar nicht gedacht“, fiel es Finley wie Schuppen aus den Haaren. „Genau, du brauchst einen schwarzen Smoking, ein weißes Hemd, schwarze Schuhe, ein bisschen Schminke und Haargel“, zählte Merle auf. „Was macht Maxi eigentlich hier?“, tickte Finley Merle an. Nun drehten sich auch Merle und Marlon um. Tatsächlich stand Maxi direkt vor der Box ihres Pferdes und versteckte ihr Gesicht in Fabellas Mähne. „Hallo Maxi!“, begrüßte Merle ihre Freundin. Maxi reagierte nicht, auch als sie zu dritt direkt hinter ihr standen. „Ist alles okay mit dir?“, fragte Finley. Maxi rührte sich immer noch nicht. „Maxi-Schätzchen, sag doch was los ist?“, streichelte Marlon über ihr taillenlanges schwarzes Haar. Nun drehte sich Maxi langsam um. Die drei Freunde erschraken, als sie ihr verheultes Gesicht sahen. „Oh Gott, was ist passiert?“, legte Merle ihr sofort den Arm um sie. „Wie soll ich euch das nur erzählen?“, schniefte Maxi. „Kommt alle mit, wir setzen uns in unser Bandenquartier, damit wir in Ruhe reden können“, schlug Merle vor und schloss den kleinen Raum zwischen Sattelkammer und Reiterstübchen auf.

 

Zu viert setzten sie sich um den Couchtisch und schlossen die Tür ab. „Nun erzähl was los ist“, forderte Merle ihre Freundin auf. „Ich habe mich gerade furchtbar mit meinen Eltern gestritten, da Frau Walkenhorst bei uns angerufen hat und sie über meine schlechten Noten informiert hat. Ich habe einen riesigen Einlauf bekommen und meine Eltern denken darüber nach, dass sie mich in ein Internat geben. Das Schlimmste ist, dass sie mir jetzt auch noch verbieten, dass wir Halloween bei mir Zuhause feiern“, erzählte Maxi und brach wieder in Tränen aus. „Oh nein, das gibt es doch nicht!“, rief Merle wütend, „Ich habe mir ein Kostüm, Schuhe und Schmuck bestellt“ – „Ich kann doch nichts dafür, dass die Party ausfällt“, schluchzte Maxi auf. Marlon nahm sie in den Arm und flüsterte ihr etwas Beruhigendes ins Ohr. Merle und Finley tauschten immer noch ratlose Blicke untereinander aus. „Wir müssen unbedingt eine Lösung finden“, sagte Merle nachdenklich in den Raum hinein. „Warum feiern wir nicht bei euch, Merle?“, fragte Finley. „Das geht nicht“, seufzte Merle, „Wir hatten vor wenigen Wochen einen Wasserrohrbruch im Keller und nun muss der ganze Partyraum saniert werden“ – „Wir haben leider auch keinen Platz mehr, da wir in einer Doppelhaushälfte wohnen und meine Mutter an dem Tag leider schon Gäste hat“, murmelte Finley und warf Marlon einen fragenden Blick zu. „Mir ist gerade etwas eingefallen“, schnippte Marlon mit den Fingern, „Ich habe ganz vergessen, dass wir im Dachgeschoss ein altes Wohnzimmer haben. Dort gibt es einen alten Kamin, eine Couchgarnitur aus Leder, einen großen roten Teppich, einen großer Tisch aus Eichenholz, eine große Standuhr, einen alter Plattenspieler und einen alter Röhrenfernseher. Nebenan befindet sich der richtige Dachboden“ – „Das klingt genial! Alte Dachbodenzimmer haben an Halloween viel mehr Flair als unser Partykeller“, sprang Merle begeistert vom Sessel auf. Auch Marlon und Finley schienen davon angetan zu sein, nur Maxi ließ immer noch geknickt den Kopf hängen.

 

„Ich werde eh nicht kommen dürfen“, sagte sie mit belegter Stimme. „Sind deine Eltern so streng?“, sah Finley sie verwundert an, worauf Maxi ihn genervt anschaute. „Maxi, ich weiß, wie du mitfeiern kannst?“, kam Merle ein Geistesblitz, „Du sagst einfach deinen Eltern, dass du mit Ronja zum Lernen verabredet bist, aber in Wirklichkeit gehst du zu unserer Party“ – „Tolle Idee, Merle! Denkst du meinen Eltern kommt kein Verdacht auf, wenn ich verkleidet an Halloween das Haus verlasse?“, zickte Maxi sie schlechtgelaunt an. „Nein, das Kostüm deponierst du entweder bei Ronja, bei Isa oder in unserem Bandenquartier“, erläuterte Merle den Plan weiter. „Probieren können wir es mal“, klang Maxi wieder ein bisschen optimistischer. „Und das werden wir so machen“, griff Merle nach ihrer Hand und drückte sie fest. „Jetzt müssen wir nur noch die Anderen von den Änderungen informieren“, meinte Maxi. „Das mache ich schon“, begann Merle eine Nachricht in die Whatsapp-Gruppe zu schreiben. „Wenn du in Zukunft wirklich mehr mit Ronja zusammen lernst, tut das deinen Noten bestimmt auch gut. Ich kann versuchen, dir Nachhilfe in den naturwissenschaftlichen Fächern zu geben, aber Sprachen und Gesellschaftswissenschaften sind auch nicht meins“, wandte sich Marlon an seine Freunde. „Immer diese blöde Schule“, rollte Merle, „Ich werde in den Kernfächern bis auf Mathe auch viele Dreien haben, obwohl meine Eltern es lieber sähen, wenn ich überall eine Note besser wäre. Aber das Leben besteht nicht nur aus Schule.“

13. Kapitel

 

„Jetzt zeig dich schon, Wiebke“, forderte Isabelle ihre Cousine auf und tigerte ungeduldig durch den Flur. „Ich komme ja gleich“, gab die aus dem Bad zurück. Ihr Make Up musste perfekt sitzen, sonst würde sie sich noch lächerlich machen. Ohnehin war sie noch nicht sicher, wie ihr Kostüm  bei den anderen Mädchen ankommen würde. Es war eben mal etwas anderes. „Lass mich raten, du bist ein Pirat?“, wollte Wiebkes Mutter von Isabelle wissen und begutachtete das Kostüm ihrer Nichte von oben bis unten. „Ja, richtig“, freute Isabelle sich. Man konnte es also erkennen, das war schon mal gut. „Diese amerikanischen Bräuche…“, brummelte ihre Tante und verschwand in der Küche. „Warum denn nicht den Horizont erweitern“, gab Isabelle lachend zurück. Sie fand Halloween einfach nur cool. So etwas musste mal einfach feiern und außerdem hatte das Fest seinen Ursprung ja durchaus in Europa. „Da bin ich“, verkündete Wiebke und verließ endlich das Badezimmer. Isabelle musste zweimal hinsehen, bevor sie irgendetwas erkennen konnte. Ihre Cousine trug einen grauen Einteiler mit schwarzem Muster und es sah irgendwie zerfetzt aus. Und waren das rote Flecken auf dem Stoff? „Was genau soll das darstellen?“, fragte sie vorsichtig. „Guck  doch mal genau hin!“, forderte Wiebke sie auf und drehte sich um die eigene Achse. „Irgendein Tier vielleicht?“, überlegte Isabelle. „Nicht irgendein Tier!“, protestierte Wiebke. „Ich weiß es nicht“, seufzte ihre Cousine und gab auf. „Ich bin ein überfahrener Waschbär“, erklärte Wiebke. Isabelle blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen. Auf so eine Idee konnte auch nur Wiebke kommen. „Und siehst du es jetzt?“ – „Ja, wenn man es weiß, dann…“, murmelte Isabelle und fummelte nervös an ihrem Pappsäbel herum. „Gut, dann können wir ja los“, freute Wiebke sich und nahm ihre Sachen. „Meine Mutter fährt uns hin.“ – „Super“, nickte Isabelle. Sie hatten noch einige Leckereien vorbereitet, die sie unmöglich auf den Fahrrädern hätten transportieren können. Glücklicherweise war Wiebkes Mutter fast immer bereit, sie zu fahren, wenn es nicht anders ging.

 

„Dass euer Haus aber auch so groß ist…“, knurrte Merle als sie mit Marlon die Getränkekisten auf den Dachboden schleppte. „Das musst du ja gerade sagen“, gab er grinsend zurück. „Du wohnst doch in der größten Villa, die ich kenne.“ – „Quatsch“, wehrte Merle ab. Sie gingen durch einen alten Flur und stiegen dann noch einmal eine knarrende Holztreppe hinauf. „Jedenfalls ist es unglaublich verwinkelt hier“, seufzte Klara hinter ihnen. „Du wirst dich schon nicht verlaufen“, kicherte Finley. „Na, hoffentlich“, murmelte sie unsicher. Sie blieb lieber dicht bei den anderen, auch wenn sie ebenfalls schwer schleppte. „Da sind wir auch schon“, verkündete Marlon und stand vor einer verstaubten Tür. „Schon“, spottete Finley. Sie waren nun direkt unter dem Dach des großen, alten Bauernhauses. Marlon öffnete die Tür und sie betraten einen großen Raum, der eindeutig den Geruch von Moder und altem Zeug versprühte. „Hier muss ganz dringend gelüftet werden“, entschied Merle. „Wir hatten tagsüber schon mal die Fenster geöffnet, aber dann fing es an zu regnen und wir mussten sie wieder schließen“, erklärte Marlon. „Ich glaube auch nicht, dass wir den Muff der Jahrhunderte hier an einem Abend rausbekommen werden“, lachte Finley. „Das gehört eben dazu, wenn man Halloween feiern möchte“, behauptete Marlon. Er schob ein paar alte Tische zusammen und meinte: „Das hier wird das Buffet.“ Gemeinsam mit Merle spannte er eine Papiertischdecke darüber und klebte sie vorsichtig an den Ecken fest. Auch wenn die Möbel alt waren, wusste er, dass seine Mutter nicht begeistert wäre, wenn etwas kaputt ginge. Klara schob eines der Dachfenster auf und atmete die kalte, frische Luft ein. Es war ihr eindeutig zu muffig hier oben. Aber sie wollte sich vor den anderen nicht so anstellen. Der Boden war mit dunkelrotem Teppich ausgelegt und überall standen verschiedene Sessel und ein großes Sofa. Daraus schoben die Freunde eine gemütliche Sitzecke zusammen. „Das wird super gemütlich“, freute Merle sich schon. „Wir müssen aber noch ein paar Sachen hochtragen“, dämpfte Finley ihre Begeisterung. „Die anderen müssten auch jeden Moment kommen, dann können sie uns helfen“, wehrte Klara ab. Dabei war sie eigentlich froh, wenn sie noch einmal hinuntergehen konnte. „Ja, wo bleiben die bloß“, wunderte sich auch Merle. Sie hoffte, dass vor allem bei Maxi nichts schief gelaufen war. Als es klingelte, stürmten sie alle nach unten. An der Haustür standen Wiebke und Isabelle, beladen mit Tüten und Taschen. „Wollt ihr hier etwa einziehen?“, fragte Ellen erschrocken, als sie die Mädchen hereinkommen sah. „Nein, das ist nur ein bisschen was zu essen“, wehrte Wiebke lachend ab. „Danke noch mal, dass wir hier feiern dürfen“, sagte Isabelle wohlerzogen. „Kein Problem, solange ihr es nicht übertreibt“, meinte ihre Reitlehrerin und verschwand wieder. „Ein bisschen zu essen?“, hakte Finley nach. „Das sieht nach einer ganzen Menge aus.“ – „Wir wollen ja auch nicht verhungern“, grinste Wiebke. Sie alle nahmen sich etwas und trugen es auf den Dachboden. „Das sieht ja super aus“, fand Wiebke sofort, als sie den Raum für die Feier sah, und erntete dafür einen verstörten Blick von Klara. „Klar, dass es dir gefällt. Als was bist du eigentlich verkleidet?“, fragte sie dann. „Ein überfahrener Waschbär“, verkündete Wiebke stolz. „Oh ja, klar“, murmelte Klara und sagte nichts weiter. Manchmal war ihr Isabelles Cousine einfach noch zu suspekt. Besonders in solchen Momenten. Die Mädchen packten aus, was sie an Verpflegung mitgenommen hatten. „Du kannst doch keine Fliegenpilze aufstellen!“, protestierte Finley, als er Wiebke beobachtete. „Bleib mal ruhig, das sind doch keine echten“, verteidigte die sich. „Was ist das dann?“, wollte er misstrauisch wissen und kam näher. „Das sind bloß gekochte Eier, denen wir eine Haube aus Tomate aufgesetzt haben. Und die weißen Flecken sind Mandeln“, erklärte Isabelle. „Die sehen wirklich unheimlich gut aus“, lobte Merle. „Wie echte Fliegenpilze.“ – „Danke“, grinste Wiebke. Dann packte sie ihre Spinnenmuffins an, an denen sie ewig lange gebastelt hatte. Jedem einzelnen Muffin hatte sie Augen aus Schokolade und Beine aus Gummischnüren angeklebt. Isabelle hatte es sich wesentlich einfacher gemacht. Einem einfachen Marmorkuchen hatte sie mehrere Grabsteine aus Esspapier verpasst, auf denen mit Lebensmittelfarbe ihre Namen standen. „Das ist wirklich gruselig“, fand Klara und kam sich gleichzeitig ein bisschen einfallslos vor, weil sie nur die gängigen Halloweensüßigkeiten aus dem Supermarkt mitgebracht hatte. Doch auch die essbaren Augen aus Schaumstoff von ihr fanden große Begeisterung bei ihren Freundinnen. Dann hingen sie noch Luftballons in schwarz und orange auf. Finley hatte sogar von einem Freund richtige Gruseldekoration ausgeliehen. Verschiedene Skelette und große Spinnen sowie zwei Totenköpfe mit leuchtenden Augen verteilte er im Raum. „Das ist der Hammer“, fand Merle. Sie dimmte das Licht so, dass man gerade genug sehen konnte, und schaltete ihre Nebelmaschine neben dem Eingang ein. „Oh Merle, muss das sein?“, protestierte Klara. „Die Luft ist auch so schon schlecht genug.“ Widerwillig schaltete sie das Gerät wieder aus. „Das wäre aber der perfekte Empfang für Maxi und Ronja geworden“, maulte sie beleidigt. „Wo bleiben die überhaupt?“, wunderte sich Marlon.

