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Jetta is Betta

Noch bevor ich „Mama“ sagen konnte, sagte ich „Auto“. Mein Lieblingsspielzeug war ein LKW, den ich an einer Schnur hinter mir her zog, während andere Mädchen Puppenwagen vor sich her schoben. Später kamen Autoteppiche, ferngesteuerte Autos und ein kleines Elektroauto dazu. In einem alten Mercedes, der im Nachbargarten stand, spielten wir als Kinder. Und wenn mein Dad mich auf seinem Schoß ans Steuer unseres Autos ließ, war es das Größte für mich. So ist es kein Wunder, dass ich Autofahren konnte, bevor ich es offiziell durfte.

Zuerst ließ mein Dad mich auf dem nahegelegenen Militärflugplatz selber fahren. Zwischen den Start- und Landebahnen der Transall gab es Straßen, auf denen nichts los war, und auf denen man problemlos üben konnte. Außerdem war es im Gegensatz zu albernen Verkehrsübungsplätzen ruhiger und man konnte ohne große Regeln viel schneller fahren. Stolz wie Oskar kletterte ich mit 14 Jahren auf den Fahrersitz unseres Renault Espace, in dem wir groß geworden waren. Vorbeikommende Soldaten grinsten mich an, während ich hoch konzentriert den Erklärungen meines Dads lauschte. In der Theorie wusste ich jedoch schon lange, wie man ein Auto startete. Kupplung treten, wodurch Motor und Getriebe getrennt werden, Bremse treten, Gang einlegen, Schlüssel umdrehen, Kupplung kommen lassen… das konnte nicht so schwer sein. Und das war es auch nicht. Schon bald drehte ich begeistert meine Runden auf dem Fliegerhorst und drängte darauf, schneller fahren zu dürfen. Zugegebenermaßen lernte ich hier noch keine Verkehrsregeln, aber das sinnlose Heizen gefiel mir ohnehin viel besser.

Als meine ersten Freunde 18 Jahre alt wurden und Autofahren durften, trafen wir uns nachts an abgelegenen Straßen, um kleine Rennen zu veranstalten. Hin und wieder schaffte ich es, einen der Jungs zu überreden, mich auch mal fahren zu lassen. Ein guter Freund gab mir dazu den alten Vento von seinem Dad. Ein Jetta… genau genommen der Jetta 3. Das war mir damals aber noch nicht so bewusst. Er ließ sich super leicht fahren, auch wenn er nicht besonders schnell war. Ein Rennen fuhr ich mit dem Wagen auch nicht, aber es machte dennoch Spaß. Wir hingen rum, hörten Musik, prollten mit den Autos und genossen die Freiheit, die die Fahrzeuge mit sich brachten.

Ich konnte meine erste Fahrstunde kaum erwarten. Begeistert kletterte ich hinter das Steuer des Golfs. Mein Fahrlehrer bremste meinen Enthusiasmus jedoch schnell mit langweiligen Erklärungen über die Funktionen des Fahrzeuges und wie ich es starten sollte. Nahezu routiniert ließ ich den Wagen an und sah in das verwunderte Gesicht meines Fahrlehrers. Da ich das Auto beherrschte, fiel es mir nicht schwer, dazu noch die Verkehrsregeln zu lernen. Doch am meisten freute ich mich auf die Autobahnfahrten, bei denen ich auch mal richtig Gas geben durfte. Resigniert stellte mein Fahrlehrer fest, dass ich zumindest keine Angst vor der Geschwindigkeit hatte.

Inzwischen nervte es mich, immer meine Freunde um ihre Autos anbetteln zu müssen, wenn wir uns nachts trafen, und so entwickelte ich eine andere Taktik. Wenn meine Eltern schliefen, schnappte ich mir den Autoschlüssel und schlich mich aus dem Haus. Ich öffnete das Fahrzeug, nahm den Gang heraus und schob es aus unserer leicht abschüssigen Zufahrt bis zur Straße. Dort stieg ich erst ein und startete den Motor, um selbst zu den Treffen zu fahren. Es gab eine Strecke, auf der wir uns hin und wieder ein Rennen lieferten. Zwei Autos gingen an den Start und rasten über die Feldwege. In einer inzwischen legendären Kurve ist eigentlich jeder mindestens einmal geradeaus gefahren, anstatt abzubiegen, weil er sein Fahrzeug und sich selbst überschätzt hat. So dann auch ich irgendwann mit dem Wagen meines Dads. Viel zu schnell kam ich in die Kurve und verlor sofort die Kontrolle. Da mich mein unfreiwilliger Ausflug direkt in ein Maisfeld führte, konnte ich die restliche Nacht damit verbringen, den Wagen meines Dads zu polieren und diverse Kratzer verschwinden zu lassen.