 

Isabelle sah besorgt auf ihr Handy, doch von Ronja und Maxi hatte sie keine Nachricht erhalten. Sie war sich nicht sicher, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Bereits am Nachmittag hatte Maxi ihre Sachen bei Marlon abgestellt, als sie Fabella geritten war. Am Abend hatte sie sich dann mit Ronja treffen wollen. Angeblich zum Lernen. Doch in Wahrheit hatten sie bald zu Marlon aufbrechen wollen. Inzwischen warteten ihre Freunde schon besorgt auf sie. „Bestimmt machen sie sich schon Sorgen“, keuchte Maxi. „Es tut mir leid“, seufzte Ronja. „Ich konnte nicht ahnen, dass meine Schwester so dreist ist.“ – „Eigentlich schon“, meinte Maxi böse. Ronja nickte. Es war eine wirkliche Gemeinheit, dass ihre große Schwester einfach ihr Fahrrad genommen hatte, ohne zu fragen. Und das nur, weil ihr eigenes einen Plattfuß hatte. Anstatt sich darum zu kümmern, es zu reparieren, bediente sie sich einfach, das war wieder typisch. Auch von Ronjas vorbereitetem Essen hatte sie sich schon etwas genommen. Das war Ronja besonders unangenehm. Aber Maxi hatte versucht, sie zu trösten, denn sie selbst hatte schließlich so gut wie gar nichts mitbringen und vorbereiten können. Sonst wären ihre Eltern sofort misstrauisch geworden. Maxi hatte seit Wochen nichts mehr über Halloween gesagt, in der Hoffnung, dass ihre Eltern den Tag als solchen gar nicht wahrnehmen würden. Es war zwar Allerheiligen, doch an Halloween dachten ihre Eltern eigentlich gar nicht, schließlich war es nicht üblich, diesen Tag groß zu feiern. In Italien noch viel weniger, als in Deutschland. Nun waren sie jedenfalls spät dran. Denn Ronja besaß zu ihrem Fahrrad noch einen Anhänger. Darin hatte sie eigentlich ihre Sachen transportieren wollen. Da ihre Schwester nun ihr Fahrrad genommen hatte, und Maxis Fahrrad keine Anhängerkupplung besaß, waren Ronja und Maxi nun voll beladen und balancierten ihren Kram unbeholfen auf Maxis Fahrrad durch den Ort. Es dauerte natürlich viel länger, als wenn sie einfach mit ihren Rädern gekommen wären. Doch in der ganzen Aufregung hatten sie auch nicht daran gedacht, ihren Freundinnen Bescheid zu sagen. Der Regen hatte zwar aufgehört, auf sie nieder zu prasseln, dafür war es aber eisig kalt geworden und dunkel war es auch schon.

 

„Sollen wir mal bei Maxi oder Ronja anrufen?“, überlegte Merle mit einem weiteren besorgten Blick auf die Uhr. Während sie auf ihre Freundinnen warteten, kam ohnehin noch keine Halloweenstimmung bei ihnen auf. „Gib ihnen noch ein bisschen Zeit“, beruhigte Isabelle sie. „Die kommen schon noch.“ – „Aber was, wenn sie aufgeflogen sind?“, warf Klara ein. „Wir müssen ja nicht gleich vom Schlimmsten ausgehen“, meinte Wiebke. „Außerdem hätten sie sich dann doch bestimmt gemeldet.“ – „Nicht, wenn ihre Eltern ihre Handys einkassiert haben“, überlegte Klara weiter. Bevor sie sich noch weiter schlimme Szenen ausmalen konnten, klingelte es. „Das müssen sie sein“, rief Finley aufgeregt und stürmte zur Treppe. Als ihm niemand folgte zögerte er und fragte verwundert: „Kommt ihr nicht mit?“ – „Die ganzen Treppen wieder runter und hoch? Nein danke, das habe ich heute schon oft genug gemacht“, sagte Marlon. „Lauf du mal“, nickte Merle. „Ihr seid ja tolle Freunde“, sagte Finley grinsend und streckte ihnen die Zunge raus. Dann eilte er hinunter zur Tür. Allerdings war Ellen schneller gewesen und hatte Ronja und Maxi bereits hereingebeten. „Sind denn jetzt alle Gäste da?“, wollte sie von den Mädchen wissen. „Ich weiß ja nicht, wer schon da ist“, antwortete Maxi schulterzuckend und Finley erklärte schnell: „Ihr seid die letzten, alle sind jetzt da.“ Erleichtert machte sich Ellen wieder auf den Weg in ihr Wohnzimmer. „Wo müssen wir hin?“, fragte Ronja neugierig. Sie war noch nie in dem Haus gewesen, in dem Marlon mit seiner Mutter wohnte. „Nach oben“, erklärte Finley und nahm ihnen einige Sachen ab.  Dann ging er die Treppen hinauf und sie folgten ihm.

 

„Da seid ihr ja!“, rief Merle und fiel ihren Freundinnen überschwänglich um den Hals. „Wir haben uns schon Sorgen gemacht“, meinte Isabelle und drücke Ronja und Maxi ebenfalls. „Ich muss mich noch umziehen“, sagte Maxi mit hängenden Schultern, als sie die andren in ihren Verkleidungen sah. „Hier sind deine Sachen“, meinte Marlon und gab ihr ihre Sporttasche, die sie am Nachmittag bei ihm abgestellt hatte. „Eine Etage tiefer ist direkt auf der linken Seite ein Bad, da kannst du dich umziehen.“ – „Danke“, seufzte Maxi und verschwand. „Mach mal die Nebenmaschine an, Merle“, forderte Wiebke. „Wieso?“ – „Dann hat Maxi gleich einen tollen Auftritt, wenn sie reinkommt. Sie sah gerade so traurig aus.“ – „Gute Idee“, fand Finley. „Dazu noch passende Musik, los!“ Schnell bereiteten sie alles vor, um Maxi einen filmreifen Auftritt zu bescheren. Ihre Freundin war etwas niedergeschlagen, weil sie sich erst jetzt umziehen konnte. Doch als sie in ihrem Kostüm wieder den Dachboden betrat, umhüllt vom Nebel und einer schmissigen Musik, da fühlte sie sich gleich viel besser. „Du siehst super aus“, rief Klara begeistert. „Danke, es soll eine Filmdiva darstellen“, erklärte Maxi. Sie hatte ihre dunklen Haare offen gelassen und erst jetzt sah man, wie voluminös ihr Haar eigentlich war. Sonst bändigte sie es meist zu einem Zopf. Das enge Glitzerkleid saß perfekt und dazu trug Maxi armlange Handschuhe und eine Maske wie vom venezianischen Karneval mit roten Federn. Dann musste Ronja und sie erst einmal berichten, warum sie zu spät gekommen waren. „Das ist ja ärgerlich“, fand Wiebke. „Das ist eher ziemlich dreist“, korrigierte Klara sie. „So ist meine blöde Schwester nun mal“, seufzte Ronja. „Viel wichtiger ist doch, dass ihr jetzt hier seid und auch nicht von Maxis Eltern erwischt wurdet“, fand Finley. Das sahen die anderen auch so. Sie machten es sich in den alten Sesseln mit ihrem Essen gemütlich und begannen bald, ihre besten Gruselgeschichten auszutauschen. Vor allem Wiebke kannte tolle Geschichten, die ihnen eine Gänsehaut auf die Arme zauberten.

 

„Seht mal aus dem Fenster, es ist richtig nebelig geworden“, meinte Merle schließlich. „Sei vorsichtig und häng dich nicht so weit raus“, warnte Marlon schnell. Dann stellte er sich neben sie und sah ebenfalls hinaus. „Wow, richtiges Gruselwetter“, fand er. „Wir sollten rausgehen“, schlug Ronja aufgeregt vor. „Was sollen wir denn da?“, fragte Klara verständnislos. „Vielleicht eine Mutprobe machen“, meinte Wiebke. „Wie soll das aussehen?“, hakte Isabelle neugierig nach. „Wer sich traut, zu dem alten Gedenkstein am Waldrand zu gehen“, schlug Maxi aufgeregt vor. „Da ist doch nichts dabei“, fand Finley. „Nur weil es dunkel ist.“ – „Und nebelig“, fügte Ronja hinzu. „Und Halloween“, ergänzte Isabelle lachend. „Also gut, dann los!“, rief Merle und sie nahmen ihre Jacken und trampelten die Treppe nach unten. Dort schlüpften sie in ihre Schuhe und liefen auf den Hof. Es war kalt in ihren Kostümen. „Man sieht ja kaum etwas“, murmelte Klara, als sie am Stall vorbei gingen. Gerade wollte sie nach ihrem Handy fischen, da sagte Finley: „Ohne Taschenlampen oder Handys, sonst ist es nicht spannend genug.“ Genervt folgte Klara ihren Freunden in die Dunkelheit. Dass über den Feldern dichter Nebel lag, machte es in  ihren Augen nicht gerade besser. „Na, wer traut sich?“, wollte Marlon wissen. „Bis zum Gedenkstein am Waldrand?“, hakte Merle nach. „Genau.“ Sie zögerte nicht lange, sondern sagte sofort: „Ich mache das.“ – „Und wie sollen wir prüfen, ob du auch wirklich dort warst?“, hakte Wiebke nach. „Du kannst ja mitkommen“, schlug Merle vor. „Oder du nimmst etwas mit und lässt es dort. Der nächste muss es dann holen“, überlegte Finley. „Gute Idee“, meinte Merle. Sie sah Maxi an und sagte: „Gib mir mal einen deiner divenhaften Handschuhe, bitte.“ – „Aber der wird doch dann total dreckig“, protestierte Maxi. „Ich verspreche, dass ich gut darauf aufpasse“, sagte Merle. Widerwillig zog Maxi einen der langen Handschuhe aus und reichte ihn ihrer Freundin. „Lass ihn nicht in den Matsch fallen“, sagte sie eindringlich. Merle nickte, winkte ihren Freunden kurz zu und meinte: „Bis gleich.“ Dann verschwand sie auf dem Weg zum Wald. Klara konnte ihr nur kopfschüttelnd nachsehen. Es dauerte gar nicht lange, bis das Mädchen schon wieder bei ihnen war. „Das war leicht“, behauptete Merle und schüttelte ihre Haare wie ein Wildpferd. „Jetzt muss jemand den Handschuh wiederholen“, behauptete Marlon. „Ihr Jungs vielleicht?“, schlug Isabelle vor. „Nein, ich traue mich nicht“, lachte Finley und spielte den Angsthasen. „Macht ihr das mal“, nickte auch Marlon. „Können Isabelle und ich  zusammen gehen?“, wollte Wiebke wissen. „Klar“, meinte Finley schulterzuckend. „Hey!“, protestierte Isabelle. „Werde ich auch gefragt?“ – „Anscheinend nicht“, lachte Marlon. „Dann holt unserer Diva mal den Handschuh, bevor es wieder Regen gibt“, meinte Klara mit einem Blick zum wolkenvergangenen Himmel. „Wenn es denn sein muss“, knurrte Isabelle.

 

Wieder einmal hatte Wiebke sie mit reingezogen. Sie wollte gar nicht unbedingt ihren Mut unter Beweis stellen. Sie gehörte nicht zu den Mutigsten, das wusste sie und das wussten auch alle anderen schon. Wiebke schritt eilig voran. „Warte doch mal!“, rief Isabelle und passte auf, wo sie hintrat. Es war wirklich matschig, dabei war der Weg schon seit Wochen wegen des Regens gesperrt. „Wenn wir uns beeilen, sind wir auch schnell wieder zurück“, erklärte Wiebke. „Schon, aber ich möchte ungern in dem Dreck hier hinfallen“, gab Isabelle zu bedenken. „Seit wann bist du denn die Diva? Das ist doch Maxi“, lachte Wiebke. Sie kamen dem unheimlichen Wald immer näher und Isabelle war froh, ihre Cousine bei sich zu haben. Es war ihr nicht geheuer in der Dunkelheit, die sich wie eine Wand vor ihnen auftat. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen daran, dass kaum etwas zu sehen war. „Da ist der Gedenkstein doch schon“, meinte Wiebke. Isabelle atmete kurz auf. Sie hatten es also fast geschafft. Sie blieb immer ein kleines Stück hinter ihrer Cousine. Es war schließlich Wiebkes Idee gewesen. Also sollte sie auch vorgehen. „Und wo ist nun der blöde Handschuh?“, wollte Isabelle wissen, als sie vor dem Stein standen. Wiebke lief einmal herum und entdeckte ihn bald. „Hab ihn!“, rief sie begeistert, als hätte sie eine bedeutende Trophäe ergattert. Isabelle war erleichtert und wollte sich gerade zum Gehen wenden, als sie zusammenzuckte. Da war doch etwas gewesen, sie hatte es eindeutig gehört. „Wiebke, warte mal!“, flüsterte sie und drückte sich mit dem Rücken an den Stein. „Was denn?“ – „Da war etwas.“ Wiebke drehte sich zu ihr um und sah sie an, als wäre sie verrückt geworden. „Was meinst du?“, fragte sie dann. „Ich habe etwas gehört“, wisperte Isabelle ängstlich. „Da werden Tiere im Wald sein“, meinte Wiebke schulterzuckend. „Vielleicht noch verspätete Spaziergänger mit ihrem Hund oder so.“ Isabelle lauschte angespannt. Nein, da war etwas anderes, da war sie sich ganz sicher. „Dann lass uns eben abhauen“, schlug Wiebke vor. Gerade wollte Isabelle ihr zustimmen, da sprangen zwei Gestalten unter lautem Gebrüll aus dem Wald hervor. Isabelle und Wiebke kreischten auf und wollten davonlaufen, als sie erkannten, dass es Marlon und Finley waren, die ihnen einen riesigen Schrecken eingejagt hatten. „Ihr seid ja verrückt!“, schimpfte Isabelle, die sich nur langsam wieder beruhigte. „Wieso? Schrecken und Streiche gehören zu Halloween dazu“, behauptete Marlon. „Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen“, meinte auch Wiebke. „Ist doch nur Spaß“, wehrte Finley ab. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zurück zu ihren Freundinnen, die bibbernd in der Nähe des Stalles auf sie gewartet hatten. „Wo kommen Finley und Marlon jetzt auf einmal her?“, wollte Ronja wissen, die gar nicht bemerkt hatte, dass die Beiden sich von ihnen entfernt hatten. Isabelle berichtete noch immer geschockt, was die Jungs getan hatten. „Das ist aber fies“, fand Klara sofort. Sie war nur froh, dass sie sich an der Mutprobe nicht beteiligt hatte.

 

„Können wir wieder reingehen? Es ist so kalt“, jammerte Ronja. „Wir könnten auch ein paar Nachbarn einen Streich spielen“, schlug Merle vor. „Und uns damit noch unbeliebter machen?“, wollte Klara wissen. „Okay, dann nicht, aber dann lasst uns wenigstens noch einmal nach den Pferden sehen“, beharrte Maxi. Die Idee fanden sie alle gut. „Ob sie sich wundern, wie wir aussehen?“, überlegte Wiebke. Merle sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. So viele Sachen lagen ihr in diesem Moment auf der Zunge. Dass Wiebke eigentlich immer seltsam aussah. Dass ihre Reitbeteiligung Alaska sich demnach ständig wundern müsste. Dass ihr Kostüm nun wirklich eine eigene Kategorie verdient hätte. Aber dann verkniff sie es sich lieber und sagte einfach gar nichts. Zumindest Fabella machte angesichts der Umhänge der Jungs große Augen. „Wedelt damit doch nicht auch noch so herum“, forderte Maxi sie auf. Dann beruhigte sie ihre Stute und gab ihr einen Gutenachtkuss. „Wie lange dürft ihr eigentlich wegbleiben?“, fragte Marlon als sie wieder zum Haus gingen. „Naja, es ist Wochenende“, meine Merle. „Ich rufe einfach meine Eltern an, wenn ich abgeholt werden möchte.“ – „Du hast ein Leben“, seufzte Finley, der um halb eins abgeholt werden sollte. „Meine Mutter holt uns auch so um halb eins ab“, erklärte Wiebke. „Ich müssen wahrscheinlich eher gehen“, maulte Maxi. „Meine Eltern glauben mir ja im Leben nicht, dass ich die ganze Nacht mit Ronja lerne.“ – „Aber ihr könntet danach doch noch einen Film gucken oder so?“, überlegte Klara. „Naja, meine Eltern sind ja nicht blöd. Sie wissen, dass wir bei Ronja kaum unsere Ruhe haben. Sie wundern sich sowieso, dass wir dort lernen und nicht bei uns“, erklärte Maxi.

 

Auf dem Dachboden machte Finley tanzbare Musik an und es dauerte nicht lange, bis sie wild umherhüpften und tanzten. Auch wenn ihnen nicht allzu viel Zeit blieb, so wollten sie das Beste daraus machen. Auf dem alten Fernseher ließ Marlon einen gruseligen Schwarzweißfilm laufen, dem sie jedoch nur am Rande ihre Aufmerksamkeit schenkten. Irgendwann jedoch bekam Marlon eine Nachricht von seiner Mutter auf sein Handy. „Wir sollen leiser sein“, seufzte er genervt. Sie ließen sich alle in die Sessel und auf das Sofa fallen. „Dann sehen wir eben den Film“, meinte Wiebke, die sich den Spaß so schnell nicht verderben ließ. Dazu füllten sie sich alle noch einmal ihre Teller voller Essen und schauten sich dann den alten Film an. „Diese Effekte sind jetzt nicht so beeindruckend“, fand Merle. „Aber mit der Technik, die sie hatten, haben sie das schon gut gemacht“, gab Finley zu bedenken. Klara hielt sich immer wieder unauffällig ihren Plastikbecher vor die Augen, wenn eine gruselige Stelle kam. Sie hoffte, dass die anderen nicht bemerkten, was für ein Angsthase sie war. Doch sie hatte Glück, denn alle amüsierten sich viel zu sehr über den alten Film, als dass es ihnen aufgefallen wäre.

 

 

14. Kapitel

 

„Was denn jetzt noch?“, seufzte Marlon genervt, als sein Handy sich schon wieder meldete. „Wir sind doch leise.“ – „Was hat deine Mutter denn?“, fragte Isabelle. „Naja, sie hat den ganzen Tag schon Kopfschmerzen, deshalb sollten wir auch aufhören, hier oben zu der lauten Musik rumzuhüpfen“, erklärte Marlon. „Verständlich“, meinte Ronja vernünftig. „Ja, schon, aber jetzt schreibt sie mir schon wieder, dass wir leiser sein sollen, dabei haben wir gar nichts gemacht“, beschwerte Marlon sich. Merle stand auf und drehte am Fernseher den Ton aus. „Ein bisschen leiser hätte doch gereicht“, protestierte Maxi. „Pssst“, machte Merle und alle verstummten. „Da war wirklich ein Geräusch und das waren nicht wir“, flüsterte sie dann mit großen Augen. „Wenn das wieder so ein Scherz ist, wie vorhin, dann werde ich sauer“, versprach Isabelle. „Nein, kein Scherz“, sagte Marlon ernst. Er ging an das Dachfenster und schob es langsam ein Stück auf. „Die Pferde sind unruhig, das höre ich“, sagte er. „Das ist doch nicht so ungewöhnlich, oder?“, hakte Wiebke nach. „Ich bin hier aufgewachsen, ich kenne jedes Geräusch auf diesem Hof“, erklärte Marlon. „Und ich weiß, dass ich etwas gehört habe, das hier nicht hingehört.“ – „Dann haben die Pferde das wahrscheinlich auch gehört“, vermutete Klara und er nickte. Wieder kam ein Rumpeln von draußen. „Könnte es Donner sein?“, fragte Ronja leise. Die Jungs zuckten die Schultern. Sie wussten nicht, wie sie es einordnen sollten. Gerade das machte es ja so unheimlich. „Wir sollten nachsehen“, beschloss Finley. Er machte sich Sorgen um sein Pferd, wenn er ehrlich war. „Sagen wir deiner Mutter Bescheid?“, fragte Isabelle Marlon, als sie möglichst leise die Treppe hinuntereilten. „Das können wir später noch machen. Ich will sie jetzt nicht unnötig aufregen“, antwortete er leise. Sie nahmen ihre Schuhe nur schnell in die Hände und zogen sie draußen auf der Treppe an.

Der Hof lag vermeintlich ruhig da, doch die Pferde brummelten vor sich hin. Eines wieherte sogar. Dennoch war nichts zu sehen, was sie aufregen könnte. Marlon lauschte noch einmal. Ein Poltern, schon wieder. Und es klang, als hätte jemand eine Stalltür geöffnet. Er sah sich den Hof vor dem Stall genauer an, doch der Boden war nass und damit konnte er keine Spuren erkennen. Gemeinsam betraten sie den Stall. Marlon zögerte nicht, sondern schaltete sofort das Licht an. Die Pferde schauten ihn wach an. Keines von ihnen hatte gedöst oder geschlafen. Irgendetwas hatte sie geweckt. Langsam und vorsichtig gingen sie durch die Stallgasse. Maxi entdeckte es als Erste und rannte los. „Fabella!“, rief sie außer sich. „Was ist los?“, fragte Finley und sie folgten ihr. Die Boxentür war zwar geschlossen, doch die Stute verschwunden. „Das kann nicht sein“, rief Merle erschrocken und schaute nach, ob Fabella sich nicht einfach nur hingelegt hatte. Doch die Box war leer. „Wo ist sie?“, kreischte Maxi. „Pssst“, machte diesmal Finley. Er lauschte und sagte dann: „Da wird ein Motor gestartet.“ – „Aber wo?“, fragte Wiebke panisch. „Die Rückseite!“, fiel es Marlon ein. Er lief die Stallgasse entlang, vorbei an der Sattelkammer und in den Stalltrakt, in dem die Privatpferde von ihm und seiner Mutter standen. Am Ende des Ganges gab es eine weitere Tür, die nach draußen führte. Mit aller Kraft stieß Marlon sie auf und lief hinaus. Gerade rollte ein Auto mit einem Pferdeanhänger davon. „Stehenbleiben!“, rief er und lief dem Gespann nach, doch er war viel zu langsam. „Sie müssen vorne vom Hof“, stellte Wiebke fest und rannte durch den Stall zurück. Isabelle folgte ihrer Cousine ohne zu zögern. Sie schnappten ihre Fahrräder und traten in die Pedale, als das Gespann an ihnen vorbeirauschte und auf die Straße gelangte.