Als ich endlich den heiß ersehnten Führerschein in den Händen hielt, bekam ich von meinem Dad einen kleinen Audi A2. Es war auch mein Wunsch gewesen, dieses Auto zu haben, aber er war mir bald zu langsam und einfach ein typisches Frauenauto, ein kleiner Cityflitzer eben. Viel zu kleiner Motor, als dass man damit hätte richtig fahren können, auch wenn er allen erdenklichen Luxus eines Audis besaß. Außerdem wurde mein Dad zunehmend strenger. Er wollte nicht, dass ich nur noch mit dem Auto unterwegs war und wollte immer wissen, wann und wohin ich fuhr. Das nervte mich extrem und so fragte ich meinen Opa nach seinem Auto, wenn mein Dad mir Autoverbot erteilte.

Mein Opa war ganz anders, als mein Dad. Er gab mir seinen alten Jetta sofort und ließ ihn mich behalten, so lange ich wollte. Er selbst brauchte ihn ohnehin nur selten. Der Jetta ist ein richtiges Familienauto. Zuerst hat er meinem Opa mütterlicherseits gehört und dann meinem Opa väterlicherseits. Und inzwischen ist er mein Auto. Nachdem mein Opa seinen Führerschein abgeben musste, kam der Jetta zu uns. Zwar versuchte mein Dad, die Kontrolle über die Autos und meine Fahrten zu behalten, aber der Kilometerzähler des Jettas ist schon seit Jahren stehen geblieben, so dass es leicht war, ihn heimlich zu entführen. Ich markierte mit Steinen den genauen Standort des Autos und sah zu, dass der Stand der Tankanzeige gleich blieb. Zum Glück wurde ich selten erwischt.

Dem Jetta gehörte schon bald mein Herz. Er ist Baujahr 1989 und hat einen 1,8 Liter Motor mit 90 PS. Klingt nicht viel, geht aber, da er nicht einmal eine Tonne wiegt. Für die meisten Kleinwagen reicht es noch. Als Limousine sehr stilvoll und dennoch sportlich zu fahren, war er schnell mein Liebling. Zu meinem Bachelorabschluss bekam ich den Jetta von meinem Dad geschenkt und war glücklich! Dank einiger Beulen heißt der Jetta nun „der KampfJetta“ und wir fahren regelmäßig auf Autotreffen mit der Jetta IG. Vieles kann ich selbst reparieren und er gilt ohnehin als unkaputtbar. Kleine Macken hat er zwar, aber die machen ihn nur liebenswürdiger, denn wer hat nicht ein paar Kratzer und Macken? Außerdem ist es noch das, was man als „richtiges“ Autofahren bezeichnet, wenn man einen alten Wagen ohne jegliche technische Spielereien unter dem Hintern hat. Jede Fahrt bei Regen ist besser, als ein Fahrsicherheitstraining. Dieses Auto hat mir beigebracht, meine Grenzen zu kennen und entsprechend zu fahren. Er hat mich noch nie im Stich gelassen und seit dem Tod meines Opas bedeutet er mir noch mehr, als ohnehin schon. Inzwischen habe ich angefangen, ihn zu restaurieren, damit er eines Tages wieder so aussieht, wie 1989, als er vom Band lief.

Zu meinem Masterabschluss hat mein Dad mich gefragt, ob ich nicht ein neues Auto haben möchte. Was für eine Frage… wir haben einen Jetta 6 in blau-metallic bestellt, einen mit 200 PS. Dieser Wagen wird im April geliefert und ich kann es kaum abwarten. Er ist mein Traumauto! Und der alte KampfJetta bleibt natürlich bei mir und wird weiter restauriert.

Impressum

Texte: Betty J. Viktoria
Bildmaterialien: Betty J. Viktoria
Tag der Veröffentlichung: 04.02.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dem besten Auto der Welt: VW JETTA!

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