 

Auch die anderen waren durch den Stall auf den Hof gelaufen. „Wir müssen die Polizei rufen“, keuchte Finley. „Aber wir haben das Kennzeichen doch gar nicht“, japste Klara. „Egal.“ Maxi standen die Tränen in den Augen, als plötzlich ein weiteres Auto auf den Hof gefahren kam. „Wer ist das denn?“, wollte Ronja erschrocken wissen. „Oh nein“, entfuhr es Maxi. „Das ist mein Vater.“ – „Das ist doch super, komm!“, entschied Merle und packte ihre Freundin am Handgelenk. Sie stieg in den Wagen und sagte zu Maxis Vater: „Fahren Sie bitte sofort los, wir erklären Ihnen sofort alles, aber es geht um alles!“ – „Und wohin soll ich bitte fahren?“, fragte der Mann verwundert. Merle griff nach ihrem Handy und rief Wiebke an, die sofort abnahm. „Wir haben sie an der Kirche verloren“, keuchte Wiebke ins Handy. „Sie fahren in Richtung Norden auf der Bundesstraße.“ – „Papa, sie haben Fabella gestohlen!“, heulte Maxi, während Merle dem Mann erklärte, wohin er fahren sollte. „Sie haben was?“ – „Sie haben Fabella, jemand hat sie aus dem Stall gestohlen!“ Bevor Maxi und Merle noch etwas sagen konnten, trat Maxis Vater das Gaspedal seines Wagens durch und fuhr durch den Ort, dass Merle ganz anders wurde. Leicht panisch griff sie nach ihrem Sicherheitsgurt und prüfte, ob er auch fest saß. Ihr Vater hielt sich wie so viele auch für einen verkannten Rennfahrer, doch so eine Fahrt hatte sie noch nie erlebt. Mit quietschenden Reifen rasten sie aus dem Ort heraus und auf die Bundesstraße. Maxi konnte an der Kirche nur die verwunderten Mädchen Wiebke und Isabelle erkennen. Sie hätte ihnen gern Bescheid gesagt, doch sie hielt sich genau wie Merle lieber irgendwo im Auto fest. Am Steuer schickte ihr Vater wüste italienische Flüche aus, die sie für Merle lieber nicht übersetzte. Vermutlich konnte sie sich ungefähr denken, was der Mann meinte. „Das ist der Anhänger!“, rief Merle plötzlich aufgeregt, als vor ihnen Rücklichter immer näher kamen. „Papa, mach keinen Blödsinn, da steht mein Pferd auf dem Anhänger“, gab Maxi zu bedenken, als der Mann zum Überholen ansetzte. „Ruf die Polizei, Maxi“, sagte Merle. „Wir haben ja jetzt das Kennzeichen.“ Maxi sah sie mit großen Augen an. Sie hatte noch nie wirklich mit der Polizei gesprochen. Was, wenn sie sich nicht ordentlich ausdrücken konnte? Oder wenn sie ihr nicht glaubten? Merle verstand das Problem ohne Worte und griff nach ihrem eigenen Handy, um die Polizei zu informieren.

 

„Guten Abend, was kann ich für Sie tun?“, meldete sich eine Stimme, die nicht gerade begeistert klang, bei was auch immer gestört zu werden. „Guten Abend“, sagte Merle und stellte sich mit ihrem ganzen Namen vor. „Wir haben hier ein Pferd, das gestohlen wurde. Der Vater meiner Freundin verfolgt die Diebe gerade mit seinem Privatauto, aber wir bräuchten ihre Hilfe.“ Am anderen Ende der Leitung konnte sie einen tiefen Seufzer hören. „Gib mir den Idioten, wenn er sich zu dumm anstellt!“, forderte Maxis Vater vom Steuer aus. „Nein Papa, du musst Autofahren“, protestierte Maxi. Merle versuchte noch einmal ganz in Ruhe, das Problem zu erklären. Doch irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie nicht ganz ernst genommen wurde. Schließlich gab sie auf und reichte das Handy schulterzuckend an Maxis Vater weiter. „Aber sprich deutsch mit ihm“, meinte Maxi noch. „Ich versuche es“, versprach er. Dann verschwendete er keine Zeit mehr mit Erklärungen, sondern gab einfach durch, wo er gerade war, und wo die Polizei den flüchtigen Wagen am besten anhalten sollte. Glücklicherweise gab es nicht allzu viele Möglichkeiten. Die Bundesstraße besaß kaum Abfahrten, die die Diebe hätten nehmen können. Merle war froh, dass das Gespann nicht mehr so raste, wie zu Anfang. Die rasante Fahrt hatte ihr durchaus Angst eingejagt.

 

„Wo bleiben diese Polizisten?“, fluchte Maxis Vater weiter. „Von wegen, die deutsche Polizei ist immer so pünktlich.“ – „Die müssen ja auch erst einmal losfahren“, gab Merle zu bedenken. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis sie endlich ein Blaulicht entdeckten, das sich näherte. „Meinst du, die halten überhaupt an?“, flüsterte Maxi erschrocken. „Bestimmt“, beruhigte Merle sie und wollte sich nicht vorstellen, was wäre, wenn nicht. Die Polizei ließ es nach einer willkürlichen Kontrolle aussehen. Ein Wagen fuhr vor den Pferdeanhänger und zeigte dem Fahrer an, dass er zur Kontrolle anhalten sollte. Maxis Herz schlug bis zum Hals, als sie wartete, ob der Fahrer auch tun würde, was sie von ihm verlangten. Als das Gespann langsamer wurde, atmeten die Mädchen auf. Doch Maxis Vater schnaubte bedrohlich. Hinter dem Gespann fuhr er ebenfalls langsamer und stellte seinen Wagen auf dem Seitenstreifen hinter ihm ab. „Ihr bleibt hier sitzen!“, befahl er und stieg wutentbrannt aus, weiter italienische Flüche ausstoßend. „Was sagt er?“, fragte Merle. „Das willst du nicht wissen“, antwortete Maxi. „Ich kenne auch gar keine deutschen Wörter dafür.“ Eine ganze Weile hörten und sahen sie nichts. Dann tauchte Maxis Vater mit einem Polizisten am Auto auf. „Kommt mal raus, damit ihr das Pferd im Anhänger identifizieren könnt“, sagte er zu den Mädchen. Vorsichtig stiegen sie aus und Maxi lief sofort zu dem Anhänger. Durch die kleine Tür vorne kletterte sie hinein und sah Fabella. „Das ist mein Pferd!“, verkündete sie. Die goldene Stute sah sie mit großen Augen an. „Alles gut, Süße, wir retten dich“, murmelte Maxi mit Tränen in den Augen. „Ich kann Ellen anrufen, dann soll sie von meinen Eltern Fabellas Pferdepass und unsere Besitzerurkunde holen“, erklärte Maxi den Polizisten. „Aber das ist eindeutig mein Pferd.“ Merle stand neben ihr und konnte nur nicken. „Ja, ein Nachweis wäre super, bitte mach das“, sagte der Polizist. „Wer klaut meiner Tochter das Pferd, wer lebt hier nicht gerne?“, wollte Maxis Vater wütend wissen. Merle machte große Augen und stellte sich ein Stück hinter Maxi. So wütend hatte sie deren Vater noch nie gesehen. Die Polizisten versuchten, ihn zu beruhigen, doch dann erkannte Maxi selbst, wer da neben dem Polizeiauto stand. „Das ist doch nicht wahr!“, rief sie. „Das ist Torben!“ – „Ihr kennt den Mann?“, fragte einer der Polizisten. „Er hat behauptet, dass er Torben heißt, und Fotograf ist“, erklärte Merle. „Er hat Pferdefotos bei uns auf dem Hof gemacht.“ – „Und sich dabei alles angeguckt, sich vertraut gemacht, um dann zuzuschlagen“, fiel es Maxi wie Schuppen von den Augen. „Torben ist nicht sein richtiger Name“, erklärte einer der Polizisten. „Er ist schon mehrfach wegen Pferdediebstahls aufgefallen. Allerdings war er bisher nie wirklich erfolgreich.“ – „Glücklicherweise“, seufzte sein Kollege. „Ich rufe Ellen an“, beschloss Maxi. „Wir müssen Fabella auch noch nach Hause bringen.“ – „Wir können sie doch hier nicht vom Hänger holen“, sagte Merle entschieden und Maxi nickte. „Aber Ellen kann mit ihrem Auto den Anhänger zum Hof ziehen“, überlegte Maxi. Da die Polizisten keine Ahnung hatten, jedoch einsahen, dass das Pferd nicht an einer Bundesstraße ausgeladen werden konnte, stimmten sie dem Plan zu. Die beiden Diebe, Torben hatte einen Komplizen dabei, wurden ohnehin festgenommen.

 

Es dauerte nicht lange, bis Ellen zu ihnen stieß. Sie hatte sich den Abend wesentlich unaufgeregter vorgestellt-Halloweenparty hin oder her. Den Polizisten konnte sie erklären, dass Fabella schon lange in ihrem Stall stand. Außerdem hatte sie tatsächlich den Pferdepass und Besitzernachweis von Maxis Mutter abgeholt. Die war zuvor von Maxi gebeten worden, die Dokumente bereit zu halten. Dann koppelten sie den Pferdeanhänger ab und bei Ellens Wagen wieder an. Fabella trampelte allein dabei wild. „Sobald man fährt steht sie ruhig“, erklärte Maxi. „Aber wenn man steht, wird sie unruhig.“ – „Dann bringen wir sie mal wieder nach Hause, was“, sagte Ellen. Maxi fiel ihr glücklich in die Arme. Tränen der Erleichterung kullerten über ihr Gesicht. Sie hätte beinahe ihr geliebtes Pferd verloren. Wenn ihre Freunde nicht gewesen wären-und ihr verrückter Vater. „Du fährst bei mir mit“, entschied der gerade und sah sie streng an. „Ich habe da noch ein paar Fragen an dich.“ Geknickt folgte Maxi ihm, während Merle bei Ellen ins Auto stieg. Sie war froh, dass die Rückfahrt ruhiger verlief. Noch so eine Fahrt hätte sie nicht überstanden.

 

„Ihr wolltet also lernen?“, fragte Maxis Vater provokant. „Also… nein“, gestand sie. „Heute nicht.“ – „Ich hatte dir verboten auf eine Halloweenparty zu gehen“, erinnerte er sie. „Ich weiß, aber ich wollte unbedingt dort hingehen.“ – „Und ich war so stolz auf dich, dass du lernen wolltest“, seufzte ihr Vater. „Ich habe viel mit Ronja gelernt und mich auch schon ein bisschen verbessert“, warf Maxi ein. „Aber heute nicht.“ – „Nein, heute nicht“, murmelte sie. „Woher weißt du das eigentlich?“ Nun war es ihr Vater, der tief seufzte. „Ich dachte, ihr habt vielleicht Hunger und wollte bei Ronja eine Kleinigkeit zu Essen vorbeibringen. Als Belohnung für euren Fleiß“, erklärte er. „Aber da war nur ihre höchst seltsame Schwester, die euch auch sofort verpetzt hat.“ – „Tolle Schwester“, knurrte Maxi. Erst nahm sie Ronjas Fahrrad und dann verriet sie ihrem Vater, wo sie waren. Auf solche Leute konnte man wirklich verzichten. Für den Notfall hatte sie ihrem Bruder auch verraten, wo sie wirklich war. Aber Luigi war kein Idiot, der das sofort weitersagte. „Es tut mir leid, dass ich gelogen habe“, sagte Maxi geknickt. Und es tat ihr wirklich leid. „Aber ich war so eingeschüchtert, dass ihr mich auf ein Internat schicken wolltet.“ – „Darüber reden wir, wenn das Halbjahreszeugnis da ist“, wehrte ihr Vater ab. „Aber bis dahin stehst du unter besonderer Aufsicht. Und ich will keine Lügen mehr hören.“ – „Natürlich nicht“, versprach Maxi. Sie war froh, dass es kein Donnerwetter gab. Wahrscheinlich hatte ihr Vater schon alles auf seiner wilden Fahrt herausgelassen.

 

Auf dem Hof lief Maxi schnell zum Pferdeanhänger und lud Fabella mit Hilfe von Ellen und Marlon aus. „Geh mit ihr noch in die Halle und führe sie ein paar Runden“, riet ihre Reitlehrerin ihr. Maxi gehorchte und machte sich auf den Weg. Maxis Vater folgte ihr neugierig und stolz zugleich. Auch die anderen kamen in die Reithalle, um Maxi Gesellschaft zu leisten. „Ohne euch wäre Fabella verloren gewesen“, sagte Maxi mit erstickter Stimme. „In erster Linie musst du deinem Vater danken, der wie ein Henker gefahren ist“, sagte Merle. „Schon, aber Wiebke und Isabelle sind wie verrückt durch den halben Ort geradelt“, erinnerte Maxi. Maxis Vater sah ihre Freundinnen an. Verrückt waren sie ja alle irgendwie, aber wenigstens konnte Maxi sich immer auf sie verlassen, und darauf kam es ja an. Er beschloss, mit seiner Frau zu reden. Vielleicht waren sie zu streng gewesen. Gute Noten waren wichtig, aber Freunde auch. Und wenn sie vernünftig mit Maxi redeten, würde sie vielleicht selbst einsehen, dass sie sich manchmal einfach zu viel aufbürdete. „Habt ihr eigentlich alle noch Hunger?“, fragte er als Fabella wieder sicher in ihrer Box stand. „Ich habe da noch Einiges im Auto. Vielleicht schon ein bisschen kalt, aber nicht weniger lecker.“ – „Klar, gerne“, rief Marlon sofort. „Wollen Sie vielleicht mal mitkommen?“ Erstaunt nickte Maxis Vater. Sie holten die Kisten mit dem Essen aus dem Auto und er folgte den Kindern auf den Dachboden. „Das sieht ja richtig gruselig aus“, lobte er sie. „Setzen Sie sich“, bot Marlon an und er nahm Platz. Nach der Aufregung tat es gut, in einem bequemen Sessel zu sitzen. „Oh, den Film kenne ich“, sagte er mit einem Blick auf den Fernseher. Dann ließ er sich von Maxi einen Teller mit Essen reichen. Auch Ellen war mit nach oben gekommen. Sie staunte vor allem über die gruseligen Leckerbissen, die die Mädchen vorbereitet hatten. „Vielleicht können wir nächstes Jahr ja wieder eine Halloweenparty im Stall veranstalten“, überlegte sie. „Ihr habt ja anscheinend mehr als genug gute Ideen.“ Als es plötzlich klingelte, zuckten sie alle zusammen. „Das wird meine Mutter sein“, sagte Finley mit einem Blick auf die Uhr. „Ich würde sagen, hol sie rauf“, schlug Ellen vor. „Das Essen wird sonst nie alle.“ – „Ich kann es versuchen“, sagte der Junge geknickt. Er glaubte nicht daran, dass das funktionieren würde. Doch dann stand seine Mutter nicht allein vor der Tür, sondern auch Wiebkes Mutter war da. Und die ließ sich nicht lange bitten, hinaufzukommen. Dabei nahm sie Finleys Mutter ohne zu fragen gleich mit. Mehr als verwundert sah die elegante Frau Wiebkes Mutter an. Mit so viel Direktheit konnte sie nichts anfangen, aber zumindest wehrte sie sich auch nicht.

 

„Finley, habt ihr etwa den ganzen Abend alles durcheinander gegessen?“, fragte sie erschrocken. „Irgendwie schon, aber wir haben auch Maxis Pferd gerettet“, verkündete er. „Ihr habt was?“ Auch Wiebkes Mutter war ganz erstaunt. Sie setzten sich, bekamen ebenfalls zwei volle Teller und dann erzählten Maxi und Merle noch einmal ganz genau, was passiert war. „Der Kerl, der euch fotografiert hatte also“, murmelte Finleys Mutter. „Der war mir gleich suspekt.“ – „Dir sind die meisten Menschen suspekt“, erinnerte Finley sie. „Ja, aber manchmal habe ich auch Recht“, lachte sie. „Hoffentlich bekommt er eine gerechte Strafe“, meinte Wiebkes Mutter. „Auch wenn er erwischt wurde, das muss man doch bestrafen oder?“ – „Ich gehe davon aus, dass er bestraft wird“, beruhigte Ellen sie. „Aber ich bin auch froh und stolz, dass ihr den Diebstahl verhindern konntet.“ Merle nickte und Maxi liefen immer noch ein paar Tränen über die Wangen. Bevor sie nach Hause fuhr, vergewisserte sie sich noch einmal, dass Fabella auch wirklich in ihrer Box stand. „Steig ein, Ronja“, sagte Maxis Vater großzügig, während er Maxis Fahrrad in den Kofferraum seines Kombis warf. „Das würde ich mir noch mal überlegen“, sagte Merle im Vorbeigehen zu Ronja. „Du hast ja gesehen, wie er vorhin gefahren ist.“ – „Normalerweise fahre ich nicht so“, verteidigte der Mann sich lächelnd. „Besser, als zu Fuß zu gehen“, meinte Ronja und stieg ein. Wiebke und Isabelle kletterten in den kleinen Wagen von Wiebkes Mutter. „Das ist übrigens ein sehr schönes Kostüm, Wiebke“, sagte Maxis Vater noch. „Ein überfahrener Waschbär, richtig?“ – „Ja! Sie haben es erkannt?“, freute Wiebke sich. „Natürlich, sieht man doch“, sagte er und stieg winkend in sein Auto. Auch Merles Mutter kam in ihrem riesigen Auto auf den Hof gefahren. Sie entdeckte Finleys Mutter und es war, als hätten sich lang verschollene Schwestern wiedergefunden. Zwei so aufgetakelte Damen sah man selten auf dem Hof. Sie tauschten einen Blick und lächelten sich an. Merle ahnte, dass die Beiden sich gut verstehen würden. Gerade hatten sie kaum Zeit um mehr als ein paar Worte zu wechseln. Doch alles an ihnen wirklich plötzlich so freundlich, wie man sie sonst kaum sah. Finley grinste Merle an und stieg in den Wagen seiner Mutter. Die beiden Frauen waren einfach unverbesserlich. „Kommst du bei uns mit, Klara?“, schlug Merles Mutter vor und das Mädchen nickte dankbar. Allein wollte sie nun auch nicht durch die Nacht radeln. So eine aufregende Halloweennacht noch dazu.

 

15. Kapitel

 

Es dauerte noch eine Weile bis die Mädchen sich von diesem Schrecken erholt hatten, besonders Maxi saß der Schock noch tief in den Knochen. Am liebsten hätte sie ein Fabella rund um die Uhr bewacht. Die Wochen vergingen wie im Flug: Isabelles Geburtstag wurde gefeiert, die Mädchen büffelten für die Schule und gingen ihrem normalen Leben nach. Nun wurde das Adventsreiten geplant und es sollte am dritten Advent stattfinden, da dort auch das große Jubiläum der Reitschule gefeiert wurde. Die Reiterschaft wollte ein richtiges Fest auf die Beine stellen. Auf dem Hof war ein kleiner Weihnachtsmarkt geplant, dann sollte es noch Lifemusik, Ponyreiten für die Kinder, eine Bastelaktion und einen Pferdeflohmarkt geben. Allerdings weigerte sich Maxi immer noch, an der Weihnachts-Kür teilzunehmen. „Fabella rastet aus, wenn da so viele Menschen sind“, versuchte sie ihren Freundinnen bei einem Bandentreffen zu erklären. „Jetzt stell dich nicht so an“, fuhr Merle sie genervt an. „Fabella war auch beim Faschingsreiten dabei. Ist sie dir da durchgegangen? Nein.“ – „Du hast überhaupt keine Ahnung, wovon ich rede“, blaffte Maxi ungehalten an. „Fabella ist seit dem versuchten Raub deutlich empfindlicher geworden“ – „Wie wäre es, wenn du ein anderes Pferd reitest?“, schlug Klara vor. „Kommt nicht in Frage!“, verschränkte Maxi die Arme vor der Brust. „Wie dämlich sähe es denn bitteschön aus, wenn ich auf so einem Reitschulpony säße. So ein mickriges Pony wäre für Ronja, Wiebke oder Klara passend – und vielleicht auch noch für Merle“ – „Du arrogante Diva!“, fauchte Merle beleidigt. „Hey, jetzt zofft euch nicht die ganze Zeit. Das ist total ungemütlich!“, mischte sich Isabelle ein. „Es wäre mal ganz nett, wenn du uns gegenüber ein bisschen aufgeschlossener wärst. Schließlich versuchen wir dir zu helfen“, wandte sich Ronja an Maxi.

 

„Ich gehe jetzt zu Fabella, sie versteht mich wenigstens“, verließ Maxi den kleinen Raum und trat hinaus auf den Stallgang. Dort lief sie direkt Marlon in die Arme. „Hey, was ist nur mit dir? Du siehst aus, als würde es sieben Tage Regen geben“, legte er ihr die Hand auf die Schulter. „Meine Freundinnen sind so nervig“, sagte sie resigniert. „Geht es wieder um die Weihnachts-Kür?“, hakte ihr Freund nach. Maxi nickte schweigend. „Da ist mir doch noch eine gute Idee gekommen. Bitte komm doch einmal mit!“, forderte er Maxi auf und nahm ihre Hand. Überrascht folgte sie ihm, als sie in den Privatstall von Marlons Familie gingen. Neben der Box von Marlons Stute Tiffany machten sie Halt. „Kennst du schon Caprice?“, stellte Marlon ihr eine dunkelbraune Trakehnerstute vor, die neugierig aus der Box lugte. „Sie ist richtig hübsch“, fand Maxi. „Meine Mutter ist mit ihr vor vielen Jahren Turniere geritten und hat mit ihr bei der Dressur einige Preise abgesahnt. Nun ist sie 24 und damit im fortgeschrittenen Alter. Turniere reiten wir mit ihr nicht mehr, aber trotzdem liebt es Caprice bewegt zu werden.“ Maxi begann die Stute sanft zu streicheln und Caprice stupste sie sanft mit den Nüstern an. „Sie ist so lieb und gleichzeitig wirkt sie noch so elegant“, schwärmte Maxi und spielte mit Caprice dunkler Mähne. „Wusste ich doch, dass wir das richtige Pferd für dich gefunden haben“, sagte Marlon triumphierend. „Danke, vielen Dank!“, fiel ihm Maxi um den Hals und gab ihm einen Kuss. „Bist du jetzt wieder fröhlicher?“, stupste er sie an. „Definitiv und jetzt mache ich auf jeden Fall bei der Weihnachts-Kür mit“ – „Ich muss jetzt wieder ins Haus gehen. Mama will, dass ich das Haus durchsauge“, küsste Marlon seine Freundin zum Abschied. Strahlend ging Maxi zurück zu ihren Freundinnen. „Du warst aber ganz schön lange weg“, wurde sie von Isabelle empfangen. „Warum bist du auf einmal zu fröhlich?“, wunderte sich Wiebke, der es nicht entging, dass Maxi all ihre Freundinnen anlächelte. „Ich habe jetzt ein Pferd, mit dem ich an der Kür teilnehmen kann!“, jubelte sie und drehte sich elegant auf den Zehenspitzen um ihre eigene Achse. „Wie bist du dazu gekommen?“, machte Klara große Augen. „Ganz einfach: Marlon hatte die Idee, dass ich eines von den Pferden seiner Mutter reiten darf“ – „Wie heißt das Pferd?“, platzte es neugierig aus Wiebke heraus. „Caprice-Ellen ist früher mit ihr Turniere geritten und hat mit ihr Preise abgesahnt“, erzählte Maxi stolz, „Sie ist so lieb. Ich werde bestimmt prima mit ihr arbeiten können. Ich freue mich so und kann gar nicht mehr warten bis die Kür stattfindet.“ Übermütig tanzte sie durch das Bandenquartier. „Komm schon, setz dich wieder hin und trink eine Tasse Tee mit uns“, griff Ronja nach ihrem Ärmel. Die Mädchen kannten Maxi nicht anders, ihre Launen konnten immer sehr schnell umschlagen. Dennoch hatte Maxi ihr Herz auf dem rechten Fleck und konnte sich gut in andere Menschen hineinversetzen, obwohl sie immer wieder die Dramaqueen spielte.

 

Bei der nächsten Reitstunde hatte Ellen einen Parcours aufgebaut, der es echt in sich hatte. Obwohl Merle Kopfschmerzen hatte und leicht angeschlagen war, schleppte sie sich zur Springstunde. Sie war echt spät dran, als sie Arthos Fell striegelte und seine Hufe auskratzte. „Ist es jetzt deine persönliche Marke, dass du immer zu spät kommst“, provozierte Charlotte sie von der Seite, die zu den unausstehlichen Stallzicken gehörte. Merle warf ihr nur einen bösen Blick zu und ignorierte die Tussi. „Hier, den Sattel habe ich dir schon mal geholt“, kam Isabelle mit Arthos Sattel um die Ecke. „Danke, du bist ein Engel!“, bedankte sich Merle. Zusammen mit Isa schaffte sie es, ihr Pferd rechtzeitig fertig zu bekommen. „Tür frei!“, rief sie, als sie die Halle betrat. Charlotte und Marlon ritten sich bereits warm. Als letztes schwang sich Merle auf den Rücken ihres großen Hannoveranerwallachs. Irgendwie war sie nicht ganz bei der Sache. Sie war hundemüde und ihr Kopf hämmerte. Am besten hätte sie doch die Stunde abgesagt, aber so eine versierte Reiterin wie Merle drückte sich wegen solch kleiner Zipperleine nicht vor dem Training. „Merle, einmal bitte über die Stangen!“, nahm sie Ellens Stimme wie durch Watte wahr. Merle trabte auf Arthos an und setzte problemlos über die Stangen, obwohl sie sich von ihrer Reitlehrerin ein paar Kritikpunkte anhören musste. Auch Charlotte warf ihr vielsagende Blicke zu. „Blöde Tussi!“, dachte Merle bei sich. „Ellen, ist der Parcours nicht ein bisschen zu kompliziert?“, runzelte Isabelle die Stirn. „Wieso? Schließlich muss ich euch ein bisschen mehr fordern, wenn ihr bald bei richtigen Turnieren antreten wollt. Ihr seid nicht um sonst in der Turnierfördergruppe“, meinte ihre Reitlehrerin. Damit hatte sie Recht, denn ihre jungen Schützlinge waren alle talentierte Reiter. Sogar Isabelle hatte in den letzten Monaten große Fortschritte gemacht und konnte sich mit den anderen Reitern aus der Gruppe messen. „Merle, du zeigst, wie es geht“, rief Ellen ihre Lieblings- und Vorzeigeschülerin zu sich. Merle nickte nur, obwohl in diesem Moment ein merkwürdiges Gefühl in ihr hoch kroch. Es waren weder Furcht noch Angst, aber trotzdem sagte ihr ein unbekanntes Gefühl, dass sie nicht hundert Prozent bereit war.

 

Ohne zu zögern galoppierte sie aus dem Stand an. Ellen sollte nicht denken, dass ihr bei diesem Parcours nicht ganz wohl war. Solche großen Hindernisse hatte sie zuvor nur auf einem großen Reitturnier bei den Erwachsenen gesehen. Sie selbst war noch nie über solche riesigen Hindernisse gesprungen. Nun forderte sie Ellen dazu heraus. Arthos musste sich mit mehr Schwung abstoßen, als er es sonst tat. Dies waren richtige Hindernisse und kein Kinderparcours. Merle spürte, wie viel Kraft ihr Wallach hatte. Sie musste gut mitgehen, wenn er sich mit den Hinterbeinen vom Boden abdrückte. Die heikelste Stelle waren zwei Hindernisse, die in einem geringen Abstand zueinander aufgebaut. Gerade als Merle wieder ihr Gleichgewicht nach einem Steilsprung wieder erlangt hatte, setzte ihr Wallach zum nächsten Sprung an. Merle versuchte, sich wieder aufzurichten, nachdem sie beim vorigen Sprung nach vorne auf Arthos Hals gekippt war. Nun ging alles ganz schnell: Merles Hände glitten von den Zügeln, sie verlor ihren linken Steigbügel und rutschte zur Seite weg. Mit ihrem Gesicht streife sie den Ständer und mit einem dumpfen Geräusch knallte sie auf dem Boden. Merle stieß einen markerschütternden Schrei aus, da ein höllischer Schmerz durch ihr rechtes Handgelenk fuhr, mit dem sie versuchte hatte, sich abzustützen. „Merle, ist alles in Ordnung mit dir?“, kam Ellen herbei gelaufen. „Nein, mein rechter Hand tut höllisch weh“, biss sie sich auf die Unterlippe und Tränen stiegen ihr in die Augen. „Oh nein, Merle, bist du verletzt?“, fragte nun auch Isabelle besorgt.

 

„Zeig mal her!“, forderte Ellen Merle auf, als sie auf der Bank hinter der Bande saßen. „Was ist passiert?“, unvermittelt stand Maxi neben ihnen, die öfters zuschaute, wenn ihr Freund die Springstunde hatte. „Merle ist gestürzt“, antwortete Ellen knapp, als sie Merles angeschwollenes Handgelenk untersuchte. Es tat verdammt weg. Merle konnte sich in diesem Moment nicht mehr das Weinen verkneifen und dicke Tränen liefen ihr die Wange herunter. „Deine Wange blutet!“, rief Maxi entsetzt. „Das ist wahrscheinlich nur ein kleiner Kratzer“, beruhigte Ellen sie und wählte den Notruf. „Ich begleite Merle ins Krankenhaus“, stieg Isabelle vom Pferd. „Dann komme ich auch mit!“, rief Maxi sofort. „Isabelle, du musst Kandra in die Box bringen. Du kannst sie nicht alleine stehen lassen“, bestimmte Ellen. „Das kann ich für sie tun. Es reicht, wenn Isa alleine Merle ins Krankenhaus begleitet“, opferte sich Maxi für ihre beste Freundin auf. „Danke, du bist echt ein Schatz!“, umarmte Isa Maxi. Während sie auf den Krankenwagen warteten, versuchte Isabelle ihre verletzte Freundin zu trösten. „Hoffentlich ist der Arm nicht gebrochen, sonst musst du einen Gips tragen und darfst garantiert sechs oder sieben Wochen nicht reiten. Die Weihnachts-Kür wäre für dich auch erledigt“, sagte Isabelle mit sorgenvoller Miene, worauf Merle noch heftiger anfing zu schluchzen. „Meine Güte, Isabelle, du musst sie gleich nicht so desillusionieren. Die Hand muss nicht unbedingt gebrochen sein, aber das können die Ärzte erst im Krankenhaus feststellen“, sah Maxi Isabelle augenrollend an. „Alles wird gut, Mäuschen!“, reichte Maxi Merle ein Taschentuch. „Draußen steht ein Krankenwagen!“, kam ein jüngeres Mädchen in den Stalltrakt gelaufen.

 

Merle war schon über vierzig Minuten in einem der Untersuchungsräume verschwunden, während Isabelle mit Merles Eltern im Wartebereich Platz genommen hatte. „Meine Güte, wo bleibt sie so lange?“, runzelte Merles Vater die Stirn. „Das frage ich mich auch, dabei wollten sie nur ihr Handgelenk röntgen“, wunderte sich seine Frau. Gerade wurde ein laut weinendes Kind auf einem Bett an ihnen vorbei geschoben. Isabelle schaute nur kurz auf, aber dann wanderte ihr Blick wieder auf das Handydisplay. Gerade war eine lebhafte Diskussion im Lustige-Hufeisen-Chat zugange. Es wurde darüber spekuliert, was sich Merle getan haben konnte und alle fünf Minuten wollte jemand von Isabelle wissen, ob sie etwas Neues wüsste. Genervt steckte Isabelle ihr Handy in die Tasche ihrer Reitjacke. „Bitte kommen Sie mit?“, forderte eine Krankenschwester sie auf, „Ihre Tochter liegt auf der Kinderstation im Raum 245.“ Isabelle fand, dass die Dame nicht besonders freundlich wirkte. Bestimmt war sie sehr gestresst und musste sich innerhalb kürzester Zeit sehr viele Dinge auf einmal erledigen. Durch eine Glastür gelangten sie auf den Flur der Kinderstation. Isabelle fielen sofort die buntbemalten Wände auf. Schmetterlinge, Vögel, Hasen und andere Tiere tummelten sich auf einer farbenfrohen Blumenwiese. Vor einem Jahr hatte sie hier auch Maxi besucht, als sie nach einem Reitunfall eingeliefert wurde. Trotzdem mochte Isabelle Krankenhäuser nicht besonders, als kleines Kind war sie schon einmal wegen einer Mandel-OP hier gewesen und vor drei Jahren wegen einer Blinddarmreizung.

 

Merle freute sich sehr, Isabelle zu sehen. „Geht es dir besser?“, erkundigte sich diese bei Merle. „Es geht wieder und zum Glück ist das Handgelenkt nur verstaucht. Ich muss nur drei Wochen mit dem Reiten pausieren“, lächelte Merle mit. Nun fiel Isa auf, dass ihre Freundin ein Pflaster auf der Wange hatte und einen Verband an der rechten Hand trug. „Oh nein, es ist auch noch dein rechter Arm!“, entfuhr es ihr erschrecken. „Ich bin Linkshänderin, du Blitzmerker!“, konnte sich Merle einen Kommentar nicht verkneifen. „Dann hast du echt Schwein gehabt“, meinte Isabelle. „Das habe ich“, nickte ihre Freundin. „Ich kann mich in der Zeit, in der du verhindert bist, um dein Pferd kümmern und bestimmt helfen mir die anderen dabei“, bot Isa ihr an. „Lass Wiebke bitte nicht an mein Pferd“, sagte Merle sofort. „Es ist mir am liebsten, wenn du und Maxi euch um Arthos kümmert“ – „Was hast du eigentlich gegen Wiebke?“, bohrte Isabelle nach. „Ich habe nichts gegen sie, aber sie ist in meinen Augen nicht erfahren genug, als dass sie Arthos reiten kann“, versuchte Merle ihr zu erklären. „Isabelle, könntest du uns und Merle alleine lassen?“, tickte Merles Mutter Isabelle von hinten an. Merles Eltern hatten sich in der Zwischenzeit kurz mit dem Arzt unterhalten, der ihre Tochter behandelte. „Ich gehe schon“, drehte sich Isabelle um. „Wie kommst du nach Hause?“, fragte Merles Vater. „Ich nehme den Bus“, erwiderte Isa. „Es sind nur ein paar Stationen zu fahren“ - „Isa, du musst dich wenigstens noch verabschieden“, rief Merle, die sich versuchte in ihrem Bett aufzurichten. „Natürlich gehe ich nicht, ohne dass ich Tschüss sage“, fuhr ihre Freundin herum. „Danke, dass du unsere Merle ins Krankenhaus begleitet hast, Isabelle“, bedankte sich Merles Mutter. „Hey, ich rede mit ihr!“, protestierte Merle. „Ich wünsche dir gute Besserung und dass du ganz schnell wieder auf die Beine kommst“, umarmte Isabelle sie vorsichtig, als wäre sie eine zerbrechliche Porzellanpuppe. „Leider muss ich über Nacht noch hier bleiben, weil ich eine Gehirnerschütterung erlitten habe“, machte Merle ein trauriges Gesicht. „Das überstehst du auch noch“, schmunzelte Isabelle und verließ das Zimmer.

 

Nun waren Merle und ihre Eltern alleine. „Wir wollen dir etwas sagen“, begann ihre Mutter, „Vorhin war ich beim Arzt.“ Sie machte eine lange Kunstpause, um Merle auf die Folter zu spannen. „Jetzt sag’s endlich, Mama!“, drängte Merle. „Wir werden ab Mai zu viert sein“, rückte ihr Vater mit der Neuigkeit heraus. „Ihr kriegt wirklich noch ein Kind?“, war Merle total geplättet. „Ich bin im dritten Monat schwanger“, nickte ihre Mutter. „Oha, dann bin ich fast vierzehn Jahre älter als mein Geschwisterchen“, konnte Merle es immer noch nicht glauben, dass sie demnächst eine große Schwester sein würde. „Wisst ihr schon das Geschlecht?“, fragte sie neugierig. „Nein, aber wir werden uns überraschen lassen“, meinte ihr Vater. Merle hatte sich früher immer schon einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester gewünscht. Später als sie zur Schule ging, fand sie sich damit ab, dass sie Einzelkind war. Eigentlich war es auch gar nicht schlecht, Einzelkind zu sein, immerhin hatte sie viele gute Freunde, mit denen sie etwas machen konnte. Einen Moment dachte sie darüber nach, wem sie diese Neuigkeit von ihren Freunden als erstes mitteilen konnte und entschied sich für Finley, der ihr allerbester Kumpel war. Mittlerweile empfand sie mehr für ihn als Freundschaft. Mit seinen blonden Haaren und seiner Stupsnase fand sie ihn insgeheim sehr knuffig. Vielleicht würde sich in Zukunft mehr daraus ergeben.

16. Kapitel

„Wow, ich erkenne den Hof kaum wieder“, staunte Merle, als sie am dritten Advent mit Wiebke und Isabelle in den Stall kam. „Du warst ja auch lange nicht hier“, entgegnete Wiebke, doch ihre Cousine erklärte: „Sie meinte die Dekoration zum Adventsfest.“ Wiebke kam sich einen Augenblick lang etwas dumm vor, doch Merle sagte: „Es stimmt ja beides. Ich war in letzter Zeit kaum hier wegen meines kaputten Handgelenkes. Nur, wenn meine Eltern mich hergefahren haben.“ Sie schoben ihre Fahrräder zwischen unzähligen geparkten Autos hindurch und suchten sich einen sicheren Abstellplatz nahe Ellens Haus. Merle war besonders aufgeregt, weil sie heute ihre Quadrille vorführen wollten, und sie kaum Zeit gehabt hatte, mit ihren Freundinnen zu üben. Denn sie durfte erst seit Kurzem überhaupt wieder reiten. Im Stall wurden sie von den anderen lustigen Hufeisen empfangen. Klara, Wiebke und Ronja hatten sich bereit erklärt, mit ihren Ponys am Ponyreiten für Kinder teilzunehmen, und waren daher schon eine ganze Weile im Stall. Die Stallzicken hatten es sich nicht verkneifen können, diese Tatsache mit blöden Kommentaren zu begleiten. Doch wenn sie die lachenden Kinder auf ihren Ponys sahen, waren alle schlechten Gefühle wie weggeblasen. „So haben wir doch alle mal angefangen“, meinte Klara grinsend, als sie einen kleinen Jungen auf Nandu hob. Doch dann mussten sie die Ponys in die Boxen bringen, weil in der Halle die große Show beginnen sollte.

 

Da ihre Quadrille erst später im Programm stand, schlichen sich die lustigen Hufeisen ins Reiterstübchen, um von dort aus den anderen Reitern zuzusehen. Es war brechend voll, doch sie schafften es, sich nach vorne zu Finley und seiner Mutter durchzukämpfen. Die jüngeren Reiter hatten etwas mit Ellen vorbereitet, die in der Halle stand und ihnen Anweisungen gab. Und natürlich hatten auch die Stallzicken darauf bestanden, mit ihren Pferden auftreten zu dürfen. Da es gleichzeitig ein Jubiläumsfest des Reitvereines war, berichtete Ellen aus den Anfängen und ließ nebenbei ein paar Reiter zeigen, was sie konnten. Unter den Turnierreitern waren wirkliche Talente, die sich präsentierten. Und plötzlich war Finley verschwunden. Merle bemerkte es zuerst und sah sich suchend um. Um nicht von den anderen Mädchen verspottet zu werden, behielt sie es jedoch für sich. Erst als Maxi sagte: „Hey, wo ist Marlon hin?“ erklärte Merle: „Finley ist auch weg.“ Es dauerte nicht lange, und sie erlebten eine tolle Überraschung. Die beiden Jungs hatten eine Springquadrille mit zwei weiteren Reitern vorbereitet. „Das sieht super aus“, fand Wiebke und wippte mit dem Fuß im Takt der Musik. Etwas neidisch musste Merle zugeben, dass sie recht hatte. Dabei wäre sie lieber selbst bei so einer Rasanten Show mitgeritten. Vor allem mit Finley.

 

„Los, wir sollten uns schon mal auf den Weg zu unseren Pferden machen“, entschied Isabelle schließlich. Dabei hätten sie sich zu gern noch weitere Programmpunkte angesehen. „Zieht doch nicht so ein Gesicht“, meinte Klara. „Gleich kommt erst einmal eine kleine Pause und dann sind wir dran.“ – „Wir verpassen also nicht viel“, fügte Ronja hinzu. Sie hielt schon seit einiger Zeit Ausschau nach ihrer Mutter. Irgendwie hatte sie gehofft, dass sie noch käme. Aber bisher fehlte von ihr jede Spur. Die Eltern der anderen Mädchen waren schon lange da und selbst Wiebkes Vater war gekommen. Dabei sah sie ihn nur noch selten, seit ihre Eltern sich getrennt hatten. „Ist das zu fassen?“, knurrte Klara. Ronja sah erschrocken auf. Doch es war halb so wild. Nandu hatte sich nur zum wiederholten Male die Zöpfe aus der Mähne geschubbert. Genervt machte Klara sich daran, alles wieder halbwegs zu richten. Sie wollten die Pause im Programm nutzen, um ihre Pferde aufzuwärmen. Maxi bekam ein schlechtes Gewissen, als sie an Fabella vorbei zu Caprice ging. Dieses Gefühl hatte sie schon in den vergangenen Wochen beim Training mit der Trakehnerstute gehabt. Doch so schlimm, wie an diesem Tag war es noch nie gewesen. Maxi blieb stehen und schaute Fabella an. Sie hätte schwören können, dass die Stute sie vorwurfsvoll ansah. „Ich kann das nicht“, murmelte sie. „Was kannst du nicht?“, wollte Isabelle mit einer bösen Vorahnung wissen. Musste Maxi ausgerechnet jetzt die Diva raushängen lassen. „Ich kann das Fabella nicht antun“, erklärte Maxi theatralisch. „Ich denke, Fabella wird das schon verstehen“, sagte Wiebke mit Nachdruck, weil sie ahnte, dass Isabelle mit Vernunft hier nicht weiterkäme. „Nein, das geht nicht“, wiederholte Maxi. „Ich kann Caprice nicht reiten.“ – „Aber du hast doch mit Caprice so toll trainiert“, meinte Klara aus Nandus Box. „Schon, aber das ist nicht das gleiche. Caprice ist einfach nicht mein Pferd“, schnaubte Maxi. Ronja sah sie halbherzig an und fragte: „Und was willst du jetzt machen? Die Quadrille ist für sechs Pferde ausgelegt.“ Ihr Blick schweifte noch immer suchend durch den Stall, als Maxi antwortete: „Ich reite Fabella.“ – „Ach, jetzt auf einmal doch!?“, seufzte Isabelle genervt. Manchmal war es zum Verzweifeln mit Maxi. Sie konnte wirklich launisch sein. „Fabella ist doch gar nicht eingeflochten“, gab Klara zu bedenken und wickelte Klebeband um Nandus Zöpfe. „Das braucht sie nicht, sie ist auch so umwerfend schön“, behauptete Maxi. „Aber du hast mit ihr nicht einmal geübt und du sagst doch selbst ständig, dass sie diese Menschenmenge nicht mag“, wagte Isabelle einen weiteren Versuch. „Auf dem Turnier klappt das auch immer irgendwie“, meinte Maxi schulterzuckend. „Das ist doch nicht dein Ernst?“, meinte Wiebke nun deutlicher. „Oh doch.“

 

Maxi schnappte sich ihre Putzkiste und stürmte Fabellas Box, um sie schnell fertigzumachen. Isabelle redete noch immer auf sie ein, während sie Kandra sattelte. Und dann bemerkte Klara, die ihre Stiefel anzog: „Ronja! Was stehst du denn da so herum? Wir sind bald dran.“ Nun bemerkten auch die anderen lustigen Hufeisen, dass Ronja noch immer wie eingefroren auf der Stallgasse stand. „Was ist denn mit dir los?“, wollte Wiebke wissen, doch Ronja antwortete nicht. Sie war mit ihren Gedanken gerade ganz weit weg. „Also los, wir brauchen einen Plan“, meinte Isabelle, ganz die Anführerin. „Ich will ja nichts sagen, aber wir hatten eigentlich schon einen Plan, bevor zwei von uns aus der Spur gerieten“, meinte Klara mit zusammengebissenen Zähnen. „Dann brauchen wir eben einen neuen Plan“, sagte Isabelle. Sie sah Maxi an und befahl: „Du gehst so schnell wie möglich in die Halle, damit du Fabella ordentlich abreitest und an alles gewöhnen kannst, sofern das noch möglich ist.“ Maxi nickte, doch als sie weiter Fabellas Mähne seelenruhig kämmte, rief Isabelle: „Sofort!“ Erschrocken vom strengen Ton ihrer Freundin beeilte sich Maxi wenigstens ein bisschen. „Wiebke und ich helfen dir mit Randy“, erklärte Isabelle der verdutzten Ronja, die total neben sich stand. „Sieht eher aus, als würden wir alles machen müssen“, murmelte Wiebke und packte mit ihrer Cousine fleißig an. Es dauerte nicht lange und sie konnten Ronja das gesattelte Pony übergeben. „Findest du wenigstens den Weg in die Halle?“, wollte Isabelle von ihr wissen. „Klar, danke“, sagte Ronja tonlos. „Dein Helm!“, rief Wiebke ihr noch zu, bevor es zu spät war. Kopfschüttelnd sahen sie ihr nach. „Was ist denn mit ihr los?“, wollte Isabelle wissen, doch diese Frage konnte ihr niemand beantworten.

 

Als Wiebke, Merle und Isabelle in die Halle kamen, war Maxi damit beschäftigt, Fabella zu bändigen. „Das kann ja was werden“, seufzte Merle. „Pass gut auf dich auf“, rief ihr Finley zu. „An mir soll es nicht liegen“, murmelte sie kaum hörbar und fasste die Zügel nach. „Was machst du denn da?“, wollte nun auch Marlon von Maxi wissen, der gerade noch den Hufschlag schaufelte. „Ich habe beschlossen, dass es Fabella gegenüber unfair wäre, wenn ich Caprice ritte“, verkündete Maxi, während ihre goldene Stute vor einer Frau mit Kapuze erschrak. „Meinst du nicht, dass du dein Pferd gerade sehr vermenschlichst?“, hakte Marlon nach. Maxi tat beleidigt und antwortete ihm nicht. Dafür kam Ronja mit Randy gerade auf dem ersten Hufschlag an. „Ronja! Pass auf!“, rief Wiebke noch, doch da war es schon zu spät und das dunkelbraune Pony direkt in Marlon hineingelaufen. „Vielleicht hättest du Marlon ansprechen sollen“, kommentierte Merle. Der war durch den Zusammenstoß in die Knie gegangen und rappelte sich gerade wieder auf. Das Publikum jubelte. „Die denken, das gehört zum Pausenprogramm“, flüsterte Isabelle ihrer Cousine zu. „Wir machen uns total zu Clowns.“ Wiebke verstand das Problem. Sie ritt neben Ronja und schärfte ihr noch einmal ein, dass sie sich konzentrieren sollte. Um Maxi und deren aufgeregte Stute machte sie aber lieber einen Bogen. Darum sollte Isabelle sich besser kümmern.

 

Als die Pause vorbei war, strömten noch immer Zuschauer auf die Bänke hinter der Bande. Normalerweise störte Fabella das gar nicht weiter. Aber nun waren es besonders viel und besonders laute Menschen, die ständig hin und her rutschten, deren Kinder schrien und denen etwas herunterfiel. Fabella stand völlig unter Strom. Maxi saß tief ein und versuchte, das Pferd zu beruhigen. Es gelang ihr nur bedingt. Fabella sprang immer wieder zur Seite. In Außenstellung bremste Maxi sie an der Bande so gut es ging. Ronja dagegen war nur noch enttäuscht. Sie entdeckte praktisch alle Eltern der Reiterinnen unter den Zuschauern. Bloß ihre Mutter hielt es nicht für nötig, sich blicken zu lassen. Wiebke hatte ihr gesagt, dass sie aufpassen sollte, aber es war ihr eigentlich egal, was Wiebke sagte. Die hatte ja schließlich alles, was sie brauchte. Und obwohl ihre Eltern getrennt waren, sahen sich sowohl ihre Mutter als auch ihr Vater bei der Quadrille zu. Ellen tauchte in der Reithalle auf und sah die lustigen Hufeisen verwundert an-vor allem Maxi. „Hast du dir das gut überlegt?“, fragte sie das Mädchen skeptisch. Anscheinend hatte Marlon sie schon vorbereitet. „Klar“, antwortete Maxi, doch hinter ihr schüttelte Isabelle eindeutig den Kopf. Maxi hatte völlig übereilt und impulsiv entschieden, Fabella zu reiten. Von Überlegen konnte nun wirklich keine Rede sein. Abgesehen von Ronja, die mit sich selbst beschäftigt war, fiel das auch allen anderen Mädchen auf.

 

„Seid ihr bereit?“, wollte Ellen von ihnen wissen, als der Großteil der Zuschauer sich einen guten Platz gesucht hatte. „Ich glaube schon“, antwortete Wiebke zögerlich mit einem Blick auf ihre Freundinnen. „Ich würde eher sagen, besser wird es ohnehin nicht“, korrigierte Isabelle sie knirschend. Gerade ging Fabella komplett seitwärts. Was auf den ersten Blick vielleicht toll aussah, war jedoch keineswegs geplant. „Maxi! Ronja! Konzentriert euch!“, schärfte Merle den beiden noch einmal ein, als sie ihren Anfangsplatz in der Quadrille beinahe nicht gefunden hätten. Fabella zuliebe hatten sie schon auf einen Teil ihrer Kostüme verzichtet. Lediglich rote Überzüge an den Bandagen, rote Schabraken und die Weihnachtsmützen über den Reithelmen ließen darauf schließen, dass es eine Weihnachtsquadrille sein sollte, was die Lustigen Hufeisen hier vorführten. Ellen schaltete die Musik ein und verschwand aus der Reithalle. Nun waren alle Augen auf die sechs Reiterinnen gerichtet. Isabelle und Merle führten zunächst die beiden Gruppen im Trab an. Normalerweise schaffte Ronja es, Randy in angemessenem Tempo hinter den Großpferden zu reiten, doch an diesem Tag fehlte ihr dafür genug Kraft in den Beinen. Außerdem hatte sie ihre Gerte vergessen. Isabelle und Merle bemerkten, dass sie Randy verloren, und nahmen das Tempo etwas zurück. Das hatte jedoch den Nebeneffekt, dass ihre Quadrille nicht mehr ganz zur Musik passte. Fabella blieb eigentlich ganz ruhig, bis Ronja bei einem Handwechsel komplett träumte, und beinahe mit Maxis Stute kollidiert wäre. Maxi konnte einen Zusammenstoß gerade noch verhindern, doch Fabella regte sich trotzdem auf, während Randy ganz gemütlich weitertrabte. Isabelle und Merle tauschten einen vielsagenden Blick und beschlossen wortlos, den Galopp ausfallen zu lassen. Eigentlich wollten sie so weitere Katastrophen verhindern, doch das Gegenteil war der Fall. Wiebke war total irritiert, dass ihre Cousine nicht wie geplant angaloppierte. Um sie daran zu erinnern, dass nun der Galoppteil kommen sollte, galoppierte sie ihr Reitbeteiligungspony Alaska hinter ihr an. Eigentlich hatte sie Abstand halten wollen, doch Alaska hatte andere Pläne. Die weiße Stute schoss an Kandra vorbei und Wiebke konnte sie gerade noch auf den Mittelzirkel abwenden. Ronja, die wieder nur halb aufgepasst hatte, sah ihre Freundin an sich vorbeischießen, und erschrak. Sie glaubte, den Galoppteil verpasst zu haben, und ließ Randy ebenfalls angaloppieren. „Was macht ihr denn da?“, rief Merle ihnen verwirrt zu, doch sie bekam keine Antwort. Planlos ritten sie, Maxi, Klara und Isabelle weiter auf dem ersten Hufschlag ganze Bahn, während Wiebke und Ronja auf dem Mittelzirkel galoppierten. Fabella war so aufgeregt, dass Maxi sie am Hinterteil von Isabelles Pferd Kandra zu bremsen versuchte. Irgendwann endete die Musik. Noch immer drehten die Lustigen Hufeisen ihre Runden. Langsam parierten Isabelle und Merle durch zum Schritt. Maxi kam neben Isabelle, und die griff nach Fabellas Zügeln, damit sie endlich ruhig blieb. Ronja kam mit Randy ebenfalls an ihren eigentlichen Platz in der Quadrille, und Alaska lief dem Pony einfach hinterher. Wiebke konnte nichts dagegen tun, weil ihr sowohl die Kraft als auch die Erfahrung fehlten.

 

„Mittleidsapplaus“, sagte Stallzicke Melanie, als die Lustigen Hufeisen unter dem Applaus der Zuschauer völlig chaotisch aus der Reithalle kamen. Maxi war bereits von Fabella gesprungen, und versuchte, die Stute zu beruhigen. „Ein Wunder, dass überhaupt jemand klatscht“, sagt ihre Freundin Charlotte. „Wahrscheinlich eure Familien, oder?“, hakte die Dritte im Bunde, Jana, nach. Dann aber sagte Melanie: „Ich habe gehört, die sind gar nicht alle da? Stimmt das, Ronja?“ Mit hochgezogener Augenbraue sahen die drei Stallzicken Ronja an. Die bekam einen knallroten Kopf und verschwand mit Randy ohne ein weiteres Wort. „Ihr seid doch blöd!“, fauchte Wiebke die drei Mädchen an und wollte Ronja folgen. Doch vorher musste sie Alaska wegbringen, und die Stute stand in einem anderen Teil des Stallgebäudes.

 

„Das war wirklich nicht unser bester Auftritt“, seufzte Klara, als sie Nandu hinter Isabelle und Kandra herführte. „Es war furchtbar“, schnaubte Merle, die besonders ehrgeizig war. Maxi, die ihnen ebenfalls folgte, sagte gar nichts. Sie war froh, dass alles halbwegs gut gegangen war, auch wenn von ihrer schönen Quadrille am Ende nicht viel mehr als ein bisschen Abteilungsreiten übrig geblieben war. „Du hättest einfach Caprice reiten sollen“, meinte Isabelle zu Maxi. „Wollte ich aber nicht“, gab die zurück. „Es geht hier aber um uns alle, ums Team“, erklärte Merle. „Und nicht immer nur um dich.“ – „Aber Fabella hat doch gar nichts Schlimmes gemacht“, verteidigte Maxi sich. „Es waren Wiebke und Ronja, die alles durcheinander gebracht haben.“ Merle hing den Sattel ihres Pferdes auf den Halter und fragte: „Was hat Ronja denn die ganze Zeit?“ – „Ihre Mutter ist nicht da“, erklärte Klara. „Ist euch das wirklich nicht aufgefallen?“ Schuldbewusst sahen Merle, Isabelle und Maxi zu Boden. Tatsächlich hatten sie das gar nicht bemerkt. „Also, dann braucht ihr auch niemandem erzählen, dass es hier um das Team ginge“, meinte Klara. „Es tut mir leid, Maxi“, sagte Merle. „Fabella hat das wirklich gut gemacht.“ – „Danke“, sagte Maxi. „Aber nun lasst uns Ronja finden.“

 

Die Vier eilten durch den Stall, drängelten sich durch die anderen Reiter, die sich für den nächsten Programmpunkt der Show bereit machten, und hielten Ausschau nach Ronja. Doch bei ihren Pferden fanden sie weder Ronja noch Wiebke. „Lasst uns im Reiterstübchen suchen“, schlug Merle vor. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg, doch auch dort konnten sie die beiden Mädchen nicht finden. „Wir sind so schusselig“, schlug sich Isabelle schließlich die Hand an die Stirn. Fragend sahen die anderen sie an. „Wir sollten in unserem Bandenquartier nachsehen“, meinte Isabelle. „Natürlich!“, seufzte Merle. „Da hätten wir auch früher drauf kommen können“, fand auch Maxi. Sie drehten um und standen bald darauf vor der Tür ihres kleinen, gemütlichen Bandenversteckes. „Es ist offen“, bemerkte Klara, da das Vorhängeschloss fehlte. Vorsichtig klopfte Merle an die Tür. Als keine Reaktion erfolgte, zuckte sie die Schultern und öffnete. In dem Versteck war es ziemlich dunkel, doch sie konnte dennoch zwei Gestalten auf der gepolsterten Bank erkennen. Mit einer Handbewegung bedeutete sie ihren Freundinnen, hineinzukommen. Dann schlossen sie die Tür wieder hinter sich.

 

„Dürfen wir mal etwas Licht machen, bevor wir uns stoßen?“, fragte Klara und Wiebke antwortete aus dem Halbdunkel: „Ja, klar.“ Bald darauf hatten sie sich alle um den Tisch versammelt und schauten Wiebke und Ronja an. Irgendwie wusste keiner, was er sagen sollte. „Ist deine Mutter wirklich nicht gekommen?“, wollte Maxi schließlich von Ronja wissen. Die schüttelte den Kopf. „Das ist schon ziemlich unfair“, fand Isabelle. „Vielleicht hat sie es ja vergessen“, meinte Klara zögernd. „Ich glaube, sie hatte einfach keine Lust“, murmelte Ronja niedergeschlagen. „Dafür hat sie aber unsere fantastische Quadrille verpasst“, sagte Wiebke scherzhaft. So schaffte sie es, Ronja wenigstens kurz zum Lächeln zu bewegen. „Das war vielleicht ein Chaos“, kicherte Maxi. „Zum Glück ist nichts passiert“, meinte Isabelle. „Seid ihr denn gar nicht böse auf mich?“, hakte Ronja nach. „Immerhin wäre ich fast mit Maxi zusammengekracht.“ – „Ach was, es ist ja gut gegangen“, beruhigte Merle sie. „Wie ihr im Kreis galoppiert seid mit Alaska und Randy“, kicherte Klara und langsam stimmten die anderen mit ein. „Gut, dass ich euch habe“, sagte Ronja grinsend und schien schon viel weniger traurig. „Dann lasst uns mal etwas zu Essen organisieren“, schlug Merle vor. „Wir können es auch hier essen“, meinte Isabelle schnell. „Gute Idee“, fand Ronja, die ungern dabei zusehen wollte, wie die anderen Lustigen Hufeisen von ihren Eltern umringt wurden. Also machten sich Merle, Maxi und Klara auf den Weg ins Reiterstübchen, um ein paar Portionen Essen zu besorgen.

 

Als sie zurückkamen, stellten sie das dampfende Essen auf den Tisch. Dann erklärte Maxi: „Wir haben hier jemanden mitgebracht. Dürfen sie reinkommen?“ – „Solange es nicht die Stallzicken sind, ist es mir recht“, antwortete Wiebke. Sie staunte nicht schlecht, wen ihre Freundinnen angeschleppt hatten. Marlon und Finley kamen neugierig herein, denn sie durften normalerweise nicht in das Versteck der Mädchen. Und dann betraten noch drei Jungs das Bandenquartier. Lasse, Ole und Philip wurden überschwänglich von den Lustigen Hufeisen begrüßt. „Was macht ihr denn hier?“, fragte Klara überrascht, als sie sich alle irgendwo eine Sitzgelegenheit suchten. „Dein Opa hat uns mitgenommen“, erklärte Philip. „Ich wusste gar nicht, dass der auch hier ist“, gestand Klara. „Wir wollten unbedingt eure Quadrille sehen“, meinte Lasse und setzte sich dicht neben Ronja, die ihre Mutter plötzlich gar nicht mehr so sehr vermisste. „Unsere wunderbare Quadrille“, seufzte Merle. „Das hat sich ja nicht so gelohnt“, kicherte Maxi, die auf Marlons Schoß saß. „So schlimm war es doch gar nicht“, behauptete Ole. Dann erzählte er den Lustigen Hufeisen von einer Mannschaftsdressur, an der er mit seinen Brüdern teilgenommen und gescheitert war. „Dagegen war eure Vorstellung heute wirklich super“, meinte Lasse.

 

Nachdem sie aufgegessen hatten, machten sie sich auf den Weg, um Opa Henry und ihre Eltern zu suchen. Ronja hatte darauf eigentlich keine Lust, doch sie riss sich zusammen und hielt sich an Lasse. Sie war wirklich froh, so tolle Freundinnen zu haben. Auch, wenn sie von ihrer Mutter wieder einmal enttäuscht worden war, gab es eine Bande von Lustigen Hufeisen, die für sie wie eine Familie waren. Gerade waren sie in vollem Gange, ihre Silvesterparty zu planen, und mit den Erwachsenen zu diskutieren, wo sie feiern durften. Ronja lächelte, denn sie wusste, dass sie auf jeden Fall mit ihren Freundinnen in das neue Jahr starten würde-und nicht in ihrer engen Wohnung. Besonders schön wäre es natürlich, wenn Philip, Ole und Lasse auch dabei sein könnten. Aber da sie nur Gast wäre, wollte sie sich nicht zu sehr einmischen. Sie würde es einfach genießen.

 

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Tag der Veröffentlichung: 15.08.2017

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